Talk of the town
Erscheinungsdatum: 06. Oktober 2025

Frankreich: Erneute Regierungskrise in Paris bremst Merz’ EU-Ambitionen aus

Emmanuel Macron Sébastien Lecornu
Emmanuel Macron und Sébastien Lecornu (picture alliance / abaca | Vernier Jean-Bernard/JBV News/ABACA)

Premierminister Sébastien Lecornu wirft das Handtuch – und stürzt Frankreich damit in eine Regierungskrise. Gerät der deutsch-französische Motor jetzt wieder ins Stottern?

Der Rücktritt von Premierminister Sébastien Lecornu, nur 27 Tage nach seiner Ernennung, stürzt Frankreich in eine neue politische Krise. Präsident Emmanuel Macron verliert damit bereits den dritten Regierungschef innerhalb eines Jahres, das Land steht zudem weiter ohne verabschiedeten Haushalt da. 

Lecornu hatte am Morgen seinen Rücktritt angeboten. Der konservative Koalitionspartner hatte ihm zuvor die Unterstützung entzogen, aus Verärgerung über das neue Kabinett, das Lecornu abends zuvor präsentiert hatte. Besonders die Ernennung von Bruno Le Maire zum Verteidigungsminister wurde als Provokation empfunden, da dem langjährigen Wirtschafts- und Finanzminister die Haushaltsmisere angekreidet wird. Le Maire erklärte am Montag seinen Rückzug, um „die Wiederaufnahme der Gespräche zur Bildung einer neuen Regierung“ zu ermöglichen. 

Die neuerlichen Turbulenzen werden in Berlin mit Sorge gesehen. Der Beauftragte der Bundesregierung für die deutsch-französische Zusammenarbeit, Gunther Krichbaum, spricht von einem „starken Herbststurm“ für das politische Frankreich. Im Europäischen Rat werde Frankreich aber durch den Präsidenten vertreten, sagte der CDU-Politiker zu Table.Briefings. „Es besteht deshalb kein Grund zu Zweifeln an der Stabilität.“ 

Doch Stabilität ist angesichts des enormen Handlungsdrucks nicht genug. Macron garantiert als Staatspräsident zwar Kontinuität in der Außen- und Sicherheitspolitik. Kanzler Friedrich Merz wollte den deutsch-französischen Motor aber auch anwerfen, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu verbessern. Beim Ministerrat Ende August in Toulon vereinbarten beide Regierungen eine 26 Seiten lange Vorhabenliste, von einer engeren Abstimmung in der Energiepolitik über ein IPCEI-Beihilfeprojekt für Künstliche Intelligenz bis hin zu besseren Finanzierungsmöglichkeiten für Start- und Scale-ups. 

Auf der Arbeitsebene herrscht zwar personelle Kontinuität. Die gemeinsamen Vorhaben kommen daher durch die Regierungskrise in Paris nicht unbedingt zum Erliegen. Doch dürfte vielerorts der politische Druck fehlen, um Meinungsverschiedenheiten zu überwinden. Im Detail sei die Abstimmung mit den Kollegen in Paris immer noch sehr mühsam, berichtet ein Ministerialer. 

Das Haushaltsloch von rund sechs Prozent der Wirtschaftsleistung schränkt zudem den Handlungsspielraum der Regierung in Paris erheblich ein. Bei längerfristigen EU-Vorhaben wie der Spar- und Investitionsunion oder dem Mehrjährigen Finanzrahmen, die auch Geld kosteten, sei „Frankreich tatsächlich gelähmt“, sagt Yann Wernert, Senior Policy Fellow am Jacques Delors Centre der Berliner Hertie School.  

Am Abend beauftragte Macron Lecornu damit, „bis Mittwochabend abschließende Verhandlungen“ über eine „Aktionsplattform“ zu führen. Welche Optionen Macron jetzt noch bleiben, lesen Sie im Europe.Table. Ein Gespräch zur Lage beim westlichen Nachbarn hören Sie im Podcast Table.Today ab 5 Uhr hier.  

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Letzte Aktualisierung: 06. Oktober 2025

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