Analyse
Erscheinungsdatum: 06. Januar 2023

Auf den Spuren des Andenpakts

Spanish President Pedro Sanchez and French President Emmanuel Macron are seen during the signing of the agreement during the 27th Spain-France Summit

Leise und unaufgeregt wächst in der CDU ein Netzwerk junger und mächtiger werdender Politiker zusammen, die nicht im Stil, aber zunehmend in ihrem Anspruch an die einstige Runde um Roland Koch, Christian Wulff und Günther Oettinger erinnern. Sie kommen aus Ost und West, Nord und Süd – und besetzen längst wichtige Posten. Der mögliche Profiteur heißt Hendrik Wüst.

Bestimmen sie bald, wo es in der CDU lang gehen wird? So weit ist es noch nicht. Aber das Netzwerk junger Christdemokraten, das seit einiger Zeit mit zunehmender Neugier in der Partei beobachtet wird, erinnert an jenes Bündnis namens Andenpakt, das einst in den siebziger Jahren von den damals noch sehr jungen Roland Koch und Peter Müller, Christian Wulff, Günther Oettinger und Matthias Wissmann gegründet wurde. Ein Schwur auf Loyalität und gegenseitige Unterstützung, einst im Flugzeug über den Anden in die Hand versprochen. Was diese heute älteren Herren später wurden, sind jene, um die es hier gehen soll, schon geworden.

Die erste Schlüsselfigur heißt Nathanael Liminski. Liminski hat für seine 37 Jahre schon eine mächtige Karriere hinter sich: erst als enger Mitarbeiter von Thomas de Maizière, dem er im Verteidigungs- und im Innenministerium diente; dann als Büroleiter und Staatskanzleichef von Armin Laschet – und heute als Minister für Europa und Bundesangelegenheiten für Hendrik Wüst. Wer wissen will, wie alles Gute und Heikle in der Politik ineinandergreift und funktioniert, dem kann nichts Besseres passieren als eine solche Karriere. Liminski kennt Siege und Niederlagen. Und er weiß, wie man nach Niederlagen wieder aufsteht.

Nicht minder wichtig, vor allem als Netzwerker, ist Paul Ziemiak. Auch er hat eine längere Geschichte und rein formal einen Abstieg hinter sich: Nach fünf mühsamen und selten glücklich machenden Jahren als CDU-Generalsekretär der Bundespartei hat er im November ebendieses Amt unter Landeschef Wüst in Nordrhein-Westfalen übernommen. Eng vernetzt mit Liminski, der zuvor die Staatskanzlei in Düsseldorf führte. Ziemiak ist Bundestagsabgeordneter geblieben; er bekommt auf diese Weise vieles mit, ohne sich in den Machtscharmützeln der Fraktion zu verschleißen. In Berlin alles hören und die CDU im größten Bundesland organisieren – eine gute Ausgangslage, um sich für die Zukunft zu positionieren.

Und dann ist da das Trio Sebastian Lechner, Manuel Hagel und Jan Redmann. Der 42-jährige Lechner ist Fraktionschef in Niedersachsen und wird sehr wahrscheinlich am 21. Januar zum neuen Landesvorsitzenden gewählt. Der Baden-Württemberger Manuel Hagel (34) führt seit 2021 die Landtagsfraktion in Stuttgart und hat, vorsichtig ausgedrückt, durchaus Chancen, auch noch den Landesvorsitz zu erobern. Und als Spitzenkandidat der CDU bei der Landtagswahl 2026 anzutreten. Und Jan Redmann, geboren 1979 in Pritzwalk, leitet seit 2019 die brandenburgische Landtagsfraktion.

Im Schatten der nie gänzlich geklärten Machtfrage, die die Partei seit Angela Merkels Abgang als CDU-Vorsitzende 2018 belastet, ist damit eine neue Gruppe mächtiger Mitspieler entstanden, die unaufgeregt und leise stetig einflussreichere Posten besetzen. Obwohl ihre Namen mindestens teilweise noch nicht allzu bekannt sind, werden sie mehr und mehr eine Rolle spielen. Und die Figur, um die sich da etwas aufbaut, ist längst ein großer Faktor bei den Christdemokraten. Gemeint ist der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst, der Liwinski und Ziemiak ohnehin an seiner Seite weiß.

Zusammen repräsentieren sie alle vier Himmelsrichtungen in Deutschland. Und sollte es ihnen gelingen, ihre Macht auszubauen, werden sie auf künftigen Bundesparteitagen ein mächtiges Wort mitreden. Nimmt man dort die Stimmen von NRW, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Brandenburg zusammen, dann wäre das die Mehrheit. Für Hendrik Wüst, der sich bei alldem vornehm zurückhält, kann das zum großen Trumpf werden; für Friedrich Merz vielleicht bald zum Problem.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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