die Wehrbeauftragte macht sich stark für einen Gesetzesentwurf, der die Entfernung von Extremisten aus der Bundeswehr radikal vereinfachen soll: “Künftig soll zügig per Verwaltungsakt eine Entlassung verfügt werden können”, sagt Eva Högl im Interview mit Nana Brink – nur so ließen sich jahrelange Gerichtsverfahren vermeiden, die den Rausschmiss von ausgemachten Gegnern des Grundgesetzes aus der Truppe hinauszögerten. Die gestern im Bundestag diskutierte Gesetzesnovelle gelte übrigens nicht nur für Rechtsextreme, sondern für Anhänger aller verfassungsfeindlichen Bestrebungen.
Högls SPD-Parteifreund Boris Pistorius war gestern in Nahost unterwegs, zuerst in Ras Nakura, wo vierzig deutsche Angehörige der UN-Libanon-Beobachtermission Unifil stationiert sind, dann auf der Korvette “Oldenburg”. Vor der libanesischen Küste gab der Verteidigungsminister bekannt, dass die Besatzung vorerst nicht nach Deutschland zurückkehren, sondern in die Ägäis weiterfahren werde. Ersetzt wird die “Oldenburg” bei Unifil in den kommenden Tagen von der Fregatte “Baden-Württemberg”.
Eine wirkliche Erhöhung des militärischen Engagements der Bundeswehr in Nahost bedeutet das zwar nicht. Doch beim Treffen mit seinem israelischen Amtskollegen Joav Gallant machte Pistorius ein paar Stunden später klar, dass Deutschland bereit sei, alles zu liefern, was die Regierung in Jerusalem militärisch benötige in ihrem Krieg gegen die Hamas.
Dass die Militärkooperation der Bundesregierung mit Israel richtig ist, finden auch zwei von drei Deutschen, die das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag des European Leadership Network (Elnet) befragte. Die Zustimmung zu dem Kauf des Flugabwehrsystems Arrow 3 aus Israel ist den Zahlen zufolge seit dem Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober sogar noch gestiegen.
Frau Högl, wegen des Verdachts sexueller Übergriffe wurden Soldaten auch in höherrangigen Positionen zuletzt vom Dienst suspendiert. Auch der Kommandeur des Zentrums Innere Führung, Generalmajor Marcus Kurczyk, soll in den Ruhestand geschickt werden. Hat die Bundeswehrführung das Thema zu lange ignoriert?
Es muss ganz klar sein, dass sexualisierte Gewalt in der Bundeswehr nicht stattfinden darf. Das ist ein Verstoß gegen die individuellen Rechte jeder und jedes Einzelnen. Das hat aber auch Auswirkungen auf die Einsatzbereitschaft und das Ansehen der Bundeswehr. Deswegen muss es rote Linien geben. Das fängt mit einer blöden Bemerkung an und endet mit Vergewaltigung. Der Umgang damit zeigt auch, ob die Bundeswehr attraktiv ist für Frauen. Denn die Mehrheit der Betroffenen – zu 80 Prozent – sind Frauen. Und ein Drittel der Vorfälle geschieht unter Alkoholeinfluss. Wir hatten im Jahr 2021 357 meldepflichtige Ereignisse und 34 Eingaben. Wir verfolgen die Fälle hier im Amt der Wehrbeauftragten sehr genau und schauen uns auch an, was in den jeweiligen Verbänden getan wird in Sachen Prävention, aber auch, wie ermittelt wird.
Was kann man verbessern?
Auf der Konferenz der militärischen Gleichstellungsbeauftragten wurden kürzlich sehr spannende Ansätze diskutiert. Bei dem Treffen gab es den berechtigten Hinweis, dass häufig die Ermittlungen nicht professionell geführt werden, also vielleicht nicht ausreichend Zeugen vernommen werden oder die nötige Objektivität nicht gegeben ist. Deswegen hatten die Gleichstellungsbeauftragten die Idee, eine möglichst neutrale Instanz mit der Ermittlung zu beauftragen. Das ist eine gute Idee. Eine Gleichstellungsbeauftragte regte an, dass vielleicht die Feldjäger dafür in Betracht kommen. Hier sollte weiter überlegt werden, wie die Ermittlungen professionell geführt werden können. Das sage ich ohne Vorwurf an irgendwen, aber das ist ein wichtiger Bestandteil. Wichtig ist auch, wie Frauen ermuntert und unterstützt werden können, Meldung zu machen. Wir haben eine hohe Dunkelziffer und viele Frauen trauen sich nicht, den Vorfall überhaupt zu melden. Sie ignorieren ihn lieber und lassen es auf sich beruhen, weil sie sagen, ich habe dann mehr Ärger, wenn ich es melde. Das ist keine Lösung.
Stichwort Rechtsextremismus: 2021 gab es 1.452 Verdachtsfälle. Jetzt sollen Rechtsextreme schneller aus der Bundeswehr entfernt werden können. Dazu gibt es einen Gesetzesentwurf, der dem Bundestag vorliegt. Was genau soll sich ändern?
Der Gesetzentwurf ist hervorragend, weil er an der charakterlichen Eignung anknüpft. Man kann einen Soldaten, eine Soldatin entlassen, wenn er oder sie nicht Gewähr für die charakterliche Eignung bietet, auch nicht die Werte und Grundrechte des Grundgesetzes vertritt. Es ist gut, dass damit keine Frist vorgesehen ist. Und der Gesetzentwurf ist auch nicht auf Zeitsoldaten beschränkt, sondern gilt auch für Berufssoldaten und -soldatinnen. Es wäre ein gutes Instrumentarium, das die Bundeswehr dann an der Hand hat, um die Soldatinnen und Soldaten, die nicht in die Bundeswehr passen, entlassen zu können. Und am liebsten hätte ich es, wenn es dieses Jahr noch beschlossen wird. Aber auf jeden Fall sollte es noch in dieser Legislaturperiode passieren.
Also auch als Signal, dass wir die nicht in den Reihen unserer Soldaten haben wollen?
Unbedingt. Und es gilt dann im Übrigen nicht nur für Rechtsextremismus …
Würde das Extremisten wie zum Beispiel Hamas-Sympathisanten einschließen?
Ja, ich hoffe, dass keine Soldatinnen und Soldaten diesem Gedankengut anhängen. Aber es gilt für alle verfassungsfeindlichen Bestrebungen. Es erfordert dann kein Gerichtsverfahren mehr. Das dauert momentan häufig jahrelang. Künftig soll zügig per Verwaltungsakt eine Entlassung verfügt werden können. Das wäre eine echte Erleichterung.
Verteidigungsminister Boris Pistorius hat kürzlich 2025 als Ziel für die Entsendung einer Brigade nach Litauen ausgegeben und setzt dabei auf Freiwilligkeit. Aber laut einer Umfrage ist nur jeder fünfte Soldat bereit, freiwillig zu gehen. Wird das funktionieren?
Es ist grundsätzlich richtig, dass der Minister auf Freiwilligkeit setzt. Die Zahl der Freiwilligen hängt auch davon ab, wie die Rahmenbedingungen sind, sowohl die militärischen Liegenschaften als auch die zivilen. Wie wohnen die Soldatinnen und Soldaten mit ihren Familien? Welcher Ort wird gewählt? Ich kann mir vorstellen, dass Vilnius sehr attraktiv ist für unsere Soldatinnen und Soldaten. Haben die mitreisenden Angehörigen eine Arbeitsmöglichkeit? Gibt es Schulen für die Kinder, vernünftige Kindergärten, Sportmöglichkeiten, Einkaufsmöglichkeiten und Betreuung? Wenn die Rahmenbedingungen konkreter feststehen, dann bin ich mir sicher, dass die Bereitschaft steigt.
Sie meinen, sie brauchen noch ein bisschen Motivation nach dem Motto “Hey, das ist doch ein toller Job“?
Ich war gerade zwölf Tage in den USA, habe mit deutschen Soldatinnen und Soldaten gesprochen und festgestellt, dass ganz viel von der richtigen Information abhängt. Auch da sind unsere Soldatinnen und Soldaten freiwillig. Und trotzdem kämpfen sie mit Bürokratie und dem einen oder anderen, was nicht so rund läuft. Und das sollte man in Litauen möglichst vermeiden.
Ein letztes Wort zur Ausstattung: Der Bundestag hat der Bundeswehr 2,4 Milliarden Euro für die persönliche Ausstattung der Soldaten zugesichert. Können Sie jetzt, wo der Winter naht, sagen: Alle haben eine warme Unterhose?
Es geht voran. In den Verbänden, wo ich bin, landauf, landab, nehme ich wahr, dass die persönliche Ausstattung bei den Soldatinnen und Soldaten ankommt. Schutzweste, Kälte- und Nässe-Schutz, Helm, Rucksack, die Socken nicht zu vernachlässigen. Das ist keine Kleinigkeit, die man belächeln sollte. Es war eine wichtige Entscheidung des Deutschen Bundestages, 2,4 Milliarden Euro dafür zur Verfügung zu stellen, damit das bis 2025 bei der Truppe ankommt. Wir haben im Verteidigungsausschuss gehört, dass es die eine oder andere Lieferschwierigkeit gibt, weil Produzenten insolvent sind oder wegen Corona nicht genügend Personal haben. Trotzdem bin ich optimistisch, dass die persönliche Ausstattung bald bei allen Soldatinnen und Soldaten angekommen sein wird.
“Stabilisierung sichern, Wiedererstarken des IS verhindern, Versöhnung in Irak fördern” lautet die Vorgabe für die deutsche Beteiligung sowohl an der internationalen Koalition gegen den IS und an einer Nato-Mission zur Unterstützung des Irak. Der bereits 2015 begonnene Einsatz der Bundeswehr im Kampf gegen den IS ist die einzige Mission deutscher Streitkräfte, die Teil einer internationalen Koalition unter Führung der USA ist und nicht als Mission von Vereinten Nationen, Nato oder EU stattfindet.
Der überwiegende Teil der fast 300 deutschen Soldaten und Soldatinnen in diesem Einsatz ist auf der Luftwaffenbasis Al-Azraq in Jordanien stationiert, wo Transportflugzeuge vor allem zur Luftbetankung von Kampfjets der internationalen Anti-IS-Koalition vorgehalten werden. Im Irak selbst unterstützen rund 75 deutsche Soldaten die Ausbildung kurdischer Streitkräfte in Erbil im Norden des Landes. Den Betrieb eines Luftraumüberwachungsradars auf der Basis Al-Asad westlich von Bagdad wird die Bundeswehr Ende Oktober einstellen.
Parallel zur “Counter Daesh” genannten internationalen Koalition baut die Nato ihre Ausbildungsmission im Irak auf; dieser “Nato Mission in Iraq” (NMI) gehören derzeit gut 30 Deutsche an. Auch wenn die Bundeswehr nicht zuletzt aus technischen Gründen das meiste Personal für die Luftbetankung abstellt, gewinnt das sogenannte Capacity Building, der Aufbau der irakischen Sicherheitskräfte, zunehmend an Bedeutung. Zwar behalte man nach wie vor auch den Kampf gegen den IS im Auge, der derzeit erneut im Nordirak, aber vor allem in Syrien erstarke, macht der deutsche Kontingentführer in Erbil, Oberst Dirk Bollinger, deutlich.
Aber die Wandlung der kurdischen Peschmerga von Freischärlern zu einer regulären Armee nehme jetzt mehr Raum ein. Angesichts der erhöhten Spannungen zwischen den beiden kurdischen Parteien PUK und KDP, die die Autonomieregion Irak-Kurdistans regieren und jeweils Peschmerga-Divisionen unterhalten, sei die Mediation der “multinational advisory group” (multinational beratendes Expertengremium), dem in Erbil jetzt 13 unterschiedliche Nationen angehören, zur Deeskalation nicht unwichtig.
Allerdings hatte der irakische Ministerpräsident Mohammed Shia al-Sudani am Rande der Uno-Vollversammlung in New York gegenüber Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg klar gemacht, dass er keinen Sinn mehr in der Fortführung der Counter-Daesh-Operation sehe. Es sei sinnvoller, die unterschiedlichen Missionen unter einem Nato-Kommando zusammenzulegen.
Parallel dazu unterhält die EU seit 2017 eine Beratungsmission (EUAM/European Union Advisory Mission in Iraq), die Polizeikräfte ausbildet. Und italienische Carabinieri sind sogar schon seit 2004 damit beschäftigt, irakische Spezialeinheiten zu trainieren. In Nato-Kreisen in Bagdad wird jetzt darüber nachgedacht, ob sich diese Gendarmerie-Ausbildung in die Mission der Allianz eingliedern lässt.
Allerdings gibt es in Kreisen westlicher Botschaften in Bagdad durchaus andere Ansichten. Die Counter-Daesh-Operation/Capacity Building sei, wie der Name sagt, für den Kampf gegen den IS eingesetzt. Das sei eine technische Mission, während die Nato strategisch vorgehe. Und die insgesamt rund 600 Soldatinnen und Soldaten der Nato indes operieren nur in Bagdad. Neben Spanien und Dänemark wollen sich künftig die Niederlande als leitende Nation beteiligen. Auch das neutrale Nicht-Nato-Mitglied Österreich will sich mit zehn Soldaten an der Mission beteiligen.
Nato-Kreise in der irakischen Hauptstadt wiederum betonen die Vorteile der Nato-Ausbildungsmission: Diese sei auf die Zukunft ausgerichtet, verfüge über klare Kommandostrukturen und modernste Simulatoren – und habe eben nicht nur den Anti-Terror-Kampf im Auge, sondern auch Drogen- und Bandenkriminalität sowie die Fähigkeit zur Deeskalation bei Großdemonstrationen.
Ihre Aktionen seien nicht nur strategisch, sondern auch politisch motiviert. So hat die Nato neben Männern in Uniform auch einen Botschafter in zivil. Es spricht also einiges dafür, dass das Nordatlantikbündnis sein Engagement im Irak künftig noch ausweiten wird, zumal hier die Nato nicht als US-amerikanisch dominierte Organisation auftritt, sondern eher als eine europäische Mission bewertet wird, die mehr Ansehen genießt als die US-dominierte Counter Daesh Operation. Birgit Svensson, Thomas Wiegold
Das Muster wiederholt sich: Sobald die russische Armee vor größeren Schwierigkeiten steht, wischt Präsident Wladimir Putin diese Probleme verbal vom Tisch. So auch nach dem überraschenden Angriff der ukrainischen Streitkräfte mit US-amerikanischen ATACMS-Raketen (Army TACtical Missile System) auf Ziele in den von Russland besetzten ukrainischen Orten Luhansk und Berdjansk in der Nacht auf Mittwoch. Berdjansk liegt am Asowschen Meer – fast 100 Kilometer von der Frontlinie entfernt.
Putin bezeichnete die Lieferung der Raketen an die Ukraine auf einer Pressekonferenz in Peking als “Fehler” und gab sich siegesgewiss. Selbst die Kreml-treuen, dem russischen Militär nahe stehenden Telegramkanäle kritisierten jedoch mangelnden Schutz auf dem Flugplatz in Berdjansk. Mehrere Hubschrauber wurden auf dem dortigen Flugplatz zerstört und Soldaten getötet. Das bringt die russische Logistik weiter unter Druck. Bisher sollen die USA 20 ATACMS-Raketen geliefert haben.
Ältere ATACMS-Versionen haben eine Reichweite von 165 Kilometern, die neueren bis zu 300. Die weitesten Entfernungen von der Frontlinie bis zur Küste am Asowschen Meer betragen um die 100 Kilometer. Damit sind nicht nur russische Munitionsdepots, Flugplätze und Truppenansammlungen in den besetzten Gebieten im Süden und Osten der Ukraine in Reichweite. Die Armee zeigt mit dem Einsatz der ATACMS auch, dass die von Moskau geplante neue Eisenbahnlinie entlang der Küste am Asowschen Meer ins Visier genommen werden könnte. Die Strecke soll unter anderem über Berdjansk verlaufen.
Russland will mit der neuen Linie, die noch nicht im Bau ist, einen weiteren Transportweg auf die besetzte Krim schaffen und damit vorsorgen, falls die Kertsch-Brücke zerstört werden sollte. Zugleich wäre die neue Eisenbahnlinie weiter entfernt von der jetzigen Frontlinie als die aktuelle Bahnverbindung. Diese verläuft unter anderem entlang der verkehrstechnisch wichtigen Stadt Tokmak, die nur noch etwa 20 Kilometer von der Front entfernt liegt. vf
Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat am Donnerstag den Kauf des Waffensystems Arrow mit Lenkflugkörpern Arrow 3 aus Israel genehmigt. Die Anschaffung des Flugabwehrsystems in Höhe von rund vier Milliarden Euro wird aus Geldern des Sondervermögens für die Bundeswehr finanziert. Auch nach Beginn des Gazakriegs mit mehr als 4.000 Toten seit 7. Oktober hält die Zustimmung zu dem größten Waffendeal in der Geschichte Israels an.
So unterstützen inzwischen zwei von drei Deutschen die Anschaffung von Arrow 3. Das geht aus einer Umfrage des European Leadership Network Deutschland (Elnet) hervor, die Table.Media vorliegt. Seit der Absichtserklärung der Bundesregierung im Juli sind die Zustimmungswerte laut Elnet von 62 auf 68 Prozent gestiegen. Besonders hoch ist die Zustimmung unter Wählern von FDP (81,4 Prozent) und SPD (80,3 Prozent). “Mit dem brutalen Vorgehen der Hamas gegen die israelische Zivilbevölkerung wandelt sich auch in Deutschland das Bild”, sagte Elnet-CEO Carsten Ovens gegenüber Table.Media.
“Der Terror gegen die einzige Demokratie im Nahen Osten geht von Hamas und Hisbollah aus, zwei vom Iran geförderte Organisationen”, so Ovens. “Der Iran wird nach Russland mittlerweile als zweitgrößte Gefahr für unsere eigene Sicherheit wahrgenommen. Die Bundespolitik muss entsprechend Konsequenzen ziehen.”
Drei Viertel der Deutschen sehen Russland laut der Elnet-Studie als größte Gefahr für die eigene Sicherheit, gefolgt von Iran (66,9 Prozent). Demnach wird der Iran insbesondere von CDU/CSU-Wählern (76,9 Prozent) als größte Gefahr für die Sicherheit Deutschlands betrachtet. Wähler von AfD (46 Prozent) und Linken (40,6 Prozent) halten derweil die Vereinigten Staaten für die zweitgrößte Gefahr, wie die vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag der Organisation zur Förderung israelisch-europäischer Zusammenarbeit erhobenen Ergebnisse zeigen. mrb
Jenseits des vier Milliarden Euro schweren Flugabwehrsystems Arrow 3 aus Israel hat der Haushaltsausschuss des Bundestags am Mittwoch diverse weitere Beschaffungsvorhaben für die Bundeswehr genehmigt. So fließen aus dem Sondervermögen Bundeswehr 162 Millionen Euro in neue Kryptotelefone zur verschlüsselten Kommunikation, in eine zuverlässige land- und seegebundene Satellitennavigation sowie in die Beschaffung von Krypto- und Funkgeräten für die Richtfunkanlagen des Flugabwehrsystems Patriot.
Die Kryptotelefone sollen der Bundeswehr eine verschlüsselte Kommunikation über Datenleitungen ermöglichen. Die Umstellung auf die sogenannte IP-basierte Verbindung ist auch dringend nötig: Die neuen Geräte lösen Telefone ab, die auf alte ISDN-Leitungen angewiesen sind, die es praktisch nicht mehr gibt.
Ebenfalls vom Haushaltsausschuss abgesegnet wurden 52 Millionen Euro für Unterwasserdrohnen. Diese seien nicht bewaffnet und dienten der Aufklärung in Wassertiefen bis 300 Metern, der Erstellung von Unterwasserlagebildern und der Seeminenabwehr, teilte das Verteidigungsministerium mit.
Verteidigungsminister Boris Pistorius lobte die Entscheidungen des Haushaltsausschusses als “ein klares Zeichen gelebter Zeitenwende“. Insgesamt habe sein Ministerium in diesem Jahr bereits vierzig 25-Millionen-Euro-Vorlagen zur Verabschiedung durch den Bundestag vorbereitet.
Mit der Bestellung weiterer digitaler Funkgeräte aus dem Programm Streitkräftegemeinsame verbundfähige Funkgeräteausstattung (SVFuA) soll zudem die Digitalisierung der Landstreitkräfte vorangetrieben werden. Für gut 130 Millionen Euro werden knapp 700 Geräteausstattungen aus einem Rahmenvertrag beschafft, die unter anderem den Schützenpanzer Puma, Flugabwehrsysteme oder Gefechtsstände der ab 2025 bereitstehenden Division für die Nato vernetzen und Sprach- und Datenkommunikation auch
für geheim eingestufte Verbindungen ermöglichen soll. asc, tw
Arab News – How Prepared Is The Middle East If Israel-Hamas War Escalates Into A Regional Conflict? Die Analystin der saudi-arabischen Tageszeitung Arab News, Nadia Al-Faour, fragt, wie vorbereitet die arabischen Staaten auf einen Mehrfrontenkrieg sind, sollte sich der Gazakrieg regional ausweiten. Gute Zusammenstellung analytischer Stimmen aus dem Libanon, dem Irak und Jemen.
Carnegie Europe – Judy Asks: Does Anyone Benefit From the Israel-Hamas War? Auf diese Frage antworten 13 renommierte Expertinnen und Experten. Es gibt durchaus kurzfristige Gewinner in diesem Krieg, dauerhaft aber mehr Verlierer, wenn die Politik von Palästinensern und Israelis sich nicht ändert. In Europa könnte der Krieg die Entstehung einer neuen Dschihadistengeneration auslösen, warnen einige Forschende.
Deutschlandfunk – Rüstungsinvestition: Wie sicher ist das israelische Abwehrsystem Arrow 3? Dass Deutschland das Raketenabwehrsystem Arrow 3 für vier Milliarden Euro kauft, ist bekannt – es wurde von Politik und Rüstungsindustrie als “historisch” gefeiert. Doch inzwischen Militärexperten Kritik an dem Kauf.
Wall Street Journal – Satellite Images Show Russia Increasing Nuclear Capability in Belarus: Während Belarus aus dem Fokus des Westens derzeit verschwunden ist, baut das Land zusammen mit Russland die Fähigkeiten aus, Atomwaffen einzusetzen. An mehreren Orten wird der Einsatz des russischen Iskander-Raketensystems vorbereitet. Der 3-minütige Video-Beitrag analysiert die Vorgänge anhand von Satellitenbildern.
Verglichen mit der Welle der Solidarität mit Israel und der Verurteilung der Hamas durch den Westen lassen sich die Reaktionen in der russischen Öffentlichkeit am besten in drei Worten beschreiben: Schadenfreude, Antisemitismus und Hass. Die offizielle Position Russlands umfasst alle Elemente der feindlichen sowjetischen Politik gegenüber Israel, einschließlich eines direkten Vergleichs zwischen den Aktivitäten der Israel Defense Forces (IDF) und den Handlungen der Wehrmacht.
Die offizielle Position Putins und des russischen Außenministeriums lässt keinen Zweifel daran, dass Russland an der Seite der Hamas steht. Seit dem 7. Oktober hat die russische Führung mit keinem Wort die von der Hamas begangenen Massaker im Süden Israels verurteilt, sondern stattdessen die nicht erfüllten Rechte der Palästinenser betont. Im Einklang mit seiner seit Beginn des Krieges in der Ukraine zunehmenden antiamerikanischen Rhetorik hat Putin die Vereinigten Staaten für die Ereignisse im Süden Israels verantwortlich gemacht. Er warf ihnen vor, die Interessen der Palästinenser, einschließlich der Notwendigkeit eines unabhängigen, eigenen Staates, zu ignorieren.
Die Hamas hat kurz nach Beginn des Angriffs Kontakt mit der russischen Führung aufgenommen, um sie zu informieren. Der Hamas-Vertreter Ali Baraka sagte in einem Interview mit dem russischen Propaganda-Sender RT, Russland unterstütze die Hamas politisch und sympathisiere “mit uns”.
Sechs Tage nach dem Massaker hat Präsident Putin das Recht Israels auf Selbstverteidigung nur am Rande erwähnt, als er sagte, es handle sich um einen beispiellosen Angriff auf Israel. Unmittelbar danach hat er jedoch die israelische Operation im Gazastreifen mit der Belagerung Leningrads durch die Wehrmacht verglichen. In der früheren Sowjetunion, aber auch im heutigen Russland sowie von Putin selbst, dessen Bruder bei der Belagerung Leningrads starb, wird die Einkesselung der Stadt gemeinhin als das schrecklichste Verbrechen angesehen, das Nazi-Deutschland auf dem Gebiet Russlands begangen hat. Der Vergleich der IDF mit Nazi-Deutschland verbreitete sich danach wie ein Lauffeuer und ist in allen offiziellen Medien präsent.
Die Pro-Putin-Telegram-Kanäle verbreiten einen endlosen Strom antisemitischer Tropen und Bilder der abscheulichsten Art. Botschaften wie die folgenden finden sich nun täglich in den sozialen Netzwerken: “Es ist eine Schande, dass zu wenige Menschen getötet wurden”; “Bindet die israelischen Entführten an Pfähle rund um den Gazastreifen, dann wird es für die IDF schwieriger, euch zu beschießen”; “Es gibt kein Mitgefühl oder Erbarmen für die Israelis, die aus den Grenzstädten fliehen”.
Doch unabhängig von Russlands öffentlicher Positionierung auf Seiten der Hamas stellen sich wichtige Fragen hinsichtlich der Beteiligung Moskaus an den Ereignissen vom 7. Oktober. Im vergangenen Jahr gab es mehrere Besuche von Hamas-Vertretern in Russland. Beamte des russischen Außenministeriums treffen sich regelmäßig mit Hamas-Vertretern in arabischen Ländern.
Russland soll der Hamas eine Lizenz für die Herstellung der AK-47 (Kalaschnikow) und entsprechender Munition erteilt haben. Hamas-Terroristen könnten so mit Waffen aus russischer Produktion oder mit Waffen, die unter russischer Lizenz im Iran hergestellt wurden, nach Israel eingedrungen sein. Es gibt außerdem unbestätigte Berichte über die Beteiligung russischer Ausbilder an der Ausbildung der Terroristen.
Eine Eskalation in unserer Region dient dem russischen Interesse, Aufmerksamkeit und Ressourcen der Vereinigten Staaten vom Krieg in der Ukraine wegzulenken. In Anbetracht der enger werdenden militärischen Zusammenarbeit zwischen Russland und dem Iran, Moskaus Unterstützung der Hamas und antisemitischen Trends muss Israel seine Politik gegenüber Russland ändern.
Die Massaker im Süden Israels haben Russlands wohlwollende Einstellung zu unseren Feinden und seine engen Beziehungen zu ihnen offenbart. Diesem Land und seiner Führung kann man nicht länger vertrauen.
Arkady Mil-Man leitet beim israelischen Think-Tank Institute for National Security Studies (INSS) das Russland-Programm. Von 2003 bis 2006 war er israelischer Botschafter in Russland. Jetzt berät er Streitkräfte und Regierung beim militärischen Vorgehen.
die Wehrbeauftragte macht sich stark für einen Gesetzesentwurf, der die Entfernung von Extremisten aus der Bundeswehr radikal vereinfachen soll: “Künftig soll zügig per Verwaltungsakt eine Entlassung verfügt werden können”, sagt Eva Högl im Interview mit Nana Brink – nur so ließen sich jahrelange Gerichtsverfahren vermeiden, die den Rausschmiss von ausgemachten Gegnern des Grundgesetzes aus der Truppe hinauszögerten. Die gestern im Bundestag diskutierte Gesetzesnovelle gelte übrigens nicht nur für Rechtsextreme, sondern für Anhänger aller verfassungsfeindlichen Bestrebungen.
Högls SPD-Parteifreund Boris Pistorius war gestern in Nahost unterwegs, zuerst in Ras Nakura, wo vierzig deutsche Angehörige der UN-Libanon-Beobachtermission Unifil stationiert sind, dann auf der Korvette “Oldenburg”. Vor der libanesischen Küste gab der Verteidigungsminister bekannt, dass die Besatzung vorerst nicht nach Deutschland zurückkehren, sondern in die Ägäis weiterfahren werde. Ersetzt wird die “Oldenburg” bei Unifil in den kommenden Tagen von der Fregatte “Baden-Württemberg”.
Eine wirkliche Erhöhung des militärischen Engagements der Bundeswehr in Nahost bedeutet das zwar nicht. Doch beim Treffen mit seinem israelischen Amtskollegen Joav Gallant machte Pistorius ein paar Stunden später klar, dass Deutschland bereit sei, alles zu liefern, was die Regierung in Jerusalem militärisch benötige in ihrem Krieg gegen die Hamas.
Dass die Militärkooperation der Bundesregierung mit Israel richtig ist, finden auch zwei von drei Deutschen, die das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag des European Leadership Network (Elnet) befragte. Die Zustimmung zu dem Kauf des Flugabwehrsystems Arrow 3 aus Israel ist den Zahlen zufolge seit dem Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober sogar noch gestiegen.
Frau Högl, wegen des Verdachts sexueller Übergriffe wurden Soldaten auch in höherrangigen Positionen zuletzt vom Dienst suspendiert. Auch der Kommandeur des Zentrums Innere Führung, Generalmajor Marcus Kurczyk, soll in den Ruhestand geschickt werden. Hat die Bundeswehrführung das Thema zu lange ignoriert?
Es muss ganz klar sein, dass sexualisierte Gewalt in der Bundeswehr nicht stattfinden darf. Das ist ein Verstoß gegen die individuellen Rechte jeder und jedes Einzelnen. Das hat aber auch Auswirkungen auf die Einsatzbereitschaft und das Ansehen der Bundeswehr. Deswegen muss es rote Linien geben. Das fängt mit einer blöden Bemerkung an und endet mit Vergewaltigung. Der Umgang damit zeigt auch, ob die Bundeswehr attraktiv ist für Frauen. Denn die Mehrheit der Betroffenen – zu 80 Prozent – sind Frauen. Und ein Drittel der Vorfälle geschieht unter Alkoholeinfluss. Wir hatten im Jahr 2021 357 meldepflichtige Ereignisse und 34 Eingaben. Wir verfolgen die Fälle hier im Amt der Wehrbeauftragten sehr genau und schauen uns auch an, was in den jeweiligen Verbänden getan wird in Sachen Prävention, aber auch, wie ermittelt wird.
Was kann man verbessern?
Auf der Konferenz der militärischen Gleichstellungsbeauftragten wurden kürzlich sehr spannende Ansätze diskutiert. Bei dem Treffen gab es den berechtigten Hinweis, dass häufig die Ermittlungen nicht professionell geführt werden, also vielleicht nicht ausreichend Zeugen vernommen werden oder die nötige Objektivität nicht gegeben ist. Deswegen hatten die Gleichstellungsbeauftragten die Idee, eine möglichst neutrale Instanz mit der Ermittlung zu beauftragen. Das ist eine gute Idee. Eine Gleichstellungsbeauftragte regte an, dass vielleicht die Feldjäger dafür in Betracht kommen. Hier sollte weiter überlegt werden, wie die Ermittlungen professionell geführt werden können. Das sage ich ohne Vorwurf an irgendwen, aber das ist ein wichtiger Bestandteil. Wichtig ist auch, wie Frauen ermuntert und unterstützt werden können, Meldung zu machen. Wir haben eine hohe Dunkelziffer und viele Frauen trauen sich nicht, den Vorfall überhaupt zu melden. Sie ignorieren ihn lieber und lassen es auf sich beruhen, weil sie sagen, ich habe dann mehr Ärger, wenn ich es melde. Das ist keine Lösung.
Stichwort Rechtsextremismus: 2021 gab es 1.452 Verdachtsfälle. Jetzt sollen Rechtsextreme schneller aus der Bundeswehr entfernt werden können. Dazu gibt es einen Gesetzesentwurf, der dem Bundestag vorliegt. Was genau soll sich ändern?
Der Gesetzentwurf ist hervorragend, weil er an der charakterlichen Eignung anknüpft. Man kann einen Soldaten, eine Soldatin entlassen, wenn er oder sie nicht Gewähr für die charakterliche Eignung bietet, auch nicht die Werte und Grundrechte des Grundgesetzes vertritt. Es ist gut, dass damit keine Frist vorgesehen ist. Und der Gesetzentwurf ist auch nicht auf Zeitsoldaten beschränkt, sondern gilt auch für Berufssoldaten und -soldatinnen. Es wäre ein gutes Instrumentarium, das die Bundeswehr dann an der Hand hat, um die Soldatinnen und Soldaten, die nicht in die Bundeswehr passen, entlassen zu können. Und am liebsten hätte ich es, wenn es dieses Jahr noch beschlossen wird. Aber auf jeden Fall sollte es noch in dieser Legislaturperiode passieren.
Also auch als Signal, dass wir die nicht in den Reihen unserer Soldaten haben wollen?
Unbedingt. Und es gilt dann im Übrigen nicht nur für Rechtsextremismus …
Würde das Extremisten wie zum Beispiel Hamas-Sympathisanten einschließen?
Ja, ich hoffe, dass keine Soldatinnen und Soldaten diesem Gedankengut anhängen. Aber es gilt für alle verfassungsfeindlichen Bestrebungen. Es erfordert dann kein Gerichtsverfahren mehr. Das dauert momentan häufig jahrelang. Künftig soll zügig per Verwaltungsakt eine Entlassung verfügt werden können. Das wäre eine echte Erleichterung.
Verteidigungsminister Boris Pistorius hat kürzlich 2025 als Ziel für die Entsendung einer Brigade nach Litauen ausgegeben und setzt dabei auf Freiwilligkeit. Aber laut einer Umfrage ist nur jeder fünfte Soldat bereit, freiwillig zu gehen. Wird das funktionieren?
Es ist grundsätzlich richtig, dass der Minister auf Freiwilligkeit setzt. Die Zahl der Freiwilligen hängt auch davon ab, wie die Rahmenbedingungen sind, sowohl die militärischen Liegenschaften als auch die zivilen. Wie wohnen die Soldatinnen und Soldaten mit ihren Familien? Welcher Ort wird gewählt? Ich kann mir vorstellen, dass Vilnius sehr attraktiv ist für unsere Soldatinnen und Soldaten. Haben die mitreisenden Angehörigen eine Arbeitsmöglichkeit? Gibt es Schulen für die Kinder, vernünftige Kindergärten, Sportmöglichkeiten, Einkaufsmöglichkeiten und Betreuung? Wenn die Rahmenbedingungen konkreter feststehen, dann bin ich mir sicher, dass die Bereitschaft steigt.
Sie meinen, sie brauchen noch ein bisschen Motivation nach dem Motto “Hey, das ist doch ein toller Job“?
Ich war gerade zwölf Tage in den USA, habe mit deutschen Soldatinnen und Soldaten gesprochen und festgestellt, dass ganz viel von der richtigen Information abhängt. Auch da sind unsere Soldatinnen und Soldaten freiwillig. Und trotzdem kämpfen sie mit Bürokratie und dem einen oder anderen, was nicht so rund läuft. Und das sollte man in Litauen möglichst vermeiden.
Ein letztes Wort zur Ausstattung: Der Bundestag hat der Bundeswehr 2,4 Milliarden Euro für die persönliche Ausstattung der Soldaten zugesichert. Können Sie jetzt, wo der Winter naht, sagen: Alle haben eine warme Unterhose?
Es geht voran. In den Verbänden, wo ich bin, landauf, landab, nehme ich wahr, dass die persönliche Ausstattung bei den Soldatinnen und Soldaten ankommt. Schutzweste, Kälte- und Nässe-Schutz, Helm, Rucksack, die Socken nicht zu vernachlässigen. Das ist keine Kleinigkeit, die man belächeln sollte. Es war eine wichtige Entscheidung des Deutschen Bundestages, 2,4 Milliarden Euro dafür zur Verfügung zu stellen, damit das bis 2025 bei der Truppe ankommt. Wir haben im Verteidigungsausschuss gehört, dass es die eine oder andere Lieferschwierigkeit gibt, weil Produzenten insolvent sind oder wegen Corona nicht genügend Personal haben. Trotzdem bin ich optimistisch, dass die persönliche Ausstattung bald bei allen Soldatinnen und Soldaten angekommen sein wird.
“Stabilisierung sichern, Wiedererstarken des IS verhindern, Versöhnung in Irak fördern” lautet die Vorgabe für die deutsche Beteiligung sowohl an der internationalen Koalition gegen den IS und an einer Nato-Mission zur Unterstützung des Irak. Der bereits 2015 begonnene Einsatz der Bundeswehr im Kampf gegen den IS ist die einzige Mission deutscher Streitkräfte, die Teil einer internationalen Koalition unter Führung der USA ist und nicht als Mission von Vereinten Nationen, Nato oder EU stattfindet.
Der überwiegende Teil der fast 300 deutschen Soldaten und Soldatinnen in diesem Einsatz ist auf der Luftwaffenbasis Al-Azraq in Jordanien stationiert, wo Transportflugzeuge vor allem zur Luftbetankung von Kampfjets der internationalen Anti-IS-Koalition vorgehalten werden. Im Irak selbst unterstützen rund 75 deutsche Soldaten die Ausbildung kurdischer Streitkräfte in Erbil im Norden des Landes. Den Betrieb eines Luftraumüberwachungsradars auf der Basis Al-Asad westlich von Bagdad wird die Bundeswehr Ende Oktober einstellen.
Parallel zur “Counter Daesh” genannten internationalen Koalition baut die Nato ihre Ausbildungsmission im Irak auf; dieser “Nato Mission in Iraq” (NMI) gehören derzeit gut 30 Deutsche an. Auch wenn die Bundeswehr nicht zuletzt aus technischen Gründen das meiste Personal für die Luftbetankung abstellt, gewinnt das sogenannte Capacity Building, der Aufbau der irakischen Sicherheitskräfte, zunehmend an Bedeutung. Zwar behalte man nach wie vor auch den Kampf gegen den IS im Auge, der derzeit erneut im Nordirak, aber vor allem in Syrien erstarke, macht der deutsche Kontingentführer in Erbil, Oberst Dirk Bollinger, deutlich.
Aber die Wandlung der kurdischen Peschmerga von Freischärlern zu einer regulären Armee nehme jetzt mehr Raum ein. Angesichts der erhöhten Spannungen zwischen den beiden kurdischen Parteien PUK und KDP, die die Autonomieregion Irak-Kurdistans regieren und jeweils Peschmerga-Divisionen unterhalten, sei die Mediation der “multinational advisory group” (multinational beratendes Expertengremium), dem in Erbil jetzt 13 unterschiedliche Nationen angehören, zur Deeskalation nicht unwichtig.
Allerdings hatte der irakische Ministerpräsident Mohammed Shia al-Sudani am Rande der Uno-Vollversammlung in New York gegenüber Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg klar gemacht, dass er keinen Sinn mehr in der Fortführung der Counter-Daesh-Operation sehe. Es sei sinnvoller, die unterschiedlichen Missionen unter einem Nato-Kommando zusammenzulegen.
Parallel dazu unterhält die EU seit 2017 eine Beratungsmission (EUAM/European Union Advisory Mission in Iraq), die Polizeikräfte ausbildet. Und italienische Carabinieri sind sogar schon seit 2004 damit beschäftigt, irakische Spezialeinheiten zu trainieren. In Nato-Kreisen in Bagdad wird jetzt darüber nachgedacht, ob sich diese Gendarmerie-Ausbildung in die Mission der Allianz eingliedern lässt.
Allerdings gibt es in Kreisen westlicher Botschaften in Bagdad durchaus andere Ansichten. Die Counter-Daesh-Operation/Capacity Building sei, wie der Name sagt, für den Kampf gegen den IS eingesetzt. Das sei eine technische Mission, während die Nato strategisch vorgehe. Und die insgesamt rund 600 Soldatinnen und Soldaten der Nato indes operieren nur in Bagdad. Neben Spanien und Dänemark wollen sich künftig die Niederlande als leitende Nation beteiligen. Auch das neutrale Nicht-Nato-Mitglied Österreich will sich mit zehn Soldaten an der Mission beteiligen.
Nato-Kreise in der irakischen Hauptstadt wiederum betonen die Vorteile der Nato-Ausbildungsmission: Diese sei auf die Zukunft ausgerichtet, verfüge über klare Kommandostrukturen und modernste Simulatoren – und habe eben nicht nur den Anti-Terror-Kampf im Auge, sondern auch Drogen- und Bandenkriminalität sowie die Fähigkeit zur Deeskalation bei Großdemonstrationen.
Ihre Aktionen seien nicht nur strategisch, sondern auch politisch motiviert. So hat die Nato neben Männern in Uniform auch einen Botschafter in zivil. Es spricht also einiges dafür, dass das Nordatlantikbündnis sein Engagement im Irak künftig noch ausweiten wird, zumal hier die Nato nicht als US-amerikanisch dominierte Organisation auftritt, sondern eher als eine europäische Mission bewertet wird, die mehr Ansehen genießt als die US-dominierte Counter Daesh Operation. Birgit Svensson, Thomas Wiegold
Das Muster wiederholt sich: Sobald die russische Armee vor größeren Schwierigkeiten steht, wischt Präsident Wladimir Putin diese Probleme verbal vom Tisch. So auch nach dem überraschenden Angriff der ukrainischen Streitkräfte mit US-amerikanischen ATACMS-Raketen (Army TACtical Missile System) auf Ziele in den von Russland besetzten ukrainischen Orten Luhansk und Berdjansk in der Nacht auf Mittwoch. Berdjansk liegt am Asowschen Meer – fast 100 Kilometer von der Frontlinie entfernt.
Putin bezeichnete die Lieferung der Raketen an die Ukraine auf einer Pressekonferenz in Peking als “Fehler” und gab sich siegesgewiss. Selbst die Kreml-treuen, dem russischen Militär nahe stehenden Telegramkanäle kritisierten jedoch mangelnden Schutz auf dem Flugplatz in Berdjansk. Mehrere Hubschrauber wurden auf dem dortigen Flugplatz zerstört und Soldaten getötet. Das bringt die russische Logistik weiter unter Druck. Bisher sollen die USA 20 ATACMS-Raketen geliefert haben.
Ältere ATACMS-Versionen haben eine Reichweite von 165 Kilometern, die neueren bis zu 300. Die weitesten Entfernungen von der Frontlinie bis zur Küste am Asowschen Meer betragen um die 100 Kilometer. Damit sind nicht nur russische Munitionsdepots, Flugplätze und Truppenansammlungen in den besetzten Gebieten im Süden und Osten der Ukraine in Reichweite. Die Armee zeigt mit dem Einsatz der ATACMS auch, dass die von Moskau geplante neue Eisenbahnlinie entlang der Küste am Asowschen Meer ins Visier genommen werden könnte. Die Strecke soll unter anderem über Berdjansk verlaufen.
Russland will mit der neuen Linie, die noch nicht im Bau ist, einen weiteren Transportweg auf die besetzte Krim schaffen und damit vorsorgen, falls die Kertsch-Brücke zerstört werden sollte. Zugleich wäre die neue Eisenbahnlinie weiter entfernt von der jetzigen Frontlinie als die aktuelle Bahnverbindung. Diese verläuft unter anderem entlang der verkehrstechnisch wichtigen Stadt Tokmak, die nur noch etwa 20 Kilometer von der Front entfernt liegt. vf
Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat am Donnerstag den Kauf des Waffensystems Arrow mit Lenkflugkörpern Arrow 3 aus Israel genehmigt. Die Anschaffung des Flugabwehrsystems in Höhe von rund vier Milliarden Euro wird aus Geldern des Sondervermögens für die Bundeswehr finanziert. Auch nach Beginn des Gazakriegs mit mehr als 4.000 Toten seit 7. Oktober hält die Zustimmung zu dem größten Waffendeal in der Geschichte Israels an.
So unterstützen inzwischen zwei von drei Deutschen die Anschaffung von Arrow 3. Das geht aus einer Umfrage des European Leadership Network Deutschland (Elnet) hervor, die Table.Media vorliegt. Seit der Absichtserklärung der Bundesregierung im Juli sind die Zustimmungswerte laut Elnet von 62 auf 68 Prozent gestiegen. Besonders hoch ist die Zustimmung unter Wählern von FDP (81,4 Prozent) und SPD (80,3 Prozent). “Mit dem brutalen Vorgehen der Hamas gegen die israelische Zivilbevölkerung wandelt sich auch in Deutschland das Bild”, sagte Elnet-CEO Carsten Ovens gegenüber Table.Media.
“Der Terror gegen die einzige Demokratie im Nahen Osten geht von Hamas und Hisbollah aus, zwei vom Iran geförderte Organisationen”, so Ovens. “Der Iran wird nach Russland mittlerweile als zweitgrößte Gefahr für unsere eigene Sicherheit wahrgenommen. Die Bundespolitik muss entsprechend Konsequenzen ziehen.”
Drei Viertel der Deutschen sehen Russland laut der Elnet-Studie als größte Gefahr für die eigene Sicherheit, gefolgt von Iran (66,9 Prozent). Demnach wird der Iran insbesondere von CDU/CSU-Wählern (76,9 Prozent) als größte Gefahr für die Sicherheit Deutschlands betrachtet. Wähler von AfD (46 Prozent) und Linken (40,6 Prozent) halten derweil die Vereinigten Staaten für die zweitgrößte Gefahr, wie die vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag der Organisation zur Förderung israelisch-europäischer Zusammenarbeit erhobenen Ergebnisse zeigen. mrb
Jenseits des vier Milliarden Euro schweren Flugabwehrsystems Arrow 3 aus Israel hat der Haushaltsausschuss des Bundestags am Mittwoch diverse weitere Beschaffungsvorhaben für die Bundeswehr genehmigt. So fließen aus dem Sondervermögen Bundeswehr 162 Millionen Euro in neue Kryptotelefone zur verschlüsselten Kommunikation, in eine zuverlässige land- und seegebundene Satellitennavigation sowie in die Beschaffung von Krypto- und Funkgeräten für die Richtfunkanlagen des Flugabwehrsystems Patriot.
Die Kryptotelefone sollen der Bundeswehr eine verschlüsselte Kommunikation über Datenleitungen ermöglichen. Die Umstellung auf die sogenannte IP-basierte Verbindung ist auch dringend nötig: Die neuen Geräte lösen Telefone ab, die auf alte ISDN-Leitungen angewiesen sind, die es praktisch nicht mehr gibt.
Ebenfalls vom Haushaltsausschuss abgesegnet wurden 52 Millionen Euro für Unterwasserdrohnen. Diese seien nicht bewaffnet und dienten der Aufklärung in Wassertiefen bis 300 Metern, der Erstellung von Unterwasserlagebildern und der Seeminenabwehr, teilte das Verteidigungsministerium mit.
Verteidigungsminister Boris Pistorius lobte die Entscheidungen des Haushaltsausschusses als “ein klares Zeichen gelebter Zeitenwende“. Insgesamt habe sein Ministerium in diesem Jahr bereits vierzig 25-Millionen-Euro-Vorlagen zur Verabschiedung durch den Bundestag vorbereitet.
Mit der Bestellung weiterer digitaler Funkgeräte aus dem Programm Streitkräftegemeinsame verbundfähige Funkgeräteausstattung (SVFuA) soll zudem die Digitalisierung der Landstreitkräfte vorangetrieben werden. Für gut 130 Millionen Euro werden knapp 700 Geräteausstattungen aus einem Rahmenvertrag beschafft, die unter anderem den Schützenpanzer Puma, Flugabwehrsysteme oder Gefechtsstände der ab 2025 bereitstehenden Division für die Nato vernetzen und Sprach- und Datenkommunikation auch
für geheim eingestufte Verbindungen ermöglichen soll. asc, tw
Arab News – How Prepared Is The Middle East If Israel-Hamas War Escalates Into A Regional Conflict? Die Analystin der saudi-arabischen Tageszeitung Arab News, Nadia Al-Faour, fragt, wie vorbereitet die arabischen Staaten auf einen Mehrfrontenkrieg sind, sollte sich der Gazakrieg regional ausweiten. Gute Zusammenstellung analytischer Stimmen aus dem Libanon, dem Irak und Jemen.
Carnegie Europe – Judy Asks: Does Anyone Benefit From the Israel-Hamas War? Auf diese Frage antworten 13 renommierte Expertinnen und Experten. Es gibt durchaus kurzfristige Gewinner in diesem Krieg, dauerhaft aber mehr Verlierer, wenn die Politik von Palästinensern und Israelis sich nicht ändert. In Europa könnte der Krieg die Entstehung einer neuen Dschihadistengeneration auslösen, warnen einige Forschende.
Deutschlandfunk – Rüstungsinvestition: Wie sicher ist das israelische Abwehrsystem Arrow 3? Dass Deutschland das Raketenabwehrsystem Arrow 3 für vier Milliarden Euro kauft, ist bekannt – es wurde von Politik und Rüstungsindustrie als “historisch” gefeiert. Doch inzwischen Militärexperten Kritik an dem Kauf.
Wall Street Journal – Satellite Images Show Russia Increasing Nuclear Capability in Belarus: Während Belarus aus dem Fokus des Westens derzeit verschwunden ist, baut das Land zusammen mit Russland die Fähigkeiten aus, Atomwaffen einzusetzen. An mehreren Orten wird der Einsatz des russischen Iskander-Raketensystems vorbereitet. Der 3-minütige Video-Beitrag analysiert die Vorgänge anhand von Satellitenbildern.
Verglichen mit der Welle der Solidarität mit Israel und der Verurteilung der Hamas durch den Westen lassen sich die Reaktionen in der russischen Öffentlichkeit am besten in drei Worten beschreiben: Schadenfreude, Antisemitismus und Hass. Die offizielle Position Russlands umfasst alle Elemente der feindlichen sowjetischen Politik gegenüber Israel, einschließlich eines direkten Vergleichs zwischen den Aktivitäten der Israel Defense Forces (IDF) und den Handlungen der Wehrmacht.
Die offizielle Position Putins und des russischen Außenministeriums lässt keinen Zweifel daran, dass Russland an der Seite der Hamas steht. Seit dem 7. Oktober hat die russische Führung mit keinem Wort die von der Hamas begangenen Massaker im Süden Israels verurteilt, sondern stattdessen die nicht erfüllten Rechte der Palästinenser betont. Im Einklang mit seiner seit Beginn des Krieges in der Ukraine zunehmenden antiamerikanischen Rhetorik hat Putin die Vereinigten Staaten für die Ereignisse im Süden Israels verantwortlich gemacht. Er warf ihnen vor, die Interessen der Palästinenser, einschließlich der Notwendigkeit eines unabhängigen, eigenen Staates, zu ignorieren.
Die Hamas hat kurz nach Beginn des Angriffs Kontakt mit der russischen Führung aufgenommen, um sie zu informieren. Der Hamas-Vertreter Ali Baraka sagte in einem Interview mit dem russischen Propaganda-Sender RT, Russland unterstütze die Hamas politisch und sympathisiere “mit uns”.
Sechs Tage nach dem Massaker hat Präsident Putin das Recht Israels auf Selbstverteidigung nur am Rande erwähnt, als er sagte, es handle sich um einen beispiellosen Angriff auf Israel. Unmittelbar danach hat er jedoch die israelische Operation im Gazastreifen mit der Belagerung Leningrads durch die Wehrmacht verglichen. In der früheren Sowjetunion, aber auch im heutigen Russland sowie von Putin selbst, dessen Bruder bei der Belagerung Leningrads starb, wird die Einkesselung der Stadt gemeinhin als das schrecklichste Verbrechen angesehen, das Nazi-Deutschland auf dem Gebiet Russlands begangen hat. Der Vergleich der IDF mit Nazi-Deutschland verbreitete sich danach wie ein Lauffeuer und ist in allen offiziellen Medien präsent.
Die Pro-Putin-Telegram-Kanäle verbreiten einen endlosen Strom antisemitischer Tropen und Bilder der abscheulichsten Art. Botschaften wie die folgenden finden sich nun täglich in den sozialen Netzwerken: “Es ist eine Schande, dass zu wenige Menschen getötet wurden”; “Bindet die israelischen Entführten an Pfähle rund um den Gazastreifen, dann wird es für die IDF schwieriger, euch zu beschießen”; “Es gibt kein Mitgefühl oder Erbarmen für die Israelis, die aus den Grenzstädten fliehen”.
Doch unabhängig von Russlands öffentlicher Positionierung auf Seiten der Hamas stellen sich wichtige Fragen hinsichtlich der Beteiligung Moskaus an den Ereignissen vom 7. Oktober. Im vergangenen Jahr gab es mehrere Besuche von Hamas-Vertretern in Russland. Beamte des russischen Außenministeriums treffen sich regelmäßig mit Hamas-Vertretern in arabischen Ländern.
Russland soll der Hamas eine Lizenz für die Herstellung der AK-47 (Kalaschnikow) und entsprechender Munition erteilt haben. Hamas-Terroristen könnten so mit Waffen aus russischer Produktion oder mit Waffen, die unter russischer Lizenz im Iran hergestellt wurden, nach Israel eingedrungen sein. Es gibt außerdem unbestätigte Berichte über die Beteiligung russischer Ausbilder an der Ausbildung der Terroristen.
Eine Eskalation in unserer Region dient dem russischen Interesse, Aufmerksamkeit und Ressourcen der Vereinigten Staaten vom Krieg in der Ukraine wegzulenken. In Anbetracht der enger werdenden militärischen Zusammenarbeit zwischen Russland und dem Iran, Moskaus Unterstützung der Hamas und antisemitischen Trends muss Israel seine Politik gegenüber Russland ändern.
Die Massaker im Süden Israels haben Russlands wohlwollende Einstellung zu unseren Feinden und seine engen Beziehungen zu ihnen offenbart. Diesem Land und seiner Führung kann man nicht länger vertrauen.
Arkady Mil-Man leitet beim israelischen Think-Tank Institute for National Security Studies (INSS) das Russland-Programm. Von 2003 bis 2006 war er israelischer Botschafter in Russland. Jetzt berät er Streitkräfte und Regierung beim militärischen Vorgehen.