Analyse
Erscheinungsdatum: 21. März 2023

Agrarministerkonferenz: Brandbrief der Unionsminister an Cem Özdemir

Bild: IMAGO / Olaf Wagner

Vor der Agrarministerkonferenz an diesem Mittwoch legen sich Länderminister der Union mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir in Sachen Tierhaltung an. Milchviehhalter fordern zudem gemeinsam mit Umweltschützern eine Grünlandprämie – und Gans und Wolf machen Sorgen.

Schon am Freitag erreichte ein Brandbrief von fünf Landwirtschaftsministern der Union den grünen Bundeslandwirtschaftsminister. Betreff: „Drohender Abbau der Nutztierhaltung in Deutschland“. Darin beklagen die Unionspolitiker den von grünen Kollegen in Bund und Ländern angeschobenen Umbau der Tierhaltung. Vorwurf: „Dies ist kein Strukturwandel mehr, sondern ein Strukturbruch.“ Überall würden Schweinebetriebe aufgeben. „Baden-Württemberg verzeichnet den niedrigsten Schweinebestand seit 70 Jahren!“, heißt es in dem von Peter Hauks Ministerium in Stuttgart abgeschickten Brief. „Es darf nicht dazu kommen, dass wir unsere Tierhaltung exportieren und zugleich Tierleid importieren.“

Auch Bauernverbandsvertreter prophezeien seit Wochen, dass wegen der Ampel-Pläne für mehr Tierwohl billig produziertes Schweinefleisch etwa aus Spanien künftig deutsches Qualitätsfleisch ersetzen werde. Aktuelle Zahlen vom vergangenen Freitag zeigen das nicht, im Gegenteil: Von 2017 bis 2022 nahm die Menge des importierten Schweinefleischs laut Statistischem Bundesamt um knapp ein Viertel ab. Im selben Zeitraum sank freilich auch die Exportmenge um ein Fünftel.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium hält trotz der Kritik an seinen Umbauplänen hin zu weniger Tieren pro Stall fest. „Es ist aus Sicht des BMEL alternativlos für Betriebe, Umwelt und Klima, dass die Tierhaltung zukunftsfest aufgestellt werden muss“, heißt es in einer Stellungnahme des Ministeriums, die dem Berlin.Table vorliegt. „Dazu gehört es, Landwirtinnen und Landwirten dabei zu unterstützen, weniger Tiere besser, also mit mehr Platz im Stall zu halten.“

Die aktuelle Entwicklung sei auch Folge einer auf das Prinzip „Wachse oder Weiche“ fixierten Politik, sagte eine Sprecherin des BMEL. So sei die Zahl Schweine haltender Betriebe von rund 60.000 im Jahr 2010 auf rund 32.000 Betriebe im Jahr 2020 gesunken – bei in etwa gleich bleibenden Tierzahlen. Soll heißen: Immer weniger Betriebe mit immer mehr Tieren haben dank geringerer Betriebskosten höhere Gewinne eingefahren. Özdemirs Ministerium, heißt es, arbeitet neben dem Gesetz für eine verbindliche staatliche Tierhaltungskennzeichnung auch mit Hochdruck an einem Förderprogramm für den Umbau zu tiergerechteren Ställen. Denn: „Weniger Tiere besser zu halten, das zahlt auch ein auf Klima- und Umweltschutz. Vonseiten des BMEL wird alles darangesetzt, dass verbleibende Hürden beim Umbau der Tierhaltung so schnell wie möglich aus dem Weg geräumt werden.“

Der Kieler Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU), selber Schweinehalter, untermauerte gegenüber Berlin.Table seine Haltung mit Verweis auf eine Besonderheit im geplanten Gesetz. „Der Bund muss die Kritik der Länder ernst nehmen, sonst wird es zu einer Verlagerung der Erzeugung und Verarbeitung von tierischen Lebensmitteln ins Ausland kommen, insbesondere durch die im Entwurf des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes enthaltene freiwillige Kennzeichnung für ausländische Ware“, so der Gastgeber der AMK. „Dies hätte zur Folge, dass wir Importe von Erzeugnissen aus einer Haltung hinnehmen müssten, die nicht unseren Vorstellungen von Tierwohl und Tierschutz entspricht.“

Für die Putenmast sehen die Landespolitiker der Union eine ähnlich schlechte Entwicklung wie beim Schwein voraus. „Die bei der Putenhaltung vorgesehene Reduzierung der Belegungsdichte um 30 Prozent“, heißt es im Brief, „darf nicht als bundesdeutscher Alleingang oder ohne Ausgleich der Mehrkosten erfolgen.“

Auch die Milchviehhalter sehen sich in der Krise. Im Vorfeld des Büsumer Spitzentreffens ist der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter eine Allianz mit der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und den Umweltverbänden Nabu, BUND, WWF und Greenpeace eingegangen. Sie fordern eine Prämie für Grünland. Aus Sicht der Umweltschützer ist die Weidehaltung auch für das Klima wichtig, weil Grünland deutlich mehr Kohlenstoff im Boden speichert als Ackerhaltung. Doch statt Weiden seien zuletzt Boxenlaufställe gefördert worden. Folge: Die Zahl der auf Grünland gehaltenen Kühe ging von 42 Prozent im Jahr 2010 auf 31 Prozent 2020 zurück laut einer aktuellen Erhebung von Greenpeace. „In Bayern stehen vier von fünf Kühen das ganze Jahr im Stall“, so Landwirtschaftscampaigner Martin Hofstetter. „Der Bund muss jetzt die Trendwende einleiten. Es gibt ausreichend Gelder der EU, die dafür genutzt werden können.“

Immerhin, in AMK-Gastgeber Schwarz hat das Verbände-Bündnis einen Fürsprecher gefunden. „Weidehaltung hat ein gutes Image und prägt das Bild der norddeutschen Kulturlandschaft. Sie dient dem Tierwohl, hilft, Grünland zu erhalten und dem Rückgang der Artenvielfalt entgegenzuwirken“, so der Minister, der zuvor Landesbauernpräsident war. „Ich werde mich daher dafür einsetzen, dass diese traditionelle Haltungsform nicht zu einem Auslaufmodell wird und im Rahmen der Öko-Regelungen endlich Berücksichtigung findet.“ Das BMEL verspricht zu prüfen, „ob und wie Dauergrünland und Weidehaltung noch stärker gefördert werden können“.

Und dann sind da noch die Wildtiere, die den Bauern zusetzen. „Auf den Inseln Föhr und Pellworm verkoten die Nonnengänse derartig die Felder, dass quasi keine Bewirtschaftung mehr möglich ist“, so Schleswig-Holsteins Bauernpräsident Hans-Peter Lucht. „Wir verzeichnen auch auf dem Festland bis hin nach Hessen schon Ertragsverluste durch Gänse.“ Auch die Freihaltung von Hühnern sei in Gefahr, weil die Gänse die hochansteckende Vogelgrippe übertragen würden. „Deshalb müssen wir die Bestände niedrig halten“, so Lucht. „Dasselbe gilt für den Wolf. Rudelbildung wie etwa in Niedersachsen verträgt sich nicht mit Nutztierhaltung. Sogar bei uns an der Küste sind neben Schafen schon Fohlen und Kälber gerissen worden.“

Auch im Europaparlament gab es bereits eine Mehrheit für die Aufhebung des hohen Schutzstatus' des Wolfs. Die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke blieb bisher hart. Ihre Parteifreundin, die in Büsum anwesende Staatssekretärin Silvia Bender (Grüne), wird viele Klagen auch abseits der offiziellen Konferenz hören, etwa auf der Bühne des Deutschen Bauernverbands.

Mit Treckern werden Lucht und seine Bauernverbandskollegen diesmal demonstrativ nicht demonstrieren. Denn nach Büsum wollen die sogenannten Freien Bauern tuckern, die nichts vom Bauernverband halten. Abfahrt ist am „Denkmal für die Schlacht bei Hemmingstedt“, wo im Jahr 1500 Dithmarscher Bauern den dänischen König schlugen. Nach den Provinzwahlen in den Niederlanden, wo die „Bauern Bürger Bewegung“ jetzt 19 Prozent holte, wittern die deutschen Brüder im Geiste Morgenluft.

So sind nicht nur die Agrarminister gespalten, sondern auch die Bauern.

In einer früheren Version hieß es, die AMK beginne am Donnerstag. Wir haben das korrigiert und bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Briefings wie Berlin.Table per E-Mail erhalten

Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

Anmelden

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

Teilen
Kopiert!