Table.Standpunkt
Erscheinungsdatum: 08. November 2025

Kann Gold wieder Geld sein?

Angesichts wachsender Schulden und anhaltender Inflation gewinnt Gold wieder an Bedeutung als Wertspeicher. Gunther Schnabl analysiert, welche Kräfte hinter dem neuen Glanz des Edelmetalls stehen – und wo seine Grenzen liegen.

Trotz des jüngsten Rückschlags bleibt Gold derzeit der König unter den Finanzanlagen. Lag der Preis für eine Unze zur Jahrtausendwende noch bei rund 275 US-Dollar, so sind es heute etwa 4.000 US-Dollar. Gold dient nicht nur in Hochinflationsländern wie der Türkei als wichtiges Wertaufbewahrungsmittel, sondern fordert zunehmend auch den Dollar und den Euro als Leitwährungen heraus. Selbst der Bitcoin, oft als „digitales Gold“ bezeichnet, konnte zuletzt nicht mehr Schritt halten. Woran liegt das?

Seit dem Ende der Goldbindung des US-Dollars zu Beginn der 1970er-Jahre – damals betrug der feste Umtauschkurs 35 Dollar pro Unze – ist die weltweite Geld- und Kreditmenge deutlich stärker gewachsen als die reale Wirtschaftsleistung. Viele Industrieländer haben Schuldenberge angehäuft, wie sie früher nur in Kriegszeiten vorkamen: Spanien mit rund 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, Frankreich mit 113 Prozent, die USA mit 124 Prozent und Italien mit 135 Prozent. Ein nennenswerter Schuldenabbau ist nicht in Sicht, da überall massiver politischer Widerstand gegen Ausgabenkürzungen besteht.

Das erklärt die anhaltende Flucht in Sachwerte. In Deutschland etwa kauften viele Haushalte bis zum starken Preisanstieg ab 2024 große Mengen Gold. Der private Goldbesitz soll seit 2010 von rund 7.550 Tonnen auf etwa 9.000 Tonnen gestiegen sein. Auch zahlreiche Zentralbanken – insbesondere in China, Russland, Polen und der Türkei – haben in den vergangenen Jahren ihre Goldreserven erheblich ausgebaut, um US-amerikanische und europäische Staatsanleihen zu umgehen.

Zudem haben Gold-ETFs und Gold-ETCs den Handel mit dem Edelmetall an den Börsen vereinfacht und es damit auch für institutionelle Anleger wie Versicherungen, Pensionskassen und Investmentfonds attraktiver gemacht.

Ob Gold jedoch den Dollar als führende Weltleitwährung ablösen kann, bleibt fraglich. Zwar erfüllt Gold in einem weiterhin inflationären Umfeld seine Funktion als Wertaufbewahrungsmittel, auch wenn es keine Zinsen abwirft. Doch nach dem drastischen Preisanstieg ist seine Rechenfunktion eingeschränkt. Bei einem Goldpreis von 4.000 Dollar pro Unze entspräche eine Pizza für 20 Dollar lediglich 0,005 Unzen bzw. 0,155 Gramm – für den Alltag kaum praktikabel.

Eine mögliche Lösung wäre die Einführung kleinerer Recheneinheiten. Würde man beispielsweise 1.000 Dagoberts (fiktive Recheneinheit) einer Unze gleichsetzen, läge der Pizzapreis bei fünf Dagoberts. Auf Basis von Gold-ETFs könnten sogar elektronische Zahlungen in Gold ermöglicht werden – sodass wieder alle drei klassischen Geldfunktionen erfüllt wären: Rechen-, Transaktions- und Wertaufbewahrungsfunktion.

Im Wahlprogramm der Republikaner ist jedoch festgeschrieben, dass die USA ihren lukrativen Weltleitwährungsstatus des Dollars bewahren wollen. Das wäre nur mit einer Rückkehr zu soliden Staatsfinanzen und einer stabilitätsorientierten Geldpolitik möglich. US-Präsident Donald Trump bemüht sich, die Staatsausgaben zu senken. Finanzminister Scott Bessent hat zudem gefordert, die Federal Reserve solle sich wieder stärker auf ihre Kernaufgaben konzentrieren.

Sollte dies nicht gelingen, könnte eines Tages vielleicht nur noch der Bitcoin dem Gold die Rolle als führende Geldform streitig machen. Sein Schöpfer Satoshi Nakamoto hat ihm vorausschauend alle drei Geldfunktionen in die Wiege gelegt.

Gunther Schnabl ist Professor für Volkswirtschaftslehre und Direktor des Thinktanks Flossbach von Storch Research Institute. In seiner Kolumne beleuchtet er regelmäßig Themen rund um die internationalen Finanzmärkte.

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Letzte Aktualisierung: 08. November 2025

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