Table.Briefing: Security

Zeitenwende 2025: Major und Mölling warnen vor deutschem Sonderweg + Trotz Sanktionen: Russland lockt ausländische Investoren mit Sicherheitsgarantien

Liebe Leserin, lieber Leser,

wir starten das neue Jahr mit einer Serie von Standpunkten zur Zukunft der Zeitenwende. Jeden Freitag veröffentlichen wir einen Debattenbeitrag, der analysiert, was seit der Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar 2022 beispielsweise beim Bevölkerungsschutz, im Cyberraum oder im Bereich der Software-Defined Defense passiert ist – aber auch, was die Zeitenwende für die Friedensforschung bedeutet. Vor allem aber blicken die Expertinnen und Experten nach vorne und zeigen auf, was auch noch geschehen muss, damit tatsächlich von einer Zeitenwende die Rede sein kann.

Den Auftakt machen die Sicherheitsexperten Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und Christian Mölling von der Bertelsmann-Stiftung, die mit einem Blick auf das große Ganze den Auftakt machen und der neuen Bundesregierung eine To-do-Liste für den Bereich Sicherheit und Verteidigung an die Hand geben. Die Serie endet in der Woche vom 27. Februar – dem dritten Jahrestag von Scholz’ Zeitenwende-Rede.

Drei Jahre nach dem russischen Überfall der Ukraine analysiert Viktor Funk, wie Russland versucht, ausländische Unternehmen ins Land zu locken, und Vera Weidenbach berichtet aus Tel Aviv, welche Entwicklungen im Nahen Osten 2025 zu erwarten sind.

Und damit wünschen wir Ihnen einen guten Start ins neue Jahr!

Ihre
Wilhelmine Preußen
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Analyse

Staatsbudget unter Druck: Warum Russland ausländische Unternehmen halten will

Metro-Filiale in Samara: Die deutsche Metro AG hält an den mehr als 80 eigenen Märkten in Russland fest.

Russland will neue ausländische Investoren ins Land locken – mit besonderen Sicherheitsgarantien, dass sie ihr Kapital jederzeit in unbegrenzter Höhe abziehen können. Das kann aktuell kein Unternehmen, das vor Februar 2022 im Land war.

Der Auftritt von Vizefinanzminister Alexey Mojsew bei der Vorstellung der Pläne im Dezember erinnerte an die berühmte Gier-Szene aus dem Film Wall Street von 1987. Mojsew sagte: “Wir glauben, dass es keine Fantasie ist, dass ausländische Investoren auf den russischen Markt kommen können. Wir und alle, die schon lange auf dem Finanzmarkt tätig sind, wissen genau, dass die Gier trotz allem über alles andere triumphiert.”

Entgegen den Plänen steigt das Kriegsbudget

Russland braucht Geld. Der Krieg gegen die Ukraine verschlingt gewaltige Ressourcen. 2025 werden es nach Darstellung des Verteidigungsministers Andrej Beloussow 6,3 Prozent des Bruttoinlandprodukts sein, oder 32,5 Prozent des gesamten Staatshaushalts. Janis Kluge von der Stiftung Wissenschaft und Politik geht sogar von sieben bis acht Prozent des BIP aus. Dabei sollten diese Ausgaben nach alten Plänen aus dem Jahr 2023 sinken.

Das Finanzministerium und die russische Zentralbank bereiten nun ein Gesetz vor, das künftigen ausländischen Investoren besondere Sicherheiten garantiert. Ob sich die Hoffnung erfüllt, dass frisches Kapital ins Land kommt, ist fraglich. Sollten westliche Finanzinvestoren tatsächlich trotz Sanktionen Geld nach Russland leiten, ist es kaum vorstellbar, dass westliche Staaten diesen Geschäften tatenlos zusehen werden.

Nach wie vor sind aber mehr als die Hälfte aller ausländischen Unternehmen in Russland tätig, auch viele deutsche. Wie viele genau von den 3.651 deutschen Firmen, die im Februar 2022 noch im Land waren, geblieben sind, lässt sich kaum ermitteln. Sie verstoßen nicht gegen Sanktionen. Sie haben sich – trotz moralischer Fragen – dazu entschlossen, auf dem Markt zu bleiben. Und jetzt ist das Gehen bürokratisch schwieriger und ökonomisch besonders nachteilig. Inzwischen, so sagen es zwei deutsche Gesprächspartner, die in Moskau sind, ist es nicht möglich, ohne herbe Verluste rauszugehen. “Man verkauft nicht mehr – man verschenkt”, sagte einer, der sich regelmäßig mit deutschen Managern und Unternehmen in Russland unterhält.

Wer gehen will, zahlt sogar drauf

2024 hat Russland aus den Exit-Geschäften westlicher Unternehmen ein Plus von umgerechnet mehr als 1,4 Milliarden Euro erzielt. Laut kremltreuen Medien ist es das Eineinhalbfache der Erlöse von 2023. Ende 2024 überstiegen die Einnahmen aus dieser Quelle die Pläne für dieses Jahr um zehn Prozent. Sogenannte freiwillige Abgaben und erzwungene Rabatte sorgen dafür, dass ein Unternehmen beim Verkauf seines Russlandgeschäfts mindestens 95 Prozent des Wertes verliert. Faktisch aber legt es sogar noch drauf. Denn der erzwungene Rabatt muss auf den Wert des Unternehmens gegeben werden, den ein staatlich bestellter Gutachter festlegt. Und der schätzt den Wert nicht nach den Regeln des Marktes.

Das Geld, das westliche Unternehmen in Russland verdienen, können sie nur in sehr kleinen Tranchen ins Ausland überweisen. Die Gewinne verbleiben also im Land. Die Unternehmen könnten das Geld vor Ort investieren, doch tun es nicht, wie das etwa der Chef der Metro Group Steffen Greubel im Handelsblatt erklärt hatte. Das Geld wird also bei russischen Banken geparkt. Die Gewinne westlicher Unternehmen in Russland helfen also dem Staatsbudget (durch Steuern) und dem Finanzsektor (durch die Liquidität).

Sowohl Russland als auch ausländische Unternehmen stecken am Ende des dritten Kriegsjahres in einem Dilemma: Russland verdient zwar an jedem Exit-Geschäft, doch es verliert auch Know-how und langfristige Einnahmen aus verschiedenen Steuern, wie Gewinn-, Umsatz-, Einkommens- und Mehrwertsteuern. Jedes ausländische Unternehmen, das geht, verliert wiederum Technik, den Wert des Unternehmens und langfristig einen lukrativen Markt.

Ausländische Werte als Verhandlungsmasse

Nach Aussagen eines Deutschen, der in Russland die Exitprozesse beobachtet, und nach Darstellung der kremltreuen Zeitung Iswestija werden derzeit kaum noch Ausstiegsverfahren abgeschlossen. Offenbar will der Kreml gar nicht, dass die Ausländer gehen. Der deutsche Gesprächspartner in Moskau sagt zudem, dass bei ausländischen Unternehmen der “große Schock vorbei” sei, man hätte sich angepasst.

Außerdem, so der zweite Gesprächspartner, hätten die Behörden offenbar verstanden, dass es besser sei, wenn die Fabriken in den Händen der Eigentümer verblieben. Und schließlich seien die Gewinne und Werte dieser ausländischen Unternehmen auch Verhandlungsmasse, wenn Moskau die Beziehungen mit dem Westen regulieren wolle.

  • Russland
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  • Ukraine
  • Ukraine-Krieg
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Naher Osten: Wie Israel seine Vormacht gegenüber dem Iran ausbaut

Israel hat das Machtgefüge im Nahen Osten 2024 tiefgreifend verändert: Die akuten militärischen Bedrohungen durch die Terrororganisationen Hamas und Hisbollah sind auf absehbare Zeit beseitigt. Der Iran als stärkster Gegenspieler Israels ist so geschwächt, wie seit langem nicht. Israels Luftangriffe auf Militäreinrichtungen im Iran im April und Oktober 2024 und der Sturz des Regimes in Syrien haben dazu beigetragen, dass der Oberste Führer Ajatollah Ali Khamenei und seine Entourage nach der Schwächung ihrer Proxies in Libanon und Palästina nun um den Fortbestand der eigenen Herrschaft bangen.

Damit hat Israel eine neue Vormachtstellung, die es wohl für die anstehenden diplomatischen Verhandlungen über den Day After und die Zukunft der Region unter US-Präsident Donald Trump nutzen will. Dazu gehört eine Waffenruhe mit der Hamas ebenso wie die Normalisierung der Beziehungen zu Saudi-Arabien.

Trump und Netanjahu: Unbekannte für Entwicklungen in Nahost

Die größten Unbekannten für die kommenden Entwicklungen sind derzeit zum einen, welche Schwerpunkte der designierte US-Präsident Donald Trump in seiner Nahost-Politik setzen wird. Zum anderen äußern immer mehr Beobachter die Sorge, dass nicht abzusehen ist, welche politischen Pläne die israelische Regierung nach den militärischen Erfolgen tatsächlich verfolgt. Sowohl die Besetzung von Gebieten des Gazastreifens sowie eine längerfristige Präsenz israelischer Truppen in der UN-Pufferzone auf den Golanhöhen sind reale Szenarien.

Netanjahus rechtsextreme Koalitionspartner, allen voran der Minister für Israels nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, und Finanzminister Bezalel Smotrich, sprechen offen von israelischen Siedlungen in Gaza. Einige Siedlergruppen suchen außerdem bereits nach religiöser Legitimation, um Gebiete im Süden des Libanons zu beanspruchen. Verteidigungsminister Israel Katz erklärte, die Israel Defense Forces (IDF) sollten sich auf den Winter in den Golanhöhen vorbereiten, und in einer Rede auf der syrischen Seite des Berges Hermon machte Netanjahu deutlich, es sei ein “sehr wichtiger Ort für Israel”.

Zwei-Staaten-Lösung rückt in weite Ferne

Eine Zweistaatenlösung, die die EU und die USA unter Präsident Joe Biden verfolgen, rückt durch diese Entwicklungen in immer weitere Ferne. Für einen US-Präsidenten Trump dürfte Israel in seinem Streben nach einer neuen Vormachtposition im Nahen Osten wenig Widerstand erwarten. Trump hat zwar wiederholt ein Ende des Krieges gefordert und könnte sich zum Bringer des Friedens im Nahen Osten, einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien und der Wiederbelebung der Abraham-Accords aufschwingen. Dafür ist eine Zweistaatenlösung bisher die Voraussetzung. Ob diese mit einer Regierung Netanjahu machbar ist, ist jedoch fraglich. Die Europäer müssen sich auf dieses diplomatische Dilemma einstellen und im besten Fall mit einer gemeinsamen Position hervortreten.

Ein weiterer Angriff Irans ist bisher ausgeblieben. Unter Trump könnten Netanjahus Bemühungen für ein weiteres militärisches Vorgehen insbesondere gegen Irans Atomprogramm mehr Gehör finden. Es wäre ein weiterer Schritt für Israel, die Machtverhältnisse in seinem Sinne zu manifestieren.      

Gewalt gegen Palästinenser steigt

Die Huthis im Jemen bilden nun die letzte Stütze der von Teheran geschaffenen so genannten “Achse des Widerstands” aus regionalen Stellvertretermilizen dar. Die Raketenangriffe der Terrororganisation haben nach dem 7. Oktober 2023 nie das Ausmaß angenommen wie der tägliche Beschuss durch die Hisbollah, doch die jüngsten Drohnen-Angriffe auf Zentralisrael und die darauffolgenden Luftschläge deuten auf eine Eskalation hin. Allerdings ist die Situation im Jemen, insbesondere in der Hauptstadt Sanaa bereits prekär, wie die Auswirkungen der israelischen Angriffe auf die Stromversorgung gezeigt haben. Das Durchhaltevermögen der Huthis wird deshalb aus israelischer Sicht nicht als allzu hoch bewertet.

Bisher ist das Westjordanland nicht zu einer weiteren Front geworden, die ernsthaft die israelische Sicherheit gefährdet. Eine dritte Intifada, die nach mehreren Terroranschlägen durch Attentäter aus der West Bank befürchtet worden war, ist bisher nicht ausgebrochen. Die IDF haben ihre Präsenz massiv erhöht, in Form von Luftschlägen, zahlreichen zum Teil tödlichen Razzien gegen Milizen und ihre Mitglieder, aber auch eine Verstärkung der Kontrolle der Zivilbevölkerung durch Checkpoints mit massiven negativen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage. Neu geschaffene Siedlungen wurden in den vergangenen Monaten von der Regierung verstärkt anerkannt – auch wenn sie völkerrechtswidrig sind. Durch die Trump-Regierung ist eine Verurteilung von Israels Vorgehen im seit 1967 besetzten Westjordanland im kommenden Jahr nicht zu erwarten.

  • Benjamin Netanjahu
  • Israel
  • Joe Biden
  • Naher Osten
  • Nahost
  • Trump 2024

News

“Sicherheit, Europa!”: Polens Programm für die Ratspräsidentschaft

Das Motto der polnischen Ratspräsidentschaft, die Ministerpräsident Donald Tusk am 1. Januar angetreten hat, lautet: “Sicherheit, Europa!” Das sind keine leeren Worthülsen – unter Tusk hat Polen seine Verteidigungsausgaben in 2024 auf 4,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gesteigert – und plant mit 4,7 Prozent des BIP im laufenden Jahr.

Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine warnt Tusk eindringlich vor einem möglichen 3. Weltkrieg. Er will deswegen gemeinsam mit den EU-Partnern die europäische Verteidigung stärken, die Rüstungsproduktion wieder hochfahren und die Unterstützung für die Ukraine langfristig sichern. Um diese Ausgaben zu finanzieren, schlägt Tusk eine gemeinsame europäische Schuldenaufnahme vor – die Sicherheitslage sei zu ernst, sagt er, um bis zum nächsten EU-Haushalt warten zu können.

Klare Pläne für die Ratspräsidentschaft

Zu seinem Verständnis von Sicherheit gehört aber viel mehr: Tusk will die Außengrenzen der EU stärken und die illegale Migration einschränken. Warschau wird seine Ratspräsidentschaft nutzen, um die EU davon zu überzeugen, die Grenz- und Verteidigungsanlagen (Ostschild) an der Grenze zu Russland und Belarus mitzufinanzieren. In der Ostsee setzt sich Tusk für gemeinsame Luft- und See-Patrouillen der Nato-Staaten ein, um den russischen Sabotageakten entgegenzuwirken.

Vor einer Woche wurde das Energie-Seekabel Estlink 2 zwischen Finnland und Estland von einem aus Russland kommenden Schiff absichtlich beschädigt. Polen will die EU-Sanktionen gegen Russland weiter verschärfen, insbesondere die “Schattenflotte” lahmlegen, die das russische Erdöl transportiert.

Nach Vorstellung von Tusk müsste Europa die Zusammenarbeit intensivieren, um gegen die Desinformation und hybride Kriegsführung durch Russland besser gewappnet zu sein. Vor allem die Datensicherheit müsste dringend verbessert werden. Polen will sich auch für Reformen einsetzen, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU auf dem Weltmarkt zu gewährleisten. In Warschau zweifelt man, ob die Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz das Ausmaß der Bedrohung durch Russland wirklich verstanden hat – und wartet sehnsüchtig auf die Bundestagswahl. ar

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Elfenbeinküste: Warum Frankreich im Januar seine Truppen abzieht

Die Elfenbeinküste hat den Abzug französischer Soldaten aus dem Land angekündigt. In seiner Neujahrsansprache am 31. Dezember sagte Präsident Alassane Ouattara, dass der Abzug der französischen Streitkräfte organisiert werde. “Wir können stolz auf unsere Armee sein, deren Modernisierung jetzt erfolgreich ist”, sagte Ouattara. In dem Rahmen erfolge auch das Ende der französischen Stationierung. Der Standort des 43. Marine-Infanterie-Bataillons in Abidjan werde noch im Januar 2025 an die ivorischen Streitkräfte übergeben. Die französischen Soldaten waren zur Eindämmung dschihadistischer Gruppen stationiert.

Schon zuvor musste Frankreich Militärstandorte in weiteren afrikanischen Staaten aufgeben. Am 26. Dezember übergab Frankreich einen Stützpunkt an den Tschad, nachdem der Präsident, Mahamat Idriss Déby, Ende November angekündigt hatte, dass das Land die militärischen Beziehungen zu Frankreich aufkündigen werde. Kurz zuvor hatte auch der senegalesische Präsident Diomaye Faye gesagt, dass es bald keine französischen Truppen im Senegal mehr geben solle. In seiner Neujahrsansprache präzisierte er, dass alle ausländischen Truppen das Land 2025 verlassen müssten.

Letzte französische Stützpunkte in Dschibuti und Gabun

Anders als in Mali, Niger und Burkina Faso, die sich seit Militärputschen stärker Russland zuwenden, bedeutet der Abzug der Truppen aus dem Senegal, dem Tschad und der Elfenbeinküste keinen kompletten Bruch mit der früheren Kolonialmacht Frankreich.

Schon vorher hatte Frankreich Pläne zur Reduzierung der Truppen in Afrika. Ganz zurückziehen wollte sich Paris aber nicht. Aktuell gibt es noch Stützpunkte in Dschibuti und Gabun. bub

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  • Elfenbeinküste
  • Frankreich

Must-Reads

New York Times: Elon Musk Is a National Security Risk. Bürgerrechtsaktivist Russel L. Honoré sieht in Elon Musk, der unter Trump ein Ministerium für Regierungseffizienz übernehmen soll, ein Sicherheitsrisiko für die USA. Seine chinesischen Geschäftsbeziehungen könnten zu dem Weitergeben von vertrauliche Informationen führen.

Internationale Politik: Gegen den Strich: Zukunftsforschung und Sicherheitspolitik. Wie relevant ist Zukunftsforschung für Sicherheitspolitik? Dies soll unter der Betrachtung von sechs Thesen untersucht werden, anhand derer etwa erörtert wird, ob relevante Ereignisse wie der 11. September hätten vorhergesagt werden können.

The Insider: Spy equipment found on Russian “shadow fleet” tanker detained in Finland after undersea cable damage. Auf dem Tanker Eagle S, der mutmaßlich zur russischen Schattenflotte gehört, soll Spionageausrüstung entdeckt worden sein, die zur Überwachung der Marine- und Flugzeugaktivitäten der NATO verwendet wurde. Der Tanker soll in der Ostsee ein wichtiges Stromkabel zwischen Finnland und Estland beschädigt haben.

Standpunkt

Zeitenwende: Mehr Europa wagen statt neuer deutscher Sonderwege

Von Claudia Major und Christian Mölling
Wissenschaftlerin Claudia Major und Wissenschaftler Christian Mölling.

Die Zeitenwende kommt bislang vor allem als nationales Projekt daher, als Ertüchtigung der Bundeswehr. Oft reduzieren sie viele noch weiter, nämlich auf das Sondervermögen und die zwei Prozent der Nato-Ausgaben, die Deutschland nun endlich liefern will.

Doch seit dem 24.Februar 2022 ist klar definiert, was Deutschland für Europas Sicherheit und Verteidigung liefern muss: Der nationale Beitrag zur Nato muss auch dann dauerhaft verfügbar sein, wenn das Sondervermögen ausgegeben ist; die Ukraine muss in die Verteidigungsanstrengungen des Westens so integriert werden, dass sie zum Sicherheitslieferanten wird. Drittens muss Deutschland innerhalb der Nato kooperationsfähig und -befähigend sein.

Rückschritte bei der Kooperation

Während eins und zwei bekannt sind, aber Schnelligkeit und Umfang der Beiträge hinter den Anforderungen bleiben, wird die Kooperationsfähigkeit häufig vergessen. Doch hier macht Deutschland sogar Rückschritte. Das ist dramatisch, denn Europas Verteidigung beruht auf der Annahme, dass die Europäer ihre politische und militärische Schlagkraft durch Zusammenarbeit und Geschlossenheit steigern. Schließlich können sie die zur Abschreckung und Verteidigung notwendigen großen Nato-Verbände nur gemeinsam aufstellen, und die Ostsee überwachen auch. 

Die Zusammenarbeit ist aber auf der politisch-strategischen Ebene auf einem absoluten Tiefpunkt. Deutschlands Partner müssen sich anhören, wie großartig Deutschland die Ukraine unterstützt und andere nicht, zumindest wenn man die Zahlen so wählt, wie die Bundesregierung das tut, und statt auf das Verhältnis zur Wirtschaftskraft auf das absolute Volumen schaut. Die Beziehungen zu zentralen Partnern in Europa sind auf dem Tiefpunkt: Mit Frankreich herrscht ungekannte Sprachlosigkeit. Die Chance eines Neuanfangs mit Polen wurde vergeben. In vielen kleineren Formaten, wie den nordisch-baltischen Treffen, war Deutschland gar nicht mehr eingeladen.

Verbündete organisieren sich ohne Deutschland

So droht ein deutscher Sonderweg. Deutschland ist stolz auf seine Beiträge, aber seine Partner verzweifeln an Berlins mangelnder Einsicht, weil die deutschen Beiträge einerseits nicht reichen und andererseits ohne Berlin ausreichende Sicherheit in Europa kaum leistbar ist. In diesem Teufelskreis aus deutscher Selbstzufriedenheit und folglich gebremster Leistungsbereitschaft und Belehrung anderer, was sie zu tun hätten, resultiert nicht nur Frust, sondern eine wachsende Sicherheitslücke für Europa. Damit diese nicht größer wird, organisieren sich unsere Verbündeten um Deutschland herum. Im Grunde verlieren so alle (außer Russland).

Für Deutschland wird es nun doppelt schwierig, weil die vergangenen drei Jahre intensiver Partnerschaft von Scholz und Biden enden. Dann ist Europa vielleicht allein bei seiner Verteidigung, vor allem aber ist Deutschland allein in Europa, weil es seine Partner vernachlässigt hat. Und während andere – auch angetrieben durch die deutsche Abwesenheit- ihren Deal mit den USA suchen, dürfte sich ein isoliertes Deutschland im kritischen Fokus der neuen US-Regierung wiederfinden.

Deutschlands Sonderweg als Gefahr für Europa der Zukunft

Dabei wollte doch gerade die Ampel-Koalition alles anders machen und betonte im Koalitionsvertrag 2021, dass sie “die Sorgen insbesondere unserer mittel- und osteuropäischen Partnerstaaten ernst” nimmt. Doch obwohl Deutschlands Vorstellungen, wie man Frieden bewahrt und Krieg verhindert, spätestens seit dem russischen Überfall gescheitert waren, meint Berlin immer noch, es könne den Alliierten von Nord- bis Südosteuropa erklären, was es militärisch braucht. Und dass Dialog und Entspannung eine Alternative zu erfolgreicher Abschreckung seien. Dabei baut Dialog auf gesicherter Abschreckung auf.

Damit sind wir beim Kern der Kooperationsunwilligkeit: Deutschland traut seiner (falschen) Interpretation der Vergangenheit mehr als der Evidenz im Hier und Jetzt und den Begründungen seiner Partner. Berlin hofft, dass das alte Europa noch nicht enden möge – dabei ist es längst vergangen. Für das Europa der Zukunft ist ein solches Deutschland aber eine Gefahr: Es schafft keine Gestaltungskraft durch Kooperation, sondern nur trotz des deutschen Sonderwegs. Damit aus der Zeitenwende etwas wird, sollte Deutschland weniger Lehrmeister und viel mehr Kooperationsmeister sein.

Claudia Major leitet die Forschungsgruppe Sicherheitspolitik an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Sie ist Mitglied im Beirat Innere Führung des Verteidigungsministeriums und des Beirats zivile Krisenprävention des Auswärtigen Amtes.

Christian Mölling leitet das Europaprogramm der Bertelsmann-Stiftung. Er forscht und berät seit 25 Jahren zu Fragen der Sicherheit, Verteidigung, Rüstung und Technologie.

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Murhaf Abu Kasra ist neuer syrischer Verteidigungsminister

Murhaf Abu Kasra (41) ist zum neuen syrischen Verteidigungsminister ernannt worden. Der bisherige Militärchef der islamistischen Hajat Tahrir al-Sham (HTS) war bereits nach dem Sturz von Syriens Machthaber Baschar al-Assad zum General der syrischen Armee befördert worden. Zuvor stand der Agrarwissenschaftler an der Spitze des militärischen Flügels der HTS in der nordsyrischen Provinz Idlib. Beim Vormarsch der HTS-Milizen auf Damaskus im Dezember 2024 spielte er eine wichtige Rolle. Ziel Kasras ist die Eingliederung aller Bürgerkriegsmilizen in die staatliche Armee. mrb

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Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

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    wir starten das neue Jahr mit einer Serie von Standpunkten zur Zukunft der Zeitenwende. Jeden Freitag veröffentlichen wir einen Debattenbeitrag, der analysiert, was seit der Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar 2022 beispielsweise beim Bevölkerungsschutz, im Cyberraum oder im Bereich der Software-Defined Defense passiert ist – aber auch, was die Zeitenwende für die Friedensforschung bedeutet. Vor allem aber blicken die Expertinnen und Experten nach vorne und zeigen auf, was auch noch geschehen muss, damit tatsächlich von einer Zeitenwende die Rede sein kann.

    Den Auftakt machen die Sicherheitsexperten Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und Christian Mölling von der Bertelsmann-Stiftung, die mit einem Blick auf das große Ganze den Auftakt machen und der neuen Bundesregierung eine To-do-Liste für den Bereich Sicherheit und Verteidigung an die Hand geben. Die Serie endet in der Woche vom 27. Februar – dem dritten Jahrestag von Scholz’ Zeitenwende-Rede.

    Drei Jahre nach dem russischen Überfall der Ukraine analysiert Viktor Funk, wie Russland versucht, ausländische Unternehmen ins Land zu locken, und Vera Weidenbach berichtet aus Tel Aviv, welche Entwicklungen im Nahen Osten 2025 zu erwarten sind.

    Und damit wünschen wir Ihnen einen guten Start ins neue Jahr!

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    Staatsbudget unter Druck: Warum Russland ausländische Unternehmen halten will

    Metro-Filiale in Samara: Die deutsche Metro AG hält an den mehr als 80 eigenen Märkten in Russland fest.

    Russland will neue ausländische Investoren ins Land locken – mit besonderen Sicherheitsgarantien, dass sie ihr Kapital jederzeit in unbegrenzter Höhe abziehen können. Das kann aktuell kein Unternehmen, das vor Februar 2022 im Land war.

    Der Auftritt von Vizefinanzminister Alexey Mojsew bei der Vorstellung der Pläne im Dezember erinnerte an die berühmte Gier-Szene aus dem Film Wall Street von 1987. Mojsew sagte: “Wir glauben, dass es keine Fantasie ist, dass ausländische Investoren auf den russischen Markt kommen können. Wir und alle, die schon lange auf dem Finanzmarkt tätig sind, wissen genau, dass die Gier trotz allem über alles andere triumphiert.”

    Entgegen den Plänen steigt das Kriegsbudget

    Russland braucht Geld. Der Krieg gegen die Ukraine verschlingt gewaltige Ressourcen. 2025 werden es nach Darstellung des Verteidigungsministers Andrej Beloussow 6,3 Prozent des Bruttoinlandprodukts sein, oder 32,5 Prozent des gesamten Staatshaushalts. Janis Kluge von der Stiftung Wissenschaft und Politik geht sogar von sieben bis acht Prozent des BIP aus. Dabei sollten diese Ausgaben nach alten Plänen aus dem Jahr 2023 sinken.

    Das Finanzministerium und die russische Zentralbank bereiten nun ein Gesetz vor, das künftigen ausländischen Investoren besondere Sicherheiten garantiert. Ob sich die Hoffnung erfüllt, dass frisches Kapital ins Land kommt, ist fraglich. Sollten westliche Finanzinvestoren tatsächlich trotz Sanktionen Geld nach Russland leiten, ist es kaum vorstellbar, dass westliche Staaten diesen Geschäften tatenlos zusehen werden.

    Nach wie vor sind aber mehr als die Hälfte aller ausländischen Unternehmen in Russland tätig, auch viele deutsche. Wie viele genau von den 3.651 deutschen Firmen, die im Februar 2022 noch im Land waren, geblieben sind, lässt sich kaum ermitteln. Sie verstoßen nicht gegen Sanktionen. Sie haben sich – trotz moralischer Fragen – dazu entschlossen, auf dem Markt zu bleiben. Und jetzt ist das Gehen bürokratisch schwieriger und ökonomisch besonders nachteilig. Inzwischen, so sagen es zwei deutsche Gesprächspartner, die in Moskau sind, ist es nicht möglich, ohne herbe Verluste rauszugehen. “Man verkauft nicht mehr – man verschenkt”, sagte einer, der sich regelmäßig mit deutschen Managern und Unternehmen in Russland unterhält.

    Wer gehen will, zahlt sogar drauf

    2024 hat Russland aus den Exit-Geschäften westlicher Unternehmen ein Plus von umgerechnet mehr als 1,4 Milliarden Euro erzielt. Laut kremltreuen Medien ist es das Eineinhalbfache der Erlöse von 2023. Ende 2024 überstiegen die Einnahmen aus dieser Quelle die Pläne für dieses Jahr um zehn Prozent. Sogenannte freiwillige Abgaben und erzwungene Rabatte sorgen dafür, dass ein Unternehmen beim Verkauf seines Russlandgeschäfts mindestens 95 Prozent des Wertes verliert. Faktisch aber legt es sogar noch drauf. Denn der erzwungene Rabatt muss auf den Wert des Unternehmens gegeben werden, den ein staatlich bestellter Gutachter festlegt. Und der schätzt den Wert nicht nach den Regeln des Marktes.

    Das Geld, das westliche Unternehmen in Russland verdienen, können sie nur in sehr kleinen Tranchen ins Ausland überweisen. Die Gewinne verbleiben also im Land. Die Unternehmen könnten das Geld vor Ort investieren, doch tun es nicht, wie das etwa der Chef der Metro Group Steffen Greubel im Handelsblatt erklärt hatte. Das Geld wird also bei russischen Banken geparkt. Die Gewinne westlicher Unternehmen in Russland helfen also dem Staatsbudget (durch Steuern) und dem Finanzsektor (durch die Liquidität).

    Sowohl Russland als auch ausländische Unternehmen stecken am Ende des dritten Kriegsjahres in einem Dilemma: Russland verdient zwar an jedem Exit-Geschäft, doch es verliert auch Know-how und langfristige Einnahmen aus verschiedenen Steuern, wie Gewinn-, Umsatz-, Einkommens- und Mehrwertsteuern. Jedes ausländische Unternehmen, das geht, verliert wiederum Technik, den Wert des Unternehmens und langfristig einen lukrativen Markt.

    Ausländische Werte als Verhandlungsmasse

    Nach Aussagen eines Deutschen, der in Russland die Exitprozesse beobachtet, und nach Darstellung der kremltreuen Zeitung Iswestija werden derzeit kaum noch Ausstiegsverfahren abgeschlossen. Offenbar will der Kreml gar nicht, dass die Ausländer gehen. Der deutsche Gesprächspartner in Moskau sagt zudem, dass bei ausländischen Unternehmen der “große Schock vorbei” sei, man hätte sich angepasst.

    Außerdem, so der zweite Gesprächspartner, hätten die Behörden offenbar verstanden, dass es besser sei, wenn die Fabriken in den Händen der Eigentümer verblieben. Und schließlich seien die Gewinne und Werte dieser ausländischen Unternehmen auch Verhandlungsmasse, wenn Moskau die Beziehungen mit dem Westen regulieren wolle.

    • Russland
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    Naher Osten: Wie Israel seine Vormacht gegenüber dem Iran ausbaut

    Israel hat das Machtgefüge im Nahen Osten 2024 tiefgreifend verändert: Die akuten militärischen Bedrohungen durch die Terrororganisationen Hamas und Hisbollah sind auf absehbare Zeit beseitigt. Der Iran als stärkster Gegenspieler Israels ist so geschwächt, wie seit langem nicht. Israels Luftangriffe auf Militäreinrichtungen im Iran im April und Oktober 2024 und der Sturz des Regimes in Syrien haben dazu beigetragen, dass der Oberste Führer Ajatollah Ali Khamenei und seine Entourage nach der Schwächung ihrer Proxies in Libanon und Palästina nun um den Fortbestand der eigenen Herrschaft bangen.

    Damit hat Israel eine neue Vormachtstellung, die es wohl für die anstehenden diplomatischen Verhandlungen über den Day After und die Zukunft der Region unter US-Präsident Donald Trump nutzen will. Dazu gehört eine Waffenruhe mit der Hamas ebenso wie die Normalisierung der Beziehungen zu Saudi-Arabien.

    Trump und Netanjahu: Unbekannte für Entwicklungen in Nahost

    Die größten Unbekannten für die kommenden Entwicklungen sind derzeit zum einen, welche Schwerpunkte der designierte US-Präsident Donald Trump in seiner Nahost-Politik setzen wird. Zum anderen äußern immer mehr Beobachter die Sorge, dass nicht abzusehen ist, welche politischen Pläne die israelische Regierung nach den militärischen Erfolgen tatsächlich verfolgt. Sowohl die Besetzung von Gebieten des Gazastreifens sowie eine längerfristige Präsenz israelischer Truppen in der UN-Pufferzone auf den Golanhöhen sind reale Szenarien.

    Netanjahus rechtsextreme Koalitionspartner, allen voran der Minister für Israels nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, und Finanzminister Bezalel Smotrich, sprechen offen von israelischen Siedlungen in Gaza. Einige Siedlergruppen suchen außerdem bereits nach religiöser Legitimation, um Gebiete im Süden des Libanons zu beanspruchen. Verteidigungsminister Israel Katz erklärte, die Israel Defense Forces (IDF) sollten sich auf den Winter in den Golanhöhen vorbereiten, und in einer Rede auf der syrischen Seite des Berges Hermon machte Netanjahu deutlich, es sei ein “sehr wichtiger Ort für Israel”.

    Zwei-Staaten-Lösung rückt in weite Ferne

    Eine Zweistaatenlösung, die die EU und die USA unter Präsident Joe Biden verfolgen, rückt durch diese Entwicklungen in immer weitere Ferne. Für einen US-Präsidenten Trump dürfte Israel in seinem Streben nach einer neuen Vormachtposition im Nahen Osten wenig Widerstand erwarten. Trump hat zwar wiederholt ein Ende des Krieges gefordert und könnte sich zum Bringer des Friedens im Nahen Osten, einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien und der Wiederbelebung der Abraham-Accords aufschwingen. Dafür ist eine Zweistaatenlösung bisher die Voraussetzung. Ob diese mit einer Regierung Netanjahu machbar ist, ist jedoch fraglich. Die Europäer müssen sich auf dieses diplomatische Dilemma einstellen und im besten Fall mit einer gemeinsamen Position hervortreten.

    Ein weiterer Angriff Irans ist bisher ausgeblieben. Unter Trump könnten Netanjahus Bemühungen für ein weiteres militärisches Vorgehen insbesondere gegen Irans Atomprogramm mehr Gehör finden. Es wäre ein weiterer Schritt für Israel, die Machtverhältnisse in seinem Sinne zu manifestieren.      

    Gewalt gegen Palästinenser steigt

    Die Huthis im Jemen bilden nun die letzte Stütze der von Teheran geschaffenen so genannten “Achse des Widerstands” aus regionalen Stellvertretermilizen dar. Die Raketenangriffe der Terrororganisation haben nach dem 7. Oktober 2023 nie das Ausmaß angenommen wie der tägliche Beschuss durch die Hisbollah, doch die jüngsten Drohnen-Angriffe auf Zentralisrael und die darauffolgenden Luftschläge deuten auf eine Eskalation hin. Allerdings ist die Situation im Jemen, insbesondere in der Hauptstadt Sanaa bereits prekär, wie die Auswirkungen der israelischen Angriffe auf die Stromversorgung gezeigt haben. Das Durchhaltevermögen der Huthis wird deshalb aus israelischer Sicht nicht als allzu hoch bewertet.

    Bisher ist das Westjordanland nicht zu einer weiteren Front geworden, die ernsthaft die israelische Sicherheit gefährdet. Eine dritte Intifada, die nach mehreren Terroranschlägen durch Attentäter aus der West Bank befürchtet worden war, ist bisher nicht ausgebrochen. Die IDF haben ihre Präsenz massiv erhöht, in Form von Luftschlägen, zahlreichen zum Teil tödlichen Razzien gegen Milizen und ihre Mitglieder, aber auch eine Verstärkung der Kontrolle der Zivilbevölkerung durch Checkpoints mit massiven negativen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage. Neu geschaffene Siedlungen wurden in den vergangenen Monaten von der Regierung verstärkt anerkannt – auch wenn sie völkerrechtswidrig sind. Durch die Trump-Regierung ist eine Verurteilung von Israels Vorgehen im seit 1967 besetzten Westjordanland im kommenden Jahr nicht zu erwarten.

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    “Sicherheit, Europa!”: Polens Programm für die Ratspräsidentschaft

    Das Motto der polnischen Ratspräsidentschaft, die Ministerpräsident Donald Tusk am 1. Januar angetreten hat, lautet: “Sicherheit, Europa!” Das sind keine leeren Worthülsen – unter Tusk hat Polen seine Verteidigungsausgaben in 2024 auf 4,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gesteigert – und plant mit 4,7 Prozent des BIP im laufenden Jahr.

    Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine warnt Tusk eindringlich vor einem möglichen 3. Weltkrieg. Er will deswegen gemeinsam mit den EU-Partnern die europäische Verteidigung stärken, die Rüstungsproduktion wieder hochfahren und die Unterstützung für die Ukraine langfristig sichern. Um diese Ausgaben zu finanzieren, schlägt Tusk eine gemeinsame europäische Schuldenaufnahme vor – die Sicherheitslage sei zu ernst, sagt er, um bis zum nächsten EU-Haushalt warten zu können.

    Klare Pläne für die Ratspräsidentschaft

    Zu seinem Verständnis von Sicherheit gehört aber viel mehr: Tusk will die Außengrenzen der EU stärken und die illegale Migration einschränken. Warschau wird seine Ratspräsidentschaft nutzen, um die EU davon zu überzeugen, die Grenz- und Verteidigungsanlagen (Ostschild) an der Grenze zu Russland und Belarus mitzufinanzieren. In der Ostsee setzt sich Tusk für gemeinsame Luft- und See-Patrouillen der Nato-Staaten ein, um den russischen Sabotageakten entgegenzuwirken.

    Vor einer Woche wurde das Energie-Seekabel Estlink 2 zwischen Finnland und Estland von einem aus Russland kommenden Schiff absichtlich beschädigt. Polen will die EU-Sanktionen gegen Russland weiter verschärfen, insbesondere die “Schattenflotte” lahmlegen, die das russische Erdöl transportiert.

    Nach Vorstellung von Tusk müsste Europa die Zusammenarbeit intensivieren, um gegen die Desinformation und hybride Kriegsführung durch Russland besser gewappnet zu sein. Vor allem die Datensicherheit müsste dringend verbessert werden. Polen will sich auch für Reformen einsetzen, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU auf dem Weltmarkt zu gewährleisten. In Warschau zweifelt man, ob die Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz das Ausmaß der Bedrohung durch Russland wirklich verstanden hat – und wartet sehnsüchtig auf die Bundestagswahl. ar

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    Elfenbeinküste: Warum Frankreich im Januar seine Truppen abzieht

    Die Elfenbeinküste hat den Abzug französischer Soldaten aus dem Land angekündigt. In seiner Neujahrsansprache am 31. Dezember sagte Präsident Alassane Ouattara, dass der Abzug der französischen Streitkräfte organisiert werde. “Wir können stolz auf unsere Armee sein, deren Modernisierung jetzt erfolgreich ist”, sagte Ouattara. In dem Rahmen erfolge auch das Ende der französischen Stationierung. Der Standort des 43. Marine-Infanterie-Bataillons in Abidjan werde noch im Januar 2025 an die ivorischen Streitkräfte übergeben. Die französischen Soldaten waren zur Eindämmung dschihadistischer Gruppen stationiert.

    Schon zuvor musste Frankreich Militärstandorte in weiteren afrikanischen Staaten aufgeben. Am 26. Dezember übergab Frankreich einen Stützpunkt an den Tschad, nachdem der Präsident, Mahamat Idriss Déby, Ende November angekündigt hatte, dass das Land die militärischen Beziehungen zu Frankreich aufkündigen werde. Kurz zuvor hatte auch der senegalesische Präsident Diomaye Faye gesagt, dass es bald keine französischen Truppen im Senegal mehr geben solle. In seiner Neujahrsansprache präzisierte er, dass alle ausländischen Truppen das Land 2025 verlassen müssten.

    Letzte französische Stützpunkte in Dschibuti und Gabun

    Anders als in Mali, Niger und Burkina Faso, die sich seit Militärputschen stärker Russland zuwenden, bedeutet der Abzug der Truppen aus dem Senegal, dem Tschad und der Elfenbeinküste keinen kompletten Bruch mit der früheren Kolonialmacht Frankreich.

    Schon vorher hatte Frankreich Pläne zur Reduzierung der Truppen in Afrika. Ganz zurückziehen wollte sich Paris aber nicht. Aktuell gibt es noch Stützpunkte in Dschibuti und Gabun. bub

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    Must-Reads

    New York Times: Elon Musk Is a National Security Risk. Bürgerrechtsaktivist Russel L. Honoré sieht in Elon Musk, der unter Trump ein Ministerium für Regierungseffizienz übernehmen soll, ein Sicherheitsrisiko für die USA. Seine chinesischen Geschäftsbeziehungen könnten zu dem Weitergeben von vertrauliche Informationen führen.

    Internationale Politik: Gegen den Strich: Zukunftsforschung und Sicherheitspolitik. Wie relevant ist Zukunftsforschung für Sicherheitspolitik? Dies soll unter der Betrachtung von sechs Thesen untersucht werden, anhand derer etwa erörtert wird, ob relevante Ereignisse wie der 11. September hätten vorhergesagt werden können.

    The Insider: Spy equipment found on Russian “shadow fleet” tanker detained in Finland after undersea cable damage. Auf dem Tanker Eagle S, der mutmaßlich zur russischen Schattenflotte gehört, soll Spionageausrüstung entdeckt worden sein, die zur Überwachung der Marine- und Flugzeugaktivitäten der NATO verwendet wurde. Der Tanker soll in der Ostsee ein wichtiges Stromkabel zwischen Finnland und Estland beschädigt haben.

    Standpunkt

    Zeitenwende: Mehr Europa wagen statt neuer deutscher Sonderwege

    Von Claudia Major und Christian Mölling
    Wissenschaftlerin Claudia Major und Wissenschaftler Christian Mölling.

    Die Zeitenwende kommt bislang vor allem als nationales Projekt daher, als Ertüchtigung der Bundeswehr. Oft reduzieren sie viele noch weiter, nämlich auf das Sondervermögen und die zwei Prozent der Nato-Ausgaben, die Deutschland nun endlich liefern will.

    Doch seit dem 24.Februar 2022 ist klar definiert, was Deutschland für Europas Sicherheit und Verteidigung liefern muss: Der nationale Beitrag zur Nato muss auch dann dauerhaft verfügbar sein, wenn das Sondervermögen ausgegeben ist; die Ukraine muss in die Verteidigungsanstrengungen des Westens so integriert werden, dass sie zum Sicherheitslieferanten wird. Drittens muss Deutschland innerhalb der Nato kooperationsfähig und -befähigend sein.

    Rückschritte bei der Kooperation

    Während eins und zwei bekannt sind, aber Schnelligkeit und Umfang der Beiträge hinter den Anforderungen bleiben, wird die Kooperationsfähigkeit häufig vergessen. Doch hier macht Deutschland sogar Rückschritte. Das ist dramatisch, denn Europas Verteidigung beruht auf der Annahme, dass die Europäer ihre politische und militärische Schlagkraft durch Zusammenarbeit und Geschlossenheit steigern. Schließlich können sie die zur Abschreckung und Verteidigung notwendigen großen Nato-Verbände nur gemeinsam aufstellen, und die Ostsee überwachen auch. 

    Die Zusammenarbeit ist aber auf der politisch-strategischen Ebene auf einem absoluten Tiefpunkt. Deutschlands Partner müssen sich anhören, wie großartig Deutschland die Ukraine unterstützt und andere nicht, zumindest wenn man die Zahlen so wählt, wie die Bundesregierung das tut, und statt auf das Verhältnis zur Wirtschaftskraft auf das absolute Volumen schaut. Die Beziehungen zu zentralen Partnern in Europa sind auf dem Tiefpunkt: Mit Frankreich herrscht ungekannte Sprachlosigkeit. Die Chance eines Neuanfangs mit Polen wurde vergeben. In vielen kleineren Formaten, wie den nordisch-baltischen Treffen, war Deutschland gar nicht mehr eingeladen.

    Verbündete organisieren sich ohne Deutschland

    So droht ein deutscher Sonderweg. Deutschland ist stolz auf seine Beiträge, aber seine Partner verzweifeln an Berlins mangelnder Einsicht, weil die deutschen Beiträge einerseits nicht reichen und andererseits ohne Berlin ausreichende Sicherheit in Europa kaum leistbar ist. In diesem Teufelskreis aus deutscher Selbstzufriedenheit und folglich gebremster Leistungsbereitschaft und Belehrung anderer, was sie zu tun hätten, resultiert nicht nur Frust, sondern eine wachsende Sicherheitslücke für Europa. Damit diese nicht größer wird, organisieren sich unsere Verbündeten um Deutschland herum. Im Grunde verlieren so alle (außer Russland).

    Für Deutschland wird es nun doppelt schwierig, weil die vergangenen drei Jahre intensiver Partnerschaft von Scholz und Biden enden. Dann ist Europa vielleicht allein bei seiner Verteidigung, vor allem aber ist Deutschland allein in Europa, weil es seine Partner vernachlässigt hat. Und während andere – auch angetrieben durch die deutsche Abwesenheit- ihren Deal mit den USA suchen, dürfte sich ein isoliertes Deutschland im kritischen Fokus der neuen US-Regierung wiederfinden.

    Deutschlands Sonderweg als Gefahr für Europa der Zukunft

    Dabei wollte doch gerade die Ampel-Koalition alles anders machen und betonte im Koalitionsvertrag 2021, dass sie “die Sorgen insbesondere unserer mittel- und osteuropäischen Partnerstaaten ernst” nimmt. Doch obwohl Deutschlands Vorstellungen, wie man Frieden bewahrt und Krieg verhindert, spätestens seit dem russischen Überfall gescheitert waren, meint Berlin immer noch, es könne den Alliierten von Nord- bis Südosteuropa erklären, was es militärisch braucht. Und dass Dialog und Entspannung eine Alternative zu erfolgreicher Abschreckung seien. Dabei baut Dialog auf gesicherter Abschreckung auf.

    Damit sind wir beim Kern der Kooperationsunwilligkeit: Deutschland traut seiner (falschen) Interpretation der Vergangenheit mehr als der Evidenz im Hier und Jetzt und den Begründungen seiner Partner. Berlin hofft, dass das alte Europa noch nicht enden möge – dabei ist es längst vergangen. Für das Europa der Zukunft ist ein solches Deutschland aber eine Gefahr: Es schafft keine Gestaltungskraft durch Kooperation, sondern nur trotz des deutschen Sonderwegs. Damit aus der Zeitenwende etwas wird, sollte Deutschland weniger Lehrmeister und viel mehr Kooperationsmeister sein.

    Claudia Major leitet die Forschungsgruppe Sicherheitspolitik an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Sie ist Mitglied im Beirat Innere Führung des Verteidigungsministeriums und des Beirats zivile Krisenprävention des Auswärtigen Amtes.

    Christian Mölling leitet das Europaprogramm der Bertelsmann-Stiftung. Er forscht und berät seit 25 Jahren zu Fragen der Sicherheit, Verteidigung, Rüstung und Technologie.

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    Murhaf Abu Kasra ist neuer syrischer Verteidigungsminister

    Murhaf Abu Kasra (41) ist zum neuen syrischen Verteidigungsminister ernannt worden. Der bisherige Militärchef der islamistischen Hajat Tahrir al-Sham (HTS) war bereits nach dem Sturz von Syriens Machthaber Baschar al-Assad zum General der syrischen Armee befördert worden. Zuvor stand der Agrarwissenschaftler an der Spitze des militärischen Flügels der HTS in der nordsyrischen Provinz Idlib. Beim Vormarsch der HTS-Milizen auf Damaskus im Dezember 2024 spielte er eine wichtige Rolle. Ziel Kasras ist die Eingliederung aller Bürgerkriegsmilizen in die staatliche Armee. mrb

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    Security.Table Redaktion

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