Analyse
Erscheinungsdatum: 27. Januar 2024

Bündnis Sahra Wagenknecht: Eine Frau und ihre Partei

Beim ersten Bundesparteitag inszeniert sich das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ als Friedenspartei und seriöse Alternative für enttäuschte Wähler. Es wird deutlich: Die Person Wagenknecht bleibt auch programmatisch die wichtigste Botschaft.

Der erste Parteitag der Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht“ beginnt mit Standing Ovations für die Gründerin, die in einem roten Kostüm, pünktlich um 10 Uhr, die Halle betritt. Diese Inszenierung der Person Sahra Wagenknecht und der neuen Partei als rettende Kraft für ein schlecht regiertes Deutschland bleibt das wichtigste Motiv des Tages. Mit Wagenknecht betritt auch Oskar Lafontaine den Saal. Er hatte erst vor kurzem seine BSW-Mitgliedschaft bestätigt. Beim Parteitag sitzt er in der ersten Reihe zwischen Generalsekretär Christian Leye und Wagenknecht.

Kritik an der Ampel-Koalition dominieren die meisten Reden des Tages. Sie sei der Grund, warum immer mehr Menschen sich von der Politik abwenden, sagt der stellvertretende Parteivorsitzende Shervin Haghsheno. Er ist ein Politik-Quereinsteiger und war bis vor Kurzem als Ingenieur tätig. Warum Deutschland in vielen Bereichen Schlusslicht in Europa sei, fragt Co-Parteivorsitzende Amira Mohamed Ali. Statt eigene rhetorische Akzente zu setzen, zitiert sie Wagenknecht, die einst in einer Rede im Bundestag gesagt habe: „Weil wir die dümmste Regierung Europas haben.“ Es wird deutlich: Ohne Sahra Wagenknecht geht es nicht.

In ihrer Rede arbeitet sich die Parteivorsitzende an der Regierung ab. Den Politikern sei egal, wenn auf dem Land kein Bus mehr fahre und die letzte Arztpraxis schließe. Gleichzeitig inszenierten sich besonders die Grünen als „Gutmenschen“, denen jede Kröte wichtig sei. Diese „Diskrepanz zwischen aufgeblasenem Moralismus dieser angeblichen Fortschrittskoalition und ihrer in Realität zutiefst amoralischen Politik“ treibe die Menschen um.

Bei ihren Anhängern sorgen Wagenknechts Spitzen immer wieder für Beifall. Konkrete politische Forderungen bleiben dagegen selten. Wagenknecht fordert einen höheren Mindestlohn und ein Rentensystem „wie in Österreich“. Eine Reform des Gesundheitssystems (wie genau diese aussehen soll, sagt sie nicht). Energie müsse bezahlbar sein und Wirtschaftssanktionen, die nicht Russland, sondern dem eigenen Land schadeten, müssten abgeschafft und „alle Belastungen für Landwirte“ zurückgenommen werden.

Auch für den Aufstieg der AfD macht Wagenknecht die Regierung verantwortlich. So werde jede Kritik an der Politik gleich als rechts diffamiert, wie zuletzt die Demonstrationen der Bauern. Das kenne man schon von den Protesten während der Corona-Pandemie. „Wenn man den Leuten jahrelang eingehämmert hat, dass jede vernünftige Kritik rechts ist, dann ist es kein Wunder, dass eine rechte Partei erfolgreich ist.“ Dass die Ampel-Politiker nun bei Anti-AfD-Protesten auf die Straße gingen, sei absurd. „Wenn sie die AfD wirklich schwächen wollen, müssen sie nicht demonstrieren, dann müssen sie endlich ihre miserable Politik ändern.“

Auch das Datum, den Internationalen Holocaust-Gedenktag, nutzt die BSW für eine rhetorische Abgrenzung von der AfD. Die Eröffnungsrede hält Publizistin Daniela Dahn. Dahn ist nicht Mitglied des BSW, aber sie war eine Erstunterzeichnerin des „Manifests für den Frieden“, das Wagenknecht im vergangenen Jahr mit Alice Schwarzer veröffentlicht hatte. Der Holocaust sei weit mehr als ein Fliegenschiss, sagt sie – so hatte AfD-Chef Alexander Gauland die Nazizeit bezeichnet. Die BSW stehe dagegen für Antirassismus und Antifaschismus. Sie sei außerdem die einzige konsequente Friedenspartei im Parlament. Es folgt eine Schweigeminute für die Opfer des Holocaust.

Generalsekretär Christian Leye greift die AfD am konkretesten an: Während sie die Bauern bei ihren Protesten unterstützt habe, fordere sie in ihrem Programm die Streichung deren Subventionen. „Liebe Bauern, bitte lest euch das durch!“, ruft er. Auch um Arbeiterinnen und Arbeiter und ihre Probleme kümmere sich die AfD nicht wirklich. „Das ist keine Antisystempartei. Sie ist das System, aber in undemokratisch und gemein.“

Die wahre Antisystempartei, das soll in Zukunft das BSW sein – diese Botschaft soll von dem Parteitag ausgehen. „Wir sind die seriöse Adresse für diejenigen, die sich schlecht regiert fühlen“, sagt Co-Parteichefin Mohamed Ali. Auf ihrem ersten Parteitag präsentiert sie sich als populistische Kraft mit linken Akzenten, die sie auf dem Parteitag deutlicher betont als zuvor. Passend dazu erfolgt eine Abgrenzung von der ehemaligen Partei: „Wir sind keine Linke 2.0“, sagt Wagenknecht. Das müsse auch für den Umgang miteinander gelten. „Lasst uns eine Partei des Miteinanders werden.“

Zu dem Programmentwurf für die Europawahl, bei der das BSW im Juni antreten will, gab es keine Änderungsanträge, eine Debatte und inhaltliche Auseinandersetzungen blieben aus. Der Spitzenkandidat des BSW für die Europawahl, Fabio De Masi, machte das Misstrauen des BSW gegenüber den europäischen Institutionen deutlich. Leitmotiv des Programmes laute: „Weniger ist mehr.“ Das BSW strebt ein „unabhängiges Europa souveräner Demokratien an“. Die Integration Europas „in Richtung eines supranationalen Einheitsstaats hat sich als Irrweg erwiesen“.

Das BSW wolle ein Lohndumping im Binnenmarkt unterbinden und fordert die Einführung eines europäischen Mindestlohns. Ein Postulat, das auch die Linke in ihrem Programm hat. Auch die Forderung einer Übergewinnsteuer im Industriesektor und einer Reform der Schuldenbremse ist beiden Parteien gemeinsam. Die Macht großer Konzerne wie Google oder Amazon müsse eingeschränkt werden, sagte De Masi. Das BSW fordert, die Energiesanktionen gegen Russland zu beenden. Sie schadeten nicht Putin, sondern Deutschland.

Das Thema Migration sparte De Masi in seiner Rede aus. Auch das Programm bleibt dazu relativ unkonkret: Illegale Migration müsste gestoppt und in den Heimatländern müssten Perspektiven verbessert werden, heißt es dort. Das Recht auf Asyl wird nicht infrage gestellt. Zuwanderung dürfe die Kapazitäten vor Ort aber nicht überfordern. Bei der Vorstellung des Europawahlprogramms Anfang Januar war bereits deutlich geworden, dass sich die beiden Spitzenkandidaten Fabio De Masi und der ehemalige Düsseldorfer Bürgermeister Thomas Geisel bei dem Thema nicht ganz einig sind.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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