Talk of the town
Erscheinungsdatum: 13. August 2025

Diplomatie vor dem heiklen Alaska-Gipfel: Merz hofft, dass der Versuch sitzt

Bundeskanzler Friedrich Merz (r, CDU) begrüßt Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, bei dessen Ankunft im Garten des Bundeskanzleramtes in Berlin begrüßt. Selenskyj nimmt an virtuellen Beratungen europäischer Staats- und Regierungschefs mit Blick auf das Treffen von US-Präsident Trump und dem russischen Präsidenten Putin teil.

Ob es klappt, wissen sie nicht. Ob Donald Trump verlässlicher wird, können sie auch nicht sagen. Trotzdem gehen Friedrich Merz, Wolodymyr Selenskyj und zahlreiche europäische Staats- und Regierungschefs mit einem besseren Gefühl in die kommenden 48 Stunden. Erst dann, wenn der US-Präsident seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin in Anchorage getroffen hat, werden sie wissen, ob dieser umfassende Tag diplomatischer Gruppengespräche und Abstimmungsversuche ein Erfolg geworden ist. 

Begonnen hatte es auf dem Rasen des Kanzleramts. Dort umarmte Merz Selenskyj gleich mal väterlich, um mit ihm anschließend beim Mittagessen im 8. Stock den genauen Spielplan für den Tag durchzugehen. Merz’ unzweideutige Botschaft: Selenskyj gehört zu uns. Es war, so heißt es aus Regierungskreisen, von Anfang an das Ziel, den Ukrainer nicht von irgendwoher zuzuschalten, also vor dem Bildschirm allein zu lassen. Trump sollte sofort erkennen, wie ge- und wie entschlossen die Europäer aufgestellt sind und handeln. 

Insgesamt gab es drei Schalten. Einen Videocall der Europäer mit dem Ukrainer; ein Telefonat mit Trump, und dann nochmal eine Videoschalte mit der Koalition der Willigen, zu der Merz auch J.D. Vance eingeladen hatte. Letzteres hatte eine besondere Note, war diese Koalition doch als Reaktion auf den verheerenden Empfang von Selenskyj im Oval Office ins Leben gerufen worden. Wie es aus dem Kanzleramt heißt, fühlt sich der Kanzler in einer besonderen Rolle; er soll und will so viele wie möglich einbinden. So hatte er still und leise die Polen mit an Bord geholt – und band nun auch Vance ein, der sich an diesem Mittwoch offenbar konstruktiv und konziliant gezeigt hat. 

Merz hatte intern die Losung ausgegeben, dieser Versuch müsse sitzen. Also das Bemühen, Trump geschlossen von den europäischen Bedingungen für echte Waffenstillstands- und anschließende Friedensverhandlungen zu überzeugen. Entsprechend entschieden zeigte er sich auch auf der PK. 

Es sei zentral, dass bei dem Treffen am Freitag europäische und ukrainische Sicherheitsinteressen gewahrt bleiben. „Wir Europäer tun alles in unserer Kraft Stehende, um die Weichen für dieses Treffen in die richtige Richtung zu stellen.“ Sollte sich Putin nicht bewegen, müsse man im Zweifel den Druck erhöhen, so Merz. Der Kanzler zählte fünf Punkte auf, die entscheidend seien. Erstens: Die Ukraine müsse bei einem Folgetreffen mit am Tisch sitzen. Zweitens: „Wir wollen, dass in der richtigen Reihenfolge verhandelt wird.“ Heißt: erst Waffenstillstand, dann alles Weitere.

Dritter Punkt: Die Ukraine sei zu Verhandlungen über territoriale Fragen bereit. Dafür müsse aber die „Kontaktlinie“ der Ausgangspunkt sein. Viertens: „Robuste Sicherheitsgarantien“ für Kiew, also die Möglichkeit, dass die Ukraine sich weiter verteidigen kann. Dabei soll das Land auch künftig unterstützt werden. Merz’ fünfter Punkt: Alles müsse in eine gemeinsame transatlantische Strategie eingebettet sein. Und zum Schluss fügt der Kanzler etwas Entscheidendes noch hinzu. Der US-Präsident teile diese Positionen „sehr weitgehend“. Übersetzt heißt das aber auch: nicht vollumfänglich.

Am Mittwoch mögen die Zeichen ganz gut stehen für die Europäer. Doch wie es am Freitag tatsächlich wird, weiß niemand außer Trump selbst. Bislang ist vereinbart, dass er nach dem Treffen mit Putin zuerst Selenskyj informiert, um ihn damit bewusst aufzuwerten. Anschließend will er – Stand jetzt – auch Merz und den Europäern berichten. Gibt es auch Pläne für den Fall, dass Trump doch etwas über den Kopf der Ukrainer hinweg vereinbart? Darüber wollte am Mittwoch in Berlin niemand sprechen.

Letzte Aktualisierung: 13. August 2025
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