ein Affront gegen Deutschland: die Volksrepublik China öffnet ihren Markt für Schweinefleisch aus Regionen Russlands, die frei von Afrikanischer Schweinepest (ASP) sind. Das berichtet der Nachrichtendienst Agra-Europe. Die 15-jährige Einfuhrsperre soll am gestrigen Montag durch die chinesische Zollverwaltung aufgehoben worden sein. Die Sperre galt seit 2008, weil in Russland das Virus der Afrikanischen Schweinepest grassiert. Deshalb seien nur Einfuhren aus Regionen Russlands erlaubt, die nachweislich frei von ASP sind.
Deutschland beißt sich an China bislang vergeblich die Zähne aus, um solch eine Lösung umzusetzen. Und das, obwohl die Schweinefleischimporte in die Volksrepublik steigen. Von Januar bis August 2023 seien rund 1,17 Millionen Tonnen Schweinefleisch eingeführt worden; fast 10 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, teilt das Agrarministerium in Peking mit. Zudem stieg der Import von Schlachtnebenerzeugnissen vom Schwein um fast 8 Prozent auf 780.000 Tonnen. An die Rekordzahlen der Jahre 2020 und 2021 reichen diese Mengen aber nicht heran. Größte Lieferländer bei Fleisch waren im bisherigen Jahresverlauf Spanien und Brasilien, bei den Nebenerzeugnissen die USA und Spanien.
Weit entfernt von der Volksrepublik – im politischen Berlin – wird der Umgang mit dem unter Artenschutz stehenden Wolf in dieser Woche wieder einmal für Gesprächsstoff sorgen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke will am kommenden Donnerstag darlegen, wie Wolfsabschüsse nach Rissen an Weidetieren schneller und unkomplizierter umgesetzt werden können, ohne gegen EU-Recht zu verstoßen.
Wegen ihres Klimas zählt die Doñana-Region in Andalusien zu den Gemüsegärten Europas. Ihre Produkte sind überall gefragt. “Täglich startet eine Lastwagenflotte, um die Erzeugnisse in den kühlen Norden zu bringen”, sagt Johannes Schmiester, Projektmanager für Water Stewardship bei WWF Deutschland. Aber weil es inzwischen kaum noch saisonale Unterbrechungen gibt, wird das Wasser knapp. Die Grundwasserspiegel sinken, Agrarbetriebe sehen sich gezwungen, illegal Trinkwasser anzuzapfen. Und nicht nur das. Auch sonst ist der Umgang wenig nachhaltig. Abwässer werden ungeklärt im Meer verklappt, Nitrate belasten die Flüsse, artenreiche Feuchtgebiete vertrocknen.
Spanien ist kein Einzelfall. In anderen Teilen Europas, in Südamerika, Afrika und Asien stehen Gemüseproduzenten, Genussmittel-, Baumwoll- und Textillieferanten ebenfalls im Verdacht, der lokalen Bevölkerung das Wasser abzuzapfen und Gewässer zu verseuchen. Global betrachtet ist die Landwirtschaft mit weitem Abstand der größte Verbraucher von Wasser – sie beansprucht 70 Prozent. Die Industrie kommt auf 20 Prozent, die Haushalte auf 10 Prozent.
An einer Lösung der Probleme scheitern viele Länder. Selbst in Europa ist es häufig unklar, wer zuständig ist. Gewässer fließen oft länderübergreifend, chemische und regulatorische Verfahren im jeweils benachbarten Ausland sind unbekannt und zudem verfolgen Stakeholder unterschiedliche Interessen. So hat der deutsche Lebensmitteleinzelhandel in Bezug auf die Wassernutzung für seine Endprodukte andere Ziele als eine spanische Kommune, deren Grundwasserspiegel sinkt.
Ob Maßnahmen auf länderübergreifender Ebene ausreichen, so wie es die EU mit ihrer Trinkwasserrichtlinie von 2020 versucht, halten Fachleute für zweifelhaft. Einzelne Regeln verbessern zwar die Situation, beispielsweise die Richtlinie (EU) 2020/2184 – sie soll verhindern, dass giftige Chemiestoffe in Plastikflaschen mit Wasser in Berührung kommen. Für eine tatsächliche Transformation benötige es jedoch mehr, sagt Wasserexperte Schmiester: “Wir brauchen eine viel stärkere Zusammenarbeit der Politik in Europa, besonders mit der produzierenden Wirtschaft.”
Unternehmen aus Deutschland starten gerade einzelne Pilotprojekte, sagt er. “Häufig sehen die Unternehmen ihre Umweltprojekte auch noch zu wettbewerbsorientiert – als Einzelkämpfer, anstatt das Wasserproblem gemeinsam zu lösen”.
Die Vereinten Nationen wollen bis 2030 “sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen für alle” erreichen. Um dieses Ziel – SDG 6 – zu verwirklichen, müsste sich das Tempo allerdings deutlich erhöhen: beim Anschluss der Menschen an die Trinkwasserversorgung um das Fünf-, bei der Hygiene um das Achtfache, heißt es beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Die Initiativen nehmen zu. 2010 erklärten die UN Wasser und Sanitärversorgung zum Menschenrecht, 2018 riefen sie eine bis 2028 laufende “Wasseraktionsdekade” aus, in diesem Frühjahr fand die zweite UN-Wasserkonferenz statt. Trotzdem fehlt 2,2 Milliarden Menschen immer noch ein sicherer Zugang zu sauberem Trinkwasser und zuletzt verschlechterte sich die Lage, statt besser zu werden. So schreibt die UNESCO im UN-Wasserbericht 2019: “Es wird erwartet, dass der globale Wasserbedarf bis 2050 weiter in ähnlicher Größenordnung steigen wird, was einem Anstieg von 20 bis 30 Prozent über dem derzeitigen Verbrauch entspricht.”
Johannes Schmiester vom WWF bewertet die bisherigen Pläne Deutschlands trotz der Nationalen Wasserstrategie kritisch: Die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik komme viel zu langsam voran. Zunächst müsse “die Wettbewerbssituation” aufgebrochen werden, fordert er: Solange die Akteure “vor allem darauf achten, ob andere weniger im Bereich Wasser tun als sie, sehe ich die Verwirklichung des SDG 6 bis 2030 nicht”. Zudem investierten Unternehmen aus der Real- und Finanzwirtschaft “viel zu wenig” in Wasserthemen.
Wollen Unternehmen ihren Verbrauch analysieren, steht am Anfang einer nachhaltigen Transformation die Ermittlung des Ist-Zustands, der Wasserfußabdruck, sagt der Wasseranalyst und TU-Doktorand Jonas Bunsen. Dieser bestimme, wie viel Wasser etwa eine deutsche Textilfirma an Standorten weltweit verknappt oder verschmutzt. Dabei könne auffallen, dass vor allem beim Baumwollanbau und beim Färben Wasserproblematiken in einem Hotspot rund um Pakistan oder Bangladesch aufträten. Anschließend müssten regionale Probleme betrachtet werden, darunter monsunartige Regenfälle, extreme Dürren oder verschmutzte Flüsse. Erst im letzten Schritt würde man Unternehmensziele wie “geringere Wasserentnahme” oder “optimierte Filter- und Aufbereitungsanlagen” formulieren.
Um in ausländischen Regionen langfristig etwas zu verändern, sei Netzwerk- und Projektarbeit gefragt, sagt Schmiester. So wie bei der Wasserverknappung in Spanien: Seit 2015 kooperiert Edeka durch Vermittlung des WWF mit Farmen, die unter anderem Orangen erzeugen, erst im Süden in Andalusien, später kamen welche in Katalonien im Norden sowie Valencia dazu. Die Idee: Die Farmer machen den konventionellen Anbau umweltfreundlicher, indem sie weniger, gezielt und legal bewässern, Pflanzenschutzmittel reduzieren und sich für Bodengesundheit und Artenschutz einsetzen. “Das Projekt ist ein Beispiel, wie wir die Wassernutzung nachhaltiger gestalten können. Dabei beziehen wir neben den Farmen auch immer das jeweilige Flussgebiet mit ein”, sagt Schmiester.
Die spanischen Gebiete haben somit über das Jahr verteilt mehr Wasser zum Trinken und für die nachhaltige Vegetation. Laut WWF verbrauchten die 19 Projektfarmen etwas mehr als fünf Milliarden Liter – und damit knapp 1,7 Milliarden Liter weniger, als ihnen aufgrund der zugeteilten Konzessionen zugestanden hätte. Maria Köpf
Alle Texte zum SDG Summit finden Sie hier.
Der designierte Klimakommissar Wopke Hoekstra hat sich hinter den Vorschlag für das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur gestellt. In seinen Antworten auf einen Fragenkatalog von Europaabgeordneten vor seiner Anhörung am gestrigen Montag (18:30 Uhr im Umweltausschuss) schreibt er, die Vorschläge zum Renaturierungsgesetz sowie zur Kreislaufwirtschaft “unterstützen unsere Klimaziele”. Sie trügen dazu bei, den “Druck auf Land und endliche Ressourcen zu verringern und die Erholung der Natur zu fördern”.
Als Kommissar werde er das Engagement der Kommission für den Green Deal “in vollem Umfang” aufrechterhalten und dafür sorgen, dass die politischen Maßnahmen, die in seinen Zuständigkeitsbereich fallen, die Ziellinie erreichen. Das Renaturierungsgesetz fällt jedoch nicht in den Zuständigkeitsbereich Hoekstras, sondern in den des designierten Green-Deal-Kommissars Maroš Šefčovič. Doch weil Hoekstras Partei CDA zur EVP-Parteienfamilie gehört und diese in der Parlamentsverhandlungen das Renaturierungsgesetz blockieren wollte, fordern die Abgeordneten ein solches Bekenntnis des Niederländers.
Auch zu seinem wichtigsten Verantwortungsbereich, den internationalen Klimaverhandlungen auf der COP28 in Dubai, fordern die ENVI-Mitglieder klare Bekenntnisse. Hoekstra verspricht “die größtmögliche Ambition bei unseren COP-Entscheidungen”. Die Einigung auf der COP27 im vergangenen Jahr auf einen Fonds für Loss & Damage, der die am meisten vom Klimawandel betroffenen Länder unterstützt, bezeichnete er als einen “historischen Meilenstein und ein starkes Signal der Solidarität mit den Schwächsten”. Damit revidiert Hoekstra seine frühere Kritik an der Einigung auf einen Fonds für Loss & Damage. Er hatte sich vor einem Jahr als niederländischer Außenminister negativ geäußert. luk
Die Installation von Photovoltaik-Freiflächenanlagen auf ertragreichen landwirtschaftliche Flächen soll von den Bundesländern weiterhin ausgeschlossen werden dürfen. Das fordert der Bundesrat in einer Stellungnahme zum Solarpaket der Bundesregierung. Der entsprechende Gesetzentwurf ermächtigt die Länder bislang lediglich dazu, Flächen in Landschaftsschutzgebieten oder Naturparks von Geboten auszuschließen.
Außerdem fordert der Bundesrat, die Höchstwerte bei Ausschreibungen für Biogasanlagen zu erhöhen. Die bislang im Erneuerbare-Energien-Gesetz geplante Anhebung in den Jahren 2024 und 2025 um 0,5 Cent/kWh für Biomasseanlagen sei zu niedrig, meint die Länderkammer und plädiert für eine Anhebung auf 2,0 Cent/kWh.
Ein Antrag des Agrarausschusses des Bundesrats, die Stoffstrombilanz-Verordnung aufzuheben, fand beim ersten Durchgang der Novelle des Düngegesetzes keine Mehrheit im Bundesrat. Damit kann das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) seine Arbeit an einer Änderung der Verordnung fortsetzen. Grundsätzliche Zustimmung in der Bundesratssitzung fand hingegen die Ermächtigung im Gesetzentwurf, eine Verordnung zu einem Wirkungsmonitoring der Düngeverordnung vorzulegen.
Darüber hinaus stimmte der Bundesrat der Novelle der 31. Bundes-Immissionsschutz-Verordnung (BImSchV) nach einigen Änderungen zu. Die vom Wirtschaftsausschuss vorgelegte Empfehlung, auf einen zusätzlichen und nur national geltenden Emissionsgrenzwert bei der Speiseölherstellung zu verzichten, fand in der Sitzung der Länderkammer jedoch keine Mehrheit. Ebenfalls durchgefallen ist ein Antrag des Agrarausschusses, den bestehenden Emissionsgrenzwert für Rapssamen anzuheben. AgE
Der Einsatz synthetischer Düngemittel könnte laut einer Studie weltweit um etwa ein Drittel sinken, ohne dass die Erträge global betrachtet zurückgehen würden. Das ist das Ergebnis einer Studie von Forschenden des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), die im Fachjournal “Communications Earth & Environment” erschienen ist. Die Forschenden aus Karlsruhe betrachten in ihrer Studie die drei wichtigsten Getreidesorten Mais, Weizen und Reis im Zeitraum von 2015 bis 2030. Für die Untersuchung nutzen sie ein eigens entwickeltes biogeochemisches Modell.
In dem Beitrag legen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen dar, welche globalen Umverteilungen notwendig wären, um rund ein Drittel Kunstdünger bei gleichbleibenden Erträgen einzusparen. Landwirte in Regionen, in denen die Stickstoffbelastung aktuell hoch ist – etwa in Ostasien, Nordamerika oder Westeuropa – müssten deutlich weniger Düngemittel verwenden, wodurch ihre Erträge leicht sinken würden. Landwirte in Subsahara-Afrika und Eurasien, wo der Ertrag pro Fläche aktuell häufig viel niedriger ist, müssten hingegen mehr düngen. Sie könnten auf diese Weise höhere Erträge erzielen. Das würde die Ertragsverluste in anderen Regionen mehr als ausgleichen, schreiben die Forschenden.
Von dem Modell versprechen sich die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen einerseits eine Steigerung der Ernteerträge in Regionen wie Subsahara-Afrika und damit die Sicherung der Welternährung. Andererseits verweisen sie auf die Verringerung der Stickstoffbelastung der Umwelt in Regionen, in denen viel gedüngt wird. Für Christoph Müller, Leiter der Arbeitsgruppe zu Landnutzung und Resilienz am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sind die Studienergebnisse qualitativ nicht überraschend. Die nicht-linearen Beziehungen zwischen Erträgen und Stickstoffgaben führten dazu, dass in Systemen mit geringem Stickstoffeintrag relativ große Ertragssteigerungen pro zusätzlicher Einheit Stickstoff erreicht werden könnten, so Müller. Gleichzeitig seien die Ertragssteigerungen in Systemen mit hohem Eintrag sehr gering und die umweltschädlichen Emissionen hoch.
In der Praxis gerät das von den Forschenden dargelegte Szenario an seine Grenzen. Wie die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen selbst einräumen, würde es durch die Umverteilungen zu Verschiebungen in der Produktion kommen, die wirtschaftliche Auswirkungen hätten. Auch Christoph Müller vom PIK hält fest: “Eine solche Umverteilung ist ohne erhebliche Veränderungen der Rahmenbedingungen nicht möglich.” Zum einen müssten zumindest in den Regionen mit hohen Stickstoffgaben finanzielle Anreize geschaffen werden, Stickstoff in geringeren Mengen und effizienter einzusetzen, so Müller. Zum anderen müsste sichergestellt werden, dass Stickstoff – und auch andere Nährstoffe – in die Regionen kommt, wo Nährstoffe dringend gebraucht werden, um Erträge zu steigern. Dazu müssten Produzenten in der Lage sein, sich diese Einträge leisten zu können. Außerdem wären bessere Anbindungen an Märkte nötig.
Für Adrian Müller, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Departement für Agrar- und Ernährungssysteme am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in der Schweiz, birgt eine solche Umverteilung den Vorteil, Regionen, die heute relativ wenig produzieren, ernährungssicherer und weniger abhängig von Nahrungsmittelimporten zu machen. Gleichzeitig gibt er zu bedenken, “dass über die erhöhte Mineraldüngernutzung in den heute wenig produktiven Regionen eine neue Abhängigkeit entsteht, die auch wieder sehr krisenanfällig ist”. heu
Nicht nur der vom Bundestag eingesetzte Bürgerrat beschäftigt sich mit dem Thema Ernährung. Parallel dazu läuft ein ähnliches Projekt, initiiert vom Bundesumweltministerium: der “Bürgerinnen- und Bürgerratschlag Nachhaltige Ernährung”. Bei beiden beraten zufällig ausgeloste Bürgerinnen und Bürger und geben Empfehlungen ab. Am 20. Oktober stellt das Bürgerprojekt des Bundesumweltministeriums Ergebnisse vor. Außerdem veranstaltete das Bundeslandwirtschaftsministerium zu Jahresbeginn ein “Bürgerforum zur Ernährungsstrategie der Bundesregierung”. Dieses will bis Ende 2023 ein Konzept beschließen. Eine wichtige Rolle spielten Ernährungsfragen auch beim “Bürgerrat Klima” von 2021.
Der neue Bürgerrat des Bundestages soll seine Vorschläge bis Anfang 2024 vorlegen. Er wird, und das ist neu, offiziell vom Parlament eingesetzt. Schwerpunktmäßig befasst er sich mit der Rolle des Staates und legte bei seinem ersten Treffen, das am Sonntag zu Ende ging, drei Oberthemen fest: Label und Kennzeichnung, Tierwohl und Tierhaltung sowie die Bezahlbarkeit von Lebensmitteln. Die Stabsstelle Bürgerräte des Bundestages betont auf Anfrage die Unterschiede zu anderen Formaten: Das Gremium sei nicht bei der Regierung, sondern unter Einbeziehung aller Fraktionen beim Parlament angesiedelt und inhaltlich offener.
Zudem gäbe es keine umfassende Strategie, um das Ziel zu erreichen. Vielmehr gehe es um Empfehlungen, die von den Abgeordneten dann auch im Plenum beraten werden sollen – und Prioritäten der Bürger widerspiegeln. Die insgesamt 157 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen die Vielfalt der Gesellschaft “möglichst gut abbilden”. okb
Welche Weichen sollte die europäische und deutsche Agrar- und Ernährungspolitik stellen?
Die europäische Agrar- und Ernährungspolitik sollte ein Gleichgewicht zwischen verschiedenen Zielen herstellen. Das bedeutet:
Brauchen Landwirtinnen und Landwirte noch Subventionen und wenn ja, wofür?
Subventionen sind wichtig, um Landwirtinnen und Landwirten ein stabiles Einkommen zu garantieren und so den Erhalt der ländlichen Gebiete und die Überlebensfähigkeit der Landwirtschaft zu sichern. Mit über 38 Milliarden Euro Einkommensbeihilfen trägt die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) dazu bei, eine stabile Versorgung mit Lebensmitteln und erschwinglichere Lebensmittelpreise für die Bürger zu gewährleisten.
Darüber hinaus erhalten Landwirtinnen und Landwirte Subventionen für die Einführung von Praktiken, die den Übergang zu nachhaltigen Produktionssystemen oder die Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen unterstützen – wie zum Beispiel der Ökolandbau. Insgesamt ist über ein Drittel der GAP-Förderung, fast 100 Milliarden Euro, für den Umweltschutz und die Förderung neuer Praktiken vorgesehen.
Für wie wichtig halten Sie Bio?
Der ökologische Landbau und damit auch die ökologische Erzeugung, die die gesamte Lieferkette vom Erzeuger bis zum Verbraucher umfasst, sind essenziell für den Übergang zu einer nachhaltigen Landwirtschaft und nachhaltigen Ernährungssystemen. Bio stellt ein Gesamtsystem dar, das die besten Praktiken in Bezug auf Umwelt und Klimawandel, biologischer Vielfalt, den Erhalt natürlicher Ressourcen und die Anwendung hoher Tierschutz- und Produktionsstandards miteinander verbindet. Das wird auch der Nachfrage einer steigenden Zahl von Verbraucherinnen und Verbrauchern gerecht.
Auf EU-Ebene enthalten sowohl die Strategie “Vom Hof auf den Tisch” als auch die Biodiversitätsstrategie das Ziel, bis 2030 25 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der EU ökologisch zu bewirtschaften und die ökologische Aquakultur deutlich auszubauen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Kommission im März 2021 den EU-Aktionsplan für die Entwicklung der ökologischen Erzeugung angenommen, dessen Umsetzung in vollem Gange ist. Um ein Beispiel zu nennen: Mit dem 25 Prozent-Ziel und dem Aktionsplan wird sich der Anteil der landwirtschaftlichen Flächen in der EU, die im Rahmen der GAP 2023-2027 für den ökologischen Landbau gefördert werden, im Vergleich zur vorherigen GAP von etwa 5 auf 10 Prozent erhöhen.
Seit Dezember 2019 ist Janusz Wojciechowski EU-Kommissar für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung und hat die Transformation des EU-Agrarsektors zu seiner Hauptaufgabe gemacht. Zuvor war der polnische Jurist und Politiker als Präsident des polnischen Rechnungshofes, als Vizemarschall des Sejm und als Abgeordneter im Europäischen Parlament tätig.
ein Affront gegen Deutschland: die Volksrepublik China öffnet ihren Markt für Schweinefleisch aus Regionen Russlands, die frei von Afrikanischer Schweinepest (ASP) sind. Das berichtet der Nachrichtendienst Agra-Europe. Die 15-jährige Einfuhrsperre soll am gestrigen Montag durch die chinesische Zollverwaltung aufgehoben worden sein. Die Sperre galt seit 2008, weil in Russland das Virus der Afrikanischen Schweinepest grassiert. Deshalb seien nur Einfuhren aus Regionen Russlands erlaubt, die nachweislich frei von ASP sind.
Deutschland beißt sich an China bislang vergeblich die Zähne aus, um solch eine Lösung umzusetzen. Und das, obwohl die Schweinefleischimporte in die Volksrepublik steigen. Von Januar bis August 2023 seien rund 1,17 Millionen Tonnen Schweinefleisch eingeführt worden; fast 10 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, teilt das Agrarministerium in Peking mit. Zudem stieg der Import von Schlachtnebenerzeugnissen vom Schwein um fast 8 Prozent auf 780.000 Tonnen. An die Rekordzahlen der Jahre 2020 und 2021 reichen diese Mengen aber nicht heran. Größte Lieferländer bei Fleisch waren im bisherigen Jahresverlauf Spanien und Brasilien, bei den Nebenerzeugnissen die USA und Spanien.
Weit entfernt von der Volksrepublik – im politischen Berlin – wird der Umgang mit dem unter Artenschutz stehenden Wolf in dieser Woche wieder einmal für Gesprächsstoff sorgen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke will am kommenden Donnerstag darlegen, wie Wolfsabschüsse nach Rissen an Weidetieren schneller und unkomplizierter umgesetzt werden können, ohne gegen EU-Recht zu verstoßen.
Wegen ihres Klimas zählt die Doñana-Region in Andalusien zu den Gemüsegärten Europas. Ihre Produkte sind überall gefragt. “Täglich startet eine Lastwagenflotte, um die Erzeugnisse in den kühlen Norden zu bringen”, sagt Johannes Schmiester, Projektmanager für Water Stewardship bei WWF Deutschland. Aber weil es inzwischen kaum noch saisonale Unterbrechungen gibt, wird das Wasser knapp. Die Grundwasserspiegel sinken, Agrarbetriebe sehen sich gezwungen, illegal Trinkwasser anzuzapfen. Und nicht nur das. Auch sonst ist der Umgang wenig nachhaltig. Abwässer werden ungeklärt im Meer verklappt, Nitrate belasten die Flüsse, artenreiche Feuchtgebiete vertrocknen.
Spanien ist kein Einzelfall. In anderen Teilen Europas, in Südamerika, Afrika und Asien stehen Gemüseproduzenten, Genussmittel-, Baumwoll- und Textillieferanten ebenfalls im Verdacht, der lokalen Bevölkerung das Wasser abzuzapfen und Gewässer zu verseuchen. Global betrachtet ist die Landwirtschaft mit weitem Abstand der größte Verbraucher von Wasser – sie beansprucht 70 Prozent. Die Industrie kommt auf 20 Prozent, die Haushalte auf 10 Prozent.
An einer Lösung der Probleme scheitern viele Länder. Selbst in Europa ist es häufig unklar, wer zuständig ist. Gewässer fließen oft länderübergreifend, chemische und regulatorische Verfahren im jeweils benachbarten Ausland sind unbekannt und zudem verfolgen Stakeholder unterschiedliche Interessen. So hat der deutsche Lebensmitteleinzelhandel in Bezug auf die Wassernutzung für seine Endprodukte andere Ziele als eine spanische Kommune, deren Grundwasserspiegel sinkt.
Ob Maßnahmen auf länderübergreifender Ebene ausreichen, so wie es die EU mit ihrer Trinkwasserrichtlinie von 2020 versucht, halten Fachleute für zweifelhaft. Einzelne Regeln verbessern zwar die Situation, beispielsweise die Richtlinie (EU) 2020/2184 – sie soll verhindern, dass giftige Chemiestoffe in Plastikflaschen mit Wasser in Berührung kommen. Für eine tatsächliche Transformation benötige es jedoch mehr, sagt Wasserexperte Schmiester: “Wir brauchen eine viel stärkere Zusammenarbeit der Politik in Europa, besonders mit der produzierenden Wirtschaft.”
Unternehmen aus Deutschland starten gerade einzelne Pilotprojekte, sagt er. “Häufig sehen die Unternehmen ihre Umweltprojekte auch noch zu wettbewerbsorientiert – als Einzelkämpfer, anstatt das Wasserproblem gemeinsam zu lösen”.
Die Vereinten Nationen wollen bis 2030 “sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen für alle” erreichen. Um dieses Ziel – SDG 6 – zu verwirklichen, müsste sich das Tempo allerdings deutlich erhöhen: beim Anschluss der Menschen an die Trinkwasserversorgung um das Fünf-, bei der Hygiene um das Achtfache, heißt es beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Die Initiativen nehmen zu. 2010 erklärten die UN Wasser und Sanitärversorgung zum Menschenrecht, 2018 riefen sie eine bis 2028 laufende “Wasseraktionsdekade” aus, in diesem Frühjahr fand die zweite UN-Wasserkonferenz statt. Trotzdem fehlt 2,2 Milliarden Menschen immer noch ein sicherer Zugang zu sauberem Trinkwasser und zuletzt verschlechterte sich die Lage, statt besser zu werden. So schreibt die UNESCO im UN-Wasserbericht 2019: “Es wird erwartet, dass der globale Wasserbedarf bis 2050 weiter in ähnlicher Größenordnung steigen wird, was einem Anstieg von 20 bis 30 Prozent über dem derzeitigen Verbrauch entspricht.”
Johannes Schmiester vom WWF bewertet die bisherigen Pläne Deutschlands trotz der Nationalen Wasserstrategie kritisch: Die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik komme viel zu langsam voran. Zunächst müsse “die Wettbewerbssituation” aufgebrochen werden, fordert er: Solange die Akteure “vor allem darauf achten, ob andere weniger im Bereich Wasser tun als sie, sehe ich die Verwirklichung des SDG 6 bis 2030 nicht”. Zudem investierten Unternehmen aus der Real- und Finanzwirtschaft “viel zu wenig” in Wasserthemen.
Wollen Unternehmen ihren Verbrauch analysieren, steht am Anfang einer nachhaltigen Transformation die Ermittlung des Ist-Zustands, der Wasserfußabdruck, sagt der Wasseranalyst und TU-Doktorand Jonas Bunsen. Dieser bestimme, wie viel Wasser etwa eine deutsche Textilfirma an Standorten weltweit verknappt oder verschmutzt. Dabei könne auffallen, dass vor allem beim Baumwollanbau und beim Färben Wasserproblematiken in einem Hotspot rund um Pakistan oder Bangladesch aufträten. Anschließend müssten regionale Probleme betrachtet werden, darunter monsunartige Regenfälle, extreme Dürren oder verschmutzte Flüsse. Erst im letzten Schritt würde man Unternehmensziele wie “geringere Wasserentnahme” oder “optimierte Filter- und Aufbereitungsanlagen” formulieren.
Um in ausländischen Regionen langfristig etwas zu verändern, sei Netzwerk- und Projektarbeit gefragt, sagt Schmiester. So wie bei der Wasserverknappung in Spanien: Seit 2015 kooperiert Edeka durch Vermittlung des WWF mit Farmen, die unter anderem Orangen erzeugen, erst im Süden in Andalusien, später kamen welche in Katalonien im Norden sowie Valencia dazu. Die Idee: Die Farmer machen den konventionellen Anbau umweltfreundlicher, indem sie weniger, gezielt und legal bewässern, Pflanzenschutzmittel reduzieren und sich für Bodengesundheit und Artenschutz einsetzen. “Das Projekt ist ein Beispiel, wie wir die Wassernutzung nachhaltiger gestalten können. Dabei beziehen wir neben den Farmen auch immer das jeweilige Flussgebiet mit ein”, sagt Schmiester.
Die spanischen Gebiete haben somit über das Jahr verteilt mehr Wasser zum Trinken und für die nachhaltige Vegetation. Laut WWF verbrauchten die 19 Projektfarmen etwas mehr als fünf Milliarden Liter – und damit knapp 1,7 Milliarden Liter weniger, als ihnen aufgrund der zugeteilten Konzessionen zugestanden hätte. Maria Köpf
Alle Texte zum SDG Summit finden Sie hier.
Der designierte Klimakommissar Wopke Hoekstra hat sich hinter den Vorschlag für das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur gestellt. In seinen Antworten auf einen Fragenkatalog von Europaabgeordneten vor seiner Anhörung am gestrigen Montag (18:30 Uhr im Umweltausschuss) schreibt er, die Vorschläge zum Renaturierungsgesetz sowie zur Kreislaufwirtschaft “unterstützen unsere Klimaziele”. Sie trügen dazu bei, den “Druck auf Land und endliche Ressourcen zu verringern und die Erholung der Natur zu fördern”.
Als Kommissar werde er das Engagement der Kommission für den Green Deal “in vollem Umfang” aufrechterhalten und dafür sorgen, dass die politischen Maßnahmen, die in seinen Zuständigkeitsbereich fallen, die Ziellinie erreichen. Das Renaturierungsgesetz fällt jedoch nicht in den Zuständigkeitsbereich Hoekstras, sondern in den des designierten Green-Deal-Kommissars Maroš Šefčovič. Doch weil Hoekstras Partei CDA zur EVP-Parteienfamilie gehört und diese in der Parlamentsverhandlungen das Renaturierungsgesetz blockieren wollte, fordern die Abgeordneten ein solches Bekenntnis des Niederländers.
Auch zu seinem wichtigsten Verantwortungsbereich, den internationalen Klimaverhandlungen auf der COP28 in Dubai, fordern die ENVI-Mitglieder klare Bekenntnisse. Hoekstra verspricht “die größtmögliche Ambition bei unseren COP-Entscheidungen”. Die Einigung auf der COP27 im vergangenen Jahr auf einen Fonds für Loss & Damage, der die am meisten vom Klimawandel betroffenen Länder unterstützt, bezeichnete er als einen “historischen Meilenstein und ein starkes Signal der Solidarität mit den Schwächsten”. Damit revidiert Hoekstra seine frühere Kritik an der Einigung auf einen Fonds für Loss & Damage. Er hatte sich vor einem Jahr als niederländischer Außenminister negativ geäußert. luk
Die Installation von Photovoltaik-Freiflächenanlagen auf ertragreichen landwirtschaftliche Flächen soll von den Bundesländern weiterhin ausgeschlossen werden dürfen. Das fordert der Bundesrat in einer Stellungnahme zum Solarpaket der Bundesregierung. Der entsprechende Gesetzentwurf ermächtigt die Länder bislang lediglich dazu, Flächen in Landschaftsschutzgebieten oder Naturparks von Geboten auszuschließen.
Außerdem fordert der Bundesrat, die Höchstwerte bei Ausschreibungen für Biogasanlagen zu erhöhen. Die bislang im Erneuerbare-Energien-Gesetz geplante Anhebung in den Jahren 2024 und 2025 um 0,5 Cent/kWh für Biomasseanlagen sei zu niedrig, meint die Länderkammer und plädiert für eine Anhebung auf 2,0 Cent/kWh.
Ein Antrag des Agrarausschusses des Bundesrats, die Stoffstrombilanz-Verordnung aufzuheben, fand beim ersten Durchgang der Novelle des Düngegesetzes keine Mehrheit im Bundesrat. Damit kann das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) seine Arbeit an einer Änderung der Verordnung fortsetzen. Grundsätzliche Zustimmung in der Bundesratssitzung fand hingegen die Ermächtigung im Gesetzentwurf, eine Verordnung zu einem Wirkungsmonitoring der Düngeverordnung vorzulegen.
Darüber hinaus stimmte der Bundesrat der Novelle der 31. Bundes-Immissionsschutz-Verordnung (BImSchV) nach einigen Änderungen zu. Die vom Wirtschaftsausschuss vorgelegte Empfehlung, auf einen zusätzlichen und nur national geltenden Emissionsgrenzwert bei der Speiseölherstellung zu verzichten, fand in der Sitzung der Länderkammer jedoch keine Mehrheit. Ebenfalls durchgefallen ist ein Antrag des Agrarausschusses, den bestehenden Emissionsgrenzwert für Rapssamen anzuheben. AgE
Der Einsatz synthetischer Düngemittel könnte laut einer Studie weltweit um etwa ein Drittel sinken, ohne dass die Erträge global betrachtet zurückgehen würden. Das ist das Ergebnis einer Studie von Forschenden des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), die im Fachjournal “Communications Earth & Environment” erschienen ist. Die Forschenden aus Karlsruhe betrachten in ihrer Studie die drei wichtigsten Getreidesorten Mais, Weizen und Reis im Zeitraum von 2015 bis 2030. Für die Untersuchung nutzen sie ein eigens entwickeltes biogeochemisches Modell.
In dem Beitrag legen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen dar, welche globalen Umverteilungen notwendig wären, um rund ein Drittel Kunstdünger bei gleichbleibenden Erträgen einzusparen. Landwirte in Regionen, in denen die Stickstoffbelastung aktuell hoch ist – etwa in Ostasien, Nordamerika oder Westeuropa – müssten deutlich weniger Düngemittel verwenden, wodurch ihre Erträge leicht sinken würden. Landwirte in Subsahara-Afrika und Eurasien, wo der Ertrag pro Fläche aktuell häufig viel niedriger ist, müssten hingegen mehr düngen. Sie könnten auf diese Weise höhere Erträge erzielen. Das würde die Ertragsverluste in anderen Regionen mehr als ausgleichen, schreiben die Forschenden.
Von dem Modell versprechen sich die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen einerseits eine Steigerung der Ernteerträge in Regionen wie Subsahara-Afrika und damit die Sicherung der Welternährung. Andererseits verweisen sie auf die Verringerung der Stickstoffbelastung der Umwelt in Regionen, in denen viel gedüngt wird. Für Christoph Müller, Leiter der Arbeitsgruppe zu Landnutzung und Resilienz am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sind die Studienergebnisse qualitativ nicht überraschend. Die nicht-linearen Beziehungen zwischen Erträgen und Stickstoffgaben führten dazu, dass in Systemen mit geringem Stickstoffeintrag relativ große Ertragssteigerungen pro zusätzlicher Einheit Stickstoff erreicht werden könnten, so Müller. Gleichzeitig seien die Ertragssteigerungen in Systemen mit hohem Eintrag sehr gering und die umweltschädlichen Emissionen hoch.
In der Praxis gerät das von den Forschenden dargelegte Szenario an seine Grenzen. Wie die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen selbst einräumen, würde es durch die Umverteilungen zu Verschiebungen in der Produktion kommen, die wirtschaftliche Auswirkungen hätten. Auch Christoph Müller vom PIK hält fest: “Eine solche Umverteilung ist ohne erhebliche Veränderungen der Rahmenbedingungen nicht möglich.” Zum einen müssten zumindest in den Regionen mit hohen Stickstoffgaben finanzielle Anreize geschaffen werden, Stickstoff in geringeren Mengen und effizienter einzusetzen, so Müller. Zum anderen müsste sichergestellt werden, dass Stickstoff – und auch andere Nährstoffe – in die Regionen kommt, wo Nährstoffe dringend gebraucht werden, um Erträge zu steigern. Dazu müssten Produzenten in der Lage sein, sich diese Einträge leisten zu können. Außerdem wären bessere Anbindungen an Märkte nötig.
Für Adrian Müller, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Departement für Agrar- und Ernährungssysteme am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in der Schweiz, birgt eine solche Umverteilung den Vorteil, Regionen, die heute relativ wenig produzieren, ernährungssicherer und weniger abhängig von Nahrungsmittelimporten zu machen. Gleichzeitig gibt er zu bedenken, “dass über die erhöhte Mineraldüngernutzung in den heute wenig produktiven Regionen eine neue Abhängigkeit entsteht, die auch wieder sehr krisenanfällig ist”. heu
Nicht nur der vom Bundestag eingesetzte Bürgerrat beschäftigt sich mit dem Thema Ernährung. Parallel dazu läuft ein ähnliches Projekt, initiiert vom Bundesumweltministerium: der “Bürgerinnen- und Bürgerratschlag Nachhaltige Ernährung”. Bei beiden beraten zufällig ausgeloste Bürgerinnen und Bürger und geben Empfehlungen ab. Am 20. Oktober stellt das Bürgerprojekt des Bundesumweltministeriums Ergebnisse vor. Außerdem veranstaltete das Bundeslandwirtschaftsministerium zu Jahresbeginn ein “Bürgerforum zur Ernährungsstrategie der Bundesregierung”. Dieses will bis Ende 2023 ein Konzept beschließen. Eine wichtige Rolle spielten Ernährungsfragen auch beim “Bürgerrat Klima” von 2021.
Der neue Bürgerrat des Bundestages soll seine Vorschläge bis Anfang 2024 vorlegen. Er wird, und das ist neu, offiziell vom Parlament eingesetzt. Schwerpunktmäßig befasst er sich mit der Rolle des Staates und legte bei seinem ersten Treffen, das am Sonntag zu Ende ging, drei Oberthemen fest: Label und Kennzeichnung, Tierwohl und Tierhaltung sowie die Bezahlbarkeit von Lebensmitteln. Die Stabsstelle Bürgerräte des Bundestages betont auf Anfrage die Unterschiede zu anderen Formaten: Das Gremium sei nicht bei der Regierung, sondern unter Einbeziehung aller Fraktionen beim Parlament angesiedelt und inhaltlich offener.
Zudem gäbe es keine umfassende Strategie, um das Ziel zu erreichen. Vielmehr gehe es um Empfehlungen, die von den Abgeordneten dann auch im Plenum beraten werden sollen – und Prioritäten der Bürger widerspiegeln. Die insgesamt 157 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen die Vielfalt der Gesellschaft “möglichst gut abbilden”. okb
Welche Weichen sollte die europäische und deutsche Agrar- und Ernährungspolitik stellen?
Die europäische Agrar- und Ernährungspolitik sollte ein Gleichgewicht zwischen verschiedenen Zielen herstellen. Das bedeutet:
Brauchen Landwirtinnen und Landwirte noch Subventionen und wenn ja, wofür?
Subventionen sind wichtig, um Landwirtinnen und Landwirten ein stabiles Einkommen zu garantieren und so den Erhalt der ländlichen Gebiete und die Überlebensfähigkeit der Landwirtschaft zu sichern. Mit über 38 Milliarden Euro Einkommensbeihilfen trägt die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) dazu bei, eine stabile Versorgung mit Lebensmitteln und erschwinglichere Lebensmittelpreise für die Bürger zu gewährleisten.
Darüber hinaus erhalten Landwirtinnen und Landwirte Subventionen für die Einführung von Praktiken, die den Übergang zu nachhaltigen Produktionssystemen oder die Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen unterstützen – wie zum Beispiel der Ökolandbau. Insgesamt ist über ein Drittel der GAP-Förderung, fast 100 Milliarden Euro, für den Umweltschutz und die Förderung neuer Praktiken vorgesehen.
Für wie wichtig halten Sie Bio?
Der ökologische Landbau und damit auch die ökologische Erzeugung, die die gesamte Lieferkette vom Erzeuger bis zum Verbraucher umfasst, sind essenziell für den Übergang zu einer nachhaltigen Landwirtschaft und nachhaltigen Ernährungssystemen. Bio stellt ein Gesamtsystem dar, das die besten Praktiken in Bezug auf Umwelt und Klimawandel, biologischer Vielfalt, den Erhalt natürlicher Ressourcen und die Anwendung hoher Tierschutz- und Produktionsstandards miteinander verbindet. Das wird auch der Nachfrage einer steigenden Zahl von Verbraucherinnen und Verbrauchern gerecht.
Auf EU-Ebene enthalten sowohl die Strategie “Vom Hof auf den Tisch” als auch die Biodiversitätsstrategie das Ziel, bis 2030 25 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der EU ökologisch zu bewirtschaften und die ökologische Aquakultur deutlich auszubauen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Kommission im März 2021 den EU-Aktionsplan für die Entwicklung der ökologischen Erzeugung angenommen, dessen Umsetzung in vollem Gange ist. Um ein Beispiel zu nennen: Mit dem 25 Prozent-Ziel und dem Aktionsplan wird sich der Anteil der landwirtschaftlichen Flächen in der EU, die im Rahmen der GAP 2023-2027 für den ökologischen Landbau gefördert werden, im Vergleich zur vorherigen GAP von etwa 5 auf 10 Prozent erhöhen.
Seit Dezember 2019 ist Janusz Wojciechowski EU-Kommissar für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung und hat die Transformation des EU-Agrarsektors zu seiner Hauptaufgabe gemacht. Zuvor war der polnische Jurist und Politiker als Präsident des polnischen Rechnungshofes, als Vizemarschall des Sejm und als Abgeordneter im Europäischen Parlament tätig.