CEO.Table Executive Summary

Wie die Politik nationale Champions fördern kann

Deutschland hat das Potenzial für neue Vorzeigeunternehmen, doch es braucht eine veränderte Beziehung zwischen Politik und Wirtschaft. Der Deutschlandfonds und eine neue Risikokultur könnten den Weg für europäische Champions wie ASML ebnen.

20. Dezember 2025
Mehr Geschwindigkeit, mehr Geld, mehr Mut – sonst kommt Deutschland nicht weiter. Das Fazit des Round Table „Leapfrogging“ in Berlin.

Deutschland hat das Potenzial, neue nationale Champions aufzubauen – aber nur, wenn sich das Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft verändert. „Wir müssen zu unseren Firmen stehen und die guten auch durch die Politik unterstützen“, sagte Deepl-Gründer Jarosław Kotyłowski beim Round Table „Leapfrogging“ von Table.Briefings in Berlin. Ein Beispiel aus der europäischen Nachbarschaft zeigt die Chancen: Im Rahmen des sogenannten Beethoven-Projekts hatte der niederländische Staat ASML mit Infrastrukturinvestitionen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro unterstützt – heute ist der Hersteller von Chipfertigungsanlagen das wertvollste europäische Unternehmen.

Leapfrogging meint das direkte Überspringen von Entwicklungsstufen. Genau das gelingt Deutschland bislang kaum. Die Struktur des DAX macht das deutlich: Viele seiner Unternehmen stammen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, vor allem aus den 1870er- und 1880er-Jahren. SAP ist die letzte relevante Großgründung – mehr als 50 Jahre alt. Während in den USA Neugründungen entstehen, die innerhalb von 20 oder 30 Jahren mehr wert sind als der gesamte deutsche Leitindex (siehe Grafik), wird dieser hierzulande von Konzernen geprägt, die aus einer anderen Epoche stammen: Siemens, BASF, die Automobilhersteller.

Das Problem beginnt nicht bei der Innovation, sondern beim Wachstum. Deutschland verfügt über exzellente Forschung und vielversprechende Start-ups. Doch wenn diese skalieren wollen, fehlen ihnen die finanziellen Mittel. Dabei mangelt es in Deutschland nicht an Kapital, allein hiesige Pensionskassen verwalten rund 200 Milliarden Euro. Während aber kanadische Lehrer über den Ontario Teachers Pension Plan an der positiven Entwicklung deutscher Tech-Hoffnungen wie Deepl oder Trade Republic partizipieren, stehen ihre deutschen Kollegen vor regulatorischen Hürden.

Untätig ist die Politik derweil nicht: Mit dem am Donnerstag vorgestellten Deutschlandfonds soll privates Kapital für Investitionen mobilisiert werden. Durch Garantien vom Bund in Höhe von 30 Milliarden Euro sollen zukünftige Investitionen in Höhe von rund 130 Milliarden Euro ausgelöst werden. Das kann gelingen. Deutsche Bank-Chef Christian Sewing sagte bei einer Podiumsdiskussion im Anschluss an die Vorstellung des Fonds: „Ausländische Investoren haben ein großes Interesse an Deutschland, allein schon um ihre eigenen Assets und Investments zu diversifizieren.“

Allerdings ist fehlendes Kapital nicht der einzige Grund, der Deutschland im internationalen Vergleich zurückfallen lässt. Deutschland braucht eine andere Risikokultur. In den USA gilt: Wer scheitert, bekommt eine zweite Chance. Hierzulande bedeutet ein gescheitertes Start-up oft das Karriereende. „Wir müssen eine Kultur schaffen, in der wir akzeptieren, dass wir etwas Neues ausprobieren und es vielleicht nicht funktioniert“, fordert Martin Keller von der Helmholtz-Gemeinschaft, der 30 Jahre in den USA forschte.

Neben Forschung und Lehre müsse auch Innovation zu den Aufgaben einer Hochschule gehören. „Innovation ist im deutschen Wissenschaftssystem keine KPI“, sagte Astrid Lamprecht, Vorstandsvorsitzende des Forschungszentrum Jülich. Eine Untersuchung des VC Redstone und der RWTH Aachen zeigt, dass Deutschland mit 4,7 Startups pro 100 Millionen Euro Budget deutlich unter dem EU-Schnitt von 8,2 und abgeschlagen hinter Frankreich mit 16,2 Jungfirmen liegt.

Es braucht Fokus, Geschwindigkeit und Vertrauen. „Happy Family is over“, bringt es ein Diskussionsteilnehmer auf den Punkt. Deutschland könne nicht mehr jeden glücklich machen, sondern müsse strategisch möglichst viele „ASML-Momente“ schaffen – Situationen, in denen die Welt von einer europäischen Innovation abhängig ist.

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Letzte Aktualisierung: 20. Dezember 2025