Table.Briefing: Africa

EU-OAKPS-Abkommen + Scholz in Ostafrika + Sicherheitslage in Mali

Liebe Leserin, lieber Leser,

das neue Abkommen zwischen der EU und den AKP-Staaten wird schon lange verhandelt. Schwierigkeiten bereiten weniger die 79 AKP-Staaten als vielmehr die nur 27 Mitgliedsländer der EU. In der vergangenen Woche schien es einen Augenblick lang so, als könne das Abkommen nun endlich unterzeichnet werden. Doch dann kam doch wieder Widerstand aus der Reihe der EU.

Unterdessen treiben die Regierungen im südlichen Afrika den Freihandel voran. Schritt um Schritt vereinfachen sie die Abfertigung an den Grenzen. Das kommt auch deutschen Unternehmen in der Region zugute.

Auch bei uns im Africa.Table ist die Krönung von Charles III. und seiner Frau Camilla ein Thema. Der Monarch nutzte die Feierlichkeiten, um Osei Tutu II., den König der Aschanti, aus dem Gros der mehr als 2000 Teilnehmer besonders hervorzuheben. Auch wenn Ghana eine Republik ist, so übt der Monarch doch eine wichtige Funktion für den Zusammenhalt im Land aus. Wir stellen Ihnen den Monarchen vor.

Und auch in dieser Woche geht es um die Sicherheitspolitik, vor allem in Ostafrika: Prinz Asfa-Wossen, Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers, benennt in einem Gastbeitrag die wahren Gründe, warum Äthiopien so schwer zu einem inneren Frieden findet. Unser Kollege Merga Yonas Bula analysiert die Reise von Bundeskanzler Scholz in die Region.

Auch in dieser Ausgabe finden Sie wieder aktuelle News aus Afrika und unsere Presseschau. Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!

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Ihr
Christian von Hiller
Bild von Christian  von Hiller

Analyse

Cotonou 2.0 für EU-Afrika-Beziehungen nachrangig

Das neue Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Organisation afrikanischer, karibischer und pazifischer Staaten (OAKPS) scheint nun doch nicht rechtzeitig in Kraft treten zu können. Nachdem eine langwierige ungarische Blockade vergangenen Monat endlich ausgeräumt war, blockiert nun Polen das Vorhaben. Der holprige Vorgang wirkt emblematisch für die Neuordnung der Beziehungen zwischen EU und OAKPS.

Das neue Abkommen, bisher nur als Post-Cotonou oder Cotonou 2.0 bekannt, ist bereits das vierte in Folge. Dem 2000 abgeschlossenen Cotonou-Abkommen gingen die Abkommen von Lomé (1975) und Yaoundé (1963) voraus. Mit den Verträgen sollte seinerzeit die besondere Beziehung der unabhängig gewordenen Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks mit ihren ehemaligen europäischen Kolonialherren fortgeschrieben werden. Zudem sollten die Länder stärker an die Europäer gebunden werden. Die Abkommen schrieben dafür besondere Handelsregelungen fest und ordneten die gemeinsame Entwicklungsarbeit.

Das Post-Cotonou-Abkommen soll dies nun fortschreiben und dabei zudem den paternalistischen Ansatz sowie die ungleichen Handelsbeziehungen der Vergangenheit überwinden. Aus den Reihen der OAKPS, die erst seit 2019 eine echte internationale Organisation ist und zuvor als eher lose Gruppe der AKP-Staaten agierte, waren solche Vorwürfe immer wieder erhoben geworden. Grundpfeiler des Post-Cotonou-Abkommens sind unter anderem die Verpflichtung gegenüber Demokratie und Menschenrechten, Frieden und Sicherheit sowie nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und Klimaschutz. Auch Migration und Mobilität sind Kernthemen des neuen Vertrags.

Kaum Begeisterung für Post-Cotonou

Doch offenbar löst Cotonou 2.0 in Europa nicht viel Begeisterung aus. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron scheint das Post-Cotonou Abkommen für überholt zu halten, und auch Luxemburgs Premierminister ist wohl kaum interessiert. Das Hauptquartier der OAKPS in Brüssel wird zwar durch EU-Mittel finanziert, von den europäischen Staaten jedoch auf geradezu stiefmütterliche Weise ignoriert. Zudem sind mit der Ausgliederung der Economic Partnership Agreements sowie des European Development Fund zwei bisher wesentliche Pfeiler der EU-OAKPS-Beziehungen aus dem Abkommen ausgenommen: Handel und Entwicklungsarbeit. Die Maastrichter Denkfabrik European Centre for Development Policy Management hält Post-Cotonou darum für die künftigen Beziehungen zwischen EU und OAKPS-Beziehungen für unerheblich.

Thinktanks wie der European Council on Foreign Relations verweisen auf die wachsenden Beziehungen zwischen EU und Afrikanischer Union (AU), angesichts derer Post-Cotonou zu einem Nebenschauplatz zu verblassen drohe. Südafrika, das am stärksten industrialisierte Land und Deutschlands wichtigster Wirtschaftspartner auf dem Kontinent, hat im vergangenen Jahr die OAKPS verlassen. Der Grund: Die Gruppe sei für die Beziehungen zu Europa überflüssig. Nordafrikanische Staaten – Europas direkte Nachbarn – waren nie Teil der OAKPS, gehören aber ebenso wie Südafrika zur AU und zur Afrikanischen Freihandelszone (AfCFTA). So setzen vor allem die karibischen und pazifischen Staaten bei ihren Beziehungen zu Europa auf die OAKPS und ihr politisches Gewicht. Afrika könnte seine Angelegenheiten wohl auch problemlos allein regeln.

Fokus auf regionale Kooperation

Holger Görg, amtierender Präsident des Kiel Institut für Weltwirtschaft, beschreibt das Post-Cotonou Abkommen dennoch als wichtigen Rahmen für die zukünftigen Beziehungen zwischen Europa und den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks. Es gehe um “Kooperation auf einer gewissen Augenhöhe”, sagt Görg im Gespräch mit Table.Media. Besonders hervorzuheben sei die geplante Zusammenarbeit bei Wissenschaft, Technologie und Innovation, sowie der Austausch von Know-how. Cotonou 2.0 umfasst mit den 79 Mitgliedern der OAKPS und den 27 EU-Staaten immerhin ein Fünftel der Weltbevölkerung und die Hälfte der Sitze in der UN-Vollversammlung. Das Abkommen schafft auch die Rechtsgrundlage für die Europäische Investitionsbank um in den OAKPS-Staaten zu agieren.

Zudem schreibt Post-Cotonou, anders als die Vorgängerabkommen, regionale Frameworks für die Zusammenarbeit fest. So soll sichergestellt werden, dass die Kooperation mit den drei Regionen Afrika, Karibik und Pazifik entsprechend ihrer jeweiligen speziellen Anforderungen ausgerichtet wird. So wird zum Beispiel die gemeinsame Paritätische Parlamentarische Versammlung AKP-EU – ein wichtiges Organ im Austausch zwischen den beiden Staatengruppen – durch drei regionale parlamentarische Versammlungen ergänzt. Ein neuer Multi-Stakeholder-Ansatz, der gemeinsam mit der OECD entwickelt wird, soll über den bisherigen Miteinbezug von nichtstaatlichen Akteuren hinausgehen und das Abkommen so inklusiver machen. Doch für Kay Pfaffenberger, Leiter des Centre for Business and Technology in Africa an der Hochschule Flensburg, geht das über bisherige Ansätze nicht weit genug hinaus. “Das Abkommen in seinem allgemeinen Ansatz wird der Vielfalt der beteiligten Länder und ihrer Herausforderungen nicht gerecht”, sagt er zu Table.Media. “Im Wettlauf um afrikanische Partnerstaaten wird es bestenfalls Leitplanken liefern.”

Helmut Asche, Afrikaexperte und Professor i.R. an der Universität Mainz, wird noch deutlicher: “Cotonou 2.0, da spielt nicht die Musik,” so Asche im Gespräch mit Table.Media. “Die Musik spielt bei den Economic Partnership Agreements und der AfCFTA. Und bei der Global Gateway Initiative, wenn es der EU denn endlich gelingt, diese bisher unbestimmte Initiative inhaltlich zu unterfüttern.”

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Scholz’ schwierige Friedensmission

Die Reise von Bundeskanzler Scholz am Wochenende galt bei weitem nicht nur Äthiopien und Kenia. Auch ein Besuch bei der Afrikanischen Union (AU), die ihren Sitz in Addis Abeba hat, stand auf seinem Programm. Am 4. Mai traf er mit dem AU-Kommissionsvorsitzenden Moussa Faki Mahamat zusammen und sicherte die Unterstützung bei der Beendigung der bewaffneten Konflikte in Sudan und in der Sahelzone zu.

Diese friedensstiftende Rolle Deutschlands in der Region wird davon überschattet, dass Ägypten gleichzeitig der größte Importeur von Waffen aus Deutschland ist. Im Jahr 2021 gab das Land 4,34 Milliarden Euro für Waffenkäufe aus und wird beschuldigt, die Waffen in anderen Konflikten einzusetzen.

“Wir wollen unseren Beitrag dafür leisten, Frieden und Sicherheit voranzubringen”, teilte Scholz in einem Pressestatement vom selben Tag mit. “Deshalb haben wir uns mit den verschiedenen schwierigen Sicherheitslagen in verschiedenen Regionen Afrikas beschäftigt, ganz besonders und zuallererst natürlich, was den neu ausgebrochenen Konflikt im Sudan betrifft.” Scholz warnte weiter vor der Gefahr, dass sich verschiedene Akteure, sowohl in unmittelbarer Nähe als auch entfernter, in den Konflikt einmischen und damit eine Zuspitzung und Ausweitung begünstigen könnten.

Zu viele Schlichter in der Region

Auch der afrikanische Thinktank Institute for Security Studies (ISS) befürchtet, dass zu viele Konfliktschlichtungen in der Region aufkommen. Es müssten Anstrengungen unternommen werden, um “eine weitere Zersplitterung der Friedensinitiativen zu verhindern” und zu vermeiden, dass regionale Akteure die Konflikte weiter antreiben, ansonsten “könnten alle Versuche, einen dauerhaften Frieden zu schaffen, scheitern”, hieß es in einem Bericht des ISS vom 3. Mai.

Friedensinitiativen haben ohnehin eine lange Geschichte in der Region. Diesen Monat ist es zehn Jahre her, dass die AU die Initiative “Silencing the Guns” (Die Waffen zum Schweigen bringen) verabschiedet hat. Sie zielt darauf ab, “die Last der Konflikte nicht an die nächste Generation von Afrikanern weiterzugeben und sich zu verpflichten, alle Kriege bis 2020 zu beenden”.

Im März erklärte der Leiter der Initiative, Mohamed Ibn Chambas, vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, dass die Erreichung des Ziels gefährdet sei, auch wenn die Frist vor drei Jahren auf 2030 verschoben wurde. Dies sei unter anderem auf das Defizit bei der Bewältigung verfassungswidriger Regierungswechsel zurückzuführen.

Zahlreiche Konflikte auf niedrigem Niveau

Einem Bericht der Geneva Academy zufolge gibt es heute in Subsahara-Afrika “35 nicht-internationale bewaffnete Konflikte”, womit der Kontinent nach dem Nahen Osten und Nordafrika an zweiter Stelle steht. Chiara Redealli, Forschungsstipendiatin an der Akademie, erklärte gegenüber Table.Media, dass der Grund für die hohe Zahl bewaffneter Konflikte in Afrika “historische und geopolitische Gründe hat, die mit dem Entkolonialisierungsprozess und seinen Folgen zusammenhängen”.

Ostafrika und die Sahelzone liegen auf der tektonischen Platte der bewaffneten Konflikte. In einem im März 2023 veröffentlichten Bericht des Global Terrorism Index heißt es: “Die Sahel-Region in Afrika südlich der Sahara ist heute das Epizentrum des Terrorismus, wobei die Sahel-Region im Jahr 2022 mehr terroristische Todesopfer forderte als Südasien und der Nahe Osten und Nordafrika (MENA) zusammen.” Ethnische Polarisierung und Interventionen von außen sind einige der Gründe, die in dem Bericht genannt werden.

Ermunternde Worte vom Kanzler

So wie es Interventionen gibt, die versuchen, Waffen zum Schweigen zu bringen, gibt es auch andere, die versuchen, Konflikte weiter zu verschärfen, indem sie Waffen von der Kalaschnikow bis zur Drohne liefern. Es gibt auch solche, die beide Rollen spielen. Immerhin ist es gelungen, den Bürgerkrieg in Ruanda 1994 zu beenden und das Land dauerhaft zu befrieden. Allerdings, so Chiara Redealli, “gibt es auch Kriege, die aufgrund von geopolitischen Einflüssen und wirtschaftlichen Interessen jahrzehntelang andauern”.

In einem Tweet lobte Scholz die Fortschritte Äthiopiens bei der Beendigung des Bürgerkriegs in Tigray. Allerdings fügte er hinzu: “Ich habe Premier Abiy und die Regionalregierung ermutigt, sich weiter für einen dauerhaften Frieden einzusetzen und Kriegsverbrechen aufzuarbeiten.” Auch Redealli betonte die Notwendigkeit, “Übergangsjustiz” zu schaffen, um einen dauerhaften Frieden auf dem Kontinent zu erreichen.

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Delegationsteilnehmer der Kanzlerreise

Kai Acker, KHS GmbH, Vorsitzender der Geschäftsführung

Hamed Beheshti, Boreal Light GmbH, Gründer und CEO

Carl Heinrich Bruhn, Amatheon Agri Holding N.V., CEO

Sabine Dall’Omo, Siemens Sub-Saharan Africa, CEO

Antje Eckel, Dr. Eckel Animal Nutrition GmbH & Co. KG, Geschäftsführerin

Heinz-Walter Große, SAFRI, Vorsitzender

Michael Horsch, Horsch Maschinen GmbH, Geschäftsführer

Christiane Kragh, Off-Grid Europe GmbH, Gründerin und CEO

Christiane Laibach, KfW, Mitglied des Vorstands

Thorsten Schäfer-Gümbel, GIZ, Vorstandssprecher und Mitglied des Vorstands

Frank Theeg, Authentic Network GmbH, CEO

Andreas Weidler, Fichtner GmbH & Co. KG, Vorsitzender der Geschäftsführung

One-Stop an den Grenzen für effizienteren Handel

Der Grenzübergang in der beschaulichen Kleinstadt Kazungula in Norden Botsuanas war jahrelang ein Dorn im Auge von Fernfahrern im südlichen Afrika. Um ins benachbarte Sambia zu gelangen, mussten die LKWs auf ein Ponton verladen werden, welches den Sambesi-Fluss überquerte. Maximal zwei LKWs passten auf die wackligen Fähren mit einer Ladekapazität von 70 Tonnen.

Vor der Grenze stauten sich die Lastwagen bis zu zehn Kilometern. Wartezeiten von ein bis zwei Wochen waren nicht selten, obwohl die Grenze im Vierländereck an einem wichtigen Wirtschaftskorridor liegt, der den größten Hafen in der Region, Durban, über fast 3.000 Kilometer mit dem bedeutendsten Kupferanbaugebiet Afrikas, in Sambia und der Demokratischen Republik Kongo, verbindet.

Im Mai 2021 änderte sich die Situation schlagartig mit der Eröffnung der Kazungula Bridge, eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte, die laut CNN “Afrika neugestalten”. Statt einer Woche dauert die Grenzüberquerung nun weniger als einen Tag. Dabei half, dass mit der Brücke gleich ein One Stop Border Post (OSBP) eingerichtet wurde, mit dem die Güterabfertigung harmonisiert und vereinfacht wurde.

Wohlstand und Arbeitsplätze

Sechs Jahre brauchte der südkoreanische Konzern Daewoo E&C für den Bau der 265 Millionen Euro teuren Brücke. Finanzielle Unterstützung kam unter anderem von der Afrikanischen Entwicklungsbank sowie Entwicklungshilfe aus Japan und von der EU. Die ehemalige Generalsekretärin der Southern African Development Community (SADC), Stergomena Tax, freute sich bei der Eröffnung, dass die Brücke den Warenaustausch in der Region erleichtern wird, und dazu beiträgt, “Wohlstand und Arbeitsplätze für SADC-Bürger zu schaffen.”

Doch es ist nicht nur die Brücke, die den Abfertigungsprozess beschleunigt, sondern auch moderne Technologie, wie LKW-Röntgengeräte und Computersysteme. Diese müssen auch nur noch auf einer Seite der Grenze eingesetzt und nicht mehr zwei Mal bei der Ausreise aus dem einen und der Einreise in das andere Land.

Effizientere Grenzkontrollen sind in Afrika dringend notwendig. Aufgrund fehlender Infrastruktur liegt der innerafrikanische Handel derzeit lediglich bei 14,4 Prozent aller Exporte, schätzt die Welthandels- und Entwicklungskonferenz UNCTAD. In Europa liegt die Zahl bei 60 Prozent, in Nordamerika sind es 40 Prozent, und bei den ASEAN-Staaten 30 Prozent. Doch heute haben wir vergessen, dass die Zollunion in Europa zwar schon 1968 geschaffen wurde, die Grenzen jedoch erst 2019 komplett gefallen sind.

Aufbau eines afrikanischen Binnenmarktes

Mit der Entstehung der Afrikanischen Freihandelszone AfCFTA, die ebenfalls 2019 ratifiziert wurde, soll der gesamtkontinentale Binnenmarkt schrittweise aufgebaut werden und in Zukunft ein BIP von mehr als drei Billionen Euro sowie 1,3 Milliarden Menschen umfassen. Die AfCFTA, deren Anfangsschritte sich durch die Corona-Pandemie verzögert hatten, hat das Potential, den innerafrikanischen Handel um mehr als 30 Prozent zu erhöhen.

OSBPs gibt es als Konzept in Afrika seit etwas mehr als zehn Jahren. Das erste Pilotprojekt entstand am Grenzübergang Chirundu zwischen Simbabwe und Sambia, Teil des wichtigen Nord-Süd-Korridors im südlichen Afrika. Auch hier stauten sich in der Vergangenheit die LKWs bis zu drei Wochen. Jetzt passieren sie die Grenze in der Regel innerhalb eines Tages, was geschätzte 110 bis 360 Euro pro Tag einspart.

Andere OSBPs folgten in Westafrika (zwischen Togo und Burkina Faso), aber vor allem in Ostafrika, wie etwa in Namanga (Kenia und Tansania), Rusomo (Ruanda und Tansania) und Gasenyi I/Nemba (Burundi und Ruanda). Insgesamt sind in Afrika zehn OSBPs bereits fertigstellt, 12 weitere werden gerade gebaut, und mehr als 50 befinden sich in Planung.

Grenzposten mitten in der Kalahari

Anfang April kam im südlichen Afrika der Grenzübergang Buitepus/Mamuno zwischen Botsuana und Namibia hinzu. Mitten in der Kalahari-Wüste gelegen, ist der Übergang Teil des rund 2.300 Kilometer langen Trans-Kalahari-Korridors, der Maputo in Mozambik am indischen Ozean über den Großraum Johannesburg mit Walvis Bay in Namibia am Atlantik verbindet. An dieser Grenze werden jeden Monat rund 8.000 LKWs abgefertigt, jetzt auch rund um die Uhr. Man begrüße den Abbau der Hindernisse, “die den grenzüberschreitenden Verkehr beeinträchtigen”, so die botsuanische Ministerin für Nationalität und Einwanderung, Anna Mokgethi.  

So weit ist man am Grenzübergang Oshoek/Ngwenya, dem zweitverkehrsreichsten Grenzposten von Südafrika, über den Eswatini drei Viertel seiner Importe abwickelt, noch nicht. Die Verzögerungen an der Grenze verursachen einen “Rückstau bei der Warenabfertigung”, beschwert sich der Chef der Handelskammer von Eswatini, Nathi Dlamini. Abhilfe könnte bald kommen. Südafrika hat im vergangenen Jahr die Border Management Authority (BMA) gegründet und jetzt einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt, der vorsieht, die sechs wichtigsten Grenzübergänge des Landes nach Botsuana, Eswatini, Lesotho, Mozambik und Simbabwe zügig in One Stop Border Posts umzuwandeln.

Von diesen Ländern hat nur Mosambik einen direkten Zugang zum Meer, alle anderen sind als Binnenstaaten beim Warenverkehr zum Großteil auf Südafrika angewiesen. So auch Simbabwe, das über den notorisch chaotischen Grenzübergang Beitbridge mit dem Land am Kap verbunden ist. Beitbridge ist der größte Grenzposten in Afrika, den täglich rund 1.000 LKWs passieren, und wird derzeit mit 280 Millionen Euro modernisiert.  

Vergangene Woche waren die Grenzen auch ein Thema beim Transform Africa Summit, dem wichtigsten ICT-Gipfel in Afrika, in Victoria Falls in Simbabwe, an dem fünf Staatsoberhäupter teilnahmen. Für Sambias Präsident Hakainde Hichilema, der vor kurzem einen modernen Grenzübergang ins Nachbarland Malawi einweihte, ist das ambitionierte Ziel ein “Non Stop Border Post”, an dem die Grenzkontrollen wegfallen. Bis dahin ist aber noch ein langer Weg.

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News

Sicherheitslage in Mali: Vertrauen in Russland, Ablehnung Frankreichs

Mehr als 90 Prozent der Malierinnen und Malier vertrauen Russland im Einsatz gegen Unsicherheit im Land. Das geht aus einer Befragung der Friedrich-Ebert-Stiftung hervor, die sie jährlich in Mali durchführt. 57 Prozent der 2.000 Befragten hingegen zeigten sich unzufrieden mit dem Einsatz der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (Minusma). Drei von vier Befragten werfen der UN-Mission vor, dass sie die Bevölkerung nicht vor bewaffneten Gruppen schütze. Die Ablehnung ist in Regionen größer, in denen Minusma weniger präsent ist.

Die hohen Zustimmungswerte für Russland hätten “viel mit der Propaganda der malischen Regierung zu tun”, sagt Christian Klatt, Büroleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bamako. Diese feiere zwar “die russische Partnerschaft”, gebe aber nicht offiziell zu, “dass es Wagner-Truppen sind, die im Land sind”.

Die Enttäuschung über die europäische Intervention beziehe sich hauptsächlich auf die französischen Antiterrormissionen. Sie habe nicht die Erfolge gebracht, die sich die Malier erhofft hätten. Allerdings seien die Zustimmungswerte für Frankreich zu Beginn des französischen Einsatzes ähnlich hoch gewesen wie die aktuellen Zahlen für Russland, sagt Klatt. “Die Malier haben hohe Erwartungen. Man möchte, dass sich etwas ändert, weshalb sehr viel Vertrauen in bestimmte Akteure gesteckt wird.” Außerdem bilden die Zahlen zwar eine Tendenz ab, seien aufgrund der eingeschränkten Meinungsvielfalt in Mali aber “mit Vorsicht zu genießen”.

Deutschland hingegen hat einen guten Stand in der Bevölkerung. Das sei am Haupteinsatzort Gao spürbar. “Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr tragen klar die Flagge, weil Deutsche weniger angegangen werden”, sagt Klatt. Das habe einerseits damit zu tun, dass Deutschland anders als Frankreich in Mali keine Kolonialmacht war, zum anderen, weil die Bundesrepublik 1960 als erster Staat Malis Unabhängigkeit anerkannt habe.

2024 verlassen die letzten deutschen Soldaten Mali

Die Bundesregierung hatte vergangene Woche die deutsche Beteiligung an der UN-Mission bis Mai 2024 verlängert. Zuletzt hatten Spannungen zwischen der Militärregierung des Landes und westlichen Ländern den Einsatz erschwert. Mit dem Ende des Mandats in Mali will die Bundesregierung das deutsche Engagement in der Sahel-Region nicht beenden. Die Bundeswehr soll etwa im benachbarten Niger im Rahmen der militärischen Partnerschaftsmission EUMPM nigrische Kräfte ausbilden. bub

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Kredite aus China sind teurer 

Die afrikanischen Länder müssen an private und chinesische Geldgeber oft sehr viel höhere Zinssätze zahlen als an öffentliche Finanzinstitutionen. Dies geht aus einer neuen Studie des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) hervor. Herkömmliche öffentliche Gläubiger wie etwa die Weltbank oder einzelne Geberstaaten erhalten im Schnitt nur etwa ein Prozent Zinsen, während chinesische Kredite aus staatlicher Hand mit durchschnittlich 3,2 Prozent verzinst werden. Private Geldgeber, etwa Investmentfonds, die afrikanische Staatsanleihen halten, verlangen im Mittel sogar mehr als sechs Prozent Zinsen.  

Diese Zinslücke sei nicht überraschend, so Studienautor Christoph Trebesch. Schließlich seien private Geber vor allem durch Rendite motiviert, öffentliche Investoren hingegen verfolgten oft einen politischen Auftrag. Problematisch sind die unterschiedlichen Zinssätze allerdings, weil auf diese Weise durch günstigere Kredite teurere bedient werden müssen. So werden mit öffentlichen Geldern letztlich die hohen Renditen privater Investoren querfinanziert. Und auch die Zinsen für chinesische Kredite werden so teilweise mit westlicher Entwicklungshilfe bezahlt. 

Für die Studie hat das IfW den afrikanischen Kreditboom seit dem Jahr 2000 untersucht. Seither ist China zu einem der wichtigsten Geldgeber auf dem Kontinent aufgestiegen. In jüngster Zeit verfolgt China allerdings eine Neuausrichtung seiner Afrikapolitik und hat die Kreditvergabe stark reduziert. Dies geht aus einem Policy Brief der China Africa Research Initiative der Johns Hopkins University hervor. Mit seiner Kreditpolitik habe China bisher den Ansatz “Engineering-Procurement-Construction Plus Financing” verfolgt. Nun setze das Land auf “Integrated Investment, Construction, and Operation”. Dieser neue Ansatz sieht vor, dass chinesische Firmen nicht länger nur als Auftragnehmer für den Bau von Infrastrukturprojekten arbeiten, sondern auch die Verantwortung für den Betrieb übernehmen. Um solche Betriebsrechte zu erhalten, müssen die Unternehmen oft eine Kapitalbeteiligung leisten. ajs

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Rechtsrisiken in Afrika sorgfältig prüfen

Vor einem wirtschaftlichen Engagement in Afrika sollte stets eine eingehende rechtliche Prüfung im Rahmen einer Due Diligence stehen. Besonders das Risiko einer Veränderung in der Regulierung darf nicht unterschätzt werden. Diese Meinung vertrat Nathan Searle, Partner der internationalen Anwaltskanzlei Hogan Lovells, auf einer Fachtagung zum Thema Risikovermeidung in Frankfurt.

So müsse auch geprüft werden, nach welchen Regeln Gewinne, die in einem afrikanischen Land erzielt werden, repatriiert werden dürfen, und wie hoch das Risiko einer Änderung bestehender Regelungen sei. Zwar verändere sich der rechtliche Rahmen in Afrika oft nur sehr schwerfällig, manchmal könnten neue Regeln aber auch ganz rasch eingeführt werden.

Investoren und Handeltreibende müssten sich grundsätzlich darauf einstellen, dass Risiken in Afrika anders zu bewerten und zu gewichten seien als in Europa. Geschäftsbeziehungen mit dem afrikanischen Kontinent sollten demnach besonders sorgfältig gemanagt werden.

In Bezug auf Länderrisiken bezeichnete Vincent Rouget, Direktor der Risikoberatungsgesellschaft Control Risks, Nigeria und Südafrika als Enttäuschungen. In beiden Ländern stellt er einen gravierenden “Mangel an Führungsqualität und Visionen” fest. Darunter leide der gesamte Kontinent, weil diese beiden Länder wirtschaftlich die Schwergewichte auf dem Kontinent seien. hlr

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Konferenz in Frankfurt über Medizintechnik

Mit der Corona-Pandemie ist in Europa das Bewusstsein dafür gewachsen, wie sehr Afrika ein modernes Gesundheitssystem benötigt. Der Africa Med Pharma Day am Donnerstag, den 11. Mai in Frankfurt, wird ausgerichtet von der IHK Frankfurt/Main, Fair Concept Africa und der German Health Alliance, und befasst sich mit Medizintechnik und der Ausrüstung von Arztpraxen, medizinischen Labors, Krankenhäusern und Apotheken.

Vertreter führender deutscher Unternehmen aus dem Gesundheitsbereich werden an der Konferenz teilnehmen. Auch Repräsentanten des afrikanischen Gesundheitssektors, Wissenschaftler und Wirtschaftsvertreter, etwa vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft, haben sich angekündigt. hlr

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Standpunkt

Äthiopiens Politik de-ethnifizieren

Von Asfa-Wossen Asserate
Prinz Asfa-Wossen Asserate.
Prinz Asfa-Wossen Asserate.

Die Reise von Bundeskanzler Scholz nach Äthiopien und Kenia hat vor dem Hintergrund großer Spannungen in der Region stattgefunden. Das darf nicht übersehen werden, auch wenn der Anlass der Reise wohl der 60. Jahrestag der Gründung der Afrikanischen Union war.

Selbstverständlich ist es positiv zu bewerten, dass die äthiopische Regierung und die Tigray People’s Liberation Front (TPLF) im November einen Waffenstillstand geschlossen haben. Doch es bleibt die Frage: Ist dabei ein guter Friede zustande gekommen? Das muss bezweifelt werden. Denn ein wesentlicher Partner, die Vertreter der Amharen, war an diesem Abkommen nicht beteiligt, obwohl die Regionen Amhara und Afar zuvor der Schauplatz schlimmster Gräueltaten waren.

In diesem Konflikt sind bisher schon 1,2 Millionen Äthiopier gestorben. Es gibt keinen gerechten Krieg. Das ist unbestritten. Nur: Wenn wir die Geschehnisse beurteilen, dürfen wir nicht übersehen, dass die TPLF in diesem Krieg keineswegs nur Opfer war. Immerhin hat sie diesen Krieg ausgelöst, indem sie nächtens die Nordarmee grausam überfallen und massakriert hatte.

Einziger Staat mit regionalen Armeen

Seit dem Waffenstillstand werden ausgerechnet die Amharen, also diejenigen, die für die nationale Integrität die größten Opfer gebracht haben, als Terroristen angesehen. Der Grund dafür ist, dass die Amharen eine Entwaffnung ihrer Truppen ablehnen. Das ist wegen eines äthiopischen Kuriosums ein Politikum: Äthiopien ist wohl der einzige Staat auf der Welt, in dem die untergeordneten Bundesstaaten eigene, regionale Armeen unterhalten dürfen.

Nun wäre eine Entwaffnung aller Konfliktparteien wünschenswert. Doch Staatspräsident Abiy, ein Oromo, hat seine eigene Volksgruppe davon ausgenommen. Damit steht die größte Ethnie im Land immer noch unter Waffen. Wen mag es da verwundern, wenn die Amharen unter diesen Voraussetzungen kein Vertrauen in die Regierung haben?

Nach dem Ende des Kriegs mit den Tigray droht Äthiopien ein neuer Krieg, dieses Mal zwischen den Oromo und den Amharen. Diese Gemengelage muss sich der Westen bewusst machen. Er muss den Konflikt, der Äthiopien zu zerreißen droht, differenzierter betrachten, als er es bisher getan hat.

Deutschland kann Beitrag leisten

Um einen neuen Krieg zu verhindern, kann die deutsche Regierung einen wichtigen Beitrag leisten. Der Westen muss sich zunächst eingestehen, dass Präsident Abiy, der Friedensnobelpreisträger von 2019, eine große Enttäuschung für das Land ist. Äthiopien stand – wie auch die internationale Staatengemeinschaft – hinter ihm, als er einen historischen Frieden mit Eritrea schloss und für die nationale Integrität Äthiopiens stand.

Jetzt wird entscheidend sein, dass der Westen sich nicht in den Ursachen täuscht und den Grund für die Konflikte in Äthiopien versteht. Für alles politische Übel in diesem Land, das eine so wichtige Rolle für die gesamte Region am Horn von Afrika spielt, ist allein die vor rund 30 Jahren beschlossene Verfassung verantwortlich.

Verfassungsgemäßes Apartheidsregime

Sie schreibt eine ethnische Föderation fest, wobei der Begriff “ethnische Föderation” nur ein anderes Wort für ein verfassungsrechtlich verankertes Apartheidsregime ist. Diese Verfassung begründet nur auf dem Papier einen föderalen Staat. In Wahrheit zementiert die Verfassung die Hegemonie derjenigen Volksgruppe, die gerade an der Macht ist. Rund 30 Jahre lang waren dies die Tigray, seit vier Jahren sind es die Oromo.

Europa muss deshalb Äthiopien gegenüber dieselbe Courage zeigen wie früher gegenüber Südafrikas Apartheidsregime. Es geht darum, einen echten föderalen Staat zu fördern, in dem die ethnischen Grenzen aufgehoben sind und in dem keine ethnischen Parteien mehr herrschen.

Äthiopien muss de-ethnifiziert werden. Das Land braucht administrative Regionen, nicht ethnische. Es braucht Parteien, die nicht ethnische Interessen vertreten, sondern politische Programme.

Vorbild sollte Indien sein, ein Land mit viel mehr Ethnien, viel mehr Sprachen und viel mehr Religionen als Äthiopien. Und dennoch ist es Indien gelungen, den größten, demokratisch regierten Föderalstaat der Welt aufzubauen. Darum geht es für Äthiopien.

Dr. Prinz Asfa-Wossen Asserate ist der Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers Haile Selassie. Er ist Unternehmensberater in Frankfurt und veröffentlichte zahlreiche Bestseller, zuletzt das Buch “Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?”.

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Presseschau

Business Day: Russischer Militärtransporter landet in Südafrika. Ein russisches Militärflugzeug ist auf einem südafrikanischen Luftwaffenstützpunkt gelandet. Der Transporter unterliegt internationalen Sanktionen. Im Dezember hatte bereits ein russisches Frachtschiff offenbar in einer südafrikanischen Marinebasis angedockt. Die südafrikanische Regierung steht wegen ihres Umgangs mit Russland verstärkt in der Kritik.

SZ: Putins langer Schatten reicht bis in den Sudan. Die humanitäre Lage sei “am Tiefpunkt”, klagen die Vereinten Nationen. Hoffnung auf Frieden gebe es kaum, auch dank einer unheiligen Allianz: Der libysche Warlord Haftar, die sudanesische Miliz RSF und der Söldnertrupp Wagner kooperieren schon länger in der Region.

Financial Times: Burkina Faso betrachtet Russland als Verbündeten. Hauptmann Ibrahima Traoré, seit dem Putsch 2022 Interrimsstaatschef Burkina Fasos, ist mit der Kooperation mit Russland zufrieden. Dass Wagner-Söldner die burkinische Armee im Sahel beim Kampf gegen Islamisten unterstützen, streitet er aber weiterhin ab.

Financial Times: Die 100 am schnellsten wachsenden Unternehmen Afrikas. Trotz der schwierigen globalen Wirtschaftslage sind viele afrikanische Unternehmen zuletzt gewachsen – teils in beeindruckendem Ausmaß. Besonders in den Sektoren Fintech, Gesundheitswesen und Erneuerbare Energien läuft es gut.

Foreign Policy: USA sollte in Afrika mehr auf Wirtschaft setzen. Washingtons afrikapolitischer Ansatz fokussiert sich auf Gesundheit, soziale Entwicklung und Demokratie – mit bisher bescheidenen Ergebnissen. China, Indien und die Golfstaaten dagegen sind mit wirtschaftlicher Kooperation immer erfolgreicher. Daran sollten sich die USA ein Beispiel nehmen, meinen zwei Experten.

Jeune Afrique: Crystal Ventures, Paul Kagames Wirtschaftsarm. In einer zweiteiligen investigativen Reihe untersucht das französische Magazin die Holdinggesellschaft der ruandischen Präsidentenpartei RPF. Crystal Ventures ist in der heimischen Wirtschaft fest verankert – und breitet sich seit einigen Jahren auch auf dem Kontinent aus.

Semafor: Botsuana will in globalen Diamantenhandel einsteigen. Der Erwerb einer Beteiligung von 24 Prozent an dem belgischen Diamantenunternehmen HB Antwerp durch Botsuana ist ein ehrgeiziger Versuch, über den bloßen Abbau von Mineralien hinaus zu höherer Wertschöpfung zu gelangen.

African Business: Investitionen in Landwirtschaft und Infrastruktur sind komplementär. Obwohl der größte Teil der afrikanischen Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig ist, fließt weitaus mehr Geld in Infrastruktur als in diesen Sektor. Ein Meinungsbeitrag in dem Wirtschaftsmagazin beschreibt, warum das nicht unbedingt ein Problem ist.

Heads

Osei Tutu II. – ganz privat bei Charles III.

Osei Tutu II. besucht Charles III. anlässlich dessen Krönung.

Unter den 2200 Teilnehmern der Krönungsfeierlichkeiten von Charles III. stach ein Teilnehmer heraus: Osei Tutu II. Das lag nicht allein daran, dass der König der Aschanti mit seiner Frau Julia Osei Tutu in traditioneller Kleidung in Westminster Abbey einschritt und sich damit von Uniformen, Cutaways und anderer westlicher Kleidung abhob.

Stärker bemerkt wurde, dass der englische König Charles III. Osei Tutu und seine Frau am Vortag zu einer privaten Audienz in den Buckingham-Palast eingeladen hatte. Damit wurde dem König der Aschanti eine Ehre zuteil, die Ghanas Staatspräsidenten Nana Akufo-Addo, der mit seiner Frau ebenfalls nach London gereist war, versagt geblieben war.

Das königliche Treffen ist mit Fotos dokumentiert, wie die Hoheiten herzhaft lachend beieinander stehen und Hände schütteln. Am Samstag feierte er zudem seinen 73. Geburtstag. Bei aller Freundlichkeit lag es Osei Tutu auch daran, deutlich zu machen, dass er in einem Detail über dem britischen Monarchen steht, nämlich was die Dauer der Regentschaft angeht. Schon seit April 1999 regiert Osei Tutu als der 18. Asantehene.

Dynastie mit Wurzeln im 16. Jahrhundert

Auch wenn Otumfuo Nana Osei Tutu II., wie er mit vollem Namen heißt, kein offizielles Staatsamt bekleidet, so spielt er doch für Ghana und seine gut 30 Millionen Einwohnern eine wichtige Rolle. Der Asantehene ist Monarch des historischen Aschanti-Reichs und inoffizieller Herrscher der Aschanti, der größten Volksgruppe im Vielvölkerstaat Ghana. Die Dynastie geht zurück auf Nana Twum, der von ca. 1570 bis 1590 regierte. Noch heute erweisen selbst gewählte Staatsoberhäupter dem Monarchen Respekt, der seine ganze Autorität einbringt, um die nationale Einheit zwischen den Volksgruppen zu sichern.

Osei Tutu trägt einen großen Namen. Osei Tutu I. war der sechste König in der Geschichte der Aschanti. Er formte im Jahr 1701 das mächtige Aschanti-Reich und regierte es bis 1717, als er im Kampf fiel. Das Reich erstreckte sich bis zur Eroberung durch die Briten vom heutigen südlichen Ghana bis weit in die heutige Elfenbeinküste hinein.

Im Alter von fünf Jahren zog Osei Tutu II. an den Königshof seines Onkels, Oheneba Mensah Bonsu, den Hiahene, der 1952 inthronisiert wurde. Dort wurde Nana Barima Kwaku Duah, wie Osei Tutu bis zu seiner Krönung hieß, auf seine künftige Aufgabe vorbereitet. Immerhin war er einer von sieben Thronanwärtern. Er ging in der Aschanti-Hauptstadt Kumasi zur Schule, studierte Betriebswirtschaft in Accra und ging dann an die heutige London Metropolitan University, wo er Unternehmensführung studierte.

Karriere in der Privatwirtschaft

Von 1981 bis 1987 arbeitete er in Toronto für eine Versicherungsgesellschaft und gründete erst einen Immobilienfinanzierer in London und dann ein Transportunternehmen in Accra, bis er nach seiner Thronbesteigung in den Manhyia-Palast in Kumasi einzog. Dieser wurde 1925 von den Briten erbaut, nachdem die britischen Kolonialtruppen 1874 in ihrem dritten Krieg gegen die Aschanti den historischen Palast zerstört hatten. Im Manhyia-Palast hatte Osei Tutu auch schon König Charles und Königin Camilla empfangen.

Osei Tutus Verbindung nach Großbritannien blieb immer eng. Ghana war der erste Staat südlich der Sahara, den Großbritannien 1957 in die Unabhängigkeit entließ, vier Jahre nach der Krönung von Königin Elisabeth II. Im Jahr 2000 beispielsweise empfing die Königin Osei Tutu im Buckingham-Palast. Anschließend reiste er nach Glasgow und traf Charles, den damaligen Prince of Wales.

Wichtige Rolle bei den Freimaurern

Auch durch seine Rolle bei den Freimaurern pflegt Osei Tutu enge Beziehungen zu Großbritannien. Er ist nicht nur Großmeister der Großen Loge von Ghana, sondern auch Schwertträger der Vereinten Großloge von England, die von sich behauptet, die älteste Großloge der Welt zu sein. Ihr Großmeister ist seit 1968 Edward, der Herzog von Kent, ein Onkel zweiten Grades von Charles III.

So haben Osei Tutus Verbindungen nach Großbritannien sicher einen Anteil daran, dass die Beziehungen Ghanas zur alten Kolonialmacht heute besonders eng sind. Vor zwei Jahren schlossen die beiden Länder ein Wirtschaftsabkommen, das den Handel im Volumen von rund 1,4 Milliarden Euro weiter fördern soll. So hat Ghana zollfreien Zugang zum britischen Markt für seine Exportprodukte: Obst, vor allem Bananen, Thunfisch, Kakao und fossile Brennstoffe. Umgekehrt importiert Ghana Textilien, Maschinen, Chemieprodukte und mechanische Anlagen.

Zuletzt war Charles 2019 in Ghana, wo er den Prince of Wales Park an der Kwame Nkrumah University of Science and Technology eröffnete. Rektor dieser Universität ist niemand anders als Osei Tutu. Zur Krönung seines Freunds schenkte dieser ihm übrigens eine gefiederte Krone, nicht als königliches Zeichen, sondern, wie Osei Tutu es formulierte, in Anerkennung von Charles’ “Engagement zum Erhalt des Regenwalds und zur Wiederherstellung der Harmonie zwischen Mensch und Natur”. Christian von Hiller

Africa.Table Redaktion

AFRICA.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    das neue Abkommen zwischen der EU und den AKP-Staaten wird schon lange verhandelt. Schwierigkeiten bereiten weniger die 79 AKP-Staaten als vielmehr die nur 27 Mitgliedsländer der EU. In der vergangenen Woche schien es einen Augenblick lang so, als könne das Abkommen nun endlich unterzeichnet werden. Doch dann kam doch wieder Widerstand aus der Reihe der EU.

    Unterdessen treiben die Regierungen im südlichen Afrika den Freihandel voran. Schritt um Schritt vereinfachen sie die Abfertigung an den Grenzen. Das kommt auch deutschen Unternehmen in der Region zugute.

    Auch bei uns im Africa.Table ist die Krönung von Charles III. und seiner Frau Camilla ein Thema. Der Monarch nutzte die Feierlichkeiten, um Osei Tutu II., den König der Aschanti, aus dem Gros der mehr als 2000 Teilnehmer besonders hervorzuheben. Auch wenn Ghana eine Republik ist, so übt der Monarch doch eine wichtige Funktion für den Zusammenhalt im Land aus. Wir stellen Ihnen den Monarchen vor.

    Und auch in dieser Woche geht es um die Sicherheitspolitik, vor allem in Ostafrika: Prinz Asfa-Wossen, Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers, benennt in einem Gastbeitrag die wahren Gründe, warum Äthiopien so schwer zu einem inneren Frieden findet. Unser Kollege Merga Yonas Bula analysiert die Reise von Bundeskanzler Scholz in die Region.

    Auch in dieser Ausgabe finden Sie wieder aktuelle News aus Afrika und unsere Presseschau. Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!

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    Ihr
    Christian von Hiller
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    Analyse

    Cotonou 2.0 für EU-Afrika-Beziehungen nachrangig

    Das neue Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Organisation afrikanischer, karibischer und pazifischer Staaten (OAKPS) scheint nun doch nicht rechtzeitig in Kraft treten zu können. Nachdem eine langwierige ungarische Blockade vergangenen Monat endlich ausgeräumt war, blockiert nun Polen das Vorhaben. Der holprige Vorgang wirkt emblematisch für die Neuordnung der Beziehungen zwischen EU und OAKPS.

    Das neue Abkommen, bisher nur als Post-Cotonou oder Cotonou 2.0 bekannt, ist bereits das vierte in Folge. Dem 2000 abgeschlossenen Cotonou-Abkommen gingen die Abkommen von Lomé (1975) und Yaoundé (1963) voraus. Mit den Verträgen sollte seinerzeit die besondere Beziehung der unabhängig gewordenen Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks mit ihren ehemaligen europäischen Kolonialherren fortgeschrieben werden. Zudem sollten die Länder stärker an die Europäer gebunden werden. Die Abkommen schrieben dafür besondere Handelsregelungen fest und ordneten die gemeinsame Entwicklungsarbeit.

    Das Post-Cotonou-Abkommen soll dies nun fortschreiben und dabei zudem den paternalistischen Ansatz sowie die ungleichen Handelsbeziehungen der Vergangenheit überwinden. Aus den Reihen der OAKPS, die erst seit 2019 eine echte internationale Organisation ist und zuvor als eher lose Gruppe der AKP-Staaten agierte, waren solche Vorwürfe immer wieder erhoben geworden. Grundpfeiler des Post-Cotonou-Abkommens sind unter anderem die Verpflichtung gegenüber Demokratie und Menschenrechten, Frieden und Sicherheit sowie nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und Klimaschutz. Auch Migration und Mobilität sind Kernthemen des neuen Vertrags.

    Kaum Begeisterung für Post-Cotonou

    Doch offenbar löst Cotonou 2.0 in Europa nicht viel Begeisterung aus. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron scheint das Post-Cotonou Abkommen für überholt zu halten, und auch Luxemburgs Premierminister ist wohl kaum interessiert. Das Hauptquartier der OAKPS in Brüssel wird zwar durch EU-Mittel finanziert, von den europäischen Staaten jedoch auf geradezu stiefmütterliche Weise ignoriert. Zudem sind mit der Ausgliederung der Economic Partnership Agreements sowie des European Development Fund zwei bisher wesentliche Pfeiler der EU-OAKPS-Beziehungen aus dem Abkommen ausgenommen: Handel und Entwicklungsarbeit. Die Maastrichter Denkfabrik European Centre for Development Policy Management hält Post-Cotonou darum für die künftigen Beziehungen zwischen EU und OAKPS-Beziehungen für unerheblich.

    Thinktanks wie der European Council on Foreign Relations verweisen auf die wachsenden Beziehungen zwischen EU und Afrikanischer Union (AU), angesichts derer Post-Cotonou zu einem Nebenschauplatz zu verblassen drohe. Südafrika, das am stärksten industrialisierte Land und Deutschlands wichtigster Wirtschaftspartner auf dem Kontinent, hat im vergangenen Jahr die OAKPS verlassen. Der Grund: Die Gruppe sei für die Beziehungen zu Europa überflüssig. Nordafrikanische Staaten – Europas direkte Nachbarn – waren nie Teil der OAKPS, gehören aber ebenso wie Südafrika zur AU und zur Afrikanischen Freihandelszone (AfCFTA). So setzen vor allem die karibischen und pazifischen Staaten bei ihren Beziehungen zu Europa auf die OAKPS und ihr politisches Gewicht. Afrika könnte seine Angelegenheiten wohl auch problemlos allein regeln.

    Fokus auf regionale Kooperation

    Holger Görg, amtierender Präsident des Kiel Institut für Weltwirtschaft, beschreibt das Post-Cotonou Abkommen dennoch als wichtigen Rahmen für die zukünftigen Beziehungen zwischen Europa und den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks. Es gehe um “Kooperation auf einer gewissen Augenhöhe”, sagt Görg im Gespräch mit Table.Media. Besonders hervorzuheben sei die geplante Zusammenarbeit bei Wissenschaft, Technologie und Innovation, sowie der Austausch von Know-how. Cotonou 2.0 umfasst mit den 79 Mitgliedern der OAKPS und den 27 EU-Staaten immerhin ein Fünftel der Weltbevölkerung und die Hälfte der Sitze in der UN-Vollversammlung. Das Abkommen schafft auch die Rechtsgrundlage für die Europäische Investitionsbank um in den OAKPS-Staaten zu agieren.

    Zudem schreibt Post-Cotonou, anders als die Vorgängerabkommen, regionale Frameworks für die Zusammenarbeit fest. So soll sichergestellt werden, dass die Kooperation mit den drei Regionen Afrika, Karibik und Pazifik entsprechend ihrer jeweiligen speziellen Anforderungen ausgerichtet wird. So wird zum Beispiel die gemeinsame Paritätische Parlamentarische Versammlung AKP-EU – ein wichtiges Organ im Austausch zwischen den beiden Staatengruppen – durch drei regionale parlamentarische Versammlungen ergänzt. Ein neuer Multi-Stakeholder-Ansatz, der gemeinsam mit der OECD entwickelt wird, soll über den bisherigen Miteinbezug von nichtstaatlichen Akteuren hinausgehen und das Abkommen so inklusiver machen. Doch für Kay Pfaffenberger, Leiter des Centre for Business and Technology in Africa an der Hochschule Flensburg, geht das über bisherige Ansätze nicht weit genug hinaus. “Das Abkommen in seinem allgemeinen Ansatz wird der Vielfalt der beteiligten Länder und ihrer Herausforderungen nicht gerecht”, sagt er zu Table.Media. “Im Wettlauf um afrikanische Partnerstaaten wird es bestenfalls Leitplanken liefern.”

    Helmut Asche, Afrikaexperte und Professor i.R. an der Universität Mainz, wird noch deutlicher: “Cotonou 2.0, da spielt nicht die Musik,” so Asche im Gespräch mit Table.Media. “Die Musik spielt bei den Economic Partnership Agreements und der AfCFTA. Und bei der Global Gateway Initiative, wenn es der EU denn endlich gelingt, diese bisher unbestimmte Initiative inhaltlich zu unterfüttern.”

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    Scholz’ schwierige Friedensmission

    Die Reise von Bundeskanzler Scholz am Wochenende galt bei weitem nicht nur Äthiopien und Kenia. Auch ein Besuch bei der Afrikanischen Union (AU), die ihren Sitz in Addis Abeba hat, stand auf seinem Programm. Am 4. Mai traf er mit dem AU-Kommissionsvorsitzenden Moussa Faki Mahamat zusammen und sicherte die Unterstützung bei der Beendigung der bewaffneten Konflikte in Sudan und in der Sahelzone zu.

    Diese friedensstiftende Rolle Deutschlands in der Region wird davon überschattet, dass Ägypten gleichzeitig der größte Importeur von Waffen aus Deutschland ist. Im Jahr 2021 gab das Land 4,34 Milliarden Euro für Waffenkäufe aus und wird beschuldigt, die Waffen in anderen Konflikten einzusetzen.

    “Wir wollen unseren Beitrag dafür leisten, Frieden und Sicherheit voranzubringen”, teilte Scholz in einem Pressestatement vom selben Tag mit. “Deshalb haben wir uns mit den verschiedenen schwierigen Sicherheitslagen in verschiedenen Regionen Afrikas beschäftigt, ganz besonders und zuallererst natürlich, was den neu ausgebrochenen Konflikt im Sudan betrifft.” Scholz warnte weiter vor der Gefahr, dass sich verschiedene Akteure, sowohl in unmittelbarer Nähe als auch entfernter, in den Konflikt einmischen und damit eine Zuspitzung und Ausweitung begünstigen könnten.

    Zu viele Schlichter in der Region

    Auch der afrikanische Thinktank Institute for Security Studies (ISS) befürchtet, dass zu viele Konfliktschlichtungen in der Region aufkommen. Es müssten Anstrengungen unternommen werden, um “eine weitere Zersplitterung der Friedensinitiativen zu verhindern” und zu vermeiden, dass regionale Akteure die Konflikte weiter antreiben, ansonsten “könnten alle Versuche, einen dauerhaften Frieden zu schaffen, scheitern”, hieß es in einem Bericht des ISS vom 3. Mai.

    Friedensinitiativen haben ohnehin eine lange Geschichte in der Region. Diesen Monat ist es zehn Jahre her, dass die AU die Initiative “Silencing the Guns” (Die Waffen zum Schweigen bringen) verabschiedet hat. Sie zielt darauf ab, “die Last der Konflikte nicht an die nächste Generation von Afrikanern weiterzugeben und sich zu verpflichten, alle Kriege bis 2020 zu beenden”.

    Im März erklärte der Leiter der Initiative, Mohamed Ibn Chambas, vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, dass die Erreichung des Ziels gefährdet sei, auch wenn die Frist vor drei Jahren auf 2030 verschoben wurde. Dies sei unter anderem auf das Defizit bei der Bewältigung verfassungswidriger Regierungswechsel zurückzuführen.

    Zahlreiche Konflikte auf niedrigem Niveau

    Einem Bericht der Geneva Academy zufolge gibt es heute in Subsahara-Afrika “35 nicht-internationale bewaffnete Konflikte”, womit der Kontinent nach dem Nahen Osten und Nordafrika an zweiter Stelle steht. Chiara Redealli, Forschungsstipendiatin an der Akademie, erklärte gegenüber Table.Media, dass der Grund für die hohe Zahl bewaffneter Konflikte in Afrika “historische und geopolitische Gründe hat, die mit dem Entkolonialisierungsprozess und seinen Folgen zusammenhängen”.

    Ostafrika und die Sahelzone liegen auf der tektonischen Platte der bewaffneten Konflikte. In einem im März 2023 veröffentlichten Bericht des Global Terrorism Index heißt es: “Die Sahel-Region in Afrika südlich der Sahara ist heute das Epizentrum des Terrorismus, wobei die Sahel-Region im Jahr 2022 mehr terroristische Todesopfer forderte als Südasien und der Nahe Osten und Nordafrika (MENA) zusammen.” Ethnische Polarisierung und Interventionen von außen sind einige der Gründe, die in dem Bericht genannt werden.

    Ermunternde Worte vom Kanzler

    So wie es Interventionen gibt, die versuchen, Waffen zum Schweigen zu bringen, gibt es auch andere, die versuchen, Konflikte weiter zu verschärfen, indem sie Waffen von der Kalaschnikow bis zur Drohne liefern. Es gibt auch solche, die beide Rollen spielen. Immerhin ist es gelungen, den Bürgerkrieg in Ruanda 1994 zu beenden und das Land dauerhaft zu befrieden. Allerdings, so Chiara Redealli, “gibt es auch Kriege, die aufgrund von geopolitischen Einflüssen und wirtschaftlichen Interessen jahrzehntelang andauern”.

    In einem Tweet lobte Scholz die Fortschritte Äthiopiens bei der Beendigung des Bürgerkriegs in Tigray. Allerdings fügte er hinzu: “Ich habe Premier Abiy und die Regionalregierung ermutigt, sich weiter für einen dauerhaften Frieden einzusetzen und Kriegsverbrechen aufzuarbeiten.” Auch Redealli betonte die Notwendigkeit, “Übergangsjustiz” zu schaffen, um einen dauerhaften Frieden auf dem Kontinent zu erreichen.

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    Delegationsteilnehmer der Kanzlerreise

    Kai Acker, KHS GmbH, Vorsitzender der Geschäftsführung

    Hamed Beheshti, Boreal Light GmbH, Gründer und CEO

    Carl Heinrich Bruhn, Amatheon Agri Holding N.V., CEO

    Sabine Dall’Omo, Siemens Sub-Saharan Africa, CEO

    Antje Eckel, Dr. Eckel Animal Nutrition GmbH & Co. KG, Geschäftsführerin

    Heinz-Walter Große, SAFRI, Vorsitzender

    Michael Horsch, Horsch Maschinen GmbH, Geschäftsführer

    Christiane Kragh, Off-Grid Europe GmbH, Gründerin und CEO

    Christiane Laibach, KfW, Mitglied des Vorstands

    Thorsten Schäfer-Gümbel, GIZ, Vorstandssprecher und Mitglied des Vorstands

    Frank Theeg, Authentic Network GmbH, CEO

    Andreas Weidler, Fichtner GmbH & Co. KG, Vorsitzender der Geschäftsführung

    One-Stop an den Grenzen für effizienteren Handel

    Der Grenzübergang in der beschaulichen Kleinstadt Kazungula in Norden Botsuanas war jahrelang ein Dorn im Auge von Fernfahrern im südlichen Afrika. Um ins benachbarte Sambia zu gelangen, mussten die LKWs auf ein Ponton verladen werden, welches den Sambesi-Fluss überquerte. Maximal zwei LKWs passten auf die wackligen Fähren mit einer Ladekapazität von 70 Tonnen.

    Vor der Grenze stauten sich die Lastwagen bis zu zehn Kilometern. Wartezeiten von ein bis zwei Wochen waren nicht selten, obwohl die Grenze im Vierländereck an einem wichtigen Wirtschaftskorridor liegt, der den größten Hafen in der Region, Durban, über fast 3.000 Kilometer mit dem bedeutendsten Kupferanbaugebiet Afrikas, in Sambia und der Demokratischen Republik Kongo, verbindet.

    Im Mai 2021 änderte sich die Situation schlagartig mit der Eröffnung der Kazungula Bridge, eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte, die laut CNN “Afrika neugestalten”. Statt einer Woche dauert die Grenzüberquerung nun weniger als einen Tag. Dabei half, dass mit der Brücke gleich ein One Stop Border Post (OSBP) eingerichtet wurde, mit dem die Güterabfertigung harmonisiert und vereinfacht wurde.

    Wohlstand und Arbeitsplätze

    Sechs Jahre brauchte der südkoreanische Konzern Daewoo E&C für den Bau der 265 Millionen Euro teuren Brücke. Finanzielle Unterstützung kam unter anderem von der Afrikanischen Entwicklungsbank sowie Entwicklungshilfe aus Japan und von der EU. Die ehemalige Generalsekretärin der Southern African Development Community (SADC), Stergomena Tax, freute sich bei der Eröffnung, dass die Brücke den Warenaustausch in der Region erleichtern wird, und dazu beiträgt, “Wohlstand und Arbeitsplätze für SADC-Bürger zu schaffen.”

    Doch es ist nicht nur die Brücke, die den Abfertigungsprozess beschleunigt, sondern auch moderne Technologie, wie LKW-Röntgengeräte und Computersysteme. Diese müssen auch nur noch auf einer Seite der Grenze eingesetzt und nicht mehr zwei Mal bei der Ausreise aus dem einen und der Einreise in das andere Land.

    Effizientere Grenzkontrollen sind in Afrika dringend notwendig. Aufgrund fehlender Infrastruktur liegt der innerafrikanische Handel derzeit lediglich bei 14,4 Prozent aller Exporte, schätzt die Welthandels- und Entwicklungskonferenz UNCTAD. In Europa liegt die Zahl bei 60 Prozent, in Nordamerika sind es 40 Prozent, und bei den ASEAN-Staaten 30 Prozent. Doch heute haben wir vergessen, dass die Zollunion in Europa zwar schon 1968 geschaffen wurde, die Grenzen jedoch erst 2019 komplett gefallen sind.

    Aufbau eines afrikanischen Binnenmarktes

    Mit der Entstehung der Afrikanischen Freihandelszone AfCFTA, die ebenfalls 2019 ratifiziert wurde, soll der gesamtkontinentale Binnenmarkt schrittweise aufgebaut werden und in Zukunft ein BIP von mehr als drei Billionen Euro sowie 1,3 Milliarden Menschen umfassen. Die AfCFTA, deren Anfangsschritte sich durch die Corona-Pandemie verzögert hatten, hat das Potential, den innerafrikanischen Handel um mehr als 30 Prozent zu erhöhen.

    OSBPs gibt es als Konzept in Afrika seit etwas mehr als zehn Jahren. Das erste Pilotprojekt entstand am Grenzübergang Chirundu zwischen Simbabwe und Sambia, Teil des wichtigen Nord-Süd-Korridors im südlichen Afrika. Auch hier stauten sich in der Vergangenheit die LKWs bis zu drei Wochen. Jetzt passieren sie die Grenze in der Regel innerhalb eines Tages, was geschätzte 110 bis 360 Euro pro Tag einspart.

    Andere OSBPs folgten in Westafrika (zwischen Togo und Burkina Faso), aber vor allem in Ostafrika, wie etwa in Namanga (Kenia und Tansania), Rusomo (Ruanda und Tansania) und Gasenyi I/Nemba (Burundi und Ruanda). Insgesamt sind in Afrika zehn OSBPs bereits fertigstellt, 12 weitere werden gerade gebaut, und mehr als 50 befinden sich in Planung.

    Grenzposten mitten in der Kalahari

    Anfang April kam im südlichen Afrika der Grenzübergang Buitepus/Mamuno zwischen Botsuana und Namibia hinzu. Mitten in der Kalahari-Wüste gelegen, ist der Übergang Teil des rund 2.300 Kilometer langen Trans-Kalahari-Korridors, der Maputo in Mozambik am indischen Ozean über den Großraum Johannesburg mit Walvis Bay in Namibia am Atlantik verbindet. An dieser Grenze werden jeden Monat rund 8.000 LKWs abgefertigt, jetzt auch rund um die Uhr. Man begrüße den Abbau der Hindernisse, “die den grenzüberschreitenden Verkehr beeinträchtigen”, so die botsuanische Ministerin für Nationalität und Einwanderung, Anna Mokgethi.  

    So weit ist man am Grenzübergang Oshoek/Ngwenya, dem zweitverkehrsreichsten Grenzposten von Südafrika, über den Eswatini drei Viertel seiner Importe abwickelt, noch nicht. Die Verzögerungen an der Grenze verursachen einen “Rückstau bei der Warenabfertigung”, beschwert sich der Chef der Handelskammer von Eswatini, Nathi Dlamini. Abhilfe könnte bald kommen. Südafrika hat im vergangenen Jahr die Border Management Authority (BMA) gegründet und jetzt einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt, der vorsieht, die sechs wichtigsten Grenzübergänge des Landes nach Botsuana, Eswatini, Lesotho, Mozambik und Simbabwe zügig in One Stop Border Posts umzuwandeln.

    Von diesen Ländern hat nur Mosambik einen direkten Zugang zum Meer, alle anderen sind als Binnenstaaten beim Warenverkehr zum Großteil auf Südafrika angewiesen. So auch Simbabwe, das über den notorisch chaotischen Grenzübergang Beitbridge mit dem Land am Kap verbunden ist. Beitbridge ist der größte Grenzposten in Afrika, den täglich rund 1.000 LKWs passieren, und wird derzeit mit 280 Millionen Euro modernisiert.  

    Vergangene Woche waren die Grenzen auch ein Thema beim Transform Africa Summit, dem wichtigsten ICT-Gipfel in Afrika, in Victoria Falls in Simbabwe, an dem fünf Staatsoberhäupter teilnahmen. Für Sambias Präsident Hakainde Hichilema, der vor kurzem einen modernen Grenzübergang ins Nachbarland Malawi einweihte, ist das ambitionierte Ziel ein “Non Stop Border Post”, an dem die Grenzkontrollen wegfallen. Bis dahin ist aber noch ein langer Weg.

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    Sicherheitslage in Mali: Vertrauen in Russland, Ablehnung Frankreichs

    Mehr als 90 Prozent der Malierinnen und Malier vertrauen Russland im Einsatz gegen Unsicherheit im Land. Das geht aus einer Befragung der Friedrich-Ebert-Stiftung hervor, die sie jährlich in Mali durchführt. 57 Prozent der 2.000 Befragten hingegen zeigten sich unzufrieden mit dem Einsatz der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (Minusma). Drei von vier Befragten werfen der UN-Mission vor, dass sie die Bevölkerung nicht vor bewaffneten Gruppen schütze. Die Ablehnung ist in Regionen größer, in denen Minusma weniger präsent ist.

    Die hohen Zustimmungswerte für Russland hätten “viel mit der Propaganda der malischen Regierung zu tun”, sagt Christian Klatt, Büroleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bamako. Diese feiere zwar “die russische Partnerschaft”, gebe aber nicht offiziell zu, “dass es Wagner-Truppen sind, die im Land sind”.

    Die Enttäuschung über die europäische Intervention beziehe sich hauptsächlich auf die französischen Antiterrormissionen. Sie habe nicht die Erfolge gebracht, die sich die Malier erhofft hätten. Allerdings seien die Zustimmungswerte für Frankreich zu Beginn des französischen Einsatzes ähnlich hoch gewesen wie die aktuellen Zahlen für Russland, sagt Klatt. “Die Malier haben hohe Erwartungen. Man möchte, dass sich etwas ändert, weshalb sehr viel Vertrauen in bestimmte Akteure gesteckt wird.” Außerdem bilden die Zahlen zwar eine Tendenz ab, seien aufgrund der eingeschränkten Meinungsvielfalt in Mali aber “mit Vorsicht zu genießen”.

    Deutschland hingegen hat einen guten Stand in der Bevölkerung. Das sei am Haupteinsatzort Gao spürbar. “Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr tragen klar die Flagge, weil Deutsche weniger angegangen werden”, sagt Klatt. Das habe einerseits damit zu tun, dass Deutschland anders als Frankreich in Mali keine Kolonialmacht war, zum anderen, weil die Bundesrepublik 1960 als erster Staat Malis Unabhängigkeit anerkannt habe.

    2024 verlassen die letzten deutschen Soldaten Mali

    Die Bundesregierung hatte vergangene Woche die deutsche Beteiligung an der UN-Mission bis Mai 2024 verlängert. Zuletzt hatten Spannungen zwischen der Militärregierung des Landes und westlichen Ländern den Einsatz erschwert. Mit dem Ende des Mandats in Mali will die Bundesregierung das deutsche Engagement in der Sahel-Region nicht beenden. Die Bundeswehr soll etwa im benachbarten Niger im Rahmen der militärischen Partnerschaftsmission EUMPM nigrische Kräfte ausbilden. bub

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    Kredite aus China sind teurer 

    Die afrikanischen Länder müssen an private und chinesische Geldgeber oft sehr viel höhere Zinssätze zahlen als an öffentliche Finanzinstitutionen. Dies geht aus einer neuen Studie des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) hervor. Herkömmliche öffentliche Gläubiger wie etwa die Weltbank oder einzelne Geberstaaten erhalten im Schnitt nur etwa ein Prozent Zinsen, während chinesische Kredite aus staatlicher Hand mit durchschnittlich 3,2 Prozent verzinst werden. Private Geldgeber, etwa Investmentfonds, die afrikanische Staatsanleihen halten, verlangen im Mittel sogar mehr als sechs Prozent Zinsen.  

    Diese Zinslücke sei nicht überraschend, so Studienautor Christoph Trebesch. Schließlich seien private Geber vor allem durch Rendite motiviert, öffentliche Investoren hingegen verfolgten oft einen politischen Auftrag. Problematisch sind die unterschiedlichen Zinssätze allerdings, weil auf diese Weise durch günstigere Kredite teurere bedient werden müssen. So werden mit öffentlichen Geldern letztlich die hohen Renditen privater Investoren querfinanziert. Und auch die Zinsen für chinesische Kredite werden so teilweise mit westlicher Entwicklungshilfe bezahlt. 

    Für die Studie hat das IfW den afrikanischen Kreditboom seit dem Jahr 2000 untersucht. Seither ist China zu einem der wichtigsten Geldgeber auf dem Kontinent aufgestiegen. In jüngster Zeit verfolgt China allerdings eine Neuausrichtung seiner Afrikapolitik und hat die Kreditvergabe stark reduziert. Dies geht aus einem Policy Brief der China Africa Research Initiative der Johns Hopkins University hervor. Mit seiner Kreditpolitik habe China bisher den Ansatz “Engineering-Procurement-Construction Plus Financing” verfolgt. Nun setze das Land auf “Integrated Investment, Construction, and Operation”. Dieser neue Ansatz sieht vor, dass chinesische Firmen nicht länger nur als Auftragnehmer für den Bau von Infrastrukturprojekten arbeiten, sondern auch die Verantwortung für den Betrieb übernehmen. Um solche Betriebsrechte zu erhalten, müssen die Unternehmen oft eine Kapitalbeteiligung leisten. ajs

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    Rechtsrisiken in Afrika sorgfältig prüfen

    Vor einem wirtschaftlichen Engagement in Afrika sollte stets eine eingehende rechtliche Prüfung im Rahmen einer Due Diligence stehen. Besonders das Risiko einer Veränderung in der Regulierung darf nicht unterschätzt werden. Diese Meinung vertrat Nathan Searle, Partner der internationalen Anwaltskanzlei Hogan Lovells, auf einer Fachtagung zum Thema Risikovermeidung in Frankfurt.

    So müsse auch geprüft werden, nach welchen Regeln Gewinne, die in einem afrikanischen Land erzielt werden, repatriiert werden dürfen, und wie hoch das Risiko einer Änderung bestehender Regelungen sei. Zwar verändere sich der rechtliche Rahmen in Afrika oft nur sehr schwerfällig, manchmal könnten neue Regeln aber auch ganz rasch eingeführt werden.

    Investoren und Handeltreibende müssten sich grundsätzlich darauf einstellen, dass Risiken in Afrika anders zu bewerten und zu gewichten seien als in Europa. Geschäftsbeziehungen mit dem afrikanischen Kontinent sollten demnach besonders sorgfältig gemanagt werden.

    In Bezug auf Länderrisiken bezeichnete Vincent Rouget, Direktor der Risikoberatungsgesellschaft Control Risks, Nigeria und Südafrika als Enttäuschungen. In beiden Ländern stellt er einen gravierenden “Mangel an Führungsqualität und Visionen” fest. Darunter leide der gesamte Kontinent, weil diese beiden Länder wirtschaftlich die Schwergewichte auf dem Kontinent seien. hlr

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    Konferenz in Frankfurt über Medizintechnik

    Mit der Corona-Pandemie ist in Europa das Bewusstsein dafür gewachsen, wie sehr Afrika ein modernes Gesundheitssystem benötigt. Der Africa Med Pharma Day am Donnerstag, den 11. Mai in Frankfurt, wird ausgerichtet von der IHK Frankfurt/Main, Fair Concept Africa und der German Health Alliance, und befasst sich mit Medizintechnik und der Ausrüstung von Arztpraxen, medizinischen Labors, Krankenhäusern und Apotheken.

    Vertreter führender deutscher Unternehmen aus dem Gesundheitsbereich werden an der Konferenz teilnehmen. Auch Repräsentanten des afrikanischen Gesundheitssektors, Wissenschaftler und Wirtschaftsvertreter, etwa vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft, haben sich angekündigt. hlr

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    Standpunkt

    Äthiopiens Politik de-ethnifizieren

    Von Asfa-Wossen Asserate
    Prinz Asfa-Wossen Asserate.
    Prinz Asfa-Wossen Asserate.

    Die Reise von Bundeskanzler Scholz nach Äthiopien und Kenia hat vor dem Hintergrund großer Spannungen in der Region stattgefunden. Das darf nicht übersehen werden, auch wenn der Anlass der Reise wohl der 60. Jahrestag der Gründung der Afrikanischen Union war.

    Selbstverständlich ist es positiv zu bewerten, dass die äthiopische Regierung und die Tigray People’s Liberation Front (TPLF) im November einen Waffenstillstand geschlossen haben. Doch es bleibt die Frage: Ist dabei ein guter Friede zustande gekommen? Das muss bezweifelt werden. Denn ein wesentlicher Partner, die Vertreter der Amharen, war an diesem Abkommen nicht beteiligt, obwohl die Regionen Amhara und Afar zuvor der Schauplatz schlimmster Gräueltaten waren.

    In diesem Konflikt sind bisher schon 1,2 Millionen Äthiopier gestorben. Es gibt keinen gerechten Krieg. Das ist unbestritten. Nur: Wenn wir die Geschehnisse beurteilen, dürfen wir nicht übersehen, dass die TPLF in diesem Krieg keineswegs nur Opfer war. Immerhin hat sie diesen Krieg ausgelöst, indem sie nächtens die Nordarmee grausam überfallen und massakriert hatte.

    Einziger Staat mit regionalen Armeen

    Seit dem Waffenstillstand werden ausgerechnet die Amharen, also diejenigen, die für die nationale Integrität die größten Opfer gebracht haben, als Terroristen angesehen. Der Grund dafür ist, dass die Amharen eine Entwaffnung ihrer Truppen ablehnen. Das ist wegen eines äthiopischen Kuriosums ein Politikum: Äthiopien ist wohl der einzige Staat auf der Welt, in dem die untergeordneten Bundesstaaten eigene, regionale Armeen unterhalten dürfen.

    Nun wäre eine Entwaffnung aller Konfliktparteien wünschenswert. Doch Staatspräsident Abiy, ein Oromo, hat seine eigene Volksgruppe davon ausgenommen. Damit steht die größte Ethnie im Land immer noch unter Waffen. Wen mag es da verwundern, wenn die Amharen unter diesen Voraussetzungen kein Vertrauen in die Regierung haben?

    Nach dem Ende des Kriegs mit den Tigray droht Äthiopien ein neuer Krieg, dieses Mal zwischen den Oromo und den Amharen. Diese Gemengelage muss sich der Westen bewusst machen. Er muss den Konflikt, der Äthiopien zu zerreißen droht, differenzierter betrachten, als er es bisher getan hat.

    Deutschland kann Beitrag leisten

    Um einen neuen Krieg zu verhindern, kann die deutsche Regierung einen wichtigen Beitrag leisten. Der Westen muss sich zunächst eingestehen, dass Präsident Abiy, der Friedensnobelpreisträger von 2019, eine große Enttäuschung für das Land ist. Äthiopien stand – wie auch die internationale Staatengemeinschaft – hinter ihm, als er einen historischen Frieden mit Eritrea schloss und für die nationale Integrität Äthiopiens stand.

    Jetzt wird entscheidend sein, dass der Westen sich nicht in den Ursachen täuscht und den Grund für die Konflikte in Äthiopien versteht. Für alles politische Übel in diesem Land, das eine so wichtige Rolle für die gesamte Region am Horn von Afrika spielt, ist allein die vor rund 30 Jahren beschlossene Verfassung verantwortlich.

    Verfassungsgemäßes Apartheidsregime

    Sie schreibt eine ethnische Föderation fest, wobei der Begriff “ethnische Föderation” nur ein anderes Wort für ein verfassungsrechtlich verankertes Apartheidsregime ist. Diese Verfassung begründet nur auf dem Papier einen föderalen Staat. In Wahrheit zementiert die Verfassung die Hegemonie derjenigen Volksgruppe, die gerade an der Macht ist. Rund 30 Jahre lang waren dies die Tigray, seit vier Jahren sind es die Oromo.

    Europa muss deshalb Äthiopien gegenüber dieselbe Courage zeigen wie früher gegenüber Südafrikas Apartheidsregime. Es geht darum, einen echten föderalen Staat zu fördern, in dem die ethnischen Grenzen aufgehoben sind und in dem keine ethnischen Parteien mehr herrschen.

    Äthiopien muss de-ethnifiziert werden. Das Land braucht administrative Regionen, nicht ethnische. Es braucht Parteien, die nicht ethnische Interessen vertreten, sondern politische Programme.

    Vorbild sollte Indien sein, ein Land mit viel mehr Ethnien, viel mehr Sprachen und viel mehr Religionen als Äthiopien. Und dennoch ist es Indien gelungen, den größten, demokratisch regierten Föderalstaat der Welt aufzubauen. Darum geht es für Äthiopien.

    Dr. Prinz Asfa-Wossen Asserate ist der Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers Haile Selassie. Er ist Unternehmensberater in Frankfurt und veröffentlichte zahlreiche Bestseller, zuletzt das Buch “Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?”.

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    Presseschau

    Business Day: Russischer Militärtransporter landet in Südafrika. Ein russisches Militärflugzeug ist auf einem südafrikanischen Luftwaffenstützpunkt gelandet. Der Transporter unterliegt internationalen Sanktionen. Im Dezember hatte bereits ein russisches Frachtschiff offenbar in einer südafrikanischen Marinebasis angedockt. Die südafrikanische Regierung steht wegen ihres Umgangs mit Russland verstärkt in der Kritik.

    SZ: Putins langer Schatten reicht bis in den Sudan. Die humanitäre Lage sei “am Tiefpunkt”, klagen die Vereinten Nationen. Hoffnung auf Frieden gebe es kaum, auch dank einer unheiligen Allianz: Der libysche Warlord Haftar, die sudanesische Miliz RSF und der Söldnertrupp Wagner kooperieren schon länger in der Region.

    Financial Times: Burkina Faso betrachtet Russland als Verbündeten. Hauptmann Ibrahima Traoré, seit dem Putsch 2022 Interrimsstaatschef Burkina Fasos, ist mit der Kooperation mit Russland zufrieden. Dass Wagner-Söldner die burkinische Armee im Sahel beim Kampf gegen Islamisten unterstützen, streitet er aber weiterhin ab.

    Financial Times: Die 100 am schnellsten wachsenden Unternehmen Afrikas. Trotz der schwierigen globalen Wirtschaftslage sind viele afrikanische Unternehmen zuletzt gewachsen – teils in beeindruckendem Ausmaß. Besonders in den Sektoren Fintech, Gesundheitswesen und Erneuerbare Energien läuft es gut.

    Foreign Policy: USA sollte in Afrika mehr auf Wirtschaft setzen. Washingtons afrikapolitischer Ansatz fokussiert sich auf Gesundheit, soziale Entwicklung und Demokratie – mit bisher bescheidenen Ergebnissen. China, Indien und die Golfstaaten dagegen sind mit wirtschaftlicher Kooperation immer erfolgreicher. Daran sollten sich die USA ein Beispiel nehmen, meinen zwei Experten.

    Jeune Afrique: Crystal Ventures, Paul Kagames Wirtschaftsarm. In einer zweiteiligen investigativen Reihe untersucht das französische Magazin die Holdinggesellschaft der ruandischen Präsidentenpartei RPF. Crystal Ventures ist in der heimischen Wirtschaft fest verankert – und breitet sich seit einigen Jahren auch auf dem Kontinent aus.

    Semafor: Botsuana will in globalen Diamantenhandel einsteigen. Der Erwerb einer Beteiligung von 24 Prozent an dem belgischen Diamantenunternehmen HB Antwerp durch Botsuana ist ein ehrgeiziger Versuch, über den bloßen Abbau von Mineralien hinaus zu höherer Wertschöpfung zu gelangen.

    African Business: Investitionen in Landwirtschaft und Infrastruktur sind komplementär. Obwohl der größte Teil der afrikanischen Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig ist, fließt weitaus mehr Geld in Infrastruktur als in diesen Sektor. Ein Meinungsbeitrag in dem Wirtschaftsmagazin beschreibt, warum das nicht unbedingt ein Problem ist.

    Heads

    Osei Tutu II. – ganz privat bei Charles III.

    Osei Tutu II. besucht Charles III. anlässlich dessen Krönung.

    Unter den 2200 Teilnehmern der Krönungsfeierlichkeiten von Charles III. stach ein Teilnehmer heraus: Osei Tutu II. Das lag nicht allein daran, dass der König der Aschanti mit seiner Frau Julia Osei Tutu in traditioneller Kleidung in Westminster Abbey einschritt und sich damit von Uniformen, Cutaways und anderer westlicher Kleidung abhob.

    Stärker bemerkt wurde, dass der englische König Charles III. Osei Tutu und seine Frau am Vortag zu einer privaten Audienz in den Buckingham-Palast eingeladen hatte. Damit wurde dem König der Aschanti eine Ehre zuteil, die Ghanas Staatspräsidenten Nana Akufo-Addo, der mit seiner Frau ebenfalls nach London gereist war, versagt geblieben war.

    Das königliche Treffen ist mit Fotos dokumentiert, wie die Hoheiten herzhaft lachend beieinander stehen und Hände schütteln. Am Samstag feierte er zudem seinen 73. Geburtstag. Bei aller Freundlichkeit lag es Osei Tutu auch daran, deutlich zu machen, dass er in einem Detail über dem britischen Monarchen steht, nämlich was die Dauer der Regentschaft angeht. Schon seit April 1999 regiert Osei Tutu als der 18. Asantehene.

    Dynastie mit Wurzeln im 16. Jahrhundert

    Auch wenn Otumfuo Nana Osei Tutu II., wie er mit vollem Namen heißt, kein offizielles Staatsamt bekleidet, so spielt er doch für Ghana und seine gut 30 Millionen Einwohnern eine wichtige Rolle. Der Asantehene ist Monarch des historischen Aschanti-Reichs und inoffizieller Herrscher der Aschanti, der größten Volksgruppe im Vielvölkerstaat Ghana. Die Dynastie geht zurück auf Nana Twum, der von ca. 1570 bis 1590 regierte. Noch heute erweisen selbst gewählte Staatsoberhäupter dem Monarchen Respekt, der seine ganze Autorität einbringt, um die nationale Einheit zwischen den Volksgruppen zu sichern.

    Osei Tutu trägt einen großen Namen. Osei Tutu I. war der sechste König in der Geschichte der Aschanti. Er formte im Jahr 1701 das mächtige Aschanti-Reich und regierte es bis 1717, als er im Kampf fiel. Das Reich erstreckte sich bis zur Eroberung durch die Briten vom heutigen südlichen Ghana bis weit in die heutige Elfenbeinküste hinein.

    Im Alter von fünf Jahren zog Osei Tutu II. an den Königshof seines Onkels, Oheneba Mensah Bonsu, den Hiahene, der 1952 inthronisiert wurde. Dort wurde Nana Barima Kwaku Duah, wie Osei Tutu bis zu seiner Krönung hieß, auf seine künftige Aufgabe vorbereitet. Immerhin war er einer von sieben Thronanwärtern. Er ging in der Aschanti-Hauptstadt Kumasi zur Schule, studierte Betriebswirtschaft in Accra und ging dann an die heutige London Metropolitan University, wo er Unternehmensführung studierte.

    Karriere in der Privatwirtschaft

    Von 1981 bis 1987 arbeitete er in Toronto für eine Versicherungsgesellschaft und gründete erst einen Immobilienfinanzierer in London und dann ein Transportunternehmen in Accra, bis er nach seiner Thronbesteigung in den Manhyia-Palast in Kumasi einzog. Dieser wurde 1925 von den Briten erbaut, nachdem die britischen Kolonialtruppen 1874 in ihrem dritten Krieg gegen die Aschanti den historischen Palast zerstört hatten. Im Manhyia-Palast hatte Osei Tutu auch schon König Charles und Königin Camilla empfangen.

    Osei Tutus Verbindung nach Großbritannien blieb immer eng. Ghana war der erste Staat südlich der Sahara, den Großbritannien 1957 in die Unabhängigkeit entließ, vier Jahre nach der Krönung von Königin Elisabeth II. Im Jahr 2000 beispielsweise empfing die Königin Osei Tutu im Buckingham-Palast. Anschließend reiste er nach Glasgow und traf Charles, den damaligen Prince of Wales.

    Wichtige Rolle bei den Freimaurern

    Auch durch seine Rolle bei den Freimaurern pflegt Osei Tutu enge Beziehungen zu Großbritannien. Er ist nicht nur Großmeister der Großen Loge von Ghana, sondern auch Schwertträger der Vereinten Großloge von England, die von sich behauptet, die älteste Großloge der Welt zu sein. Ihr Großmeister ist seit 1968 Edward, der Herzog von Kent, ein Onkel zweiten Grades von Charles III.

    So haben Osei Tutus Verbindungen nach Großbritannien sicher einen Anteil daran, dass die Beziehungen Ghanas zur alten Kolonialmacht heute besonders eng sind. Vor zwei Jahren schlossen die beiden Länder ein Wirtschaftsabkommen, das den Handel im Volumen von rund 1,4 Milliarden Euro weiter fördern soll. So hat Ghana zollfreien Zugang zum britischen Markt für seine Exportprodukte: Obst, vor allem Bananen, Thunfisch, Kakao und fossile Brennstoffe. Umgekehrt importiert Ghana Textilien, Maschinen, Chemieprodukte und mechanische Anlagen.

    Zuletzt war Charles 2019 in Ghana, wo er den Prince of Wales Park an der Kwame Nkrumah University of Science and Technology eröffnete. Rektor dieser Universität ist niemand anders als Osei Tutu. Zur Krönung seines Freunds schenkte dieser ihm übrigens eine gefiederte Krone, nicht als königliches Zeichen, sondern, wie Osei Tutu es formulierte, in Anerkennung von Charles’ “Engagement zum Erhalt des Regenwalds und zur Wiederherstellung der Harmonie zwischen Mensch und Natur”. Christian von Hiller

    Africa.Table Redaktion

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