Die CDU kämpft gerade sehr mit sich selbst. Wo kommt diese Unsicherheit her?
In den letzten Wochen ging es viel um die guten Umfragewerte der AfD. Wir sind und bleiben da aber glasklar. Für uns gibt es kein Zusammenwirken und keine Zusammenarbeit mit dieser Truppe. Ich habe niemanden gehört, der dies anders sieht.
Es gab Äußerungen von Parteichef Friedrich Merz zum Umgang mit der AfD – und die Reaktionen haben große Risse offengelegt. Wieso ist die CDU so erschütterbar?
Ist sie nicht. Das hat die Debatte der letzten Tage deutlich gezeigt. Da war große Einigkeit im Umgang mit der AfD. Niemand hat den Bundesparteitagsbeschluss in Frage gestellt. Wir haben mit denen nichts gemein.
Nichts?
Natürlich nicht. Die AfD passt intellektuell und habituell nicht zu uns. Wir haben mit diesen Leuten keine Gemeinsamkeiten. Wo die AfD in unserer Gesellschaft Unsicherheit, Hektik und Wut für ihr politisches Geschäftsmodell braucht, setzen wir als gesellschaftliche Kraft der Mitte, die im Gegensatz zur AfD echte Verantwortung für unser Land übernehmen will, auf Gelassenheit, Demut, Sicherheit und Stabilität. Wir sind die Antithese zur AfD.
Woran machen Sie das fest?
Meine Überzeugung ist, dass man politische Themen, die die Menschen sichtlich bewegen, nicht tabuisieren darf, aber mit dem richtigen Ton ansprechen muss. Sobald wir als CDU ernsthaft über die Probleme der Migration im Land diskutieren, kommt reflexartig der Aufschrei von links, dass das die AfD stärken würde. Exakt das Gegenteil ist der Fall. Wenn wir diese Probleme, die den Menschen in Ihrem Alltag begegnen, nicht mehr in der politischen Mitte diskutieren, dann werden die Menschen sich dorthin orientieren, wo man über diese Probleme spricht. Deshalb machen Linke und Grüne in ihren alten Reflexen hier einen gewaltigen Fehler. Da hilft dann auch alles Geschimpfe über die AfD nichts. So wird man sie nicht wieder in die politische Bedeutungslosigkeit bekommen, wo diese Truppe hingehört.
Warum findet die Partei aktuell diese Mitte nicht?
Das sehe ich ganz anders. Wir sind mit unserem neuen Grundsatzprogrammprozess auf einem super Weg. Hier legen wir unsere inhaltliche Ausrichtung für die 20er Jahre dieses Jahrhunderts zu Grunde. Modern und konservativ zu sein meint doch gerade, Verlässlichkeit und Ordnung sowie Lust auf Unbekanntes und Kreativität zu verbinden. Konkret heißt das, Brücken zu bauen, statt Gräben zu ziehen. Zum Beispiel heißt das für mich auch ein positives Wir-Gefühl als Nation – in Ost und West. Das folgt aber natürlich keiner kruden Stammbuchlogik, sondern der Frage: Wollen wir als eine Gemeinschaft, die sich über Werte und die Bereitschaft zur Verantwortung verbunden fühlt, die Zukunft unseres Landes gemeinsam gestalten?
Wenn das das Ziel ist – wieso erklärt Friedrich Merz die Grünen dann zum Hauptgegner in der Koalition?
Als Friedrich Merz das geäußert hat, saß ich auf dem Podium neben ihm. Wir stehen für die Bereitschaft zum Wandel. Aber einem Wandel, der die Menschen nicht überfordert. Zuviel Veränderung auf einmal gibt den Menschen mitunter das Gefühl der Ohnmacht. Für dieses beklemmende Gefühl sorgt die Bundesregierung aktuell leider nahezu jeden Tag. Denken sie nur an das verkorkste Heizungsgesetz und mit wöchentlich neuen Verbotsdebatten, gerade der Grünen. Schlechtes Regieren kostet immens Vertrauen – leider in der gesamten politischen Mitte.
Alle reden über Friedrich Merz und geben dem Parteichef die Schuld für die große Unsicherheit der Partei. Was kann er tun, um da rauszukommen?
Das ist Quatsch. Wirklich. Wir brauchen mehr Gelassenheit im Umgang mit der ein oder anderen Formulierung in Interviews. Die gesellschaftliche Nervosität ist im Moment schon groß. Wir leben in unserem Land in einem ganz sensiblen Gleichgewicht und zunehmend in einer unsicheren Welt. Bisher war dieses Jahrzehnt geprägt von ineinander verwobenen Krisen: Corona. Klimakrise. Krieg in der Ukraine. Sowas hinterlässt Spuren. Das hat viele alten Gewissheiten in Fragen gestellt und erschüttert. Heute geht es mehr denn je um Krisenkompetenz. Und es geht darum, diesem damit einhergehenden Wandel Struktur, Führung und Ziel zu geben. Unser Bundesvorsitzender Friedrich Merz wird das sehr gut managen.
Welche Verantwortung tragen jene, die ihn nicht gewählt haben – und ihn jetzt immer wieder kritisieren?
Für uns muss gelten: Nach innen geschlossen und nach außen entschlossen.
Braucht es einen großen Knall, um aus der Lage rauszukommen?
Attraktiv sind wir als Partei mit inhaltlicher Anziehungskraft und Problemlösungskompetenz. Bei beidem legen wir stetig zu. Wir machen gute Politik und zeigen Gegenentwürfe zur katastrophalen Ampel auf. Was wir jetzt brauchen, ist vor allem Stabilität und Kontinuität.
Seit dem Abgang von Angela Merkel – erst in der Partei, dann als Kanzlerin – wirkt die Partei gespalten. Merz ist der dritte Parteichef nach Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet. Was sagt das aus?
Da liegen sicher keine einfachen Zeiten hinter uns. Die Aufteilung von Parteivorsitz und Kanzleramt hat sich rückblickend nicht bewährt. Und auch die Findung des Kanzlerkandidaten und dann der Bundestagswahlkampf waren bestimmt kein Ruhmesblatt für uns. Insgesamt hat der desaströse Umgang untereinander Vertrauen gekostet. Das will ich gar nicht bestreiten. Da gibt es auch nichts zu beschönigen. So dürfen wir das nicht mehr machen.
Man hat den Eindruck, das wirkt bis heute nach.
Danach haben wir es deutlich besser gemacht und einen guten Neubeginn hingelegt. Friedrich Merz wurde überzeugend von unseren Mitgliedern nominiert und dann auf dem Bundesparteitag mit einem richtig starken Ergebnis gewählt. Er hat es geschafft, die Partei zu einen und wir sind seit über einem Jahr stabil stärkste Kraft. Das hätten uns nach der Bundestagswahl nicht viele zugetraut. Klar ist aber auch, knapp 30% sind kein zufriedenstellender Wert für uns.
Geeint? Das wirkt vor allem bei jenen anders, die sich Angela Merkels Politik verbunden fühlen.
Worauf wir achten sollten: Es hat keinen Sinn, mit der CDU-Vergangenheit zu brechen. Ein Bruch mit der eigenen Vergangenheit führt am Ende immer zum Bruch mit sich selbst. Als Partei wird man so nicht attraktiver. Die CDU heute ist eine andere Partei als vor 10 Jahren. Es muss also möglich sein, auf dem bisher Erreichten Neues zu entwickeln. Christdemokratie entwickelt sich immer weiter. Das liegt in unserer DNA. Wenn sich die Welt verändert, wenn sich politische Rahmenbedingungen verändern, verändern wir uns immer mit. Genau das unterscheidet uns von den Dogmatikern.
Wie groß ist die Gefahr, dass diese Spaltung in Lager zu einem immer größeren Graben führt?
Die CDU hat alle Chancen, wenn sie geschlossen ist, wir werden aber immer scheitern, wenn wir streiten. Ich sehe in unserer Union keine Lager und keine Spaltung. Die CDU war immer dann am stärksten, wenn der Flügelschlag aus unseren drei Wurzeln, dem Christlich-Sozialen, dem Konservativen und dem Liberalen für einen echten Aufwind gesorgt haben. Wenn sich breite Teile der Bevölkerung hierbei auch in Gesichtern unserer CDU wiedergefunden haben. Da war ein Norbert Blüm auf der einen, und ein Roland Koch auf der anderen Seite. Einen wie Kurt Biedenkopf oder Rita Süßmuth als starke Stimme für Frauen und Familien. Diese Köpfe haben wir heute wieder in unserer Volkspartei. Der Job ist es, diese Vielfalt sichtbar zu machen und ein Team zu formen, dem man vertraut und zu dem dann auch die Menschen im Land einfach gerne dazugehören wollen.
Die CDU in Baden-Württemberg ist vor Jahren auch in eine solche Situation geschliddert. Was sagt die eigene Erfahrung: Was ist jetzt nötig?
Sich darüber zu definieren was man nicht ist, muss scheitern. Man kann mit Niederlagen auf zwei Arten umgehen. Man kann sich in die Ecke stellen, schmollen und die Schuld bei allen anderen suchen. Oder man schaut sich die eigenen Fehler an, lernt etwas daraus und macht es danach besser. Wir haben uns in Baden-Württemberg, zugegeben nach ein paar Jahren, für den zweiten Weg entschieden. Das war sehr gut so.
Geht es konkreter?
Wir denken Politik vom Menschen her und nicht von einem Ideologiegebäude, einem theoretischen Idealzustand her. Eine moderne und pragmatische Volkspartei meint für uns, unser Land zu lieben, stolz zu sein auf das gemeinsam Erreichte, in der Heimat verwurzelt zu sein, Familie und Verbindlichkeit zu schätzen, wissen zu können, dass nicht jeden Tag alles neu erfunden werden muss, sondern ein paar Dinge verlässlich sind. Zugleich aber offen und neugierig zu sein für Anderes, Neues, Unbekanntes und Fremdes. Bereit zu sein für Chancen und daraus Zuversicht für die Zukunft zu schöpfen. Wenn ich im Land unterwegs bin, erlebe ich, wie das eine ansteckende Neugierde auf Christdemokratie auslösen kann. Das macht Freunde.
Die Sorgen in Deutschland werden größer. In der Wirtschaft bangt man um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Warum ist die Union zurzeit nicht der natürliche Partner im Kampf gegen diese Sorgen?
Die Wahrheit ist wohl, dass es uns noch nicht im ausreichenden Maß gelungen ist, Vertrauen zu bekommen. Die Weltwirtschaft wächst im Moment um drei Prozent. Die deutsche Wirtschaft hingegen schrumpft voraussichtlich. Die Probleme hierfür sind hausgemacht. Wenn der Bundeswirtschaftsminister dann in den Tagesthemen die Stirn in Falten legt und sich selber bemitleidet, weiß man ja nicht so richtig, ob er einem leidtun oder ob man sich ärgern soll. Klar ist: Herr Habeck ist mit dieser Situation und mit seinem Amt ganz und gar überfordert. Ihm fehlt jedes Rüstzeug für den Job und für die gewaltige Aufgabe, die jetzt vor einem Wirtschaftsminister liegt – handwerklich, organisatorisch, fachlich. Mit dem neuen 5-Punkte-Plan der Union zur Entlastung der Bürger und der Unternehmen zeigen wir auf, dass wir Lösungen im Gepäck haben. Ich finde, dass hier die CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit Jens Spahn und Julia Klöckner einen super Job macht.
Trotzdem läuft die große Mehrheit nicht zur CDU über. Warum nicht?
Wir haben vor wenigen Tagen ein Programm für die deutsche Wirtschaft vorgelegt. Das setzt auf niedrigere Energiepreise, schnellere Entscheidungen und mehr Freiheiten. Es setzt auf Stabilität, Berechenbarkeit, Planungssicherheit und Verlässlichkeit. Das sind die Probleme, die mir jeden Tag von Handwerkern und Mittelständlern im Land berichtet werden. Herr Habeck schafft mehr Probleme als er löst. Meine feste Überzeugung ist aber: Nur mit dem Lösen von Problemen kann neues Vertrauen entstehen. Die Union wird diese ineinander verwobenen Krisen weit besser meistern als die Ampel.
Schaut man auf die Umfragen, dann haben viele Leute genau dieses Gefühl nicht. Die CDU wirkt wie eingeklemmt zwischen der Regierung und der AfD. Wie wollen Sie da raus kommen?
Die Leute interessiert die Frage, ob wir eine Idee davon haben, wie ihr Alltag aussieht, wie wir diesen konkret besser machen wollen. Das eigentliche Problem ist doch der massive Vertrauensverlust in die Handlungsfähigkeit des Staates. Das trifft alle demokratischen Parteien. Für mich geht es um die Fragen: Warum dauern Baugenehmigungen so lange? Warum dauert die Sanierung von Schienen so lange? Warum schließen im ländlichen Raum unsere Bäcker, die Bankfilialen und die Dorfwirtschaft? Wann bekommen wir das mit den Funklöchern endlich in den Griff? Wie entfesseln wir unser Land von der überbordenden Regulierung? Für all das werden wir als CDU ein überzeugendes Angebot machen. Dafür, dass wir nicht nur über Jahre planen, sondern auch mal wieder fertigstellen. Vertrauen gewinnen wir nicht durch Personaldebatten, sondern durch Machen – durchs gut Machen!
Es gibt starke und ziemlich erfolgreiche Ministerpräsidenten der CDU. Sind das Partner oder Gegenspieler des Parteichefs?
Sie können es nicht lassen…. Ja, wir haben starke und erfolgreiche MPs. Auf die sind wir ja auch zurecht sehr stolz. Die CDU ist die einzige Partei, die den Föderalismus hochhält. Unser Aufbau als Partei ist von unten nach oben angelegt. Starke CDU Landesverbände und starke Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Union sind Garant für eine starke CDU auch im Bund. Das liegt ganz in unserem Wesen. Daraus schöpfen wir unsere Kraft. Ich erlebe sie alle als echte Teamspieler.
Was müsste geschehen, damit sie erkennbar zu Partnern des Parteichefs werden?
Sie sind Partner.
Zur Unruhe in der Partei trug auch bei, dass NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst schon als möglicher Kandidat 2025 ins Spiel gebracht wurde. Wie soll da Ruhe reinkommen?
Hendrik Wüst hat einen inhaltlichen Beitrag für den Bundesausschuss und den Grundsatzprogrammprozess gemacht. Da würde ich nicht zu viel hineininterpretieren. Ich würde mir eher Sorgen machen, wenn Hendrik Wüst inhaltlich nichts mehr einfallen würde, wenn es um die Zukunft unserer CDU geht.
Aktuell sind Sie Fraktionschef; im Herbst könnten Sie Parteichef werden. Wann kommt der Sprung?
Ich hatte schon die Hoffnung, dass die Frage ausbleibt. Aber im Ernst: Ich habe als Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion eine tolle Aufgabe. Morgens, wenn ich in den Spiegel schaue, denke ich nicht als Erstes daran, was wohl aus mir werden wird. Dazu ist auch keine Zeit. Wir haben einiges anzupacken bei uns im Land. Es geht darum, unsere Idee eines konservativ inspirierten Klimaschutzes umzusetzen. Ein Klimaschutz, der auf Pragmatismus statt Provokation setzt und unsere Wirtschaft und die Menschen mitnimmt. Uns geht es zuallererst ums Land, es geht uns um die Menschen in Baden-Württemberg und um unsere Zukunft. Unser Versprechen an die Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger ist: Sie können sich auf die CDU verlassen.
Klingt schön, aber bei Windrädern und Stromtrassen hängt Baden-Württemberg dramatisch hinterher. Wort und Tat wollen nicht zusammenpassen.
Das packen wir an. Konzentriert, verlässlich und mit der stets so notwendigen Zuversicht.
Die große Mehrheit auch bei den Grünen geht davon aus, dass Winfried Kretschmann bei der nächsten Wahl nicht mehr antreten wird. Mit wem rechnen Sie als Spitzenkandidaten der Grünen?
Winfried Kretschmann ist ein guter Ministerpräsident. Und er regiert auch dank uns Christdemokraten an seiner Seite gut und verlässlich. Was die grünen Personaldebatten angeht, ist mir das ehrlicherweise völlig wurscht. Wir werden uns auf unsere Idee für Baden-Württemberg konzentrieren. Es wird vor allem um unsere eigene Stärke gehen.