Table.Briefing: Agrifood

Biobauern kontern Bayer-Lobbyisten Berninger + Protest russischer Landwirte + Marc Fesneau zeigt sich spendabel

Liebe Leserin, lieber Leser,

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird am morgigen Mittwoch in Straßburg die jährliche Rede zur Lage der Union halten. Die Ansprache setzt traditionell Akzente im Brüsseler Politikbetrieb und dürfte erkennen lassen, wohin die Reise in den kommenden Monaten geht. Dies gilt umso mehr im Jahr vor den Wahlen zum Europäischen Parlament, in dem insbesondere für die umstrittenen Landwirtschaftsthemen des Green Deals noch viele Weichen gestellt werden müssen.

Was also werden die Schwerpunkte dieser im Brüsseler Jargon auch SOTEU (State of the European Union) genannten Rede sein? Darüber wird zurzeit viel spekuliert. Fest steht: Während die Klimamission des Green Deals praktisch abgeschlossen ist, sind die Punkte Landwirtschaft und Biodiversität nicht nur weit von Einigungen entfernt, sondern gewinnen noch weiter an politischer Sprengkraft. Erinnert sei an dieser Stelle nur an den Gesetzentwurf zur Wiederherstellung der NaturAndere Dossiers im Zusammenhang mit der Landwirtschaft und dem Green Deal – darunter Gylophosat, Industrieemissionen oder das Sustainable Food System – werden ähnlich kontrovers diskutiert.

Tatsächlich ist geplant, dass die EU-Kommission zwei Tage nach der SOTEU-Rede den Entwurf eines Durchführungsrechtsaktes zur Verlängerung der Zulassung von Glyphosat veröffentlicht. Das Dokument befindet sich laut einer Vertreterin der Exekutive “in der internen Konsultationsphase”. Am 15. September soll es an die Gremienmitglieder in der Sitzung des Ständigen Ausschusses für Pflanzenschutz (Scopaff) verteilt werden.

Nicht nur beim Glyphosat drängt die Zeit. Auch die Einfuhrverbote für Weizen, Mais, Raps und Sonnenblumenkerne aus der Ukraine laufen am 15. September aus. Die Ukraine hat der EU bereits mit einer Klage vor der WTO gedroht, sollte sie die Verbote verlängern. Wie eine Sprecherin der EU-Kommission am gestrigen Montag mitteilte, arbeite die Kommission momentan “an Lösungen”, mit denen alle einverstanden sein würden. Eine Herkulesaufgabe.

Ihre
Claire Stam
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Analyse

FiBL und Ifoam widersprechen Bayer-Lobbyisten Berninger


Dass Agrarchemie die Subsahara-Länder Afrikas gegen Hungersnöte wappnen kann, bezweifelt Agraringenieurin Beate Huber. Sie ist Direktorin am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in der Schweiz und leitet die Abteilung für internationale Zusammenarbeit. “Die Produktivitätslücke in Afrika allein über den Import von hoch entwickelten Agrochemikalien schließen zu wollen, ist weder realistisch noch zielführend”, sagt Huber. Zuvor hatte Bayer-Lobbyist Matthias Berninger in einem Interview mit Table.Media aber genau das gefordert. So versetze man Afrika in die Lage, die eigene Produktion zu stärken und verhelfe dem Kontinent zur Unabhängigkeit gegenüber Nahrungsmittelimporten, lautet Berningers These.

Die Verwendung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln führe lediglich zu neuen Abhängigkeiten in Afrika, mahnt FiBL-Direktorin Huber. Sie beruft sich auf die “fatalen” Folgen des Ukraine-Krieges. Diese hätten gezeigt, wie schnell Importabhängigkeiten, beispielsweise durch steigende Weltmarktpreise und unterbrochene Lieferketten für Agrarrohstoffe, zu Hungersnöten auf dem afrikanischen Kontinent führen könnten.

Agrarökologie umfasst Nutzung lokaler Ressourcen

Mehr als 80 Prozent der Nahrungsmittel in Subsahara-Afrika werden nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) von Kleinbauern produziert. “Kleinbauern haben häufig keinen Zugang zu im Ausland produzierten Pflanzenschutzmitteln”, sagt Huber. Oder entsprechend verfügbare Ware sei zu teuer. Huber plädiert deshalb für eine agrarökologische Herangehensweise, die auf lokal vorhandenen Ressourcen aufbaut.

“Wir wissen aus unserer Vergleichsforschung in den Tropen, dass mit dem ökologischen Landbau gleiche Erträge erzielt werden können, wie im konventionellen Landbau“, sagt Huber. Mit deutlich positiveren Effekten auf die Umwelt, insbesondere Artenvielfalt und Bodenfruchtbarkeit.

Afrikanerin will nicht von Europäern bevormundet werden

Gegenwind bekommt Berninger auch von der Öko-NGO Ifoam. Dass hinter der Förderung von Agrarökologie lediglich ein ideologischer Ansatz stecke, weist deren Präsidentin Karen Mapusua zurück. Es gebe eine solide Beweisgrundlage für die Rolle dieser wissenschaftlichen Disziplin bei der Ernährungssicherheit, beruft sich Mapusua auf die FAO, die das System seit Jahrzehnten wissenschaftlich untersucht.

Kritik hagelt es auch aus Simbabwe: “Es ist nicht das erste Mal, dass sich ein Europäer dazu äußert, was Afrika braucht, und es wird sicher nicht das letzte Mal sein”, sagt Ifoam-Vorstandsmitglied Fortunate Nyakanda. Beklagenswert findet Nyakanda, dass es offenkundig nur darum gehe, den europäischen Einfluss in Afrika zu stärken. Afrika sei längst damit beschäftigt, nachhaltige Lebensmittelsysteme mithilfe agrarökologischer Standards aufzubauen.

Kleinbauern sparen Kosten für Betriebsmittel

Neben Importabhängigkeiten und negativen Einflüssen auf die Umwelt birgt die Toxizität von Pflanzenschutzmitteln auch gesundheitliche Risiken für Teile der afrikanischen Bevölkerung. Viele Farmer in Afrika seien Frauen, unter denen die wenigsten lesen und schreiben könnten, berichtet Nyakanda. Hinweise für eine sichere Anwendung giftiger Mittel würden deshalb weder verstanden noch umgesetzt. Schulungen zur erforderlichen Schutzausrüstung seien eine Seltenheit, die Ausrüstung meist unerschwinglich und für extreme Hitze unpraktikabel, sodass Agrarchemie ohne Schutzkleidung versprüht werde. Erschwerend komme hinzu, dass einige Elemente der Schutzausrüstung in den meisten afrikanischen Gemeinden kulturell als unangemessen gelten. Zusätzlich zu den gesundheitlichen Vorteilen des Ökolandbaus, ist dieser auch aus finanzieller Hinsicht für viele Bauernfamilien ein Gewinn, weil Kosten für chemische Betriebsmittel entfallen.

Ifoam-Präsidentin Mapusua und FiBL-Direktorin Huber dementieren weitere Aussagen Berningers. Dieser hatte der NGO Ifoam vorgeworfen, für die Nahrungsmittelkrise in Sri-Lanka verantwortlich zu sein. “Es ist bedauerlich, dass diese schon häufig widerlegte Erzählung jetzt wieder aufkommt”, sagt Mapusua.

Umstellung auf Biolandbau braucht Zeit

Es sei darüber hinaus “einfach nicht wahr, dass wir uns für ein Einfuhrverbot von Pestiziden und Düngemitteln eingesetzt haben”, so Mapusua. Die Regierung des Inselstaats im Indischen Ozean hatte im April 2021 chemische Dünger und Pestizide verboten. Fast über Nacht wollte das Land fatalerweise auf biologische Landwirtschaft umstellen. Ifoam, unter anderem tätig in Sri-Lanka, habe nach Bekanntwerden der Entscheidung für ein Importverbot chemischer Betriebsmittel darauf hingewiesen, dass ein solcher Wandel hin zu einer agrarökologischen Bewirtschaftung nicht über Nacht geschehen könne. Das hat auch die sri-lankische Regierung schnell eingesehen, die aus einer finanziellen Notsituation heraus entschieden hatte, um Ausgaben zu sparen. Das Verbot wurde Ende November 2021 aufgehoben. Die katastrophalen Folgen der Wirtschaftskrise lassen sich allerdings nicht mehr ungeschehen machen. Laut der FAO leiden immer noch Millionen Menschen in Sri Lanka an Hunger.

Rückenwind gibt ihr die FiBL-Direktorin. Dass Berninger trotz besseren Wissens Sri Lanka als ein Beispiel nenne für das vermeintliche Versagen des ökologischen Landbaus, wecke “erhebliche Zweifel an der Redlichkeit seiner Argumente”, sagt Huber. Jahrelang hat Sri-Lanka einen Großteil des Agrarhaushalts für den Import von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln ausgegeben. Hinzukamen finanzielle Zuschüsse für Landwirte. Mangels Zahlungsfähigkeit inmitten der Wirtschaftskrise im Jahr 2021 habe die Regierung diese Importe gestoppt. Diese verfehlte Landwirtschafts- und Wirtschaftspolitik wirkt noch heute nach.

  • Afrika
  • Biodiversität
  • Lebensmittel

“Digitalisierung ist in der Landwirtschaft mittlerweile unverzichtbar”

Jana Moritz, Referentin bei Bitkom

Welche Weichen sollte die europäische und deutsche Agrar- und Ernährungspolitik stellen?

Digitalisierung ist in der Landwirtschaft mittlerweile unverzichtbar: neun von zehn Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland sind davon überzeugt, dass digitale Technologien dabei helfen, Dünger, Pflanzenschutzmittel und andere Ressourcen einzusparen. Acht von zehn setzen digitale Technologien bzw. Verfahren bereits auf ihren Höfen ein. Zur Steigerung der Effizienz und Nachhaltigkeit muss daher besonders die Förderung digitaler Technologien im Fokus stehen, darunter IoT-Geräte, Datenanalyse, künstliche Intelligenz und Precision Farming. Eine zukunftsgerichtete Agrar- und Ernährungspolitik sollte sowohl Agrar-Startups, die innovative digitale Lösungen entwickeln, als auch etablierte Betriebe dabei unterstützen, den technologischen Fortschritt in der Landwirtschaft voranzutreiben.

Wie wird sich die Landwirtschaft Ihrer Meinung nach bis 2050 verändern?

Die Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen, die nur mithilfe digitaler Technologien bewältigt werden können. Bis 2050 wird sie daher von einer umfassenden Digitalisierung geprägt sein, wobei künstliche Intelligenz, Robotik, Sensoren und datenbasierte Entscheidungssysteme eine zentrale Rolle spielen. Der Einsatz digitaler Technologien ermöglicht zum Beispiel Precision Farming, was zu einer effizienteren Ressourcennutzung und somit mehr Nachhaltigkeit führt, sowie die lückenlose Rückverfolgbarkeit von Lieferketten, was Transparenz und Vertrauen erhöht.

Brauchen Landwirtinnen und Landwirtinnen noch Subventionen und wenn ja, wofür?

Eine ausgewogene und zielgerichtete Subventionspolitik, die die Bedürfnisse der Landwirtinnen und Landwirte, die Nachhaltigkeit und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit berücksichtigt, ist entscheidend, um die Vorteile von Smart Farming zu maximieren. Subventionen in der Landwirtschaft können dafür sorgen, dass auch kleine Betriebe sich die Transformation hin zu Smart Farming weiter leisten können und damit das volle Potenzial digitaler Technologien für mehr Nachhaltigkeit und Ernährungssicherheit ausgeschöpft werden kann.

Jana Moritz ist seit Juli 2023 Referentin für Digital Farming & Food Tech beim Digitalverband Bitkom. Ihr Fokus liegt auf innovativen Lösungen und Konzepten, die zu mehr Nachhaltigkeit und Effizienz in der Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie führen. Zuvor forschte sie an der Universität Helsinki zum Thema der zellulären Landwirtschaft.

  • Digitalisierung
  • Ernährungssicherheit
  • Klima & Umwelt
  • Nachhaltige Ernährungssysteme

Was erwarten Sie von der Ampel-Koalition in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode?


Mit dem Start der Haushaltsberatungen des Bundestages geht die Regierungszeit der Ampel-Koalition in die zweite Hälfte. Welche politischen Themen sollte die Bundesregierung in den kommenden Monaten anpacken, in welchen Politikfeldern erwarten Sie Einigungen? Diese und andere Fragen zur Zukunft der Ampel – aber auch zur Bewertung der ersten Hälfte der Legislatur und der Leistungen der Ministerinnen und Minister – stellt Table.Media in einer Umfrage. (Jetzt an Umfrage teilnehmen)

News

Preisverfall und Treibstoffmangel: Landwirte in Südrussland begehren auf

Landwirte aus der südrussischen Agrarregion Stawropol klagen über den Preisverfall für Getreide einerseits und einen starken Preisanstieg für Treibstoffe andererseits. Die Stimmung sei so schlecht, dass die Betroffenen Straßenblockaden in Betracht zögen, zitieren russische Medien den Vorsitzenden der Vereinigung regionaler Landwirte, Sergej Kolesnikow. Der Preis für Weizen sei im Vergleich zum Vorjahr in der Region um mehr als 30 Prozent gefallen. Zugleich steige der Preis für Treibstoff für die landwirtschaftlichen Maschinen, allein seit Anfang Juni um 26,5 Prozent. Zum Teil werde der Treibstoff gar nicht erst geliefert.

Die Gründe für die Entwicklung werden verklausuliert unter dem Begriff “der Krieg” zusammengefasst. Mehrfach schon haben ukrainische Drohnen Eisenbahninfrastruktur und Raffinerien im westlichen Russland angegriffen. Zudem wird das Eisenbahnnetz in Südrussland durch die Armee stark beansprucht. Der russische Landwirtschaftsminister Dmitri Patruschew warnte vergangene Woche sogar, der Treibstoffmangel könne sowohl die Ernte als auch die Winteraussaat behindern. Vor der russischen Vollinvasion in die Ukraine im vergangenen Jahr war die Region im Nordkaukasus auch für deutsche Investoren aus der Agrarbranche von Bedeutung. vf

  • Russland

Mehrheit der Deutschen für Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse

Um gesunde Ernährung bezahlbarer zu machen, würden sich fast vier von fünf Menschen in Deutschland dafür aussprechen, die Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte auszusetzen. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey, die im Auftrag von Table.Media im August 2023 durchgeführt wurde. Von den Befragten sprachen sich lediglich 15 Prozent gegen die Abschaffung der Mehrwertsteuer in diesem Bereich aus, 7 Prozent zeigten sich unentschieden.  

Insbesondere die Wählerschaft von Linken (88 Prozent) und Grünen (83 Prozent) hält die Abschaffung der Mehrwertsteuer bei gesunden pflanzlichen Produkten für sinnvoll. Deutlich weniger Anhänger von FDP (66 Prozent) und CDU/CSU (76 Prozent) sprechen sich indes dafür aus.

Mit 78 Prozent, die für die Abschaffung der Mehrwertsteuer stimmten, liegt der Wert deutlich über dem, was eine Umfrage der Umweltorganisation Greenpeace zu Jahresbeginn ergeben hatte. Hier votierten 67 Prozent der Befragten für eine solche Entlastung.

Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) hatte die Abschaffung der Mehrwertsteuer für gesunde Lebensmittel bereits vergangenes Jahr angeregt – mit Blick auf die Entlastung der Verbraucher sowie die Förderung einer gesunden Ernährung. Mitglieder der FDP hatten diesem Vorschlag jedoch eine klare Absage erteilt.

In Deutschland werden Grundnahrungsmittel wie Milch, Fleisch und Backwaren, aber auch Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte bislang mit dem reduzierten Satz von 7 Prozent besteuert. Der Regelsatz liegt hierzulande bei 19 Prozent. heu

  • Klima & Umwelt
  • Lebensmittel

Unklarheit über Mercosur-Antwort

Hat es eine Antwort der Mercosur-Staaten auf die Zusatzerklärung der EU zum geplanten Freihandelsabkommen gegeben? Das zumindest sagte der brasilianische Außenminister Mauro Vieira am Mittwoch in einem Interview. Uruguay und Paraguay müssen ihre Positionen jedoch noch schriftlich vorlegen, sagten Quellen in beiden Ländern und Diplomaten in Brasilia der Nachrichtenagentur Reuters. Differenzen zwischen Brasilien und Uruguay über eine Antwort an die EU und ein Regierungswechsel in Paraguay hätten eine gemeinsame Antwort verzögert.

Ein Treffen zwischen den Verhandlungsführern der EU-Kommission und der Mercosur-Staaten wurde laut Außenministerium Brasiliens für den 15. September in Brasilia anberaumt. Allerdings wiesen Diplomaten darauf hin, dass dies bisher nicht bestätigt sei.

Auch Brüssel dementiert

In Brüssel sei bisher kein schriftlicher Gegenvorschlag eingegangen, sagte der Europaabgeordnete Thomas Waitz (Grüne). “Die Mercosur-Länder sind sich untereinander nicht im Klaren darüber, wie ihre Verhandlungsposition aussehen soll”, sagte er. “Sie brauchen mehr Zeit, um zu einem Ergebnis zu kommen.”

Die europäischen Unterhändler warten seit März auf den Gegenvorschlag des Mercosur zur Zusatzerklärung. Dieser Zusatz sieht weitreichende Umweltschutzmaßnahmen vor – eine Konzession an EU-Mitgliedstaaten, die starke Bedenken gegen das Abkommen haben. lei/rtr

  • EU
  • Handel

Gentechnik: Spanien zielt auf Einigung bis Jahresende

Beim Treffen der 27 EU-Landwirtschaftsminister haben die Neuen Genomischen Techniken (NGT) ganz oben auf der Agenda gestanden. Das teilte Spaniens Landwirtschaftsminister Luis Planas im Anschluss an das zweitägige informelle Treffen in Córdoba mit. Planas betonte, dass die spanische Präsidentschaft beabsichtige, bis zum Ende des Jahres – also bis zum Ende der spanischen Präsidentschaft – eine Einigung im Rat über den von der Europäischen Kommission am 5. Juli vorgelegten Vorschlag zu erzielen.

Die spanische Ratspräsidentschaft hat die NGT zu einer ihrer Prioritäten gemacht und will die Zahl der “innovativen” NGT-Projekte bis 2027 durch den Einsatz von Mitteln aus der GAP und dem EU-Forschungsprogramm Horizon verdreifachen.

Für Madrid “sind die NGT wichtig, weil sie es ermöglichen, präzise Veränderungen in den Pflanzen vorzunehmen, die zu effizienten Pflanzen führen, die an die bestehenden Klimaszenarien angepasst sind”, sagte Planas. Dies trage dazu bei, die Nachhaltigkeit des Lebensmittelsystems durch verbesserte Pflanzensorten zu erhöhen, die widerstandsfähiger gegen Trockenheit, hohe Temperaturen und andere Extremsituationen sind oder weniger Düngemittel und Pflanzenschutzmittel benötigen. cst

  • EU-Gentechnikrecht
  • Europäische Kommission
  • NGT

Frankreich: Haushalt wird um eine Milliarde für Landwirte aufgestockt

Die französische Regierung wird das Budget für die Landwirtschaft im Jahr 2024 um “fast eine Milliarde Euro” aufstocken, wie Landwirtschaftsminister Marc Fesneau am vergangenen Sonntag ankündigte. Er sprach auf einer Kundgebung, die von der Gewerkschaft Jeunes agriculteurs organisiert wurde. Diese steht der Mehrheitsgewerkschaft FNSEA nahe.

Diese Summe wird zu den rund 5,9 Milliarden Euro des französischen Agrarhaushalts im Jahr 2023 hinzukommen, was einer Erhöhung um rund 15 Prozent entspricht, erklärte das Ministerium. Dieser finanzielle Anreiz soll die Ansiedlung von Junglandwirten sowie die ökologische Wende des Sektors unterstützen.

Im Rahmen der Haushaltsdebatte kündigte Fesneau außerdem die Möglichkeit an, “steuerliche Anreize” zu schaffen, um Vertretungsdienste für Landwirte zu unterstützen. Diese Dienste seien vor allem für Viehzüchter von entscheidender Bedeutung, die ihren Viehbestand nicht zurücklassen könnten, um in den Urlaub zu fahren, und so häufig Opfer von Burnout seien, heißt es in Paris.

Außerdem plant die französische Regierung die Einrichtung eines “Fonds für Ernährungssouveränität und ökologische Wende”. Dieser solle es den landwirtschaftlichen Betrieben ermöglichen, ihr Wirtschaftsmodell auf die Erfordernisse der Dekarbonisierung, der Produktion erneuerbarer Energien und der Anpassung an den Klimawandel einzustellen, so das Ministerium. cst

Aldi Süd stellt Putenfleischsortiment auf Haltungsstufe 3 um

Als erster Lebensmitteleinzelhändler wird Aldi Süd ab März 2024 Putenfrischfleisch ausschließlich aus der Haltungsform 3 anbieten. Wie der Discounter mitteilte, soll dieses Fleisch ausschließlich aus Deutschland stammen. Mit der Umstellung auf die höhere Haltungsform werde ein weiterer wichtiger Meilenstein des Tierwohlversprechens von Aldi rund sechs Jahre früher als geplant erreicht. Der Deutsche Tierschutzbund kritisiert, dass auch diese Haltungsform dem Tierschutz nicht gerecht werde, da sie das Schnabelkürzen weiterhin zulässt.

Beitrag zur Transformation der Landwirtschaft

“Mit der Pute haben wir die erste Tierart komplett auf die höheren Haltungsformen umgestellt und bekennen uns auch ganz bewusst zum Standort Deutschland”, erklärte die Nachhaltigkeitsdirektorin bei Aldi Süd, Dr. Julia Adou. Dieser Erfolg habe nur durch die enge Zusammenarbeit mit allen Partnern in der Lieferkette erreicht werden können. “Es ist ein klares Zeichen dafür, dass wir mit dem Haltungswechsel vorankommen und wie versprochen unseren Beitrag zur Transformation der Landwirtschaft leisten”, betonte Adou. Damit diese Transformation gelinge, sei es wichtig, dass weitere Akteure “unserem Beispiel folgen”.  

Im Rahmen des Haltungswechsels will Aldi das gesamte Frischfleisch- und Trinkmilchsortiment sowie die abgepackten Fleisch- und Wurstwaren auf die höheren Haltungsformen 3 und 4 umstellen. Allerdings gibt es Ausnahmen. So sind bei den Puten Tiefkühlware, internationale Spezialitäten sowie Saison- und Aktionsartikel von den höheren Haltungsformen ausgenommen. Bei Trinkmilch erstreckt sich die Umstellung des Sortiments zunächst nur auf die Eigenmarken, was auch für die anderen Fleisch- und Wurstwaren gilt.

Schnabelkürzen auch bei Haltungsform 3 erlaubt

Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, kritisiert, dass die Umstellung auf Haltungsform 3 aus Tierschutzsicht nicht ausreiche, da sie das Schnabelkürzen weiterhin zulasse. Zudem sei erwiesen, dass nur Haltungsbedingungen, die weit über die Haltungsform 3 hinausgehen, verhindern können, dass sich Puten gegenseitig bepicken. “Doch statt den Tieren mehr Platz, mehr Beschäftigung und bessere Ställe mit Auslauf zu bieten, werden sie durch das Kürzen der Schnäbel verstümmelt”, kommentiert Schröder. Aldi Süd sollte Demut zeigen und keine Feierlaune, so Schröder weiter. AgE/dw/ag

  • Lebensmittel

Presseschau

Wie die neue Gentechnik der Landwirtschaft nutzen kann zdf heute
Interview: EU-Agrarpolitiker Martin Häusling kritisert Gegner des Naturwiederherstellungsgesetzes (NRL) AgE
Amazon erhöht Preise für Food-Eigenmarke Lebensmittelzeitung
Interview: Deutschland-Chef von Aldi Süd Stefan Kopp über Inflation, Verbrauchernachfrage und Sortimentsgestaltung Die Zeit
Wie die Schlachtbranche in Deutschland die Zukunft der Tierhaltung einschätzt agrarheute

Standpunkt

Nachhaltiger Güterverkehr gelingt nur mit starker Schiene

Von Sven Wellbrock
Sven Wellbrock ist Chief Operating Officer der VTG GmbH. Das Unternehmen vermietet Eisenbahngüterwagen und verfügt über mehr als 88.000 Waggons.

Mitte Juli stellte die Europäische Kommission ihr Maßnahmenpaket für einen nachhaltigen europäischen Güterverkehr vor. In der Branche wurde der Vorstoß mit großer Spannung erwartet, denn angesichts steigender Transportbedarfe in der Zukunft ist klar: Es ist höchste Zeit, die Dekarbonisierung im Güterverkehr jetzt voranzutreiben. Gelingt dies nicht, droht die Europäische Union mit ihrem selbsterklärten Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu scheitern.

Noch immer werden mehr als 50 Prozent des europäischen Güterverkehrs auf der Straße transportiert – eine Belastung nicht nur für das Klima, sondern auch für die Infrastruktur. Zahlen aus Brüssel belegen: Von den gesamten Treibhausgasemissionen der EU entfallen 25 Prozent auf den Verkehrssektor – jedoch nur 0,4 Prozent auf den Schienenverkehr. Die Botschaft der EU-Kommission fiel dementsprechend deutlich aus: Es bedarf einer stärkeren Fokussierung auf den Schienengüterverkehr in ganz Europa.

Kombination von Straße, Wasser und Schiene

Einen weiteren Schlüssel zur Dekarbonisierung des Güterverkehrs sieht die EU-Kommission im Kombinierten Verkehr (KV). Die Verkehrsträger Schiene, Straße und Wasserstraße miteinander zu kombinieren hat dabei nicht nur ökologische Vorteile. Auch (volks-)wirtschaftliche Faktoren sprechen für die Nutzung intermodaler Verkehrslösungen. Bereits 2030 sollen 21 Milliarden Tonnenkilometer über den Kombinierten Verkehr abgewickelt werden, bis 2050 sollen es dann 26 Milliarden Tonnenkilometern sein.

Auch in der Lebensmittelindustrie können durch die verstärkte Verlagerung von Gütertransporten auf die Schiene große Mengen CO2 eingespart werden – denn ein Güterzug kann bis zu 52 Lkw ersetzen. Dementsprechend sind Lkw nach wie vor zwar eine überzeugende Option für die “erste und letzte Meile”, weite Strecken sollten aber stets per Schiene zurückgelegt werden.

Damit der Kombinierte Verkehr in Europa zum von der EU-Kommission gewünschten Erfolgsmodell werden kann, müssen allerdings in den weiteren Gesetzgebungsprozessen zur Umsetzung des Maßnahmenpakets zielorientierte Maßnahmen ergriffen werden.

Bedingungen für den Erfolg

An erster Stelle braucht es ein flächendeckendes Intermodalangebot. In Europa werden Gütertransporte hauptsächlich mit (Kühl)Trailern verschiedener Bauarten durchgeführt, die aber nur zu einem sehr geringen Teil – etwa 5 Prozent – kombinierbar sind. Dieser Rückstand stellt die größte Hürde für durchlässige Transporte dar. Umso dringender braucht es europaweite gesetzliche Regelungen für einheitliche Standards in der Technik, um diese Sattelauflieger für die Standardumschlagprozesse im KV bahnfähig machen.

Ergänzend dazu bedarf es europaweit neuer und digitalisierter Umschlagterminals. Denn nur mit zusätzlichen Zugangspunkten zum Schienennetz kann ein Wachstum auf der Schiene ermöglicht werden. Darüber hinaus muss die Schieneninfrastruktur in der Fläche weiter ausgebaut werden, um Kapazitätsengpässe zu vermeiden. Investitionen in den Neubau und die Instandhaltung von Gleisanschlüssen sowie den Ausbau von Korridoren sind für eine langfristig erfolgreiche Verlagerung von der Straße auf die Schiene unumgänglich.

Der Schienengüterverkehr kann sein volles Potenzial jedoch nur dann entfalten, wenn unter allen Playern ein “gesunder” Wettbewerb herrscht. Die Schaffung fairer Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmenden ist die Basis für erfolgreichen und wirksamen Wettbewerb. Nur so kann sich ein finanziell attraktiver und umweltschonender Schienengüterverkehr etablieren, der in ernsthafte Konkurrenz zur Straße und zum internationalen Wettbewerb auf der Schiene treten kann. Denn solange der Straßentransport mit fossilen Kraftstoffen die deutlich günstigere Option ist, wird es zu keiner großflächigen Umstellung von Logistikketten kommen.

Noch mehr Verkehr auf der Straße droht

Unverständlicherweise bleibt der Vorschlag der EU-Kommission ausgerechnet in dieser Hinsicht deutlich hinter den Erwartungen zurück. Statt die Verkehrswende jetzt voranzutreiben, setzt der Vorschlag kurzfristig neue Anreize für den Transport per Lkw, denn das zulässige Gesamtgewicht für modulare Lkw in grenzüberschreitenden Transporten soll künftig auf 44 Tonnen erhöht werden. Erst ab 2035 müssen diese Transporte dann emissionsfrei erfolgen, was weitere zwölf Jahre Wachstum des Verkehrs mit Diesel-Lkw bedeutet.

Die Konsequenz ist kontraproduktiv: Die Kosten für solche Lkw-Transporte würden dadurch pro Tonne zunächst sinken, im äußerst preissensitiven Güterverkehr führen solche Signale jedoch zu unmittelbaren Reaktionen. Die Waren würden so wieder verstärkt auf der Straße transportiert werden. An dieser Stelle wünschen wir uns mehr Mut für eine größere Ambition, mit der wir die Zukunft des Güterverkehrs in Europa gestalten.

Regulierung muss EU-weit harmonisiert werden

Letztlich bedarf es zudem einer Vereinfachung der Regulatorik. Die Planung und Durchführung des grenzüberschreitenden Güterverkehrs innerhalb Europas ist kompliziert und muss drastisch vereinfacht werden. Hierfür ist eine europaweite Harmonisierung der gesetzlichen Vorschriften und Regularien notwendig. Dazu zählen zum Beispiel die Digitalisierung der Frachtpapiere, die Einführung einer gemeinsamen Verkehrssprache sowie ein einheitlicher Rechtsrahmen.

Es bleibt daher zu wünschen, dass das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union in den kommenden Monaten in diesen Handlungsfeldern tätig werden. Sie müssen dafür Sorge tragen, dass aus gut gemeinten Ideen der EU-Kommission keine hinderliche Gesetze für den KV werden. Es bedarf mutiger Entscheidungen und großer Anstrengungen, um das Ruder für die nachhaltigen Schienengüterverkehr noch herumzureißen.

Sven Wellbrock ist Chief Operating Officer Europe und Chief Safety Officer bei VTG. Das Hamburger Unternehmen ist Eisenbahngüterwagen-Vermieter und Schienenlogistiker und verfügt über mehr als 88.000 Eisenbahngüterwagen.

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Agrifood.Table Redaktion

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird am morgigen Mittwoch in Straßburg die jährliche Rede zur Lage der Union halten. Die Ansprache setzt traditionell Akzente im Brüsseler Politikbetrieb und dürfte erkennen lassen, wohin die Reise in den kommenden Monaten geht. Dies gilt umso mehr im Jahr vor den Wahlen zum Europäischen Parlament, in dem insbesondere für die umstrittenen Landwirtschaftsthemen des Green Deals noch viele Weichen gestellt werden müssen.

    Was also werden die Schwerpunkte dieser im Brüsseler Jargon auch SOTEU (State of the European Union) genannten Rede sein? Darüber wird zurzeit viel spekuliert. Fest steht: Während die Klimamission des Green Deals praktisch abgeschlossen ist, sind die Punkte Landwirtschaft und Biodiversität nicht nur weit von Einigungen entfernt, sondern gewinnen noch weiter an politischer Sprengkraft. Erinnert sei an dieser Stelle nur an den Gesetzentwurf zur Wiederherstellung der NaturAndere Dossiers im Zusammenhang mit der Landwirtschaft und dem Green Deal – darunter Gylophosat, Industrieemissionen oder das Sustainable Food System – werden ähnlich kontrovers diskutiert.

    Tatsächlich ist geplant, dass die EU-Kommission zwei Tage nach der SOTEU-Rede den Entwurf eines Durchführungsrechtsaktes zur Verlängerung der Zulassung von Glyphosat veröffentlicht. Das Dokument befindet sich laut einer Vertreterin der Exekutive “in der internen Konsultationsphase”. Am 15. September soll es an die Gremienmitglieder in der Sitzung des Ständigen Ausschusses für Pflanzenschutz (Scopaff) verteilt werden.

    Nicht nur beim Glyphosat drängt die Zeit. Auch die Einfuhrverbote für Weizen, Mais, Raps und Sonnenblumenkerne aus der Ukraine laufen am 15. September aus. Die Ukraine hat der EU bereits mit einer Klage vor der WTO gedroht, sollte sie die Verbote verlängern. Wie eine Sprecherin der EU-Kommission am gestrigen Montag mitteilte, arbeite die Kommission momentan “an Lösungen”, mit denen alle einverstanden sein würden. Eine Herkulesaufgabe.

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    FiBL und Ifoam widersprechen Bayer-Lobbyisten Berninger


    Dass Agrarchemie die Subsahara-Länder Afrikas gegen Hungersnöte wappnen kann, bezweifelt Agraringenieurin Beate Huber. Sie ist Direktorin am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in der Schweiz und leitet die Abteilung für internationale Zusammenarbeit. “Die Produktivitätslücke in Afrika allein über den Import von hoch entwickelten Agrochemikalien schließen zu wollen, ist weder realistisch noch zielführend”, sagt Huber. Zuvor hatte Bayer-Lobbyist Matthias Berninger in einem Interview mit Table.Media aber genau das gefordert. So versetze man Afrika in die Lage, die eigene Produktion zu stärken und verhelfe dem Kontinent zur Unabhängigkeit gegenüber Nahrungsmittelimporten, lautet Berningers These.

    Die Verwendung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln führe lediglich zu neuen Abhängigkeiten in Afrika, mahnt FiBL-Direktorin Huber. Sie beruft sich auf die “fatalen” Folgen des Ukraine-Krieges. Diese hätten gezeigt, wie schnell Importabhängigkeiten, beispielsweise durch steigende Weltmarktpreise und unterbrochene Lieferketten für Agrarrohstoffe, zu Hungersnöten auf dem afrikanischen Kontinent führen könnten.

    Agrarökologie umfasst Nutzung lokaler Ressourcen

    Mehr als 80 Prozent der Nahrungsmittel in Subsahara-Afrika werden nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) von Kleinbauern produziert. “Kleinbauern haben häufig keinen Zugang zu im Ausland produzierten Pflanzenschutzmitteln”, sagt Huber. Oder entsprechend verfügbare Ware sei zu teuer. Huber plädiert deshalb für eine agrarökologische Herangehensweise, die auf lokal vorhandenen Ressourcen aufbaut.

    “Wir wissen aus unserer Vergleichsforschung in den Tropen, dass mit dem ökologischen Landbau gleiche Erträge erzielt werden können, wie im konventionellen Landbau“, sagt Huber. Mit deutlich positiveren Effekten auf die Umwelt, insbesondere Artenvielfalt und Bodenfruchtbarkeit.

    Afrikanerin will nicht von Europäern bevormundet werden

    Gegenwind bekommt Berninger auch von der Öko-NGO Ifoam. Dass hinter der Förderung von Agrarökologie lediglich ein ideologischer Ansatz stecke, weist deren Präsidentin Karen Mapusua zurück. Es gebe eine solide Beweisgrundlage für die Rolle dieser wissenschaftlichen Disziplin bei der Ernährungssicherheit, beruft sich Mapusua auf die FAO, die das System seit Jahrzehnten wissenschaftlich untersucht.

    Kritik hagelt es auch aus Simbabwe: “Es ist nicht das erste Mal, dass sich ein Europäer dazu äußert, was Afrika braucht, und es wird sicher nicht das letzte Mal sein”, sagt Ifoam-Vorstandsmitglied Fortunate Nyakanda. Beklagenswert findet Nyakanda, dass es offenkundig nur darum gehe, den europäischen Einfluss in Afrika zu stärken. Afrika sei längst damit beschäftigt, nachhaltige Lebensmittelsysteme mithilfe agrarökologischer Standards aufzubauen.

    Kleinbauern sparen Kosten für Betriebsmittel

    Neben Importabhängigkeiten und negativen Einflüssen auf die Umwelt birgt die Toxizität von Pflanzenschutzmitteln auch gesundheitliche Risiken für Teile der afrikanischen Bevölkerung. Viele Farmer in Afrika seien Frauen, unter denen die wenigsten lesen und schreiben könnten, berichtet Nyakanda. Hinweise für eine sichere Anwendung giftiger Mittel würden deshalb weder verstanden noch umgesetzt. Schulungen zur erforderlichen Schutzausrüstung seien eine Seltenheit, die Ausrüstung meist unerschwinglich und für extreme Hitze unpraktikabel, sodass Agrarchemie ohne Schutzkleidung versprüht werde. Erschwerend komme hinzu, dass einige Elemente der Schutzausrüstung in den meisten afrikanischen Gemeinden kulturell als unangemessen gelten. Zusätzlich zu den gesundheitlichen Vorteilen des Ökolandbaus, ist dieser auch aus finanzieller Hinsicht für viele Bauernfamilien ein Gewinn, weil Kosten für chemische Betriebsmittel entfallen.

    Ifoam-Präsidentin Mapusua und FiBL-Direktorin Huber dementieren weitere Aussagen Berningers. Dieser hatte der NGO Ifoam vorgeworfen, für die Nahrungsmittelkrise in Sri-Lanka verantwortlich zu sein. “Es ist bedauerlich, dass diese schon häufig widerlegte Erzählung jetzt wieder aufkommt”, sagt Mapusua.

    Umstellung auf Biolandbau braucht Zeit

    Es sei darüber hinaus “einfach nicht wahr, dass wir uns für ein Einfuhrverbot von Pestiziden und Düngemitteln eingesetzt haben”, so Mapusua. Die Regierung des Inselstaats im Indischen Ozean hatte im April 2021 chemische Dünger und Pestizide verboten. Fast über Nacht wollte das Land fatalerweise auf biologische Landwirtschaft umstellen. Ifoam, unter anderem tätig in Sri-Lanka, habe nach Bekanntwerden der Entscheidung für ein Importverbot chemischer Betriebsmittel darauf hingewiesen, dass ein solcher Wandel hin zu einer agrarökologischen Bewirtschaftung nicht über Nacht geschehen könne. Das hat auch die sri-lankische Regierung schnell eingesehen, die aus einer finanziellen Notsituation heraus entschieden hatte, um Ausgaben zu sparen. Das Verbot wurde Ende November 2021 aufgehoben. Die katastrophalen Folgen der Wirtschaftskrise lassen sich allerdings nicht mehr ungeschehen machen. Laut der FAO leiden immer noch Millionen Menschen in Sri Lanka an Hunger.

    Rückenwind gibt ihr die FiBL-Direktorin. Dass Berninger trotz besseren Wissens Sri Lanka als ein Beispiel nenne für das vermeintliche Versagen des ökologischen Landbaus, wecke “erhebliche Zweifel an der Redlichkeit seiner Argumente”, sagt Huber. Jahrelang hat Sri-Lanka einen Großteil des Agrarhaushalts für den Import von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln ausgegeben. Hinzukamen finanzielle Zuschüsse für Landwirte. Mangels Zahlungsfähigkeit inmitten der Wirtschaftskrise im Jahr 2021 habe die Regierung diese Importe gestoppt. Diese verfehlte Landwirtschafts- und Wirtschaftspolitik wirkt noch heute nach.

    • Afrika
    • Biodiversität
    • Lebensmittel

    “Digitalisierung ist in der Landwirtschaft mittlerweile unverzichtbar”

    Jana Moritz, Referentin bei Bitkom

    Welche Weichen sollte die europäische und deutsche Agrar- und Ernährungspolitik stellen?

    Digitalisierung ist in der Landwirtschaft mittlerweile unverzichtbar: neun von zehn Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland sind davon überzeugt, dass digitale Technologien dabei helfen, Dünger, Pflanzenschutzmittel und andere Ressourcen einzusparen. Acht von zehn setzen digitale Technologien bzw. Verfahren bereits auf ihren Höfen ein. Zur Steigerung der Effizienz und Nachhaltigkeit muss daher besonders die Förderung digitaler Technologien im Fokus stehen, darunter IoT-Geräte, Datenanalyse, künstliche Intelligenz und Precision Farming. Eine zukunftsgerichtete Agrar- und Ernährungspolitik sollte sowohl Agrar-Startups, die innovative digitale Lösungen entwickeln, als auch etablierte Betriebe dabei unterstützen, den technologischen Fortschritt in der Landwirtschaft voranzutreiben.

    Wie wird sich die Landwirtschaft Ihrer Meinung nach bis 2050 verändern?

    Die Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen, die nur mithilfe digitaler Technologien bewältigt werden können. Bis 2050 wird sie daher von einer umfassenden Digitalisierung geprägt sein, wobei künstliche Intelligenz, Robotik, Sensoren und datenbasierte Entscheidungssysteme eine zentrale Rolle spielen. Der Einsatz digitaler Technologien ermöglicht zum Beispiel Precision Farming, was zu einer effizienteren Ressourcennutzung und somit mehr Nachhaltigkeit führt, sowie die lückenlose Rückverfolgbarkeit von Lieferketten, was Transparenz und Vertrauen erhöht.

    Brauchen Landwirtinnen und Landwirtinnen noch Subventionen und wenn ja, wofür?

    Eine ausgewogene und zielgerichtete Subventionspolitik, die die Bedürfnisse der Landwirtinnen und Landwirte, die Nachhaltigkeit und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit berücksichtigt, ist entscheidend, um die Vorteile von Smart Farming zu maximieren. Subventionen in der Landwirtschaft können dafür sorgen, dass auch kleine Betriebe sich die Transformation hin zu Smart Farming weiter leisten können und damit das volle Potenzial digitaler Technologien für mehr Nachhaltigkeit und Ernährungssicherheit ausgeschöpft werden kann.

    Jana Moritz ist seit Juli 2023 Referentin für Digital Farming & Food Tech beim Digitalverband Bitkom. Ihr Fokus liegt auf innovativen Lösungen und Konzepten, die zu mehr Nachhaltigkeit und Effizienz in der Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie führen. Zuvor forschte sie an der Universität Helsinki zum Thema der zellulären Landwirtschaft.

    • Digitalisierung
    • Ernährungssicherheit
    • Klima & Umwelt
    • Nachhaltige Ernährungssysteme

    Was erwarten Sie von der Ampel-Koalition in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode?


    Mit dem Start der Haushaltsberatungen des Bundestages geht die Regierungszeit der Ampel-Koalition in die zweite Hälfte. Welche politischen Themen sollte die Bundesregierung in den kommenden Monaten anpacken, in welchen Politikfeldern erwarten Sie Einigungen? Diese und andere Fragen zur Zukunft der Ampel – aber auch zur Bewertung der ersten Hälfte der Legislatur und der Leistungen der Ministerinnen und Minister – stellt Table.Media in einer Umfrage. (Jetzt an Umfrage teilnehmen)

    News

    Preisverfall und Treibstoffmangel: Landwirte in Südrussland begehren auf

    Landwirte aus der südrussischen Agrarregion Stawropol klagen über den Preisverfall für Getreide einerseits und einen starken Preisanstieg für Treibstoffe andererseits. Die Stimmung sei so schlecht, dass die Betroffenen Straßenblockaden in Betracht zögen, zitieren russische Medien den Vorsitzenden der Vereinigung regionaler Landwirte, Sergej Kolesnikow. Der Preis für Weizen sei im Vergleich zum Vorjahr in der Region um mehr als 30 Prozent gefallen. Zugleich steige der Preis für Treibstoff für die landwirtschaftlichen Maschinen, allein seit Anfang Juni um 26,5 Prozent. Zum Teil werde der Treibstoff gar nicht erst geliefert.

    Die Gründe für die Entwicklung werden verklausuliert unter dem Begriff “der Krieg” zusammengefasst. Mehrfach schon haben ukrainische Drohnen Eisenbahninfrastruktur und Raffinerien im westlichen Russland angegriffen. Zudem wird das Eisenbahnnetz in Südrussland durch die Armee stark beansprucht. Der russische Landwirtschaftsminister Dmitri Patruschew warnte vergangene Woche sogar, der Treibstoffmangel könne sowohl die Ernte als auch die Winteraussaat behindern. Vor der russischen Vollinvasion in die Ukraine im vergangenen Jahr war die Region im Nordkaukasus auch für deutsche Investoren aus der Agrarbranche von Bedeutung. vf

    • Russland

    Mehrheit der Deutschen für Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse

    Um gesunde Ernährung bezahlbarer zu machen, würden sich fast vier von fünf Menschen in Deutschland dafür aussprechen, die Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte auszusetzen. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey, die im Auftrag von Table.Media im August 2023 durchgeführt wurde. Von den Befragten sprachen sich lediglich 15 Prozent gegen die Abschaffung der Mehrwertsteuer in diesem Bereich aus, 7 Prozent zeigten sich unentschieden.  

    Insbesondere die Wählerschaft von Linken (88 Prozent) und Grünen (83 Prozent) hält die Abschaffung der Mehrwertsteuer bei gesunden pflanzlichen Produkten für sinnvoll. Deutlich weniger Anhänger von FDP (66 Prozent) und CDU/CSU (76 Prozent) sprechen sich indes dafür aus.

    Mit 78 Prozent, die für die Abschaffung der Mehrwertsteuer stimmten, liegt der Wert deutlich über dem, was eine Umfrage der Umweltorganisation Greenpeace zu Jahresbeginn ergeben hatte. Hier votierten 67 Prozent der Befragten für eine solche Entlastung.

    Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) hatte die Abschaffung der Mehrwertsteuer für gesunde Lebensmittel bereits vergangenes Jahr angeregt – mit Blick auf die Entlastung der Verbraucher sowie die Förderung einer gesunden Ernährung. Mitglieder der FDP hatten diesem Vorschlag jedoch eine klare Absage erteilt.

    In Deutschland werden Grundnahrungsmittel wie Milch, Fleisch und Backwaren, aber auch Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte bislang mit dem reduzierten Satz von 7 Prozent besteuert. Der Regelsatz liegt hierzulande bei 19 Prozent. heu

    • Klima & Umwelt
    • Lebensmittel

    Unklarheit über Mercosur-Antwort

    Hat es eine Antwort der Mercosur-Staaten auf die Zusatzerklärung der EU zum geplanten Freihandelsabkommen gegeben? Das zumindest sagte der brasilianische Außenminister Mauro Vieira am Mittwoch in einem Interview. Uruguay und Paraguay müssen ihre Positionen jedoch noch schriftlich vorlegen, sagten Quellen in beiden Ländern und Diplomaten in Brasilia der Nachrichtenagentur Reuters. Differenzen zwischen Brasilien und Uruguay über eine Antwort an die EU und ein Regierungswechsel in Paraguay hätten eine gemeinsame Antwort verzögert.

    Ein Treffen zwischen den Verhandlungsführern der EU-Kommission und der Mercosur-Staaten wurde laut Außenministerium Brasiliens für den 15. September in Brasilia anberaumt. Allerdings wiesen Diplomaten darauf hin, dass dies bisher nicht bestätigt sei.

    Auch Brüssel dementiert

    In Brüssel sei bisher kein schriftlicher Gegenvorschlag eingegangen, sagte der Europaabgeordnete Thomas Waitz (Grüne). “Die Mercosur-Länder sind sich untereinander nicht im Klaren darüber, wie ihre Verhandlungsposition aussehen soll”, sagte er. “Sie brauchen mehr Zeit, um zu einem Ergebnis zu kommen.”

    Die europäischen Unterhändler warten seit März auf den Gegenvorschlag des Mercosur zur Zusatzerklärung. Dieser Zusatz sieht weitreichende Umweltschutzmaßnahmen vor – eine Konzession an EU-Mitgliedstaaten, die starke Bedenken gegen das Abkommen haben. lei/rtr

    • EU
    • Handel

    Gentechnik: Spanien zielt auf Einigung bis Jahresende

    Beim Treffen der 27 EU-Landwirtschaftsminister haben die Neuen Genomischen Techniken (NGT) ganz oben auf der Agenda gestanden. Das teilte Spaniens Landwirtschaftsminister Luis Planas im Anschluss an das zweitägige informelle Treffen in Córdoba mit. Planas betonte, dass die spanische Präsidentschaft beabsichtige, bis zum Ende des Jahres – also bis zum Ende der spanischen Präsidentschaft – eine Einigung im Rat über den von der Europäischen Kommission am 5. Juli vorgelegten Vorschlag zu erzielen.

    Die spanische Ratspräsidentschaft hat die NGT zu einer ihrer Prioritäten gemacht und will die Zahl der “innovativen” NGT-Projekte bis 2027 durch den Einsatz von Mitteln aus der GAP und dem EU-Forschungsprogramm Horizon verdreifachen.

    Für Madrid “sind die NGT wichtig, weil sie es ermöglichen, präzise Veränderungen in den Pflanzen vorzunehmen, die zu effizienten Pflanzen führen, die an die bestehenden Klimaszenarien angepasst sind”, sagte Planas. Dies trage dazu bei, die Nachhaltigkeit des Lebensmittelsystems durch verbesserte Pflanzensorten zu erhöhen, die widerstandsfähiger gegen Trockenheit, hohe Temperaturen und andere Extremsituationen sind oder weniger Düngemittel und Pflanzenschutzmittel benötigen. cst

    • EU-Gentechnikrecht
    • Europäische Kommission
    • NGT

    Frankreich: Haushalt wird um eine Milliarde für Landwirte aufgestockt

    Die französische Regierung wird das Budget für die Landwirtschaft im Jahr 2024 um “fast eine Milliarde Euro” aufstocken, wie Landwirtschaftsminister Marc Fesneau am vergangenen Sonntag ankündigte. Er sprach auf einer Kundgebung, die von der Gewerkschaft Jeunes agriculteurs organisiert wurde. Diese steht der Mehrheitsgewerkschaft FNSEA nahe.

    Diese Summe wird zu den rund 5,9 Milliarden Euro des französischen Agrarhaushalts im Jahr 2023 hinzukommen, was einer Erhöhung um rund 15 Prozent entspricht, erklärte das Ministerium. Dieser finanzielle Anreiz soll die Ansiedlung von Junglandwirten sowie die ökologische Wende des Sektors unterstützen.

    Im Rahmen der Haushaltsdebatte kündigte Fesneau außerdem die Möglichkeit an, “steuerliche Anreize” zu schaffen, um Vertretungsdienste für Landwirte zu unterstützen. Diese Dienste seien vor allem für Viehzüchter von entscheidender Bedeutung, die ihren Viehbestand nicht zurücklassen könnten, um in den Urlaub zu fahren, und so häufig Opfer von Burnout seien, heißt es in Paris.

    Außerdem plant die französische Regierung die Einrichtung eines “Fonds für Ernährungssouveränität und ökologische Wende”. Dieser solle es den landwirtschaftlichen Betrieben ermöglichen, ihr Wirtschaftsmodell auf die Erfordernisse der Dekarbonisierung, der Produktion erneuerbarer Energien und der Anpassung an den Klimawandel einzustellen, so das Ministerium. cst

    Aldi Süd stellt Putenfleischsortiment auf Haltungsstufe 3 um

    Als erster Lebensmitteleinzelhändler wird Aldi Süd ab März 2024 Putenfrischfleisch ausschließlich aus der Haltungsform 3 anbieten. Wie der Discounter mitteilte, soll dieses Fleisch ausschließlich aus Deutschland stammen. Mit der Umstellung auf die höhere Haltungsform werde ein weiterer wichtiger Meilenstein des Tierwohlversprechens von Aldi rund sechs Jahre früher als geplant erreicht. Der Deutsche Tierschutzbund kritisiert, dass auch diese Haltungsform dem Tierschutz nicht gerecht werde, da sie das Schnabelkürzen weiterhin zulässt.

    Beitrag zur Transformation der Landwirtschaft

    “Mit der Pute haben wir die erste Tierart komplett auf die höheren Haltungsformen umgestellt und bekennen uns auch ganz bewusst zum Standort Deutschland”, erklärte die Nachhaltigkeitsdirektorin bei Aldi Süd, Dr. Julia Adou. Dieser Erfolg habe nur durch die enge Zusammenarbeit mit allen Partnern in der Lieferkette erreicht werden können. “Es ist ein klares Zeichen dafür, dass wir mit dem Haltungswechsel vorankommen und wie versprochen unseren Beitrag zur Transformation der Landwirtschaft leisten”, betonte Adou. Damit diese Transformation gelinge, sei es wichtig, dass weitere Akteure “unserem Beispiel folgen”.  

    Im Rahmen des Haltungswechsels will Aldi das gesamte Frischfleisch- und Trinkmilchsortiment sowie die abgepackten Fleisch- und Wurstwaren auf die höheren Haltungsformen 3 und 4 umstellen. Allerdings gibt es Ausnahmen. So sind bei den Puten Tiefkühlware, internationale Spezialitäten sowie Saison- und Aktionsartikel von den höheren Haltungsformen ausgenommen. Bei Trinkmilch erstreckt sich die Umstellung des Sortiments zunächst nur auf die Eigenmarken, was auch für die anderen Fleisch- und Wurstwaren gilt.

    Schnabelkürzen auch bei Haltungsform 3 erlaubt

    Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, kritisiert, dass die Umstellung auf Haltungsform 3 aus Tierschutzsicht nicht ausreiche, da sie das Schnabelkürzen weiterhin zulasse. Zudem sei erwiesen, dass nur Haltungsbedingungen, die weit über die Haltungsform 3 hinausgehen, verhindern können, dass sich Puten gegenseitig bepicken. “Doch statt den Tieren mehr Platz, mehr Beschäftigung und bessere Ställe mit Auslauf zu bieten, werden sie durch das Kürzen der Schnäbel verstümmelt”, kommentiert Schröder. Aldi Süd sollte Demut zeigen und keine Feierlaune, so Schröder weiter. AgE/dw/ag

    • Lebensmittel

    Presseschau

    Wie die neue Gentechnik der Landwirtschaft nutzen kann zdf heute
    Interview: EU-Agrarpolitiker Martin Häusling kritisert Gegner des Naturwiederherstellungsgesetzes (NRL) AgE
    Amazon erhöht Preise für Food-Eigenmarke Lebensmittelzeitung
    Interview: Deutschland-Chef von Aldi Süd Stefan Kopp über Inflation, Verbrauchernachfrage und Sortimentsgestaltung Die Zeit
    Wie die Schlachtbranche in Deutschland die Zukunft der Tierhaltung einschätzt agrarheute

    Standpunkt

    Nachhaltiger Güterverkehr gelingt nur mit starker Schiene

    Von Sven Wellbrock
    Sven Wellbrock ist Chief Operating Officer der VTG GmbH. Das Unternehmen vermietet Eisenbahngüterwagen und verfügt über mehr als 88.000 Waggons.

    Mitte Juli stellte die Europäische Kommission ihr Maßnahmenpaket für einen nachhaltigen europäischen Güterverkehr vor. In der Branche wurde der Vorstoß mit großer Spannung erwartet, denn angesichts steigender Transportbedarfe in der Zukunft ist klar: Es ist höchste Zeit, die Dekarbonisierung im Güterverkehr jetzt voranzutreiben. Gelingt dies nicht, droht die Europäische Union mit ihrem selbsterklärten Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu scheitern.

    Noch immer werden mehr als 50 Prozent des europäischen Güterverkehrs auf der Straße transportiert – eine Belastung nicht nur für das Klima, sondern auch für die Infrastruktur. Zahlen aus Brüssel belegen: Von den gesamten Treibhausgasemissionen der EU entfallen 25 Prozent auf den Verkehrssektor – jedoch nur 0,4 Prozent auf den Schienenverkehr. Die Botschaft der EU-Kommission fiel dementsprechend deutlich aus: Es bedarf einer stärkeren Fokussierung auf den Schienengüterverkehr in ganz Europa.

    Kombination von Straße, Wasser und Schiene

    Einen weiteren Schlüssel zur Dekarbonisierung des Güterverkehrs sieht die EU-Kommission im Kombinierten Verkehr (KV). Die Verkehrsträger Schiene, Straße und Wasserstraße miteinander zu kombinieren hat dabei nicht nur ökologische Vorteile. Auch (volks-)wirtschaftliche Faktoren sprechen für die Nutzung intermodaler Verkehrslösungen. Bereits 2030 sollen 21 Milliarden Tonnenkilometer über den Kombinierten Verkehr abgewickelt werden, bis 2050 sollen es dann 26 Milliarden Tonnenkilometern sein.

    Auch in der Lebensmittelindustrie können durch die verstärkte Verlagerung von Gütertransporten auf die Schiene große Mengen CO2 eingespart werden – denn ein Güterzug kann bis zu 52 Lkw ersetzen. Dementsprechend sind Lkw nach wie vor zwar eine überzeugende Option für die “erste und letzte Meile”, weite Strecken sollten aber stets per Schiene zurückgelegt werden.

    Damit der Kombinierte Verkehr in Europa zum von der EU-Kommission gewünschten Erfolgsmodell werden kann, müssen allerdings in den weiteren Gesetzgebungsprozessen zur Umsetzung des Maßnahmenpakets zielorientierte Maßnahmen ergriffen werden.

    Bedingungen für den Erfolg

    An erster Stelle braucht es ein flächendeckendes Intermodalangebot. In Europa werden Gütertransporte hauptsächlich mit (Kühl)Trailern verschiedener Bauarten durchgeführt, die aber nur zu einem sehr geringen Teil – etwa 5 Prozent – kombinierbar sind. Dieser Rückstand stellt die größte Hürde für durchlässige Transporte dar. Umso dringender braucht es europaweite gesetzliche Regelungen für einheitliche Standards in der Technik, um diese Sattelauflieger für die Standardumschlagprozesse im KV bahnfähig machen.

    Ergänzend dazu bedarf es europaweit neuer und digitalisierter Umschlagterminals. Denn nur mit zusätzlichen Zugangspunkten zum Schienennetz kann ein Wachstum auf der Schiene ermöglicht werden. Darüber hinaus muss die Schieneninfrastruktur in der Fläche weiter ausgebaut werden, um Kapazitätsengpässe zu vermeiden. Investitionen in den Neubau und die Instandhaltung von Gleisanschlüssen sowie den Ausbau von Korridoren sind für eine langfristig erfolgreiche Verlagerung von der Straße auf die Schiene unumgänglich.

    Der Schienengüterverkehr kann sein volles Potenzial jedoch nur dann entfalten, wenn unter allen Playern ein “gesunder” Wettbewerb herrscht. Die Schaffung fairer Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmenden ist die Basis für erfolgreichen und wirksamen Wettbewerb. Nur so kann sich ein finanziell attraktiver und umweltschonender Schienengüterverkehr etablieren, der in ernsthafte Konkurrenz zur Straße und zum internationalen Wettbewerb auf der Schiene treten kann. Denn solange der Straßentransport mit fossilen Kraftstoffen die deutlich günstigere Option ist, wird es zu keiner großflächigen Umstellung von Logistikketten kommen.

    Noch mehr Verkehr auf der Straße droht

    Unverständlicherweise bleibt der Vorschlag der EU-Kommission ausgerechnet in dieser Hinsicht deutlich hinter den Erwartungen zurück. Statt die Verkehrswende jetzt voranzutreiben, setzt der Vorschlag kurzfristig neue Anreize für den Transport per Lkw, denn das zulässige Gesamtgewicht für modulare Lkw in grenzüberschreitenden Transporten soll künftig auf 44 Tonnen erhöht werden. Erst ab 2035 müssen diese Transporte dann emissionsfrei erfolgen, was weitere zwölf Jahre Wachstum des Verkehrs mit Diesel-Lkw bedeutet.

    Die Konsequenz ist kontraproduktiv: Die Kosten für solche Lkw-Transporte würden dadurch pro Tonne zunächst sinken, im äußerst preissensitiven Güterverkehr führen solche Signale jedoch zu unmittelbaren Reaktionen. Die Waren würden so wieder verstärkt auf der Straße transportiert werden. An dieser Stelle wünschen wir uns mehr Mut für eine größere Ambition, mit der wir die Zukunft des Güterverkehrs in Europa gestalten.

    Regulierung muss EU-weit harmonisiert werden

    Letztlich bedarf es zudem einer Vereinfachung der Regulatorik. Die Planung und Durchführung des grenzüberschreitenden Güterverkehrs innerhalb Europas ist kompliziert und muss drastisch vereinfacht werden. Hierfür ist eine europaweite Harmonisierung der gesetzlichen Vorschriften und Regularien notwendig. Dazu zählen zum Beispiel die Digitalisierung der Frachtpapiere, die Einführung einer gemeinsamen Verkehrssprache sowie ein einheitlicher Rechtsrahmen.

    Es bleibt daher zu wünschen, dass das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union in den kommenden Monaten in diesen Handlungsfeldern tätig werden. Sie müssen dafür Sorge tragen, dass aus gut gemeinten Ideen der EU-Kommission keine hinderliche Gesetze für den KV werden. Es bedarf mutiger Entscheidungen und großer Anstrengungen, um das Ruder für die nachhaltigen Schienengüterverkehr noch herumzureißen.

    Sven Wellbrock ist Chief Operating Officer Europe und Chief Safety Officer bei VTG. Das Hamburger Unternehmen ist Eisenbahngüterwagen-Vermieter und Schienenlogistiker und verfügt über mehr als 88.000 Eisenbahngüterwagen.

    • EU
    • Europäische Kommission
    • Klima & Umwelt

    Agrifood.Table Redaktion

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