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Das EU-Ukraine-Finanzierungsdilemma

Die EU sucht Wege, die Ukraine weiter zu finanzieren: Eurobonds, EZB-Garantien und eingefrorenes russisches Vermögen stehen im Raum. Rechtliche Hürden, wachsende Schulden und Inflationsrisiken erschweren die Lösung und erhöhen den Druck auf den Euro.

GS
20. Dezember 2025

Die USA liefern weiterhin Waffen an die Ukraine, doch die Europäer müssen über die Nato zahlen. Das erhöht die finanziellen Lasten für die ohnehin klammen europäischen Staaten, die zugleich mehr Mittel für die eigene Verteidigung aufbringen müssen.

Da die Verschuldung der großen EU-Länder bei weitem nicht in Einklang mit den EU-Schuldengrenzen steht, erscheint es verlockend, die Ukraine-Hilfen über EU-Schulden (Eurobonds) zu finanzieren. „Damit werden aber die nationalen Haushalte nicht belastet, sondern das geht alles über die EU“, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz.

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Da Art. 310 und Art. 311 AEUV der EU nur geringen Spielraum für eine eigene Schuldenaufnahme lassen, hätten die Mitgliedstaaten hierfür einstimmig Garantien übernehmen müssen. Das war aufgrund des Widerstands einzelner Länder jedoch nicht in Sicht. Die Europäische Kommission fragte deshalb bei der EZB an, ob diese eine Garantie übernehmen könne. Die EZB wertete dies jedoch als monetäre Staatsfinanzierung, die nach Art. 123 AEUV verboten ist.

Bundeskanzler Merz wollte stattdessen die in der EU eingefrorenen russischen Vermögenswerte in Höhe von rund 210 Milliarden Euro direkt nutzen. Ob dies rechtlich zulässig ist, war jedoch umstritten. Die russische Zentralbank hatte dagegen vehement protestiert.

Nun wird im Rahmen der sogenannten verstärkten Zusammenarbeit ein zinsloser Kredit über 90 Milliarden Euro an die Ukraine doch mit EU-Schulden finanziert. Ungarn, Tschechien und die Slowakei haften für mögliche Ausfälle jedoch nicht. Die Rückzahlung der Kredite durch die Ukraine ist unwahrscheinlich, da Russland mit großer Sicherheit keine Reparationen an die Ukraine leisten wird. Ob die bislang eingefrorenen russischen Vermögenswerte künftig tatsächlich konfisziert werden können, ist ebenfalls ungewiss.

De facto geht die Schuldenaufnahme der EU damit nach dem Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (60 Milliarden Euro), dem Arbeitsmarktprogramm SURE (100 Milliarden Euro), dem Wiederaufbauprogramm NextGenerationEU (807 Milliarden Euro), der außerordentlichen Makrofinanzhilfe für die Ukraine (18 Milliarden Euro) sowie der Ukraine-Fazilität (50 Milliarden Euro) in die nächste Runde.

Bei perspektivisch ausstehenden Eurobonds von über 1.000 Milliarden Euro dürfte damit auch aus Brüssel der Druck auf die EZB wachsen, erneut Staatsanleihen zu kaufen. Immerhin hält das Eurosystem bereits supranationale Anleihen im Gegenwert von knapp 400 Milliarden Euro in seiner Bilanz.

Da Staatsverschuldung und Inflation historisch eng miteinander verbunden sind, steigen mit dem kostspieligen Ukraine-Krieg die Risiken für den Euro weiter an. Die großen Staaten der Eurozone sind bereits hoch verschuldet, und die EU setzt der nationalen Verschuldung zunehmend supranationale Schulden obenauf.

Dies dürfte langfristig die Kapitalflucht beschleunigen und den Euro unter Abwertungsdruck bringen. Die faktische oder spätere Konfiszierung russischer Vermögenswerte würde das Vertrauen in den EU-Finanzmarkt wohl kaum erschüttern, da Russlands Krieg weithin als völkerrechtswidrig gilt. Der schleichende Vertrauensverlust in den Euro dürfte jedoch nicht ohne Folgen für die EU als Finanzstandort bleiben.

Gunther Schnabl ist Professor für Volkswirtschaftslehre und Direktor des Thinktanks Flossbach von Storch Research Institute. In seiner Kolumne beleuchtet er regelmäßig Themen rund um die internationalen Finanzmärkte.

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Letzte Aktualisierung: 20. Dezember 2025