ausnahmsweise führen wir Sie in dieses Briefing nur mit einem Bild ein, einer Momentaufnahme vom Treffen zwischen dem UN-Generalsekretär António Guterres mit Russlands Machthaber Wladimir Putin am gestrigen Donnerstag im russischen Kasan.
Dieser Augenblick, in dem sich Guterres vor dem Mann verbeugt, der für Kriegsverbrechen in der Ukraine verantwortlich ist, löste Empörung bei einigen europäischen Politikerinnen und Politikern aus.
Guterres forderte einen “gerechten Frieden” für die Ukraine. Putin konterte und brüskierte ihn mit der Aussage, der Westen gebe sich einer Illusion hin, Russland im Felde schlagen zu können. Putins Selbstsicherheit dürfte wohl auch damit zusammenhängen, dass er nun auch personelle Unterstützung von Nordkorea bekommt.
Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre
An manchen Stellen liest sich “Vers la guerre ?”, das Buch des französischen Verteidigungsministers Sébastien Lecornu, das am 10. Oktober erschienen ist, als hätte sein “sozialdemokratischer Amtskollege und nunmehr Freund, Boris Pistorius”, mitgeschrieben. Lecornu fordert Bürokratieabbau, größere industrielle Kapazitäten, Personalaufwuchs. Bis 2030 sollen die französischen Streitkräfte auf 100.000 Reservisten zugreifen können. Derzeit sind es 40.000, bei 200.000 aktiven Soldaten. Die französische Zeitenwende muss ähnliche Hürden nehmen wie die deutsche, aber findet dafür mit Blick auf die strategische Ausrichtung andere Antworten.
Die Gesellschaft soll resilienter werden, sensitiver für Desinformation und Propaganda. Und die Armeen beider Länder müssen Lehren aus Russlands Krieg in der Ukraine ziehen. “Die deutschen und die französischen Streitkräfte müssen sich für hochintensive Gefechte bereit machen“, sagt Jacob Ross von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).
Doch anders als Deutschland, das zurück zu der Stärke will, die ihm zu Hochzeiten des Kalten Kriegs als konventionelles Rückgrat der Nato in Europa zugeschrieben wurde, habe Frankreich eine größere Vision. “Wenn Frankreich wirklich Führungsverantwortung in Europa übernehmen möchte und die Pläne für ein souveräneres Europa umsetzen will, muss es sich radikal ändern”, sagt Ross.
“Vers la guerre” ist ein Plädoyer für strategische Autonomie. Fast alle Kapitel leitet Lecornu mit einem Zitat des französischen Staatspräsidenten von 1959 bis 1969, Charles de Gaulle, oder seines Verteidigungsministers Pierre Messmer ein. De Gaulle hat Frankreich zur Atommacht gemacht und 1966 die integrierte Kommandostruktur der Nato verlassen, in die Frankreich erst 2009 zurückkehrte. Sein Autonomiebestreben passt gut in die Zeit, in der Europa unabhängiger werden will, weil die USA sich stärker auf den Indopazifik fokussieren.
Der Weg dahin ist teuer. 413 Milliarden Euro für Verteidigung plant die aktuelle Regierung zwischen 2024 und 2030 ein. Derzeit laufen die Haushaltsdebatten in der Assemblée Nationale für das kommende Jahr. Für 2025 will Lecornu den Etat auf 50,5 Milliarden Euro anheben. Pistorius hofft in Deutschland auf 53,25 Milliarden Euro.
Das in Frankreich vernachlässigte Heer soll sich künftig stärker auf die Landes- und Bündnisverteidigung ausrichten. Die französischen Streitkräfte haben Erfahrung mit Auslandseinsätzen. Mit vielen Partnern und auch kleineren Mitgliedstaaten in Europa zusammenzuarbeiten, sei das französische Militär allerdings nicht gewohnt, sagt Ross. In Rumänien führt Frankreich bereits eine Nato-Battlegroup an. Für das Heer kündigt Lecornu weitere Änderungen an. Er will die Interoperabilität mit anderen Nato-Streitkräften erhöhen und die Kompetenz auf Cyber- und Informationskriegsführung ausweiten. Außerdem werde nicht mehr der Soldat primäres Kampfinstrument sein, sondern in einigen Bereichen von autonomen Maschinen assistiert oder ersetzt werden.
Strategische Autonomie setzt auch eine starke europäische Rüstungsindustrie voraus. An Deutschland richtet Lecornu klare Worte. Das deutsch-französisch-spanische Kampfjet-Projekt Future Combat Air System (FCAS) müsse in der Lage sein, Nuklearraketen tragen zu können und auf dem künftigen französischen Flugzeugträger zu landen. “Ganz offensichtlich sind weder Spanien noch Deutschland von diesen Besonderheiten betroffen”, schreibt Lecornu. Sollten die Partner davon abrücken, werde Frankreich das Projekt verlassen.
Deutschland und Frankreich haben für Ausweichmöglichkeiten gesorgt. Anfang Oktober stellte Lecornu Pläne für eine Drohne vor, die – wie bei FCAS vorgesehen – vernetzt mit dem Rafale-Jet fliegen können soll. Im deutsch-britischen Verteidigungsabkommen, verpflichteten sich London und Berlin am Mittwoch “zur engen Zusammenarbeit bei der Forschung und Entwicklung von unbemannten Flugsystemen”, deren “Interoperabilität mit zukünftigen Kampfflugzeugsystemen” sie sicherstellen wollen.
Scheitern könnte FCAS auch an Exportregelungen. Gemeinsam gebaute Geräte müssten an Partner überall in der Welt exportiert werden können, “ohne deutsches oder spanisches Veto”, schreibt Lecornu. Andernfalls wäre auch das ein Grund für ein Ende der Rüstungskooperation. Rüstungsexporte sieht der Verteidigungsminister als Teil der französischen Autonomie. Ohne Exporte ließe sich die französische Industrie und damit die Versorgung der eigenen Truppen nicht finanzieren. Außerdem dienten sie der Stabilisierung von Partnerschaften. Zwischen 2019 und 2023 war Frankreich der zweitgrößte Rüstungsexporteur, lieferte vor allem nach Indien und Katar. Seit der Zeitenwende bewegt sich Deutschland bei den Exporten auf Frankreich zu.
So ambitioniert die Pläne beider Länder sind: “Der Zeitenwende-Prozess steht und fällt damit, wie die kommenden Wahlen ausgehen”, sagt Jacob Ross. AfD und BSW in Deutschland und Rassemblement National und la France Insoumise in Frankreich wollen verteidigungspolitisch in eine andere Richtung.
Plon: Sébastien Lecornu. Vers la guerre ? La France face au réarmement du monde.
“Tief besorgt” und bereit zur Reaktion: Die EU-Staaten haben mit deutlicher Kritik auf die Berichte über nordkoreanische Soldaten in Russland reagiert. Russlands vertiefte Kooperation mit Nordkorea sende eine klare Botschaft, heißt es in einer Erklärung des Europäischen Rates vom Donnerstagabend: “Trotz der erklärten Bereitschaft zu Verhandlungen ist Russland nicht interessiert an einem gerechten, umfassenden und dauerhaften Frieden.” Die EU-Staaten kündigen eine Reaktion in Abstimmung mit internationalen Partnern auf die Entwicklung zwischen Moskau und Pjöngjang an.
Mit dem BRICS-Summit im russischen Kasan und der militärischen Zusammenarbeit mit Nordkorea verfolgt Russland mehrere Ziele: Unter anderem will Russland nach innen wie nach außen zeigen, dass es nicht isoliert sei. “Es ist ja kein Zufall, dass der Aufenthalt nordkoreanischer Soldaten fast zeitgleich mit dem BRICS-Treffen bekannt wird”, sagt Ulrich Kühn vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik von der Universität Hamburg (IFSH). Konkret würden da zwei Staatsführer kooperieren, die “im Hass auf den Westen” vereint seien.
Kühn und andere Fachleute betrachten die Entwicklung rund um die Entsendung nordkoreanischer Soldaten – die Rede ist je nach Quelle von 3.000 bis 11.000 Mann – als “eine deutliche Eskalation des russischen Krieges gegen die Ukraine, weil ein dritter Staat nun aktiv mit Soldaten eingreifen könnte”.
“Ich gehe davon aus, dass wir diese Soldaten schon bald an der Front sehen werden, entweder in Russland selbst in der Region Kursk oder in den besetzten Gebieten in der Ukraine”, sagt der Leiter des Forschungsbereichs Rüstungskontrolle und Neue Technologien am IFSH.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat während seines Besuchs im Juni in Pjöngjang mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un einen Vertrag für eine “allumfassende strategische Partnerschaft zwischen Russland und Nordkorea” unterzeichnet. Die Duma hat ihn nun ratifiziert. Nach Putins Unterschrift könnte er schon bald in Kraft treten. Im Vertrag (hier Original auf Russisch) heißt es unter anderem:
“Wenn eine Seite von irgendeinem anderen Staat oder mehreren Staaten gewaltsam angegriffen wird und sich dadurch in einem Zustand des Krieges befindet, dann wird die andere Seite unverzüglich militärische und jede andere Hilfe mit ihr zur Verfügung stehenden Mitteln leisten entsprechend dem Artikel 51 der UN-Charta und aufgrund der Gesetzeslage Russlands und der Demokratischen Volksrepublik Korea.”
Offiziell führt Russland keinen Krieg, sondern eine “Spezialmilitäroperation” in der Ukraine.
Satellitenbilder, Fotos und Videoaufnahmen von nordkoreanischen Soldaten auf russischem Territorium haben international Empörung ausgelöst. Nach Lieferungen verschiedener Waffen aus dem Iran und Nordkorea hätten fremde Soldaten – entsandt von einem Staat und nicht als Privatpersonen angeworben – eine neue “Qualität”, sagt Ulrich Kühn. “Für Europa ist das extrem bedenklich.”
Der Sicherheitsexperte sieht im Moment allerdings wenig Handlungsmöglichkeiten für den Westen. Den Ukraine-Helfern seien die Hände gebunden, weil sie die Entsendung eigener Soldaten in die Ukraine ausgeschlossen hätten.
Russland gelinge es abermals, den Westen zu stressen und dafür zu sorgen, dass er sich mit einer möglichen Gefahr für sich beschäftige. Das spiele politischen Kräften in Europa in die Hände, die etwa die Ukraine-Hilfe infrage stellten, erläutert IFSH-Forscher Kühn. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte schon Mitte Oktober in Brüssel zu ersten Gerüchten über nordkoranische Soldaten gesagt: “Das ist der erste Schritt zu einem Weltkrieg.” Südkorea prüft inzwischen, entgegen bisheriger Praxis nun doch Waffen an die Ukraine zu liefern.
Der Tod von drei US-Soldaten durch eine Drohne im Januar 2024 in Jordanien war ein Schock für die US-amerikanische Armee. Seit dem Korea-Krieg war laut Aussagen der Armee kein Soldat mehr durch einen feindlichen Angriff aus der Luft ums Leben gekommen. Jetzt hat die US-Armee reagiert und das Training gegen Drohnen-Angriffe in ihre Grundausbildung integriert.
Das sogenannte Counter-Unmanned-Aircraft-Systems-Training (C-UAS) findet in Fort Sill in Oklahoma statt. Auf einem der größten Luftwaffenstützpunkte in den USA ist die United States Army Field Artillery School stationiert. Fort Sill hat sich mit seiner Army’s Joint Counter-small Unmanned Aircraft Systems University als Zentrum für den Kampf gegen Drohnen etabliert.
Entscheidend für das Training sei, so ein Ausbilder, dass in Echtzeit trainiert wird, mit echten Drohnen: “Es ist eine Sache, Bedrohungen durch Drohnen zu simulieren, aber Live-Systeme im Spiel zu haben, macht einen großen Unterschied.” Während der Übung müssen die Rekruten sowohl Drohnen identifizieren, als auch Strategien zu ihrer Abwehr trainieren. Das C-UAS-Training ist nun Bestandteil einer 96-Stunden-Übung – der sogenannten The Forge – in der die Rekruten verschiedene Szenarien durchlaufen. Dazu gehört jetzt auch die Abwehr von Drohnen-Schwärmen.
So schreibt der Militär-Experte Michael Forsyth in seiner kürzlich erschienenen Studie “Command of the Air?” über die US-Luftwaffe: “Ihre Unfähigkeit, die Luftüberlegenheit eindeutig sicherzustellen, stellt eine ernsthafte Herausforderung für die Bodentruppen dar.” Daher sei es zwingend, so der Professor am Command and General Staff College in Fort Leavenworth, dass die US-Armee eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung von Drohnen einnehmen müsse. nana
Bundeskanzler Olaf Scholz ist unter anderem mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Staatssekretär Nils Hilmer, in Vertretung für den erkrankten Verteidigungsminister Boris Pistorius, am Donnerstag zu den 7. Regierungskonsultationen in Neu-Delhi eingetroffen. Neben wirtschaftlichen und außenpolitischen Beziehungen soll auch die Zusammenarbeit im Bereich Sicherheit und Verteidigung gestärkt werden.
Erst am vorvergangenen Mittwoch hat das Bundeskabinett das Grundsatzprogramm “Fokus auf Indien” mit eben jenen Absichten verabschiedet. Darin heißt es, dass die Bundeswehr künftig häufiger Präsenz im indo-pazifischen Raum zeigen und eine engere Zusammenarbeit beider Streitkräfte angestrebt werde, etwa bei gemeinsamen Manövern oder bei der Ausbildung.
Auch beim Thema Rüstungsexporte will Deutschland ein “verlässlicher Sicherheitspartner” sein: Die Bundesregierung werde “ihre rüstungspolitische Zusammenarbeit mit Indien ausbauen“, heißt es in dem Dokument.
Wirtschaftsminister Habeck betonte in Indien, er sehe das Thema Rüstungsexporte grundsätzlich “völlig abgekoppelt” von der Frage der strategischen Zusammenarbeit. Indien liege nun einmal in einer “nicht ganz friedlichen Region” und brauche Waffen zu Selbstverteidigung, “inklusive U-Boote”. Deutsche Waffenlieferungen würden helfen, Indiens Abhängigkeit in diesem Bereich von Russland zu mindern. “Wenn wir nicht wollen, dass das Verhältnis zwischen den beiden Staaten permanent gestärkt wird, müssen wir entsprechend agieren”, sagte der Grünen-Politiker.
Konkret auf dem Tisch liegt ein möglicher U-Boot-Deal: Der Kieler U-Bootbauer Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) hofft auf einen Auftrag für die Entwicklung und den Bau von sechs U-Boote in Indien. Eine entsprechende Absichtserklärung hatten TKMS und die indische Mazagon Dock Shipbuilders im Juni 2023 unterzeichnet.
Auf Nachfrage erklärte TKMS: “Indien gehört für uns zu den stärksten Wachstumsmärkten weltweit und bietet großes Wachstumspotenzial, insbesondere für die Modernisierung bestehender Flotten und bei der Einführung neuer Technologien.” Im Falle des Zuschlags sei TKMS für die Konstruktion der U-Boote verantwortlich. Zuständig für den Bau der U-Boote wäre Mazagon Dock Shipbuilders.
Damit will die indische Marine nicht nur ihre Flotte erneuern, um sich im Indischen Ozean stärker gegenüber China aufzustellen. Die indische Regierung hat auch ein Regierungsprogramm (“Make in India“) angestoßen, um die Abhängigkeit von ausländischen Partnern, allen voran Russland, zu verringern und eine eigene Rüstungsindustrie aufzubauen. Aktuell fokussiert sich Indien darauf, Plattformen wie Kampfjets, Panzer und U-Boote im eigenen Land bauen zu können, braucht dafür aber Technologie und das Wissen aus Europa.
Am Samstag wird Scholz nach Goa reisen, um die deutsche Fregatte “Baden-Württemberg” und das Versorgungsschiff “Frankfurt am Main” des Indo-Pazific-Deployments der Deutschen Marine zu besuchen. klm
Mit dem “Trinity-House-Abkommen”, das Verteidigungsminister Boris Pistorius und sein britischer Amtskollege John Healey am Mittwoch in London unterzeichneten, soll Europas Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit gestärkt werden, indem beide Länder verteidigungspolitisch enger zusammenrücken. Zugleich spricht der Vertrag, den die neue Labour-Regierung nur drei Wochen nach Amtsantritt im Juli anstieß, von dem Wunsch Londons, insgesamt wieder enger an “Festlandeuropa” und die Europäische Union heranzurücken.
Die angekündigte vertiefte Zusammenarbeit bei “unbemannten fliegenden System und deren Vernetzung” kann man als eine Botschaft an Frankreich lesen: Berlin will nicht allein auf das zäh und überaus langsam voranschreitende FCAS-Projekt eines neuen Kampfflugzeugs samt unbemannter Begleitsysteme setzen, wenn es um die Entwicklung bewaffneter Drohnen geht – eine Waffengattung, bei der die Bundeswehr stark hinterherhinkt. Frankreich hatte Anfang Oktober Pläne für eine Drohne vorgestellt, die vernetzt mit dem französischen Rafale-Jet fliegen können soll. Dass Deutschland nun mit Großbritannien ein ähnliches Projekt verfolgt, ist insofern bemerkenswert, als Großbritannien Teil des FCAS-Konkurrenzprojekts Global Combat Air Programme (GCAP) mit Italien und Japan ist.
Unter Experten ist diese Sicht aber umstritten. Gesine Weber vom German Marshall Fund of the United States betonte: “This is not about France.” Stattdessen gehe es um die fehlende bilaterale Verbindung, um die Notwendigkeit, die europäische Verteidigung zu stärken, und um die Bereitschaft, dies gemeinsam zu tun, schrieb die Sicherheitsexpertin auf X.
So stehen vor allem konkrete Projekte und eine engere Verzahnung der jeweiligen Verteidigungsindustrien im Vordergrund: Rheinmetall eröffnet eine neue Fabrik zur Fertigung von Artillerie-Kanonenrohren mit 400 Arbeitsplätzen in Großbritannien (der genaue Standort steht noch nicht fest), den Stahl liefert die Firma Sheffield Forgemasters. Insgesamt soll die Zusammenarbeit bei der Landkriegsführung gestärkt werden, unter anderem beim Radpanzer “Boxer” und der Entwicklung “landgestützter Drohnen”.
Zur Stärkung der Ostflanke soll es mehr deutsch-britische Übungen geben, konkret aber auch der Schutz der Unterwasserinfrastruktur in der Nordsee verbessert werden. Wenn Deutschland dann die ersten P8A-Seeaufklärer im kommenden Jahr erhält, könnten sie auch ins schottische Lossiemouth verlegt werden. Von dort aus würden sie bei der Aufklärung russischer U-Boot-Aktivitäten im Nordatlantik helfen.
Die Partner wollen gemeinsam an einer neuen Langstreckenwaffe (“extended deep strike weapon”) arbeiten, die eine größere Reichweite und Präzision haben soll “als derzeitig marktverfügbar.” Vergangene Woche hatte Großbritannien angekündigt, sich der European Long-range Strike Approach (Elsa) bei der Frankreich, Deutschland und Polen gemeinsam weitreichende Präzisionswaffen entwickeln, anzuschließen. Mit Großbritannien kommt nun auch ein Nicht-mehr-EU-Mitglied hinzu. hh/wp
Eine diplomatische Lösung ist nicht in Sicht, aber Geld soll die Notlage im Libanon mildern: Bei der internationalen Geberkonferenz am Donnerstag in Paris hat Deutschland insgesamt weitere 96 Millionen Euro für die Bewältigung der Krise im Libanon zugesagt, davon 36 Millionen für humanitäre Hilfe, 60 Millionen Euro für Entwicklungszusammenarbeit. Gastgeber Frankreich stellt 100 Millionen Euro an humanitärer Soforthilfe zur Verfügung. Laut UN benötige das Land unmittelbar 400 Millionen Euro.
Ein weiteres erklärtes Ziel der Konferenz war es, sich einer Waffenruhe in der Region anzunähern. Doch weil weder der Iran noch Israel oder der US-Außenminister Antony Blinken bei der Konferenz anwesend waren, sind hier keine Fortschritte zu verzeichnen. Stattdessen reiste Blinken diese Woche zum elften Mal seit Beginn des Gaza-Kriegs in die Region, um vor den US-Präsidentschaftswahlen Anfang November selbst einen Versuch zur Konfliktlösung zu unternehmen. Die Tötung von Hamas-Chef Sinwar bezeichnete er in Israel als eine günstige Gelegenheit für ein Abkommen.
Auch das Thema Rüstungsexporte nach Israel, beim dem es unter den europäischen Verbündeten große Differenzen gibt, kam am Rande der Konferenz zur Sprache. Aus einer aktuellen Antwort des Auswärtigen Amts auf eine Anfrage der BSW-Abgeordneten Sevim Dagdelen geht hervor, dass Deutschland allein seit August Ausfuhren von Rüstungsgütern im Wert von 94,05 Millionen Euro nach Israel erlaubte. Das ist mehr als doppelt so viel wie die 45,74 Millionen Euro, die das Wirtschaftsministerium noch vergangene Woche dem Wirtschaftsausschuss des Bundestags für das gesamte Jahr bis zum 13. Oktober gemeldet hat.
Außenministerin Annalena Baerbock antwortete auf die Frage nach dem vermeintlichen Widerspruch von humanitärer Hilfe und weiterer Waffenlieferungen; “Das ist kein Gegensatz, sondern das sind zwei Seiten der gleichen Medaille.” Das Recht auf Selbstverteidigung stehe im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht. Sie betonte außerdem, dass sich die Frage auf sonstige Rüstungsgüter beziehe, darunter fallen auch Ersatzteile oder Zulieferteile. wp/dpa
Der Getriebehersteller Renk gründet eine Tochtergesellschaft in Italien. Am Dienstag gab der Konzern die Gründung der Renk Italia Srl bekannt. Sitz wird La Spezia sein, wo sich auch die operative Zentrale des vergangene Woche von Rheinmetall und Leonardo gegründeten Joint Ventures Leonardo Rheinmetall Military Vehicles (LRMV) befinden soll. Geschäftsführer der Renk Italia Srl wird Sergio Rizzi, Admiral a. D. Pier-Federico Bisconti übernimmt den Vorstandsvorsitz.
Renk, Rheinmetall und Leonardo hoffen auf lukrative Aufträgen der italienischen Streitkräfte. Italien will in den kommenden Jahren 23 Milliarden Euro für gepanzerte Fahrzeuge ausgeben. Rheinmetall und Leonardo wollen über 1.000 gepanzerte Kampfsysteme auf Basis des Panther von Rheinmetall und auf Basis des Schützenpanzers Lynx an Italien verkaufen. Einen größeren Absatzmarkt erhofft man sich auch bei weiteren EU-Staaten. Renk stellt die Getriebe für die beiden Kampfgeräte her. bub
CSIS: France’s Nuclear Offer to Europe. Frankreich wird mit seinen Atomwaffen in Europa nicht die USA ersetzen. Eine erweiterte französische Nukleardoktrin würde die Sicherheitsinteressen Frankreichs mit denen der Europäischen Union verknüpfen.
Table.Briefings: Im Indopazifik können jederzeit militärische Auseinandersetzungen ausbrechen. Christoph Heusgen, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, spricht sich in einem Standpunkt für Table.Briefings für ein verstärktes Engagement Deutschlands in Südostasien aus. Er hob dabei noch einmal die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an Südkorea von 2016 als starkes Zeichen hervor, auf das die Ukraine bis heute vergeblich wartet.
The Times: Der freiwillige Geheimdienst der Ukraine. Die Organisation InformNapalm stiftet im russischen Hinterland Verwirrung. Sie arbeitet aber auch mit Hackern zusammen und veröffentlicht militärische Pläne Russlands.
Guardian: “‘I can do the same job as a man’: Ukraine’s first frontline female commander on war, grief – and her hope for the future”. Julia Mykytenko ist die erste Ukrainerin, die den Zug einer Aufklärungs- und Angriffseinheit anführt. Über ihre Erfahrungen an der Front und ihre Verluste im Krieg hat sie ein Buch geschrieben.
Kyiv Independent: Putin’s drone strategy shows the cracks in Russia’s war machine. Russland ist nicht in der Lage, qualitativ hochwertige Drohnen in ausreichender Zahl zu fertigen. Vor allem der Wechsel vom Prototypen zum Serienprodukt scheitert häufig. Das Land bleibt abhängig von Drohnen aus dem Iran und China.
CNN: “The world doesn’t see us”: What a militia chief said while holding me captive in Darfur. Die CNN-Auslandskorrespondentin Clarissa Ward wurde im Sudan mit ihrem Team von einer Miliz gefangen genommen. In all dem Chaos wurde deutlich, dass auch ihre Entführer sich wünschen, dass der Konflikt international mehr wahrgenommen wird.
El Pais: Ukraine does not have enough soldiers to stop Russia. Die Ukraine verfügt über so wenige Truppenreserven, dass die Frontsoldaten nicht rotieren und sich erholen können. Die Truppe glaubt, an Teilen der Donezk-Front nicht mehr lange durchhalten zu können.
Die Zeit: Nur in der Nato hat die Ukraine eine “westdeutsche” Zukunft. Es wäre eine Tragödie, aber es ist möglich, dass die Ukraine nach Ende des Krieges geteilt wird, schreibt der Historiker Timothy Garton Ash. Sollte das geschehen, müsste im Gegenzug der wirtschaftliche Wiederaufbau angemessen gefördert und die Ukraine sowohl in die EU als auch die Nato aufgenommen werden.
Als Sven Bäring beschließt, zur Bundeswehr zu gehen, ist das eine ganz pragmatische Entscheidung. “Ich wollte klare Strukturen und ich wollte Medizin studieren”, erklärt der gebürtige Wolgaster mit süffisantem Grinsen. Mit seinem Abiturdurchschnitt allerdings sei das eher unmöglich gewesen. Bei der Bundeswehr ist es möglich. Was seine Mutter aber als eher unmöglich empfand – also für die Bundeswehr – ist sein Schwulsein. “Das darfst Du aber nicht sagen!”, habe sie ihm besorgt erklärt, nachdem er sich 2013 für den freiwilligen Wehrdienst entschieden hatte. Und er hält sich dran. Erst einmal.
Die Zeit war noch nicht reif, sagt der 30-jährige Oberleutnant heute. Erst seit 2000 darf Homosexualität keine Einschränkung mehr bei der Karriereplanung bedeuten. Während der Grundausbildung aber raunen ihm Vorgesetzte noch zu: “Bitte reden Sie nicht darüber!” Auch als er einmal ohne sein Wollen geoutet wird, fühlt er sich wie im falschen Film. Geändert habe sich dies erst, als sich beide ändern: er und die Bundeswehr. Bäring wechselt zum Truppendienst, lässt sich zum Luftfahrzeugtechniker ausbilden und weiß plötzlich: “Wie kann ich eine authentische Führungskraft sein, wenn ich verschweige, dass ich schwul bin?”.
Die Entscheidung zum Outing sei ihm aber auch leichter gefallen, weil sich die Bundeswehr zu bewegen begann. Im Mai 2016 schuf die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Stabsstelle für “Chancengerechtigkeit, Vielfalt und Inklusion”. Es gab die ersten Workshops zum Thema “Sexuelle Orientierung und Identität in der Bundeswehr”. Da waren sie, die “klaren Strukturen”, die er sich gewünscht hatte. “Da dachte ich: Die Bundeswehr ist auch ein Arbeitgeber, der für mich da ist.” Ebenso schnell war dem jungen Offizier, der gern klare Worte findet, aber auch bewusst, dass dies natürlich nur ein Anfang ist. So schnell ändert sich ein “Tanker” wie die Bundeswehr nicht.
Also reift in ihm die Erkenntnis, dass “man nicht nur meckern soll, sondern selber anpacken muss, um etwas zu verändern.” Und so tritt Bäring 2015 dem Verein QueerBw bei, der schon seit 2002 ein Sprachrohr für queere Menschen in der Bundeswehr ist. Seit fünf Jahren ist er der Vorsitzende der Interessenvertretung. Alles ehrenamtlich natürlich. Und dabei stößt er zuweilen an die Grenze dessen, “was wir leisten können”. Zu groß sei die Nachfrage nach Beratung, auch von Dienststellen der Bundeswehr. “Natürlich ist das positiv”, erklärt Bäring. Aber das Ministerium habe auch unmissverständlich erklärt, dass ein Ehrenamt eben keine Dienstzeit in Anspruch nehmen dürfe. Also: Schön, dass Ihr das macht. Aber bitte in Eurer Freizeit.
Manchmal, wenn der Frust groß ist, taucht Bäring gern ab. Ganz wörtlich. Tauchen ist seine große Leidenschaft, “so richtig mit Flasche und Thrill”, erzählt er begeistert. Ihn fasziniert die Welt unter Wasser, “in die wir sonst keinen Einblick haben”. Eine andere Leidenschaft hat ein wenig mit seinem Beruf bei der Luftwaffe zu tun. Für seine neue Wohnung hat er sich eine Bar anfertigen lassen, in die ein Stück der Außenhaut der Regierungsmaschine A 340 “Konrad Adenauer” eingebaut ist.
Dass am Montag zum zweiten Mal die Diversity-Konferenz der Bundeswehr stattfindet, ist auch ein Verdienst von QueerBw. Zusammen mit dem Verein Deutscher Soldat e.V und dem Verteidigungsministerium hat die Interessenvertretung nach Berlin eingeladen. 150 Führungskräfte der Bundeswehr treffen auf Experten und Expertinnen aus Wirtschaft und Politik sowie auf Mitglieder von Interessenverbänden. In Workshops will man Rüstzeug im Umgang mit dem sogenannten “Vielfältigkeitsmanagement” vermitteln.
Verteidigungsminister Boris Pistorius will die Veranstaltung eröffnen. Ein großer Erfolg, sicherlich, meint Bäring. Aber das Thema “Diversity und Bundeswehr” gerate in letzter Zeit oft in den Schatten der “Zeitenwende”. Natürlich sei es wichtig, über Waffensysteme und Kriegstüchtigkeit zu sprechen. Dabei gebe es hier aber kein “Entweder – Oder”. Manchmal fehle der Bundeswehr “einfach der Drive”, sich dem Thema Diversity zu widmen. Und allzu oft gab es einen “Wandel nur durch Gerichtsurteile”. An Bekenntnissen mangele es nicht: “Bis Vielfalt aber diskriminierungsfrei gelebt wird, haben wir noch einiges zu tun.” Nana Brink
Am vergangenen Sonntag erhielt die US-amerikanische Historikerin und Publizistin Anne Applebaum den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Dass die Wahl auf sie fiel, war eine positive Überraschung. Wörtlich sagte sie in ihrer Dankesrede: “Seit fast einem Jahrhundert wissen wir, dass der Ruf nach Pazifismus angesichts einer aggressiven Diktatur oft nichts anderes ist als Appeasement und Hinnahme dieser Diktatur”.
Applebaum tritt seit Beginn des russischen Kriegs in der Ukraine für umfassende westliche Waffenlieferungen an Kiew ein. Da sich ihr Lebensmittelpunkt seit gut 30 Jahren in Polen befindet – ihr Ehemann ist der polnische Außenminister Radosław Sikorski -, weiß sie aus eigener Anschauung um die Gefahr, die von Putins Russland ausgeht.
Ihr jüngstes Buch “Die Achse der Autokraten” behandelt den weltweiten Siegeszug einer wachsenden Zahl von Autokratien und Diktaturen, die trotz großer ideologischer Unterschiede eng miteinander kollaborieren: politisch, ökonomisch und auch militärisch. Als Bindeglied fungiert die Ablehnung der westlichen Demokratien mit ihren offenen Gesellschaften. Jüngste Meldungen, wonach Nordkorea Russland nicht nur Waffen liefert, sondern auch eigene Soldaten an die Frontlinien in der Ukraine schickt, stützen Applebaums Ausführungen eindrücklich.
Applebaums Appell: Der Westen muss eine Gegenachse bilden. Denn die einzige Sprache, die die Machthaber in Moskau, Peking oder Teheran verstehen, ist die der militärischen Stärke. Das ist nicht neu, aufgrund der schlüssigen Argumentation und Detailtiefe aber unbedingt lesenswert. Florian Keisinger
Anne Applebaum: Die Achse der Autokraten. Korruption, Kontrolle, Propaganda. Wie Diktatoren sich gegenseitig an der Macht halten. Siedler Verlag, 208 Seiten, 26 Euro.
ausnahmsweise führen wir Sie in dieses Briefing nur mit einem Bild ein, einer Momentaufnahme vom Treffen zwischen dem UN-Generalsekretär António Guterres mit Russlands Machthaber Wladimir Putin am gestrigen Donnerstag im russischen Kasan.
Dieser Augenblick, in dem sich Guterres vor dem Mann verbeugt, der für Kriegsverbrechen in der Ukraine verantwortlich ist, löste Empörung bei einigen europäischen Politikerinnen und Politikern aus.
Guterres forderte einen “gerechten Frieden” für die Ukraine. Putin konterte und brüskierte ihn mit der Aussage, der Westen gebe sich einer Illusion hin, Russland im Felde schlagen zu können. Putins Selbstsicherheit dürfte wohl auch damit zusammenhängen, dass er nun auch personelle Unterstützung von Nordkorea bekommt.
Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre
An manchen Stellen liest sich “Vers la guerre ?”, das Buch des französischen Verteidigungsministers Sébastien Lecornu, das am 10. Oktober erschienen ist, als hätte sein “sozialdemokratischer Amtskollege und nunmehr Freund, Boris Pistorius”, mitgeschrieben. Lecornu fordert Bürokratieabbau, größere industrielle Kapazitäten, Personalaufwuchs. Bis 2030 sollen die französischen Streitkräfte auf 100.000 Reservisten zugreifen können. Derzeit sind es 40.000, bei 200.000 aktiven Soldaten. Die französische Zeitenwende muss ähnliche Hürden nehmen wie die deutsche, aber findet dafür mit Blick auf die strategische Ausrichtung andere Antworten.
Die Gesellschaft soll resilienter werden, sensitiver für Desinformation und Propaganda. Und die Armeen beider Länder müssen Lehren aus Russlands Krieg in der Ukraine ziehen. “Die deutschen und die französischen Streitkräfte müssen sich für hochintensive Gefechte bereit machen“, sagt Jacob Ross von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).
Doch anders als Deutschland, das zurück zu der Stärke will, die ihm zu Hochzeiten des Kalten Kriegs als konventionelles Rückgrat der Nato in Europa zugeschrieben wurde, habe Frankreich eine größere Vision. “Wenn Frankreich wirklich Führungsverantwortung in Europa übernehmen möchte und die Pläne für ein souveräneres Europa umsetzen will, muss es sich radikal ändern”, sagt Ross.
“Vers la guerre” ist ein Plädoyer für strategische Autonomie. Fast alle Kapitel leitet Lecornu mit einem Zitat des französischen Staatspräsidenten von 1959 bis 1969, Charles de Gaulle, oder seines Verteidigungsministers Pierre Messmer ein. De Gaulle hat Frankreich zur Atommacht gemacht und 1966 die integrierte Kommandostruktur der Nato verlassen, in die Frankreich erst 2009 zurückkehrte. Sein Autonomiebestreben passt gut in die Zeit, in der Europa unabhängiger werden will, weil die USA sich stärker auf den Indopazifik fokussieren.
Der Weg dahin ist teuer. 413 Milliarden Euro für Verteidigung plant die aktuelle Regierung zwischen 2024 und 2030 ein. Derzeit laufen die Haushaltsdebatten in der Assemblée Nationale für das kommende Jahr. Für 2025 will Lecornu den Etat auf 50,5 Milliarden Euro anheben. Pistorius hofft in Deutschland auf 53,25 Milliarden Euro.
Das in Frankreich vernachlässigte Heer soll sich künftig stärker auf die Landes- und Bündnisverteidigung ausrichten. Die französischen Streitkräfte haben Erfahrung mit Auslandseinsätzen. Mit vielen Partnern und auch kleineren Mitgliedstaaten in Europa zusammenzuarbeiten, sei das französische Militär allerdings nicht gewohnt, sagt Ross. In Rumänien führt Frankreich bereits eine Nato-Battlegroup an. Für das Heer kündigt Lecornu weitere Änderungen an. Er will die Interoperabilität mit anderen Nato-Streitkräften erhöhen und die Kompetenz auf Cyber- und Informationskriegsführung ausweiten. Außerdem werde nicht mehr der Soldat primäres Kampfinstrument sein, sondern in einigen Bereichen von autonomen Maschinen assistiert oder ersetzt werden.
Strategische Autonomie setzt auch eine starke europäische Rüstungsindustrie voraus. An Deutschland richtet Lecornu klare Worte. Das deutsch-französisch-spanische Kampfjet-Projekt Future Combat Air System (FCAS) müsse in der Lage sein, Nuklearraketen tragen zu können und auf dem künftigen französischen Flugzeugträger zu landen. “Ganz offensichtlich sind weder Spanien noch Deutschland von diesen Besonderheiten betroffen”, schreibt Lecornu. Sollten die Partner davon abrücken, werde Frankreich das Projekt verlassen.
Deutschland und Frankreich haben für Ausweichmöglichkeiten gesorgt. Anfang Oktober stellte Lecornu Pläne für eine Drohne vor, die – wie bei FCAS vorgesehen – vernetzt mit dem Rafale-Jet fliegen können soll. Im deutsch-britischen Verteidigungsabkommen, verpflichteten sich London und Berlin am Mittwoch “zur engen Zusammenarbeit bei der Forschung und Entwicklung von unbemannten Flugsystemen”, deren “Interoperabilität mit zukünftigen Kampfflugzeugsystemen” sie sicherstellen wollen.
Scheitern könnte FCAS auch an Exportregelungen. Gemeinsam gebaute Geräte müssten an Partner überall in der Welt exportiert werden können, “ohne deutsches oder spanisches Veto”, schreibt Lecornu. Andernfalls wäre auch das ein Grund für ein Ende der Rüstungskooperation. Rüstungsexporte sieht der Verteidigungsminister als Teil der französischen Autonomie. Ohne Exporte ließe sich die französische Industrie und damit die Versorgung der eigenen Truppen nicht finanzieren. Außerdem dienten sie der Stabilisierung von Partnerschaften. Zwischen 2019 und 2023 war Frankreich der zweitgrößte Rüstungsexporteur, lieferte vor allem nach Indien und Katar. Seit der Zeitenwende bewegt sich Deutschland bei den Exporten auf Frankreich zu.
So ambitioniert die Pläne beider Länder sind: “Der Zeitenwende-Prozess steht und fällt damit, wie die kommenden Wahlen ausgehen”, sagt Jacob Ross. AfD und BSW in Deutschland und Rassemblement National und la France Insoumise in Frankreich wollen verteidigungspolitisch in eine andere Richtung.
Plon: Sébastien Lecornu. Vers la guerre ? La France face au réarmement du monde.
“Tief besorgt” und bereit zur Reaktion: Die EU-Staaten haben mit deutlicher Kritik auf die Berichte über nordkoreanische Soldaten in Russland reagiert. Russlands vertiefte Kooperation mit Nordkorea sende eine klare Botschaft, heißt es in einer Erklärung des Europäischen Rates vom Donnerstagabend: “Trotz der erklärten Bereitschaft zu Verhandlungen ist Russland nicht interessiert an einem gerechten, umfassenden und dauerhaften Frieden.” Die EU-Staaten kündigen eine Reaktion in Abstimmung mit internationalen Partnern auf die Entwicklung zwischen Moskau und Pjöngjang an.
Mit dem BRICS-Summit im russischen Kasan und der militärischen Zusammenarbeit mit Nordkorea verfolgt Russland mehrere Ziele: Unter anderem will Russland nach innen wie nach außen zeigen, dass es nicht isoliert sei. “Es ist ja kein Zufall, dass der Aufenthalt nordkoreanischer Soldaten fast zeitgleich mit dem BRICS-Treffen bekannt wird”, sagt Ulrich Kühn vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik von der Universität Hamburg (IFSH). Konkret würden da zwei Staatsführer kooperieren, die “im Hass auf den Westen” vereint seien.
Kühn und andere Fachleute betrachten die Entwicklung rund um die Entsendung nordkoreanischer Soldaten – die Rede ist je nach Quelle von 3.000 bis 11.000 Mann – als “eine deutliche Eskalation des russischen Krieges gegen die Ukraine, weil ein dritter Staat nun aktiv mit Soldaten eingreifen könnte”.
“Ich gehe davon aus, dass wir diese Soldaten schon bald an der Front sehen werden, entweder in Russland selbst in der Region Kursk oder in den besetzten Gebieten in der Ukraine”, sagt der Leiter des Forschungsbereichs Rüstungskontrolle und Neue Technologien am IFSH.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat während seines Besuchs im Juni in Pjöngjang mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un einen Vertrag für eine “allumfassende strategische Partnerschaft zwischen Russland und Nordkorea” unterzeichnet. Die Duma hat ihn nun ratifiziert. Nach Putins Unterschrift könnte er schon bald in Kraft treten. Im Vertrag (hier Original auf Russisch) heißt es unter anderem:
“Wenn eine Seite von irgendeinem anderen Staat oder mehreren Staaten gewaltsam angegriffen wird und sich dadurch in einem Zustand des Krieges befindet, dann wird die andere Seite unverzüglich militärische und jede andere Hilfe mit ihr zur Verfügung stehenden Mitteln leisten entsprechend dem Artikel 51 der UN-Charta und aufgrund der Gesetzeslage Russlands und der Demokratischen Volksrepublik Korea.”
Offiziell führt Russland keinen Krieg, sondern eine “Spezialmilitäroperation” in der Ukraine.
Satellitenbilder, Fotos und Videoaufnahmen von nordkoreanischen Soldaten auf russischem Territorium haben international Empörung ausgelöst. Nach Lieferungen verschiedener Waffen aus dem Iran und Nordkorea hätten fremde Soldaten – entsandt von einem Staat und nicht als Privatpersonen angeworben – eine neue “Qualität”, sagt Ulrich Kühn. “Für Europa ist das extrem bedenklich.”
Der Sicherheitsexperte sieht im Moment allerdings wenig Handlungsmöglichkeiten für den Westen. Den Ukraine-Helfern seien die Hände gebunden, weil sie die Entsendung eigener Soldaten in die Ukraine ausgeschlossen hätten.
Russland gelinge es abermals, den Westen zu stressen und dafür zu sorgen, dass er sich mit einer möglichen Gefahr für sich beschäftige. Das spiele politischen Kräften in Europa in die Hände, die etwa die Ukraine-Hilfe infrage stellten, erläutert IFSH-Forscher Kühn. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte schon Mitte Oktober in Brüssel zu ersten Gerüchten über nordkoranische Soldaten gesagt: “Das ist der erste Schritt zu einem Weltkrieg.” Südkorea prüft inzwischen, entgegen bisheriger Praxis nun doch Waffen an die Ukraine zu liefern.
Der Tod von drei US-Soldaten durch eine Drohne im Januar 2024 in Jordanien war ein Schock für die US-amerikanische Armee. Seit dem Korea-Krieg war laut Aussagen der Armee kein Soldat mehr durch einen feindlichen Angriff aus der Luft ums Leben gekommen. Jetzt hat die US-Armee reagiert und das Training gegen Drohnen-Angriffe in ihre Grundausbildung integriert.
Das sogenannte Counter-Unmanned-Aircraft-Systems-Training (C-UAS) findet in Fort Sill in Oklahoma statt. Auf einem der größten Luftwaffenstützpunkte in den USA ist die United States Army Field Artillery School stationiert. Fort Sill hat sich mit seiner Army’s Joint Counter-small Unmanned Aircraft Systems University als Zentrum für den Kampf gegen Drohnen etabliert.
Entscheidend für das Training sei, so ein Ausbilder, dass in Echtzeit trainiert wird, mit echten Drohnen: “Es ist eine Sache, Bedrohungen durch Drohnen zu simulieren, aber Live-Systeme im Spiel zu haben, macht einen großen Unterschied.” Während der Übung müssen die Rekruten sowohl Drohnen identifizieren, als auch Strategien zu ihrer Abwehr trainieren. Das C-UAS-Training ist nun Bestandteil einer 96-Stunden-Übung – der sogenannten The Forge – in der die Rekruten verschiedene Szenarien durchlaufen. Dazu gehört jetzt auch die Abwehr von Drohnen-Schwärmen.
So schreibt der Militär-Experte Michael Forsyth in seiner kürzlich erschienenen Studie “Command of the Air?” über die US-Luftwaffe: “Ihre Unfähigkeit, die Luftüberlegenheit eindeutig sicherzustellen, stellt eine ernsthafte Herausforderung für die Bodentruppen dar.” Daher sei es zwingend, so der Professor am Command and General Staff College in Fort Leavenworth, dass die US-Armee eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung von Drohnen einnehmen müsse. nana
Bundeskanzler Olaf Scholz ist unter anderem mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Staatssekretär Nils Hilmer, in Vertretung für den erkrankten Verteidigungsminister Boris Pistorius, am Donnerstag zu den 7. Regierungskonsultationen in Neu-Delhi eingetroffen. Neben wirtschaftlichen und außenpolitischen Beziehungen soll auch die Zusammenarbeit im Bereich Sicherheit und Verteidigung gestärkt werden.
Erst am vorvergangenen Mittwoch hat das Bundeskabinett das Grundsatzprogramm “Fokus auf Indien” mit eben jenen Absichten verabschiedet. Darin heißt es, dass die Bundeswehr künftig häufiger Präsenz im indo-pazifischen Raum zeigen und eine engere Zusammenarbeit beider Streitkräfte angestrebt werde, etwa bei gemeinsamen Manövern oder bei der Ausbildung.
Auch beim Thema Rüstungsexporte will Deutschland ein “verlässlicher Sicherheitspartner” sein: Die Bundesregierung werde “ihre rüstungspolitische Zusammenarbeit mit Indien ausbauen“, heißt es in dem Dokument.
Wirtschaftsminister Habeck betonte in Indien, er sehe das Thema Rüstungsexporte grundsätzlich “völlig abgekoppelt” von der Frage der strategischen Zusammenarbeit. Indien liege nun einmal in einer “nicht ganz friedlichen Region” und brauche Waffen zu Selbstverteidigung, “inklusive U-Boote”. Deutsche Waffenlieferungen würden helfen, Indiens Abhängigkeit in diesem Bereich von Russland zu mindern. “Wenn wir nicht wollen, dass das Verhältnis zwischen den beiden Staaten permanent gestärkt wird, müssen wir entsprechend agieren”, sagte der Grünen-Politiker.
Konkret auf dem Tisch liegt ein möglicher U-Boot-Deal: Der Kieler U-Bootbauer Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) hofft auf einen Auftrag für die Entwicklung und den Bau von sechs U-Boote in Indien. Eine entsprechende Absichtserklärung hatten TKMS und die indische Mazagon Dock Shipbuilders im Juni 2023 unterzeichnet.
Auf Nachfrage erklärte TKMS: “Indien gehört für uns zu den stärksten Wachstumsmärkten weltweit und bietet großes Wachstumspotenzial, insbesondere für die Modernisierung bestehender Flotten und bei der Einführung neuer Technologien.” Im Falle des Zuschlags sei TKMS für die Konstruktion der U-Boote verantwortlich. Zuständig für den Bau der U-Boote wäre Mazagon Dock Shipbuilders.
Damit will die indische Marine nicht nur ihre Flotte erneuern, um sich im Indischen Ozean stärker gegenüber China aufzustellen. Die indische Regierung hat auch ein Regierungsprogramm (“Make in India“) angestoßen, um die Abhängigkeit von ausländischen Partnern, allen voran Russland, zu verringern und eine eigene Rüstungsindustrie aufzubauen. Aktuell fokussiert sich Indien darauf, Plattformen wie Kampfjets, Panzer und U-Boote im eigenen Land bauen zu können, braucht dafür aber Technologie und das Wissen aus Europa.
Am Samstag wird Scholz nach Goa reisen, um die deutsche Fregatte “Baden-Württemberg” und das Versorgungsschiff “Frankfurt am Main” des Indo-Pazific-Deployments der Deutschen Marine zu besuchen. klm
Mit dem “Trinity-House-Abkommen”, das Verteidigungsminister Boris Pistorius und sein britischer Amtskollege John Healey am Mittwoch in London unterzeichneten, soll Europas Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit gestärkt werden, indem beide Länder verteidigungspolitisch enger zusammenrücken. Zugleich spricht der Vertrag, den die neue Labour-Regierung nur drei Wochen nach Amtsantritt im Juli anstieß, von dem Wunsch Londons, insgesamt wieder enger an “Festlandeuropa” und die Europäische Union heranzurücken.
Die angekündigte vertiefte Zusammenarbeit bei “unbemannten fliegenden System und deren Vernetzung” kann man als eine Botschaft an Frankreich lesen: Berlin will nicht allein auf das zäh und überaus langsam voranschreitende FCAS-Projekt eines neuen Kampfflugzeugs samt unbemannter Begleitsysteme setzen, wenn es um die Entwicklung bewaffneter Drohnen geht – eine Waffengattung, bei der die Bundeswehr stark hinterherhinkt. Frankreich hatte Anfang Oktober Pläne für eine Drohne vorgestellt, die vernetzt mit dem französischen Rafale-Jet fliegen können soll. Dass Deutschland nun mit Großbritannien ein ähnliches Projekt verfolgt, ist insofern bemerkenswert, als Großbritannien Teil des FCAS-Konkurrenzprojekts Global Combat Air Programme (GCAP) mit Italien und Japan ist.
Unter Experten ist diese Sicht aber umstritten. Gesine Weber vom German Marshall Fund of the United States betonte: “This is not about France.” Stattdessen gehe es um die fehlende bilaterale Verbindung, um die Notwendigkeit, die europäische Verteidigung zu stärken, und um die Bereitschaft, dies gemeinsam zu tun, schrieb die Sicherheitsexpertin auf X.
So stehen vor allem konkrete Projekte und eine engere Verzahnung der jeweiligen Verteidigungsindustrien im Vordergrund: Rheinmetall eröffnet eine neue Fabrik zur Fertigung von Artillerie-Kanonenrohren mit 400 Arbeitsplätzen in Großbritannien (der genaue Standort steht noch nicht fest), den Stahl liefert die Firma Sheffield Forgemasters. Insgesamt soll die Zusammenarbeit bei der Landkriegsführung gestärkt werden, unter anderem beim Radpanzer “Boxer” und der Entwicklung “landgestützter Drohnen”.
Zur Stärkung der Ostflanke soll es mehr deutsch-britische Übungen geben, konkret aber auch der Schutz der Unterwasserinfrastruktur in der Nordsee verbessert werden. Wenn Deutschland dann die ersten P8A-Seeaufklärer im kommenden Jahr erhält, könnten sie auch ins schottische Lossiemouth verlegt werden. Von dort aus würden sie bei der Aufklärung russischer U-Boot-Aktivitäten im Nordatlantik helfen.
Die Partner wollen gemeinsam an einer neuen Langstreckenwaffe (“extended deep strike weapon”) arbeiten, die eine größere Reichweite und Präzision haben soll “als derzeitig marktverfügbar.” Vergangene Woche hatte Großbritannien angekündigt, sich der European Long-range Strike Approach (Elsa) bei der Frankreich, Deutschland und Polen gemeinsam weitreichende Präzisionswaffen entwickeln, anzuschließen. Mit Großbritannien kommt nun auch ein Nicht-mehr-EU-Mitglied hinzu. hh/wp
Eine diplomatische Lösung ist nicht in Sicht, aber Geld soll die Notlage im Libanon mildern: Bei der internationalen Geberkonferenz am Donnerstag in Paris hat Deutschland insgesamt weitere 96 Millionen Euro für die Bewältigung der Krise im Libanon zugesagt, davon 36 Millionen für humanitäre Hilfe, 60 Millionen Euro für Entwicklungszusammenarbeit. Gastgeber Frankreich stellt 100 Millionen Euro an humanitärer Soforthilfe zur Verfügung. Laut UN benötige das Land unmittelbar 400 Millionen Euro.
Ein weiteres erklärtes Ziel der Konferenz war es, sich einer Waffenruhe in der Region anzunähern. Doch weil weder der Iran noch Israel oder der US-Außenminister Antony Blinken bei der Konferenz anwesend waren, sind hier keine Fortschritte zu verzeichnen. Stattdessen reiste Blinken diese Woche zum elften Mal seit Beginn des Gaza-Kriegs in die Region, um vor den US-Präsidentschaftswahlen Anfang November selbst einen Versuch zur Konfliktlösung zu unternehmen. Die Tötung von Hamas-Chef Sinwar bezeichnete er in Israel als eine günstige Gelegenheit für ein Abkommen.
Auch das Thema Rüstungsexporte nach Israel, beim dem es unter den europäischen Verbündeten große Differenzen gibt, kam am Rande der Konferenz zur Sprache. Aus einer aktuellen Antwort des Auswärtigen Amts auf eine Anfrage der BSW-Abgeordneten Sevim Dagdelen geht hervor, dass Deutschland allein seit August Ausfuhren von Rüstungsgütern im Wert von 94,05 Millionen Euro nach Israel erlaubte. Das ist mehr als doppelt so viel wie die 45,74 Millionen Euro, die das Wirtschaftsministerium noch vergangene Woche dem Wirtschaftsausschuss des Bundestags für das gesamte Jahr bis zum 13. Oktober gemeldet hat.
Außenministerin Annalena Baerbock antwortete auf die Frage nach dem vermeintlichen Widerspruch von humanitärer Hilfe und weiterer Waffenlieferungen; “Das ist kein Gegensatz, sondern das sind zwei Seiten der gleichen Medaille.” Das Recht auf Selbstverteidigung stehe im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht. Sie betonte außerdem, dass sich die Frage auf sonstige Rüstungsgüter beziehe, darunter fallen auch Ersatzteile oder Zulieferteile. wp/dpa
Der Getriebehersteller Renk gründet eine Tochtergesellschaft in Italien. Am Dienstag gab der Konzern die Gründung der Renk Italia Srl bekannt. Sitz wird La Spezia sein, wo sich auch die operative Zentrale des vergangene Woche von Rheinmetall und Leonardo gegründeten Joint Ventures Leonardo Rheinmetall Military Vehicles (LRMV) befinden soll. Geschäftsführer der Renk Italia Srl wird Sergio Rizzi, Admiral a. D. Pier-Federico Bisconti übernimmt den Vorstandsvorsitz.
Renk, Rheinmetall und Leonardo hoffen auf lukrative Aufträgen der italienischen Streitkräfte. Italien will in den kommenden Jahren 23 Milliarden Euro für gepanzerte Fahrzeuge ausgeben. Rheinmetall und Leonardo wollen über 1.000 gepanzerte Kampfsysteme auf Basis des Panther von Rheinmetall und auf Basis des Schützenpanzers Lynx an Italien verkaufen. Einen größeren Absatzmarkt erhofft man sich auch bei weiteren EU-Staaten. Renk stellt die Getriebe für die beiden Kampfgeräte her. bub
CSIS: France’s Nuclear Offer to Europe. Frankreich wird mit seinen Atomwaffen in Europa nicht die USA ersetzen. Eine erweiterte französische Nukleardoktrin würde die Sicherheitsinteressen Frankreichs mit denen der Europäischen Union verknüpfen.
Table.Briefings: Im Indopazifik können jederzeit militärische Auseinandersetzungen ausbrechen. Christoph Heusgen, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, spricht sich in einem Standpunkt für Table.Briefings für ein verstärktes Engagement Deutschlands in Südostasien aus. Er hob dabei noch einmal die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an Südkorea von 2016 als starkes Zeichen hervor, auf das die Ukraine bis heute vergeblich wartet.
The Times: Der freiwillige Geheimdienst der Ukraine. Die Organisation InformNapalm stiftet im russischen Hinterland Verwirrung. Sie arbeitet aber auch mit Hackern zusammen und veröffentlicht militärische Pläne Russlands.
Guardian: “‘I can do the same job as a man’: Ukraine’s first frontline female commander on war, grief – and her hope for the future”. Julia Mykytenko ist die erste Ukrainerin, die den Zug einer Aufklärungs- und Angriffseinheit anführt. Über ihre Erfahrungen an der Front und ihre Verluste im Krieg hat sie ein Buch geschrieben.
Kyiv Independent: Putin’s drone strategy shows the cracks in Russia’s war machine. Russland ist nicht in der Lage, qualitativ hochwertige Drohnen in ausreichender Zahl zu fertigen. Vor allem der Wechsel vom Prototypen zum Serienprodukt scheitert häufig. Das Land bleibt abhängig von Drohnen aus dem Iran und China.
CNN: “The world doesn’t see us”: What a militia chief said while holding me captive in Darfur. Die CNN-Auslandskorrespondentin Clarissa Ward wurde im Sudan mit ihrem Team von einer Miliz gefangen genommen. In all dem Chaos wurde deutlich, dass auch ihre Entführer sich wünschen, dass der Konflikt international mehr wahrgenommen wird.
El Pais: Ukraine does not have enough soldiers to stop Russia. Die Ukraine verfügt über so wenige Truppenreserven, dass die Frontsoldaten nicht rotieren und sich erholen können. Die Truppe glaubt, an Teilen der Donezk-Front nicht mehr lange durchhalten zu können.
Die Zeit: Nur in der Nato hat die Ukraine eine “westdeutsche” Zukunft. Es wäre eine Tragödie, aber es ist möglich, dass die Ukraine nach Ende des Krieges geteilt wird, schreibt der Historiker Timothy Garton Ash. Sollte das geschehen, müsste im Gegenzug der wirtschaftliche Wiederaufbau angemessen gefördert und die Ukraine sowohl in die EU als auch die Nato aufgenommen werden.
Als Sven Bäring beschließt, zur Bundeswehr zu gehen, ist das eine ganz pragmatische Entscheidung. “Ich wollte klare Strukturen und ich wollte Medizin studieren”, erklärt der gebürtige Wolgaster mit süffisantem Grinsen. Mit seinem Abiturdurchschnitt allerdings sei das eher unmöglich gewesen. Bei der Bundeswehr ist es möglich. Was seine Mutter aber als eher unmöglich empfand – also für die Bundeswehr – ist sein Schwulsein. “Das darfst Du aber nicht sagen!”, habe sie ihm besorgt erklärt, nachdem er sich 2013 für den freiwilligen Wehrdienst entschieden hatte. Und er hält sich dran. Erst einmal.
Die Zeit war noch nicht reif, sagt der 30-jährige Oberleutnant heute. Erst seit 2000 darf Homosexualität keine Einschränkung mehr bei der Karriereplanung bedeuten. Während der Grundausbildung aber raunen ihm Vorgesetzte noch zu: “Bitte reden Sie nicht darüber!” Auch als er einmal ohne sein Wollen geoutet wird, fühlt er sich wie im falschen Film. Geändert habe sich dies erst, als sich beide ändern: er und die Bundeswehr. Bäring wechselt zum Truppendienst, lässt sich zum Luftfahrzeugtechniker ausbilden und weiß plötzlich: “Wie kann ich eine authentische Führungskraft sein, wenn ich verschweige, dass ich schwul bin?”.
Die Entscheidung zum Outing sei ihm aber auch leichter gefallen, weil sich die Bundeswehr zu bewegen begann. Im Mai 2016 schuf die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Stabsstelle für “Chancengerechtigkeit, Vielfalt und Inklusion”. Es gab die ersten Workshops zum Thema “Sexuelle Orientierung und Identität in der Bundeswehr”. Da waren sie, die “klaren Strukturen”, die er sich gewünscht hatte. “Da dachte ich: Die Bundeswehr ist auch ein Arbeitgeber, der für mich da ist.” Ebenso schnell war dem jungen Offizier, der gern klare Worte findet, aber auch bewusst, dass dies natürlich nur ein Anfang ist. So schnell ändert sich ein “Tanker” wie die Bundeswehr nicht.
Also reift in ihm die Erkenntnis, dass “man nicht nur meckern soll, sondern selber anpacken muss, um etwas zu verändern.” Und so tritt Bäring 2015 dem Verein QueerBw bei, der schon seit 2002 ein Sprachrohr für queere Menschen in der Bundeswehr ist. Seit fünf Jahren ist er der Vorsitzende der Interessenvertretung. Alles ehrenamtlich natürlich. Und dabei stößt er zuweilen an die Grenze dessen, “was wir leisten können”. Zu groß sei die Nachfrage nach Beratung, auch von Dienststellen der Bundeswehr. “Natürlich ist das positiv”, erklärt Bäring. Aber das Ministerium habe auch unmissverständlich erklärt, dass ein Ehrenamt eben keine Dienstzeit in Anspruch nehmen dürfe. Also: Schön, dass Ihr das macht. Aber bitte in Eurer Freizeit.
Manchmal, wenn der Frust groß ist, taucht Bäring gern ab. Ganz wörtlich. Tauchen ist seine große Leidenschaft, “so richtig mit Flasche und Thrill”, erzählt er begeistert. Ihn fasziniert die Welt unter Wasser, “in die wir sonst keinen Einblick haben”. Eine andere Leidenschaft hat ein wenig mit seinem Beruf bei der Luftwaffe zu tun. Für seine neue Wohnung hat er sich eine Bar anfertigen lassen, in die ein Stück der Außenhaut der Regierungsmaschine A 340 “Konrad Adenauer” eingebaut ist.
Dass am Montag zum zweiten Mal die Diversity-Konferenz der Bundeswehr stattfindet, ist auch ein Verdienst von QueerBw. Zusammen mit dem Verein Deutscher Soldat e.V und dem Verteidigungsministerium hat die Interessenvertretung nach Berlin eingeladen. 150 Führungskräfte der Bundeswehr treffen auf Experten und Expertinnen aus Wirtschaft und Politik sowie auf Mitglieder von Interessenverbänden. In Workshops will man Rüstzeug im Umgang mit dem sogenannten “Vielfältigkeitsmanagement” vermitteln.
Verteidigungsminister Boris Pistorius will die Veranstaltung eröffnen. Ein großer Erfolg, sicherlich, meint Bäring. Aber das Thema “Diversity und Bundeswehr” gerate in letzter Zeit oft in den Schatten der “Zeitenwende”. Natürlich sei es wichtig, über Waffensysteme und Kriegstüchtigkeit zu sprechen. Dabei gebe es hier aber kein “Entweder – Oder”. Manchmal fehle der Bundeswehr “einfach der Drive”, sich dem Thema Diversity zu widmen. Und allzu oft gab es einen “Wandel nur durch Gerichtsurteile”. An Bekenntnissen mangele es nicht: “Bis Vielfalt aber diskriminierungsfrei gelebt wird, haben wir noch einiges zu tun.” Nana Brink
Am vergangenen Sonntag erhielt die US-amerikanische Historikerin und Publizistin Anne Applebaum den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Dass die Wahl auf sie fiel, war eine positive Überraschung. Wörtlich sagte sie in ihrer Dankesrede: “Seit fast einem Jahrhundert wissen wir, dass der Ruf nach Pazifismus angesichts einer aggressiven Diktatur oft nichts anderes ist als Appeasement und Hinnahme dieser Diktatur”.
Applebaum tritt seit Beginn des russischen Kriegs in der Ukraine für umfassende westliche Waffenlieferungen an Kiew ein. Da sich ihr Lebensmittelpunkt seit gut 30 Jahren in Polen befindet – ihr Ehemann ist der polnische Außenminister Radosław Sikorski -, weiß sie aus eigener Anschauung um die Gefahr, die von Putins Russland ausgeht.
Ihr jüngstes Buch “Die Achse der Autokraten” behandelt den weltweiten Siegeszug einer wachsenden Zahl von Autokratien und Diktaturen, die trotz großer ideologischer Unterschiede eng miteinander kollaborieren: politisch, ökonomisch und auch militärisch. Als Bindeglied fungiert die Ablehnung der westlichen Demokratien mit ihren offenen Gesellschaften. Jüngste Meldungen, wonach Nordkorea Russland nicht nur Waffen liefert, sondern auch eigene Soldaten an die Frontlinien in der Ukraine schickt, stützen Applebaums Ausführungen eindrücklich.
Applebaums Appell: Der Westen muss eine Gegenachse bilden. Denn die einzige Sprache, die die Machthaber in Moskau, Peking oder Teheran verstehen, ist die der militärischen Stärke. Das ist nicht neu, aufgrund der schlüssigen Argumentation und Detailtiefe aber unbedingt lesenswert. Florian Keisinger
Anne Applebaum: Die Achse der Autokraten. Korruption, Kontrolle, Propaganda. Wie Diktatoren sich gegenseitig an der Macht halten. Siedler Verlag, 208 Seiten, 26 Euro.