die Zeichen in Afrika stehen auf Aufschwung. Das gilt besonders für den Tourismus auf dem Kontinent, wie sich auf der diesjährigen Messe Africa Travel Indaba gezeigt hat: Die Touristen kommen zurück, die Fluggesellschaften investieren wieder in ihr Netz, und selbst China entwickelt ganz strategisch und systematisch den Markt für Freizeitreisen auf den Kontinent.
Die Debatte um die deutsche Kolonialgeschichte wird vor allem aus deutscher Sicht geführt. Unsere Autorin Ramona Seitz ist derzeit in Tansania und hat Erstaunliches über die deutschen Kolonialspuren im Bewusstsein der Menschen vor Ort zutage gefördert.
Der Afrika-Wissenschaftler Rainer Tetzlaff, Autor verschiedener Standardwerke zur Geschichte und Politik auf dem Kontinent, analysiert in einem Gastbeitrag für uns die aktuellen Konflikte, die in Ostafrika für Instabilität sorgen. Dabei arbeitet er heraus, wie die Bundesregierung mit ihren diplomatischen Möglichkeiten zu einer Stabilisierung beitragen kann.
Auch in dieser Ausgabe finden Sie wieder aktuelle News aus Afrika und unsere Presseschau. Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre.
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Fast 9000 Teilnehmer sind dieses Jahr zur Africa Travel Indaba in Durban gekommen. 22 afrikanische Länder waren vertreten Doch schon die Anreise stellte die Messeteilnehmer vor das erste Problem: Die komplizierten Einreisebestimmungen für Afrikaner in Südafrika und die nach Corona ausgedünnten innerafrikanischen Flugverbindungen machten es dieses Mal besonders schwierig, nach Durban zu kommen. Derzeit ist es einfacher, aus Europa, Amerika oder Asien nach Afrika zu fliegen, als innerhalb des Kontinents zu reisen.
Nach der Corona-Pandemie kommen Touristen nun auch wieder nach Afrika. Zu Beginn dieses Jahres hatte sich die Besucherzahl gegenüber 2019 deutlich erholt: 68,8 Millionen ausländische Touristen kamen nach Afrika (45 Millionen in 2022, 19,4 Millionen in 2021). Das letzte Quartal 2022 gab noch einmal einen großen Schub. Die beliebtesten Zielländer sind Marokko (8,7 Millionen Besucher), Ägypten (7,9 Millionen), Südafrika (6,8 Millionen) und Kenia (1,5 Millionen).
In Südafrika haben die Besucherzahlen im ersten Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahr um 102 Prozent zugelegt und liegen jetzt auf 78,5 Prozent des Niveaus von 2019, darunter 387.000 aus Europa und 104.000 aus Amerika. Die Touristen geben rund 144 Prozent mehr aus, auch in dieser Hinsicht sind die Europäer führend.
In Südafrika ist Tourismus ein wichtiger Wirtschaftszweig, der mehr als eine Millionen Menschen beschäftigt. Vor der Corona-Pandemie machte der Tourismus 6,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Derzeit liegt der Anteil nur bei 3,7 Prozent. Ähnlich sind die Zahlen für den gesamten Kontinent, mit 6,8 Prozent (2019) und 4,4 Prozent (2021).
Immerhin schöpfen die Vertreter der Tourismusbranche in Afrika wieder Hoffnung. “Als Afrikaner werden wir unsere Geschichte in eigenen Worten erzählen und die einzigartigen Beiträge, die wir für die globale Tourismusgemeinschaft leisten, mit der Welt teilen”, sagte Südafrikas Tourismusministerin, Patricia de Lille, bei der Eröffnung der Africa Travel Indaba. Sie weiß, dass sich gute Tourismuserfahrungen auch positiv auf Investoren auswirken.
So hat die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) angekündigt, die Tourismusstrategie in der Region voranzutreiben. Dabei gibt es auch Unterstützung vom deutschen Entwicklungsministerium (BMZ). Es unterstützt das bessere Tourismusimage, schafft Erleichterungen bei grenzüberschreitenden Reisen und die Erweiterung der existierenden Nationalparks über die jeweiligen Landesgrenzen hinaus.
Ein wichtiger Faktor für den Aufschwung ist China, das vor der Pandemie weltweit der größte Outbound-Markt für Tourismusreisen nach Afrika war. China definierte im Februar drei afrikanische Pilotländer: Nach Ägypten, Kenia und Südafrika sollen wieder konzentriert chinesische Touristengruppen reisen. “In den nächsten fünf Jahren wird die stetige Erholung des Auslandstourismus in China der weltweiten Tourismusbranche, einschließlich Afrika, neue Möglichkeiten bieten”, sagte Dai Bin, Präsident der Chinese Tourism Academy (CTA).
Auch die internationalen Fluggesellschaften steuern Afrika wieder stärker an. Emirates aus Dubai, die derzeit 22 Städte in 19 afrikanischen Ländern bedient, stockte im März ihre täglichen Flüge zum Regionalhub Johannesburg von zwei auf drei täglich auf. Nach Kapstadt gibt es jetzt zwei Verbindungen pro Tag, nach Durban eine. Im vergangenen September unterzeichnete Emirates eine Partnerschaft mit mehreren südafrikanischen Airlines. Südafrika ist für Emirates laut Afzak Parambil, Chef der Airline im südlichen Afrika, “ein strategisch wichtiges Wachstumsziel”.
Auch die Lufthansa erweitert ihr Netz. Nach Nairobi wird es von Juni an wieder tägliche Verbindungen geben, nachdem die Lufthansa den Südafrikaner Kevin Markette im März zu ihrem neuen General Manager Ostafrika ernannt hatte. Die Lufthansa-Tochter Eurowings Discover bietet über die Sommermonate fünf Flüge wöchentlich nach Mombasa an, zusätzlich zu den bestehenden Verbindungen nach Sansibar, Mauritius, in die namibische Hauptstadt Windhoek, zu den Victoriafällen und zum Kilimandscharo. Im November hob das erste deutsche Flugzeug in Frankfurt ab, das den Kruger-Nationalpark in der südafrikanischen Provinz Mpumalanga direkt anfliegt.
Die südafrikanische Regierung debattiert, ob sie wegen Schwierigkeiten in der Energieversorgung später als bisher geplant aus der Kohleverbrennung aussteigen soll. Das würde die Umsetzung des zentralen Ziels der “Gerechten Partnerschaft für die Energiewende” (JETP) mit Geberländern aus den Industriestaaten verzögern. Ein Vorzeigeprojekt für die internationale Energiewende mit Klimahilfen von 8,5 Milliarden Dollar gerät damit ins Stocken.
Die Regierung hat vergangene Woche ihre Pläne mit dem deutschen JETP-Beauftragten Rainer Baake erörtert, der sich mit der “internationalen Partnergruppe” (IPG) abstimmt: Das sind die Geberländer EU, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die USA. Danach äußerten die Geberländer Verständnis dafür, dass die Energiesicherheit in Südafrika Priorität hat. Wichtig sei, dass “das große Ziel der JETP nicht gefährdet wird, Südafrikas Bemühungen zur Erreichung der Klimaziele voranzubringen und zu einer nachhaltigeren Wirtschaft überzugehen”, hieß es in einer anschließenden Erklärung der deutschen Botschaft in Pretoria.
Die IPG bleibe “dieser ehrgeizigen Partnerschaft mit Südafrika verbunden, in Übereinstimmung mit den Bedingungen der gemeinsamen Erklärung. Das enthält die Verpflichtung, das ambitionierteste mögliche Ziel in der Spannbreite von Südafrikas Klimaplan NDC zu erreichen.”
Auch laut einem Sprecher des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) zeigt “die IPG, mit Deutschland als aktivem Mitglied, Verständnis für die aktuelle Notlage und sieht die Notwendigkeit kurzfristiger Maßnahmen zur Bewältigung der Krise. Gleichzeitig ist und bleibt ein klares Bekenntnis der südafrikanischen Regierung zu langfristigen Strategien der Emmissionsminderung (wie der Umsetzung der JETP und nationalen Beiträge) wichtiger Baustein unserer Zusammenarbeit.” Die Geberländer seien sich einig, “dass ihre finanzielle Unterstützung im Rahmen des südafrikanischen JETP nicht für die Finanzierung von Projekten und Maßnahmen zur Verbrennung fossiler Brennstoffe eingesetzt werden.” Der beste und kostengünstigste Weg aus der Stromkrise sei “der mit JETP eingeschlagene Weg zum massiven Aufbau erneuerbarer Energien”.
Mit dem “Statusreport” eines externen Gutachters soll bis zum Sommer die Lage der südafrikanischen Kohlekraftwerke durchleuchtet werden. Er soll auch die finanzielle Belastung für den Staatshaushalt durch die finanzielle Notlage des staatlichen Energiekonzerns Eskom thematisieren.
Die Regierung in Pretoria denkt darüber nach, einige der alten Kohlekraftwerke länger als geplant laufen zu lassen, um die Stromknappheit und häufigen Blackouts im Land zu bekämpfen. Ursprünglich sollten bis 2030 fünf von insgesamt 14 Kohlekraftwerken geschlossen werden. Nun schlägt Energieminister Kgosientsho Ramokgopa vor, drei Blöcke des Kraftwerks Camden mit insgesamt 420 Megawatt Leistung länger als geplant am Netz zu behalten. In der Krise von “Megawatt-Knappheit” glaube er nicht, dass es “hilft, diese Einheiten abzuschalten, die so gut funktionieren”, so der Minister. Man habe darüber einen “offenen Austausch” mit der “International Partners Group” (IPG) geführt, die das JETP mit Südafrika vereinbart haben.
Diese Partnerschaft war auf der COP26 in Glasgow verkündet worden. Sie sieht vor, dass Südafrika bis 2035 Kapazitäten von 22 Gigawatt seiner Kohleflotte von insgesamt 39 Gigawatt stilllegt. Die Kraftwerke sind alt und ineffizient, sie sollten ohnehin abgeschaltet werden, denn ihre Nachrüstung wäre sehr teuer. Um den Strukturwandel zu begleiten, Alternativen von erneuerbaren Energien aufzubauen, den staatlichen Stromkonzern Eskom zu sanieren und das Stromnetz im Land wiederherzustellen, sind nach südafrikanischen Berechnungen zwischen 2023 und 2027 insgesamt 61,8 Milliarden Dollar nötig.
Davon sind bisher laut einem internen Bericht der südafrikanischen Regierung dafür 18,8 Milliarden gesichert – knapp acht Milliarden bislang von den westlichen Geberländern, sechs Milliarden aus dem südafrikanischen Budget und 4,8 Milliarden von internationalen Entwicklungsbanken. “Die Differenz zeigt die Größe der Finanzierungslücke”, heißt es lapidar: Bisher fehlen 43 Milliarden Dollar für die nächsten fünf Jahre. Private Investments sind dabei bislang nicht berücksichtigt. Von den JETP-Hilfen sind die ersten Tranchen bereits geflossen. Ende 2022 kamen jeweils 300 Millionen Dollar aus Deutschland und Frankreich.
Laut JETP-Planungen soll sich der CO₂-Ausstoß des Landes von 470 Millionen Tonnen jährlich bis 2030 im Idealfall auf 350 Millionen verringern. Schon bis 2021 sind die Emissionen auf 435 Millionen Tonnen gesunken – weniger wegen Klimapolitik, sondern schlicht, weil Kohlekraftwerke wegen Ineffizienzen und Verschleiß weniger am Netz sind.
Südafrika ist für 40 Prozent aller afrikanischen CO₂-Emissionen verantwortlich und mit 70 Prozent Kohle im Energiemix das Land mit der kohlenstoffintensivsten Volkswirtschaft aller großer Emittenten. Dabei verfügt es über große Potenziale bei Wind und Solarenergie, aber Probleme bei Netzausbau und Bürokratie hemmen diese Entwicklung.
Das JETP mit Südafrika ist für die Industrieländer wichtig, weil es eine Vorlage für Hilfen bei der Energiewende im globalen Süden sein soll. Inzwischen sind auch JETPs mit Indonesien (20 Milliarden Dollar) und Vietnam (15,5 Milliarden Dollar) auf den Weg gebracht worden. Senegal und Indien sind weitere Kandidaten. Außerdem haben die westlichen Staaten ein großes Interesse an besseren Verbindungen zu Südafrika. Sie wollen das geopolitisch wichtige Land vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine diplomatisch enger an den Westen binden. Bisher hat das Land die russische Aggression in der UNO nicht verurteilt und den russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Gipfel der Brics-Staaten im August eingeladen – offenbar allerdings nur als elektronischer Gast.
Die Situation der Stromversorgung in Südafrika ist prekär: Blackouts legen immer wieder Teile der Industrie und des öffentlichen Lebens lahm und kosten das Land Milliarden an Schäden und zwei Prozentpunkte beim Wachstum der Industrieproduktion. Der staatliche Energiekonzern Eskom ist in großen Zahlungsschwierigkeiten, gleichzeitig häufen sich Berichte von massiver Vetternwirtschaft, politischer Klüngelei und mafiösen Strukturen. Im Februar verließ Eskom-Chef André de Ruyter überraschend seinen Posten, nachdem er hochrangigen Funktionären der Partei ANC vorgeworfen hatte, sich illegal an Eskom zu bereichern.
Auch in der Regierung von Südafrika ist der JETP-Kurs offenbar umstritten: einer Fraktion um Präsident Ramaphosa, der das Projekt gutheißt, stehen Kritiker gegenüber, die an der traditionellen Steinkohlewirtschaft und den damit verbundenen Privilegien von Gewerkschaften und ANC festhalten wollen.
Die Vertreter der IPG treten in Südafrika auch deshalb vorsichtig auf, weil sie ähnliche Pläne für längere Laufzeiten von fossilen Kraftwerken aus ihren Heimatländern kennen. So hat Deutschland unter dem Druck des russischen Angriffs auf die Ukraine und dem Bestreben, sich vom russischen Gas zu lösen, ebenfalls die Energiesicherheit ganz nach vorn gestellt und Kohlekraftwerke aus der Reserve geholt.
Und auch beim Flüssig-Gas ist die Entwicklung ähnlich. Während Deutschland massiv auf neue LNG-Terminals setzt, denkt jetzt auch Südafrika darüber nach, in der Energiekrise mit schwimmenden Gasterminals die Versorgung zu sichern.
Deutschland will die deutsche Kolonialzeit in Ostafrika aufarbeiten (Table.Media berichtete). Eine Aussage von prominenter Seite erstaunt besonders: Katja Keul, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, sagte vor einiger Zeit der Deutschen Welle, dass die “Geschehnisse eben sowohl in Tansania als auch in Deutschland nicht ausreichend bekannt” seien.
Tatsächlich? Ist das Wissen über die Kolonialzeit wirklich so gering? Überprüfen Sie Ihr Wissen anhand von fünf Fragen:
1. Von wann bis wann war das Festland des heutigen Tansanias deutsche Kolonie?
2. Wie war der Name dieser Kolonie?
3. Wie viele Menschen starben im Maji-Maji-Krieg und der darauffolgenden Hungersnot (“Politik der verbrannten Erde”)?
4. Welche Auswirkungen der deutschen Kolonialzeit sind noch heute in Tansania sichtbar?
5. Was wissen Sie über kulturelle Objekte und Human Remains, die sich in deutschen Sammlungen befinden?
Von 1885 bis 1918 war das Festland des heutigen Tansanias Teil der Kolonie Deutsch-Ostafrika. Von 1905 bis 1907 starben im Maji-Maji-Krieg und der darauffolgenden Hungersnot Schätzungen zufolge bis zu 300.000 Menschen. Die Folgen der Kolonialzeit sind überall im Land sichtbar. Viele Menschen sind arm, nur einige wenige reich. Zur Kolonialzeit wurden viele Menschen von ihrem Land zugunsten von Plantagen vertrieben. Viele, die enteignet wurden, mussten Zwangsarbeit auf Plantagen leisten.
Ja, die Deutschen brachten auch Infrastruktur wie die Eisenbahn. Doch wofür wurden Gleise verlegt? Zum Transport von Bodenschätzen und landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Deutsche Kolonialisten und Missionare sammelten zu Forschungszwecken viele “Objekte”, die in Museen ausgestellt werden oder in deutschen Sammlungen lagern. Etliche Gruppen aus Tansania fordern seit Jahren Restitution, die Regierung Tansanias offiziell noch nicht.
Hinzu kommt ein aktuell stark diskutiertes Thema: Human Remains (Table.Media berichtete). In ethnologischen Sammlungen lagern tausende menschlicher Gebeine, die zum Zweck rassistischer Forschung nach Deutschland gebracht worden waren. Viele ethnische Gruppen aus Tansania suchen seit Jahrzehnten die Schädel ihrer Vorfahren, um diese würdevoll zuhause zu beerdigen.
Wie viele Antworten hatten Sie richtig? Wie ausführlich wurde die Kolonialzeit während Ihrer Schulzeit behandelt? Stand Kolonialismus überhaupt auf dem Lehrplan?
Nun zum zweiten Teil der Aussage von Katja Keul. Ist die Kolonialzeit auch in Tansania “nicht ausreichend bekannt”? Meine gelebte Wirklichkeit in Tansania ist eine komplett andere. Vom Taxifahrer bis zum Schulkind wissen die Menschen Bescheid. Manche Tansanier können die Lebensdaten Otto von Bismarcks auswendig aufsagen. Hier in Mwanza, der zweitgrößten Stadt des Landes, ist das Wahrzeichen der Stadt, ein imposanter Felsen, nach dem damaligen Reichskanzler benannt: der Bismarck Rock thront vor der Küste Mwanzas im Viktoriasee.
Wie bewertet der Botschafter von Tansania in Deutschland die Aussage der Staatsministerin? Zunächst antwortet Abdallah Possi diplomatisch. Dann spricht er Klartext:
“Im Alter von zehn Jahren beginnen wir in der Schule Geschichte zu lernen. Mit Abschluss der siebenjährigen Grundschule, im Alter von 13 oder 14 Jahren, kennt jeder die Kolonialzeit. Sobald jemand das Grundschulsystem durchlaufen hat, ist diese Geschichte bekannt. Es ist nicht korrekt zu sagen, dass Kolonialismus in Tansania nicht sehr bekannt ist. Das Wissen ist sehr verbreitet (“very much known”). Das Einzige, das vermutlich nicht so bekannt ist, selbst ich war geschockt, ist die Zahl der Human Remains und Kulturobjekte, die in dieser Zeit entwendet worden sind. Erst seit kurzem kommen diese Informationen ans Licht. Aber die Gräueltaten, Unterdrückungen und Landnahmen, all die Dinge, die damals begangen worden sind, sind in der Öffentlichkeit sehr gut bekannt. Auch solche Fragen, beispielsweise in Prüfungen an den weiterführenden Schulen oder auch den Grundschulen, wie: Was sind die Gründe für den Maji-Maji-Aufstand? Oder: Erkläre, was Carl Peters getan hat. Carl Peters haben wir in der vierten oder fünften Klasse durchgenommen, also im Alter von zehn oder elf Jahren.”
Anmerkung: Carl Peters (1856 bis 1918) gilt als Begründer der Kolonie Deutsch-Ostafrika. Er war der Gründer der privaten Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft (Doag). Er war bekannt für Grausamkeiten gegenüber der Bevölkerung, eine willkürliche Anwendung der Todesstrafe und rassistische Ansichten. Ramona Seitz
Das Volumen der afrikanischen Kohleausfuhren hat seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs stark zugenommen. Durch internationale Sanktionen gegen den wichtigen Kohleexporteur Russland ist die Nachfrage nach Kohle aus alternativen Quellen gestiegen, auch aus Afrika. Dadurch haben sich die Kohleexporte Tansanias innerhalb eines Jahres versiebenfacht, berichtet die tansanische Zeitung The Citizen unter Berufung auf aktuelle Zahlen der tansanischen Zentralbank.
Auch im südlichen Afrika macht sich der Kohleboom bemerkbar, etwa im mosambikanischen Maputo. Der dortige Hafen hat seine Umschlagskapazität verdreifacht, um die gestiegene Menge der dort verschifften südafrikanischen Kohle zu bewältigen. Botsuana hat sich angesichts der hohen Nachfrage ebenfalls als Kohlelieferant positioniert und sogar eine neue Mine geplant. Das Land exportiert den fossilen Brennstoff über die namibische Walfischbucht und neuerdings auch über den Hafen in Maputo. In Mosambik selbst wird ebenfalls mehr Kohle für den Export abgebaut.
In Südafrika, dem wichtigsten Kohleproduzenten des Kontinents, hat das Exportvolumen sogar noch stärker zugelegt. In der ersten Hälfte des Jahres 2022 waren Kohleexporte in die EU um rund 720 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Auch zwischen Februar und März 2023 lag der allgemeine Exportzuwachs immer noch bei 40 Prozent. Größte europäische Abnehmer der südafrikanischen Kohle waren dabei Spanien und die Niederlande.
Südafrika exportiert Kohle nicht nur, es ist für die Energieerzeugung auch selbst darauf angewiesen. Der größte Teil des südafrikanischen Energiemix wird durch die alternden Kohlekraftwerke des staatlichen Stromversorgers Eskom gedeckt. Der kann zwar den Energiebedarf des Landes nicht gesichert bereitstellen. Um die anhaltende Energiekrise zu überwinden, will Energieminister Ramokgopa aber weiterhin auf Kohle setzen. Auch dank dieser Konstellation steigen die Aktienkurse von Rohstoffkonzernen wie der südafrikanischen Thungela Resources rasant. Das Unternehmen ist aufgrund seiner Kohlegeschäfte für europäische Investoren tabu, profitiert aber nun von dem afrikanischen Kohleboom. ajs
Die DR Kongo hat Auktionen für vier Ölfördergebiete im Osten des Landes angekündigt. Dies berichtet die Finanznachrichtenagentur Bloomberg. Die Auktionsgebote müssen zwischen Ende Oktober und Mitte Dezember eingereicht werden. Am 11. Mai warb das kongolesische Ölministerium in London für die Auktionen der Landabschnitte, anschließend wurden die Gebotsfristen für 20 weitere Gebiete verkündet.
Einer der nun angebotenen Landabschnitte liegt teilweise im Nationalpark Virunga, der Heimat der bedrohten Berggorillas. Zwei weitere Gebiete liegen am Albertsee in unmittelbarer Nähe zu den ugandischen Ölfeldern an der umstrittenen East African Crude Oil Pipeline (EACOP). Auch die zu erschließenden kongolesischen Ölfördergebiete brauchen noch Pipelines für den Abtransport. Das kongolesische Ölministerium führt derzeit Gespräche mit Uganda und Tansania über einen Anschluss an die EACOP.
DR Kongo sieht sich bei der Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft von den Industriestaaten alleingelassen. Bei der Armutsbekämpfung setzt das Land darum inzwischen vermehrt auf seine üppigen Ölvorhaben, auch in den für den Umweltschutz besonders wichtigen Gebieten wie tropischen Wäldern, Nationalparks, Torfgebieten und Lebensräumen gefährdeter Arten. ajs
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat bei Regierungsverhandlungen in Berlin mehr Geld für Madagaskar zugesagt. Das BMZ wird den Inselstaat stärker beim Ausbau der Solar- und Wasserkraft unterstützen und stellt dafür rund 30 Millionen Euro bereit. Laut Internationaler Energieagentur hatten im Jahr 2020 nur 27 Prozent der madagassischen Bevölkerung Zugang zu Elektrizität. Von den insgesamt 47 Millionen Euro fließen elf Millionen in Anpassungsmaßnahmen an Folgen des Klimawandels. Das Land ist davon stark betroffen. Im Süden herrscht seit Jahren Dürre und erst im Februar und März wurde die Insel gleich zweimal vom Tropensturm Freddy verwüstet. Weitere sechs Millionen Euro werden für die Stärkung von Gemeinden und Zivilgesellschaft aufgebracht. ajs
Eine Delegation des Finanzausschusses des Bundestags besucht vom 15. bis 18. Mai Lagos in Nigeria. Dort möchten sich die Delegationsteilnehmer ein Bild von der Entwicklung eines der bevölkerungsreichsten und dynamischsten Länder des Kontinents machen. Dabei ist die Delegation besonders interessiert an den modernen Finanzmarktinstrumenten, die in Subsahara-Afrika eine Rolle spielen, etwa mit Blick auf die Finanzierung von Start-ups und die Entwicklung von Lagos als aufstrebendes Zentrum im Bereich Finanzen und Fintech. Aber auch über Steuerpolitik und -vermeidung sowie die Struktur der Staatseinnahmen wollen sich die deutschen Abgeordneten informieren.
Die Delegation wird unter anderem den ehemaligen Finanzminister von Lagos State treffen und den Nigerian Stock Exchange besuchen. Auch Gespräche mit dem Zahlungsdienstleister Flutterwave und eine Besichtigung der Lagos Free Zone Sonderwirtschaftszone sind geplant, ebenso wie Treffen mit deutschen und nigerianischen Jungunternehmern.
Leiter der Delegation ist der Vorsitzende des Finanzausschusses, Alois Rainer (CSU). Die weiteren Delegationsteilnehmer sind die Abgeordneten Dagmar Andres und Carlos Kasper (beide SPD), Anja Schulz (FDP) und Klaus Stöber (AfD). ajs
Die Staatsoberhäupter der BRICS-Länder werden im August in Johannesburg zusammentreffen und unter anderem die Einführung einer gemeinsamen Währung für den Block diskutieren. Dies berichtet Bloomberg unter Berufung auf die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor. Die Diskussion sei von den BRICS-Staaten und anderen Nationen angeregt worden, die im internationalen Handel nicht länger auf den US-Dollar angewiesen sein wollen, so die Ministerin. Südafrika werde sich der Debatte nicht verschließen. Die nationalen Interessen und die heimische Wirtschaft hätten aber Priorität. Auch der Gouverneur der südafrikanischen Zentralbank äußerte sich skeptisch: “Ich weiß nicht, wie wir innerhalb eines Blocks von Ländern an verschiedenen geografischen Standorten von einer gemeinsamen Währung sprechen können.”
Schon beim BRICS-Gipfel im Juni soll es um Alternativen zur US-geführten westlichen Weltordnung gehen. Dann will die BRICS-Gruppe über die Beitrittsgesuche von 19 Anwärtern debattieren, unter ihnen Ägypten, Indonesien und Nigeria. Mit der Vergrößerung um weitere wichtige Länder des Globalen Südens will sich die BRICS-Gruppe als Gegengewicht zum westlichen Bündnis positionieren. ajs
Dass Bundeskanzler Olaf Scholz kürzlich schon zum zweiten Mal afrikanische Länder besucht hat, ist zu begrüßen, auch wenn seine Reise eher politisch-symbolische als konkret wirtschaftliche Bedeutung hatte. Beim Treffen des Kanzlers mit Premierminister Abiy Ahmed in Äthiopien ging es, neben der Förderung von deutschen Investitionen, auch um Fragen der politischen Stabilisierung am Horn von Afrika. Und natürlich betonte der Kanzler die Wichtigkeit friedlicher Konfliktlösungen.
Allerdings dürfte allen Beteiligten klar gewesen sein, dass Deutschland keinerlei nachhaltigen Einfluss auf die Lösung der Machtkämpfe in Äthiopien, im Sudan, im Südsudan oder Somalia hat. In Äthiopien ist der Machtkampf zwischen der aufständischen Tigray-Provinz und der äthiopischen Zentralregierung zwar nach zweijährigem Bürgerkrieg mit unermesslichen Opfern und Schäden auf beiden Seiten erst einmal beigelegt. Aber die Lage ist nicht wirklich befriedet. Jetzt wird erwartet, dass die Rebellen in die nationale Armee “integriert” werden sollten – ein Unding: Seit Generationen bekämpfen sich immer wieder Amharen, Tigrayer, Oromo und Eritreer, ohne bislang dauerhafte Friedenslösungen jenseits imperialer Gewalt gefunden zu haben.
Nur eine konsequent dezentrale föderale Macht- und Verwaltungsstruktur für den Vielvölkerstaat Äthiopien könnte ein geregeltes friedliches Neben- und Miteinander entstehen lassen, unter Vermittlung der Afrikanischen Union und externer Mächte aus der Region. Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed, ein Oromo, strebt allerdings – so scheint es – eine Rückkehr zu einer eher zentralen Staatsordnung in der Tradition einer Vision vom amharischen Imperium an. Dass auch hier Europäer eher Zaungäste als Friedensvermittler sind, gehört zu ihren neuen Ohnmachtserfahrungen.
Wir erleben hautnah: Bei der Partnerwahl haben afrikanische Regierungen heute Optionen wie nie zuvor. Deshalb ist es klug, das ins Spiel zu bringen, was europäische Industriestaaten oft besser können als andere: Beiderseits nützliche Energie- und Industrieprojekte auf hohem technologischen Niveau zu verhandeln, durch die wirtschaftlich dynamische Länder wie Kenia unterstützt werden, aus ihrer kolonialherrschaftlich bedingten Rolle als Rohstofflieferanten herauszuwachsen.
Kenia ist heute hoch verschuldet, kämpft gegen eine hohe Inflation, und die junge Demokratie braucht wirtschaftliche Erfolge, um sich gegenüber seiner erwartungsvollen Jugend legitimieren zu können. Es scheint, dass Bundeskanzler Scholz bei Präsident William Ruto in Nairobi mit seinen Gesprächen über künftige Lieferungen von grüner Energie aus Kenia nach Deutschland gepunktet hat.
Rainer Tetzlaff ist Afrikaexperte und Professor i.R. an der Universität Hamburg. Dort forschte er unter anderem zum Einfluss multilateraler Institutionen auf die afrikanischen Gesellschaften.
South China Morning Post: China und USA ringen um Einfluss im rohstoffreichen Zentralafrika. Viele Menschen in Zentralafrika machen auch die chinesische Zurückhaltung in Sicherheitsfragen verantwortlich für die Unsicherheit in der Region. Rund um die afrikanischen Großen Seen war der bisherige chinesische Ansatz der Nichteinmischung lange beliebt. Die Volksrepublik ist dort präsenter als die Vereinigten Staaten.
Le Monde: Frankreich bekräftigt Engagement im Kampf gegen Dschihadisten. Beim Besuch eines Anti-Terror-Trainingszentrums in Elfenbeinküste hat die französische Staatssekretärin für Entwicklung den Einsatz Frankreichs und der EU gegen den Dschihadismus in Afrika bekräftigt. Nachdem französische Truppen Mali und Burkina Faso verlassen mussten, ist Elfenbeinküste eine der letzten sicherheitspolitischen Stützen Frankreichs in Westafrika.
Voice of America: SADC schickt Soldaten nach DR Kongo. Kongos Präsident Tshisekedi ist mit den erfolglosen Truppen der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) im Osten seines Landes unzufrieden. Nun werden die Staaten der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) ein gemeinsames Militärkontingent entsenden, um den dortigen Konflikt zu befrieden.
Al Jazeera: Südafrika untersucht Vorwurf der Waffenlieferungen an Russland. Präsident Ramaphosa hat eine unabhängige Untersuchungskommission eingeleitet. Sie soll überprüfen, ob ein russisches Schiff im Dezember bei Kapstadt südafrikanische Waffen eingeladen hatte. Der Vorwurf war vom amerikanischen Botschafter in Pretoria erhoben worden.
Financial Times: Eskom-Chef besucht China. Der Interim-CEO des staatlichen südafrikanischen Energieversorgers Eskom ist gemeinsam mit dem südafrikanischen Minister für Staatsbetriebe nach China gereist. Im vergangenen Monat hatte der chinesische Botschafter Pretoria Pekings Hilfe bei der anhaltenden Energiekrise angeboten.
Reuters: Senegal und IWF einigen sich auf Hilfspaket. Der internationale Währungsfonds (IWF) und die senegalesische Regierung haben sich über Finanzierungshilfen in Höhe von 1,9 Milliarden Dollar geeinigt. Das Geld soll verteilt über die nächsten drei Jahre ausgezahlt werden.
Financial Times: Ghanas Probleme sind ein warnendes Beispiel. Der ghanaische Aufschwung war in erster Linie durch die Aufnahme günstiger Kredite ermöglicht worden. Nun ist der Boom angesichts gestiegener Zinsen vorerst ausgebremst. Der Niedergang des regionalen Vorreiters lässt die Alarmglocken für andere afrikanische Länder läuten.
Jeune Afrique: M-Pesa kommt (endlich) nach Äthiopien. Die äthiopische Zentralbank hat dem kenianischen Telekommunikationsunternehmen Safaricom eine Lizenz für mobile Zahlungsdienste erteilt. Damit wird Safaricoms populärer Zahlungsdienst M-Pesa der erste ausländische Dienst dieser Art in Äthiopien.
African Business: Können Charter Cities Afrikas Wirtschaftskraft entfesseln? Im Gespräch mit dem Wirtschaftsmagazin erklärt der Direktor des Charter Cities Institute, wie er die Idee des Wirtschaftsnobelpreisträgers Paul Romer weiterentwickelte, und wie Charter Cities bei der Bewältigung der rapiden afrikanischen Urbanisierung helfen könnten.
Africa Intelligence: Die Vertrauten des Bola Tinubu. Der künftige Präsident Nigerias wird Ende Mai sein Amt antreten, allen Wahlanfechtungen durch die Opposition zum Trotz. Seine treuen Verbündeten, die ihm zum Sieg verhalfen, werden wohl Posten in Tinubus Kabinett erhalten.
Politikerlebensläufe bieten selten spannende Wendungen: Jurastudium, Parteikarriere, wenig Berufspaxis, dafür Geschlechterquoten, Parteiproporz oder politische Seilschaften. Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal – da ist einer wie Joe Chialo der Exot.
Der neue Kultursenator der deutschen Hauptstadt dürfte Deutschlands erster schwarzer Senator sein. Politisch gehörte er anfangs zu den Grünen, heute sitzt er im Bundesvorstand der CDU. Chialo war Sänger einer Hardrocker-Cross-Over-Metal-Band und Türsteher in einem Club. Sein Abitur machte er im Kölner Ordensinternat der Salesianer Don Boscos. Dann folgte eine Lehre zum Zerspaner. Nach einigen Semestern Geschichte, Politik und Staatswissenschaften wendet er sich schließlich der Kulturwirtschaft zu und wird Musikmanager bei Universal Music.
Geboren wird der 53-jährige in Deutschland als Kind einer Diplomatenfamilie aus Tansania. Als “Quoten-Schwarzer” sieht er sich nicht, das entspricht weder seinem Selbstbild noch seinem Selbstbewusstsein. Was manche Rassismus nennen würden, bezeichnet er – auf sich angewandt – als “Neugierde”. Mit den von ihm gemanagten Bands war er viel im tiefen Osten Deutschlands unterwegs, wo es oft um die rechtsextreme AfD geht. Dort auf seine Hautfarbe angesprochen zu werden, sei für ihn normal: “Ich bin es gewöhnt, mit Leuten umzugehen, die mir mit dieser Neugierde begegnen. Daraus entstehen dann ganz spannende Gespräche. So vielfältig wie die Menschen sind, sind ihre Meinungen, und damit kann ich umgehen.” Gute Voraussetzung für den neuen Amtsträger, der nicht nur für Kultur, sondern auch für gesellschaftlichen Zusammenhalt verantwortlich ist.
Mit seiner Einstellung dürfte er nicht nur die Hauptstadt vor die Frage stellen, ob man auch auf bürgerliche Weise divers sein kann. Mehr als einmal hat er deutlich gemacht, sich nicht auf Rassismusfragen festzulegen, kein “Senator für Wokeness” sein zu wollen. Auf eine gewisse Diskriminierung ist er eingestellt, aber: “Ich weiß die Mehrheitsgesellschaft hinter mir”.
Dass er dem Thema immer wieder begegnen wird, ist Chialo bewusst. “Ich komme aus der Unterhaltungsindustrie und weiß, dass die Bilder in den Köpfen der Menschen sind, wie sie sind. Die Unbelehrbaren zu belehren, würde mich aber nur aufhalten“, sagt er.
Ordensschüler und Zerspaner, Hardrocker und Türsteher – manche sagen, für die bunte deutsche Hauptstadt sei der Mann eine Art “natural-born Kultursenator”. Auf keinen Fall eine herkömmliche politische Bastelbiographie, sondern ein kommunikativer, gut vernetzter Unternehmer, fest verankert in der Kulturszene, für die er künftig politisch die Weichen stellt. Kulturpolitik in der Hauptstadt ist oft viel mehr als Ländersache. Den millionenschweren Kulturfonds verwalten zum Beispiel Bund und Land gemeinsam. International viel beachtete Personalien müssen entschieden werden, wie etwa die Nachfolge von Daniel Barenboim an der Staatsoper Unter den Linden.
Der PoC-Kultursenator hat seine Bühne erst betreten. Harald Prokosch
die Zeichen in Afrika stehen auf Aufschwung. Das gilt besonders für den Tourismus auf dem Kontinent, wie sich auf der diesjährigen Messe Africa Travel Indaba gezeigt hat: Die Touristen kommen zurück, die Fluggesellschaften investieren wieder in ihr Netz, und selbst China entwickelt ganz strategisch und systematisch den Markt für Freizeitreisen auf den Kontinent.
Die Debatte um die deutsche Kolonialgeschichte wird vor allem aus deutscher Sicht geführt. Unsere Autorin Ramona Seitz ist derzeit in Tansania und hat Erstaunliches über die deutschen Kolonialspuren im Bewusstsein der Menschen vor Ort zutage gefördert.
Der Afrika-Wissenschaftler Rainer Tetzlaff, Autor verschiedener Standardwerke zur Geschichte und Politik auf dem Kontinent, analysiert in einem Gastbeitrag für uns die aktuellen Konflikte, die in Ostafrika für Instabilität sorgen. Dabei arbeitet er heraus, wie die Bundesregierung mit ihren diplomatischen Möglichkeiten zu einer Stabilisierung beitragen kann.
Auch in dieser Ausgabe finden Sie wieder aktuelle News aus Afrika und unsere Presseschau. Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre.
Wenn Ihnen der Africa.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Und wenn Ihnen diese Mail weitergeleitet wurde: Hier können Sie sich für den Africa.Table und weitere Themen anmelden.
Fast 9000 Teilnehmer sind dieses Jahr zur Africa Travel Indaba in Durban gekommen. 22 afrikanische Länder waren vertreten Doch schon die Anreise stellte die Messeteilnehmer vor das erste Problem: Die komplizierten Einreisebestimmungen für Afrikaner in Südafrika und die nach Corona ausgedünnten innerafrikanischen Flugverbindungen machten es dieses Mal besonders schwierig, nach Durban zu kommen. Derzeit ist es einfacher, aus Europa, Amerika oder Asien nach Afrika zu fliegen, als innerhalb des Kontinents zu reisen.
Nach der Corona-Pandemie kommen Touristen nun auch wieder nach Afrika. Zu Beginn dieses Jahres hatte sich die Besucherzahl gegenüber 2019 deutlich erholt: 68,8 Millionen ausländische Touristen kamen nach Afrika (45 Millionen in 2022, 19,4 Millionen in 2021). Das letzte Quartal 2022 gab noch einmal einen großen Schub. Die beliebtesten Zielländer sind Marokko (8,7 Millionen Besucher), Ägypten (7,9 Millionen), Südafrika (6,8 Millionen) und Kenia (1,5 Millionen).
In Südafrika haben die Besucherzahlen im ersten Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahr um 102 Prozent zugelegt und liegen jetzt auf 78,5 Prozent des Niveaus von 2019, darunter 387.000 aus Europa und 104.000 aus Amerika. Die Touristen geben rund 144 Prozent mehr aus, auch in dieser Hinsicht sind die Europäer führend.
In Südafrika ist Tourismus ein wichtiger Wirtschaftszweig, der mehr als eine Millionen Menschen beschäftigt. Vor der Corona-Pandemie machte der Tourismus 6,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Derzeit liegt der Anteil nur bei 3,7 Prozent. Ähnlich sind die Zahlen für den gesamten Kontinent, mit 6,8 Prozent (2019) und 4,4 Prozent (2021).
Immerhin schöpfen die Vertreter der Tourismusbranche in Afrika wieder Hoffnung. “Als Afrikaner werden wir unsere Geschichte in eigenen Worten erzählen und die einzigartigen Beiträge, die wir für die globale Tourismusgemeinschaft leisten, mit der Welt teilen”, sagte Südafrikas Tourismusministerin, Patricia de Lille, bei der Eröffnung der Africa Travel Indaba. Sie weiß, dass sich gute Tourismuserfahrungen auch positiv auf Investoren auswirken.
So hat die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) angekündigt, die Tourismusstrategie in der Region voranzutreiben. Dabei gibt es auch Unterstützung vom deutschen Entwicklungsministerium (BMZ). Es unterstützt das bessere Tourismusimage, schafft Erleichterungen bei grenzüberschreitenden Reisen und die Erweiterung der existierenden Nationalparks über die jeweiligen Landesgrenzen hinaus.
Ein wichtiger Faktor für den Aufschwung ist China, das vor der Pandemie weltweit der größte Outbound-Markt für Tourismusreisen nach Afrika war. China definierte im Februar drei afrikanische Pilotländer: Nach Ägypten, Kenia und Südafrika sollen wieder konzentriert chinesische Touristengruppen reisen. “In den nächsten fünf Jahren wird die stetige Erholung des Auslandstourismus in China der weltweiten Tourismusbranche, einschließlich Afrika, neue Möglichkeiten bieten”, sagte Dai Bin, Präsident der Chinese Tourism Academy (CTA).
Auch die internationalen Fluggesellschaften steuern Afrika wieder stärker an. Emirates aus Dubai, die derzeit 22 Städte in 19 afrikanischen Ländern bedient, stockte im März ihre täglichen Flüge zum Regionalhub Johannesburg von zwei auf drei täglich auf. Nach Kapstadt gibt es jetzt zwei Verbindungen pro Tag, nach Durban eine. Im vergangenen September unterzeichnete Emirates eine Partnerschaft mit mehreren südafrikanischen Airlines. Südafrika ist für Emirates laut Afzak Parambil, Chef der Airline im südlichen Afrika, “ein strategisch wichtiges Wachstumsziel”.
Auch die Lufthansa erweitert ihr Netz. Nach Nairobi wird es von Juni an wieder tägliche Verbindungen geben, nachdem die Lufthansa den Südafrikaner Kevin Markette im März zu ihrem neuen General Manager Ostafrika ernannt hatte. Die Lufthansa-Tochter Eurowings Discover bietet über die Sommermonate fünf Flüge wöchentlich nach Mombasa an, zusätzlich zu den bestehenden Verbindungen nach Sansibar, Mauritius, in die namibische Hauptstadt Windhoek, zu den Victoriafällen und zum Kilimandscharo. Im November hob das erste deutsche Flugzeug in Frankfurt ab, das den Kruger-Nationalpark in der südafrikanischen Provinz Mpumalanga direkt anfliegt.
Die südafrikanische Regierung debattiert, ob sie wegen Schwierigkeiten in der Energieversorgung später als bisher geplant aus der Kohleverbrennung aussteigen soll. Das würde die Umsetzung des zentralen Ziels der “Gerechten Partnerschaft für die Energiewende” (JETP) mit Geberländern aus den Industriestaaten verzögern. Ein Vorzeigeprojekt für die internationale Energiewende mit Klimahilfen von 8,5 Milliarden Dollar gerät damit ins Stocken.
Die Regierung hat vergangene Woche ihre Pläne mit dem deutschen JETP-Beauftragten Rainer Baake erörtert, der sich mit der “internationalen Partnergruppe” (IPG) abstimmt: Das sind die Geberländer EU, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die USA. Danach äußerten die Geberländer Verständnis dafür, dass die Energiesicherheit in Südafrika Priorität hat. Wichtig sei, dass “das große Ziel der JETP nicht gefährdet wird, Südafrikas Bemühungen zur Erreichung der Klimaziele voranzubringen und zu einer nachhaltigeren Wirtschaft überzugehen”, hieß es in einer anschließenden Erklärung der deutschen Botschaft in Pretoria.
Die IPG bleibe “dieser ehrgeizigen Partnerschaft mit Südafrika verbunden, in Übereinstimmung mit den Bedingungen der gemeinsamen Erklärung. Das enthält die Verpflichtung, das ambitionierteste mögliche Ziel in der Spannbreite von Südafrikas Klimaplan NDC zu erreichen.”
Auch laut einem Sprecher des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) zeigt “die IPG, mit Deutschland als aktivem Mitglied, Verständnis für die aktuelle Notlage und sieht die Notwendigkeit kurzfristiger Maßnahmen zur Bewältigung der Krise. Gleichzeitig ist und bleibt ein klares Bekenntnis der südafrikanischen Regierung zu langfristigen Strategien der Emmissionsminderung (wie der Umsetzung der JETP und nationalen Beiträge) wichtiger Baustein unserer Zusammenarbeit.” Die Geberländer seien sich einig, “dass ihre finanzielle Unterstützung im Rahmen des südafrikanischen JETP nicht für die Finanzierung von Projekten und Maßnahmen zur Verbrennung fossiler Brennstoffe eingesetzt werden.” Der beste und kostengünstigste Weg aus der Stromkrise sei “der mit JETP eingeschlagene Weg zum massiven Aufbau erneuerbarer Energien”.
Mit dem “Statusreport” eines externen Gutachters soll bis zum Sommer die Lage der südafrikanischen Kohlekraftwerke durchleuchtet werden. Er soll auch die finanzielle Belastung für den Staatshaushalt durch die finanzielle Notlage des staatlichen Energiekonzerns Eskom thematisieren.
Die Regierung in Pretoria denkt darüber nach, einige der alten Kohlekraftwerke länger als geplant laufen zu lassen, um die Stromknappheit und häufigen Blackouts im Land zu bekämpfen. Ursprünglich sollten bis 2030 fünf von insgesamt 14 Kohlekraftwerken geschlossen werden. Nun schlägt Energieminister Kgosientsho Ramokgopa vor, drei Blöcke des Kraftwerks Camden mit insgesamt 420 Megawatt Leistung länger als geplant am Netz zu behalten. In der Krise von “Megawatt-Knappheit” glaube er nicht, dass es “hilft, diese Einheiten abzuschalten, die so gut funktionieren”, so der Minister. Man habe darüber einen “offenen Austausch” mit der “International Partners Group” (IPG) geführt, die das JETP mit Südafrika vereinbart haben.
Diese Partnerschaft war auf der COP26 in Glasgow verkündet worden. Sie sieht vor, dass Südafrika bis 2035 Kapazitäten von 22 Gigawatt seiner Kohleflotte von insgesamt 39 Gigawatt stilllegt. Die Kraftwerke sind alt und ineffizient, sie sollten ohnehin abgeschaltet werden, denn ihre Nachrüstung wäre sehr teuer. Um den Strukturwandel zu begleiten, Alternativen von erneuerbaren Energien aufzubauen, den staatlichen Stromkonzern Eskom zu sanieren und das Stromnetz im Land wiederherzustellen, sind nach südafrikanischen Berechnungen zwischen 2023 und 2027 insgesamt 61,8 Milliarden Dollar nötig.
Davon sind bisher laut einem internen Bericht der südafrikanischen Regierung dafür 18,8 Milliarden gesichert – knapp acht Milliarden bislang von den westlichen Geberländern, sechs Milliarden aus dem südafrikanischen Budget und 4,8 Milliarden von internationalen Entwicklungsbanken. “Die Differenz zeigt die Größe der Finanzierungslücke”, heißt es lapidar: Bisher fehlen 43 Milliarden Dollar für die nächsten fünf Jahre. Private Investments sind dabei bislang nicht berücksichtigt. Von den JETP-Hilfen sind die ersten Tranchen bereits geflossen. Ende 2022 kamen jeweils 300 Millionen Dollar aus Deutschland und Frankreich.
Laut JETP-Planungen soll sich der CO₂-Ausstoß des Landes von 470 Millionen Tonnen jährlich bis 2030 im Idealfall auf 350 Millionen verringern. Schon bis 2021 sind die Emissionen auf 435 Millionen Tonnen gesunken – weniger wegen Klimapolitik, sondern schlicht, weil Kohlekraftwerke wegen Ineffizienzen und Verschleiß weniger am Netz sind.
Südafrika ist für 40 Prozent aller afrikanischen CO₂-Emissionen verantwortlich und mit 70 Prozent Kohle im Energiemix das Land mit der kohlenstoffintensivsten Volkswirtschaft aller großer Emittenten. Dabei verfügt es über große Potenziale bei Wind und Solarenergie, aber Probleme bei Netzausbau und Bürokratie hemmen diese Entwicklung.
Das JETP mit Südafrika ist für die Industrieländer wichtig, weil es eine Vorlage für Hilfen bei der Energiewende im globalen Süden sein soll. Inzwischen sind auch JETPs mit Indonesien (20 Milliarden Dollar) und Vietnam (15,5 Milliarden Dollar) auf den Weg gebracht worden. Senegal und Indien sind weitere Kandidaten. Außerdem haben die westlichen Staaten ein großes Interesse an besseren Verbindungen zu Südafrika. Sie wollen das geopolitisch wichtige Land vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine diplomatisch enger an den Westen binden. Bisher hat das Land die russische Aggression in der UNO nicht verurteilt und den russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Gipfel der Brics-Staaten im August eingeladen – offenbar allerdings nur als elektronischer Gast.
Die Situation der Stromversorgung in Südafrika ist prekär: Blackouts legen immer wieder Teile der Industrie und des öffentlichen Lebens lahm und kosten das Land Milliarden an Schäden und zwei Prozentpunkte beim Wachstum der Industrieproduktion. Der staatliche Energiekonzern Eskom ist in großen Zahlungsschwierigkeiten, gleichzeitig häufen sich Berichte von massiver Vetternwirtschaft, politischer Klüngelei und mafiösen Strukturen. Im Februar verließ Eskom-Chef André de Ruyter überraschend seinen Posten, nachdem er hochrangigen Funktionären der Partei ANC vorgeworfen hatte, sich illegal an Eskom zu bereichern.
Auch in der Regierung von Südafrika ist der JETP-Kurs offenbar umstritten: einer Fraktion um Präsident Ramaphosa, der das Projekt gutheißt, stehen Kritiker gegenüber, die an der traditionellen Steinkohlewirtschaft und den damit verbundenen Privilegien von Gewerkschaften und ANC festhalten wollen.
Die Vertreter der IPG treten in Südafrika auch deshalb vorsichtig auf, weil sie ähnliche Pläne für längere Laufzeiten von fossilen Kraftwerken aus ihren Heimatländern kennen. So hat Deutschland unter dem Druck des russischen Angriffs auf die Ukraine und dem Bestreben, sich vom russischen Gas zu lösen, ebenfalls die Energiesicherheit ganz nach vorn gestellt und Kohlekraftwerke aus der Reserve geholt.
Und auch beim Flüssig-Gas ist die Entwicklung ähnlich. Während Deutschland massiv auf neue LNG-Terminals setzt, denkt jetzt auch Südafrika darüber nach, in der Energiekrise mit schwimmenden Gasterminals die Versorgung zu sichern.
Deutschland will die deutsche Kolonialzeit in Ostafrika aufarbeiten (Table.Media berichtete). Eine Aussage von prominenter Seite erstaunt besonders: Katja Keul, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, sagte vor einiger Zeit der Deutschen Welle, dass die “Geschehnisse eben sowohl in Tansania als auch in Deutschland nicht ausreichend bekannt” seien.
Tatsächlich? Ist das Wissen über die Kolonialzeit wirklich so gering? Überprüfen Sie Ihr Wissen anhand von fünf Fragen:
1. Von wann bis wann war das Festland des heutigen Tansanias deutsche Kolonie?
2. Wie war der Name dieser Kolonie?
3. Wie viele Menschen starben im Maji-Maji-Krieg und der darauffolgenden Hungersnot (“Politik der verbrannten Erde”)?
4. Welche Auswirkungen der deutschen Kolonialzeit sind noch heute in Tansania sichtbar?
5. Was wissen Sie über kulturelle Objekte und Human Remains, die sich in deutschen Sammlungen befinden?
Von 1885 bis 1918 war das Festland des heutigen Tansanias Teil der Kolonie Deutsch-Ostafrika. Von 1905 bis 1907 starben im Maji-Maji-Krieg und der darauffolgenden Hungersnot Schätzungen zufolge bis zu 300.000 Menschen. Die Folgen der Kolonialzeit sind überall im Land sichtbar. Viele Menschen sind arm, nur einige wenige reich. Zur Kolonialzeit wurden viele Menschen von ihrem Land zugunsten von Plantagen vertrieben. Viele, die enteignet wurden, mussten Zwangsarbeit auf Plantagen leisten.
Ja, die Deutschen brachten auch Infrastruktur wie die Eisenbahn. Doch wofür wurden Gleise verlegt? Zum Transport von Bodenschätzen und landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Deutsche Kolonialisten und Missionare sammelten zu Forschungszwecken viele “Objekte”, die in Museen ausgestellt werden oder in deutschen Sammlungen lagern. Etliche Gruppen aus Tansania fordern seit Jahren Restitution, die Regierung Tansanias offiziell noch nicht.
Hinzu kommt ein aktuell stark diskutiertes Thema: Human Remains (Table.Media berichtete). In ethnologischen Sammlungen lagern tausende menschlicher Gebeine, die zum Zweck rassistischer Forschung nach Deutschland gebracht worden waren. Viele ethnische Gruppen aus Tansania suchen seit Jahrzehnten die Schädel ihrer Vorfahren, um diese würdevoll zuhause zu beerdigen.
Wie viele Antworten hatten Sie richtig? Wie ausführlich wurde die Kolonialzeit während Ihrer Schulzeit behandelt? Stand Kolonialismus überhaupt auf dem Lehrplan?
Nun zum zweiten Teil der Aussage von Katja Keul. Ist die Kolonialzeit auch in Tansania “nicht ausreichend bekannt”? Meine gelebte Wirklichkeit in Tansania ist eine komplett andere. Vom Taxifahrer bis zum Schulkind wissen die Menschen Bescheid. Manche Tansanier können die Lebensdaten Otto von Bismarcks auswendig aufsagen. Hier in Mwanza, der zweitgrößten Stadt des Landes, ist das Wahrzeichen der Stadt, ein imposanter Felsen, nach dem damaligen Reichskanzler benannt: der Bismarck Rock thront vor der Küste Mwanzas im Viktoriasee.
Wie bewertet der Botschafter von Tansania in Deutschland die Aussage der Staatsministerin? Zunächst antwortet Abdallah Possi diplomatisch. Dann spricht er Klartext:
“Im Alter von zehn Jahren beginnen wir in der Schule Geschichte zu lernen. Mit Abschluss der siebenjährigen Grundschule, im Alter von 13 oder 14 Jahren, kennt jeder die Kolonialzeit. Sobald jemand das Grundschulsystem durchlaufen hat, ist diese Geschichte bekannt. Es ist nicht korrekt zu sagen, dass Kolonialismus in Tansania nicht sehr bekannt ist. Das Wissen ist sehr verbreitet (“very much known”). Das Einzige, das vermutlich nicht so bekannt ist, selbst ich war geschockt, ist die Zahl der Human Remains und Kulturobjekte, die in dieser Zeit entwendet worden sind. Erst seit kurzem kommen diese Informationen ans Licht. Aber die Gräueltaten, Unterdrückungen und Landnahmen, all die Dinge, die damals begangen worden sind, sind in der Öffentlichkeit sehr gut bekannt. Auch solche Fragen, beispielsweise in Prüfungen an den weiterführenden Schulen oder auch den Grundschulen, wie: Was sind die Gründe für den Maji-Maji-Aufstand? Oder: Erkläre, was Carl Peters getan hat. Carl Peters haben wir in der vierten oder fünften Klasse durchgenommen, also im Alter von zehn oder elf Jahren.”
Anmerkung: Carl Peters (1856 bis 1918) gilt als Begründer der Kolonie Deutsch-Ostafrika. Er war der Gründer der privaten Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft (Doag). Er war bekannt für Grausamkeiten gegenüber der Bevölkerung, eine willkürliche Anwendung der Todesstrafe und rassistische Ansichten. Ramona Seitz
Das Volumen der afrikanischen Kohleausfuhren hat seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs stark zugenommen. Durch internationale Sanktionen gegen den wichtigen Kohleexporteur Russland ist die Nachfrage nach Kohle aus alternativen Quellen gestiegen, auch aus Afrika. Dadurch haben sich die Kohleexporte Tansanias innerhalb eines Jahres versiebenfacht, berichtet die tansanische Zeitung The Citizen unter Berufung auf aktuelle Zahlen der tansanischen Zentralbank.
Auch im südlichen Afrika macht sich der Kohleboom bemerkbar, etwa im mosambikanischen Maputo. Der dortige Hafen hat seine Umschlagskapazität verdreifacht, um die gestiegene Menge der dort verschifften südafrikanischen Kohle zu bewältigen. Botsuana hat sich angesichts der hohen Nachfrage ebenfalls als Kohlelieferant positioniert und sogar eine neue Mine geplant. Das Land exportiert den fossilen Brennstoff über die namibische Walfischbucht und neuerdings auch über den Hafen in Maputo. In Mosambik selbst wird ebenfalls mehr Kohle für den Export abgebaut.
In Südafrika, dem wichtigsten Kohleproduzenten des Kontinents, hat das Exportvolumen sogar noch stärker zugelegt. In der ersten Hälfte des Jahres 2022 waren Kohleexporte in die EU um rund 720 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Auch zwischen Februar und März 2023 lag der allgemeine Exportzuwachs immer noch bei 40 Prozent. Größte europäische Abnehmer der südafrikanischen Kohle waren dabei Spanien und die Niederlande.
Südafrika exportiert Kohle nicht nur, es ist für die Energieerzeugung auch selbst darauf angewiesen. Der größte Teil des südafrikanischen Energiemix wird durch die alternden Kohlekraftwerke des staatlichen Stromversorgers Eskom gedeckt. Der kann zwar den Energiebedarf des Landes nicht gesichert bereitstellen. Um die anhaltende Energiekrise zu überwinden, will Energieminister Ramokgopa aber weiterhin auf Kohle setzen. Auch dank dieser Konstellation steigen die Aktienkurse von Rohstoffkonzernen wie der südafrikanischen Thungela Resources rasant. Das Unternehmen ist aufgrund seiner Kohlegeschäfte für europäische Investoren tabu, profitiert aber nun von dem afrikanischen Kohleboom. ajs
Die DR Kongo hat Auktionen für vier Ölfördergebiete im Osten des Landes angekündigt. Dies berichtet die Finanznachrichtenagentur Bloomberg. Die Auktionsgebote müssen zwischen Ende Oktober und Mitte Dezember eingereicht werden. Am 11. Mai warb das kongolesische Ölministerium in London für die Auktionen der Landabschnitte, anschließend wurden die Gebotsfristen für 20 weitere Gebiete verkündet.
Einer der nun angebotenen Landabschnitte liegt teilweise im Nationalpark Virunga, der Heimat der bedrohten Berggorillas. Zwei weitere Gebiete liegen am Albertsee in unmittelbarer Nähe zu den ugandischen Ölfeldern an der umstrittenen East African Crude Oil Pipeline (EACOP). Auch die zu erschließenden kongolesischen Ölfördergebiete brauchen noch Pipelines für den Abtransport. Das kongolesische Ölministerium führt derzeit Gespräche mit Uganda und Tansania über einen Anschluss an die EACOP.
DR Kongo sieht sich bei der Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft von den Industriestaaten alleingelassen. Bei der Armutsbekämpfung setzt das Land darum inzwischen vermehrt auf seine üppigen Ölvorhaben, auch in den für den Umweltschutz besonders wichtigen Gebieten wie tropischen Wäldern, Nationalparks, Torfgebieten und Lebensräumen gefährdeter Arten. ajs
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat bei Regierungsverhandlungen in Berlin mehr Geld für Madagaskar zugesagt. Das BMZ wird den Inselstaat stärker beim Ausbau der Solar- und Wasserkraft unterstützen und stellt dafür rund 30 Millionen Euro bereit. Laut Internationaler Energieagentur hatten im Jahr 2020 nur 27 Prozent der madagassischen Bevölkerung Zugang zu Elektrizität. Von den insgesamt 47 Millionen Euro fließen elf Millionen in Anpassungsmaßnahmen an Folgen des Klimawandels. Das Land ist davon stark betroffen. Im Süden herrscht seit Jahren Dürre und erst im Februar und März wurde die Insel gleich zweimal vom Tropensturm Freddy verwüstet. Weitere sechs Millionen Euro werden für die Stärkung von Gemeinden und Zivilgesellschaft aufgebracht. ajs
Eine Delegation des Finanzausschusses des Bundestags besucht vom 15. bis 18. Mai Lagos in Nigeria. Dort möchten sich die Delegationsteilnehmer ein Bild von der Entwicklung eines der bevölkerungsreichsten und dynamischsten Länder des Kontinents machen. Dabei ist die Delegation besonders interessiert an den modernen Finanzmarktinstrumenten, die in Subsahara-Afrika eine Rolle spielen, etwa mit Blick auf die Finanzierung von Start-ups und die Entwicklung von Lagos als aufstrebendes Zentrum im Bereich Finanzen und Fintech. Aber auch über Steuerpolitik und -vermeidung sowie die Struktur der Staatseinnahmen wollen sich die deutschen Abgeordneten informieren.
Die Delegation wird unter anderem den ehemaligen Finanzminister von Lagos State treffen und den Nigerian Stock Exchange besuchen. Auch Gespräche mit dem Zahlungsdienstleister Flutterwave und eine Besichtigung der Lagos Free Zone Sonderwirtschaftszone sind geplant, ebenso wie Treffen mit deutschen und nigerianischen Jungunternehmern.
Leiter der Delegation ist der Vorsitzende des Finanzausschusses, Alois Rainer (CSU). Die weiteren Delegationsteilnehmer sind die Abgeordneten Dagmar Andres und Carlos Kasper (beide SPD), Anja Schulz (FDP) und Klaus Stöber (AfD). ajs
Die Staatsoberhäupter der BRICS-Länder werden im August in Johannesburg zusammentreffen und unter anderem die Einführung einer gemeinsamen Währung für den Block diskutieren. Dies berichtet Bloomberg unter Berufung auf die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor. Die Diskussion sei von den BRICS-Staaten und anderen Nationen angeregt worden, die im internationalen Handel nicht länger auf den US-Dollar angewiesen sein wollen, so die Ministerin. Südafrika werde sich der Debatte nicht verschließen. Die nationalen Interessen und die heimische Wirtschaft hätten aber Priorität. Auch der Gouverneur der südafrikanischen Zentralbank äußerte sich skeptisch: “Ich weiß nicht, wie wir innerhalb eines Blocks von Ländern an verschiedenen geografischen Standorten von einer gemeinsamen Währung sprechen können.”
Schon beim BRICS-Gipfel im Juni soll es um Alternativen zur US-geführten westlichen Weltordnung gehen. Dann will die BRICS-Gruppe über die Beitrittsgesuche von 19 Anwärtern debattieren, unter ihnen Ägypten, Indonesien und Nigeria. Mit der Vergrößerung um weitere wichtige Länder des Globalen Südens will sich die BRICS-Gruppe als Gegengewicht zum westlichen Bündnis positionieren. ajs
Dass Bundeskanzler Olaf Scholz kürzlich schon zum zweiten Mal afrikanische Länder besucht hat, ist zu begrüßen, auch wenn seine Reise eher politisch-symbolische als konkret wirtschaftliche Bedeutung hatte. Beim Treffen des Kanzlers mit Premierminister Abiy Ahmed in Äthiopien ging es, neben der Förderung von deutschen Investitionen, auch um Fragen der politischen Stabilisierung am Horn von Afrika. Und natürlich betonte der Kanzler die Wichtigkeit friedlicher Konfliktlösungen.
Allerdings dürfte allen Beteiligten klar gewesen sein, dass Deutschland keinerlei nachhaltigen Einfluss auf die Lösung der Machtkämpfe in Äthiopien, im Sudan, im Südsudan oder Somalia hat. In Äthiopien ist der Machtkampf zwischen der aufständischen Tigray-Provinz und der äthiopischen Zentralregierung zwar nach zweijährigem Bürgerkrieg mit unermesslichen Opfern und Schäden auf beiden Seiten erst einmal beigelegt. Aber die Lage ist nicht wirklich befriedet. Jetzt wird erwartet, dass die Rebellen in die nationale Armee “integriert” werden sollten – ein Unding: Seit Generationen bekämpfen sich immer wieder Amharen, Tigrayer, Oromo und Eritreer, ohne bislang dauerhafte Friedenslösungen jenseits imperialer Gewalt gefunden zu haben.
Nur eine konsequent dezentrale föderale Macht- und Verwaltungsstruktur für den Vielvölkerstaat Äthiopien könnte ein geregeltes friedliches Neben- und Miteinander entstehen lassen, unter Vermittlung der Afrikanischen Union und externer Mächte aus der Region. Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed, ein Oromo, strebt allerdings – so scheint es – eine Rückkehr zu einer eher zentralen Staatsordnung in der Tradition einer Vision vom amharischen Imperium an. Dass auch hier Europäer eher Zaungäste als Friedensvermittler sind, gehört zu ihren neuen Ohnmachtserfahrungen.
Wir erleben hautnah: Bei der Partnerwahl haben afrikanische Regierungen heute Optionen wie nie zuvor. Deshalb ist es klug, das ins Spiel zu bringen, was europäische Industriestaaten oft besser können als andere: Beiderseits nützliche Energie- und Industrieprojekte auf hohem technologischen Niveau zu verhandeln, durch die wirtschaftlich dynamische Länder wie Kenia unterstützt werden, aus ihrer kolonialherrschaftlich bedingten Rolle als Rohstofflieferanten herauszuwachsen.
Kenia ist heute hoch verschuldet, kämpft gegen eine hohe Inflation, und die junge Demokratie braucht wirtschaftliche Erfolge, um sich gegenüber seiner erwartungsvollen Jugend legitimieren zu können. Es scheint, dass Bundeskanzler Scholz bei Präsident William Ruto in Nairobi mit seinen Gesprächen über künftige Lieferungen von grüner Energie aus Kenia nach Deutschland gepunktet hat.
Rainer Tetzlaff ist Afrikaexperte und Professor i.R. an der Universität Hamburg. Dort forschte er unter anderem zum Einfluss multilateraler Institutionen auf die afrikanischen Gesellschaften.
South China Morning Post: China und USA ringen um Einfluss im rohstoffreichen Zentralafrika. Viele Menschen in Zentralafrika machen auch die chinesische Zurückhaltung in Sicherheitsfragen verantwortlich für die Unsicherheit in der Region. Rund um die afrikanischen Großen Seen war der bisherige chinesische Ansatz der Nichteinmischung lange beliebt. Die Volksrepublik ist dort präsenter als die Vereinigten Staaten.
Le Monde: Frankreich bekräftigt Engagement im Kampf gegen Dschihadisten. Beim Besuch eines Anti-Terror-Trainingszentrums in Elfenbeinküste hat die französische Staatssekretärin für Entwicklung den Einsatz Frankreichs und der EU gegen den Dschihadismus in Afrika bekräftigt. Nachdem französische Truppen Mali und Burkina Faso verlassen mussten, ist Elfenbeinküste eine der letzten sicherheitspolitischen Stützen Frankreichs in Westafrika.
Voice of America: SADC schickt Soldaten nach DR Kongo. Kongos Präsident Tshisekedi ist mit den erfolglosen Truppen der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) im Osten seines Landes unzufrieden. Nun werden die Staaten der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) ein gemeinsames Militärkontingent entsenden, um den dortigen Konflikt zu befrieden.
Al Jazeera: Südafrika untersucht Vorwurf der Waffenlieferungen an Russland. Präsident Ramaphosa hat eine unabhängige Untersuchungskommission eingeleitet. Sie soll überprüfen, ob ein russisches Schiff im Dezember bei Kapstadt südafrikanische Waffen eingeladen hatte. Der Vorwurf war vom amerikanischen Botschafter in Pretoria erhoben worden.
Financial Times: Eskom-Chef besucht China. Der Interim-CEO des staatlichen südafrikanischen Energieversorgers Eskom ist gemeinsam mit dem südafrikanischen Minister für Staatsbetriebe nach China gereist. Im vergangenen Monat hatte der chinesische Botschafter Pretoria Pekings Hilfe bei der anhaltenden Energiekrise angeboten.
Reuters: Senegal und IWF einigen sich auf Hilfspaket. Der internationale Währungsfonds (IWF) und die senegalesische Regierung haben sich über Finanzierungshilfen in Höhe von 1,9 Milliarden Dollar geeinigt. Das Geld soll verteilt über die nächsten drei Jahre ausgezahlt werden.
Financial Times: Ghanas Probleme sind ein warnendes Beispiel. Der ghanaische Aufschwung war in erster Linie durch die Aufnahme günstiger Kredite ermöglicht worden. Nun ist der Boom angesichts gestiegener Zinsen vorerst ausgebremst. Der Niedergang des regionalen Vorreiters lässt die Alarmglocken für andere afrikanische Länder läuten.
Jeune Afrique: M-Pesa kommt (endlich) nach Äthiopien. Die äthiopische Zentralbank hat dem kenianischen Telekommunikationsunternehmen Safaricom eine Lizenz für mobile Zahlungsdienste erteilt. Damit wird Safaricoms populärer Zahlungsdienst M-Pesa der erste ausländische Dienst dieser Art in Äthiopien.
African Business: Können Charter Cities Afrikas Wirtschaftskraft entfesseln? Im Gespräch mit dem Wirtschaftsmagazin erklärt der Direktor des Charter Cities Institute, wie er die Idee des Wirtschaftsnobelpreisträgers Paul Romer weiterentwickelte, und wie Charter Cities bei der Bewältigung der rapiden afrikanischen Urbanisierung helfen könnten.
Africa Intelligence: Die Vertrauten des Bola Tinubu. Der künftige Präsident Nigerias wird Ende Mai sein Amt antreten, allen Wahlanfechtungen durch die Opposition zum Trotz. Seine treuen Verbündeten, die ihm zum Sieg verhalfen, werden wohl Posten in Tinubus Kabinett erhalten.
Politikerlebensläufe bieten selten spannende Wendungen: Jurastudium, Parteikarriere, wenig Berufspaxis, dafür Geschlechterquoten, Parteiproporz oder politische Seilschaften. Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal – da ist einer wie Joe Chialo der Exot.
Der neue Kultursenator der deutschen Hauptstadt dürfte Deutschlands erster schwarzer Senator sein. Politisch gehörte er anfangs zu den Grünen, heute sitzt er im Bundesvorstand der CDU. Chialo war Sänger einer Hardrocker-Cross-Over-Metal-Band und Türsteher in einem Club. Sein Abitur machte er im Kölner Ordensinternat der Salesianer Don Boscos. Dann folgte eine Lehre zum Zerspaner. Nach einigen Semestern Geschichte, Politik und Staatswissenschaften wendet er sich schließlich der Kulturwirtschaft zu und wird Musikmanager bei Universal Music.
Geboren wird der 53-jährige in Deutschland als Kind einer Diplomatenfamilie aus Tansania. Als “Quoten-Schwarzer” sieht er sich nicht, das entspricht weder seinem Selbstbild noch seinem Selbstbewusstsein. Was manche Rassismus nennen würden, bezeichnet er – auf sich angewandt – als “Neugierde”. Mit den von ihm gemanagten Bands war er viel im tiefen Osten Deutschlands unterwegs, wo es oft um die rechtsextreme AfD geht. Dort auf seine Hautfarbe angesprochen zu werden, sei für ihn normal: “Ich bin es gewöhnt, mit Leuten umzugehen, die mir mit dieser Neugierde begegnen. Daraus entstehen dann ganz spannende Gespräche. So vielfältig wie die Menschen sind, sind ihre Meinungen, und damit kann ich umgehen.” Gute Voraussetzung für den neuen Amtsträger, der nicht nur für Kultur, sondern auch für gesellschaftlichen Zusammenhalt verantwortlich ist.
Mit seiner Einstellung dürfte er nicht nur die Hauptstadt vor die Frage stellen, ob man auch auf bürgerliche Weise divers sein kann. Mehr als einmal hat er deutlich gemacht, sich nicht auf Rassismusfragen festzulegen, kein “Senator für Wokeness” sein zu wollen. Auf eine gewisse Diskriminierung ist er eingestellt, aber: “Ich weiß die Mehrheitsgesellschaft hinter mir”.
Dass er dem Thema immer wieder begegnen wird, ist Chialo bewusst. “Ich komme aus der Unterhaltungsindustrie und weiß, dass die Bilder in den Köpfen der Menschen sind, wie sie sind. Die Unbelehrbaren zu belehren, würde mich aber nur aufhalten“, sagt er.
Ordensschüler und Zerspaner, Hardrocker und Türsteher – manche sagen, für die bunte deutsche Hauptstadt sei der Mann eine Art “natural-born Kultursenator”. Auf keinen Fall eine herkömmliche politische Bastelbiographie, sondern ein kommunikativer, gut vernetzter Unternehmer, fest verankert in der Kulturszene, für die er künftig politisch die Weichen stellt. Kulturpolitik in der Hauptstadt ist oft viel mehr als Ländersache. Den millionenschweren Kulturfonds verwalten zum Beispiel Bund und Land gemeinsam. International viel beachtete Personalien müssen entschieden werden, wie etwa die Nachfolge von Daniel Barenboim an der Staatsoper Unter den Linden.
Der PoC-Kultursenator hat seine Bühne erst betreten. Harald Prokosch