Analyse | Migrationspolitik
Erscheinungsdatum: 14. September 2026

Migration und Kriminalität: Der harte Kurs der schwedischen Regierung

Jimmie Åkesson und Ministerpräsident Ulf Kristersson (picture alliance/TT Nyhetsbyrån/Christine Olsson)

2015 verzeichnete das Land nach Deutschland und Ungarn die meisten Asylanträge in Europa. Die mit Unterstützung von rechts regierende Koalition rühmt sich nun, sie um mehr als die Hälfte reduziert zu haben.

Schweden sei nicht mehr das abschreckende Beispiel, als das es in der EU lange gegolten habe, sagte Ministerpräsident Ulf Kristersson bei seiner Regierungserklärung Anfang September. Um je rund 60 Prozent ist ihm zufolge seit Amtsantritt die Zahl der Asylanträge zurückgegangen und die der Abschiebungen gestiegen. Und die Regeln etwa zu Einbürgerungsvoraussetzungen sollen noch weiter verschärft werden, die „Rückkehrprämie“ zudem auf bis zu 32.000 Euro pro Person steigen. Eine 2024 verabschiedete Strategie sieht Ausgaben von knapp 300 Millionen Euro innerhalb von vier Jahren vor. Das Ziel: Menschen aus dem Land halten oder bringen.

Der harte Kurs hat auch zu tun mit Jimmie Åkesson, Chef der mindestens rechtspopulistischen Schwedendemokraten (SD), die den Parlamentspräsidenten stellen. Er tritt bei wichtigen Terminen mit den Spitzen der Dreierkoalition aus Kristerssons Moderaten, den Christdemokraten sowie den Liberalen auf. Teil der Regierung ist die Partei, die trotz ihrer rechtsextremen Wurzeln als weniger radikal gilt als die AfD, offiziell nicht. Sie hat aber die Koalitionsvereinbarung mitunterzeichnet und wird zu den „Tidö-Parteien“ gezählt – benannt nach dem Schloss, in dem die vier Vorsitzenden 2022 zueinanderfanden.

Bei der Wahl kamen die SD nach den die vorherigen acht Jahre regierenden Sozialdemokraten mit gut 20 Prozent auf den zweiten Platz. Die von Åkesson abhängigen anderen drei erreichtenzusammen unter 30. Daher müssen sie sich an seinen Schwerpunkten orientieren, wenn sie nach der Wahl im Herbst 2026 an der Macht bleiben wollen. Laut aktuellen Umfragen könnten zwei der Parteien allerdings an der Vier-Prozent-Hürde scheitern, die Schwedendemokraten kämen auf rund 21 Prozent. Die SPD-Schwesterpartei wiederum steht bei 34 bis 36 Prozent und würde zusammen mit Grünen, Linken und der bürgerlich-grünen Zentrumspartei eine Mehrheit derzeit knapp verfehlen.

Das beherrschende Thema im Land, das auch im Zentrum von Kristerssons Regierungserklärung stand, ist die Bandenkriminalität. Keine Aufgabe sei für diese Regierung wichtiger als deren Bekämpfung, sagte der Politiker. Er sieht eine „schlecht konzipierte und nicht nachhaltige Einwanderungspolitik in Verbindung mit einer erfolglosen Integrationspolitik“ als Nährboden für das Problem, das Schweden international in die Schlagzeilen brachte. Gut 60.000 Personen im Land hätten Verbindungen zu Banden, mit kriminellen Geschäften seien zuletzt außerdem 100-150 Milliarden Kronen (10-15 Milliarden Euro) umgesetzt worden.

Dem Schwedischen Nationalrat für Kriminalprävention zufolge starben im vergangenen Jahr 92 Personen durch Schusswaffen, Messer oder andere Gewaltverbrechen – die niedrigste Zahl seit 2014. Dennoch hat das Land eine der höchsten Todesraten durch Waffengewalt in der EU: 44 Personen kamen 2024 bei knapp 300 verzeichneten Schießereien ums Leben. Der europaweite Jahresdurchschnitt beträgt der Behörde nach 1,6 Tote pro einer Million Einwohner, in Schweden sind es 4.

Die Regierung plant deshalb auch im Kampf gegen die Bandenkriminalität, für deren Drogengeschäfte auch Minderjährige rekrutiert werden, neben Angeboten zur Prävention weitere Verschärfungen. Dazu gehören eine Senkung des Strafmündigkeitsalters von 15 auf 13, der Entzug der Staatsbürgerschaft bei Doppelstaatlern und „Doppelstrafen“ für Bandenmitglieder. Helfen sollen auch mehr Überwachung, darunter KI-gestützte Gesichtserkennung, sowie die Anmietung von bis zu 600 Gefängnisplätzen in Estland. Wegen der Überfüllung schwedischer Gefängnisse will Stockholm freie Kapazitäten in dem baltischen Staat nutzen.

Manche Verschärfung, die die Schwedendemokraten gern hätten, sind in der Koalition bisher allerdings nicht mehrheitsfähig. Dazu gehört die Aussetzung des Familiennachzugs, wie ihn Union und SPD im Sommer beschlossen haben. Das Nachrichtenmagazin Fokus fragte den migrationspolitischen Sprecher der SD kürzlich, warum dieser Schritt der schwedischen Regierung anders als der deutschen nicht gelinge.

Seine Partei habe nun einmal keine eigene Mehrheit, so der Politiker. Deutschland sei aber kein Vorbild, sagte er unter Verweis auf die Zahl der Asylanträge: 2024 waren es rund 250.000 in der Bundesrepublik und um die 9.000 in Schweden. Von Januar bis August 2025 betrug die Zahl hierzulande 104.000 – davon mehr als 78.000 Erstanträge – und in Schweden gut 17.000, davon rund ein Drittel Erstanträge.

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Letzte Aktualisierung: 22. September 2025

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