Deutschlands Generationenungerechtigkeit

Während die Alten von steigenden Vermögenswerten profitieren, tragen junge Menschen höhere Rentenbeiträge und Immobilienpreise. Die wachsende Schere zwischen den Generationen bedroht den Generationenvertrag und wirtschaftlichen Wohlstand.

GS
06. Dezember 2025

Eine Gruppe von jungen Abgeordneten der Union hielt den Vorschlag der Regierung zur Sicherung der zukünftigen Renten für „nicht enkelfähig“. Junge SPD-Abgeordnete wollten hingegen nicht zulassen, dass das Thema Rente als Generationenkonflikt „inszeniert“ wird. Kanzler Friedrich Merz hat angemerkt, dass man mit einem Unterbietungswettbewerb bei den Renten keine Wahl gewinnen könne. Am Ende hat das Paket im Bundestag die Mehrheit gewonnen.

Das gesetzliche Rentensystem wurde 1957 umlagefinanziert als „Generationenvertrag“ nach dem Solidarprinzip geschaffen. Damals kamen 16 Menschen über 65 auf 100 Erwerbstätige. Da die Babyboomer weniger Kinder als ihre Eltern haben und die Lebenserwartung gestiegen ist, sind die Lasten für die Jungen gewachsen. Heute kommen 37 Menschen über 65 auf 100 Erwerbstätige.

Entsprechend ist der Beitragssatz für die gesetzliche Rentenversicherung von 14 Prozent des Bruttogehalts auf derzeit 18,6 Prozent gestiegen. Aus dem Bundeshaushalt werden mehr als 120 Milliarden Euro zur gesetzlichen Rentenversicherung zugeschossen.

Seit 2008 hat die dauerhafte Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank nicht nur die Konjunktur befeuert, sondern auch eine deutliche Ausweitung der Erwerbstätigen und der Beitragszahler bewirkt. Der Beitragssatz konnte sogar gesenkt werden. Die niedrigen Zinsen haben aber auch die Immobilienpreise nach oben getrieben, sodass die – meist älteren – Immobilienbesitzer reicher geworden sind. Für viele junge Menschen ist das Eigenheim hingegen zu teuer geworden. Sozialer Aufstieg durch Vermögensbildung wurde erschwert.

Im Windschatten der Immobilienpreise haben die Mieten angezogen. Mehr bei der Neuvermietung, was insbesondere junge Menschen trifft, die einen Haushalt gründen. Menschen, die schon länger zur Miete wohnen, wurden durch Mietpreisbremsen geschützt.

Doch die größte Last für die kommende Generation ist die Abkehr von den Grundprinzipien der Marktwirtschaft. Währungsstabilität, Wettbewerb, Vertragsfreiheit, Haftung und die Konstanz der Wirtschaftspolitik wurden zunehmend außer Kraft gesetzt.

Mit wachsender Regulierung sowie einer hohen Steuer- und Abgabenlast hat der Staat die private wirtschaftliche Aktivität verdrängt, sodass die Wirtschaft nicht mehr wächst. Wachsende Sozialausgaben sind auf Kosten der Infrastruktur und Verteidigungsfähigkeit gegangen. Den Jungen bleibt eine steigende Schuldenlast.

Nach dem Soziologen Gary Becker richten Menschen ihr Wahlverhalten an ihrem persönlichen Nutzen aus. Bei einem wachsenden Übergewicht der Alten wächst die Gefahr, dass Generationenungerechtigkeit die Generationengerechtigkeit verdrängt.

Zwar profitieren die Jungen noch von kostenloser Bildung und weniger Wettbewerb beim Berufsaufstieg. Doch die schwierige wirtschaftliche Lage trübt die Perspektiven am Arbeitsmarkt zunehmend ein.

Die Lebensleistung der Babyboomer muss gewürdigt werden. Jedem sei eine gute Rente vergönnt. Doch nur mit einer Rückkehr zu mehr Marktwirtschaft und Wachstum kann sowohl der Wohlstand der Älteren als auch der Wohlstand der Jüngeren gesichert werden.

Gunther Schnabl ist Professor für Volkswirtschaftslehre und Direktor des Thinktanks Flossbach von Storch Research Institute. In seiner Kolumne beleuchtet er regelmäßig Themen rund um die internationalen Finanzmärkte.

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Letzte Aktualisierung: 06. Dezember 2025