Berlin.Table Table.Standpunkt Sozialpolitik

Lehren aus der Riester-Rente

Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sollten über die Vermögensbildung entscheiden, nicht international agierende Finanzmarkt-Akteure, schreibt der langjährige BMAS-Staatssekretär. Es brauche eine „Vermögenssozialpolitik“.

RS
14. Dezember 2025
Schmachtenberg war 2018 bis 2025 Staatssekretär im BMAS (Bundesregierung)

Viele Empfehlungen zur privaten Altersvorsorge haben einen blinden Fleck. Sie beschreiben aussichtsreiche Renditen und befassen sich mit der Abmilderung von Risiken und der Vermeidung von Kosten. Doch mit Kapitalanlagen sind auch Eigentumsrechte verbunden. Diese sollen aber nicht von den anlegenden Privatpersonen wahrgenommen werden, sondern durch die entsprechenden Finanzdienstleister. Diese Vorschläge nehmen somit in Kauf oder zielen bewusst darauf ab, dass die Anbieter solcher Fonds ihre Stellung an den Kapitalmärkten weiter ausbauen – finanziert durch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Deutschlands, deren Sparkapazitäten in solche Fonds gelenkt werden sollen.

An erster Stelle agieren hier die sogenannten Schattenbanken wie Blackrock, Vanguard und Fidelity. Ihnen nützt jede Unsicherheit darüber, was die Leistungsfähigkeit des gesetzlichen Rentensystems betrifft. Blackrock-Deutschlandchef Dirk Schmitz bekam zum Beispiel in der Tagesschau am 27. November Gelegenheit, für seine Produkte zu werben – am gleichen Tag standen die aktuellen Rentenvorhaben auf der Tagesordnung des Koalitionsausschusses. Bereits heute sind die drei größten Vermögensverwaltungsgesellschaften der USA – die oben genannten Unternehmen – an etwa 90 Prozent der im S&P 500-Aktienindex erfassten Unternehmen beteiligt und haben dadurch erhebliche Mitspracherechte. Bei neun von zehn der betroffenen Unternehmen ist einer der drei sogar größter Anteilseigner.

Soweit eine kapitalgedeckte Ergänzung der gesetzlichen Rente politisch gewollt ist, um ein angestrebtes Gesamtversorgungsniveau zu erreichen, sollte dies durch kollektiv organisierte und mitbestimmte Formen erfolgen. Ein Beispiel hierfür sind die Sozialpartnermodelle, die vom Gesetzgeber mit dem ersten Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) 2017 definiert wurden und jetzt mit dem zweiten BRSG erweitert werden sollen. Dabei sagen die Arbeitgeber keine bestimmte Rentenhöhe zu, sondern nur die Zahlung von Beiträgen. Sie bieten die Chance, als Kapitalsammelstellen in gemeinsamer Verantwortung mit den Arbeitnehmern den Anbietern von Finanzmarkt-Produkten auf gleicher Augenhöhe zu begegnen. Sie wären auch in der Lage, auf das gehaltene Kapital Einfluss auszuüben.

In Deutschland sind Vermögen deutlich ungleicher verteilt als Einkommen. Insbesondere in Ostdeutschland verfügen die meisten Menschen über nur wenig Vermögen. Daher ist es höchste Zeit, eine wirksame Vermögenssozialpolitik zu formulieren und umzusetzen. An die Stelle einer dritten Säule in der Alterssicherung, die mit undurchsichtigen Finanzmarkt-Produkten am Ende gar nicht gegen Lebensrisiken absichert, sollte eine Förderung der Vermögensbildung für Menschen mit niedrigen Einkommen und niedrigen Vermögen treten.

Nahe liegt hier die Förderung von Wohneigentum – bei kleineren Einkommen womöglich in Form von Genossenschaftsanteilen. Dabei sollte ausdrücklich davon abgesehen werden, dass eine geförderte Wohnung vom Eigentümer genutzt werden muss. Denn möglicherweise reicht das eigene Einkommen gar nicht dafür aus, eine hinreichend große Wohnung zu finanzieren. Auch würde eine solche Bindung die Mobilität am Arbeitsmarkt beschränken. Und für alle diejenigen, die sich nicht mit einer Immobilie befassen wollen, könnte es eine Förderung von Anlagen am Kapitalmarkt geben – vorzugsweise solche wie Aktien, bei denen die Eigentumsrechte nicht an Dritte gehen, die sich jeder Kontrolle entziehen können.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten über die Vermögensbildung entscheiden, nicht international agierende Finanzmarkt-Akteure. Ein schon existierender, aber zeitaufwendiger Weg sind die sogenannten Schutzgemeinschaften für Kapitalanleger. Dazu gehören die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) – sowie die von ihnen unterstützten Investmentclubs.

Eine Alternative könnte eine öffentlich-rechtliche Institution sein, die als Körperschaft der demokratischen Kontrolle unterliegt und etwa analog zur Arbeit des norwegischen Staatsfonds Beteiligungen an von ihr ausgegebenen Fondspapieren hält. Mit dem Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (Kenfo) hat der Bund bereits eine erfolgreiche Kapitalverwaltungsstelle geschaffen, die der demokratischen Kontrolle unterliegt. Er könnte ausgebaut werden.

Briefings wie Berlin.Table per E-Mail erhalten

Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

Anmelden

Letzte Aktualisierung: 14. Dezember 2025