Analyse
Erscheinungsdatum: 20. August 2025

Arktis: Warum die Deutsche Marine verstärkt Präsenz zeigen will

Erstmals hat ein Schiff der Deutschen Marine im Hafen von Nuuk, Grönland, Stopp gemacht. (Lisa-Martina Klein)
Die Deutsche Marine hat erstmals Grönland angesteuert. Die Arktis wird zunehmend zum geopolitischen Hotspot.

Mit dem Einsatzgruppenversorger „Berlin“ hat erstmals ein deutsches Kriegsschiff Grönland besucht. Man sei bereit, mehr Verantwortung für die Stabilität und Sicherheit im Hohen Norden zu übernehmen, sagte Nils Schmid, Parlamentarischer Staatssekretär, am Montag in der Hauptstadt Nuuk in Vertretung von Verteidigungsminister Boris Pistorius (beide SPD). In enger Abstimmung mit Grönland und Dänemark werde man vorübergehend die militärische Präsenz in der Arktis erhöhen. 

Die Marine muss in dem Raum mit Nato-Verbündeten operieren können. Kommt es zum Bündnisfall in Europa, führen wichtige Versorgungslinien von den USA nach Europa. Schiffe der Marine wären nach Nato-Verteidigungsplänen im Nordatlantik für den Konvoi-Schutz US-amerikanischer Schiffe, die U-Boot-Jagd und die Versorgung anderer Einheiten auf See zuständig.

Für die Grönländer vollzieht sich derzeit ein Paradigmenwechsel. Lange hatten die Arktis-Anrainer eine zu große Militärpräsenz der Nato in der Region abgelehnt. Doch die Situation in Europa habe sich geändert, der Krieg sei zurück auf europäischem Boden, sagte die grönländische Außenministerin Vivian Motzfeld: „Um die Spannungen in der Arktis niedrig zu halten, müssen wir unsere Verteidigung und Einsatzbereitschaft stärken.“ Strategien müssten daher angepasst werden, was nicht jedem in Grönland leicht falle.

Von Kriegsrhetorik ist man in Grönland aber weit weg. Kein einziges Mal benennt Motzfeld China oder Russland als Aggressoren, betont nur die Wichtigkeit von Übungen und den Dialog mit den Nicht-Arktis-Verbündeten wie Deutschland und Frankreich, um die „einzigartigen und harschen Bedingungen“ in der Arktis zu meistern. Statt die Übernahmephantasien des US-Präsidenten Donald Trump über Grönland zu erwähnen, betont sie, dass die sieben arktischen Verbündeten – deren Teil die USA sind – hauptverantwortlich für die Verteidigung der Arktis seien.

Trumps Interesse an Grönland sorgt allerdings für große Verunsicherung. Ein militärisches Eingreifen der USA gilt zwar als höchst unwahrscheinlich, auch weil die US-amerikanischen Streitkräfte nicht ausgebildet sind für das ganzjährige Eis in Grönland. Aber das US-amerikanische Verhalten hätte für das deutsche Engagement dennoch wie ein Katalysator gewirkt, sagte Göran Swistek, Referent in der Abteilung Politik im BMVg, kürzlich in einem Vortrag bei der Deutschen Gesellschaft für Außenpolitik (DGAP). Die Irritationen rund um die Grönland-Frage haben in Grönland und Dänemark, aber auch in Norwegen und Kanada dazu geführt, dass diese sich nach anderen europäischen Partnern umschauten, um eine solide Sicherheitsarchitektur aufzubauen.

Die Region entwickelt sich immer mehr zum geopolitischen Machtraum. Mit dem Beitritt Schwedens und Finnlands zur Nato kann Russland nur noch eingeschränkt in der Ostsee operieren, weshalb die Arktis bedeutender wird, auch als Testgebiet für weitreichende moderne Waffen. Zudem baut Russland Militärstützpunkte im Hohen Norden aus, ohne dass genau klar ist, wofür.

China interessiert sich hauptsächlich aus wirtschaftlichen Gründen für die Region. Zwar hat sich die Ambition, eine neue, polare Seidenstraße aufzubauen, noch nicht wirklich konkretisiert. Auch der Versuch, Hafeninfrastruktur auf Island oder Grönland zu kaufen, ist gescheitert. Aber die kürzeren Transportrouten zwischen Ostasien und Europa – gegenüber dem Weg über Südostasien und den Suezkanal – machen die Arktis für China potenziell wichtig. Seit etwa 2021 schickt Peking auch immer wieder Kriegsschiffe in die Region. Mit Sorgen beobachtet man im Westen auch die zunehmende Kooperation zwischen Russland und China. 

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine strahlt auch auf die Arktis aus. So hat es bereits mehrere Attacken ukrainischer Drohnen auf russische Militärstützpunkte in Murmansk gegeben. Die Olenya Air Base auf der Kola-Halbinsel wurde seit Ende Juli 2024 mehrfach Ziel von Drohnenangriffen. 

Mit Eskalationen ist daher zu rechnen: „Wir können das Risiko einer gewaltsamen Auseinandersetzung nicht mehr ausschließen. Grönland ist potenziell im Zentrum, weil hier viele Konfliktlinien zusammenlaufen“, sagt Swistek. Schon jetzt beobachte man Angriffe im hybriden Spektrum, besonders auf kritische Unterwasserinfrastruktur.

Die Bundesregierung hat deshalb vergangenes Jahr ihre Leitlinien für die Arktis aktualisiert. Das Thema Sicherheit und Verteidigung hat erstmals ein eigenes, noch dazu prominentes Kapitel erhalten. Dort ist festgehalten: „Ziel deutscher Arktispolitik ist es, die Region möglichst konfliktarm zu gestalten. Deutschland möchte Sicherheit und Stabilität in der Region wahren.“ Der Halt der „Berlin“ in Grönland ist ein erstes Umsetzen dieser Strategie.

Letzte Aktualisierung: 21. August 2025
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