der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu blickt wegen der anstehenden Neuwahlen in eine ungewisse Zukunft. Wie er die mit seinen deutschen und polnischen Amtskollegen gestalten will, lesen Sie in den News.
Fünf Jahrzehnte könnte es dauern, bis die Ukraine nach Kriegsende vollständig entmint ist. Bis zu 700 Minen sollen allein im Schwarzen Meer verlegt worden sein. Eine Antiseeminen-Task Force beginnt dort nun bald mit der Räumung, wie Sie in den News nachlesen können.
Andere Länder wie etwa Bosnien oder Kambodscha hätten eine Chance auf eine baldige Minenfreiheit, wenn sie denn genügend Unterstützung bekämen, schreibt Anouk Schlung in ihrer Analyse.
Einen guten Start in den Tag wünscht
In der Ukraine kennt jedes Kind den Jack Russell Terrier Patron. Patron ist Sprengstoffspürhund und ein Star in den sozialen Medien. Ein Star mit einer großen Aufgabe: Mit ihm als Maskottchen lenkt der staatliche Dienst für Notfallsituationen Aufmerksamkeit auf das Thema Minen und bringt vor allem Kindern bei, wie man sich vor ihnen schützen kann.
Diese Bildungsmaßnahme ist in der Ukraine äußerst wichtig. Als Folge des russischen Angriffskriegs sind 25 bis 30 Prozent des Staatsgebiets vermint, eine Fläche viermal so groß wie die Niederlande. Dem jährlich erscheinenden Landminen-Monitor der International Campaign to Ban Landmines (ICBL) – einem Netzwerk von mehr als 1.200 NGOs aus neunzig Ländern – zufolge wurden in der Ukraine 2022 608 Menschen durch Antipersonenminen oder explosive Kriegsüberreste getötet oder verletzt.
Dabei seien Männer und Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, stärker von Landminen betroffen als andere Mitglieder der Gesellschaft. “Insgesamt sind 80 Prozent der Opfer von Sprengkörpern Männer“, sagt Julie Bouvier, die für Handicap International als Spezialistin für Gefahrenaufklärung in der Ukraine arbeitet. Die gemeinnützige Organisation setzt sich in 60 Ländern gegen Minen und Streubomben und für Zivilschutz und Inklusion ein.
Laut Landminen-Monitor konnte russischen Streitkräften der Einsatz von mindestens 13 verschiedenen Antipersonenminen in der Ukraine nachgewiesen werden. Die vollständige Entminung wird voraussichtlich fünf Jahrzehnte dauern – und der Krieg ist noch nicht vorbei. Weite Flächen werden erst nach Kriegsende ausführlich untersucht werden können. Bis das passiert, dürfe die Entminung nicht überstürzt werden, sagt Julie Bouvier im Gespräch mit Table.Briefings. “Nur wenn wir das volle Ausmaß kennen, können wir den Gebieten Priorität einräumen, die der Bevölkerung am meisten zugutekommen, insbesondere um die sichere Rückkehr und Zugang zu humanitärer Hilfe zu erleichtern.”
Weltweit sind 85 Länder und fünf Gebiete von Landminen verseucht. Die höchste Anzahl von Opfern hatten dem Monitor zufolge Syrien, die Ukraine, Jemen und Myanmar. Flächenmäßig am stärksten verseucht sind, neben der Ukraine, mit je mehr als 100 Quadratkilometer Kontaminierung Afghanistan, Äthiopien, Bosnien und Herzegowina, Irak, Jemen, Kambodscha, Kroatien und die Türkei.
Die humanitäre und soziale Aufmerksamkeit liegt derweil stets auf aktuellen Krisenregionen: vor ein paar Jahren vor allem auf Syrien und Irak, heute hauptsächlich auf die Ukraine und Gaza. Darüber werden nicht nur andere aktuelle Konflikte – wie im Jemen, Sudan oder in Myanmar – vergessen, sondern auch Regionen, in denen sich die politische Lage zwar wieder stabilisiert hat, viele Nachkriegsprobleme aber nicht gelöst sind.
“Am wenigsten Unterstützung erhalten generell Länder mit jahrelanger Kontaminierung, obwohl gerade hier die Möglichkeit bestehen würde, dass Länder die Minenfreiheit erlangen”, sagt Eva Maria Fischer, Leiterin der politischen Abteilung von Handicap International Deutschland, Table.Briefings. “Es gibt stark verminte Regionen wie Bosnien oder Kambodscha, die eine echte Perspektive haben, in den nächsten Jahren Minenfreiheit zu erzielen, wenn die nötige Unterstützung dazu auftritt.”
Ein weiteres Beispiel ist der Irak. “Dort sind über 1000 Quadratkilometer durch Personenminen und über 500 Quadratkilometer durch improvisierte Sprengkörper verseucht”, berichtet Manoli Huesca, die dort für Handicap International Einsatzleiterin ist. Im Land sei noch heute fast jeder auf unterschiedliche Weise von den Sprengstoffen betroffen, am stärksten jedoch “Landwirte, junge Männer in riskanten Berufen und Kinder, die nur wenige sichere Orte zum Spielen haben.” Und: “Würde man heute anfangen, würde es 150 Jahre dauern, die Region komplett zu dekontaminieren.”
Problematisch ist auch: Die Entminung bindet Ressourcen, die im Wiederaufbau eigentlich in andere Bereiche, wie Bildung oder medizinische Einrichtungen, fließen müssten. So sei im Irak die Gesundheitsstruktur immer noch unterentwickelt. Es gebe nur sehr wenige ausgebildete Physiotherapeuten, die sich um Überlebende von Minenunglücken kümmern können “und die neue Generation hatte es aufgrund des vorangegangenen Krieges schwerer, zu lernen.”
Huesca, die sich mit ihrem Team für die langfristige Versorgung von Minenopfern einsetzt, findet die Menge der humanitären Aufmerksamkeit für den Irak zu gering. “Aufmerksamkeit und finanzielle Mittel werden immer weniger, was die Versorgung der Opfer explosiver Kampfmittel erschwert. Da sich die Sicherheitslage verbessert hat und stabiler geworden ist, wird angenommen, dass weniger Bedarf an Unterstützung besteht. Doch das stimmt nicht, denn die Opfer haben immer noch mit den Folgen des früheren Konflikts zu kämpfen.”
Der Irak als vergessene humanitäre Situation “kann ein Beispiel dafür sein, was passiert, wenn eine große Krise vorbei ist. Es gibt eine Sorgfaltspflicht, auch heute noch. Von der irakischen Regierung, aber auch von den internationalen Gemeinschaften, um sicherzustellen, dass die Opfer die Hilfe erhalten, die sie brauchen und die sie verdienen.”
Kurz vor dem Nato-Gipfel vom 9. bis 11. Juli in Washington haben die Verteidigungsminister der Weimarer-Dreieck-Staaten Deutschland, Frankreich und Polen in Paris ihre To-do-Liste vorgestellt. Auf dem Nato-Gipfel wollen sie eine Absichtserklärung zur Entwicklung weitreichender Präzisionswaffen unterzeichnen. Die Chancen, dass der französische Minister Sébastien Lecornu den Gipfel wegen der anstehenden französischen Neuwahlen am 30. Juni und 7. Juli noch als Verteidigungsminister erlebt, sind gering.
Bei dem Treffen am Montag im Hôtel des Invalides stellte er mit seinen deutschen und polnischen Amtskollegen Boris Pistorius und Władysław Kosiniak-Kamysz die Agenda vor. Es war das erste Treffen der Verteidigungsminister im Weimarer Format seit 2015.
Für die Absichtserklärung zur Entwicklung weitreichender Präzisionswaffen wolle man “eine Gruppe von europäischen Staaten zusammenbringen”, sagte Boris Pistorius. Der französische Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz hatten beim deutsch-französischen Ministerrat in Meseberg angekündigt, dass sie die Rüstungszusammenarbeit bei der Entwicklung abstandsfähiger Präzisionswaffen vorantreiben wollen. Lecornu sagte am Montag, auch Polen habe Interesse gezeigt, sich zu beteiligen.
Frankreich will eigene Waffensysteme als Grundlage für die Entwicklungen nutzen, wie das missile de croisière naval (Marinemarschflugkörper MdCN). Lecornu bekräftigte nun die französischen Ambitionen. Eine deutsche Alternative könnte der Taurus-Marschflugkörper sein, der Ziele in 500 Kilometern Entfernung treffen kann. Die neue Waffe, die der Abschreckung dienen soll, soll vom Boden starten und deutlich weiter als derzeit in Europa verfügbare Waffensysteme fliegen können.
Eigentlich wollen die Minister mit dem Weimarer Dreieck den europäischen Nato-Pfeiler stärken, um das Verteidigungsbündnis Trump-proof zu machen. Mit den französischen Neuwahlen könnte sich jedoch auch die Arbeit mit Frankreich erschweren. Pistorius, der schon bevor die Neuwahlen angekündigt wurden, regelmäßig seine Freundschaft zu Lecornu betonte, äußerte sich besorgt. Nationalismus sei “noch nie die Lösung der Probleme gewesen, sondern immer wesentlicher Teil der Probleme”. Die Arbeit würde er “gerne mit Sébastien fortsetzen”.
Der Spitzenkandidat des rechtspopulistischen Rassemblement national (RN), Jordan Bardella, stellte am Montag das Programm der Partei vor, die die französischen Umfragewerte anführt. Das traditionell russlandfreundliche RN betrachte Russland zwar als “multidimensionale Bedrohung”, mit der Ukraine-Unterstützung wolle man aber keine Eskalation herbeiführen. Französische Waffenlieferungen dürften bei einem Wahlsieg Bardellas zurückgehen. bub
Gegen den erklärten Willen Ungarns haben die EU-Außenminister am Montag in Luxemburg neue Waffenhilfen für die Ukraine beschlossen. Bereits im Juli sollen rund 1,4 Milliarden Euro fließen, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Eine zweite Tranche werde wenige Monate später folgen.
Finanziert wird die Hilfe mit Zinserlösen aus eingefrorenem Vermögen der russischen Zentralbank. Die Nutzung der “Windfall profits” hatte die EU-Kommission bereits im März vorgeschlagen. Allerdings mussten vor dem Beschluss noch juristische und politische Bedenken ausgeräumt werden. Am Ende stand nur noch Ungarn im Weg.
Um das ungarische Veto zu umgehen, griff Borrell zu einem Verfahrenstrick: Erst erklärte er, dass die üblichen Abstimmungsregeln nicht gelten würden, da es sich nicht um EU-Geld handele. Dann wurde darauf verwiesen, dass Ungarn kein Veto einlegen könne, weil sich das Land bei einer früheren Grundsatzentscheidung enthalten hatte. “Dieses Geld kann nicht gestoppt werden”, betonte Borrell. Man habe ein Verfahren gefunden, um jede Blockade zu vermeiden. Dies gilt allerdings nur für die Zinserlöse. Bei der ebenfalls von Ungarn blockierten europäischen Friedensfazilität zeichnet sich dagegen noch keine Lösung ab. Hier geht es um rund sieben Milliarden Euro.
Der Außenrat billigte auch das 14. Sanktionspaket gegen Russland. Die neuen Strafmaßnahmen sollen vor allem die Umgehung bestehender Sanktionen erschweren. Außerdem wird der Handel mit russischem Flüssiggas erschwert. Einige osteuropäische Minister zeigten sich unzufrieden, weil Deutschland das Paket verzögert und abgeschwächt hatte.
Die Sanktionen seien “bedauerlicherweise schwächer” als geplant, meinte Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis. Der estnische Minister Margus Tsahkna sagte, es werde “immer schwerer, einen Konsens über neue Sanktionen zu finden”. Die Bundesregierung hatte auf mögliche negative Folgen für die deutsche Wirtschaft verwiesen.
Russland kündigte Vergeltung an. Die Sanktionen seien illegal, heißt es in einer Erklärung des Moskauer Außenministeriums. Zuvor hatte Moskau auch mit Gegenmaßnahmen gegen die nun beschlossene Nutzung von Zinserlösen aus russischem Vermögen gedroht. Das Geld stehe Russland zu, dessen Verwendung sei “Diebstahl”. Sollte die EU ihren Plan umsetzen, so würde sie die Normen des internationalen Finanzsystems verletzen, warnt Moskau. Die Europäer und die Amerikaner wollen allerdings noch weiter gehen und der Ukraine 50 Milliarden Dollar auszahlen. Auch dieser Kredit soll zumindest teilweise durch russische Zinserlöse abgesichert werden.
Thema im Außenrat war auch Georgien. Das EU-Beitrittskandidatenland muss sich nach der endgültigen Verabschiedung eines Gesetzes zur schärferen Kontrolle der Zivilgesellschaft auf Konsequenzen einstellen. Borrell kündigte nach dem Außenministertreffen an, dass man die politischen Kontakte herunterfahren werde und in Erwägung ziehe, die finanzielle Unterstützung für die Regierung auf Eis zu legen. Zudem werde auch die Unterstützung des Verteidigungssektors durch die Europäische Friedensfazilität geprüft.
Borrell betonte, dass für die Kürzung von finanziellen Zuwendungen keine Einstimmigkeit im Kreis der EU-Staaten notwendig sei. Dies ist wichtig, weil die ungarische Regierung das georgische Gesetz als unproblematisch erachtet und Strafmaßnahmen ablehnt. Der Außenbeauftragte sagte dazu, 26 von 27 EU-Staaten seien sich einig, dass das Gesetz und alle damit im Zusammenhang stehenden negativen Entwicklungen Georgien weg von der EU führten. Wenn die Regierung ihren Kurs nicht ändere, werde das Land auf dem Weg in die EU keine Fortschritte mehr machen. Die EU werde die Zivilgesellschaft und die Medien in Georgien angesichts der Entwicklungen jedoch noch stärker unterstützen. Falschinformationen werde man hingegen entschlossen entgegentreten. ebo, mit dpa
Die Beziehung zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und den USA sind zu einem heiklen Zeitpunkt des Konflikts im Nahen Osten auf einem Tiefstand.
Netanjahu hatte vergangene Woche die US-Regierung und damit Israels wichtigsten Verbündeten öffentlich angeprangert und in einer Videobotschaft von einem “dramatischen Rückgang” der Munitionslieferungen aus den USA gesprochen. Das wurde aus dem Weißen Haus zurückgewiesen. Lediglich eine Lieferung schwerer Bomben sei zurückgehalten worden, aus Angst, dass Israel sie in der dicht besiedelten südlichen Gaza-Stadt Rafah einsetzen würde. Alle anderen Lieferungen seien in normalem Tempo fortgesetzt worden, man wisse nicht, wovon der israelische Regierungschef rede, hieß es.
Am Sonntag hat Netanjahu die Anschuldigungen dennoch wiederholt und gleichzeitig in einem Fernsehinterview Zweifel an seiner Unterstützung für das israelische Drei-Phasen-Abkommen mit der Hamas aufkommen lassen, für das Washington wochenlang internationale Unterstützung gesammelt hatte. Dazu gab es zunächst keine Reaktion aus dem Weißen Haus, stattdessen hieß es, man freue sich auf “konstruktive Konsultationen” mit Verteidigungsminister Joav Gallant in dieser Woche in Washington.
Nachdem der liberale Minister Benny Gantz aus dem Kriegskabinett des Premierministers ausgetreten ist, war befürchtet worden, dass die rechten Hardliner in der israelischen Regierung an Gewicht gewinnen und Netanjahus´ Beziehungen zu den internationalen Verbündeten darunter leiden könnte. Gleichzeitig droht nicht nur die Situation im Westjordanland zu eskalieren, sondern auch die Spannungen an der Grenze zum Libanon nehmen weiter zu. Arabische Medien berichten, dass das Pentagon davon ausgeht, dass Israel in etwa drei Wochen Bodenoffensive in Erwägung zieht.
Ein umfassender Krieg zwischen der Hisbollah und Israel würde große Schäden auf beiden Seiten bedeuten. Auch das hoch entwickelte Luftverteidigungssysteme Israels könnte durch das enorme Raketenarsenal der Hisbollah überfordert sein.
Der israelische Verteidigungsminister Joav Gallant ist am Sonntag in die USA gereist und soll dort unter anderem seinen Amtskollegen Lloyd Austin treffen. Vor seinem Abflug sprach er von einem “entscheidendem Treffen für die Zukunft des Krieges”. Währenddessen reist Bundesaußenministerin Annalena Baerbock für Gespräche nach Ramallah, Jerusalem und Beirut und warnte vor Ort vor einem “endlosen Krieg”. Netanjahu selbst soll am 24.Juli in den USA eine Rede vor dem Kongress halten. wp
Zwischen 400 und 700 Seeminen sind im Schwarzen Meer während des russisch-ukrainischen Krieges verlegt worden – bis zu 100 sollen verschollen sein. In einer gemeinsamen Antiseeminen-Aktion wollen die türkische, bulgarische und rumänische Marine ab Juli das Schwarze Meer sicherer machen für die Schifffahrt und nach den Seeminen suchen.
Die Zahlen stammen aus dem Umfeld der bulgarischen Marine. Genaue Angaben zu der Menge der verlegten Minen und zu den verschwundenen fehlen. Die meisten sollen im westlichen Gebiet des ukrainisch kontrollierten Territoriums und um die besetzte Krim herum verlegt worden sein. Ob Russland oder die Ukraine die meisten Minen verlegt hat und warum sie von der Verankerung abreißen, ist unklar.
Von den im aktuellen Krieg verlegten und verschollenen Seeminen soll die Marine der drei Partnerländer bisher schon 17 zerstört haben. Nach Angaben aus der bulgarischen Marine haben sie eine Sprengladung von etwa zwanzig Kilogramm und einen Wirkungsradius von etwa fünfzig Metern. Mindestens ein ziviles Frachtschiff ist wegen einer Seemine bereits gesunken. Zu der neuen Gefahr kommen noch dreißig bis vierzig Seeminen aus den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts, die jährlich im Schwarzen Meer gefunden werden. Die bulgarische Marine bezeichnet einen konkreten Abschnitt des Schwarzen Meers vor Bulgarien als “Allee der Seeminen”.
Die Mine Countermeasures (MCM) Black Sea task force wurde im Januar vereinbart. Vier Boote der drei Nato-Staaten werden im Einsatz sein. Das Kommando soll alle sechs Monate unter den drei Staaten rotieren. Sicherheitsanalysten aus Bulgarien und Rumänien sehen in dem Projekt Chancen zum Ausbau der militärischen Kooperation der Teilnehmerstaaten. Außerdem soll ein Signal an Russland ausgehen, dass die Nato im westlichen Teil des Schwarzen Meeres, dessen geostrategische Bedeutung gewachsen ist, eine höhere Präsenz haben wird. vf
Für die größten russischen Medien stellte die Terrorattacke vom Sonntagabend tags darauf nicht das wichtigste Thema dar. Stattdessen rückten sie den Vorfall auf der Krim ins Zentrum, bei dem infolge des russischen Abschusses einer aus der Ukraine stammenden Rakete vier Zivilisten ums Leben kamen. Darunter waren zwei Kinder. Moskau bestellte am Montag die amerikanische Botschafterin ein, weil die abgeschossene Rakete nach russischen Angaben eine ATACMS-Rakete gewesen sei. Russland sieht die USA nun direkt mitverantwortlich.
Die Terroranschläge in Dagestan mit mindestens 20 Toten, darunter 15 Polizisten, und der Vorfall auf der Krim haben nichts miteinander zu tun. Doch der Kreml überspielt mit dem Krim-Vorfall den Terror im Süden des Landes, wo es seit der Vollinvasion in die Ukraine brodelt.
Dagestan, sowie die Nachbarregionen Tschetschenien und Inguschetien sind mehrheitlich muslimisch. Die Geburtenrate ist hoch, ebenso die Zahl der Arbeitslosen. In den beiden Russisch-Tschetschenischen Kriegen haben viele Männer aus Dagestan gegen die Zentrale in Moskau gekämpft. Aus diesen Regionen haben sich auch viele Männer vom IS und anderen radikalen islamistischen Gruppen für die Kriege im Irak und Syrien anwerben lassen. Und: Dagestaner machten in der ersten Phase nach der Vollinvasion in die Ukraine eine große Gruppe von Freiwilligen aus. Wie in anderen armen Regionen Russlands ist der überdurchschnittlich hohe Lohn für den Kriegseinsatz in der Ukraine eine wichtige Motivation für die Kämpfer.
Auch wenn der Kreml den Terror, der sich gezielt gegen die Staatsmacht, gegen eine Synagoge und eine orthodoxe Kirche richtete, zu überspielen versucht – nach den antisemitischen Unruhen in der Hauptstadt von Dagestan, Machatschkala, im Oktober 2023 und dem islamistischen Anschlag auf die Konzerthalle Crocus City in Moskau im März 2024 wächst die Nervosität bei den Mächtigen. Zwar sind auch dieses Mal schnell Beschuldigungen gegen die Ukraine erhoben worden, doch das scheinen eher hilflose Ausreden der lokalen Verantwortlichen zu sein – denn unter den Attentätern waren offenbar auch Söhne eines Spitzenbeamten. “Der Staat wird immer realitätsferner, die ,ukrainischen’ Erklärungsmuster für interne Sicherheitsversagen können Inkompetenz nur bedingt kaschieren”, beschrieb Alexey Yusupov, Leiter des Russland-Programms der Friedrich-Ebert-Stiftung die öffentlichen Reaktionen.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow beklagte fehlende Beileidsbekundungen “nicht befreundeter Staaten” nach den Terroranschlägen in Dagestan. Auf die Fragen, ob Präsident Wladimir Putin sich öffentlich zu den Anschlägen und zu dem Vorfall auf der Krim äußern werde, sagte Peskow, das sei nicht geplant. Auch die Tourismussaison auf der Krim solle weitergehen, Pläne, die Saison aus Sicherheitsgründen abzusagen, gebe es nicht. vf
Der mit einer Milliarde Euro ausgestattete Deep-Tech-Risikokapitalfonds der Nato hat seine ersten Investitionen in vier neu gegründete Verteidigungsunternehmen angekündigt. Diese sind in den Bereichen Robotik, Künstliche Intelligenz und Raumfahrt tätig. Von den vier Unternehmen sind drei in Großbritannien und eines in Deutschland ansässig.
Die Höhe der einzelnen Investitionen wurde nicht bekannt gegeben, aber die Erstinvestitionen können bis zu 15 Millionen Euro betragen, wobei für spätere Runden mehr Geld zur Verfügung steht.
Der Nato-Innovationsfonds (NIF) kündigte außerdem Investitionen in vier Risikokapitalfonds mit Schwerpunkt auf Dual Use an. David van Weel, stellvertretender Generalsekretär der Nato für Innovation, Hybrid- und Cybertechnik, erklärte, der Fonds beginne, das Innovationsökosystem spürbar zu verändern. “Er bietet den vielversprechendsten Dual-Use- und Verteidigungsunternehmen, die Lösungen zur Aufrechterhaltung des technologischen Vorsprungs der Allianz entwickeln, Wachstumschancen”, sagte er.
Der Fonds, der von 24 der 32 Nato-Mitgliedstaaten unterstützt wird, wurde 2022 aufgelegt, um in neu gegründete Technologieunternehmen zu investieren, die sich mit Herausforderungen in den Bereichen Verteidigung, Sicherheit und Widerstandsfähigkeit befassen. Sein Mandat ist breit gefächert und reicht von Daten– und Computertechnologien bis hin zu Energie und Biotechnologie.
Zu den Start-ups, die vom NIF unterstützt werden, gehört ARX Robotics, ein Spin-off des GEREON-Forschungsprojekts an der Universität der Bundeswehr München, das skalierbare Robotersysteme für militärische, kommerzielle und humanitäre Anwendungen herstellt.
Das in London ansässige Unternehmen Fractile, das Computerchips herstellt, die Engpässe bei der Ausführung umfangreicher KI-Modelle auf globaler Ebene beseitigen sollen, erhielt ebenso eine Finanzierung, wie Space Forge, ein walisisches Unternehmen, das die einzigartige Umgebung im Weltraum zur Herstellung fortschrittlicher Halbleitermaterialien nutzt.
Als viertes Start-up-Unternehmen unterstützt der NIF iCOMAT, eine Ausgründung der Universität Bristol, die Materialien für leichtere und nachhaltigere Fahrzeuge für die Luft- und Raumfahrt und die Automobilindustrie entwickelt. Martin Greenacre
Mit einem Redaktionsteam, das in Brüssel und in der gesamten EU arbeitet, ist Science|Business Europas wichtigste englischsprachige Quelle für fundierte Berichterstattung über Forschungs- und Innovationspolitik. Der Artikel ist ein Teil des neuen Newsletters “Funding Newswire”
Sipri: Burning Ground – Tackling Climate Change and Conflict in South-Central Somalia. Langanhaltende Dürre, alte Konflikte – und ein ökologisches Friedensprojekt. Diese Studie beschreibt den Zusammenhang zwischen Klimaveränderung und Krieg in Somalia, sie zeigt auch, wie es gelingen könnte, öffentliche Verwaltungsstrukturen und Kooperation zwischen rivalisierenden Gruppen aufzubauen.
NZZ Pro Global: “Für Moskau haben Russlands spanischsprachige TV-Sender die gleiche Priorität wie Waffenfabriken”. Der russische Politikprofessor Wladimir Ruwinski spricht über die Lateinamerika-Strategie des Kremls. Putin gewinnt zunehmend an Einfluss auf dem Kontinent und schadet damit nicht nur den USA.
SWP: Unklarheiten über russische Nuklearwaffen in Belarus – Erkenntnisstand und Implikationen für Europa und die Nato. Die Studie beschreibt, wie Belarus in den vergangenen beiden Jahren Trägersysteme erworben hat, die Minsk die Fähigkeit zum Einsatz von Nuklearwaffen verschaffen. Eine nukleare Bedrohung für Europa bedeuten solche Maßnahmen kaum, schlussfolgern die Autoren.
Center for a New American Security: Drone Warfare in a Future Fight to Defend Tawain. Dieser Bericht blickt auf mögliche Auswirkungen von Drohnen auf die zukünftigen Bemühungen der USA, eine chinesische Invasion in Taiwan abzuwehren. Die Vereinigten Staaten setzen darauf, dass sie China überflügeln und Drohnen einsetzen können, um eine Invasion der chinesischen Befreiungsarmee zu verhindern.
Das beste Jahr meines Lebens? Die Erwartungen an Boris Pistorius’ Light-Modell der Wehrpflicht sind hoch. Das Modell des Ministers zeigt, dass er Auswahl und Freiwilligkeit priorisiert, in seinen Ausführungen jedoch vage bleibt. Gut ist, dass die Rückkehr zur alten Wehrpflicht nun endgültig vom Tisch ist. Eine umfängliche Bewertung zum “Neuen Wehrdienst” fällt allerdings schwer, da noch viele Fragen offenbleiben.
Bis heute bleibt die Frage der Geschlechtergerechtigkeit unbeantwortet. Laut unserem Grundgesetz dürfen Frauen nach wie vor nicht zu einem Dienst mit der Waffe verpflichtet werden. Diese veraltete Regelung müssen wir überarbeiten, damit Frauen und Männer die gleichen Pflichten haben, wenn es darum geht, ihrem Land zu dienen. Eine weitere Unklarheit ist das Pflichtelement. Es darf in der Praxis nicht darauf hinauslaufen, dass Pistorius’ “Neuer Wehrdienst” sich zum schwedischen Modell durch die Hintertür entwickelt. Denn in Schweden greift die Pflicht, sobald die Freiwilligkeit ausgereizt ist.
Unser gemeinsames Ziel ist es, die Bundeswehr personell zu stärken, ohne junge Menschen gegen ihren Willen zu verpflichten. In der Debatte geht häufig unter, dass die bestehenden Personallücken der Bundeswehr nicht nur aufgefüllt, sondern auch mit qualitativ hochwertigem Personal geschlossen werden müssen. Das geht vor allem über professionelle Freiwillige.
Initiativen wie die Task Force Personal des Verteidigungsministeriums bieten einen (Maßnahmen-)Katalog für eine nachhaltige Personalstrategie der Bundeswehr. Wir müssen jedoch weiter gehen, um unser Freiwilligenpotenzial voll auszuschöpfen. Klar ist, dass die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiver werden muss. Dazu gehört, dass wir den Dialog zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Soldatinnen und Soldaten fördern und unsere Truppe im Alltag sichtbarer machen. Es ist unsere Aufgabe als Politik und Gesellschaft, dass jeder junge Mensch mindestens einmal im Leben in Berührung mit der Bundeswehr kommt. Möglichkeiten dafür sind eine verstärkte Präsenz in Sportclubs, auf Messen und auch in Bildungseinrichtungen. Zudem ermöglichen Jugendoffiziere an Schulen einen offenen Austausch.
Die aktuelle sicherheitspolitische Situation weltweit birgt viele Fragen, die offen und kritisch diskutiert werden können. Neben der sicherheitspolitischen Bildung muss es auch unserer Bundeswehr im Rahmen eines Infotages möglich sein, über die Arbeit und das Berufsbild des Soldaten zu informieren. Hierfür ist es notwendig, mit den Bundesländern gemeinsam einen obligatorischen Informationstag zu etablieren. Dieser fördert den direkten Kontakt zur Bundeswehr und hilft, bestehende Stigmata abzubauen und frühzeitig Karrierewege aufzuzeigen.
Viel zu wenig genutztes Potenzial findet sich auch in unserer Reserve. Zahlreiche Reservisten sind bereits aktiv und möchten ihr Engagement weiter ausbauen. Bisher nutzt die Bundeswehr deren Kompetenzen und wertvolle Erfahrungen nicht ausreichend. Um dies zu ändern, ist es notwendig, die Anzahl der Dienstposten für Reservisten zu erhöhen und mehr Gelegenheiten für regelmäßige, praxisorientierte Trainings zu schaffen. Dabei ist es entscheidend, dass die notwendige Ausrüstung und Materialien bereitgestellt werden.
Es ist wichtig, weiterhin offen alle Möglichkeiten zu diskutieren und dabei die Verhältnismäßigkeit nicht aus den Augen verlieren. Die besten Jahre im Leben sind nun mal die Selbstbestimmten. Eine starke und motivierte Bundeswehr, die auf Freiwilligkeit und Professionalität basiert, wird nicht nur unsere Verteidigungsfähigkeit stärken, sondern auch ein Zeichen für eine gerechte und zukunftsorientierte Gesellschaft setzen.
der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu blickt wegen der anstehenden Neuwahlen in eine ungewisse Zukunft. Wie er die mit seinen deutschen und polnischen Amtskollegen gestalten will, lesen Sie in den News.
Fünf Jahrzehnte könnte es dauern, bis die Ukraine nach Kriegsende vollständig entmint ist. Bis zu 700 Minen sollen allein im Schwarzen Meer verlegt worden sein. Eine Antiseeminen-Task Force beginnt dort nun bald mit der Räumung, wie Sie in den News nachlesen können.
Andere Länder wie etwa Bosnien oder Kambodscha hätten eine Chance auf eine baldige Minenfreiheit, wenn sie denn genügend Unterstützung bekämen, schreibt Anouk Schlung in ihrer Analyse.
Einen guten Start in den Tag wünscht
In der Ukraine kennt jedes Kind den Jack Russell Terrier Patron. Patron ist Sprengstoffspürhund und ein Star in den sozialen Medien. Ein Star mit einer großen Aufgabe: Mit ihm als Maskottchen lenkt der staatliche Dienst für Notfallsituationen Aufmerksamkeit auf das Thema Minen und bringt vor allem Kindern bei, wie man sich vor ihnen schützen kann.
Diese Bildungsmaßnahme ist in der Ukraine äußerst wichtig. Als Folge des russischen Angriffskriegs sind 25 bis 30 Prozent des Staatsgebiets vermint, eine Fläche viermal so groß wie die Niederlande. Dem jährlich erscheinenden Landminen-Monitor der International Campaign to Ban Landmines (ICBL) – einem Netzwerk von mehr als 1.200 NGOs aus neunzig Ländern – zufolge wurden in der Ukraine 2022 608 Menschen durch Antipersonenminen oder explosive Kriegsüberreste getötet oder verletzt.
Dabei seien Männer und Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, stärker von Landminen betroffen als andere Mitglieder der Gesellschaft. “Insgesamt sind 80 Prozent der Opfer von Sprengkörpern Männer“, sagt Julie Bouvier, die für Handicap International als Spezialistin für Gefahrenaufklärung in der Ukraine arbeitet. Die gemeinnützige Organisation setzt sich in 60 Ländern gegen Minen und Streubomben und für Zivilschutz und Inklusion ein.
Laut Landminen-Monitor konnte russischen Streitkräften der Einsatz von mindestens 13 verschiedenen Antipersonenminen in der Ukraine nachgewiesen werden. Die vollständige Entminung wird voraussichtlich fünf Jahrzehnte dauern – und der Krieg ist noch nicht vorbei. Weite Flächen werden erst nach Kriegsende ausführlich untersucht werden können. Bis das passiert, dürfe die Entminung nicht überstürzt werden, sagt Julie Bouvier im Gespräch mit Table.Briefings. “Nur wenn wir das volle Ausmaß kennen, können wir den Gebieten Priorität einräumen, die der Bevölkerung am meisten zugutekommen, insbesondere um die sichere Rückkehr und Zugang zu humanitärer Hilfe zu erleichtern.”
Weltweit sind 85 Länder und fünf Gebiete von Landminen verseucht. Die höchste Anzahl von Opfern hatten dem Monitor zufolge Syrien, die Ukraine, Jemen und Myanmar. Flächenmäßig am stärksten verseucht sind, neben der Ukraine, mit je mehr als 100 Quadratkilometer Kontaminierung Afghanistan, Äthiopien, Bosnien und Herzegowina, Irak, Jemen, Kambodscha, Kroatien und die Türkei.
Die humanitäre und soziale Aufmerksamkeit liegt derweil stets auf aktuellen Krisenregionen: vor ein paar Jahren vor allem auf Syrien und Irak, heute hauptsächlich auf die Ukraine und Gaza. Darüber werden nicht nur andere aktuelle Konflikte – wie im Jemen, Sudan oder in Myanmar – vergessen, sondern auch Regionen, in denen sich die politische Lage zwar wieder stabilisiert hat, viele Nachkriegsprobleme aber nicht gelöst sind.
“Am wenigsten Unterstützung erhalten generell Länder mit jahrelanger Kontaminierung, obwohl gerade hier die Möglichkeit bestehen würde, dass Länder die Minenfreiheit erlangen”, sagt Eva Maria Fischer, Leiterin der politischen Abteilung von Handicap International Deutschland, Table.Briefings. “Es gibt stark verminte Regionen wie Bosnien oder Kambodscha, die eine echte Perspektive haben, in den nächsten Jahren Minenfreiheit zu erzielen, wenn die nötige Unterstützung dazu auftritt.”
Ein weiteres Beispiel ist der Irak. “Dort sind über 1000 Quadratkilometer durch Personenminen und über 500 Quadratkilometer durch improvisierte Sprengkörper verseucht”, berichtet Manoli Huesca, die dort für Handicap International Einsatzleiterin ist. Im Land sei noch heute fast jeder auf unterschiedliche Weise von den Sprengstoffen betroffen, am stärksten jedoch “Landwirte, junge Männer in riskanten Berufen und Kinder, die nur wenige sichere Orte zum Spielen haben.” Und: “Würde man heute anfangen, würde es 150 Jahre dauern, die Region komplett zu dekontaminieren.”
Problematisch ist auch: Die Entminung bindet Ressourcen, die im Wiederaufbau eigentlich in andere Bereiche, wie Bildung oder medizinische Einrichtungen, fließen müssten. So sei im Irak die Gesundheitsstruktur immer noch unterentwickelt. Es gebe nur sehr wenige ausgebildete Physiotherapeuten, die sich um Überlebende von Minenunglücken kümmern können “und die neue Generation hatte es aufgrund des vorangegangenen Krieges schwerer, zu lernen.”
Huesca, die sich mit ihrem Team für die langfristige Versorgung von Minenopfern einsetzt, findet die Menge der humanitären Aufmerksamkeit für den Irak zu gering. “Aufmerksamkeit und finanzielle Mittel werden immer weniger, was die Versorgung der Opfer explosiver Kampfmittel erschwert. Da sich die Sicherheitslage verbessert hat und stabiler geworden ist, wird angenommen, dass weniger Bedarf an Unterstützung besteht. Doch das stimmt nicht, denn die Opfer haben immer noch mit den Folgen des früheren Konflikts zu kämpfen.”
Der Irak als vergessene humanitäre Situation “kann ein Beispiel dafür sein, was passiert, wenn eine große Krise vorbei ist. Es gibt eine Sorgfaltspflicht, auch heute noch. Von der irakischen Regierung, aber auch von den internationalen Gemeinschaften, um sicherzustellen, dass die Opfer die Hilfe erhalten, die sie brauchen und die sie verdienen.”
Kurz vor dem Nato-Gipfel vom 9. bis 11. Juli in Washington haben die Verteidigungsminister der Weimarer-Dreieck-Staaten Deutschland, Frankreich und Polen in Paris ihre To-do-Liste vorgestellt. Auf dem Nato-Gipfel wollen sie eine Absichtserklärung zur Entwicklung weitreichender Präzisionswaffen unterzeichnen. Die Chancen, dass der französische Minister Sébastien Lecornu den Gipfel wegen der anstehenden französischen Neuwahlen am 30. Juni und 7. Juli noch als Verteidigungsminister erlebt, sind gering.
Bei dem Treffen am Montag im Hôtel des Invalides stellte er mit seinen deutschen und polnischen Amtskollegen Boris Pistorius und Władysław Kosiniak-Kamysz die Agenda vor. Es war das erste Treffen der Verteidigungsminister im Weimarer Format seit 2015.
Für die Absichtserklärung zur Entwicklung weitreichender Präzisionswaffen wolle man “eine Gruppe von europäischen Staaten zusammenbringen”, sagte Boris Pistorius. Der französische Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz hatten beim deutsch-französischen Ministerrat in Meseberg angekündigt, dass sie die Rüstungszusammenarbeit bei der Entwicklung abstandsfähiger Präzisionswaffen vorantreiben wollen. Lecornu sagte am Montag, auch Polen habe Interesse gezeigt, sich zu beteiligen.
Frankreich will eigene Waffensysteme als Grundlage für die Entwicklungen nutzen, wie das missile de croisière naval (Marinemarschflugkörper MdCN). Lecornu bekräftigte nun die französischen Ambitionen. Eine deutsche Alternative könnte der Taurus-Marschflugkörper sein, der Ziele in 500 Kilometern Entfernung treffen kann. Die neue Waffe, die der Abschreckung dienen soll, soll vom Boden starten und deutlich weiter als derzeit in Europa verfügbare Waffensysteme fliegen können.
Eigentlich wollen die Minister mit dem Weimarer Dreieck den europäischen Nato-Pfeiler stärken, um das Verteidigungsbündnis Trump-proof zu machen. Mit den französischen Neuwahlen könnte sich jedoch auch die Arbeit mit Frankreich erschweren. Pistorius, der schon bevor die Neuwahlen angekündigt wurden, regelmäßig seine Freundschaft zu Lecornu betonte, äußerte sich besorgt. Nationalismus sei “noch nie die Lösung der Probleme gewesen, sondern immer wesentlicher Teil der Probleme”. Die Arbeit würde er “gerne mit Sébastien fortsetzen”.
Der Spitzenkandidat des rechtspopulistischen Rassemblement national (RN), Jordan Bardella, stellte am Montag das Programm der Partei vor, die die französischen Umfragewerte anführt. Das traditionell russlandfreundliche RN betrachte Russland zwar als “multidimensionale Bedrohung”, mit der Ukraine-Unterstützung wolle man aber keine Eskalation herbeiführen. Französische Waffenlieferungen dürften bei einem Wahlsieg Bardellas zurückgehen. bub
Gegen den erklärten Willen Ungarns haben die EU-Außenminister am Montag in Luxemburg neue Waffenhilfen für die Ukraine beschlossen. Bereits im Juli sollen rund 1,4 Milliarden Euro fließen, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Eine zweite Tranche werde wenige Monate später folgen.
Finanziert wird die Hilfe mit Zinserlösen aus eingefrorenem Vermögen der russischen Zentralbank. Die Nutzung der “Windfall profits” hatte die EU-Kommission bereits im März vorgeschlagen. Allerdings mussten vor dem Beschluss noch juristische und politische Bedenken ausgeräumt werden. Am Ende stand nur noch Ungarn im Weg.
Um das ungarische Veto zu umgehen, griff Borrell zu einem Verfahrenstrick: Erst erklärte er, dass die üblichen Abstimmungsregeln nicht gelten würden, da es sich nicht um EU-Geld handele. Dann wurde darauf verwiesen, dass Ungarn kein Veto einlegen könne, weil sich das Land bei einer früheren Grundsatzentscheidung enthalten hatte. “Dieses Geld kann nicht gestoppt werden”, betonte Borrell. Man habe ein Verfahren gefunden, um jede Blockade zu vermeiden. Dies gilt allerdings nur für die Zinserlöse. Bei der ebenfalls von Ungarn blockierten europäischen Friedensfazilität zeichnet sich dagegen noch keine Lösung ab. Hier geht es um rund sieben Milliarden Euro.
Der Außenrat billigte auch das 14. Sanktionspaket gegen Russland. Die neuen Strafmaßnahmen sollen vor allem die Umgehung bestehender Sanktionen erschweren. Außerdem wird der Handel mit russischem Flüssiggas erschwert. Einige osteuropäische Minister zeigten sich unzufrieden, weil Deutschland das Paket verzögert und abgeschwächt hatte.
Die Sanktionen seien “bedauerlicherweise schwächer” als geplant, meinte Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis. Der estnische Minister Margus Tsahkna sagte, es werde “immer schwerer, einen Konsens über neue Sanktionen zu finden”. Die Bundesregierung hatte auf mögliche negative Folgen für die deutsche Wirtschaft verwiesen.
Russland kündigte Vergeltung an. Die Sanktionen seien illegal, heißt es in einer Erklärung des Moskauer Außenministeriums. Zuvor hatte Moskau auch mit Gegenmaßnahmen gegen die nun beschlossene Nutzung von Zinserlösen aus russischem Vermögen gedroht. Das Geld stehe Russland zu, dessen Verwendung sei “Diebstahl”. Sollte die EU ihren Plan umsetzen, so würde sie die Normen des internationalen Finanzsystems verletzen, warnt Moskau. Die Europäer und die Amerikaner wollen allerdings noch weiter gehen und der Ukraine 50 Milliarden Dollar auszahlen. Auch dieser Kredit soll zumindest teilweise durch russische Zinserlöse abgesichert werden.
Thema im Außenrat war auch Georgien. Das EU-Beitrittskandidatenland muss sich nach der endgültigen Verabschiedung eines Gesetzes zur schärferen Kontrolle der Zivilgesellschaft auf Konsequenzen einstellen. Borrell kündigte nach dem Außenministertreffen an, dass man die politischen Kontakte herunterfahren werde und in Erwägung ziehe, die finanzielle Unterstützung für die Regierung auf Eis zu legen. Zudem werde auch die Unterstützung des Verteidigungssektors durch die Europäische Friedensfazilität geprüft.
Borrell betonte, dass für die Kürzung von finanziellen Zuwendungen keine Einstimmigkeit im Kreis der EU-Staaten notwendig sei. Dies ist wichtig, weil die ungarische Regierung das georgische Gesetz als unproblematisch erachtet und Strafmaßnahmen ablehnt. Der Außenbeauftragte sagte dazu, 26 von 27 EU-Staaten seien sich einig, dass das Gesetz und alle damit im Zusammenhang stehenden negativen Entwicklungen Georgien weg von der EU führten. Wenn die Regierung ihren Kurs nicht ändere, werde das Land auf dem Weg in die EU keine Fortschritte mehr machen. Die EU werde die Zivilgesellschaft und die Medien in Georgien angesichts der Entwicklungen jedoch noch stärker unterstützen. Falschinformationen werde man hingegen entschlossen entgegentreten. ebo, mit dpa
Die Beziehung zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und den USA sind zu einem heiklen Zeitpunkt des Konflikts im Nahen Osten auf einem Tiefstand.
Netanjahu hatte vergangene Woche die US-Regierung und damit Israels wichtigsten Verbündeten öffentlich angeprangert und in einer Videobotschaft von einem “dramatischen Rückgang” der Munitionslieferungen aus den USA gesprochen. Das wurde aus dem Weißen Haus zurückgewiesen. Lediglich eine Lieferung schwerer Bomben sei zurückgehalten worden, aus Angst, dass Israel sie in der dicht besiedelten südlichen Gaza-Stadt Rafah einsetzen würde. Alle anderen Lieferungen seien in normalem Tempo fortgesetzt worden, man wisse nicht, wovon der israelische Regierungschef rede, hieß es.
Am Sonntag hat Netanjahu die Anschuldigungen dennoch wiederholt und gleichzeitig in einem Fernsehinterview Zweifel an seiner Unterstützung für das israelische Drei-Phasen-Abkommen mit der Hamas aufkommen lassen, für das Washington wochenlang internationale Unterstützung gesammelt hatte. Dazu gab es zunächst keine Reaktion aus dem Weißen Haus, stattdessen hieß es, man freue sich auf “konstruktive Konsultationen” mit Verteidigungsminister Joav Gallant in dieser Woche in Washington.
Nachdem der liberale Minister Benny Gantz aus dem Kriegskabinett des Premierministers ausgetreten ist, war befürchtet worden, dass die rechten Hardliner in der israelischen Regierung an Gewicht gewinnen und Netanjahus´ Beziehungen zu den internationalen Verbündeten darunter leiden könnte. Gleichzeitig droht nicht nur die Situation im Westjordanland zu eskalieren, sondern auch die Spannungen an der Grenze zum Libanon nehmen weiter zu. Arabische Medien berichten, dass das Pentagon davon ausgeht, dass Israel in etwa drei Wochen Bodenoffensive in Erwägung zieht.
Ein umfassender Krieg zwischen der Hisbollah und Israel würde große Schäden auf beiden Seiten bedeuten. Auch das hoch entwickelte Luftverteidigungssysteme Israels könnte durch das enorme Raketenarsenal der Hisbollah überfordert sein.
Der israelische Verteidigungsminister Joav Gallant ist am Sonntag in die USA gereist und soll dort unter anderem seinen Amtskollegen Lloyd Austin treffen. Vor seinem Abflug sprach er von einem “entscheidendem Treffen für die Zukunft des Krieges”. Währenddessen reist Bundesaußenministerin Annalena Baerbock für Gespräche nach Ramallah, Jerusalem und Beirut und warnte vor Ort vor einem “endlosen Krieg”. Netanjahu selbst soll am 24.Juli in den USA eine Rede vor dem Kongress halten. wp
Zwischen 400 und 700 Seeminen sind im Schwarzen Meer während des russisch-ukrainischen Krieges verlegt worden – bis zu 100 sollen verschollen sein. In einer gemeinsamen Antiseeminen-Aktion wollen die türkische, bulgarische und rumänische Marine ab Juli das Schwarze Meer sicherer machen für die Schifffahrt und nach den Seeminen suchen.
Die Zahlen stammen aus dem Umfeld der bulgarischen Marine. Genaue Angaben zu der Menge der verlegten Minen und zu den verschwundenen fehlen. Die meisten sollen im westlichen Gebiet des ukrainisch kontrollierten Territoriums und um die besetzte Krim herum verlegt worden sein. Ob Russland oder die Ukraine die meisten Minen verlegt hat und warum sie von der Verankerung abreißen, ist unklar.
Von den im aktuellen Krieg verlegten und verschollenen Seeminen soll die Marine der drei Partnerländer bisher schon 17 zerstört haben. Nach Angaben aus der bulgarischen Marine haben sie eine Sprengladung von etwa zwanzig Kilogramm und einen Wirkungsradius von etwa fünfzig Metern. Mindestens ein ziviles Frachtschiff ist wegen einer Seemine bereits gesunken. Zu der neuen Gefahr kommen noch dreißig bis vierzig Seeminen aus den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts, die jährlich im Schwarzen Meer gefunden werden. Die bulgarische Marine bezeichnet einen konkreten Abschnitt des Schwarzen Meers vor Bulgarien als “Allee der Seeminen”.
Die Mine Countermeasures (MCM) Black Sea task force wurde im Januar vereinbart. Vier Boote der drei Nato-Staaten werden im Einsatz sein. Das Kommando soll alle sechs Monate unter den drei Staaten rotieren. Sicherheitsanalysten aus Bulgarien und Rumänien sehen in dem Projekt Chancen zum Ausbau der militärischen Kooperation der Teilnehmerstaaten. Außerdem soll ein Signal an Russland ausgehen, dass die Nato im westlichen Teil des Schwarzen Meeres, dessen geostrategische Bedeutung gewachsen ist, eine höhere Präsenz haben wird. vf
Für die größten russischen Medien stellte die Terrorattacke vom Sonntagabend tags darauf nicht das wichtigste Thema dar. Stattdessen rückten sie den Vorfall auf der Krim ins Zentrum, bei dem infolge des russischen Abschusses einer aus der Ukraine stammenden Rakete vier Zivilisten ums Leben kamen. Darunter waren zwei Kinder. Moskau bestellte am Montag die amerikanische Botschafterin ein, weil die abgeschossene Rakete nach russischen Angaben eine ATACMS-Rakete gewesen sei. Russland sieht die USA nun direkt mitverantwortlich.
Die Terroranschläge in Dagestan mit mindestens 20 Toten, darunter 15 Polizisten, und der Vorfall auf der Krim haben nichts miteinander zu tun. Doch der Kreml überspielt mit dem Krim-Vorfall den Terror im Süden des Landes, wo es seit der Vollinvasion in die Ukraine brodelt.
Dagestan, sowie die Nachbarregionen Tschetschenien und Inguschetien sind mehrheitlich muslimisch. Die Geburtenrate ist hoch, ebenso die Zahl der Arbeitslosen. In den beiden Russisch-Tschetschenischen Kriegen haben viele Männer aus Dagestan gegen die Zentrale in Moskau gekämpft. Aus diesen Regionen haben sich auch viele Männer vom IS und anderen radikalen islamistischen Gruppen für die Kriege im Irak und Syrien anwerben lassen. Und: Dagestaner machten in der ersten Phase nach der Vollinvasion in die Ukraine eine große Gruppe von Freiwilligen aus. Wie in anderen armen Regionen Russlands ist der überdurchschnittlich hohe Lohn für den Kriegseinsatz in der Ukraine eine wichtige Motivation für die Kämpfer.
Auch wenn der Kreml den Terror, der sich gezielt gegen die Staatsmacht, gegen eine Synagoge und eine orthodoxe Kirche richtete, zu überspielen versucht – nach den antisemitischen Unruhen in der Hauptstadt von Dagestan, Machatschkala, im Oktober 2023 und dem islamistischen Anschlag auf die Konzerthalle Crocus City in Moskau im März 2024 wächst die Nervosität bei den Mächtigen. Zwar sind auch dieses Mal schnell Beschuldigungen gegen die Ukraine erhoben worden, doch das scheinen eher hilflose Ausreden der lokalen Verantwortlichen zu sein – denn unter den Attentätern waren offenbar auch Söhne eines Spitzenbeamten. “Der Staat wird immer realitätsferner, die ,ukrainischen’ Erklärungsmuster für interne Sicherheitsversagen können Inkompetenz nur bedingt kaschieren”, beschrieb Alexey Yusupov, Leiter des Russland-Programms der Friedrich-Ebert-Stiftung die öffentlichen Reaktionen.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow beklagte fehlende Beileidsbekundungen “nicht befreundeter Staaten” nach den Terroranschlägen in Dagestan. Auf die Fragen, ob Präsident Wladimir Putin sich öffentlich zu den Anschlägen und zu dem Vorfall auf der Krim äußern werde, sagte Peskow, das sei nicht geplant. Auch die Tourismussaison auf der Krim solle weitergehen, Pläne, die Saison aus Sicherheitsgründen abzusagen, gebe es nicht. vf
Der mit einer Milliarde Euro ausgestattete Deep-Tech-Risikokapitalfonds der Nato hat seine ersten Investitionen in vier neu gegründete Verteidigungsunternehmen angekündigt. Diese sind in den Bereichen Robotik, Künstliche Intelligenz und Raumfahrt tätig. Von den vier Unternehmen sind drei in Großbritannien und eines in Deutschland ansässig.
Die Höhe der einzelnen Investitionen wurde nicht bekannt gegeben, aber die Erstinvestitionen können bis zu 15 Millionen Euro betragen, wobei für spätere Runden mehr Geld zur Verfügung steht.
Der Nato-Innovationsfonds (NIF) kündigte außerdem Investitionen in vier Risikokapitalfonds mit Schwerpunkt auf Dual Use an. David van Weel, stellvertretender Generalsekretär der Nato für Innovation, Hybrid- und Cybertechnik, erklärte, der Fonds beginne, das Innovationsökosystem spürbar zu verändern. “Er bietet den vielversprechendsten Dual-Use- und Verteidigungsunternehmen, die Lösungen zur Aufrechterhaltung des technologischen Vorsprungs der Allianz entwickeln, Wachstumschancen”, sagte er.
Der Fonds, der von 24 der 32 Nato-Mitgliedstaaten unterstützt wird, wurde 2022 aufgelegt, um in neu gegründete Technologieunternehmen zu investieren, die sich mit Herausforderungen in den Bereichen Verteidigung, Sicherheit und Widerstandsfähigkeit befassen. Sein Mandat ist breit gefächert und reicht von Daten– und Computertechnologien bis hin zu Energie und Biotechnologie.
Zu den Start-ups, die vom NIF unterstützt werden, gehört ARX Robotics, ein Spin-off des GEREON-Forschungsprojekts an der Universität der Bundeswehr München, das skalierbare Robotersysteme für militärische, kommerzielle und humanitäre Anwendungen herstellt.
Das in London ansässige Unternehmen Fractile, das Computerchips herstellt, die Engpässe bei der Ausführung umfangreicher KI-Modelle auf globaler Ebene beseitigen sollen, erhielt ebenso eine Finanzierung, wie Space Forge, ein walisisches Unternehmen, das die einzigartige Umgebung im Weltraum zur Herstellung fortschrittlicher Halbleitermaterialien nutzt.
Als viertes Start-up-Unternehmen unterstützt der NIF iCOMAT, eine Ausgründung der Universität Bristol, die Materialien für leichtere und nachhaltigere Fahrzeuge für die Luft- und Raumfahrt und die Automobilindustrie entwickelt. Martin Greenacre
Mit einem Redaktionsteam, das in Brüssel und in der gesamten EU arbeitet, ist Science|Business Europas wichtigste englischsprachige Quelle für fundierte Berichterstattung über Forschungs- und Innovationspolitik. Der Artikel ist ein Teil des neuen Newsletters “Funding Newswire”
Sipri: Burning Ground – Tackling Climate Change and Conflict in South-Central Somalia. Langanhaltende Dürre, alte Konflikte – und ein ökologisches Friedensprojekt. Diese Studie beschreibt den Zusammenhang zwischen Klimaveränderung und Krieg in Somalia, sie zeigt auch, wie es gelingen könnte, öffentliche Verwaltungsstrukturen und Kooperation zwischen rivalisierenden Gruppen aufzubauen.
NZZ Pro Global: “Für Moskau haben Russlands spanischsprachige TV-Sender die gleiche Priorität wie Waffenfabriken”. Der russische Politikprofessor Wladimir Ruwinski spricht über die Lateinamerika-Strategie des Kremls. Putin gewinnt zunehmend an Einfluss auf dem Kontinent und schadet damit nicht nur den USA.
SWP: Unklarheiten über russische Nuklearwaffen in Belarus – Erkenntnisstand und Implikationen für Europa und die Nato. Die Studie beschreibt, wie Belarus in den vergangenen beiden Jahren Trägersysteme erworben hat, die Minsk die Fähigkeit zum Einsatz von Nuklearwaffen verschaffen. Eine nukleare Bedrohung für Europa bedeuten solche Maßnahmen kaum, schlussfolgern die Autoren.
Center for a New American Security: Drone Warfare in a Future Fight to Defend Tawain. Dieser Bericht blickt auf mögliche Auswirkungen von Drohnen auf die zukünftigen Bemühungen der USA, eine chinesische Invasion in Taiwan abzuwehren. Die Vereinigten Staaten setzen darauf, dass sie China überflügeln und Drohnen einsetzen können, um eine Invasion der chinesischen Befreiungsarmee zu verhindern.
Das beste Jahr meines Lebens? Die Erwartungen an Boris Pistorius’ Light-Modell der Wehrpflicht sind hoch. Das Modell des Ministers zeigt, dass er Auswahl und Freiwilligkeit priorisiert, in seinen Ausführungen jedoch vage bleibt. Gut ist, dass die Rückkehr zur alten Wehrpflicht nun endgültig vom Tisch ist. Eine umfängliche Bewertung zum “Neuen Wehrdienst” fällt allerdings schwer, da noch viele Fragen offenbleiben.
Bis heute bleibt die Frage der Geschlechtergerechtigkeit unbeantwortet. Laut unserem Grundgesetz dürfen Frauen nach wie vor nicht zu einem Dienst mit der Waffe verpflichtet werden. Diese veraltete Regelung müssen wir überarbeiten, damit Frauen und Männer die gleichen Pflichten haben, wenn es darum geht, ihrem Land zu dienen. Eine weitere Unklarheit ist das Pflichtelement. Es darf in der Praxis nicht darauf hinauslaufen, dass Pistorius’ “Neuer Wehrdienst” sich zum schwedischen Modell durch die Hintertür entwickelt. Denn in Schweden greift die Pflicht, sobald die Freiwilligkeit ausgereizt ist.
Unser gemeinsames Ziel ist es, die Bundeswehr personell zu stärken, ohne junge Menschen gegen ihren Willen zu verpflichten. In der Debatte geht häufig unter, dass die bestehenden Personallücken der Bundeswehr nicht nur aufgefüllt, sondern auch mit qualitativ hochwertigem Personal geschlossen werden müssen. Das geht vor allem über professionelle Freiwillige.
Initiativen wie die Task Force Personal des Verteidigungsministeriums bieten einen (Maßnahmen-)Katalog für eine nachhaltige Personalstrategie der Bundeswehr. Wir müssen jedoch weiter gehen, um unser Freiwilligenpotenzial voll auszuschöpfen. Klar ist, dass die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiver werden muss. Dazu gehört, dass wir den Dialog zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Soldatinnen und Soldaten fördern und unsere Truppe im Alltag sichtbarer machen. Es ist unsere Aufgabe als Politik und Gesellschaft, dass jeder junge Mensch mindestens einmal im Leben in Berührung mit der Bundeswehr kommt. Möglichkeiten dafür sind eine verstärkte Präsenz in Sportclubs, auf Messen und auch in Bildungseinrichtungen. Zudem ermöglichen Jugendoffiziere an Schulen einen offenen Austausch.
Die aktuelle sicherheitspolitische Situation weltweit birgt viele Fragen, die offen und kritisch diskutiert werden können. Neben der sicherheitspolitischen Bildung muss es auch unserer Bundeswehr im Rahmen eines Infotages möglich sein, über die Arbeit und das Berufsbild des Soldaten zu informieren. Hierfür ist es notwendig, mit den Bundesländern gemeinsam einen obligatorischen Informationstag zu etablieren. Dieser fördert den direkten Kontakt zur Bundeswehr und hilft, bestehende Stigmata abzubauen und frühzeitig Karrierewege aufzuzeigen.
Viel zu wenig genutztes Potenzial findet sich auch in unserer Reserve. Zahlreiche Reservisten sind bereits aktiv und möchten ihr Engagement weiter ausbauen. Bisher nutzt die Bundeswehr deren Kompetenzen und wertvolle Erfahrungen nicht ausreichend. Um dies zu ändern, ist es notwendig, die Anzahl der Dienstposten für Reservisten zu erhöhen und mehr Gelegenheiten für regelmäßige, praxisorientierte Trainings zu schaffen. Dabei ist es entscheidend, dass die notwendige Ausrüstung und Materialien bereitgestellt werden.
Es ist wichtig, weiterhin offen alle Möglichkeiten zu diskutieren und dabei die Verhältnismäßigkeit nicht aus den Augen verlieren. Die besten Jahre im Leben sind nun mal die Selbstbestimmten. Eine starke und motivierte Bundeswehr, die auf Freiwilligkeit und Professionalität basiert, wird nicht nur unsere Verteidigungsfähigkeit stärken, sondern auch ein Zeichen für eine gerechte und zukunftsorientierte Gesellschaft setzen.