Table.Briefing: Africa

Table.Special: COP28

Liebe Leserin, lieber Leser,

die COP28, die am Donnerstag offiziell in Dubai beginnt, zieht auch in Afrika große politische und mediale Aufmerksamkeit auf sich. Afrika ist ein wichtiger Baustein im globalen Kampf gegen den Klimawandel. Für diese Spezialausgabe des Africa.Table haben uns deshalb Kolleginnen und Kollegen des Climate.Table unterstützt – kurz vor ihrer Abreise nach Dubai.

Der Aufbau einer klimaneutralen Energieversorgung wird auch in Afrika enorme Investitionen erfordern. Bisher beteiligen sich die Entwicklungsfinanziers – von der Weltbank bis zur KfW und der DEG Invest – vorrangig über Darlehen. Wir gehen der Frage nach, wie Afrika es verhindern kann, von der Klimakrise noch tiefer in die Schuldenfalle zu geraten.

Einige afrikanische Länder setzen im Kampf gegen den Klimawandel auf Kohlenstoffabscheidung. Doch der Ansatz ist umstritten. Mein Kollege Arne Schütte beschreibt, warum sich viele Bürger übergangen fühlen. Unsere Korrespondentin in Dakar, Lucia Weiß, stellt uns einen afrikanischen Umweltaktivisten vor.

Diese und weitere Analysen haben wir für Sie zusammengetragen.

Wir wünschen Ihnen eine spannende Vorbereitung auf die COP28.

Ihr
Christian von Hiller
Bild von Christian  von Hiller

Analyse

COP28: Die Schwerpunkte der Konferenz

In Dubai findet in diesem Jahr mit der COP28 die wichtigste UN-Klimakonferenz seit dem Pariser Gipfel von 2015 statt. Erstmals ziehen die etwa 200 Staaten der Rahmenkonvention UNFCCC mit dem “Global Stocktake” (GST) eine offizielle Bilanz ihrer Anstrengungen und legen wichtige Fundamente für künftige Maßnahmen. Zum Treffen vom 30. November bis zum 12. Dezember erwartet der Gastgeber, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), bis zu 70.000 Besucher aus der ganzen Welt. Hier ein Überblick über die wichtigsten Themen.

Was steht auf der Tagesordnung?

Offiziell soll das Global Stocktake (GST) in eine rechtlich bindende Entscheidung der Konferenz münden: Was darin steht und welche Rahmenbedingungen für die Zukunft daraus folgen, wird bis zur letzten Minute hart umkämpft sein. Denn diese Leitplanken sollen sich in den nächsten Klimaplänen der Länder (NDC) wiederfinden, die 2025 vorgelegt werden sollen.

Wie schon in den vergangenen Jahren bietet auch die COP28 jeden Tag thematische Schwerpunkte und ein umfangreiches Programm von “Side-Events“, Foren, Gipfeln und Präsentationen: Besondere Thementage gibt es etwa zu Energie, Technologie, Artenschutz, Jugend oder Indigene. Zum ersten Mal wird auch Gesundheit im Fokus stehen. Erstmals gibt es auch einen eigenen Sondergipfel zu Klimaschutzaktionen von Städten und Gemeinden.

Nicht auf dem offiziellen Programm, aber heiß debattiert werden die geopolitischen Krisen sein: Die Konferenz beginnt mit dem “Climate Action Summit” vieler Staats- und Regierungschefs, die sich am Rande des Treffens auch zur Geopolitik austauschen werden. Der Krieg um Gaza und der russische Angriff auf die Ukraine werden die Atmosphäre ebenso bestimmen wie die Spannungen zwischen den USA und China, die weltweite Inflation und Schuldenkrise und die Alarmsignale der Klimakrise.

Welche Themen werden besonders wichtig?

Zu den zentralen Themen der COP28 liefert Climate.Table jeweils aktuelle Berichte, aber auch Hintergrundtexte, die den Stand der Dinge zusammenfassen:

  • Das Ziel, die globale Kapazität der Erneuerbaren bis 2030 zu verdreifachen und die Energieeffizienz zu verdoppeln: Beiden Themen stehen auf der Agenda der Konferenz und sollen die globale Energiewende voranbringen.
  • Ein Beschluss zum Ausstieg (“Phase out”) oder Verminderung (“Phase down”) aus der Nutzung fossiler Brennstoffe. Das wird eines der strittigsten Themen sein, auch weil es das Gastgeberland VAE direkt in seinem Geschäftsmodell berührt.
  • Auch die Finanzfrage wird für Debatten sorgen: Das Versprechen der 100 Milliarden Dollar Klimahilfen der Industrieländer für den Süden soll mit Verspätung erreicht werden, aber Details und Zukunftsaussichten sind weiter umstritten.
  • Die Struktur des “Loss and Damage”-Fonds, der auf der COP27 beschlossen wurde, ist praktisch fertig. Jetzt geht es darum, wer ihn mit wie viel Kapital auffüllt.
  • Auch der Umbau der weltweiten Finanzarchitektur steht weiter auf der Tagesordnung. Die geplante Reform der Weltbank zu mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit ist nur ein erster Schritt, die Debatte geht weiter.
  • Das Thema Gesundheit im Klimawandel soll breiten Raum einnehmen. Eine Allianz aus Wissenschaft, Staaten und Zivilgesellschaft will dafür werben, die Risiken aus der Klimakrise für alle Bevölkerungen stärker in den Fokus zu nehmen.
  • Der Waldschutz soll ebenfalls prominent vorkommen. Das Ende der Entwaldung ist schon öfter beschlossen, aber nie umgesetzt worden. Denn ohne ein Ende der Waldzerstörung wird es keine Chance auf das 1,5 Grad-Ziel geben. Ob das Thema in Dubai aber ein Teil der offiziellen Entscheidung wird, ist unklar.

Großes Interesse in Afrika an der COP28

Zahlreiche Aktivisten und Politiker haben angekündigt, zur COP28 nach Dubai zu reisen. Hier eine kleine Auswahl:

  • Ineza Umuhoza Grace: Die Öko-Feministin aus Ruanda ist Gründerin der NGO The Green Protector. Sie ist die globale Koordinatorin der Loss and Damage Youth Coalition, die junge Menschen aus dem globalen Süden und Norden zusammenbringt, um Maßnahmen für gefährdete Länder durchzusetzen, die die Hauptlast der Folgen des Klimawandels tragen.
  • William Ruto: Der kenianische Präsident hat mit dem Africa Climate Summit vor wenigen Wochen in Nairobi weltweite Aufmerksamkeit erregt. Dort hatten afrikanische Regierungen die Nairobi Declaration beschlossen, die nun die Grundlage für eine einheitliche, afrikanische Position auf der COP28 bilden soll.
  • Ephraim Mwepya Shitima: Der Sambier ist Vorsitzender der African Group of Negotiators on Climate Change (AGN) und wird deshalb voraussichtlich ebenfalls nach Dubai reisen. Aufgabe dieser Gruppe ist es, eine einheitliche Position zum Klimawandel und zu den Entwicklungsbestrebungen Afrikas zu entwickeln. Nun gilt es, diese in Dubai vorzutragen.
  • Nana Akufo-Addo: Der Präsident von Ghana plant eine Veranstaltung mit anderen Staats- und Regierungschefs, an der auch John Kerry, der Klima-Berater des amerikanischen Präsidenten, teilnehmen soll.
  • König Letsie III und Hamza Abdi Barre: Der König von Lesotho und der Premierminister von Somalia wollen die COP28 nutzen, um in Dubai eine Konferenz abzuhalten. Ihr Anliegen ist, die Finanzierung der Ernährung in die Finanzierung der globalen Klimaziele aufzunehmen.
  • COP28
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Die Kehrseite der erneuerbaren Energien für Afrika

Erneuerbare Energien bringen afrikanische Länder in eine schwierige Situation. Jenseits des positiven Beitrags zu den Klimaeffekten bringen sie zwar einen wichtigen Vorteil: Sie vermindern die Notwendigkeit, wertvolle Devisen für den Import von Benzin, Diesel, Öl und Erdgas auszugeben. Doch diesem Nutzen stehen gravierende Nachteile gegenüber.

Solar- und Windkraftanlagen sind in der Regel kapitalintensiv und binden dadurch wichtige Finanzressourcen, die andernorts fehlen. Gleichzeitig schaffen sie nur wenige Arbeitsplätze. Dabei wäre dies dringend erforderlich. “Das Wachstum in Subsahara-Afrika hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht zur Schaffung von Arbeitsplätzen für mehr Menschen beigetragen”, stellt die Weltbank in der Studie Africa’s Pulse fest.

Für den Bau von Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energie sind die Länder zudem auf ausländische Finanziers angewiesen. Diese unterstützen die Investitionen meist nicht mit Eigenkapital, sondern in Form von Darlehen. Das schafft zusätzliche Schwierigkeiten, da viele Länder in Afrika ohnehin wegen einer hohen Auslandsverschuldung unter Stress stehen. Die mediane Staatsverschuldung hat sich in Subsahara-Afrika laut Weltbank von 29 Prozent im Jahr 2012 auf 57 Prozent im vergangenen Jahr erhöht. Die Auslandsschulden der öffentlichen Hand haben sich in diesem Zeitraum verdoppelt.

Finanzierungen meist in Dollar

Projektfinanzierungen zählen zu den anspruchsvollsten Bereichen im Kreditgewerbe. Denn die Investitionsprojekte bieten meist kaum Sicherheiten. Das einzige, worauf die Banken einen Kredit vergeben können, ist in der Regel der künftige Einnahmestrom, den die Investition erzeugen soll. Im Fall eines Windparks oder eines Solarkraftwerks ist dies der Strom, den diese Anlagen produzieren. Wie viel dieser Strom wert ist, hängt von den Rahmenbedingungen vor Ort ab und von den potenziellen Abnehmern. Komplexer ist es beispielsweise, wenn der Strom nur einem Staatsmonopolisten verkauft werden kann, weil dieser eine hohe Preissetzungsmacht hat.

Internationale Kreditgeber fordern zudem Exporterlöse in harten Devisen. Die meisten Projekte in erneuerbare Energien bringen jedoch keine Dollar ab, da der Absatzmarkt typischerweise regional oder national ist. Da Schwellenländer ohnehin unter einem chronischen Mangel an Devisen leiden, verschärfen Projektfinanzierungen im Bereich der erneuerbaren Energie die Devisenknappheit, ohne Deviseneinnahmen zu generieren.

Dabei ist Afrika darauf angewiesen, dass der Kontinent stärker in seine Infrastruktur investieren kann, um seine Klimaziele zu erreichen. Allein Subsahara-Afrika müsste laut Weltbank jedes Jahr rund 7,1 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts aufwenden, um die Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDG) der Vereinten Nationen zu erreichen. Tatsächlich kommt dieser Teil des Kontinents aber nur auf etwa 3,5 Prozent.

Riesiger Bedarf an Infrastruktur

Den Finanzierungsbedarf für die afrikanische Infrastruktur schätzt die Afrikanische Entwicklungsbank auf 68 bis 108 Milliarden US-Dollar jährlich, sagte Alain Ebobossé, CEO des Africa 50, dem Infrastruktur-Fonds der Afrikanischen Entwicklungsbank, im vergangenen Jahr auf einer Konferenz in Marrakesch.

Weil die staatlichen Institutionen auf der Welt diesen Betrag jedoch nicht stemmen können, ruft die IFC, das kommerzielle Finanzinstitut der Weltbank, nach privatem Kapital. “In den vergangenen Jahren (2015-18) haben die Regierungen von Subsahara-Afrika den Großteil (90 Prozent) der Infrastrukturfinanzierung aus eigenen Mitteln (38 Prozent) oder externen Krediten (53 Prozent) aus Förderkrediten oder kommerziellen Quellen finanziert, so dass nur 10 Prozent auf privatwirtschaftliche Investoren entfielen”, heißt es in einer Studie der IFC.

“Die Finanzierung der Infrastruktur Afrikas ist für viele Länder des Kontinents immer noch eine große Herausforderung”, sagte Mitte November Robert Lisinge, Direktor der Abteilung für Entwicklung und Finanzen des Privatsektors bei der UN-Wirtschaftskommission für Afrika (ECA). “Um die Infrastrukturlücke zu schließen, sind öffentlich-private Partnerschaften für die Infrastrukturentwicklung in Afrika von entscheidender Bedeutung.”

Privates Kapital soll die Lücke schließen

Vertreter multilateraler oder internationaler Entwicklungsfinanziers fordern privates Kapital mit dem Argument, dass sie selbst mit dem Finanzierungsbedarf überfordert seien. Die Interessen afrikanischer Länder haben sie offenbar weniger im Blick. Institutionen wie IWF, IFC oder auch Entwicklungsfinanziers aus Europa wie die KfW, DEG Invest, Proparco oder die Europäische Investitionsbank reichen in erster Linie Darlehen aus, die die ohnehin angespannte Schuldensituation in Afrika verschlimmern.

Deshalb genügt es nicht, wenn die öffentliche Hand nach privaten Investoren ruft, um die Eigenkapitallücke in öffentlichen Infrastrukturprojekten zu schließen. Die staatlichen Finanziers müssen selbst einen Beitrag dazu leisten, Afrika durch die Bereitstellung von Eigenkapital für Klimafinanzierungen nicht noch tiefer in die Schuldenfalle zu treiben. Immerhin gibt es Ansätze dafür. Die DEG Invest beispielsweise vergibt Eigenkapital für afrikanische Investitionen gerne, indem sie es über privatwirtschaftliche Private-Equity-Fonds investiert. Das ist ein Anfang. Um glaubwürdig zu bleiben, müssen die staatlichen und multilateralen Förderbanken Eigenkapital einsetzen und sich über Direktbeteiligungen für den Aufbau der afrikanischen Infrastruktur engagieren.

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CCS – Klimarettung oder Greenwashing?

In vielen afrikanischen Ländern zählt die Kohlenstoffabscheidung (Carbon Capture and Storage, CCS) zu den verfolgten Ansätzen im Kampf gegen den Klimawandel. Einige Staaten schlossen sich 2022 bei der COP27 zu einer afrikanischen Kohlenstoffmarkt-Initiative zusammen und formulierten die Hoffnung, damit 120 Milliarden US-Dollar bis zum Jahr 2050 erlösen zu können. Die Länder wollen den Klimaschutz fördern, indem sie ihre Einnahmen durch den Verkauf von Kohlenstoffzertifikaten an multinationale Konzerne erhöhen. Laut einem gemeinsamen Bericht des Ölkonzerns Shell und der Boston Consulting Group wird der Markt für freiwilligen Kohlenstoffausgleich bis 2030 um mindestens das Fünffache auf einen Wert von 10-40 Milliarden Dollar anwachsen.

Der Ansatz steht jedoch in der Kritik. Zum einen bezweifeln Klimawissenschaftler die Wirksamkeit von CCS im Kampf gegen den Klimawandel. Außerdem sind für die Kohlenstoffsenken große Landflächen nötig, von denen Anwohner umgesiedelt werden müssen. In einigen afrikanischen Ländern regt sich unter den Betroffenen Unmut. Sie fühlen sich übergangen und unzureichend entschädigt.

CCS-Pionier Kenia

Kenia gehört mit einem Marktanteil von 25 Prozent in Afrika zu den Vorreitern bei der Kohlenstoffabscheidung. Beim Afrikanischen Klimagipfel in Nairobi im September hatte Präsident Ruto verkündet, sein Land werde auf Kohlenstoffzertifikate setzen. Kenia ist dafür ein besonders günstiger Standort, denn das Land hat beste Bedingungen für die Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen. Kohlenstoff technisch in den Boden abzuscheiden, erfordert Energie und macht also nur Sinn, wenn diese aus erneuerbaren Quellen kommt. Außerdem liegt das Land am Ostafrikanischen Grabenbruch, der sich über Tausende von Kilometern vom Roten Meer bis nach Mosambik erstreckt. In dieser geologischen Region eignen sich die Böden besonders gut für die Speicherung von Kohlenstoff in mineralisierter Form.

Erst im Oktober hat der schweizerische CCS-Konzern Climeworks angekündigt, gemeinsam mit Great Carbon Valley Industrieparks für Kohlenstoffabscheidung aus der Luft (Direct Air Capture, DAC) in Kenia einzurichten. Der österreichische Unternehmer Martin Freimüller leitet mit seinem Unternehmen Octavia Carbon das weltweit zweitgrößte Pilotprojekt für DAC-Technologie in Kenia.

Ärger um Landnutzung

Kontroversen gibt es hingegen um das Dubaier Unternehmen Blue Carbon, das im Oktober mit dem kenianischen Umweltministerium eine Vereinbarung über Millionen von Hektar Projektfläche getroffen hat. Berichten der BBC zufolge vertreibt die kenianische Regierung Hunderte Angehörige der Ogiek – einer Volksgruppe, die in Westkenia und Tansania lebt – aus ihrem angestammten Siedlungsgebiet im größten Wald Kenias, dem Mau-Wald. Die Anwälte der Ogiek werfen der Regierung vor, rechtswidrige Räumungen durchzuführen um ihre Kontrolle über einen zunehmend lukrativen Vermögenswert zu festigen.

Blue Carbon ist erst im vergangenen Jahr gegründet worden und wird von einem Mitglied des Königshauses der Vereinigten Arabischen Emirate geführt. Neben Kenia hat das Unternehmen in Afrika bereits Absichtserklärungen über 1,1 Millionen Hektar in Liberia sowie je sieben Millionen Hektar mit Sambia und Tansania getroffen. Eine Vereinbarung mit Simbabwe umfasst knapp acht Millionen Hektar – das entspricht fast einem Fünftel der Landesfläche. Der Zeitpunkt der emiratischen CCS-Offensive dürfte kein Zufall sein: Vor der COP28, die in Dubai, dem Firmensitz von Blue Carbon, stattfindet, will der Golfstaat sich – der fortwährenden Ausbeutung seiner Öl- und Gasreserven zum Trotz – als Klimaretter stilisieren.

Kaum Vorteile für die lokale Bevölkerung

In Simbabwe werden CCS und Blue Carbon eher kritisch gesehen. Das Land ist mit 30 aktiven CCS-Projekten bereits die drittgrößte Quelle von Kohlenstoffzertifikaten in Afrika und die zwölftgrößte weltweit. Trotz dieser Initiativen hat sich die simbabwische Waldfläche in alarmierendem Tempo verringert. In Reaktion auf Medienberichte, nach denen die Erlöse aus einem großen CCS-Projekt in Simbabwe offenbar nicht der lokalen Bevölkerung zugutekamen, hatte die Regierung im Mai bestehende CCS-Vereinbarungen für ungültig erklärt und für die Zukunft mindestens 50 Prozent der Einnahmen gefordert.

Mit Blue Carbon hat sich die Regierung nun auf einen Anteil von 30 Prozent geeinigt. “Warum gehen 70 Prozent unseres Besitzes an einen Investor und nicht an die Gemeinschaft, die sich jahrelang um den Schutz des Waldes bemüht hat?”, fragt Sydney Chisi, Geschäftsführer der simbabwischen Klima-NGO Reyna Trust. Es sei immer noch unklar, “ob die Kohlenstoffgutschriften den Gemeinden zugutekommen oder nicht”.

Uneinigkeit über Kohlenstoffmarkt

Auch in Liberia wird Blue Carbon für die ersten zehn Jahre 70 Prozent der CCS-Erlöse einstreichen. Zudem beklagt die Bevölkerung, die Regierung habe ein Zehntel des Landes verpachtet, ohne die Anwohner mit einzubeziehen. Was genau Blue Carbon dafür leistet, ist offen; der Vertragsentwurf bleibt vage.

Tansanias Präsidentin Samia Suluhu Hassan hat die Staatsoberhäupter der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) aufgefordert, bei der COP28 eine gemeinsame Position gegen die Dominanz ausländischer Unternehmen im Emissionshandel in der Region einzunehmen.

Schon das Kyoto-Protokoll von 1997 ermöglichte den Ausgleich von CO2-Emissionen durch Naturschutzprojekte anderswo auf der Welt. Auch im Klimaabkommen von Paris ist ein solcher Mechanismus vorgesehen, der allerdings noch nicht ausformuliert ist. Dass sich die Teilnehmer der COP28 in Dubai auf Regeln für einen Kohlenstoffmarkt einigen, gilt derzeit als unwahrscheinlich.

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News

Debatte über globale Klimasteuer in Dubai

Kohlekraftwerk Hassyan in Dubai: chinesisches Geld, chinesisches Bautempo und chinesische Ziele - China versucht in den VAE Fuß zu fassen.

Kenia und Frankreich haben angekündigt, beim Klimagipfel in Dubai die Debatte über internationale Klimasteuern voranzutreiben. Die Präsidenten der beiden Länder, William Ruto und Emmanuel Macron, planen dazu die Gründung einer “Taskforce”, die innerhalb von zwei Jahren konkrete Vorschläge erarbeiten soll. Wie Climatechangenews.com berichtete, hoffen die Staatschefs, eine Koalition aus Europa und dem globalen Süden in der Taskforce zu versammeln.

Die Debatte über globale Klimasteuern und Abgaben wird seit dem von Macron anberaumten Finanz-Gipfeltreffen in Paris im Juni lebhafter. Der von Ruto im September in der kenianischen Hauptstadt Nairobi ausgerichtete Afrikanische Klimagipfel etwa endete mit der Forderung nach einem globalen System zur Besteuerung von Kohlenstoff, “um zweckgebundene, erschwingliche und zugängliche Finanzmittel für klimaschonende Investitionen in großem Umfang bereitzustellen”.

Auch internationale Organisationen befassen sich mit dem Thema. Ngozi Okonjo-Iweala, Generaldirektorin der Welthandelsorganisation (WTO), kündigte im Oktober eine eigene Taskforce an, die konsensfähige Vorschläge für “eine Methode für einen globalen Kohlenstoffpreis” entwickeln soll. Der Internationale Währungsfonds (IWF) wiederum argumentierte in seinem jüngsten “Fiscal Monitor”, dass CO2-Steuern ein “integraler” Bestandteil aller nationalen Klimapakete sein müssten.

Die UN-Organisation für Handel und Entwicklung (UNCTAD) hatte kürzlich in einer Studie aufgezeigt, welche Summen durch globale Steuern für den Loss and Damage Fund (LDF) zusammenkommen könnten:

  • CO₂-Abgabe auf Schiffstreibstoffe: 60 bis 80 Milliarden US-Dollar bis 2030
  • Steuer auf die Produktion fossiler Brennstoffe: 150 Milliarden bei einem Preis von sechs US-Dollar pro Tonne
  • Abgabe für Flugpassagiere: 17 Milliarden US-Dollar jährlich bei 2-Prozent-Aufschlag des Ticketpreises
  • Abschöpfen von “Zufallsgewinnen” der Öl-, Gas- und Kohleindustrie: 300 Milliarden US-Dollar jährlich bei Gewinnbesteuerung von zehn Prozent av/nib
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Standpunkt

Industrieländer sollten Handels- und Klimapolitik besser verzahnen

Von Anja Berretta
Anja Berretta, Leiterin des Regionalprogramms Energiesicherheit und Klimawandel Subsahara-Afrika
Anja Berretta, Leiterin des Regionalprogramms Energiesicherheit und Klimawandel Subsahara-Afrika

Vereint handeln und Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen – so lässt sich das diesjährige Motto der UN-Klimakonferenz (COP), “Unite.Act.Deliver” übersetzen. Die Prioritäten der Länder Subsahara-Afrikas werden bei den Verhandlungen von zwei Aspekten bestimmt: Zum einen zählt Afrika zu den Regionen der Welt, die am stärksten unter den Folgen des Klimawandels leiden, zum anderen ist es globaler Konsens, dass Afrika für die globale Erderwärmung fast keine Verantwortung trägt. Für den Kontinent hat die Frage der finanziellen Unterstützung also oberste Priorität.

Wichtigstes Thema bei der diesjährigen Konferenz werden die Ergebnisse der ersten globalen Bestandsaufnahme, dem sogenannten Global Stocktake (GST), der weltweit ergriffenen Klimaschutzmaßnahmen sein. Die Bestandsaufnahme soll bisherige Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens identifizieren. Auch Ursachen für Misserfolge sollen offen und ehrlich dargelegt werden. Im Idealfall könnte der GST Hinweise für konkrete und umsetzbare Handlungen für künftige Klimaschutzmaßnahmen liefern.

Afrikanische Vertreter haben jedoch bereits ihre Unzufriedenheit darüber zum Ausdruck gebracht, dass Ergebnisse der Bestandsaufnahme bei den vorbereitenden Verhandlungen zur COP nicht angemessen berücksichtigt wurden. Der Text, welcher bei der Konferenz von allen Ländern im Konsensverfahren verabschiedet werden muss, berücksichtige weder die besondere Situation Afrikas, noch gebe es ein Eingeständnis der Weltgemeinschaft, dass die bisherigen Defizite bei der Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens direkt auf fehlende finanzielle Mittel zurückzuführen seien.

Geld alleine wird nicht reichen

Allerdings wird immer deutlicher, dass die Anpassung an den Klimawandel und der Umbau hin zu einer emissionsarmen, bestenfalls klimaneutralen Wirtschaft auf dem Kontinent mit Geld alleine nicht zu erreichen sein wird. Laut Schätzungen der OECD haben die Industrieländer ihre Zusagen für die internationale Klimahilfe 2023 erfüllt. Jedoch ist es schwer zu beziffern, wie viel Geld tatsächlich auf dem afrikanischen Kontinent für die Erreichung der Klimaschutzziele benötigt wird. So geht beispielsweise die UN-Wirtschaftskommission für Afrika von mehr als einer Trillion US-Dollar aus.

Gleichzeitig nehmen die Möglichkeiten von Entwicklungs- und Schwellenländern in Subsahara-Afrika aufgrund der Verschuldung ab, in eine nachhaltige Entwicklung zu investieren. Denn Klimafinanzierungen werden größtenteils als Darlehen oder günstige Kredite ausgezahlt, nicht aber als Zuschüsse. Eine Reform der internationalen Klimafinanzierung ist daher überfällig. Allerdings fehlt es bisher an Ideen, welche sowohl für Industrie- als auch Entwicklungs- und Schwellenländer akzeptabel sind. Effizienz und Effektivität von finanzieller und technischer Unterstützung müssen verbessert werden, und die afrikanischen Länder können hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten.

Was aber ist zu tun, wenn die Folgen des Klimawandels so weit fortgeschritten sind, dass sich Menschen an die geänderten Lebensbedingungen nicht mehr anpassen können, oder aber die dafür notwendigen technischen und finanziellen Ressourcen nicht zur Verfügung stehen? Bei der letzten Klimakonferenz 2022 konnten sich die afrikanischen Länder mit der Forderung durchsetzen, einen Fonds für die Entschädigung bei dauerhaften Klimaschäden und -verlusten einzurichten. Allerdings ist die Umsetzung des Fonds aus afrikanischer Sicht bisher enttäuschend.

Schwellenländer mit zunehmendem Einfluss

In einem zähen Prozess konnte vor Beginn der COP28 zwar eine gemeinsame Erklärung verabschiedet werden, allerdings ist der Text so unverbindlich und verwässert, dass er keinerlei Substanz enthält. Es gibt keine konkreten Vorschläge zu angemessenen oder gar verpflichtenden Zahlungen, und im vorläufigen Entwurf heißt es lediglich, dass der Fonds Entwicklungsländern zugutekommen soll, die “besonders anfällig” für den Klimawandel sind – eine Formulierung, die großen Interpretationsspielraum lässt. Gleichzeitig pochten einige Industrieländer hauptsächlich darauf, den Text so unverbindlich zu formulieren, dass er keinesfalls als Zugeständnis einer rechtlichen Haftung für Klimafolgen interpretiert werden kann.

Schlechte Aussichten also für afrikanische Verhandlungserfolge in Dubai? In einer zunehmend unsicheren Welt, in der neben traditionellen Weltmächten zunehmend auch aufstrebende Schwellenländer einen globalen Einfluss ausüben, könnten afrikanische Länder künftig bessere Verhandlungsoptionen in der internationalen Klimadiplomatie erhalten. Beim ersten afrikanischen Klimagipfel in Nairobi im September 2023 zeigten afrikanische Staats- und Regierungschefs ihren Willen, wirtschaftliche Chancen des Klimawandels, beispielsweise im Rahmen des Emissionshandels oder durch die verstärkte Nutzung grüner Technologien, zu ergreifen. Afrikanische Länder verfügen zudem über seltene Mineralien und Metalle, die für die globale Energiewende notwendig sind und deren nachhaltiger Abbau und Weiterverarbeitung vor Ort gleichzeitig dringend benötigte Beschäftigungsmöglichkeiten bieten würde.

Europa und andere Industrieländer sollten daher stärker als bisher Wirtschafts-, Handels- und Klimapolitik verzahnen und würden somit auch Entwicklungsprioritäten afrikanischer Länder berücksichtigen. Dazu gehört jedoch auch, internationale Handelspolitik im Rahmen der UN-Klimakonferenzen stärker als bisher zu berücksichtigen. Eine Forderung, die im Übrigen von afrikanischer Seite ausdrücklich unterstützt wird.

Anja Berretta leitet seit Januar 2019 das Regionalprogramm Energiesicherheit und Klimawandel Subsahara-Afrika mit Sitz in Nairobi. Sie studierte Kultur- und Sozialwissenschaften an den Universitäten Frankfurt/Oder und Marne-la-Vallée (Frankreich) sowie internationale Beziehungen und europäische Studien an den Universitäten La Sapienza (Italien) und Osnabrück.

Heads

Yero Sarr – Umweltschutz in Konkurrenz mit dem alltäglichen Überleben

Yero Sarr vor Ruinen in St. Louis im Norden Senegals. Das Haus wurde vom ansteigenden Meer beschädigt.

Freitags alle raus auf die Straße und für den Klimaschutz marschieren, am besten noch mit Schildern und Transparenten, allen voran die Schülerinnen und Schüler. So einfach ist die Ursprungsidee von Fridays for Future – und die lässt sich schließlich überall umsetzen. Dachte auch der Senegalese Yero Sarr, als er vor gut vier Jahren eine Gruppe in seinem Land mitgründete. Aber so einfach war es dann doch nicht, denn es kamen nicht genug Leute zusammen. “Die Länder in Afrika haben ihre eigene Lebensrealität. Da geht es oft ums alltägliche Überleben: drei Mahlzeiten am Tag zusammenzubekommen, Trinkwasser zu haben und Gesundheitsversorgung”, sagt Sarr im Gespräch mit Table.Media.

Online-Aufklärung über Klimaschutz

Doch der 22-Jährige hat sich nicht entmutigen lassen. Um die 50 Leute zählt der FFF-Ableger im Senegal, sagt Sarr. Aber es gebe viele Unterstützer. Auf Facebook folgen der Gruppe rund 1000 Nutzer, auf Twitter etwas mehr als 2000. Die Demos ganz aufgegeben hat FFF Senegal nicht, und marschierte etwa Anfang November durch die Straßen von Dakar. Online versuchten die Aktivisten dafür umso präsenter zu sein, besonders um Großereignisse wie die Klimakonferenz, die nun wieder stattfinden soll. “Ein guter Teil unserer Arbeit hier besteht darin, die Leute auf dem Laufenden zu halten und aufzuklären.”

Sarr nutzt dafür zum Beispiel täglich die Statusanzeige bei Whatsapp, versorgt seine Kontakte dort in Echtzeit mit Zitaten von Konferenzen wie dem Gipfel für Klimafinanzierung in Paris, mit Bildern und Berichten von seinen Reisen im Senegal oder neuen Nachrichten zum Thema. Zur COP28 fliegt Sarr nicht nach Dubai, wird aber aus der Ferne die Ergebnisse verfolgen. “Es muss an die Ursache des Problems gehen, wir müssen dringend die CO2-Emissionen insgesamt senken.”

Klimawandel im Alltag

“Die Menschen hier erzählen vom Klimawandel, der ihr Leben tagtäglich schwieriger macht. Davon, dass die Ernten zurückgegangen sind, davon, dass der Strand früher 200 Meter breit war und jetzt um einiges schmaler, von weniger Regen und wie schwierig es deswegen geworden ist, ihre Herden zu weiden”, schildert Sarr. Aber es fehle am Verständnis dafür, dass es sich um menschengemachte Probleme handele.

Eine Rolle dabei spielt die Religion, wie Sarr beobachtet hat. Im Senegal sind mehr als 90 Prozent der Bevölkerung muslimisch. Eine sensible Angelegenheit sei das. “Da geht es dann um den göttlichen Willen, der alles bestimmt. Ich sage dann, ja, ich bin auch Muslim, wie ihr. Aber Gott hat uns diese Erde vollkommen übergeben, und es sind unsere eigenen Handlungen, die den Planeten verändert haben.” Folglich könnten auch die Menschen etwas verbessern, wenn sie sich anders verhalten.

Begeisterter Naturwissenschaftler

Geboren wurde Sarr 2001 in der Elfenbeinküste, in der Hauptstadt Yamoussoukro. Seine Eltern stammen aus dem Norden des Senegals und waren wegen der Arbeit dorthin gezogen. Als Teenager schickten sie ihren Sohn zurück in den Senegal, um seine Schulbildung sicherzustellen. Denn in der Elfenbeinküste flammte der Bürgerkrieg rund um die Präsidentschaftswahlen von 2010 wieder auf. Die Zukunft sah düster aus.

Sarr begeisterte sich für Naturwissenschaften und machte einen Bachelor in Physik-Chemie-Umweltwissenschaften an der Universität in Dakar. Einen Master dranzuhängen ist sein Traum. Aber im Zuge der politischen Unruhen im Senegal ist die Universität in Dakar immer unzuverlässiger geworden. So beginnt das Studienjahr gewöhnlich im September. Doch dieses Jahr hat es auch Ende November noch nicht angefangen. Deshalb setzt Sarr auf Plan B: einen Master in Projektmanagement an einer privaten Hochschule in Dakar abzuschließen. Und wenn mehr Ersparnisse da sind, soll es vielleicht mal ins Ausland gehen, um Naturwissenschaften weiter zu studieren.

Vom Aktivismus in die Politik

Doch Sarr will dem Senegal nicht dauerhaft den Rücken kehren, sondern sich noch anders engagieren. Sein Projekt: den Klimaschutz in die Politik tragen. “Der Klimawandel wird hier immer nur dann herangezogen, wenn was passiert. Eine Überschwemmung zum Beispiel.” Im Senegal gebe es keine konsequente Klimaschutzpolitik, kritisiert Sarr. Es sei etwa nicht transparent, wo Finanzmittel für den Klimaschutz tatsächlich hinflössen. Auch die Förderung von Erdgas als Übergangstechnologie zu grüner Energie überzeugt Sarr nicht. Der Senegal, der demnächst Gas vor seiner Küste fördern und exportieren will, habe die eigene Bevölkerung nicht genug im Blick.

Sarrs Antwort: Er versucht, eine junge grüne Partei auf den Weg zu bringen für die Parlamentswahlen 2027. Den Ausschlag, vom Aktivismus in Richtung Politik zu gehen, gab ein Besuch in Matam, im Norden des Landes. Sarr wollte sehen, wie es um die Grüne Mauer steht, das Hoffnungsprojekt für präventiven Klimaschutz in Afrika. “Das Projekt ist quasi nicht existent. Die Bäume waren vertrocknet, ab und an wurden ein, zwei Bäumchen von irgendwem gespendet.” Lucia Weiß

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Africa.Table Redaktion

AFRICA.TABLE REDAKTION

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    die COP28, die am Donnerstag offiziell in Dubai beginnt, zieht auch in Afrika große politische und mediale Aufmerksamkeit auf sich. Afrika ist ein wichtiger Baustein im globalen Kampf gegen den Klimawandel. Für diese Spezialausgabe des Africa.Table haben uns deshalb Kolleginnen und Kollegen des Climate.Table unterstützt – kurz vor ihrer Abreise nach Dubai.

    Der Aufbau einer klimaneutralen Energieversorgung wird auch in Afrika enorme Investitionen erfordern. Bisher beteiligen sich die Entwicklungsfinanziers – von der Weltbank bis zur KfW und der DEG Invest – vorrangig über Darlehen. Wir gehen der Frage nach, wie Afrika es verhindern kann, von der Klimakrise noch tiefer in die Schuldenfalle zu geraten.

    Einige afrikanische Länder setzen im Kampf gegen den Klimawandel auf Kohlenstoffabscheidung. Doch der Ansatz ist umstritten. Mein Kollege Arne Schütte beschreibt, warum sich viele Bürger übergangen fühlen. Unsere Korrespondentin in Dakar, Lucia Weiß, stellt uns einen afrikanischen Umweltaktivisten vor.

    Diese und weitere Analysen haben wir für Sie zusammengetragen.

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    Ihr
    Christian von Hiller
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    COP28: Die Schwerpunkte der Konferenz

    In Dubai findet in diesem Jahr mit der COP28 die wichtigste UN-Klimakonferenz seit dem Pariser Gipfel von 2015 statt. Erstmals ziehen die etwa 200 Staaten der Rahmenkonvention UNFCCC mit dem “Global Stocktake” (GST) eine offizielle Bilanz ihrer Anstrengungen und legen wichtige Fundamente für künftige Maßnahmen. Zum Treffen vom 30. November bis zum 12. Dezember erwartet der Gastgeber, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), bis zu 70.000 Besucher aus der ganzen Welt. Hier ein Überblick über die wichtigsten Themen.

    Was steht auf der Tagesordnung?

    Offiziell soll das Global Stocktake (GST) in eine rechtlich bindende Entscheidung der Konferenz münden: Was darin steht und welche Rahmenbedingungen für die Zukunft daraus folgen, wird bis zur letzten Minute hart umkämpft sein. Denn diese Leitplanken sollen sich in den nächsten Klimaplänen der Länder (NDC) wiederfinden, die 2025 vorgelegt werden sollen.

    Wie schon in den vergangenen Jahren bietet auch die COP28 jeden Tag thematische Schwerpunkte und ein umfangreiches Programm von “Side-Events“, Foren, Gipfeln und Präsentationen: Besondere Thementage gibt es etwa zu Energie, Technologie, Artenschutz, Jugend oder Indigene. Zum ersten Mal wird auch Gesundheit im Fokus stehen. Erstmals gibt es auch einen eigenen Sondergipfel zu Klimaschutzaktionen von Städten und Gemeinden.

    Nicht auf dem offiziellen Programm, aber heiß debattiert werden die geopolitischen Krisen sein: Die Konferenz beginnt mit dem “Climate Action Summit” vieler Staats- und Regierungschefs, die sich am Rande des Treffens auch zur Geopolitik austauschen werden. Der Krieg um Gaza und der russische Angriff auf die Ukraine werden die Atmosphäre ebenso bestimmen wie die Spannungen zwischen den USA und China, die weltweite Inflation und Schuldenkrise und die Alarmsignale der Klimakrise.

    Welche Themen werden besonders wichtig?

    Zu den zentralen Themen der COP28 liefert Climate.Table jeweils aktuelle Berichte, aber auch Hintergrundtexte, die den Stand der Dinge zusammenfassen:

    • Das Ziel, die globale Kapazität der Erneuerbaren bis 2030 zu verdreifachen und die Energieeffizienz zu verdoppeln: Beiden Themen stehen auf der Agenda der Konferenz und sollen die globale Energiewende voranbringen.
    • Ein Beschluss zum Ausstieg (“Phase out”) oder Verminderung (“Phase down”) aus der Nutzung fossiler Brennstoffe. Das wird eines der strittigsten Themen sein, auch weil es das Gastgeberland VAE direkt in seinem Geschäftsmodell berührt.
    • Auch die Finanzfrage wird für Debatten sorgen: Das Versprechen der 100 Milliarden Dollar Klimahilfen der Industrieländer für den Süden soll mit Verspätung erreicht werden, aber Details und Zukunftsaussichten sind weiter umstritten.
    • Die Struktur des “Loss and Damage”-Fonds, der auf der COP27 beschlossen wurde, ist praktisch fertig. Jetzt geht es darum, wer ihn mit wie viel Kapital auffüllt.
    • Auch der Umbau der weltweiten Finanzarchitektur steht weiter auf der Tagesordnung. Die geplante Reform der Weltbank zu mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit ist nur ein erster Schritt, die Debatte geht weiter.
    • Das Thema Gesundheit im Klimawandel soll breiten Raum einnehmen. Eine Allianz aus Wissenschaft, Staaten und Zivilgesellschaft will dafür werben, die Risiken aus der Klimakrise für alle Bevölkerungen stärker in den Fokus zu nehmen.
    • Der Waldschutz soll ebenfalls prominent vorkommen. Das Ende der Entwaldung ist schon öfter beschlossen, aber nie umgesetzt worden. Denn ohne ein Ende der Waldzerstörung wird es keine Chance auf das 1,5 Grad-Ziel geben. Ob das Thema in Dubai aber ein Teil der offiziellen Entscheidung wird, ist unklar.

    Großes Interesse in Afrika an der COP28

    Zahlreiche Aktivisten und Politiker haben angekündigt, zur COP28 nach Dubai zu reisen. Hier eine kleine Auswahl:

    • Ineza Umuhoza Grace: Die Öko-Feministin aus Ruanda ist Gründerin der NGO The Green Protector. Sie ist die globale Koordinatorin der Loss and Damage Youth Coalition, die junge Menschen aus dem globalen Süden und Norden zusammenbringt, um Maßnahmen für gefährdete Länder durchzusetzen, die die Hauptlast der Folgen des Klimawandels tragen.
    • William Ruto: Der kenianische Präsident hat mit dem Africa Climate Summit vor wenigen Wochen in Nairobi weltweite Aufmerksamkeit erregt. Dort hatten afrikanische Regierungen die Nairobi Declaration beschlossen, die nun die Grundlage für eine einheitliche, afrikanische Position auf der COP28 bilden soll.
    • Ephraim Mwepya Shitima: Der Sambier ist Vorsitzender der African Group of Negotiators on Climate Change (AGN) und wird deshalb voraussichtlich ebenfalls nach Dubai reisen. Aufgabe dieser Gruppe ist es, eine einheitliche Position zum Klimawandel und zu den Entwicklungsbestrebungen Afrikas zu entwickeln. Nun gilt es, diese in Dubai vorzutragen.
    • Nana Akufo-Addo: Der Präsident von Ghana plant eine Veranstaltung mit anderen Staats- und Regierungschefs, an der auch John Kerry, der Klima-Berater des amerikanischen Präsidenten, teilnehmen soll.
    • König Letsie III und Hamza Abdi Barre: Der König von Lesotho und der Premierminister von Somalia wollen die COP28 nutzen, um in Dubai eine Konferenz abzuhalten. Ihr Anliegen ist, die Finanzierung der Ernährung in die Finanzierung der globalen Klimaziele aufzunehmen.
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    Die Kehrseite der erneuerbaren Energien für Afrika

    Erneuerbare Energien bringen afrikanische Länder in eine schwierige Situation. Jenseits des positiven Beitrags zu den Klimaeffekten bringen sie zwar einen wichtigen Vorteil: Sie vermindern die Notwendigkeit, wertvolle Devisen für den Import von Benzin, Diesel, Öl und Erdgas auszugeben. Doch diesem Nutzen stehen gravierende Nachteile gegenüber.

    Solar- und Windkraftanlagen sind in der Regel kapitalintensiv und binden dadurch wichtige Finanzressourcen, die andernorts fehlen. Gleichzeitig schaffen sie nur wenige Arbeitsplätze. Dabei wäre dies dringend erforderlich. “Das Wachstum in Subsahara-Afrika hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht zur Schaffung von Arbeitsplätzen für mehr Menschen beigetragen”, stellt die Weltbank in der Studie Africa’s Pulse fest.

    Für den Bau von Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energie sind die Länder zudem auf ausländische Finanziers angewiesen. Diese unterstützen die Investitionen meist nicht mit Eigenkapital, sondern in Form von Darlehen. Das schafft zusätzliche Schwierigkeiten, da viele Länder in Afrika ohnehin wegen einer hohen Auslandsverschuldung unter Stress stehen. Die mediane Staatsverschuldung hat sich in Subsahara-Afrika laut Weltbank von 29 Prozent im Jahr 2012 auf 57 Prozent im vergangenen Jahr erhöht. Die Auslandsschulden der öffentlichen Hand haben sich in diesem Zeitraum verdoppelt.

    Finanzierungen meist in Dollar

    Projektfinanzierungen zählen zu den anspruchsvollsten Bereichen im Kreditgewerbe. Denn die Investitionsprojekte bieten meist kaum Sicherheiten. Das einzige, worauf die Banken einen Kredit vergeben können, ist in der Regel der künftige Einnahmestrom, den die Investition erzeugen soll. Im Fall eines Windparks oder eines Solarkraftwerks ist dies der Strom, den diese Anlagen produzieren. Wie viel dieser Strom wert ist, hängt von den Rahmenbedingungen vor Ort ab und von den potenziellen Abnehmern. Komplexer ist es beispielsweise, wenn der Strom nur einem Staatsmonopolisten verkauft werden kann, weil dieser eine hohe Preissetzungsmacht hat.

    Internationale Kreditgeber fordern zudem Exporterlöse in harten Devisen. Die meisten Projekte in erneuerbare Energien bringen jedoch keine Dollar ab, da der Absatzmarkt typischerweise regional oder national ist. Da Schwellenländer ohnehin unter einem chronischen Mangel an Devisen leiden, verschärfen Projektfinanzierungen im Bereich der erneuerbaren Energie die Devisenknappheit, ohne Deviseneinnahmen zu generieren.

    Dabei ist Afrika darauf angewiesen, dass der Kontinent stärker in seine Infrastruktur investieren kann, um seine Klimaziele zu erreichen. Allein Subsahara-Afrika müsste laut Weltbank jedes Jahr rund 7,1 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts aufwenden, um die Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDG) der Vereinten Nationen zu erreichen. Tatsächlich kommt dieser Teil des Kontinents aber nur auf etwa 3,5 Prozent.

    Riesiger Bedarf an Infrastruktur

    Den Finanzierungsbedarf für die afrikanische Infrastruktur schätzt die Afrikanische Entwicklungsbank auf 68 bis 108 Milliarden US-Dollar jährlich, sagte Alain Ebobossé, CEO des Africa 50, dem Infrastruktur-Fonds der Afrikanischen Entwicklungsbank, im vergangenen Jahr auf einer Konferenz in Marrakesch.

    Weil die staatlichen Institutionen auf der Welt diesen Betrag jedoch nicht stemmen können, ruft die IFC, das kommerzielle Finanzinstitut der Weltbank, nach privatem Kapital. “In den vergangenen Jahren (2015-18) haben die Regierungen von Subsahara-Afrika den Großteil (90 Prozent) der Infrastrukturfinanzierung aus eigenen Mitteln (38 Prozent) oder externen Krediten (53 Prozent) aus Förderkrediten oder kommerziellen Quellen finanziert, so dass nur 10 Prozent auf privatwirtschaftliche Investoren entfielen”, heißt es in einer Studie der IFC.

    “Die Finanzierung der Infrastruktur Afrikas ist für viele Länder des Kontinents immer noch eine große Herausforderung”, sagte Mitte November Robert Lisinge, Direktor der Abteilung für Entwicklung und Finanzen des Privatsektors bei der UN-Wirtschaftskommission für Afrika (ECA). “Um die Infrastrukturlücke zu schließen, sind öffentlich-private Partnerschaften für die Infrastrukturentwicklung in Afrika von entscheidender Bedeutung.”

    Privates Kapital soll die Lücke schließen

    Vertreter multilateraler oder internationaler Entwicklungsfinanziers fordern privates Kapital mit dem Argument, dass sie selbst mit dem Finanzierungsbedarf überfordert seien. Die Interessen afrikanischer Länder haben sie offenbar weniger im Blick. Institutionen wie IWF, IFC oder auch Entwicklungsfinanziers aus Europa wie die KfW, DEG Invest, Proparco oder die Europäische Investitionsbank reichen in erster Linie Darlehen aus, die die ohnehin angespannte Schuldensituation in Afrika verschlimmern.

    Deshalb genügt es nicht, wenn die öffentliche Hand nach privaten Investoren ruft, um die Eigenkapitallücke in öffentlichen Infrastrukturprojekten zu schließen. Die staatlichen Finanziers müssen selbst einen Beitrag dazu leisten, Afrika durch die Bereitstellung von Eigenkapital für Klimafinanzierungen nicht noch tiefer in die Schuldenfalle zu treiben. Immerhin gibt es Ansätze dafür. Die DEG Invest beispielsweise vergibt Eigenkapital für afrikanische Investitionen gerne, indem sie es über privatwirtschaftliche Private-Equity-Fonds investiert. Das ist ein Anfang. Um glaubwürdig zu bleiben, müssen die staatlichen und multilateralen Förderbanken Eigenkapital einsetzen und sich über Direktbeteiligungen für den Aufbau der afrikanischen Infrastruktur engagieren.

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    CCS – Klimarettung oder Greenwashing?

    In vielen afrikanischen Ländern zählt die Kohlenstoffabscheidung (Carbon Capture and Storage, CCS) zu den verfolgten Ansätzen im Kampf gegen den Klimawandel. Einige Staaten schlossen sich 2022 bei der COP27 zu einer afrikanischen Kohlenstoffmarkt-Initiative zusammen und formulierten die Hoffnung, damit 120 Milliarden US-Dollar bis zum Jahr 2050 erlösen zu können. Die Länder wollen den Klimaschutz fördern, indem sie ihre Einnahmen durch den Verkauf von Kohlenstoffzertifikaten an multinationale Konzerne erhöhen. Laut einem gemeinsamen Bericht des Ölkonzerns Shell und der Boston Consulting Group wird der Markt für freiwilligen Kohlenstoffausgleich bis 2030 um mindestens das Fünffache auf einen Wert von 10-40 Milliarden Dollar anwachsen.

    Der Ansatz steht jedoch in der Kritik. Zum einen bezweifeln Klimawissenschaftler die Wirksamkeit von CCS im Kampf gegen den Klimawandel. Außerdem sind für die Kohlenstoffsenken große Landflächen nötig, von denen Anwohner umgesiedelt werden müssen. In einigen afrikanischen Ländern regt sich unter den Betroffenen Unmut. Sie fühlen sich übergangen und unzureichend entschädigt.

    CCS-Pionier Kenia

    Kenia gehört mit einem Marktanteil von 25 Prozent in Afrika zu den Vorreitern bei der Kohlenstoffabscheidung. Beim Afrikanischen Klimagipfel in Nairobi im September hatte Präsident Ruto verkündet, sein Land werde auf Kohlenstoffzertifikate setzen. Kenia ist dafür ein besonders günstiger Standort, denn das Land hat beste Bedingungen für die Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen. Kohlenstoff technisch in den Boden abzuscheiden, erfordert Energie und macht also nur Sinn, wenn diese aus erneuerbaren Quellen kommt. Außerdem liegt das Land am Ostafrikanischen Grabenbruch, der sich über Tausende von Kilometern vom Roten Meer bis nach Mosambik erstreckt. In dieser geologischen Region eignen sich die Böden besonders gut für die Speicherung von Kohlenstoff in mineralisierter Form.

    Erst im Oktober hat der schweizerische CCS-Konzern Climeworks angekündigt, gemeinsam mit Great Carbon Valley Industrieparks für Kohlenstoffabscheidung aus der Luft (Direct Air Capture, DAC) in Kenia einzurichten. Der österreichische Unternehmer Martin Freimüller leitet mit seinem Unternehmen Octavia Carbon das weltweit zweitgrößte Pilotprojekt für DAC-Technologie in Kenia.

    Ärger um Landnutzung

    Kontroversen gibt es hingegen um das Dubaier Unternehmen Blue Carbon, das im Oktober mit dem kenianischen Umweltministerium eine Vereinbarung über Millionen von Hektar Projektfläche getroffen hat. Berichten der BBC zufolge vertreibt die kenianische Regierung Hunderte Angehörige der Ogiek – einer Volksgruppe, die in Westkenia und Tansania lebt – aus ihrem angestammten Siedlungsgebiet im größten Wald Kenias, dem Mau-Wald. Die Anwälte der Ogiek werfen der Regierung vor, rechtswidrige Räumungen durchzuführen um ihre Kontrolle über einen zunehmend lukrativen Vermögenswert zu festigen.

    Blue Carbon ist erst im vergangenen Jahr gegründet worden und wird von einem Mitglied des Königshauses der Vereinigten Arabischen Emirate geführt. Neben Kenia hat das Unternehmen in Afrika bereits Absichtserklärungen über 1,1 Millionen Hektar in Liberia sowie je sieben Millionen Hektar mit Sambia und Tansania getroffen. Eine Vereinbarung mit Simbabwe umfasst knapp acht Millionen Hektar – das entspricht fast einem Fünftel der Landesfläche. Der Zeitpunkt der emiratischen CCS-Offensive dürfte kein Zufall sein: Vor der COP28, die in Dubai, dem Firmensitz von Blue Carbon, stattfindet, will der Golfstaat sich – der fortwährenden Ausbeutung seiner Öl- und Gasreserven zum Trotz – als Klimaretter stilisieren.

    Kaum Vorteile für die lokale Bevölkerung

    In Simbabwe werden CCS und Blue Carbon eher kritisch gesehen. Das Land ist mit 30 aktiven CCS-Projekten bereits die drittgrößte Quelle von Kohlenstoffzertifikaten in Afrika und die zwölftgrößte weltweit. Trotz dieser Initiativen hat sich die simbabwische Waldfläche in alarmierendem Tempo verringert. In Reaktion auf Medienberichte, nach denen die Erlöse aus einem großen CCS-Projekt in Simbabwe offenbar nicht der lokalen Bevölkerung zugutekamen, hatte die Regierung im Mai bestehende CCS-Vereinbarungen für ungültig erklärt und für die Zukunft mindestens 50 Prozent der Einnahmen gefordert.

    Mit Blue Carbon hat sich die Regierung nun auf einen Anteil von 30 Prozent geeinigt. “Warum gehen 70 Prozent unseres Besitzes an einen Investor und nicht an die Gemeinschaft, die sich jahrelang um den Schutz des Waldes bemüht hat?”, fragt Sydney Chisi, Geschäftsführer der simbabwischen Klima-NGO Reyna Trust. Es sei immer noch unklar, “ob die Kohlenstoffgutschriften den Gemeinden zugutekommen oder nicht”.

    Uneinigkeit über Kohlenstoffmarkt

    Auch in Liberia wird Blue Carbon für die ersten zehn Jahre 70 Prozent der CCS-Erlöse einstreichen. Zudem beklagt die Bevölkerung, die Regierung habe ein Zehntel des Landes verpachtet, ohne die Anwohner mit einzubeziehen. Was genau Blue Carbon dafür leistet, ist offen; der Vertragsentwurf bleibt vage.

    Tansanias Präsidentin Samia Suluhu Hassan hat die Staatsoberhäupter der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) aufgefordert, bei der COP28 eine gemeinsame Position gegen die Dominanz ausländischer Unternehmen im Emissionshandel in der Region einzunehmen.

    Schon das Kyoto-Protokoll von 1997 ermöglichte den Ausgleich von CO2-Emissionen durch Naturschutzprojekte anderswo auf der Welt. Auch im Klimaabkommen von Paris ist ein solcher Mechanismus vorgesehen, der allerdings noch nicht ausformuliert ist. Dass sich die Teilnehmer der COP28 in Dubai auf Regeln für einen Kohlenstoffmarkt einigen, gilt derzeit als unwahrscheinlich.

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    Debatte über globale Klimasteuer in Dubai

    Kohlekraftwerk Hassyan in Dubai: chinesisches Geld, chinesisches Bautempo und chinesische Ziele - China versucht in den VAE Fuß zu fassen.

    Kenia und Frankreich haben angekündigt, beim Klimagipfel in Dubai die Debatte über internationale Klimasteuern voranzutreiben. Die Präsidenten der beiden Länder, William Ruto und Emmanuel Macron, planen dazu die Gründung einer “Taskforce”, die innerhalb von zwei Jahren konkrete Vorschläge erarbeiten soll. Wie Climatechangenews.com berichtete, hoffen die Staatschefs, eine Koalition aus Europa und dem globalen Süden in der Taskforce zu versammeln.

    Die Debatte über globale Klimasteuern und Abgaben wird seit dem von Macron anberaumten Finanz-Gipfeltreffen in Paris im Juni lebhafter. Der von Ruto im September in der kenianischen Hauptstadt Nairobi ausgerichtete Afrikanische Klimagipfel etwa endete mit der Forderung nach einem globalen System zur Besteuerung von Kohlenstoff, “um zweckgebundene, erschwingliche und zugängliche Finanzmittel für klimaschonende Investitionen in großem Umfang bereitzustellen”.

    Auch internationale Organisationen befassen sich mit dem Thema. Ngozi Okonjo-Iweala, Generaldirektorin der Welthandelsorganisation (WTO), kündigte im Oktober eine eigene Taskforce an, die konsensfähige Vorschläge für “eine Methode für einen globalen Kohlenstoffpreis” entwickeln soll. Der Internationale Währungsfonds (IWF) wiederum argumentierte in seinem jüngsten “Fiscal Monitor”, dass CO2-Steuern ein “integraler” Bestandteil aller nationalen Klimapakete sein müssten.

    Die UN-Organisation für Handel und Entwicklung (UNCTAD) hatte kürzlich in einer Studie aufgezeigt, welche Summen durch globale Steuern für den Loss and Damage Fund (LDF) zusammenkommen könnten:

    • CO₂-Abgabe auf Schiffstreibstoffe: 60 bis 80 Milliarden US-Dollar bis 2030
    • Steuer auf die Produktion fossiler Brennstoffe: 150 Milliarden bei einem Preis von sechs US-Dollar pro Tonne
    • Abgabe für Flugpassagiere: 17 Milliarden US-Dollar jährlich bei 2-Prozent-Aufschlag des Ticketpreises
    • Abschöpfen von “Zufallsgewinnen” der Öl-, Gas- und Kohleindustrie: 300 Milliarden US-Dollar jährlich bei Gewinnbesteuerung von zehn Prozent av/nib
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    Standpunkt

    Industrieländer sollten Handels- und Klimapolitik besser verzahnen

    Von Anja Berretta
    Anja Berretta, Leiterin des Regionalprogramms Energiesicherheit und Klimawandel Subsahara-Afrika
    Anja Berretta, Leiterin des Regionalprogramms Energiesicherheit und Klimawandel Subsahara-Afrika

    Vereint handeln und Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen – so lässt sich das diesjährige Motto der UN-Klimakonferenz (COP), “Unite.Act.Deliver” übersetzen. Die Prioritäten der Länder Subsahara-Afrikas werden bei den Verhandlungen von zwei Aspekten bestimmt: Zum einen zählt Afrika zu den Regionen der Welt, die am stärksten unter den Folgen des Klimawandels leiden, zum anderen ist es globaler Konsens, dass Afrika für die globale Erderwärmung fast keine Verantwortung trägt. Für den Kontinent hat die Frage der finanziellen Unterstützung also oberste Priorität.

    Wichtigstes Thema bei der diesjährigen Konferenz werden die Ergebnisse der ersten globalen Bestandsaufnahme, dem sogenannten Global Stocktake (GST), der weltweit ergriffenen Klimaschutzmaßnahmen sein. Die Bestandsaufnahme soll bisherige Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens identifizieren. Auch Ursachen für Misserfolge sollen offen und ehrlich dargelegt werden. Im Idealfall könnte der GST Hinweise für konkrete und umsetzbare Handlungen für künftige Klimaschutzmaßnahmen liefern.

    Afrikanische Vertreter haben jedoch bereits ihre Unzufriedenheit darüber zum Ausdruck gebracht, dass Ergebnisse der Bestandsaufnahme bei den vorbereitenden Verhandlungen zur COP nicht angemessen berücksichtigt wurden. Der Text, welcher bei der Konferenz von allen Ländern im Konsensverfahren verabschiedet werden muss, berücksichtige weder die besondere Situation Afrikas, noch gebe es ein Eingeständnis der Weltgemeinschaft, dass die bisherigen Defizite bei der Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens direkt auf fehlende finanzielle Mittel zurückzuführen seien.

    Geld alleine wird nicht reichen

    Allerdings wird immer deutlicher, dass die Anpassung an den Klimawandel und der Umbau hin zu einer emissionsarmen, bestenfalls klimaneutralen Wirtschaft auf dem Kontinent mit Geld alleine nicht zu erreichen sein wird. Laut Schätzungen der OECD haben die Industrieländer ihre Zusagen für die internationale Klimahilfe 2023 erfüllt. Jedoch ist es schwer zu beziffern, wie viel Geld tatsächlich auf dem afrikanischen Kontinent für die Erreichung der Klimaschutzziele benötigt wird. So geht beispielsweise die UN-Wirtschaftskommission für Afrika von mehr als einer Trillion US-Dollar aus.

    Gleichzeitig nehmen die Möglichkeiten von Entwicklungs- und Schwellenländern in Subsahara-Afrika aufgrund der Verschuldung ab, in eine nachhaltige Entwicklung zu investieren. Denn Klimafinanzierungen werden größtenteils als Darlehen oder günstige Kredite ausgezahlt, nicht aber als Zuschüsse. Eine Reform der internationalen Klimafinanzierung ist daher überfällig. Allerdings fehlt es bisher an Ideen, welche sowohl für Industrie- als auch Entwicklungs- und Schwellenländer akzeptabel sind. Effizienz und Effektivität von finanzieller und technischer Unterstützung müssen verbessert werden, und die afrikanischen Länder können hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten.

    Was aber ist zu tun, wenn die Folgen des Klimawandels so weit fortgeschritten sind, dass sich Menschen an die geänderten Lebensbedingungen nicht mehr anpassen können, oder aber die dafür notwendigen technischen und finanziellen Ressourcen nicht zur Verfügung stehen? Bei der letzten Klimakonferenz 2022 konnten sich die afrikanischen Länder mit der Forderung durchsetzen, einen Fonds für die Entschädigung bei dauerhaften Klimaschäden und -verlusten einzurichten. Allerdings ist die Umsetzung des Fonds aus afrikanischer Sicht bisher enttäuschend.

    Schwellenländer mit zunehmendem Einfluss

    In einem zähen Prozess konnte vor Beginn der COP28 zwar eine gemeinsame Erklärung verabschiedet werden, allerdings ist der Text so unverbindlich und verwässert, dass er keinerlei Substanz enthält. Es gibt keine konkreten Vorschläge zu angemessenen oder gar verpflichtenden Zahlungen, und im vorläufigen Entwurf heißt es lediglich, dass der Fonds Entwicklungsländern zugutekommen soll, die “besonders anfällig” für den Klimawandel sind – eine Formulierung, die großen Interpretationsspielraum lässt. Gleichzeitig pochten einige Industrieländer hauptsächlich darauf, den Text so unverbindlich zu formulieren, dass er keinesfalls als Zugeständnis einer rechtlichen Haftung für Klimafolgen interpretiert werden kann.

    Schlechte Aussichten also für afrikanische Verhandlungserfolge in Dubai? In einer zunehmend unsicheren Welt, in der neben traditionellen Weltmächten zunehmend auch aufstrebende Schwellenländer einen globalen Einfluss ausüben, könnten afrikanische Länder künftig bessere Verhandlungsoptionen in der internationalen Klimadiplomatie erhalten. Beim ersten afrikanischen Klimagipfel in Nairobi im September 2023 zeigten afrikanische Staats- und Regierungschefs ihren Willen, wirtschaftliche Chancen des Klimawandels, beispielsweise im Rahmen des Emissionshandels oder durch die verstärkte Nutzung grüner Technologien, zu ergreifen. Afrikanische Länder verfügen zudem über seltene Mineralien und Metalle, die für die globale Energiewende notwendig sind und deren nachhaltiger Abbau und Weiterverarbeitung vor Ort gleichzeitig dringend benötigte Beschäftigungsmöglichkeiten bieten würde.

    Europa und andere Industrieländer sollten daher stärker als bisher Wirtschafts-, Handels- und Klimapolitik verzahnen und würden somit auch Entwicklungsprioritäten afrikanischer Länder berücksichtigen. Dazu gehört jedoch auch, internationale Handelspolitik im Rahmen der UN-Klimakonferenzen stärker als bisher zu berücksichtigen. Eine Forderung, die im Übrigen von afrikanischer Seite ausdrücklich unterstützt wird.

    Anja Berretta leitet seit Januar 2019 das Regionalprogramm Energiesicherheit und Klimawandel Subsahara-Afrika mit Sitz in Nairobi. Sie studierte Kultur- und Sozialwissenschaften an den Universitäten Frankfurt/Oder und Marne-la-Vallée (Frankreich) sowie internationale Beziehungen und europäische Studien an den Universitäten La Sapienza (Italien) und Osnabrück.

    Heads

    Yero Sarr – Umweltschutz in Konkurrenz mit dem alltäglichen Überleben

    Yero Sarr vor Ruinen in St. Louis im Norden Senegals. Das Haus wurde vom ansteigenden Meer beschädigt.

    Freitags alle raus auf die Straße und für den Klimaschutz marschieren, am besten noch mit Schildern und Transparenten, allen voran die Schülerinnen und Schüler. So einfach ist die Ursprungsidee von Fridays for Future – und die lässt sich schließlich überall umsetzen. Dachte auch der Senegalese Yero Sarr, als er vor gut vier Jahren eine Gruppe in seinem Land mitgründete. Aber so einfach war es dann doch nicht, denn es kamen nicht genug Leute zusammen. “Die Länder in Afrika haben ihre eigene Lebensrealität. Da geht es oft ums alltägliche Überleben: drei Mahlzeiten am Tag zusammenzubekommen, Trinkwasser zu haben und Gesundheitsversorgung”, sagt Sarr im Gespräch mit Table.Media.

    Online-Aufklärung über Klimaschutz

    Doch der 22-Jährige hat sich nicht entmutigen lassen. Um die 50 Leute zählt der FFF-Ableger im Senegal, sagt Sarr. Aber es gebe viele Unterstützer. Auf Facebook folgen der Gruppe rund 1000 Nutzer, auf Twitter etwas mehr als 2000. Die Demos ganz aufgegeben hat FFF Senegal nicht, und marschierte etwa Anfang November durch die Straßen von Dakar. Online versuchten die Aktivisten dafür umso präsenter zu sein, besonders um Großereignisse wie die Klimakonferenz, die nun wieder stattfinden soll. “Ein guter Teil unserer Arbeit hier besteht darin, die Leute auf dem Laufenden zu halten und aufzuklären.”

    Sarr nutzt dafür zum Beispiel täglich die Statusanzeige bei Whatsapp, versorgt seine Kontakte dort in Echtzeit mit Zitaten von Konferenzen wie dem Gipfel für Klimafinanzierung in Paris, mit Bildern und Berichten von seinen Reisen im Senegal oder neuen Nachrichten zum Thema. Zur COP28 fliegt Sarr nicht nach Dubai, wird aber aus der Ferne die Ergebnisse verfolgen. “Es muss an die Ursache des Problems gehen, wir müssen dringend die CO2-Emissionen insgesamt senken.”

    Klimawandel im Alltag

    “Die Menschen hier erzählen vom Klimawandel, der ihr Leben tagtäglich schwieriger macht. Davon, dass die Ernten zurückgegangen sind, davon, dass der Strand früher 200 Meter breit war und jetzt um einiges schmaler, von weniger Regen und wie schwierig es deswegen geworden ist, ihre Herden zu weiden”, schildert Sarr. Aber es fehle am Verständnis dafür, dass es sich um menschengemachte Probleme handele.

    Eine Rolle dabei spielt die Religion, wie Sarr beobachtet hat. Im Senegal sind mehr als 90 Prozent der Bevölkerung muslimisch. Eine sensible Angelegenheit sei das. “Da geht es dann um den göttlichen Willen, der alles bestimmt. Ich sage dann, ja, ich bin auch Muslim, wie ihr. Aber Gott hat uns diese Erde vollkommen übergeben, und es sind unsere eigenen Handlungen, die den Planeten verändert haben.” Folglich könnten auch die Menschen etwas verbessern, wenn sie sich anders verhalten.

    Begeisterter Naturwissenschaftler

    Geboren wurde Sarr 2001 in der Elfenbeinküste, in der Hauptstadt Yamoussoukro. Seine Eltern stammen aus dem Norden des Senegals und waren wegen der Arbeit dorthin gezogen. Als Teenager schickten sie ihren Sohn zurück in den Senegal, um seine Schulbildung sicherzustellen. Denn in der Elfenbeinküste flammte der Bürgerkrieg rund um die Präsidentschaftswahlen von 2010 wieder auf. Die Zukunft sah düster aus.

    Sarr begeisterte sich für Naturwissenschaften und machte einen Bachelor in Physik-Chemie-Umweltwissenschaften an der Universität in Dakar. Einen Master dranzuhängen ist sein Traum. Aber im Zuge der politischen Unruhen im Senegal ist die Universität in Dakar immer unzuverlässiger geworden. So beginnt das Studienjahr gewöhnlich im September. Doch dieses Jahr hat es auch Ende November noch nicht angefangen. Deshalb setzt Sarr auf Plan B: einen Master in Projektmanagement an einer privaten Hochschule in Dakar abzuschließen. Und wenn mehr Ersparnisse da sind, soll es vielleicht mal ins Ausland gehen, um Naturwissenschaften weiter zu studieren.

    Vom Aktivismus in die Politik

    Doch Sarr will dem Senegal nicht dauerhaft den Rücken kehren, sondern sich noch anders engagieren. Sein Projekt: den Klimaschutz in die Politik tragen. “Der Klimawandel wird hier immer nur dann herangezogen, wenn was passiert. Eine Überschwemmung zum Beispiel.” Im Senegal gebe es keine konsequente Klimaschutzpolitik, kritisiert Sarr. Es sei etwa nicht transparent, wo Finanzmittel für den Klimaschutz tatsächlich hinflössen. Auch die Förderung von Erdgas als Übergangstechnologie zu grüner Energie überzeugt Sarr nicht. Der Senegal, der demnächst Gas vor seiner Küste fördern und exportieren will, habe die eigene Bevölkerung nicht genug im Blick.

    Sarrs Antwort: Er versucht, eine junge grüne Partei auf den Weg zu bringen für die Parlamentswahlen 2027. Den Ausschlag, vom Aktivismus in Richtung Politik zu gehen, gab ein Besuch in Matam, im Norden des Landes. Sarr wollte sehen, wie es um die Grüne Mauer steht, das Hoffnungsprojekt für präventiven Klimaschutz in Afrika. “Das Projekt ist quasi nicht existent. Die Bäume waren vertrocknet, ab und an wurden ein, zwei Bäumchen von irgendwem gespendet.” Lucia Weiß

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    Africa.Table Redaktion

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