Table.Briefing: Agrifood

Biogas: Sorge um Nutzung von Energiepflanzen + Özdemir reist nach Äthiopien und Sambia

Liebe Leserin, lieber Leser,

der EU-Beitritt der Ukraine ist hochpolitisch, geht aber auch mit viel technischer Vorbereitung einher: Kiew muss Regulatorik und Verwaltung an EU-Anforderungen anpassen. Das laufe “reibungslos“, bescheinigte die Europäische Kommission diese Woche im Rahmen des jährlichen Fortschrittsberichts. Sie empfiehlt, im kommenden Jahr so früh wie möglich den nächsten Schritt zu gehen und in die inhaltlichen Beitrittsverhandlungen einzusteigen.

Bei sanitären und phytosanitären Standards (SPSS) für den Agrarhandel etwa ist das Land demnach schon gut aufgestellt. Anders beim Tierschutz: Die “Erzeugung tierischer Produkte” sei noch nicht im Einklang mit EU-Standards, heißt es. Auch beim Rechtsrahmen zur Bio-Landwirtschaft habe das Land noch Arbeit vor sich. Der designierte EU-Agrarkommissar Christophe Hansen hat versprochen, im Gegenzug für die Liberalisierung des Handels mit der Ukraine schon vor dem Beitritt eine Annäherung an EU-Produktionsstandards einzufordern.

Daneben muss Kiew seine Verwaltungskapazitäten deutlich aufstocken, um etwa die EU-Agrarsubventionen umsetzen und auszahlen zu können. Laut dem Bericht zum Beispiel durch die Einrichtung einer unabhängigen Behörde für die Abwicklung und die Kontrolle staatlicher Beihilfen.

Wir wünschen eine spannende Lektüre und einen ebenfalls “reibungslosen” Start ins Wochenende.

Ihre
Julia Dahm
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Analyse

Nationale Biomasse-Strategie: Warum die Rolle von Energiepflanzen umstritten ist

Gespannt erwartet die Biogasbranche das von Wirtschaftsminister Robert Habeck angekündigte Biomasse-Paket, das sich laut gut informierten Kreisen auf Arbeitsebene in der Ressortabstimmung befindet. Doch in der Branche gibt es Sorge darüber, welche Rolle Energiepflanzen künftig bei der Stromerzeugung aus Biogas spielen sollen. Das ist bisher offen und soll in der nationalen Biomasse-Strategie (Nabis) geklärt werden, deren Entwurf seit einem Jahr in der Bundesregierung auf seine Verabschiedung wartet. Aus Sicht der Branche entscheidet diese Frage aber über die Zukunft des Biogassektors.

Ein abrupter Verzicht auf Energiepflanzen bringe den Betrieb von Biogasanlagen zum Erliegen, warnt Jörg Schäfer vom Fachverband Biogas. Das hat mehrere Gründe. Zum einen machen Energiepflanzen, allen voran Mais, das Gros der Biogasproduktion aus – 74 von 94 Terawattstunden, die jährlich in Deutschland erzeugt werden. “Nur sehr wenige kleine, güllevergärende Biogasanlagen oder reine Abfallanlagen könnten dann noch bestehen”, meint Schäfer. Zum anderen ermögliche die simultane Vergärung von Energiepflanzen erst, andere Substrate wirtschaftlich zu erschließen. Stroh oder tierische Exkremente enthalten nämlich wenig Energie und müssen deshalb beispielsweise gemeinsam mit Mais vergären.

Biomasse für industrielle Zwecke hat für das BMWK Priorität

Nach den Vorstellungen des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) sollen Nutzpflanzen für die Erzeugung von Strom künftig nur noch eine kleinere Rolle spielen. Energetisch genutzt werden sollen vorrangig Abfall- und Reststoffe. So steht es im Nabis-Entwurf. Hintergrund ist die Konkurrenz verschiedener Sektoren um Biomasse. Das BMWK argumentiert, ab 2030 sei nicht mehr genug Biomasse für sowohl Strom- als auch Industriesektor verfügbar. Werde Biomasse etwa als Baustoff genutzt, bleibe der darin enthaltene Kohlenstoff zudem länger gebunden, als wenn sie zur Energiegewinnung vergoren wird.

Laut einem Szenario, dass der Fachverband Biogas errechnet hat, ließe sich die Biogasproduktion in Deutschland bis 2030 ohne zusätzlichen Flächenbedarf von derzeit 94 auf 130 Terawattstunden ausweiten, wenn ungenutzte Potenziale bei Gülle beziehungsweise Mist, Grünland und Bioabfällen gehoben würden. Der Beitrag der Energiepflanzen wäre bei diesem Szenario in absoluten Zahlen leicht rückläufig, sie würden aber immer noch knapp die Hälfte der benötigten Biomasse ausmachen.

Bioenergie bleibt bei Kraftwerkssicherheitsgesetz außen vor

Mit Spannung blickt die Branche derweil auch darauf, inwieweit das BMWK im künftigen Strommix überhaupt auf Biogasanlagen setzen will. Im August hatte Habeck zum Biomasse-Paket angekündigt, Anlagen fördern zu wollen, die flexibel Strom produzieren und bei Flauten der Windkraft- und Solaranlagen einspringen können. Außerdem solche, die an Wärme- oder Gebäudenetze angeschlossen sind. In den Eckpunkten für ein Kraftwerkssicherheitsgesetz, die die Bundesregierung im September vorlegte, wird Bioenergie dagegen nicht erwähnt. Anders als beispielsweise der Bau neuer Erdgaskraftwerke. Dazu, warum Bioenergie außen vor bleibt, äußerte sich das BMWK auf Anfrage von Table.Briefings nicht.

“Es ist nicht nachvollziehbar, warum sich das BMWK um den Aufbau neuer fossiler Kraftwerke kümmert, aber noch keinen Vorschlag vorgelegt hat, wie die großen Potenziale bestehender und neuer Bioenergieanlagen für eine sichere Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Brennstoffe genutzt werden können”, kritisiert Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie.

Anlagen müssten für flexible Stromerzeugung erst umgerüstet werden

Auch der Fachverband Biogas argumentiert, die Biogasanlagen könnten eine wichtige Rolle bei der Absicherung gegen “Dunkelflauten” spielen, also längeren Zeiten mit wenig Wind und Sonne. Durch “Nachrüstung von Biogasanlagen mit Biogasspeichern in Kombination mit der Überbauung bestehender Biogas-Heizkraftwerke” könnten laut einer vom Verband in Auftrag gegebenen Studie 2030 rund 12.000 Megawatt gesicherter Reserveleistung zur Verfügung stehen. Die dafür erforderlichen Investitionen seien niedriger als bei Reservekraftwerken, die mit Wasserstoff betrieben werden.

Aus Sicht des Agrarökonomen Daniel Schröer, der an der Universität Kiel zu Nutzungskonzepten für Biogasanlagen promoviert hat, ist der Beitrag der Biogasanlagen zum flexibel erzeugten Strom derzeit aber eher gering. “40 Prozent der Anlagen waren Mitte 2023 für die Inanspruchnahme der Flexibilitätsprämie registriert, tatsächlich ausgelegt auf eine flexible Nutzung sind aber nur 25 Prozent”, sagt er zu Table.Briefings. Ein Großteil der Stromerzeugung aus Biogas erfolge bislang nicht flexibel, sondern kontinuierlich.

  • Biomasse
  • Energie
  • Erneuerbare Energien
  • nationale Biomasse-Strategie
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News

Özdemir reist nach Äthiopien und Sambia

Am Montag bricht Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zu einer mehrtägigen Afrikareise auf. Wie sein Sprecher am Mittwoch mitteilte, wird Özdemir zunächst nach Äthiopien und anschließend nach Sambia reisen. Zentraler Aspekt während des Besuchs des Ministers in Addis Abeba soll neben bilateralen Gesprächen die Einrichtung eines agrarpolitischen Dialogs mit der Afrikanischen Union (AU) sein. In dem Format sollen politische Leitlinien für klimaresistente Produktion für alle AU-Mitgliedsländer erarbeitet werden.

Zudem wird Özdemir an gleich zwei Konferenzen in der äthiopischen Hauptstadt teilnehmen. Das African Youth Agribusiness Forum soll den Austausch zwischen jungen Menschen aus den afrikanischen Ländern und Deutschland im Ernährungssektor fördern. Bei der Konferenz “A world without hunger is possible”, die von der United Nations Industrial Development Organization (UNIDO) ausgerichtet wird, steht das Thema Ernährungssicherheit im Mittelpunkt.

In Sambia will sich Özdemir neben seinem sambischen Amtskollegen Reuben Phiri auch mit dem Präsidenten Hakainde Hichilema treffen. Zudem steht ein Besuch des von der Bundesregierung geförderten Deutsch-Sambischen Agrartrainings- und Wissenszentrums sowie der Agrarfakultät der Universität Sambia auf dem Programm. Der Landwirtschaftsminister wird auf seiner Reise von Unternehmen aus der Agrarwirtschaft begleitet. dre

  • Afrikanische Union
  • Äthiopien
  • Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
  • Cem Özdemir
  • Landwirtschaft
  • Landwirtschaftsministerium
  • Sambia
  • Unido

Lachgas: Bericht warnt vor Verfehlung von Paris-Zielen

Wird der Ausstoß von Lachgas nicht eingedämmt, kann das 1,5-Grad-Limit des Pariser Klimaabkommens nicht erreicht werden. Dies geht aus der ersten umfassenden globalen Bewertung des Schadstoffs hervor, die am Donnerstag veröffentlicht wurde. Erstellt wurde das Global Nitrous Oxide Assessment von der Climate and Clean Air Coalition, einem Zusammenschluss von über 180 Regierungen, NGOs und internationalen Organisationen.

Lachgas (N₂O) ist das am dritthäufigsten vorkommende Treibhausgas und vielfach klimaschädlicher als CO₂. Zudem schädigt Lachgas die Ozonschicht. N₂O-Emissionen entstehen vor allem durch den Einsatz von Kunstdünger und Gülle in der Landwirtschaft. Sie sind laut Bericht seit 1980 weltweit um 40 Prozent gestiegen und würden ohne Gegenmaßnahmen bis 2050 voraussichtlich um 30 Prozent über das Niveau von 2020 ansteigen.

Die Einsparung von Lachgas ist allerdings herausfordernd. Geschicktere Düngung oder digitale Innovationen können laut dem Agrarwissenschaftler Bernhard Osterburg vom Thünen Institut die Emissionen verringern. Deutschland habe hier bereits Fortschritte erzielt. Osterburg sieht auch die Überdüngung zur Absicherung von Erträgen kritisch. Die EU-Kommission will daher im Rahmen ihrer Farm-to-Fork-Strategie den Einsatz von Düngemitteln bis 2030 um 20 Prozent und Nährstoffverluste um 50 Prozent verringern.

Globale Maßnahmen zur Verringerung der N₂O-Emissionen könnten bis zum Jahr 2100 das Äquivalent von bis zu 235 Milliarden Tonnen an CO₂-Emissionen vermeiden, heißt es weiter im Bericht. Die Einsparungen überstiegen somit das vom MCC-Institut berechnete Kohlenstoffbudget für das 1,5-Grad-Limit. Umgekehrt hieße das: Ohne Einsparungen scheitert das 1,5-Grad-Limit alleine schon an den Lachgasemissionen. rtr/lb

  • CO2-Emissionen
  • Emissionen
  • N2O
  • Pariser Klimaabkommen
  • Treibhausgase

Hanf: Wie China den globalen Markt dominiert

Trotz einer restriktiven Politik zum Cannabis-Konsum im eigenen Land könnte sich China in der aufkeimenden internationalen Cannabisindustrie zur Supermacht entwickeln. Bereits jetzt ist die Volksrepublik beim Anbau und der Verarbeitung von Nutzhanf mit keinem oder sehr geringem THC-Gehalt einer der größten Global Player. Rund 50 Prozent des weltweiten Angebots von Nutzhanf stammt aus den chinesischen Provinzen Yunnan, Heilongjiang und Jilin, wo sie exklusiv angebaut werden dürfen.

Der Markt für Industriehanf könnte laut den Marktforschern von Technavio zwischen 2024 und 2028 um rund 13,90 Milliarden US-Dollar zulegen – angetrieben durch die steigende Nachfrage in den Bereichen Textilien, Lebensmittel, Körperpflegeprodukte sowie Tierfutter. Erwartete jährliche Wachstumsrate: über 25 Prozent. Insbesondere der asiatisch-pazifische Raum und allen voran China spielen eine zentrale Rolle in dieser Expansion. Denn Hanf ist lukrativer im Anbau als etwa Flachs oder Raps.

Viel Know-how und Patente

Schon jetzt ist China zudem der größte Produzent von essbaren Hanfsamen, mit Exportmärkten in den USA und Europa, wo die Saat als Superfood vermarktet wird. Nach Angaben der Weltorganisation für geistiges Eigentum hält China rund 309 der 606 Patente für Cannabis-bezogene Produkte, zum Beispiel bei industriellen Anwendungen, Extraktionsverfahren oder Kosmetikherstellung. Auch bei Cannabidiol (CBD)-Öl, einer der derzeit beliebtesten Produkte aus der Cannabis-Pflanze, hält China einen erheblichen Anteil an der globalen Lieferkette. Und das, obwohl das Öl in der Volksrepublik selbst seit 2021 verboten ist.

Chinas Investitionen in die Cannabisforschung, gepaart mit seinem ausgedehnten Hanfanbau und vereinzelter Expansion ins Ausland, deuten auf ein strategisches Interesse an den wachsenden globalen Cannabismärkten hin. Auch Deutschland könnte für chinesische Firmen verstärkt zum Zielland werden, je nachdem, in welche Richtung sich die Legalisierung hierzulande weiterentwickelt.

Wie scharf China indes selbst gegen Drogenkonsum vorgeht, zeigt ein Fall aus diesem Monat: Ein hochrangiger Volkswagen-Mitarbeiter wurde des Landes verwiesen, weil er während einer Urlaubsreise in Thailand Drogen konsumiert haben soll. Wer auch nur geringe Mengen Cannabis bei sich hat, muss damit rechnen, wegen Schmuggels angeklagt und des Landes verwiesen zu werden. fpe

  • Cannabis
  • China
  • Landwirtschaft
  • WIPO

Presseschau

Top Agrar: Deutsche Umwelthilfe wittert Verstoß gegen Lieferkettengesetz. Die Deutsche Umwelthilfe und zwei weitere Organisationen verlangen rechtliche Maßnahmen gegen den Import von Soja aus Brasilien nach Deutschland. Sie behaupten, dass Futter in den deutschen Handel gelangt, das möglicherweise mit Menschenrechtsverletzungen und Landrechtskonflikten im brasilianischen Cerrado in Verbindung steht. (“Umwelthilfe prangert Import von brasilianischem Soja an”)

Agrarheute: Agrarkonzern unter Betrugsverdacht. Der tschechische Agrarkonzern Agrofert steht unter Verdacht, EU-Subventionen unrechtmäßig erlangt zu haben. Die europäische Staatsanwaltschaft beschuldigt zwei Manager, im Jahr 2018 durch falsche Angaben und das Verschweigen wesentlicher Informationen zu Unrecht 3,9 Millionen Euro an EU-Geldern vom tschechischen Industrie- und Handelsministerium erhalten zu haben. (“Betrugsverdacht gegen diesen Agrarkonzern – Immobilien beschlagnahmt”)

Euractiv: Macron setzt auf Wachstum. Während seines Besuchs in Marokko setzte sich der französische Präsident Emmanuel Macron dafür ein, die landwirtschaftlichen Beziehungen zu dem Land zu intensivieren. Macron betonte die Notwendigkeit einer erhöhten Weizenproduktion und äußerte Kritik an den De-Growth-Plänen der Europäischen Union. (“Macron setzt auf Weizendiplomatie mit Marokko”)

Top Agrar: Finnische Bauern müssen zahlen. Finnische Landwirte werden ab dem nächsten Jahr von einem neuen Umweltschadenfonds betroffen sein. Zum Beispiel müssen Schweinezuchtbetriebe mit über 2.000 Mastschweinen und Geflügelhaltungsbetriebe mit mehr als 40.000 Tieren künftig einen jährlichen Beitrag von 5.200 Euro leisten. (“Finnland führt “Strafsteuer” für Landwirtschaft ein”)

Tagesschau: Preis für Nachhaltigkeit. Der Bio-Bauer Michael Grimm aus Külsheim in Baden-Württemberg hat den Ceres-Award gewonnen, der Landwirte auszeichnet, die besonders nachhaltig arbeiten. Grimm hat seinen Betrieb vor drei Jahren auf Bio und regenerative Anbaumethoden umgestellt und setzt auf Direktvermarktung. (“CERES AWARD: Deutschlands bester Ackerbauer kommt aus Külsheim”)

Agrarzeitung: Cyberattacken bedrohen Landwirte. Die zunehmende Digitalisierung der Landwirtschaft erhöht die Gefahr von Cyberattacken. Das Büro für Technikfolgenabschätzung im Deutschen Bundestag geht davon aus, dass vor allem bei kleineren und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben der Schutz vor digitalen Angriffen ausgebaut werden muss. (“Gefahr für Ernährungssektor steigt”)

New York Times: Samen im ewigen Eis. In Nordnorwegen lagern 1,3 Millionen Samenproben von rund 7.000 Arten. Dieses “biologische Archiv der Welt” dient dazu, die Wiederbepflanzung des Planeten nach möglichen Katastrophen sicherzustellen. Allein in der letzten Woche wurden 30.000 Proben aufgrund von Bedenken bezüglich der Auswirkungen des Klimawandels eingesandt. (“The World’s Doomsday Plant Vault Gets Thousands of New Seeds”)

Heads

Harald Grethe – Zukunftsfähige Landwirtschaft gestalten

Harald Grethe ist Direktor des Thinktanks Agora Agrar und Professor an der Humboldt-Universität Berlin.

Mit 18 Jahren wollte Harald Grethe eigentlich nach Neuseeland auswandern und Schafe züchten. Der gebürtige Hamburger träumte von einem Selbstversorger-Leben auf dem Land. Seine Auswanderungspläne gab er schließlich auf, das große Interesse an der Landwirtschaft hat er aber nie verloren. Nach einer praktischen landwirtschaftlichen Ausbildung in den Niederlanden folgte ein Landwirtschaftsstudium mit anschließender Promotion in Göttingen und eine Habilitation in Agrarökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Heute arbeitet der 59-Jährige als Professor für Internationalen Agrarhandel und Entwicklung an der Humboldt-Universität.

Von 2012 bis 2020 war er zudem Mitglied und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik und Ernährung beim Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL). “Schon immer hat mich auch die Gestaltung der Rahmenbedingungen der Landwirtschaft durch die praktische Agrarpolitik interessiert. Deshalb bin ich auch an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik aktiv“, erklärt Grethe. Im Frühjahr 2022 ging er einen weiteren Schritt in diese Richtung und gründete zusammen mit Christine Chemnitz den Thinktank Agora Agrar.

Wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis umsetzen

“Wir haben beobachtet, dass viel Wissen über eine sinnvolle Gestaltung der Agrar- und Ernährungspolitik vorhanden ist, aber viel zu wenig in die Politik einfließt“, sagt Grethe. Ziel von Agora Agrar sei es deshalb, mit verschiedenen Akteuren ins Gespräch zu kommen, um konkrete Lösungen zu finden und deren Umsetzung in der agrarpolitischen Praxis voranzutreiben. “Man könnte auch sagen, wir arbeiten dort weiter, wo ein wissenschaftlicher Beirat im Allgemeinen aufhört”, so Grethe.

Agora Agrar ist Teil der Agora Thinktanks gGmbH, mit Hauptsitz in Berlin, die sich für die Dekarbonisierung aller Wirtschaftssektoren einsetzt. Finanziert durch Stiftungen und öffentliche Einrichtungen, umfasst die Lobbygruppe mehrere Unterorganisationen: neben der Agora Agrar auch die Agora Industrie, die Agora Energiewende sowie die Agora Verkehrswende. Unter Harald Grethe und Christine Chemnitz arbeiten 14 Experten in verschiedenen Teams an Themen wie Nutztierhaltung, Ackerbau und nachhaltiger Ernährung.

Landwirtschaft als multifunktionaler Sektor

Anfang September veröffentlichte Grethe mit seinen Kollegen eine umfassende Studie dazu, wie Landwirtschaft, Forstwirtschaft und das Ernährungssystem der EU bis 2045 klimaneutral werden können. “Es ist entscheidend, politische Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Land- und Forstwirtschaft ihre Funktionen erfüllen können“, erklärt er. Zu diesen Funktionen gehöre mittlerweile nicht mehr nur die Nahrungsmittelproduktion – sondern auch der Schutz des Klimas und der Biodiversität sowie die Entwicklung der Bioökonomie. “Wenn wir aber wollen, dass Landwirtinnen und Landwirte diese zusätzlichen Aufgaben übernehmen, braucht es mehr Anreize.”

Drei Bausteine seien für eine zukunftsfähige Landwirtschaft entscheidend, so Grethe. Erstens müsse “öffentliches Geld für öffentliche Güter” bereitgestellt werden – Betriebe also für Leistungen belohnt werden, die über die reine Nahrungsmittel- und Biomasseproduktion hinausgehen. Darüber hinaus könnten Preisanreize helfen, umweltfreundliche Praktiken zu fördern, beispielsweise durch Ausweitung des Emissionshandels auf die Landwirtschaft. Der dritte Baustein sind für Grethe Maßnahmen, die bei den Verbrauchern ansetzen. Zum Beispiel eine Nachhaltigkeitssteuer, die klimaschädliche Produkte verteuere.

Die Geduld verloren hat Grethe bei seinem Einsatz für solche Schritte bisher nicht: “Die Zukunft einer nachhaltigen Landwirtschaft mitzugestalten, begeistert mich schon seit meinen Studienjahren und motiviert mich auch heute jeden Tag aufs Neue.” Leoni Bender

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Europe.Table: Niinistö: Weshalb die EU bis zu 20 Prozent ihres Haushalts für Krisenvorsorge reservieren sollte

Laut einem Bericht des finnischen Ex-Präsidenten Sauli Niinistö ist die EU für multiple Krisen nicht ausreichend vorbereitet. Er fordert deshalb von der EU den konsequenten Aufbau eines umfassenden europäischen Krisenmanagements zur Stärkung der Resilienz – mit Blick auf hybride Angriffe, Naturkatastrophen und den Schutz kritischer Infrastrukturen. 20 Prozent des EU-Budgets, heißt es im Bericht, sollten zur Unterstützung von Sicherheit, Verteidigung und für die Krisenvorsorge im weiteren Sinn reserviert werden. Die meisten europäischen Haushalte seien heute nicht in der Lage, in einer ernsthaften Versorgungskrise länger auszuhalten. Bürgerinnen und Bürger müssten sich mindestens 72 Stunden selbst versorgen können, lautet eine Empfehlung des Berichts. Zur Analyse

China.Table: Nullzölle: So verschafft sich Peking mehr Einfluss im globalen Handel

China will ab Dezember die Zölle für Waren aus den nach Einstufung der Vereinten Nationen (UN) am wenigsten entwickelten Ländern der Welt abschaffen, wie aus einem Bericht hervorgeht. Damit sollen die Transportkosten aus Teilen Afrikas und Asiens gesenkt und Peking mehr Einfluss im globalen Handel verschafft werden. Für 43 Länder würde die Verschiffung von Feldfrüchten, Obst, Meeresfrüchten oder Rohstoffen nach China dann billiger. Zum Artikel

Agrifood.Table Redaktion

AGRIFOOD.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    der EU-Beitritt der Ukraine ist hochpolitisch, geht aber auch mit viel technischer Vorbereitung einher: Kiew muss Regulatorik und Verwaltung an EU-Anforderungen anpassen. Das laufe “reibungslos“, bescheinigte die Europäische Kommission diese Woche im Rahmen des jährlichen Fortschrittsberichts. Sie empfiehlt, im kommenden Jahr so früh wie möglich den nächsten Schritt zu gehen und in die inhaltlichen Beitrittsverhandlungen einzusteigen.

    Bei sanitären und phytosanitären Standards (SPSS) für den Agrarhandel etwa ist das Land demnach schon gut aufgestellt. Anders beim Tierschutz: Die “Erzeugung tierischer Produkte” sei noch nicht im Einklang mit EU-Standards, heißt es. Auch beim Rechtsrahmen zur Bio-Landwirtschaft habe das Land noch Arbeit vor sich. Der designierte EU-Agrarkommissar Christophe Hansen hat versprochen, im Gegenzug für die Liberalisierung des Handels mit der Ukraine schon vor dem Beitritt eine Annäherung an EU-Produktionsstandards einzufordern.

    Daneben muss Kiew seine Verwaltungskapazitäten deutlich aufstocken, um etwa die EU-Agrarsubventionen umsetzen und auszahlen zu können. Laut dem Bericht zum Beispiel durch die Einrichtung einer unabhängigen Behörde für die Abwicklung und die Kontrolle staatlicher Beihilfen.

    Wir wünschen eine spannende Lektüre und einen ebenfalls “reibungslosen” Start ins Wochenende.

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    Nationale Biomasse-Strategie: Warum die Rolle von Energiepflanzen umstritten ist

    Gespannt erwartet die Biogasbranche das von Wirtschaftsminister Robert Habeck angekündigte Biomasse-Paket, das sich laut gut informierten Kreisen auf Arbeitsebene in der Ressortabstimmung befindet. Doch in der Branche gibt es Sorge darüber, welche Rolle Energiepflanzen künftig bei der Stromerzeugung aus Biogas spielen sollen. Das ist bisher offen und soll in der nationalen Biomasse-Strategie (Nabis) geklärt werden, deren Entwurf seit einem Jahr in der Bundesregierung auf seine Verabschiedung wartet. Aus Sicht der Branche entscheidet diese Frage aber über die Zukunft des Biogassektors.

    Ein abrupter Verzicht auf Energiepflanzen bringe den Betrieb von Biogasanlagen zum Erliegen, warnt Jörg Schäfer vom Fachverband Biogas. Das hat mehrere Gründe. Zum einen machen Energiepflanzen, allen voran Mais, das Gros der Biogasproduktion aus – 74 von 94 Terawattstunden, die jährlich in Deutschland erzeugt werden. “Nur sehr wenige kleine, güllevergärende Biogasanlagen oder reine Abfallanlagen könnten dann noch bestehen”, meint Schäfer. Zum anderen ermögliche die simultane Vergärung von Energiepflanzen erst, andere Substrate wirtschaftlich zu erschließen. Stroh oder tierische Exkremente enthalten nämlich wenig Energie und müssen deshalb beispielsweise gemeinsam mit Mais vergären.

    Biomasse für industrielle Zwecke hat für das BMWK Priorität

    Nach den Vorstellungen des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) sollen Nutzpflanzen für die Erzeugung von Strom künftig nur noch eine kleinere Rolle spielen. Energetisch genutzt werden sollen vorrangig Abfall- und Reststoffe. So steht es im Nabis-Entwurf. Hintergrund ist die Konkurrenz verschiedener Sektoren um Biomasse. Das BMWK argumentiert, ab 2030 sei nicht mehr genug Biomasse für sowohl Strom- als auch Industriesektor verfügbar. Werde Biomasse etwa als Baustoff genutzt, bleibe der darin enthaltene Kohlenstoff zudem länger gebunden, als wenn sie zur Energiegewinnung vergoren wird.

    Laut einem Szenario, dass der Fachverband Biogas errechnet hat, ließe sich die Biogasproduktion in Deutschland bis 2030 ohne zusätzlichen Flächenbedarf von derzeit 94 auf 130 Terawattstunden ausweiten, wenn ungenutzte Potenziale bei Gülle beziehungsweise Mist, Grünland und Bioabfällen gehoben würden. Der Beitrag der Energiepflanzen wäre bei diesem Szenario in absoluten Zahlen leicht rückläufig, sie würden aber immer noch knapp die Hälfte der benötigten Biomasse ausmachen.

    Bioenergie bleibt bei Kraftwerkssicherheitsgesetz außen vor

    Mit Spannung blickt die Branche derweil auch darauf, inwieweit das BMWK im künftigen Strommix überhaupt auf Biogasanlagen setzen will. Im August hatte Habeck zum Biomasse-Paket angekündigt, Anlagen fördern zu wollen, die flexibel Strom produzieren und bei Flauten der Windkraft- und Solaranlagen einspringen können. Außerdem solche, die an Wärme- oder Gebäudenetze angeschlossen sind. In den Eckpunkten für ein Kraftwerkssicherheitsgesetz, die die Bundesregierung im September vorlegte, wird Bioenergie dagegen nicht erwähnt. Anders als beispielsweise der Bau neuer Erdgaskraftwerke. Dazu, warum Bioenergie außen vor bleibt, äußerte sich das BMWK auf Anfrage von Table.Briefings nicht.

    “Es ist nicht nachvollziehbar, warum sich das BMWK um den Aufbau neuer fossiler Kraftwerke kümmert, aber noch keinen Vorschlag vorgelegt hat, wie die großen Potenziale bestehender und neuer Bioenergieanlagen für eine sichere Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Brennstoffe genutzt werden können”, kritisiert Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie.

    Anlagen müssten für flexible Stromerzeugung erst umgerüstet werden

    Auch der Fachverband Biogas argumentiert, die Biogasanlagen könnten eine wichtige Rolle bei der Absicherung gegen “Dunkelflauten” spielen, also längeren Zeiten mit wenig Wind und Sonne. Durch “Nachrüstung von Biogasanlagen mit Biogasspeichern in Kombination mit der Überbauung bestehender Biogas-Heizkraftwerke” könnten laut einer vom Verband in Auftrag gegebenen Studie 2030 rund 12.000 Megawatt gesicherter Reserveleistung zur Verfügung stehen. Die dafür erforderlichen Investitionen seien niedriger als bei Reservekraftwerken, die mit Wasserstoff betrieben werden.

    Aus Sicht des Agrarökonomen Daniel Schröer, der an der Universität Kiel zu Nutzungskonzepten für Biogasanlagen promoviert hat, ist der Beitrag der Biogasanlagen zum flexibel erzeugten Strom derzeit aber eher gering. “40 Prozent der Anlagen waren Mitte 2023 für die Inanspruchnahme der Flexibilitätsprämie registriert, tatsächlich ausgelegt auf eine flexible Nutzung sind aber nur 25 Prozent”, sagt er zu Table.Briefings. Ein Großteil der Stromerzeugung aus Biogas erfolge bislang nicht flexibel, sondern kontinuierlich.

    • Biomasse
    • Energie
    • Erneuerbare Energien
    • nationale Biomasse-Strategie
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    Özdemir reist nach Äthiopien und Sambia

    Am Montag bricht Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zu einer mehrtägigen Afrikareise auf. Wie sein Sprecher am Mittwoch mitteilte, wird Özdemir zunächst nach Äthiopien und anschließend nach Sambia reisen. Zentraler Aspekt während des Besuchs des Ministers in Addis Abeba soll neben bilateralen Gesprächen die Einrichtung eines agrarpolitischen Dialogs mit der Afrikanischen Union (AU) sein. In dem Format sollen politische Leitlinien für klimaresistente Produktion für alle AU-Mitgliedsländer erarbeitet werden.

    Zudem wird Özdemir an gleich zwei Konferenzen in der äthiopischen Hauptstadt teilnehmen. Das African Youth Agribusiness Forum soll den Austausch zwischen jungen Menschen aus den afrikanischen Ländern und Deutschland im Ernährungssektor fördern. Bei der Konferenz “A world without hunger is possible”, die von der United Nations Industrial Development Organization (UNIDO) ausgerichtet wird, steht das Thema Ernährungssicherheit im Mittelpunkt.

    In Sambia will sich Özdemir neben seinem sambischen Amtskollegen Reuben Phiri auch mit dem Präsidenten Hakainde Hichilema treffen. Zudem steht ein Besuch des von der Bundesregierung geförderten Deutsch-Sambischen Agrartrainings- und Wissenszentrums sowie der Agrarfakultät der Universität Sambia auf dem Programm. Der Landwirtschaftsminister wird auf seiner Reise von Unternehmen aus der Agrarwirtschaft begleitet. dre

    • Afrikanische Union
    • Äthiopien
    • Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
    • Cem Özdemir
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    • Sambia
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    Lachgas: Bericht warnt vor Verfehlung von Paris-Zielen

    Wird der Ausstoß von Lachgas nicht eingedämmt, kann das 1,5-Grad-Limit des Pariser Klimaabkommens nicht erreicht werden. Dies geht aus der ersten umfassenden globalen Bewertung des Schadstoffs hervor, die am Donnerstag veröffentlicht wurde. Erstellt wurde das Global Nitrous Oxide Assessment von der Climate and Clean Air Coalition, einem Zusammenschluss von über 180 Regierungen, NGOs und internationalen Organisationen.

    Lachgas (N₂O) ist das am dritthäufigsten vorkommende Treibhausgas und vielfach klimaschädlicher als CO₂. Zudem schädigt Lachgas die Ozonschicht. N₂O-Emissionen entstehen vor allem durch den Einsatz von Kunstdünger und Gülle in der Landwirtschaft. Sie sind laut Bericht seit 1980 weltweit um 40 Prozent gestiegen und würden ohne Gegenmaßnahmen bis 2050 voraussichtlich um 30 Prozent über das Niveau von 2020 ansteigen.

    Die Einsparung von Lachgas ist allerdings herausfordernd. Geschicktere Düngung oder digitale Innovationen können laut dem Agrarwissenschaftler Bernhard Osterburg vom Thünen Institut die Emissionen verringern. Deutschland habe hier bereits Fortschritte erzielt. Osterburg sieht auch die Überdüngung zur Absicherung von Erträgen kritisch. Die EU-Kommission will daher im Rahmen ihrer Farm-to-Fork-Strategie den Einsatz von Düngemitteln bis 2030 um 20 Prozent und Nährstoffverluste um 50 Prozent verringern.

    Globale Maßnahmen zur Verringerung der N₂O-Emissionen könnten bis zum Jahr 2100 das Äquivalent von bis zu 235 Milliarden Tonnen an CO₂-Emissionen vermeiden, heißt es weiter im Bericht. Die Einsparungen überstiegen somit das vom MCC-Institut berechnete Kohlenstoffbudget für das 1,5-Grad-Limit. Umgekehrt hieße das: Ohne Einsparungen scheitert das 1,5-Grad-Limit alleine schon an den Lachgasemissionen. rtr/lb

    • CO2-Emissionen
    • Emissionen
    • N2O
    • Pariser Klimaabkommen
    • Treibhausgase

    Hanf: Wie China den globalen Markt dominiert

    Trotz einer restriktiven Politik zum Cannabis-Konsum im eigenen Land könnte sich China in der aufkeimenden internationalen Cannabisindustrie zur Supermacht entwickeln. Bereits jetzt ist die Volksrepublik beim Anbau und der Verarbeitung von Nutzhanf mit keinem oder sehr geringem THC-Gehalt einer der größten Global Player. Rund 50 Prozent des weltweiten Angebots von Nutzhanf stammt aus den chinesischen Provinzen Yunnan, Heilongjiang und Jilin, wo sie exklusiv angebaut werden dürfen.

    Der Markt für Industriehanf könnte laut den Marktforschern von Technavio zwischen 2024 und 2028 um rund 13,90 Milliarden US-Dollar zulegen – angetrieben durch die steigende Nachfrage in den Bereichen Textilien, Lebensmittel, Körperpflegeprodukte sowie Tierfutter. Erwartete jährliche Wachstumsrate: über 25 Prozent. Insbesondere der asiatisch-pazifische Raum und allen voran China spielen eine zentrale Rolle in dieser Expansion. Denn Hanf ist lukrativer im Anbau als etwa Flachs oder Raps.

    Viel Know-how und Patente

    Schon jetzt ist China zudem der größte Produzent von essbaren Hanfsamen, mit Exportmärkten in den USA und Europa, wo die Saat als Superfood vermarktet wird. Nach Angaben der Weltorganisation für geistiges Eigentum hält China rund 309 der 606 Patente für Cannabis-bezogene Produkte, zum Beispiel bei industriellen Anwendungen, Extraktionsverfahren oder Kosmetikherstellung. Auch bei Cannabidiol (CBD)-Öl, einer der derzeit beliebtesten Produkte aus der Cannabis-Pflanze, hält China einen erheblichen Anteil an der globalen Lieferkette. Und das, obwohl das Öl in der Volksrepublik selbst seit 2021 verboten ist.

    Chinas Investitionen in die Cannabisforschung, gepaart mit seinem ausgedehnten Hanfanbau und vereinzelter Expansion ins Ausland, deuten auf ein strategisches Interesse an den wachsenden globalen Cannabismärkten hin. Auch Deutschland könnte für chinesische Firmen verstärkt zum Zielland werden, je nachdem, in welche Richtung sich die Legalisierung hierzulande weiterentwickelt.

    Wie scharf China indes selbst gegen Drogenkonsum vorgeht, zeigt ein Fall aus diesem Monat: Ein hochrangiger Volkswagen-Mitarbeiter wurde des Landes verwiesen, weil er während einer Urlaubsreise in Thailand Drogen konsumiert haben soll. Wer auch nur geringe Mengen Cannabis bei sich hat, muss damit rechnen, wegen Schmuggels angeklagt und des Landes verwiesen zu werden. fpe

    • Cannabis
    • China
    • Landwirtschaft
    • WIPO

    Presseschau

    Top Agrar: Deutsche Umwelthilfe wittert Verstoß gegen Lieferkettengesetz. Die Deutsche Umwelthilfe und zwei weitere Organisationen verlangen rechtliche Maßnahmen gegen den Import von Soja aus Brasilien nach Deutschland. Sie behaupten, dass Futter in den deutschen Handel gelangt, das möglicherweise mit Menschenrechtsverletzungen und Landrechtskonflikten im brasilianischen Cerrado in Verbindung steht. (“Umwelthilfe prangert Import von brasilianischem Soja an”)

    Agrarheute: Agrarkonzern unter Betrugsverdacht. Der tschechische Agrarkonzern Agrofert steht unter Verdacht, EU-Subventionen unrechtmäßig erlangt zu haben. Die europäische Staatsanwaltschaft beschuldigt zwei Manager, im Jahr 2018 durch falsche Angaben und das Verschweigen wesentlicher Informationen zu Unrecht 3,9 Millionen Euro an EU-Geldern vom tschechischen Industrie- und Handelsministerium erhalten zu haben. (“Betrugsverdacht gegen diesen Agrarkonzern – Immobilien beschlagnahmt”)

    Euractiv: Macron setzt auf Wachstum. Während seines Besuchs in Marokko setzte sich der französische Präsident Emmanuel Macron dafür ein, die landwirtschaftlichen Beziehungen zu dem Land zu intensivieren. Macron betonte die Notwendigkeit einer erhöhten Weizenproduktion und äußerte Kritik an den De-Growth-Plänen der Europäischen Union. (“Macron setzt auf Weizendiplomatie mit Marokko”)

    Top Agrar: Finnische Bauern müssen zahlen. Finnische Landwirte werden ab dem nächsten Jahr von einem neuen Umweltschadenfonds betroffen sein. Zum Beispiel müssen Schweinezuchtbetriebe mit über 2.000 Mastschweinen und Geflügelhaltungsbetriebe mit mehr als 40.000 Tieren künftig einen jährlichen Beitrag von 5.200 Euro leisten. (“Finnland führt “Strafsteuer” für Landwirtschaft ein”)

    Tagesschau: Preis für Nachhaltigkeit. Der Bio-Bauer Michael Grimm aus Külsheim in Baden-Württemberg hat den Ceres-Award gewonnen, der Landwirte auszeichnet, die besonders nachhaltig arbeiten. Grimm hat seinen Betrieb vor drei Jahren auf Bio und regenerative Anbaumethoden umgestellt und setzt auf Direktvermarktung. (“CERES AWARD: Deutschlands bester Ackerbauer kommt aus Külsheim”)

    Agrarzeitung: Cyberattacken bedrohen Landwirte. Die zunehmende Digitalisierung der Landwirtschaft erhöht die Gefahr von Cyberattacken. Das Büro für Technikfolgenabschätzung im Deutschen Bundestag geht davon aus, dass vor allem bei kleineren und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben der Schutz vor digitalen Angriffen ausgebaut werden muss. (“Gefahr für Ernährungssektor steigt”)

    New York Times: Samen im ewigen Eis. In Nordnorwegen lagern 1,3 Millionen Samenproben von rund 7.000 Arten. Dieses “biologische Archiv der Welt” dient dazu, die Wiederbepflanzung des Planeten nach möglichen Katastrophen sicherzustellen. Allein in der letzten Woche wurden 30.000 Proben aufgrund von Bedenken bezüglich der Auswirkungen des Klimawandels eingesandt. (“The World’s Doomsday Plant Vault Gets Thousands of New Seeds”)

    Heads

    Harald Grethe – Zukunftsfähige Landwirtschaft gestalten

    Harald Grethe ist Direktor des Thinktanks Agora Agrar und Professor an der Humboldt-Universität Berlin.

    Mit 18 Jahren wollte Harald Grethe eigentlich nach Neuseeland auswandern und Schafe züchten. Der gebürtige Hamburger träumte von einem Selbstversorger-Leben auf dem Land. Seine Auswanderungspläne gab er schließlich auf, das große Interesse an der Landwirtschaft hat er aber nie verloren. Nach einer praktischen landwirtschaftlichen Ausbildung in den Niederlanden folgte ein Landwirtschaftsstudium mit anschließender Promotion in Göttingen und eine Habilitation in Agrarökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Heute arbeitet der 59-Jährige als Professor für Internationalen Agrarhandel und Entwicklung an der Humboldt-Universität.

    Von 2012 bis 2020 war er zudem Mitglied und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik und Ernährung beim Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL). “Schon immer hat mich auch die Gestaltung der Rahmenbedingungen der Landwirtschaft durch die praktische Agrarpolitik interessiert. Deshalb bin ich auch an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik aktiv“, erklärt Grethe. Im Frühjahr 2022 ging er einen weiteren Schritt in diese Richtung und gründete zusammen mit Christine Chemnitz den Thinktank Agora Agrar.

    Wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis umsetzen

    “Wir haben beobachtet, dass viel Wissen über eine sinnvolle Gestaltung der Agrar- und Ernährungspolitik vorhanden ist, aber viel zu wenig in die Politik einfließt“, sagt Grethe. Ziel von Agora Agrar sei es deshalb, mit verschiedenen Akteuren ins Gespräch zu kommen, um konkrete Lösungen zu finden und deren Umsetzung in der agrarpolitischen Praxis voranzutreiben. “Man könnte auch sagen, wir arbeiten dort weiter, wo ein wissenschaftlicher Beirat im Allgemeinen aufhört”, so Grethe.

    Agora Agrar ist Teil der Agora Thinktanks gGmbH, mit Hauptsitz in Berlin, die sich für die Dekarbonisierung aller Wirtschaftssektoren einsetzt. Finanziert durch Stiftungen und öffentliche Einrichtungen, umfasst die Lobbygruppe mehrere Unterorganisationen: neben der Agora Agrar auch die Agora Industrie, die Agora Energiewende sowie die Agora Verkehrswende. Unter Harald Grethe und Christine Chemnitz arbeiten 14 Experten in verschiedenen Teams an Themen wie Nutztierhaltung, Ackerbau und nachhaltiger Ernährung.

    Landwirtschaft als multifunktionaler Sektor

    Anfang September veröffentlichte Grethe mit seinen Kollegen eine umfassende Studie dazu, wie Landwirtschaft, Forstwirtschaft und das Ernährungssystem der EU bis 2045 klimaneutral werden können. “Es ist entscheidend, politische Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Land- und Forstwirtschaft ihre Funktionen erfüllen können“, erklärt er. Zu diesen Funktionen gehöre mittlerweile nicht mehr nur die Nahrungsmittelproduktion – sondern auch der Schutz des Klimas und der Biodiversität sowie die Entwicklung der Bioökonomie. “Wenn wir aber wollen, dass Landwirtinnen und Landwirte diese zusätzlichen Aufgaben übernehmen, braucht es mehr Anreize.”

    Drei Bausteine seien für eine zukunftsfähige Landwirtschaft entscheidend, so Grethe. Erstens müsse “öffentliches Geld für öffentliche Güter” bereitgestellt werden – Betriebe also für Leistungen belohnt werden, die über die reine Nahrungsmittel- und Biomasseproduktion hinausgehen. Darüber hinaus könnten Preisanreize helfen, umweltfreundliche Praktiken zu fördern, beispielsweise durch Ausweitung des Emissionshandels auf die Landwirtschaft. Der dritte Baustein sind für Grethe Maßnahmen, die bei den Verbrauchern ansetzen. Zum Beispiel eine Nachhaltigkeitssteuer, die klimaschädliche Produkte verteuere.

    Die Geduld verloren hat Grethe bei seinem Einsatz für solche Schritte bisher nicht: “Die Zukunft einer nachhaltigen Landwirtschaft mitzugestalten, begeistert mich schon seit meinen Studienjahren und motiviert mich auch heute jeden Tag aufs Neue.” Leoni Bender

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