Table.Briefing: Security

Wie China in Deutschland spionieren lässt + Die Hürden für die Munitionsproduktion

Liebe Leserin, lieber Leser,

Chinas Geheimdienst hat Deutschland drei weitere Gründe geliefert, sich unabhängiger von Peking zu machen. Drei Deutsche sollen militärisch nutzbare Technologie ausspioniert und einen Speziallaser illegal nach China verschifft haben. Franziska Klemenz, Michael Radunski und Finn Mayer-Kuckuk haben den Spionagefall dokumentiert.

Ein weiterer Grund heißt Nitrozellulose. Das Baumwollprodukt, das für die Produktion von Schießpulver benötigt wird, kam bisher hauptsächlich aus China und in Europa ist der Stoff Mangelware. In meiner Analyse lesen Sie, wie die Munitionsproduktion hochgefahren werden soll. Frankreich scheint dabei selbst EU- und Nato-Partnern zu misstrauen.

Lisa-Martina Klein stellt Ihnen außerdem Oberstleutnant Michael Krause vor, der das neu eröffnete Veteranenbüro in Berlin leitet. Am Donnerstag berät der Bundestag über den Veteranentag, der erstmals am 15. Juni 2025 stattfinden soll.

Ihr
Gabriel Bub
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Analyse

Verfassungsschutz: Drei Deutsche haben Geheimnisse an China weitergegeben

Chinas Staatssicherheit hat offenbar drei Personen in Deutschland angeworben, um sich technische Geheimnisse zu verschaffen. Das hat der Bundesverfassungsschutz aufgedeckt. Die Polizei hat die drei Verdächtigen festgenommen, denen die Bundesanwaltschaft in den Haftbefehlen vorwirft, “militärisch nutzbare innovative Technologien” ausspioniert zu haben. Konkret werden Forschungsarbeiten zum Stand von Schiffsantrieben und Lasertechnik genannt.

“Die drei Festnahmen wegen mutmaßlicher Spionage für einen chinesischen Nachrichtendienst sind ein großer Erfolg unserer Spionageabwehr”, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Montag. Faeser dankte dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und dem Bundeskriminalamt für ihre “hohe Wachsamkeit”. Die chinesische Botschaft in Berlin wies unterdessen die Anschuldigung zurück. “Wir fordern die deutsche Seite auf, davon abzulassen, den Spionage-Vorwurf aufbauschend auszunutzen, um das China-Bild politisch zu manipulieren und China zu diffamieren.”

Die Enthüllung fällt in eine angespannte Zeit in den chinesisch-deutschen Wirtschafts- und Forschungsbeziehungen. Erst am Wochenende wurde bekannt, dass eine chinesische Cybergruppe über Jahre hinweg Technikwissen von Volkswagen ausspioniert hat. Zudem wird intensiv diskutiert über die Gefahren von Hochschulkooperationen mit China.

Dabei könnten die Positionen kaum weiter auseinander liegen: Während Bundeskanzler Olaf Scholz vergangene Woche in Peking für mehr Zusammenarbeit warb, wittert Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger hinter jedem chinesischen Forscher die KP. Im aktuellen Fall haben die Verdächtigen tatsächlich eine Forschungskooperation in chinesischem Auftrag eingefädelt.

Interesse galt Motoren für Kriegsschiffe – und Lasern

Die Kontaktperson der drei mutmaßlichen Spione saß in China und arbeitete für das Ministerium für Staatssicherheit (MSS, 国家安全部). Als federführenden Agenten in Deutschland hat die Bundesanwaltschaft Thomas R. genannt. Dieser wiederum beauftragte eine Firma in Düsseldorf, die ihrerseits eine Universität mit einer Studie beauftragte. Darin ging es um den technischen Stand Deutschlands bei Schiffsmotoren, die auch in Kriegsschiffen zum Einsatz kommen. Solche Informationen unterliegen Kontrollen durch das Außenwirtschaftsgesetz.

Ebenfalls reguliert ist der Export von Technik, die sich auch in Waffen einsetzen lässt (dual use). Hier war das Trio von mutmaßlichen Spionen ebenfalls aktiv. Sie kauften einen Speziallaser und verschifften ihn, vorbei an den Ausfuhrkontrollen, nach China.

Der Verdächtige betätigte sich als Brückenbauer

Der mutmaßliche Agent Thomas R. ist in China-Kreisen bekannt. Er engagierte sich in der Geschäftsanbahnung, insbesondere zwischen Hongkong und Deutschland. Zusammen mit den ebenfalls verdächtigen Ina F. und Herwig F. betrieb er mehrere Firmen und Vereine aus dem Bereich der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit, unter anderem I-Dragon Ltd, Eurasia Merger oder Smartcity-Verein. Herwig F. stellt sich als Ingenieur und Erfinder mit zahlreichen Patenten dar.

Es gibt nun zwei Möglichkeiten und eine Reihe von Graustufen, die sicher auch vor Gericht diskutiert werden: Den Verdächtigen war bewusst, illegale Tätigkeiten für einen fremden Geheimdienst auszuführen – oder sie wähnten sich eher naiv in einer Grauzone und verkannten die Identität ihrer chinesischen Ansprechpartner.

Geheimdienst überwachte die Verdächtigen

Ein Ermittlungserfolg des Bundesamtes für Verfassungsschutz habe zu den Festnahmen geführt, sagte Thomas Haldenwang, der Präsident des Geheimdienstes, am Montag in Berlin. Man sei den Beteiligten schon früh auf die Spur gekommen. Dann folgte eine längere Phase der Überwachung, ehe der Verfassungsschutz den Fall an die Staatsanwaltschaft abgab.

Die drei Verdächtigen seien nicht die einzigen Spione in Deutschland, deutete Haldenwang an. Es handele sich um den “Teil eines umfassenden Geschäfts”, bei dem häufig Scheinfirmen und Vermittler zum Einsatz kommen.

Verfassungsschutz: China bedrohlicher als Russland

Vor fast genau einem Jahr hatte Haldenwang in einer Rede eindringlich vor Spionage aus China gewarnt. “Russland ist der Sturm – China ist der Klimawandel”, sagte er beim Symposium des Verfassungsschutzes in Berlin.

Der Jahresbericht des BfV bezeichnet China gar als “größte Bedrohung in Bezug auf Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage sowie ausländische Direktinvestitionen in Deutschland”. Die Volksrepublik sei einer der vier Hauptakteure bei Spionage gegen Deutschland – neben Russland, Iran und der Türkei.

China ist also besonders gut organisiert und sammelt Informationen aus anderen Ländern systematisch ein. “In Deutschland stehen die Ziele Politik und Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik sowie Militär im Fokus der chinesischen Dienste”, sagte Haldenwang. Für die Umsetzung seiner ambitionierten Industriepolitik nutze China Spionage in Wirtschaft und Wissenschaft, kaufe ganz oder teilweise deutsche Unternehmen der Spitzentechnologie und werbe gezielt Wissensträger an.

Spionage – im lockeren Gespräch

Dabei ist die Anbahnung der Kontakte nicht leicht als der Beginn von Spionage zu erkennen. Vielfach handele es sich um eine sogenannte offene Informationsbeschaffung. Informationen werden zunächst im Rahmen von harmlos wirkender Kontaktpflege gesammelt. Diese Gesprächsabschöpfung ziele insbesondere auf aktive und ehemalige Entscheidungsträgerinnen und -träger aus Politik und Wirtschaft ab. Zunehmend rückt jedoch auch die Wissenschaft in den Fokus chinesischer Dienste.

Die Ziele sind umfassend, unter anderem das Beschaffen von Produkten und Wissen zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen, deren Trägersystemen, anderen Rüstungsgütern oder Elementen neuartiger Waffensysteme. Zusätzlich bemühen sie sich um andere Rüstungsgüter sowie militärisch anwendbare Hochtechnologie.

Suche nach Spionen intensivieren

Als Reaktion auf die Festnahmen am Montag will die Bundesregierung nun die Suche nach Spionen intensivieren. “Wir haben die erhebliche Gefahr durch chinesische Spionage in Wirtschaft, Industrie und Wissenschaft im Blick”, sagte Innenministerin Faeser. “Wir schauen sehr genau auf diese Risiken und Bedrohungen und haben davor deutlich gewarnt und sensibilisiert, damit überall Schutzvorkehrungen erhöht werden.”

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Wie Europa die Munitionsproduktion hochfährt

Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala hat vergangene Woche in Washington ein Erfolgserlebnis verkündet: 500.000 Schuss Artilleriemunition können dank der tschechischen Initiative beschafft werden. Ein gutes Zeichen für die Ukraine, die im Krieg gegen Russland über deutlich weniger Munition verfügt als die russischen Streitkräfte. Gleichzeitig bleibt die EU-Initiative zur Versorgung der Ukraine mit Munition weit hinter den Ankündigungen zurück. Von den angekündigten eine Million Schuss wurde gerade einmal die Hälfte geliefert.

Der Bundestagsabgeordnete Philip Krämer von den Grünen begrüßt gemeinsame Beschaffungsinitiativen für Munition nach dem Vorbild der European Sky Shield Initiative (Essi). “Dadurch können über größere Bestellmengen Skaleneffekte erzeugt werden, die Unternehmen haben größere Sicherheit und einen unternehmerischen Anreiz, die Produktionskapazitäten hochzufahren, was sich auch positiv auf die Investitionsbereitschaft der Zulieferbetriebe auswirkt”, sagt er. “Dementsprechend sollten wir Schlüsselmunition wie 155-Millimeter-Artillerie, 120-Millimeter-Panzermunition, gängige Mörserkaliber und von mehreren Staaten genutzte Raketenartilleriemunition gemeinsam beschaffen.”

In Frankreich hatte im März Verteidigungsminister Sébastien Lecornu erstmals nicht ausgeschlossen, Beschlagnahmungen von Ressourcen zu veranlassen und Unternehmen zu zwingen, einen Grundstock an Materialien anzulegen, um schneller produzieren zu können.

Für Krämer wären solche Zwangsbevorratungen in Deutschland zwar “eine Möglichkeit, wenn auch nicht das Allheilmittel”. Und trotz der französischen Verlautbarungen sei die Produktion von Artilleriemunition dort kaum merklich gesteigert worden, kritisiert er.

Französischer Alleingang bei der Munitionsproduktion

Frankreich holt die Produktion zurück ins Land und scheint selbst Nato- und EU-Partnern zu misstrauen. Am 11. April hatte Präsident Emmanuel Macron bei seinem Besuch des Pulver-Produzenten Eurenco im französischen Bergerac gesagt, er habe eine klare Strategie. Man werde “Steuern senken, um zu relokalisieren” und, um “das attraktivste Land in Europa zu sein, was wir seit vier Jahren sind”.

Kurz nach Beginn des Kriegs in der Ukraine hatte Eurenco, das 2007 mit seinem Werk nach Schweden abgewandert war, die Versorgung Schwedens gegenüber der Frankreichs vorgezogen. 76 Millionen Euro an EU-Geldern seien schon in das Werk geflossen, sagte Macron, 500 Millionen Euro sollen in den kommenden zwei Jahren investiert werden, um die Produktionsmenge von Granaten zu verdoppeln.

Die “Kriegswirtschaft” hat Macron in Frankreich zur Chefsache erklärt. Firmen stellen auf Dreischichtsystem um, damit sie auch nachts produzieren können. Produktionsprozesse sollen simplifiziert werden, diskutiert wird in der französischen Industrie, dass Standards für die zivile Produktion – etwa Arbeitsschutzregelungen für den Umgang mit gefährlichen Materialien – in der Rüstungsproduktion nur noch eingeschränkt gelten sollen.

Artillerie ist “Nummer 1” für Rheinmetall

Im Gegensatz dazu investieren deutsche Unternehmen im Osten Europas. In Litauen unterzeichnete Rheinmetall Anfang April ein Memorandum of Understanding für den Bau einer Munitionsfabrik. Bei der Bilanzpressekonferenz im März hatte CEO Armin Papperger die Pläne von Rheinmetall für die Artillerieproduktion präsentiert. Bis 2026 will er eine Million Projektile herstellen, bei einem Durchschnittswert von 3.500 Euro pro Geschoss, rechnete er vor, könne man auf 3,5 Milliarden Euro Umsatz kommen, mit Antriebssystemen sogar auf noch mehr.

Das Werk in Unterlüß in Niedersachsen, für das Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar den Spatenstich gesetzt hatte, soll 200.000 Projektile beisteuern. Zusätzlich lässt Papperger Werke in der Ukraine bauen, in Ungarn, Rumänien und Dänemark. “Artilleriemunition ist absolut Nummer 1 für uns”, sagte Papperger.

Nitrozellulose kommt hauptsächlich aus China

Gaspard Schnitzler hat für den französischen Thinktank Institut de Relations Internationales et Stratégiques (Iris) unter anderem die deutsche und die französische “Kriegswirtschaft” seit Beginn des Kriegs in der Ukraine verglichen. Die französische Beschaffungsbehörde DGA (Direction générale de l’armement), die auch dafür zuständig ist, die Rüstungsindustrie zu organisieren, wäre der Auslagerung von Produktion abgeneigt. Und dass Frankreich einem Nato- und EU-Partner wie Schweden so stark misstraue, dass es die Produktion zurück nach Frankreich holt, sei “schon verrückt”, sagt Schnitzler.

Ein weiteres Problem ist der Mangel an Nitrozellulose. Das begehrte Baumwollprodukt, das für die Schießpulver-Produktion benötigt wird, kommt in Europa derzeit hauptsächlich aus China. “In Europa gibt es drei Unternehmen, die Nitrozellulose produzieren“, sagt Schnitzler. “Und die Nachfrage ist explodiert.”

Für Philip Krämer sei man auf einem guten Weg, dass sich die munitionsproduzierenden Unternehmen bemühten, ihre Lieferketten zu diversifizieren. Nur: “Leider müssen wir aber auch feststellen, dass mögliche Partnerländer wie beispielsweise Indien sich geostrategisch noch nicht so klar festlegen, wie wir uns das wünschen würden.” Da müsse man “weiter für unsere Positionen werben und gegebenenfalls auch andere Angebote unsererseits konditionalisieren”.

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  • Rüstung

Zivilschutz in Polen: Schutzräume reichen nur für vier Prozent der Bevölkerung

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 versuchen alle EU-Staaten, ihre Streitkräfte schnell aufzurüsten. Polen hat in dieser Zeit Waffen im Wert von etwa 40 Milliarden Euro gekauft. Doch wenn es um den Schutz der Zivilbevölkerung hinter der Front geht, ist Polen denkbar schlecht auf einen Konflikt mit Russland und Belarus vorbereitet. Der Zivilschutz erhielt seit dem Zerfall des Ostblocks kaum Finanzierung – niemand glaubte im Ernst, dass im Europa des 21. Jahrhunderts ein bewaffneter Konflikt möglich wäre.

Vor sechs Wochen veröffentlichte Polens Oberster Rechnungshof (NIK) die Ergebnisse einer umfassenden Prüfung von Zivilschutzeinrichtungen im Land. Das Ergebnis: In Polen gibt es rund 2.000 Schutzräume und Bunker – weniger als vier Prozent der Bevölkerung fänden bei einem Notfall darin Platz. In sechs der 32 von der NIK geprüften Gemeinden gibt es keinen einzigen Schutzraum, 68 Prozent der überprüften Schutzräume entsprechen nicht den technischen Anforderungen.

Zugemauerte Eingänge, fehlende Filter

Insgesamt inspizierten die NIK-Inspektoren 44 Schutzbauten in ganz Polen. In den meisten fehlten Filter-Lüftungsanlagen – oder sie funktionierten nicht richtig. Die installierten Filter waren abgenutzt, feucht und seit Jahren nicht mehr gewechselt. Die Mehrheit der Schutzbauten ist mehr als 50 Jahre alt, sie haben nur wenige Toiletten und Schlafplätze. Lebensmittel- und Trinkwasservorräte sind nicht vorhanden, es gibt keine Decken oder Gasmasken. Die Räume sind schimmelig und schmutzig.

In den 1990er-Jahren wurden viele Panzertüren aus den Räumen gestohlen und als Alteisen verkauft. Anstatt neue Türen einzubauen, mauerten die Wohnungsbaugesellschaften die Eingänge oft einfach zu. Viele solcher zugemauerten Schutzräume sind aber auf der offiziellen Karte der Schutzbauten eingezeichnet.

Auch die Stationen der Warschauer U-Bahn, die im Fall eines Kriegs als Schutzräume dienen sollten, können diese Funktion nicht erfüllen, so der Bericht des Rechnungshofs. Die Experten nahmen zwei Stationen unter die Lupe und stellten fest, dass die hermetisch verschließbaren Metalltore nicht ans Stromnetz angeschlossen waren – sodass sie im Notfall nicht vom U-Bahn-Dispatcher geschlossen werden könnten. Auch die für das Überleben der Menschen entscheidenden Luftversorgungssysteme waren nicht funktionsfähig. Damit kann die U-Bahn den Menschen nur einen vorübergehenden Schutz bieten.

Tusk-Regierung legt neue Vorschriften vor

Der Rechnungshof sieht zwei Gründe für die missliche Lage: Mangel an Vorschriften und fehlende Finanzierung. Für Instandhaltung von Schutzbauten gab der Staat 2021 gerade einmal 214.000 Zloty (rund 45.000 Euro) aus. Die im vergangenen Herbst abgelöste rechtspopulistische PiS-Regierung war anderthalb Jahre nicht in der Lage, ein neues Gesetz über die Zivilverteidigung auszuarbeiten, das die über 60 Jahre alten Regelungen ersetzen könnte.

Laut dem NIK-Bericht fehlt es in Polen an Vorschriften, die die technischen Anforderungen von Schutzräumen festlegen oder sogar definieren, was ein Schutzraum ist. Ebenso ist unklar, wer für die Verwaltung von Schutzgebäuden verantwortlich ist.

Die neue Koalitionsregierung von Donald Tusk hat im März einen Gesetzesentwurf über den Zivilschutz vorgestellt, der solche Lücken schließen soll. Der neue Zivilschutz soll künftig vom Innenminister und nicht mehr vom Chef der staatlichen Feuerwehr geleitet werden. Das bedeutet mehr Kompetenz, ein größeres Budget, aber vor allem mehr Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit.

Die Regierung will darüber hinaus ein Zivilschutzkorps aufbauen, das im Kriegsfall die Aufgaben der Territorialverteidigung übernehmen sollte. Ihm sollen unter anderem Polizisten und Feuerwehrleute angehören, die in Kriegszeiten mit einer Befreiung von der Mobilisierung rechnen können.

Interesse der Bevölkerung an Privatbunkern gering

Die vorherige Regierung wollte den Bau von Schutzräumen am liebsten den Bürgern überlassen. Das Ministerium für Entwicklung und Technologie schlug eine Änderung des Baugesetzes vor, die ein schnelles Genehmigungsverfahren für Schutzkeller bis zu einer Größe von 35 Quadratmetern vorsah. Doch sie wurde vom parlamentarischen Infrastrukturausschuss im Juli 2023 zurückgewiesen. Die Arbeiten an diesem Projekt sind noch nicht abgeschlossen.

Das Interesse der Bevölkerung an Privatbunkern scheint allerdings nicht besonders groß. Kurz nach Beginn des Krieges in der Ukraine vor zwei Jahren beschloss Piotr Bialkowski aus Szprotawa, standardisierte Familienschutzbauten anzubieten. Luftdicht, mit Filteranlage und gepanzerten Türen. Doch in zwei Jahren fand er keinen einzigen Käufer. “Die Polen investieren lieber in ein gutes Auto, anstatt 200.000 Euro für einen Schutzbunker auszugeben”, sagt Bialkowski. “Wenn die Zeit gekommen ist, können sie Polen dann ganz schnell mit dem Wagen verlassen.”  

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News

Ampel und Union über Einführung des “Veteranentags” einig

Der Veteranentag, über den der Bundestag an diesem Donnerstag beraten wird, soll aus “bestehenden Haushaltsmitteln” finanziert werden. Für den Gedenktag, der erstmals am 15. Juni 2025 stattfinden soll, wird es allerdings keinen eigenen Etat geben. Die Ampel-Koalition hat sich mit der Union nach längeren Verhandlungen darauf geeinigt, die Mittel zwischen Bundesregierung und Bundestag aufzuteilen. “Uns ist es wichtig, dass der Bundestag maßgeblich beteiligt ist, da die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist”, erklärte Merle Spellerberg, die für die Grünen im Verteidigungsausschuss sitzt.

In dem fraktionsübergreifenden Antrag heißt es, die Soldatinnen und Soldaten verdienten “Respekt, Anerkennung und Würdigung für ihren Dienst und ihre Bereitschaft, im Falle eines Falles das höchste Gut – ihr Leben – für die Sicherheit, Freiheit und die Werte unseres Landes einzusetzen”. Bislang haben über zehn Millionen Frauen und Männer in der Bundeswehr gedient.

Spellerberg sieht in einem solchen Gedenktag einen “Demokratiemehrwert”. Deshalb müsse er “öffentlich” sein. Es gehe darum, das Verständnis für die Leistungen der Veteraninnen und Veteranen zu befördern.

Und auch die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP begrüßte die Initiative, weil es eine “positive Erinnerungskultur” stärke und diejenigen gewürdigt würden, die “Leistungen für die Bundesrepublik erbracht haben und jeder auf seine individuelle Weise zur Sicherheit unseres Landes beigetragen haben”.

Nachhaltiges und zeitgemäßes Konzept gefordert

Die genaue Ausgestaltung des “Veteranentages” ist allerdings noch unklar. Laut des gemeinsamen Antragsentwurfs, der Table.Briefings vorliegt, soll der Gedenktag “öffentlich und sichtbar in der Mitte der Gesellschaft sowie zentral in Berlin stattfinden”.

“Aus dem Parlament, in die Gesellschaft, für die Veteraninnen und Veteranen”, so wünscht sich auch Oberstleutnant Michael Krause, Leiter des im Januar eröffneten Veteranenbüros in Berlin. “Das soll kein ‘Tag nur in Berlin’ sein, es soll auch kein Tag der Bundeswehr für die Veteranen sein. Es soll verschiedenste Veranstaltungen geben, um den Tag in die Republik, in die Länder, in die Kommunen zu tragen.”

Spätestens in sechs Monaten soll die Bundesregierung dem Bundestag ein “nachhaltiges und zeitgemäßes” Konzept vorlegen. Dies müsse laut des Antrages unter “Einbeziehung des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages und der Wehrbeauftragten, beteiligter Ressorts sowie Veteranenverbänden, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden und anderen relevanten gesellschaftlichen Akteuren” erfolgen.

Ebenfalls im Antrag formuliert, ist die Forderung nach einer “grundsätzlichen und einheitlichen Verbesserung der Nachsorge von im Dienst, besonders im Auslandseinsatz erlittenen Schädigungen” für die Soldaten und Soldatinnen.

Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Eva Högl (SPD), begrüßt die Einführung des Veteranentages: “Es wäre wünschenswert, wenn sich auch hierzulande eine sichtbare Veteranenkultur etablierte”. In vielen Ländern haben Veteranentage eine lange Tradition. Großbritannien ehrt am Armed Forces Day Ende Juni sowohl aktive Mitglieder der Streitkräfte als auch Veteranen. In den USA wird der Veterans Day – ein gesetzlicher Feiertag – am 11. November gefeiert. nana

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Hohe Ölpreise, geänderte Besteuerung von Öl- und Gaskonzernen und hohe Konsumnachfrage füllen die Kasse des Kremls

Die russische Regierung kann sich über hohe Staatseinnahmen freuen, die zu einem erheblichen Teil in die Finanzierung des Krieges fließen. Hoher weltweiter Ölpreis, geänderte Besteuerung von Öl- und Gaskonzernen sowie hohe Konsumnachfrage füllen die Kasse des Kremls.

Im Vergleich zum ersten Quartal 2023 nahm Moskau in den ersten drei Monaten dieses Jahres 53 Prozent mehr ein, im März verzeichnete das Finanzministerium sogar ein Plus von umgerechnet 9,3 Milliarden US-Dollar – der höchste Wert der vergangenen zwei Jahre. Insgesamt bewegen sich die Einnahmen im Plan und zeigen, dass Moskau die westlichen Sanktionen insbesondere auf Ölprodukte umgehen kann.

Die russischen Wirtschaftsanalysten Alexander Kolyandr und Alexandra Prokopenko betonen in ihrem aktuellen Bericht über das russische Budget, dass das Finanzministerium von weiterhin stabilen Einnahmen aus dem Öl-Handel ausgeht.

Auf Nachfrage erläuterte Prokopenko, dass der Druck auf Ölunternehmen wegen der Änderung der Besteuerung für die mit Bodenschätzen tätigen Branchen bereits zugenommen habe. Zudem könnte noch die Steuer auf Gewinne erhöht werden, aber das sei noch nicht entschieden. Die ehemalige Mitarbeiterin der russischen Zentralbank sagt aber auch, dass die russische Wirtschaft überhitzt sei und fehlende Arbeitskräfte sowie eine hohe heimische Nachfrage die Inflationsentwicklung weniger steuerbar machten.

Mehr als ein Viertel des Staatsbudgets sind als geheim eingestuft

Relevant ist diese Entwicklung für den Westen vor allem deshalb, weil sie zeigt, dass Russland keine Finanzierungsprobleme für seinen Krieg hat und die 60-Dollar-Preisgrenze für seine Ölexporte erfolgreich umschifft.

Auch wenn die am Wochenende beschlossene US-Hilfe für Kiew ein kurzes Durchatmen verschafft, sind Russlands Kriegspläne finanziell besser abgesichert als die Verteidigung der Ukraine. Im Jahr 2023 hatte Moskau 22,6 Prozent aller Staatsausgaben als geheim eingestuft, das Geld floss in die Bereiche Verteidigung sowie Sicherheitsstrukturen. In diesem Jahr sind nach Plänen vom Ende 2023 mindestens 27 Prozent vorgesehen. vf  

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Außenminister einigen sich auf Iransanktionen

Die Außenminister der EU haben am Montag in Luxemburg eine politische Einigung über neue Sanktionen gegen den Iran erzielt. So soll das Sanktionsregime der EU gegen Irans Drohnenprogramm auf Raketen ausgeweitet werden und zudem Teherans Verbündete im Nahen Osten erfassen. In einem nächsten Schritt muss der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell die entsprechenden Rechtstexte vorbereiten, bevor die Strafmaßnahmen in Kraft treten können.

Außenministerin Annalena Baerbock sagte in Luxemburg, es gehe nun darum, alle Sanktionsmittel zu nutzen, um Angriffe Irans und dessen Verbündeter auf Israel zu verhindern. Die neuen Strafmaßnahmen bauen auf dem Sanktionsregime auf, das sich bisher schon gegen Irans Drohnenlieferungen an Russland richtete. Neu sollen auch Sanktionen gegen Personen, Organisationen und Unternehmen verhängt werden, die Irans Proxys vom Libanon über Syrien bis zum Jemen mit Drohnen oder Raketen beliefern. Erfasst werden auch weitere Bauteile, die für die Produktion von Drohnen und Raketen verwendet werden können.

Ukraine hofft auf Ramstein-Format am Freitag

Auf der Agenda des Treffens der Außen- und Verteidigungsminister war auch die Lage in der Ukraine und die Frage von zusätzlicher Unterstützung. Borrell betonte, der Jumborat unterstreiche die Dringlichkeit, mehr zu tun. Die Zahlen seien erschreckend. In den letzten vier Monaten habe Russland allein 7.000 Gleitbomben auf zivile Ziele in der Ukraine abgefeuert. Die konstante Bombardierung im Osten sei Teil von Putins Strategie. Die Auswirkungen auf das ukrainische Elektrizitätssystem seien sehr hoch.

Die Außenminister etwa der Niederlande und Dänemarks signalisierten zwar, die deutsche Initiative für zusätzliche Luftverteidigungssysteme zu unterstützen. Konkrete Hilfszusagen konnte der EU-Außenbeauftragte allerdings nach dem Treffen nicht vermelden. Ukraines Außenminister Dmytro Kuleba forderte die Amtskollegen auf, nicht zu debattieren, sondern zu handeln: “Wenn wir gemeinsam und ohne Angst agieren, können wir die schlimmsten Szenarien verhindern.” Schon am Freitag wollen die Unterstützer der Ukraine im US-geführten Ramstein-Format per Videokonferenz wieder zusammenkommen. Spätestens dann wird mit konkreten Ankündigungen gerechnet. sti

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Weltweite Militärausgaben durch Krieg in der Ukraine auf Höchststand

Die weltweiten Militärausgaben haben 2023 wieder einen Höchststand erreicht. Mit für diesen beispiellosen Anstieg verantwortlich sei auch der Krieg zwischen Russland und der Ukraine, hieß es in einem Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri, der am Montag veröffentlicht wurde. Demnach gibt kein Land so viel Geld für das Militär aus wie die Vereinigten Staaten. Deutschland hat nach Großbritannien die zweitgrößten Militärausgaben in Europa. 

Bereits zum neunten Mal in Folge hätten die Zahlen die Ausgaben des Vorjahres übertroffen, hieß es weiter. Demnach stiegen die Ausgaben im Jahr 2023 inflationsbereinigt um 6,8 Prozent auf 2,44 Billionen US-Dollar (rund 2,28 Billionen Euro) – der größte Anstieg seit 2009. 2022 waren es noch 2,24 Billionen Dollar (rund 2,04 Billionen Euro) gewesen. Die größten zehn Geldgeber haben allesamt ihre Ausgaben deutlich erhöht. 

USA für 37 Prozent der weltweiten Militärausgaben verantwortlich

Die USA machten mit 916 Milliarden US-Dollar (knapp 859 Milliarden Euro) mehr als ein Drittel (37 Prozent) der weltweiten Militärausgaben aus – etwa das Dreifache des zweitplatzierten China. Mit zwölf Prozent der weltweiten Ausgaben gab China geschätzte 296 Milliarden Dollar für das Militär aus – sechs Prozent mehr als im Vorjahr.

Auf Platz drei stand demnach Russland, gefolgt von Indien und Saudi-Arabien, wie auch bereits 2022. Deutschland rangierte kurz hinter Großbritannien abermals auf dem siebten Platz.

Die Militärausgaben der Ukraine stiegen um 51 Prozent auf 64,8 Milliarden Dollar (etwa 60,7 Milliarden Euro) und machten mehr als die Hälfte (58 Prozent) der gesamten Staatsausgaben aus. Dieser Anteil lag somit deutlich höher als in Russland, wo die Militärausgaben im vergangenen Jahr 16 Prozent der gesamten Staatsausgaben ausmachten. In Russland stiegen die Militärausgaben um 24 Prozent auf geschätzte 109 Milliarden Dollar (etwa 102 Milliarden Euro) im Jahr 2023. dpa

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BMWK genehmigt im ersten Quartal 2024 Rüstungsexporte über 5,2 Milliarden Euro

Das Bundeswirtschaftsministerium hat im ersten Quartal 2024 Rüstungsexporte im Wert von 5,2 Milliarden Euro genehmigt. Das teilte das Ministerium am Freitag mit. Demnach seien Genehmigungen für Kriegswaffen im Wert von 3,85 Milliarden Euro erteilt worden und 1,4 Milliarden Euro für sonstige Rüstungsgüter. Darunter fallen zum Beispiel Pistolen und Revolver, Jagdgewehre, Radar- und Funktechnik sowie Explosivstoffe oder Vorprodukte für den militärischen Einsatz.

Hauptempfängerland ist wie schon 2023 die Ukraine mit einem Anteil von 74 Prozent an den Exporten.

Neben der Ukraine entfallen rund zehn Prozent der Exporte auf Drittländer, also Staaten, die nicht EU oder Nato angehören oder ihnen gleichgestellt sind. Auf die Ukraine folgt an zweiter Stelle Singapur mit einem Genehmigungswert von etwa 584 Millionen Euro, dahinter Indien (143 Millionen Euro), Saudi-Arabien (126 Millionen Euro), Katar (97 Millionen Euro) und die USA (63 Millionen Euro). 2023 hatte der Gesamtwert bei 12,2 Milliarden Euro gelegen und war bereits ein Höchstwert.

Nach Israel hat die Bundesregierung 2024 kaum noch Kriegswaffenexporte genehmigt. Auf eine Anfrage von Abgeordneten des Bündnis Sahra Wagenknecht teilte das Verteidigungsministerium mit, dass bis einschließlich 5. März 2024 Genehmigungen für Rüstungsgüter in Höhe von 9,4 Millionen Euro erteilt worden seien, von denen lediglich 32.449 Euro auf Kriegswaffen entfielen. bub

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Presseschau

Carnegie Politika: Why President Zelensky Is Purging His Inner Circle. Der Umbau in wichtigen Positionen der ukrainischen Staatsspitze wirft viele Fragen auf, vor allem, welche Motive Präsident Selenskij dafür hat. Am 20. Mai endet formell seine Amtszeit. Darauf bereite sich Selenskyj vor, heißt es im Artikel. Und dafür stärkt er die Rolle des Leiters seines Präsidialamtes: Andrij Jermak – ein besonders interessanter wie undurchsichtiger Protagonist.

Ich bin so frei (Podcast): KI und Desinformation – Warum Vertrauensmangel ein Sicherheitsproblem ist. Unkown unkowns – Nicht zu wissen, dass man etwas nicht weiß und nicht versteht, stellt ein großes Sicherheitsproblem dar, sagt Zukunftsforscherin Florence Gaub im Podcast mit Zoé von Fink. Es braucht Daten, um diese Unknowns zu verstehen. Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, allerdings, so die KI-Expertin Katharina Schüller, erfordert der Umgang mit KI viel Kompetenzen – aber auch eine gesunde Intuition.

ECFR: Proxy Battles – Iraq, Iran, and the Turmoil in the Middle East. Die Auswirkungen des israelisch-iranischen Konflikts drohen auch den Irak weiter zu destabilisieren. Nach einer Zeit relativer Ruhe, tut sich die irakische Regierung schwer mit der Präsenz von US-Truppen und iranischer Milizen auf eigenen Boden. Europa könne helfen.

SWP: 75 Jahre Nato. Wie sich die Allianz mit Blick auf Sicherheit und Abschreckung neu aufstellt. Die Leiterin der SWP-Forschungsgruppe Sicherheitspolitik Claudia Major und Generalmajor Jörg See diskutieren im Podcast, inwiefern sich die Nato vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs fundamental neu aufstellen muss. Sie erklären, was es bedeutet, dass die Nato von Krisenmanagementeinsätzen – sogenannten Wars of Choice – zum War of Necessity gekommen ist. Diese Veränderung bedarf “großer Investitionen”, aber auch den politischen Willen, um mögliche Angriffe glaubhaft abzuschrecken.

FAZ: Florian Seibel von Quantum Systems – Der Deutsche, auf den Kiew vertraut. Hunderte Drohnen im Jahr will Quantum Systems in der Ukraine produzieren, Wirtschaftsminister Robert Habeck hat die Fabrik vergangene Woche eröffnet – zusammen mit Florian Seibel, dem Chef von Quantums. Es ist ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der Drohne. 2015, im Gründungsjahr von Quantums, stritt man sich in Deutschland noch über die Bewaffnung von Drohnen, heute entscheiden sie Kriege.

Heads

Michael Krause – “Haben bei der Veteranenkultur noch weiten Weg vor uns”

Oberstleutnant Michael Krause leitet das neu eröffnete Veteranenbüro in Berlin-Mitte.

Einen Tag im Sommer habe man sich gewünscht für den Veteranentag. Dass es jetzt der 15. Juni wird, damit ist Oberstleutnant Michael Krause zufrieden. Der Veteranentag soll kein “Tag nur in Berlin”, kein “Tag der Bundeswehr für Veteranen” werden, sondern ein Tag von der Politik, in die Gesellschaft, für die Veteraninnen und Veteranen – und zwar ganz konkret vor Ort in den Städten und Dörfern, damit jeder mitmachen kann. Krause kümmert sich mit seinem Team im neu eröffneten Veteranenbüro um die vielfältigen Belange von Veteraninnen und Veteranen.

“Wir brauchen wieder ein Bewusstsein dafür, dass wir etwas für die Freiheit, für die Sicherheit tun müssen, dass es eine resiliente Gesellschaft braucht. Dazu gehört auch, dass wir denjenigen Anerkennung, Respekt und Wertschätzung entgegenbringen. Dies auch unabhängig davon, ob das hier in Deutschland ist, oder in Mali, Afghanistan oder zukünftig auch Litauen”, sagt Krause. 

Ausbildung junger Menschen als roter Faden

Wenn er Anerkennung, Respekt und Wertschätzung für Veteraninnen und Veteranen einfordert, dann weil er weiß, was viele von ihnen erlebt haben. Seine Karriere beginnt Krause, geboren 1964 in Kamen in Nordrhein-Westfalen, als Offiziersanwärter direkt nach dem Abitur 1983. Menschen führen, ausbilden, erziehen, das zieht sich durch sein Leben wie ein roter Faden. Als Fußball-Trainer in seiner Heimat Celle betreut er am Wochenende die Mannschaften seiner beiden Söhne oder fährt seine Tochter zum Handball-Training. 

Bei der Bundeswehr prägt er als Zugführer und Kompaniechef bei den Panzergrenadieren das Leben junger Wehrpflichtiger, als Hörsaalleiter an der Panzertruppenschule Munster bildet er junge Offiziersanwärter aus. Unmittelbar nach den Unruhen im Jahr 2004 geht er in den Kosovo als stellvertretender Kommandeur des deutschen Operational Reserve Forces (ORF) Bataillon. 

Netzwerker für die Invictus-Games

Von 2006 bis 2009 ist er als Einsatzstabsoffizier in Mons beim Supreme Headquarters Allied Powers Europe (Shape) mitverantwortlich für die ISAF Operation in Afghanistan. “Das packt einen”, sagt Krause, vor allem als er dann selbst im “sehr turbulenten” ersten Halbjahr des Jahres 2011 dort afghanische Soldaten ausbildet. Im Verteidigungsministerium ist er in der Abteilung Führung Streitkräfte eingesetzt und verantwortet 2023 die Invictus Games in Düsseldorf, ein sportliches Großevent für einsatzgeschädigte Veteranen aus 21 Ländern. Dass er dann die Leitung des Veteranenbüros übernehmen sollte, sei ein “Zufall” gewesen und auch dem geschuldet, dass er bereits für die Invictus Games ein großes Netzwerk aufgebaut hatte.

Wenn Krause also nun Respekt und Anerkennung einfordert, tut er das für zehn Millionen Veteraninnen und Veteranen. Als Veteran gilt, “wer als Soldatin oder Soldat der Bundeswehr im aktiven Dienst steht oder aus diesem Dienstverhältnis ehrenhaft ausgeschieden ist, also den Dienstgrad nicht verloren hat”. 

Barrierefreier Zugang zum Veteranenbüro

Für diese zehn Millionen gibt es seit dem 17. Januar erstmalig eine Anlaufstelle in Berlin. Etwas versteckt, nur einen Steinwurf entfernt vom Hauptbahnhof in der Jean-Monnet-Straße, liegt das barrierefrei zugängliche Büro – bewusst in einem zivilen Gebäude. “Für einsatzgeschädigte Veteraninnen und Veteranen stellt es zum Teil eine große Hemmschwelle dar, wenn sie wieder auf militärisches Personal treffen oder eine Kaserne betreten müssen”, erklärt Krause die Entscheidung, das Veteranenbüro außerhalb von Kasernenmauern zu errichten.

Sechs teils zivile Beraterinnen und Berater bearbeiten die Anliegen der Veteranen.  Mehr als 200 “Fälle” sind bereits im Büro eingegangen. Die Bandbreite ist groß: Mal geht es um den verlorenen Bundeswehr-Führerschein, mal aber um schwere menschliche Schicksale, wie Angehörige, die nicht mehr weiter wüssten, weil die Partnerin, der Partner an einer Posttraumatischen Belastungsstörung erkrankt sei.

Deutschland und sein eigener Zugang zur Veteranenkultur

Die Aufgabe des Teams ist es, in den teils komplizierten und sich ständig im Wandel befindlichen Strukturen der Bundeswehr den richtigen Ansprechpartner für die Veteranen zu finden. Wie bei den Invictus-Games gelte, dass das Veteranenbüro auch für “Friends and Family” von Veteranen offen stehe, sagt Krause.

Krause selbst und seine Stellvertreterin Oberstleutnant Sylvia Mehl sind dafür viel unterwegs. Das Interesse an ihrer Arbeit sei riesig, ob von Abgeordneten, sozialen Verbänden oder aus dem Verteidigungsministerium, sagt Krause. Auch international, etwa aus den Niederlanden oder den USA, schaue man interessiert auf den neuen Umgang Deutschlands mit Kriegsveteranen.

Die Veteranenkultur aus den USA oder anderen Ländern will er aber nicht kopieren. “Man kann die amerikanische nicht mit der deutschen Geschichte vergleichen. Allerding haben wir im internationalen Vergleich mit der Etablierung einer Veteranenkultur noch einen weiten Weg vor uns.”

Auch wenn der Veteranentag offiziell erst 2025 erstmals durchgeführt werden soll, wird Krause mit seinem Team und dem neuen mobilen Veteranen-Truck bereits dieses Jahr durch die Republik fahren und am 15. Juni für die Veteranen und die Gesellschaft sichtbar sein. Lisa-Martina Klein

  • Bundeswehr

Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Chinas Geheimdienst hat Deutschland drei weitere Gründe geliefert, sich unabhängiger von Peking zu machen. Drei Deutsche sollen militärisch nutzbare Technologie ausspioniert und einen Speziallaser illegal nach China verschifft haben. Franziska Klemenz, Michael Radunski und Finn Mayer-Kuckuk haben den Spionagefall dokumentiert.

    Ein weiterer Grund heißt Nitrozellulose. Das Baumwollprodukt, das für die Produktion von Schießpulver benötigt wird, kam bisher hauptsächlich aus China und in Europa ist der Stoff Mangelware. In meiner Analyse lesen Sie, wie die Munitionsproduktion hochgefahren werden soll. Frankreich scheint dabei selbst EU- und Nato-Partnern zu misstrauen.

    Lisa-Martina Klein stellt Ihnen außerdem Oberstleutnant Michael Krause vor, der das neu eröffnete Veteranenbüro in Berlin leitet. Am Donnerstag berät der Bundestag über den Veteranentag, der erstmals am 15. Juni 2025 stattfinden soll.

    Ihr
    Gabriel Bub
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    Analyse

    Verfassungsschutz: Drei Deutsche haben Geheimnisse an China weitergegeben

    Chinas Staatssicherheit hat offenbar drei Personen in Deutschland angeworben, um sich technische Geheimnisse zu verschaffen. Das hat der Bundesverfassungsschutz aufgedeckt. Die Polizei hat die drei Verdächtigen festgenommen, denen die Bundesanwaltschaft in den Haftbefehlen vorwirft, “militärisch nutzbare innovative Technologien” ausspioniert zu haben. Konkret werden Forschungsarbeiten zum Stand von Schiffsantrieben und Lasertechnik genannt.

    “Die drei Festnahmen wegen mutmaßlicher Spionage für einen chinesischen Nachrichtendienst sind ein großer Erfolg unserer Spionageabwehr”, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Montag. Faeser dankte dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und dem Bundeskriminalamt für ihre “hohe Wachsamkeit”. Die chinesische Botschaft in Berlin wies unterdessen die Anschuldigung zurück. “Wir fordern die deutsche Seite auf, davon abzulassen, den Spionage-Vorwurf aufbauschend auszunutzen, um das China-Bild politisch zu manipulieren und China zu diffamieren.”

    Die Enthüllung fällt in eine angespannte Zeit in den chinesisch-deutschen Wirtschafts- und Forschungsbeziehungen. Erst am Wochenende wurde bekannt, dass eine chinesische Cybergruppe über Jahre hinweg Technikwissen von Volkswagen ausspioniert hat. Zudem wird intensiv diskutiert über die Gefahren von Hochschulkooperationen mit China.

    Dabei könnten die Positionen kaum weiter auseinander liegen: Während Bundeskanzler Olaf Scholz vergangene Woche in Peking für mehr Zusammenarbeit warb, wittert Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger hinter jedem chinesischen Forscher die KP. Im aktuellen Fall haben die Verdächtigen tatsächlich eine Forschungskooperation in chinesischem Auftrag eingefädelt.

    Interesse galt Motoren für Kriegsschiffe – und Lasern

    Die Kontaktperson der drei mutmaßlichen Spione saß in China und arbeitete für das Ministerium für Staatssicherheit (MSS, 国家安全部). Als federführenden Agenten in Deutschland hat die Bundesanwaltschaft Thomas R. genannt. Dieser wiederum beauftragte eine Firma in Düsseldorf, die ihrerseits eine Universität mit einer Studie beauftragte. Darin ging es um den technischen Stand Deutschlands bei Schiffsmotoren, die auch in Kriegsschiffen zum Einsatz kommen. Solche Informationen unterliegen Kontrollen durch das Außenwirtschaftsgesetz.

    Ebenfalls reguliert ist der Export von Technik, die sich auch in Waffen einsetzen lässt (dual use). Hier war das Trio von mutmaßlichen Spionen ebenfalls aktiv. Sie kauften einen Speziallaser und verschifften ihn, vorbei an den Ausfuhrkontrollen, nach China.

    Der Verdächtige betätigte sich als Brückenbauer

    Der mutmaßliche Agent Thomas R. ist in China-Kreisen bekannt. Er engagierte sich in der Geschäftsanbahnung, insbesondere zwischen Hongkong und Deutschland. Zusammen mit den ebenfalls verdächtigen Ina F. und Herwig F. betrieb er mehrere Firmen und Vereine aus dem Bereich der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit, unter anderem I-Dragon Ltd, Eurasia Merger oder Smartcity-Verein. Herwig F. stellt sich als Ingenieur und Erfinder mit zahlreichen Patenten dar.

    Es gibt nun zwei Möglichkeiten und eine Reihe von Graustufen, die sicher auch vor Gericht diskutiert werden: Den Verdächtigen war bewusst, illegale Tätigkeiten für einen fremden Geheimdienst auszuführen – oder sie wähnten sich eher naiv in einer Grauzone und verkannten die Identität ihrer chinesischen Ansprechpartner.

    Geheimdienst überwachte die Verdächtigen

    Ein Ermittlungserfolg des Bundesamtes für Verfassungsschutz habe zu den Festnahmen geführt, sagte Thomas Haldenwang, der Präsident des Geheimdienstes, am Montag in Berlin. Man sei den Beteiligten schon früh auf die Spur gekommen. Dann folgte eine längere Phase der Überwachung, ehe der Verfassungsschutz den Fall an die Staatsanwaltschaft abgab.

    Die drei Verdächtigen seien nicht die einzigen Spione in Deutschland, deutete Haldenwang an. Es handele sich um den “Teil eines umfassenden Geschäfts”, bei dem häufig Scheinfirmen und Vermittler zum Einsatz kommen.

    Verfassungsschutz: China bedrohlicher als Russland

    Vor fast genau einem Jahr hatte Haldenwang in einer Rede eindringlich vor Spionage aus China gewarnt. “Russland ist der Sturm – China ist der Klimawandel”, sagte er beim Symposium des Verfassungsschutzes in Berlin.

    Der Jahresbericht des BfV bezeichnet China gar als “größte Bedrohung in Bezug auf Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage sowie ausländische Direktinvestitionen in Deutschland”. Die Volksrepublik sei einer der vier Hauptakteure bei Spionage gegen Deutschland – neben Russland, Iran und der Türkei.

    China ist also besonders gut organisiert und sammelt Informationen aus anderen Ländern systematisch ein. “In Deutschland stehen die Ziele Politik und Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik sowie Militär im Fokus der chinesischen Dienste”, sagte Haldenwang. Für die Umsetzung seiner ambitionierten Industriepolitik nutze China Spionage in Wirtschaft und Wissenschaft, kaufe ganz oder teilweise deutsche Unternehmen der Spitzentechnologie und werbe gezielt Wissensträger an.

    Spionage – im lockeren Gespräch

    Dabei ist die Anbahnung der Kontakte nicht leicht als der Beginn von Spionage zu erkennen. Vielfach handele es sich um eine sogenannte offene Informationsbeschaffung. Informationen werden zunächst im Rahmen von harmlos wirkender Kontaktpflege gesammelt. Diese Gesprächsabschöpfung ziele insbesondere auf aktive und ehemalige Entscheidungsträgerinnen und -träger aus Politik und Wirtschaft ab. Zunehmend rückt jedoch auch die Wissenschaft in den Fokus chinesischer Dienste.

    Die Ziele sind umfassend, unter anderem das Beschaffen von Produkten und Wissen zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen, deren Trägersystemen, anderen Rüstungsgütern oder Elementen neuartiger Waffensysteme. Zusätzlich bemühen sie sich um andere Rüstungsgüter sowie militärisch anwendbare Hochtechnologie.

    Suche nach Spionen intensivieren

    Als Reaktion auf die Festnahmen am Montag will die Bundesregierung nun die Suche nach Spionen intensivieren. “Wir haben die erhebliche Gefahr durch chinesische Spionage in Wirtschaft, Industrie und Wissenschaft im Blick”, sagte Innenministerin Faeser. “Wir schauen sehr genau auf diese Risiken und Bedrohungen und haben davor deutlich gewarnt und sensibilisiert, damit überall Schutzvorkehrungen erhöht werden.”

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    Wie Europa die Munitionsproduktion hochfährt

    Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala hat vergangene Woche in Washington ein Erfolgserlebnis verkündet: 500.000 Schuss Artilleriemunition können dank der tschechischen Initiative beschafft werden. Ein gutes Zeichen für die Ukraine, die im Krieg gegen Russland über deutlich weniger Munition verfügt als die russischen Streitkräfte. Gleichzeitig bleibt die EU-Initiative zur Versorgung der Ukraine mit Munition weit hinter den Ankündigungen zurück. Von den angekündigten eine Million Schuss wurde gerade einmal die Hälfte geliefert.

    Der Bundestagsabgeordnete Philip Krämer von den Grünen begrüßt gemeinsame Beschaffungsinitiativen für Munition nach dem Vorbild der European Sky Shield Initiative (Essi). “Dadurch können über größere Bestellmengen Skaleneffekte erzeugt werden, die Unternehmen haben größere Sicherheit und einen unternehmerischen Anreiz, die Produktionskapazitäten hochzufahren, was sich auch positiv auf die Investitionsbereitschaft der Zulieferbetriebe auswirkt”, sagt er. “Dementsprechend sollten wir Schlüsselmunition wie 155-Millimeter-Artillerie, 120-Millimeter-Panzermunition, gängige Mörserkaliber und von mehreren Staaten genutzte Raketenartilleriemunition gemeinsam beschaffen.”

    In Frankreich hatte im März Verteidigungsminister Sébastien Lecornu erstmals nicht ausgeschlossen, Beschlagnahmungen von Ressourcen zu veranlassen und Unternehmen zu zwingen, einen Grundstock an Materialien anzulegen, um schneller produzieren zu können.

    Für Krämer wären solche Zwangsbevorratungen in Deutschland zwar “eine Möglichkeit, wenn auch nicht das Allheilmittel”. Und trotz der französischen Verlautbarungen sei die Produktion von Artilleriemunition dort kaum merklich gesteigert worden, kritisiert er.

    Französischer Alleingang bei der Munitionsproduktion

    Frankreich holt die Produktion zurück ins Land und scheint selbst Nato- und EU-Partnern zu misstrauen. Am 11. April hatte Präsident Emmanuel Macron bei seinem Besuch des Pulver-Produzenten Eurenco im französischen Bergerac gesagt, er habe eine klare Strategie. Man werde “Steuern senken, um zu relokalisieren” und, um “das attraktivste Land in Europa zu sein, was wir seit vier Jahren sind”.

    Kurz nach Beginn des Kriegs in der Ukraine hatte Eurenco, das 2007 mit seinem Werk nach Schweden abgewandert war, die Versorgung Schwedens gegenüber der Frankreichs vorgezogen. 76 Millionen Euro an EU-Geldern seien schon in das Werk geflossen, sagte Macron, 500 Millionen Euro sollen in den kommenden zwei Jahren investiert werden, um die Produktionsmenge von Granaten zu verdoppeln.

    Die “Kriegswirtschaft” hat Macron in Frankreich zur Chefsache erklärt. Firmen stellen auf Dreischichtsystem um, damit sie auch nachts produzieren können. Produktionsprozesse sollen simplifiziert werden, diskutiert wird in der französischen Industrie, dass Standards für die zivile Produktion – etwa Arbeitsschutzregelungen für den Umgang mit gefährlichen Materialien – in der Rüstungsproduktion nur noch eingeschränkt gelten sollen.

    Artillerie ist “Nummer 1” für Rheinmetall

    Im Gegensatz dazu investieren deutsche Unternehmen im Osten Europas. In Litauen unterzeichnete Rheinmetall Anfang April ein Memorandum of Understanding für den Bau einer Munitionsfabrik. Bei der Bilanzpressekonferenz im März hatte CEO Armin Papperger die Pläne von Rheinmetall für die Artillerieproduktion präsentiert. Bis 2026 will er eine Million Projektile herstellen, bei einem Durchschnittswert von 3.500 Euro pro Geschoss, rechnete er vor, könne man auf 3,5 Milliarden Euro Umsatz kommen, mit Antriebssystemen sogar auf noch mehr.

    Das Werk in Unterlüß in Niedersachsen, für das Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar den Spatenstich gesetzt hatte, soll 200.000 Projektile beisteuern. Zusätzlich lässt Papperger Werke in der Ukraine bauen, in Ungarn, Rumänien und Dänemark. “Artilleriemunition ist absolut Nummer 1 für uns”, sagte Papperger.

    Nitrozellulose kommt hauptsächlich aus China

    Gaspard Schnitzler hat für den französischen Thinktank Institut de Relations Internationales et Stratégiques (Iris) unter anderem die deutsche und die französische “Kriegswirtschaft” seit Beginn des Kriegs in der Ukraine verglichen. Die französische Beschaffungsbehörde DGA (Direction générale de l’armement), die auch dafür zuständig ist, die Rüstungsindustrie zu organisieren, wäre der Auslagerung von Produktion abgeneigt. Und dass Frankreich einem Nato- und EU-Partner wie Schweden so stark misstraue, dass es die Produktion zurück nach Frankreich holt, sei “schon verrückt”, sagt Schnitzler.

    Ein weiteres Problem ist der Mangel an Nitrozellulose. Das begehrte Baumwollprodukt, das für die Schießpulver-Produktion benötigt wird, kommt in Europa derzeit hauptsächlich aus China. “In Europa gibt es drei Unternehmen, die Nitrozellulose produzieren“, sagt Schnitzler. “Und die Nachfrage ist explodiert.”

    Für Philip Krämer sei man auf einem guten Weg, dass sich die munitionsproduzierenden Unternehmen bemühten, ihre Lieferketten zu diversifizieren. Nur: “Leider müssen wir aber auch feststellen, dass mögliche Partnerländer wie beispielsweise Indien sich geostrategisch noch nicht so klar festlegen, wie wir uns das wünschen würden.” Da müsse man “weiter für unsere Positionen werben und gegebenenfalls auch andere Angebote unsererseits konditionalisieren”.

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    Zivilschutz in Polen: Schutzräume reichen nur für vier Prozent der Bevölkerung

    Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 versuchen alle EU-Staaten, ihre Streitkräfte schnell aufzurüsten. Polen hat in dieser Zeit Waffen im Wert von etwa 40 Milliarden Euro gekauft. Doch wenn es um den Schutz der Zivilbevölkerung hinter der Front geht, ist Polen denkbar schlecht auf einen Konflikt mit Russland und Belarus vorbereitet. Der Zivilschutz erhielt seit dem Zerfall des Ostblocks kaum Finanzierung – niemand glaubte im Ernst, dass im Europa des 21. Jahrhunderts ein bewaffneter Konflikt möglich wäre.

    Vor sechs Wochen veröffentlichte Polens Oberster Rechnungshof (NIK) die Ergebnisse einer umfassenden Prüfung von Zivilschutzeinrichtungen im Land. Das Ergebnis: In Polen gibt es rund 2.000 Schutzräume und Bunker – weniger als vier Prozent der Bevölkerung fänden bei einem Notfall darin Platz. In sechs der 32 von der NIK geprüften Gemeinden gibt es keinen einzigen Schutzraum, 68 Prozent der überprüften Schutzräume entsprechen nicht den technischen Anforderungen.

    Zugemauerte Eingänge, fehlende Filter

    Insgesamt inspizierten die NIK-Inspektoren 44 Schutzbauten in ganz Polen. In den meisten fehlten Filter-Lüftungsanlagen – oder sie funktionierten nicht richtig. Die installierten Filter waren abgenutzt, feucht und seit Jahren nicht mehr gewechselt. Die Mehrheit der Schutzbauten ist mehr als 50 Jahre alt, sie haben nur wenige Toiletten und Schlafplätze. Lebensmittel- und Trinkwasservorräte sind nicht vorhanden, es gibt keine Decken oder Gasmasken. Die Räume sind schimmelig und schmutzig.

    In den 1990er-Jahren wurden viele Panzertüren aus den Räumen gestohlen und als Alteisen verkauft. Anstatt neue Türen einzubauen, mauerten die Wohnungsbaugesellschaften die Eingänge oft einfach zu. Viele solcher zugemauerten Schutzräume sind aber auf der offiziellen Karte der Schutzbauten eingezeichnet.

    Auch die Stationen der Warschauer U-Bahn, die im Fall eines Kriegs als Schutzräume dienen sollten, können diese Funktion nicht erfüllen, so der Bericht des Rechnungshofs. Die Experten nahmen zwei Stationen unter die Lupe und stellten fest, dass die hermetisch verschließbaren Metalltore nicht ans Stromnetz angeschlossen waren – sodass sie im Notfall nicht vom U-Bahn-Dispatcher geschlossen werden könnten. Auch die für das Überleben der Menschen entscheidenden Luftversorgungssysteme waren nicht funktionsfähig. Damit kann die U-Bahn den Menschen nur einen vorübergehenden Schutz bieten.

    Tusk-Regierung legt neue Vorschriften vor

    Der Rechnungshof sieht zwei Gründe für die missliche Lage: Mangel an Vorschriften und fehlende Finanzierung. Für Instandhaltung von Schutzbauten gab der Staat 2021 gerade einmal 214.000 Zloty (rund 45.000 Euro) aus. Die im vergangenen Herbst abgelöste rechtspopulistische PiS-Regierung war anderthalb Jahre nicht in der Lage, ein neues Gesetz über die Zivilverteidigung auszuarbeiten, das die über 60 Jahre alten Regelungen ersetzen könnte.

    Laut dem NIK-Bericht fehlt es in Polen an Vorschriften, die die technischen Anforderungen von Schutzräumen festlegen oder sogar definieren, was ein Schutzraum ist. Ebenso ist unklar, wer für die Verwaltung von Schutzgebäuden verantwortlich ist.

    Die neue Koalitionsregierung von Donald Tusk hat im März einen Gesetzesentwurf über den Zivilschutz vorgestellt, der solche Lücken schließen soll. Der neue Zivilschutz soll künftig vom Innenminister und nicht mehr vom Chef der staatlichen Feuerwehr geleitet werden. Das bedeutet mehr Kompetenz, ein größeres Budget, aber vor allem mehr Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit.

    Die Regierung will darüber hinaus ein Zivilschutzkorps aufbauen, das im Kriegsfall die Aufgaben der Territorialverteidigung übernehmen sollte. Ihm sollen unter anderem Polizisten und Feuerwehrleute angehören, die in Kriegszeiten mit einer Befreiung von der Mobilisierung rechnen können.

    Interesse der Bevölkerung an Privatbunkern gering

    Die vorherige Regierung wollte den Bau von Schutzräumen am liebsten den Bürgern überlassen. Das Ministerium für Entwicklung und Technologie schlug eine Änderung des Baugesetzes vor, die ein schnelles Genehmigungsverfahren für Schutzkeller bis zu einer Größe von 35 Quadratmetern vorsah. Doch sie wurde vom parlamentarischen Infrastrukturausschuss im Juli 2023 zurückgewiesen. Die Arbeiten an diesem Projekt sind noch nicht abgeschlossen.

    Das Interesse der Bevölkerung an Privatbunkern scheint allerdings nicht besonders groß. Kurz nach Beginn des Krieges in der Ukraine vor zwei Jahren beschloss Piotr Bialkowski aus Szprotawa, standardisierte Familienschutzbauten anzubieten. Luftdicht, mit Filteranlage und gepanzerten Türen. Doch in zwei Jahren fand er keinen einzigen Käufer. “Die Polen investieren lieber in ein gutes Auto, anstatt 200.000 Euro für einen Schutzbunker auszugeben”, sagt Bialkowski. “Wenn die Zeit gekommen ist, können sie Polen dann ganz schnell mit dem Wagen verlassen.”  

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    Ampel und Union über Einführung des “Veteranentags” einig

    Der Veteranentag, über den der Bundestag an diesem Donnerstag beraten wird, soll aus “bestehenden Haushaltsmitteln” finanziert werden. Für den Gedenktag, der erstmals am 15. Juni 2025 stattfinden soll, wird es allerdings keinen eigenen Etat geben. Die Ampel-Koalition hat sich mit der Union nach längeren Verhandlungen darauf geeinigt, die Mittel zwischen Bundesregierung und Bundestag aufzuteilen. “Uns ist es wichtig, dass der Bundestag maßgeblich beteiligt ist, da die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist”, erklärte Merle Spellerberg, die für die Grünen im Verteidigungsausschuss sitzt.

    In dem fraktionsübergreifenden Antrag heißt es, die Soldatinnen und Soldaten verdienten “Respekt, Anerkennung und Würdigung für ihren Dienst und ihre Bereitschaft, im Falle eines Falles das höchste Gut – ihr Leben – für die Sicherheit, Freiheit und die Werte unseres Landes einzusetzen”. Bislang haben über zehn Millionen Frauen und Männer in der Bundeswehr gedient.

    Spellerberg sieht in einem solchen Gedenktag einen “Demokratiemehrwert”. Deshalb müsse er “öffentlich” sein. Es gehe darum, das Verständnis für die Leistungen der Veteraninnen und Veteranen zu befördern.

    Und auch die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP begrüßte die Initiative, weil es eine “positive Erinnerungskultur” stärke und diejenigen gewürdigt würden, die “Leistungen für die Bundesrepublik erbracht haben und jeder auf seine individuelle Weise zur Sicherheit unseres Landes beigetragen haben”.

    Nachhaltiges und zeitgemäßes Konzept gefordert

    Die genaue Ausgestaltung des “Veteranentages” ist allerdings noch unklar. Laut des gemeinsamen Antragsentwurfs, der Table.Briefings vorliegt, soll der Gedenktag “öffentlich und sichtbar in der Mitte der Gesellschaft sowie zentral in Berlin stattfinden”.

    “Aus dem Parlament, in die Gesellschaft, für die Veteraninnen und Veteranen”, so wünscht sich auch Oberstleutnant Michael Krause, Leiter des im Januar eröffneten Veteranenbüros in Berlin. “Das soll kein ‘Tag nur in Berlin’ sein, es soll auch kein Tag der Bundeswehr für die Veteranen sein. Es soll verschiedenste Veranstaltungen geben, um den Tag in die Republik, in die Länder, in die Kommunen zu tragen.”

    Spätestens in sechs Monaten soll die Bundesregierung dem Bundestag ein “nachhaltiges und zeitgemäßes” Konzept vorlegen. Dies müsse laut des Antrages unter “Einbeziehung des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages und der Wehrbeauftragten, beteiligter Ressorts sowie Veteranenverbänden, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden und anderen relevanten gesellschaftlichen Akteuren” erfolgen.

    Ebenfalls im Antrag formuliert, ist die Forderung nach einer “grundsätzlichen und einheitlichen Verbesserung der Nachsorge von im Dienst, besonders im Auslandseinsatz erlittenen Schädigungen” für die Soldaten und Soldatinnen.

    Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Eva Högl (SPD), begrüßt die Einführung des Veteranentages: “Es wäre wünschenswert, wenn sich auch hierzulande eine sichtbare Veteranenkultur etablierte”. In vielen Ländern haben Veteranentage eine lange Tradition. Großbritannien ehrt am Armed Forces Day Ende Juni sowohl aktive Mitglieder der Streitkräfte als auch Veteranen. In den USA wird der Veterans Day – ein gesetzlicher Feiertag – am 11. November gefeiert. nana

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    Hohe Ölpreise, geänderte Besteuerung von Öl- und Gaskonzernen und hohe Konsumnachfrage füllen die Kasse des Kremls

    Die russische Regierung kann sich über hohe Staatseinnahmen freuen, die zu einem erheblichen Teil in die Finanzierung des Krieges fließen. Hoher weltweiter Ölpreis, geänderte Besteuerung von Öl- und Gaskonzernen sowie hohe Konsumnachfrage füllen die Kasse des Kremls.

    Im Vergleich zum ersten Quartal 2023 nahm Moskau in den ersten drei Monaten dieses Jahres 53 Prozent mehr ein, im März verzeichnete das Finanzministerium sogar ein Plus von umgerechnet 9,3 Milliarden US-Dollar – der höchste Wert der vergangenen zwei Jahre. Insgesamt bewegen sich die Einnahmen im Plan und zeigen, dass Moskau die westlichen Sanktionen insbesondere auf Ölprodukte umgehen kann.

    Die russischen Wirtschaftsanalysten Alexander Kolyandr und Alexandra Prokopenko betonen in ihrem aktuellen Bericht über das russische Budget, dass das Finanzministerium von weiterhin stabilen Einnahmen aus dem Öl-Handel ausgeht.

    Auf Nachfrage erläuterte Prokopenko, dass der Druck auf Ölunternehmen wegen der Änderung der Besteuerung für die mit Bodenschätzen tätigen Branchen bereits zugenommen habe. Zudem könnte noch die Steuer auf Gewinne erhöht werden, aber das sei noch nicht entschieden. Die ehemalige Mitarbeiterin der russischen Zentralbank sagt aber auch, dass die russische Wirtschaft überhitzt sei und fehlende Arbeitskräfte sowie eine hohe heimische Nachfrage die Inflationsentwicklung weniger steuerbar machten.

    Mehr als ein Viertel des Staatsbudgets sind als geheim eingestuft

    Relevant ist diese Entwicklung für den Westen vor allem deshalb, weil sie zeigt, dass Russland keine Finanzierungsprobleme für seinen Krieg hat und die 60-Dollar-Preisgrenze für seine Ölexporte erfolgreich umschifft.

    Auch wenn die am Wochenende beschlossene US-Hilfe für Kiew ein kurzes Durchatmen verschafft, sind Russlands Kriegspläne finanziell besser abgesichert als die Verteidigung der Ukraine. Im Jahr 2023 hatte Moskau 22,6 Prozent aller Staatsausgaben als geheim eingestuft, das Geld floss in die Bereiche Verteidigung sowie Sicherheitsstrukturen. In diesem Jahr sind nach Plänen vom Ende 2023 mindestens 27 Prozent vorgesehen. vf  

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    Außenminister einigen sich auf Iransanktionen

    Die Außenminister der EU haben am Montag in Luxemburg eine politische Einigung über neue Sanktionen gegen den Iran erzielt. So soll das Sanktionsregime der EU gegen Irans Drohnenprogramm auf Raketen ausgeweitet werden und zudem Teherans Verbündete im Nahen Osten erfassen. In einem nächsten Schritt muss der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell die entsprechenden Rechtstexte vorbereiten, bevor die Strafmaßnahmen in Kraft treten können.

    Außenministerin Annalena Baerbock sagte in Luxemburg, es gehe nun darum, alle Sanktionsmittel zu nutzen, um Angriffe Irans und dessen Verbündeter auf Israel zu verhindern. Die neuen Strafmaßnahmen bauen auf dem Sanktionsregime auf, das sich bisher schon gegen Irans Drohnenlieferungen an Russland richtete. Neu sollen auch Sanktionen gegen Personen, Organisationen und Unternehmen verhängt werden, die Irans Proxys vom Libanon über Syrien bis zum Jemen mit Drohnen oder Raketen beliefern. Erfasst werden auch weitere Bauteile, die für die Produktion von Drohnen und Raketen verwendet werden können.

    Ukraine hofft auf Ramstein-Format am Freitag

    Auf der Agenda des Treffens der Außen- und Verteidigungsminister war auch die Lage in der Ukraine und die Frage von zusätzlicher Unterstützung. Borrell betonte, der Jumborat unterstreiche die Dringlichkeit, mehr zu tun. Die Zahlen seien erschreckend. In den letzten vier Monaten habe Russland allein 7.000 Gleitbomben auf zivile Ziele in der Ukraine abgefeuert. Die konstante Bombardierung im Osten sei Teil von Putins Strategie. Die Auswirkungen auf das ukrainische Elektrizitätssystem seien sehr hoch.

    Die Außenminister etwa der Niederlande und Dänemarks signalisierten zwar, die deutsche Initiative für zusätzliche Luftverteidigungssysteme zu unterstützen. Konkrete Hilfszusagen konnte der EU-Außenbeauftragte allerdings nach dem Treffen nicht vermelden. Ukraines Außenminister Dmytro Kuleba forderte die Amtskollegen auf, nicht zu debattieren, sondern zu handeln: “Wenn wir gemeinsam und ohne Angst agieren, können wir die schlimmsten Szenarien verhindern.” Schon am Freitag wollen die Unterstützer der Ukraine im US-geführten Ramstein-Format per Videokonferenz wieder zusammenkommen. Spätestens dann wird mit konkreten Ankündigungen gerechnet. sti

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    Weltweite Militärausgaben durch Krieg in der Ukraine auf Höchststand

    Die weltweiten Militärausgaben haben 2023 wieder einen Höchststand erreicht. Mit für diesen beispiellosen Anstieg verantwortlich sei auch der Krieg zwischen Russland und der Ukraine, hieß es in einem Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri, der am Montag veröffentlicht wurde. Demnach gibt kein Land so viel Geld für das Militär aus wie die Vereinigten Staaten. Deutschland hat nach Großbritannien die zweitgrößten Militärausgaben in Europa. 

    Bereits zum neunten Mal in Folge hätten die Zahlen die Ausgaben des Vorjahres übertroffen, hieß es weiter. Demnach stiegen die Ausgaben im Jahr 2023 inflationsbereinigt um 6,8 Prozent auf 2,44 Billionen US-Dollar (rund 2,28 Billionen Euro) – der größte Anstieg seit 2009. 2022 waren es noch 2,24 Billionen Dollar (rund 2,04 Billionen Euro) gewesen. Die größten zehn Geldgeber haben allesamt ihre Ausgaben deutlich erhöht. 

    USA für 37 Prozent der weltweiten Militärausgaben verantwortlich

    Die USA machten mit 916 Milliarden US-Dollar (knapp 859 Milliarden Euro) mehr als ein Drittel (37 Prozent) der weltweiten Militärausgaben aus – etwa das Dreifache des zweitplatzierten China. Mit zwölf Prozent der weltweiten Ausgaben gab China geschätzte 296 Milliarden Dollar für das Militär aus – sechs Prozent mehr als im Vorjahr.

    Auf Platz drei stand demnach Russland, gefolgt von Indien und Saudi-Arabien, wie auch bereits 2022. Deutschland rangierte kurz hinter Großbritannien abermals auf dem siebten Platz.

    Die Militärausgaben der Ukraine stiegen um 51 Prozent auf 64,8 Milliarden Dollar (etwa 60,7 Milliarden Euro) und machten mehr als die Hälfte (58 Prozent) der gesamten Staatsausgaben aus. Dieser Anteil lag somit deutlich höher als in Russland, wo die Militärausgaben im vergangenen Jahr 16 Prozent der gesamten Staatsausgaben ausmachten. In Russland stiegen die Militärausgaben um 24 Prozent auf geschätzte 109 Milliarden Dollar (etwa 102 Milliarden Euro) im Jahr 2023. dpa

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    BMWK genehmigt im ersten Quartal 2024 Rüstungsexporte über 5,2 Milliarden Euro

    Das Bundeswirtschaftsministerium hat im ersten Quartal 2024 Rüstungsexporte im Wert von 5,2 Milliarden Euro genehmigt. Das teilte das Ministerium am Freitag mit. Demnach seien Genehmigungen für Kriegswaffen im Wert von 3,85 Milliarden Euro erteilt worden und 1,4 Milliarden Euro für sonstige Rüstungsgüter. Darunter fallen zum Beispiel Pistolen und Revolver, Jagdgewehre, Radar- und Funktechnik sowie Explosivstoffe oder Vorprodukte für den militärischen Einsatz.

    Hauptempfängerland ist wie schon 2023 die Ukraine mit einem Anteil von 74 Prozent an den Exporten.

    Neben der Ukraine entfallen rund zehn Prozent der Exporte auf Drittländer, also Staaten, die nicht EU oder Nato angehören oder ihnen gleichgestellt sind. Auf die Ukraine folgt an zweiter Stelle Singapur mit einem Genehmigungswert von etwa 584 Millionen Euro, dahinter Indien (143 Millionen Euro), Saudi-Arabien (126 Millionen Euro), Katar (97 Millionen Euro) und die USA (63 Millionen Euro). 2023 hatte der Gesamtwert bei 12,2 Milliarden Euro gelegen und war bereits ein Höchstwert.

    Nach Israel hat die Bundesregierung 2024 kaum noch Kriegswaffenexporte genehmigt. Auf eine Anfrage von Abgeordneten des Bündnis Sahra Wagenknecht teilte das Verteidigungsministerium mit, dass bis einschließlich 5. März 2024 Genehmigungen für Rüstungsgüter in Höhe von 9,4 Millionen Euro erteilt worden seien, von denen lediglich 32.449 Euro auf Kriegswaffen entfielen. bub

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    Presseschau

    Carnegie Politika: Why President Zelensky Is Purging His Inner Circle. Der Umbau in wichtigen Positionen der ukrainischen Staatsspitze wirft viele Fragen auf, vor allem, welche Motive Präsident Selenskij dafür hat. Am 20. Mai endet formell seine Amtszeit. Darauf bereite sich Selenskyj vor, heißt es im Artikel. Und dafür stärkt er die Rolle des Leiters seines Präsidialamtes: Andrij Jermak – ein besonders interessanter wie undurchsichtiger Protagonist.

    Ich bin so frei (Podcast): KI und Desinformation – Warum Vertrauensmangel ein Sicherheitsproblem ist. Unkown unkowns – Nicht zu wissen, dass man etwas nicht weiß und nicht versteht, stellt ein großes Sicherheitsproblem dar, sagt Zukunftsforscherin Florence Gaub im Podcast mit Zoé von Fink. Es braucht Daten, um diese Unknowns zu verstehen. Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, allerdings, so die KI-Expertin Katharina Schüller, erfordert der Umgang mit KI viel Kompetenzen – aber auch eine gesunde Intuition.

    ECFR: Proxy Battles – Iraq, Iran, and the Turmoil in the Middle East. Die Auswirkungen des israelisch-iranischen Konflikts drohen auch den Irak weiter zu destabilisieren. Nach einer Zeit relativer Ruhe, tut sich die irakische Regierung schwer mit der Präsenz von US-Truppen und iranischer Milizen auf eigenen Boden. Europa könne helfen.

    SWP: 75 Jahre Nato. Wie sich die Allianz mit Blick auf Sicherheit und Abschreckung neu aufstellt. Die Leiterin der SWP-Forschungsgruppe Sicherheitspolitik Claudia Major und Generalmajor Jörg See diskutieren im Podcast, inwiefern sich die Nato vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs fundamental neu aufstellen muss. Sie erklären, was es bedeutet, dass die Nato von Krisenmanagementeinsätzen – sogenannten Wars of Choice – zum War of Necessity gekommen ist. Diese Veränderung bedarf “großer Investitionen”, aber auch den politischen Willen, um mögliche Angriffe glaubhaft abzuschrecken.

    FAZ: Florian Seibel von Quantum Systems – Der Deutsche, auf den Kiew vertraut. Hunderte Drohnen im Jahr will Quantum Systems in der Ukraine produzieren, Wirtschaftsminister Robert Habeck hat die Fabrik vergangene Woche eröffnet – zusammen mit Florian Seibel, dem Chef von Quantums. Es ist ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der Drohne. 2015, im Gründungsjahr von Quantums, stritt man sich in Deutschland noch über die Bewaffnung von Drohnen, heute entscheiden sie Kriege.

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    Michael Krause – “Haben bei der Veteranenkultur noch weiten Weg vor uns”

    Oberstleutnant Michael Krause leitet das neu eröffnete Veteranenbüro in Berlin-Mitte.

    Einen Tag im Sommer habe man sich gewünscht für den Veteranentag. Dass es jetzt der 15. Juni wird, damit ist Oberstleutnant Michael Krause zufrieden. Der Veteranentag soll kein “Tag nur in Berlin”, kein “Tag der Bundeswehr für Veteranen” werden, sondern ein Tag von der Politik, in die Gesellschaft, für die Veteraninnen und Veteranen – und zwar ganz konkret vor Ort in den Städten und Dörfern, damit jeder mitmachen kann. Krause kümmert sich mit seinem Team im neu eröffneten Veteranenbüro um die vielfältigen Belange von Veteraninnen und Veteranen.

    “Wir brauchen wieder ein Bewusstsein dafür, dass wir etwas für die Freiheit, für die Sicherheit tun müssen, dass es eine resiliente Gesellschaft braucht. Dazu gehört auch, dass wir denjenigen Anerkennung, Respekt und Wertschätzung entgegenbringen. Dies auch unabhängig davon, ob das hier in Deutschland ist, oder in Mali, Afghanistan oder zukünftig auch Litauen”, sagt Krause. 

    Ausbildung junger Menschen als roter Faden

    Wenn er Anerkennung, Respekt und Wertschätzung für Veteraninnen und Veteranen einfordert, dann weil er weiß, was viele von ihnen erlebt haben. Seine Karriere beginnt Krause, geboren 1964 in Kamen in Nordrhein-Westfalen, als Offiziersanwärter direkt nach dem Abitur 1983. Menschen führen, ausbilden, erziehen, das zieht sich durch sein Leben wie ein roter Faden. Als Fußball-Trainer in seiner Heimat Celle betreut er am Wochenende die Mannschaften seiner beiden Söhne oder fährt seine Tochter zum Handball-Training. 

    Bei der Bundeswehr prägt er als Zugführer und Kompaniechef bei den Panzergrenadieren das Leben junger Wehrpflichtiger, als Hörsaalleiter an der Panzertruppenschule Munster bildet er junge Offiziersanwärter aus. Unmittelbar nach den Unruhen im Jahr 2004 geht er in den Kosovo als stellvertretender Kommandeur des deutschen Operational Reserve Forces (ORF) Bataillon. 

    Netzwerker für die Invictus-Games

    Von 2006 bis 2009 ist er als Einsatzstabsoffizier in Mons beim Supreme Headquarters Allied Powers Europe (Shape) mitverantwortlich für die ISAF Operation in Afghanistan. “Das packt einen”, sagt Krause, vor allem als er dann selbst im “sehr turbulenten” ersten Halbjahr des Jahres 2011 dort afghanische Soldaten ausbildet. Im Verteidigungsministerium ist er in der Abteilung Führung Streitkräfte eingesetzt und verantwortet 2023 die Invictus Games in Düsseldorf, ein sportliches Großevent für einsatzgeschädigte Veteranen aus 21 Ländern. Dass er dann die Leitung des Veteranenbüros übernehmen sollte, sei ein “Zufall” gewesen und auch dem geschuldet, dass er bereits für die Invictus Games ein großes Netzwerk aufgebaut hatte.

    Wenn Krause also nun Respekt und Anerkennung einfordert, tut er das für zehn Millionen Veteraninnen und Veteranen. Als Veteran gilt, “wer als Soldatin oder Soldat der Bundeswehr im aktiven Dienst steht oder aus diesem Dienstverhältnis ehrenhaft ausgeschieden ist, also den Dienstgrad nicht verloren hat”. 

    Barrierefreier Zugang zum Veteranenbüro

    Für diese zehn Millionen gibt es seit dem 17. Januar erstmalig eine Anlaufstelle in Berlin. Etwas versteckt, nur einen Steinwurf entfernt vom Hauptbahnhof in der Jean-Monnet-Straße, liegt das barrierefrei zugängliche Büro – bewusst in einem zivilen Gebäude. “Für einsatzgeschädigte Veteraninnen und Veteranen stellt es zum Teil eine große Hemmschwelle dar, wenn sie wieder auf militärisches Personal treffen oder eine Kaserne betreten müssen”, erklärt Krause die Entscheidung, das Veteranenbüro außerhalb von Kasernenmauern zu errichten.

    Sechs teils zivile Beraterinnen und Berater bearbeiten die Anliegen der Veteranen.  Mehr als 200 “Fälle” sind bereits im Büro eingegangen. Die Bandbreite ist groß: Mal geht es um den verlorenen Bundeswehr-Führerschein, mal aber um schwere menschliche Schicksale, wie Angehörige, die nicht mehr weiter wüssten, weil die Partnerin, der Partner an einer Posttraumatischen Belastungsstörung erkrankt sei.

    Deutschland und sein eigener Zugang zur Veteranenkultur

    Die Aufgabe des Teams ist es, in den teils komplizierten und sich ständig im Wandel befindlichen Strukturen der Bundeswehr den richtigen Ansprechpartner für die Veteranen zu finden. Wie bei den Invictus-Games gelte, dass das Veteranenbüro auch für “Friends and Family” von Veteranen offen stehe, sagt Krause.

    Krause selbst und seine Stellvertreterin Oberstleutnant Sylvia Mehl sind dafür viel unterwegs. Das Interesse an ihrer Arbeit sei riesig, ob von Abgeordneten, sozialen Verbänden oder aus dem Verteidigungsministerium, sagt Krause. Auch international, etwa aus den Niederlanden oder den USA, schaue man interessiert auf den neuen Umgang Deutschlands mit Kriegsveteranen.

    Die Veteranenkultur aus den USA oder anderen Ländern will er aber nicht kopieren. “Man kann die amerikanische nicht mit der deutschen Geschichte vergleichen. Allerding haben wir im internationalen Vergleich mit der Etablierung einer Veteranenkultur noch einen weiten Weg vor uns.”

    Auch wenn der Veteranentag offiziell erst 2025 erstmals durchgeführt werden soll, wird Krause mit seinem Team und dem neuen mobilen Veteranen-Truck bereits dieses Jahr durch die Republik fahren und am 15. Juni für die Veteranen und die Gesellschaft sichtbar sein. Lisa-Martina Klein

    • Bundeswehr

    Security.Table Redaktion

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