seitdem Wolodymyr Selenskyj selbst einen Waffenstillstand ins Gespräch gebracht hat, ist Bewegung in die Debatte um eine Verhandlungslösung gekommen – und in die um die Entsendung von EU-Bodentruppen in die Ukraine: Gabriel Bub hat sich genauer angeschaut, wie realistisch der Vorschlag von Annalena Baerbock ist, Bundeswehrsoldaten zur Absicherung eines Waffenstillstands zu entsenden.
Welche Haltung die Union im Ukraine-Konflikt und anderen zentralen außen- und sicherheitspolitischen Fragen verfolgt, lesen Sie in der Analyse von Lisa-Martina Klein und Wilhelmine Preußen. Spoiler: Das Thema Taurus wollen CDU und CSU im Wahlkampf nicht wirklich in den Mittelpunkt stellen.
Verteidigungsminister Boris Pistorius versuchte am Donnerstag, die Debatte um die Sicherung eines Waffenstillstands in der Ukraine durch europäische Truppen kleinzuhalten. Im Deutschlandfunk sagte er: “Man kann das heute noch gar nicht ernsthaft diskutieren, aber man wird es irgendwann diskutieren müssen.” Mit dem Nichtausschließen einer deutschen Beteiligung beim Sichern einer Waffenstillstandslinie durch Außenministerin Annalena Baerbock am Dienstag liegt ein weiteres Szenario, in dem westeuropäische Soldaten in der Ukraine agieren könnten, auf dem Tisch.
Schon vergangene Woche waren aufgrund eines Artikels von Le Monde Gerüchte aufgekommen, dass Frankreich und Großbritannien – unabhängig von einer Waffenstillstandslinie – einen möglichen Einsatz von Bodentruppen zur Unterstützung der Ukraine diskutierten. Hinter beiden Szenarien steckt die Sorge, was nach dem 20. Januar 2025 passiert, wenn Donald Trump das Amt des US-Präsidenten übernimmt.
Die Front in der Ukraine sei viel zu lang, um sie mit europäischen Soldaten zu sichern, sagt Stepan Rusyn, Berliner Vertreter des ukrainischen Thinktanks Transatlantic Dialogue Center. “Um die russische Armee mit ihren 1,5 Millionen Soldaten effektiv abzuschrecken, müssten die Europäer nahezu alle ihre Bodentruppen mit sämtlicher Ausrüstung entlang der 2.000 Kilometer langen potenziellen Frontlinie in der Ukraine stationieren”, sagt Rusyn. Angesichts der bisherigen Debatten in Europa hält er das für unrealistisch.
Zudem würde eine Stationierung ohne Nato-Mitgliedschaft der Ukraine nicht funktionieren, weil die europäischen Streitkräfte bei einem russischen Angriff in Kämpfe auf Nicht-Nato-Gebiet verwickelt wären – “ohne Aussicht auf US-amerikanische Unterstützung”. Eine weitere Befürchtung des Ukrainers Rusyn ist, dass europäische Staaten nach einem Regierungswechsel oder unter russischem Druck ihre Truppen abziehen würden. “Ähnlich, wie es im Februar 2022 mit den damals in der Ukraine stationierten Kräften geschah”, so Rusyn.
Trumps designierter Ukraine-Sondergesandter, Keith Kellogg, hatte im April einen Plan skizziert, der vorsieht, dass Waffenlieferungen an die Ukraine an die Bereitschaft zu Friedensgesprächen mit Russland gebunden würden. Zuvor hatte er einen Waffenstillstand entlang des Frontverlaufs ins Spiel gebracht, die restlichen Rückgewinne von Gebieten sollten auf diplomatischem Wege erfolgen.
Der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu hatte überrascht reagiert, als er vergangene Woche in Berlin gefragt wurde, ab wann man mit einer Entsendung europäischer Truppen in die Ukraine rechnen könne. Er habe dem, was Präsident Emmanuel Macron im Februar gesagt hatte – dass nicht auszuschließen sei, dass Truppen europäischer Nato-Länder in die Ukraine entsandt werden könnten – nichts hinzuzufügen.
Le Monde hatte berichtet, dass Großbritannien und Frankreich darüber diskutierten, sich an die Spitze einer Koalition zu stellen, um westeuropäische Truppen oder private Unternehmen in der Ukraine einzusetzen. Beim Besuch des britischen Premierministers Keir Starmer am 11. November in Paris hätten die Diskussionen wieder Fahrt aufgenommen. Mehrere Vorschläge würden diskutiert, darunter auch der, dass das französische Unternehmen Défense Conseil international (DCI), das die Rüstungsexporte und den Wissenstransfer für das Verteidigungsministerium abwickelt und an dem Frankreich 55 Prozent der Anteile hält, sich bereiterklärt habe, in der Ukraine Soldaten auszubilden. DCI besteht zu 80 Prozent aus ehemaligen Soldaten und bildet bereits in Frankreich und Polen Soldaten aus.
Dass in naher Zukunft europäische Nato-Truppen in die Ukraine gesendet werden könnten, hält András Rácz, Ukraine-Experte von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), für unwahrscheinlich. Erst recht nicht an der Frontlinie, weil sie zu lang sei. Die Vorbereitungen für so einen Einsatz würden sehr viel Zeit in Anspruch nehmen.
Sollten Truppen in die Ukraine entsendet werden, um ukrainische Soldaten auszubilden oder Ukrainer bei der Luftverteidigung zu unterstützen, “bin ich mir sicher, dass Russland mit Angriffen auf diese Truppen das Commitment der Europäer testen würde”, sagt Rácz.
Die Diskussionen um die Entsendung europäischer Nato-Truppen begrüßt er hingegen. “Das schafft eine Ambiguität in der Kommunikation. Dadurch muss Russland sich die Frage stellen, wo seine roten Linien liegen.” Bisher hätten sich nur europäische Länder diese Fragen stellen müssen. Russische Planungen würde das erschweren.
“Aus militärischer Sicht würden Trainingsmissionen in der Ukraine die Ausbildung ukrainischer Soldaten vereinfachen”, sagt Rácz. “Viele europäische Länder bieten individuelles Training an, auf Zug- und manchmal Kompanieebene.” Ganze Bataillone oder Brigaden trainieren zu lassen, sei eine “sehr komplexe logistische Herausforderung”, aber nötig, um die Effizienz der Truppen und ihrer Kommandeure zu steigern, so Rácz. Allerdings wären solche Missionen auch riskanter als in Westeuropa.
Die Positionen der Union in der Außen- und Sicherheitspolitik scheinen klar: fest an der Seite der Ukraine, für einen stärkeren europäischen Pfeiler in der Nato, eine Stärkung der Bundeswehr und – für die Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres. Beim sicherheitspolitischen Gespräch in der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (Baks) umriss der Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz, am Mittwochabend seine Vorstellungen. Hinter den Kulissen sind noch nicht alle Fragen geklärt.
Nationaler Sicherheitsrat: Die Union plädiert schon seit langem für einen Nationalen Sicherheitsrat als zentralem Beratungsgremium der Bundesregierung in Angelegenheiten der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Die Ampel sprach sich vergangenen Sommer dagegen aus. Merz betonte bei der Baks, dass ein solcher Rat im Kanzleramt angesiedelt sein müsse und federführend eine nationale Sicherheitsstrategie erarbeiten solle, die im ersten Jahr von der Regierung vorgestellt werden soll. Auch Länder und eventuell Gemeinden sollten hierbei eingebunden werden, so Merz.
Ukraine-Unterstützung: Die Ukraine muss gewinnen und Russland muss den Krieg verlieren, betonte Merz am Mittwoch bei der Baks und wählte damit Worte, die Bundeskanzler Olaf Scholz in dieser Deutlichkeit vermeidet. Territoriale Integrität und Bündnisfreiheit, militärisch und politisch, gehören für ihn dazu. Dass sich die Forderung nach einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine im Wahlprogramm wiederfindet, wird innerhalb der Union bezweifelt. Deutschland dürfe nicht Kriegspartei werden, deswegen müsse die Ukraine alle Unterstützung – auch militärische – erhalten, die sie brauche, so Merz Das Stichwort Taurus vermied zumindest bei der Baks allerdings auch er.
Waffenlieferungen an die Ukraine sind auch in Westdeutschland bei fast einer Hälfte der Bevölkerung unpopulär. Das weiß auch die Union. Je näher der Wahltag rückt, desto unkonkreter scheinen die Versprechungen der Führungsriege.
Finanzierung der Verteidigung: “Das Zweiprozent-Ziel verstehen wir als Minimum”, bekräftige Merz am Mittwoch. Das bedeutete nach Auslaufen des Sondervermögens einen Mehrbedarf von 30 Milliarden Euro im Einzelplan 14. Im CSU-Leitantrag ist drei Prozent des BIP für Verteidigung als Ziel verankert. Wirklich überzeugende Konzepte, wie der enorme Finanzbedarf gedeckt werden soll, fehlen allerdings.
Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter hatte sich in der Vergangenheit für eine Verdreifachung des Sondervermögens ausgesprochen. Damit ist er allerdings in der Union isoliert; Andeutungen, dass die Schuldenbremse gelockert werden könnte, hatte Merz selbst angedeutet und sofort wieder zurückgenommen; stattdessen spricht er nun von “Umpriorisierung” in den Ressorts. Ansonsten hofft man vor allem auf einen Wirtschaftsaufschwung, der die fehlenden Milliarden bringen soll. Hinter verschlossenen Türen geben auch Christdemokraten zu, dass bei dem Thema noch nicht alle Fragen geklärt sind.
Wehrpflicht: Interessant dürften die Formulierungen zum Thema Wehrpflicht / allgemeine Dienstpflicht werden. Die CDU spricht sich schon länger für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr für Frauen und Männer aus, sogar die CSU zeigte sich mit Blick auf eine damit einhergehende Grundgesetzänderung zuletzt offen. Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht müsse “sukzessive” erfolgen, stellte auch Merz am Mittwoch noch einmal klar. Für den Übergang plädiert er wie Verteidigungsminister Boris Pistorius für das schwedische Modell. Das bedeutet, alle eines Jahrgangs werden gemustert und diejenigen herangezogen, die wehrdiensttauglich sind und ihre Bereitschaft signalisiert haben.
Außenpolitik: Mit Blick auf die Orientierung der USA in Richtung Indopazifik und die America-First-Politik des künftigen US-amerikanischen Präsidenten, gilt für Merz umso mehr das Credo des starken Deutschlands in einem starken Europa. Die Beziehungen vor allem zu Frankreich und Polen sollen gestärkt werden, um mit einer gemeinsamen europäischen Stimme den USA auf Augenhöhe zu begegnen. Ein “starkes, selbstbewusstes, geeintes Europa” sei auch für die USA von strategischem Interesse, so Merz. Es geht darum, den europäischen Pfeiler innerhalb der Nato zu stärken. Ein harmonisiertes Rüstungsexportgesetz dürfte im Wahlprogramm festgeschrieben werden.
China: Deutlicher als im Wahlprogramm für 2021, angelehnt an das Positionspapier der Union vom April 2023, wird die Union das Thema China adressieren. China entwickele sich mehr und mehr zum Systemrivalen und agiere weniger als Partner und Wettbewerber, fasste es Merz zusammen und hob damit eine Veränderung in der Gewichtung des Dreiklangs hervor. Peking wird als die zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts für die regelbasierte internationale Ordnung, das Prinzip “Frieden durch Handel” als gescheitert angesehen. Die CDU/CSU fordert ein “De-Risking” und eine Stärkung der technologischen Souveränität der EU, insbesondere in Schlüsseltechnologien.
Am 17. Dezember, und damit einen Tag nach der Vertrauensfrage, will die Union ihr Programm vorstellen.
Angela Merkel blickt kritisch auf den Afghanistan-Einsatz zurück, verteidigt ihn aber auch. “Die internationale Gemeinschaft hatte ihre Ziele in Afghanistan zu hoch gesteckt“, resümierte die Altkanzlerin am Donnerstag als Zeugin im Afghanistan-Untersuchungsausschuss des Bundestages.
Die Entscheidung zur Beteiligung Deutschlands sei nach wie vor richtig gewesen, betonte Merkel. “Es gab die begründete Hoffnung, dass es nach dem Ende des Einsatzes keine terroristischen Angriffe mehr von Afghanistan aus geben würde.” Dennoch habe es sich als unmöglich erwiesen, in Afghanistan eine Demokratisierung “von außen zu erzwingen”.
Das Chaos beim internationalen Evakuierungseinsatz am 15. August 2021, dem Tag der Machtübernahme der Taliban, bewerteten Merkel und der ebenfalls aussagende ehemalige Chef des Bundeskanzleramts, Helge Braun, als äußeren Umstände. Sie betonten, dass keines der teilnehmenden Länder auf die Krisensituation angemessen vorbereitet gewesen sei.
Merkel hob mehrfach die dominante Rolle der USA hervor, die zeitweise über 100.000 Soldaten in Afghanistan stationiert hatten – im Falle Deutschlands waren es maximal 5.000. Die einseitige Abzugsentscheidung der Regierung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump sei einer der Gründe für die chaotischen Zustände bei der Evakuierung gewesen.
Ein anderer Grund sei eine Fehleinschätzung des Bundesnachrichtendienstes gewesen, sagte Braun. Dieser hatte nicht damit gerechnet, dass die afghanische Regierung vor dem 11. September 2021 zusammenbrechen würde. Dies hatte auch der ehemalige Außenminister Heiko Maas angemerkt, der vergangene Woche im Zeugenstand saß. asc
Das Verteidigungsministerium will noch 37 Vorlagen durch den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages bringen. Ein Großteil davon sollte bereits diese Woche auf der Tagesordnung des Verteidigungsausschusses und des Haushaltsausschusses stehen, die Union hat sie jedoch kurzfristig von der Tagesordnung genommen und will die einzelnen Vorhaben nochmal genau prüfen.
“Die Vorhaben hat das BMVg industriepolitisch begründet und nicht sicherheitspolitisch”, kritisierte der CDU-Bundestagsabgeordnete Henning Otte, stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, die Beschaffungsvorhaben, die das Verteidigungsministerium noch in diesem Jahr beschlossen haben will.
Es geht um Projekte wie die Modernisierung des Marschflugkörpers Taurus, aber auch den Einstieg in große Beschaffungsvorhaben wie die Luftverteidigungsfregatte F127 oder neue U-Boote. Genau die stellt Otte in Frage und ist damit in der Fraktion wohl nicht alleine.
U-Boote und Fregatten, die bis 2034 geliefert werden, seien zwar “eine wichtige Anschaffung”, die Prioritäten müssten aber bezüglich der Zeitachsen genau abgewogen werden. “Es gilt jetzt auch, beispielsweise die Kampfkraft der Landstreitkräfte zu erhöhen”, sagte Otte im Gespräch mit Table.Briefings.
Aus Ottes Sicht sind andere Projekte mit Blick auf die Aussagen des Generalinspekteurs der Bundeswehr, dass Russland bis Ende dieses Jahrzehnts Nato-Territorium angreifen könnte, derzeit entscheidender. Er nannte beispielsweise, das Tactial Wide Area Network für Landoperationen (TaWAN LBO), das die Kommunikation zwischen den Truppen auf dem Gefechtsfeld, die in Zukunft mit digitalen Funkgeräten ausgestattet sein werden, mit den Dienststellen im Hinterland sicherstellen soll.
Auf die Union könnte es jetzt ankommen. Am Dienstag hatte der Verteidigungsminister deswegen zum sogenannten verteidigungspolitischen Imbiss, der jede Sitzungswoche stattfindet, in den Bendlerblock ausnahmsweise auch Vertreter der Union eingeladen. wp
Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) dokumentierte 2023 so viele schwere Kinderrechtsverletzungen in Kriegen und Konflikten wie nie zuvor. 11.649 Kinder wurden im letzten Jahr kriegsbedingt getötet oder verstümmelt – 35 Prozent mehr als im Vorjahr. Konfliktbedingte sexualisierte Gewalt nahm um 25 Prozent zu. Die Fälle, bei denen nachweislich der Zugang zu humanitärer Hilfe verweigert wurde, stiegen um mehr als 32 Prozent.
Insgesamt gab es 32.990 Fälle schwerer Kinderrechtsverletzungen. Dazu zählen neben Tötungen, Verstümmelungen und sexualisierter Gewalt auch Angriffe auf Schulen und medizinische Infrastruktur, Entführungen sowie die Rekrutierung für den Kampf. Die Zahlen fasst der gestern erschienene Unicef-Situationsbericht 2024 zusammen.
Besonders viele schwere Kinderrechtsverletzungen stellten die UN 2023 in Israel und Palästina (8.009 Fälle), in der Demokratischen Republik Kongo (3.764 Fälle) und im Sudan (1.721 Fälle) fest. Der Trend setzt sich in diesem Jahr fort: In Gaza werden täglich durchschnittlich über 67 Kinder getötet oder verletzt. Im Sudan wurden seit Jahresbeginn über 1.500 schwere Kinderrechtsverletzungen verifiziert. Allein zwischen April und Oktober wurden dort 150 Kinder kriegsbedingt getötet.
Diese Zahlen seien “nur die Spitze des Eisbergs”, sagt Lucia Elmi, die die weltweiten Unicef-Nothilfeprogramme für Kinder leitet. Und: Sie beziehen sich allein auf physische Verletzungen. “Die seelischen Verletzungen aufgrund von Kriegen und Gewalt bleiben meist unsichtbar und werden nicht ernst genommen”, betont auch Areej Zindler, Fachärztin für Kinderpsychiatrie und -psychotherapie und Mitglied im Deutschen Komitee für Unicef.
Weltweit wächst jedes sechste Kind, insgesamt 460 Millionen, in einem Kriegs- oder Konfliktgebiet auf. Laut Unicef wurden in diesem Jahr mehr als 57 Millionen Kinder in Kriegs- und Krisenländern geboren. asc
Die Bundesregierung hat in ihrer Kabinettssitzung am Mittwoch beschlossen, die Einsätze der Bundeswehr im Roten Meer sowie im Südsudan fortzusetzen. “Aufgrund der für Anfang 2025 vorgesehenen Neuwahlen sollen für die vier in absehbarer Zeit auslaufenden Bundestagsmandate nun vorzeitig Verlängerungen auf den Weg gebracht werden”, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Neben den beiden Einsätzen am Horn von Afrika will die Bundesregierung noch zwei Einsätze im Mittelmeer verlängern.
Konkret handelt es sich um folgende Einsätze:
Die beiden Mandate am Horn von Afrika sollen nach Regierungsangaben inhaltlich unverändert bis zum 31. Oktober 2025 verlängert werden. Der Bundestag muss die entsprechenden Mandate allerdings noch bestätigen.
Das Bundestagsmandat der Eunavfor Aspides, das vorläufig bis zum 25. Februar 2025 läuft, sieht einen Einsatz von bis zu 700 Soldaten vor. Im Südsudan sind bis zu 50 Soldaten im Einsatz. Das Bundestagsmandat läuft noch bis Ende März 2025. dre/myb
Eine ausführliche Analyse zur Lage am Horn von Afrika lesen Sie hier.
Das Regime des syrischen Machthabers Baschar al-Assad gerät weiter unter Druck. Eine Woche nach der überraschenden Einnahme Aleppos durch die von der Türkei unterstützte Al-Qaida-Nachfolgeorganisation Tahri Hayat al-Sham (THS) haben die sunnitischen Milizionäre am Donnerstag auch weite Teile der Provinz und die gleichnamige Provinzhauptstadt Hama eingenommen. Der Iran entsandte den berüchtigten General der Revolutionsgarden,Javad Ghaffari, nach Syrien, um Assads staatliche Armeeeinheiten zu unterstützen. Am Wochenende wollten der russische Präsident Wladimir Putin und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan über eine Deeskalation des Konflikts sprechen.
Ankara erhofft sich durch den neu ausgebrochenen Konflikt, seine in der Vergangenheit in Syrien erlangten territorialen Gewinne militärisch abzusichern; nationalistische türkische Politiker verwiesen in diesem Zusammenhang auf historische Ansprüche der Türkei auf die Gebiete nördlich von Aleppo. Der 2011 mit Aufständen gegen Assad begonnene Krieg in Syrien galt seit 2020 als eingefroren. Nun sind abermals Hundertausende auf der Flucht; Erdogan setzt auch deshalb auf Härte, weil er eine Rückkehr der drei Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei in die Provinzen Idlib, Aleppo und Hama fordert.
Das Wiederaufflammen des Konflikts ist auch deshalb so gefährlich, weil es die bislang mit dem Assad-Regime kooperierenden Syrian Defence Forces (SDF) im Nordosten des Landes in Bedrängnis bringt. Diese werden vom syrischen PKK-Ableger, den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), kontrolliert und hatten die USA als Bündnispartner im Kampf gegen den Islamischen Staat 2015. 900 US-Soldaten sind an der Grenze zu Irak im Nordosten des Landes weiter stationiert; der damalige US-Präsident Donald Trump hatte seinerzeit erfolglos für ihren Abzug geworben. mrb
Foreign Policy: The Baltic Sea’s Bad Actors. Die möglichen Sabotageakte und Störmaßnahmen durch Russland und China in der Ostsee und im Schwarzen Meer könnten anderen Ländern als Inspiration dienen.
New York Times: ‘Politics Failed’: Top U.N. Envoy Says Gaza War Followed Years of Weak Diplomacy. Tor Wennesland, der ausscheidende oberste Gesandte der Vereinten Nationen für den Nahost-Friedensprozess, ist der Meinung, dass die internationale Gemeinschaft im israelisch-palästinensischen Konflikt kurzfristige Hilfen vor langfristigen Lösungen priorisiert hat. Er warnt davor, den Fehler zu wiederholen.
Washington Post: How Trump can end the war in Ukraine for good. Wenn Trump vermeiden will, ein historisches Scheitern wie die Vereinbarung von Budapest zu verantworten, muss er vermeiden, sich von Putin mit Versprechen beschwichtigen zu lassen, schreibt die Washington Post. Es brauche auch europäische Friedenstruppen, die eine demilitarisierte Zone bewachen.
New York Times: With Assad Challenged, a Push to Cut Syria’s Ties to Iran Grows More Unlikely. Die USA haben versucht, das Bündnis des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad mit Teheran zu schwächen. Der überraschende Vormarsch der Rebellen auf Aleppo hat diese Hoffnungen jedoch gedämpft. Assad setzt gerade jetzt auf enge Beziehungen zu Teheran.
IISS: Navigating Troubled Waters: The Houthis’ Campaign in the Red Sea and the Gulf of Aden. Nach zwölf Monaten fortgesetzter Angriffe der Houthis auf westliche Schiffe wird deutlich, dass die derzeitige Reaktion der internationalen Gemeinschaft ihre Ziele nicht erreicht hat.
Keine Frage: Niger macht es seinen Partnern nicht leicht. Die Polizei am Flughafen Niamey nimmt allen nicht-afrikanischen Reisenden bei der Ankunft den Reisepass ab – abzuholen ein paar Tage später. Die Militärregierung fürchtet, dass Frankreich Agenten einschleusen will. Mit der früheren Kolonialmacht hatten die neuen Machthaber nach ihrem Putsch gebrochen. Europa stellte damals auf Druck von Paris die Entwicklungskooperation ein. Das öffnete die Tür für Russland, das Söldner des Afrika-Korps schickte.
Man kann Europas Zögern verstehen, zur Tagesordnung überzugehen. Die Regierung hält bis heute den gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum gefangen. Nach einer baldigen Rückkehr zu einer zivilen Regierung sieht es nicht aus. Erst jetzt sollen nationale Beratungen über eine Transition beginnen. Trotzdem sollte Deutschland jetzt nicht den Wiederbeginn der Entwicklungsprojekte verschieben – das verschärft nur die Armut und treibt Menschen in die Migration.
Die Bundesregierung hatte sich sehr viel Zeit gelassen, mit den neuen Machthabern Kontakt aufzunehmen. Erst im Sommer akkreditierte Berlin einen neuen Botschafter, aber erst, nachdem auf Druck des Auswärtigen Amts noch ein Luftwaffenstützpunkt der Bundeswehr am Flughafen Niamey gekündigt worden war. In der Bundeswehr gab es Fürsprecher, diesen für Notfall-Evakuierungen in Afrika wie im Sudan 2023 zu erhalten. Deutschland hatte dort im Rahmen der inzwischen beendeten Mali-Mission viel investiert und etwa einen Flugzeughangar und Unterkünfte gebaut.
Erst vergangene Woche kam dann eine Delegation des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit aus Berlin, um mit der Regierung über Hilfsprojekte zu reden. Mitten in die Gespräche platzte dann der Abgang des EU-Botschafters Salvador Pinto da França. Der aus Portugal stammende Botschafter mit französischem Zweitpass war den neuen Machthabern ein Dorn im Auge, aber wohl auch vorher in das eine oder andere Fettnäpfchen getreten, heißt es in Niamey. Wegen der Krise unterschrieb die deutsche Delegation nicht wie geplant ein Protokoll zur Wiederaufnahme der Entwicklungsprojekte.
Doch Deutschland sollte nun pragmatisch handeln. Denn es steht sehr viel auf dem Spiel für Europa. Niger ist eines der ärmsten Länder der Welt und strategisch wichtig, weil durch den Flächenstaat die zentrale Afrika-Route zur Bootsabfahrt von Libyen nach Italien geht. Wer in Niger etwas zu sagen hat, redet beim Thema Migration mit. Russland hat Europas Zögern ausgenutzt, um sich als neuer Partner anzubieten. Einen Tag nachdem Niamey mit Moskau 2023 eine militärische Kooperation eingegangen war, machte die Junta die auf Druck der EU 2015 geschlossene Landroute nach Libyen wieder auf. Seitdem boomt das Schmugglergeschäft wieder.
Doch es gibt auch ein wenig Hoffnung. In Niamey stellt sich eine gewisse Ernüchterung mit Russland ein. Außer ein paar Ausbildern hat Russland wenig geliefert, und gar keine zivilen Hilfsgelder. Dies ist eine Chance für Europa, Moskau irgendwann wieder als Partner abzulösen. Berlin muss dann aber auch mal seine eigenen Interessen offensiver vertreten wie Italien, das seine bilaterale Kooperation mit Niger längst wieder aufgenommen und sich über Frankreichs Bedenken hinweggesetzt hat. Denn die Zeit der früheren Kolonialmacht ist abgelaufen. Nach dem erzwungenen Rückzug aus Mali, Niger und Burkina Faso verlangen jetzt auch Tschad und Senegal den Abzug französischer Soldaten. Zeit für eine eigenständigere Politik Berlins.
Der frühere Vizekanzler, SPD-Vorsitzende sowie Ex-Wirtschafts- und Außenminister Sigmar Gabriel soll Mitglied im Aufsichtsrat von Rheinmetall werden. Das teilte der Konzern am Donnerstag mit. Die Zustimmung der Aktionäre im Mai steht noch aus. Gabriel solle dem Konzern “mit seinem internationalen Renommee im In- und Ausland helfen”, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende Ulrich Grillo.
Gabriel selbst versteht seine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat als Beitrag, “offensiv mit der Notwendigkeit einer starken und leistungsfähigen Verteidigungsindustrie in Deutschland und Europa umzugehen”. Damit die europäische Säule der Nato wieder “abschreckungsfähig” und die Bundeswehr “verteidigungs- und kriegstauglich” werden könne, bedürfe es “eines starken nationalen und europäischen Champions wie Rheinmetall“, so Gabriel.
Gabriel ist Vorsitzender des Vereins Atlantik-Brücke und Mitglied der Denkfabrik European Council on Foreign Relations. Seit 2020 hat er Aufsichtsratsmandate bei der Deutschen Bank und Siemens Energy inne. Schon damals hatte Gabriel wegen seiner Beratertätigkeiten scharfe Kritik aus der SPD erhalten. Erst im August hatte der frühere SPD-Politiker sein Aufsichtsratsmandat bei Thyssenkrupp im Streit um die Ausrichtung der Stahlsparte niedergelegt.
Mit Gabriel nominierte das Kontrollgremium des Konzerns die Wissenschaftlerin und frühere Technik-Vorständin der Deutschen Bahn, Sabina Jeschke, für den Aufsichtsrat. bub
In den deutschen Kinos läuft derzeit ein Film über einen narzisstischen Bösewicht aus dem New Yorker Stadtteil Queens, der sich in den 1970er- und 1980er-Jahren mit krummen Geschäften zum Immobilienmogul und Milliardär hocharbeitet. Die Einblicke in das extravagante Leben der Drogen- und Discowelt könnten durchaus Unterhaltungswert haben – wenn es sich bei dem Hauptcharakter nicht um den designierten US-Präsidenten Donald Trump handeln würde. Während Trump – hervorragend gespielt von Sebastian Stan – anfangs noch so etwas wie ein Gewissen zu haben scheint, wird ihm das von seinem Mentor, dem Anwalt Roy Cohn, gespielt von Jeremy Strong, nach und nach ausgetrieben.
Der Film von Ali Abbasi beruht auf wahren Begebenheiten aus Trumps Leben. Auch wenn Abbasi sich dabei sicherlich auch die ein oder andere kreative Freiheit erlaubt, die drei Grundsätze, die Trump im Film von seinem Mentor Cohn übernimmt, lassen sich unschwer beim echten Donald Trump, wiederfinden: 1. Attack, attack, attack. 2. Never confess, always deny. 3. Always declare yourself the winner.
“The Apprentice – The Trump Story”, seit Mitte Oktober in den deutschen Kinos.
seitdem Wolodymyr Selenskyj selbst einen Waffenstillstand ins Gespräch gebracht hat, ist Bewegung in die Debatte um eine Verhandlungslösung gekommen – und in die um die Entsendung von EU-Bodentruppen in die Ukraine: Gabriel Bub hat sich genauer angeschaut, wie realistisch der Vorschlag von Annalena Baerbock ist, Bundeswehrsoldaten zur Absicherung eines Waffenstillstands zu entsenden.
Welche Haltung die Union im Ukraine-Konflikt und anderen zentralen außen- und sicherheitspolitischen Fragen verfolgt, lesen Sie in der Analyse von Lisa-Martina Klein und Wilhelmine Preußen. Spoiler: Das Thema Taurus wollen CDU und CSU im Wahlkampf nicht wirklich in den Mittelpunkt stellen.
Verteidigungsminister Boris Pistorius versuchte am Donnerstag, die Debatte um die Sicherung eines Waffenstillstands in der Ukraine durch europäische Truppen kleinzuhalten. Im Deutschlandfunk sagte er: “Man kann das heute noch gar nicht ernsthaft diskutieren, aber man wird es irgendwann diskutieren müssen.” Mit dem Nichtausschließen einer deutschen Beteiligung beim Sichern einer Waffenstillstandslinie durch Außenministerin Annalena Baerbock am Dienstag liegt ein weiteres Szenario, in dem westeuropäische Soldaten in der Ukraine agieren könnten, auf dem Tisch.
Schon vergangene Woche waren aufgrund eines Artikels von Le Monde Gerüchte aufgekommen, dass Frankreich und Großbritannien – unabhängig von einer Waffenstillstandslinie – einen möglichen Einsatz von Bodentruppen zur Unterstützung der Ukraine diskutierten. Hinter beiden Szenarien steckt die Sorge, was nach dem 20. Januar 2025 passiert, wenn Donald Trump das Amt des US-Präsidenten übernimmt.
Die Front in der Ukraine sei viel zu lang, um sie mit europäischen Soldaten zu sichern, sagt Stepan Rusyn, Berliner Vertreter des ukrainischen Thinktanks Transatlantic Dialogue Center. “Um die russische Armee mit ihren 1,5 Millionen Soldaten effektiv abzuschrecken, müssten die Europäer nahezu alle ihre Bodentruppen mit sämtlicher Ausrüstung entlang der 2.000 Kilometer langen potenziellen Frontlinie in der Ukraine stationieren”, sagt Rusyn. Angesichts der bisherigen Debatten in Europa hält er das für unrealistisch.
Zudem würde eine Stationierung ohne Nato-Mitgliedschaft der Ukraine nicht funktionieren, weil die europäischen Streitkräfte bei einem russischen Angriff in Kämpfe auf Nicht-Nato-Gebiet verwickelt wären – “ohne Aussicht auf US-amerikanische Unterstützung”. Eine weitere Befürchtung des Ukrainers Rusyn ist, dass europäische Staaten nach einem Regierungswechsel oder unter russischem Druck ihre Truppen abziehen würden. “Ähnlich, wie es im Februar 2022 mit den damals in der Ukraine stationierten Kräften geschah”, so Rusyn.
Trumps designierter Ukraine-Sondergesandter, Keith Kellogg, hatte im April einen Plan skizziert, der vorsieht, dass Waffenlieferungen an die Ukraine an die Bereitschaft zu Friedensgesprächen mit Russland gebunden würden. Zuvor hatte er einen Waffenstillstand entlang des Frontverlaufs ins Spiel gebracht, die restlichen Rückgewinne von Gebieten sollten auf diplomatischem Wege erfolgen.
Der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu hatte überrascht reagiert, als er vergangene Woche in Berlin gefragt wurde, ab wann man mit einer Entsendung europäischer Truppen in die Ukraine rechnen könne. Er habe dem, was Präsident Emmanuel Macron im Februar gesagt hatte – dass nicht auszuschließen sei, dass Truppen europäischer Nato-Länder in die Ukraine entsandt werden könnten – nichts hinzuzufügen.
Le Monde hatte berichtet, dass Großbritannien und Frankreich darüber diskutierten, sich an die Spitze einer Koalition zu stellen, um westeuropäische Truppen oder private Unternehmen in der Ukraine einzusetzen. Beim Besuch des britischen Premierministers Keir Starmer am 11. November in Paris hätten die Diskussionen wieder Fahrt aufgenommen. Mehrere Vorschläge würden diskutiert, darunter auch der, dass das französische Unternehmen Défense Conseil international (DCI), das die Rüstungsexporte und den Wissenstransfer für das Verteidigungsministerium abwickelt und an dem Frankreich 55 Prozent der Anteile hält, sich bereiterklärt habe, in der Ukraine Soldaten auszubilden. DCI besteht zu 80 Prozent aus ehemaligen Soldaten und bildet bereits in Frankreich und Polen Soldaten aus.
Dass in naher Zukunft europäische Nato-Truppen in die Ukraine gesendet werden könnten, hält András Rácz, Ukraine-Experte von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), für unwahrscheinlich. Erst recht nicht an der Frontlinie, weil sie zu lang sei. Die Vorbereitungen für so einen Einsatz würden sehr viel Zeit in Anspruch nehmen.
Sollten Truppen in die Ukraine entsendet werden, um ukrainische Soldaten auszubilden oder Ukrainer bei der Luftverteidigung zu unterstützen, “bin ich mir sicher, dass Russland mit Angriffen auf diese Truppen das Commitment der Europäer testen würde”, sagt Rácz.
Die Diskussionen um die Entsendung europäischer Nato-Truppen begrüßt er hingegen. “Das schafft eine Ambiguität in der Kommunikation. Dadurch muss Russland sich die Frage stellen, wo seine roten Linien liegen.” Bisher hätten sich nur europäische Länder diese Fragen stellen müssen. Russische Planungen würde das erschweren.
“Aus militärischer Sicht würden Trainingsmissionen in der Ukraine die Ausbildung ukrainischer Soldaten vereinfachen”, sagt Rácz. “Viele europäische Länder bieten individuelles Training an, auf Zug- und manchmal Kompanieebene.” Ganze Bataillone oder Brigaden trainieren zu lassen, sei eine “sehr komplexe logistische Herausforderung”, aber nötig, um die Effizienz der Truppen und ihrer Kommandeure zu steigern, so Rácz. Allerdings wären solche Missionen auch riskanter als in Westeuropa.
Die Positionen der Union in der Außen- und Sicherheitspolitik scheinen klar: fest an der Seite der Ukraine, für einen stärkeren europäischen Pfeiler in der Nato, eine Stärkung der Bundeswehr und – für die Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres. Beim sicherheitspolitischen Gespräch in der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (Baks) umriss der Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz, am Mittwochabend seine Vorstellungen. Hinter den Kulissen sind noch nicht alle Fragen geklärt.
Nationaler Sicherheitsrat: Die Union plädiert schon seit langem für einen Nationalen Sicherheitsrat als zentralem Beratungsgremium der Bundesregierung in Angelegenheiten der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Die Ampel sprach sich vergangenen Sommer dagegen aus. Merz betonte bei der Baks, dass ein solcher Rat im Kanzleramt angesiedelt sein müsse und federführend eine nationale Sicherheitsstrategie erarbeiten solle, die im ersten Jahr von der Regierung vorgestellt werden soll. Auch Länder und eventuell Gemeinden sollten hierbei eingebunden werden, so Merz.
Ukraine-Unterstützung: Die Ukraine muss gewinnen und Russland muss den Krieg verlieren, betonte Merz am Mittwoch bei der Baks und wählte damit Worte, die Bundeskanzler Olaf Scholz in dieser Deutlichkeit vermeidet. Territoriale Integrität und Bündnisfreiheit, militärisch und politisch, gehören für ihn dazu. Dass sich die Forderung nach einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine im Wahlprogramm wiederfindet, wird innerhalb der Union bezweifelt. Deutschland dürfe nicht Kriegspartei werden, deswegen müsse die Ukraine alle Unterstützung – auch militärische – erhalten, die sie brauche, so Merz Das Stichwort Taurus vermied zumindest bei der Baks allerdings auch er.
Waffenlieferungen an die Ukraine sind auch in Westdeutschland bei fast einer Hälfte der Bevölkerung unpopulär. Das weiß auch die Union. Je näher der Wahltag rückt, desto unkonkreter scheinen die Versprechungen der Führungsriege.
Finanzierung der Verteidigung: “Das Zweiprozent-Ziel verstehen wir als Minimum”, bekräftige Merz am Mittwoch. Das bedeutete nach Auslaufen des Sondervermögens einen Mehrbedarf von 30 Milliarden Euro im Einzelplan 14. Im CSU-Leitantrag ist drei Prozent des BIP für Verteidigung als Ziel verankert. Wirklich überzeugende Konzepte, wie der enorme Finanzbedarf gedeckt werden soll, fehlen allerdings.
Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter hatte sich in der Vergangenheit für eine Verdreifachung des Sondervermögens ausgesprochen. Damit ist er allerdings in der Union isoliert; Andeutungen, dass die Schuldenbremse gelockert werden könnte, hatte Merz selbst angedeutet und sofort wieder zurückgenommen; stattdessen spricht er nun von “Umpriorisierung” in den Ressorts. Ansonsten hofft man vor allem auf einen Wirtschaftsaufschwung, der die fehlenden Milliarden bringen soll. Hinter verschlossenen Türen geben auch Christdemokraten zu, dass bei dem Thema noch nicht alle Fragen geklärt sind.
Wehrpflicht: Interessant dürften die Formulierungen zum Thema Wehrpflicht / allgemeine Dienstpflicht werden. Die CDU spricht sich schon länger für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr für Frauen und Männer aus, sogar die CSU zeigte sich mit Blick auf eine damit einhergehende Grundgesetzänderung zuletzt offen. Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht müsse “sukzessive” erfolgen, stellte auch Merz am Mittwoch noch einmal klar. Für den Übergang plädiert er wie Verteidigungsminister Boris Pistorius für das schwedische Modell. Das bedeutet, alle eines Jahrgangs werden gemustert und diejenigen herangezogen, die wehrdiensttauglich sind und ihre Bereitschaft signalisiert haben.
Außenpolitik: Mit Blick auf die Orientierung der USA in Richtung Indopazifik und die America-First-Politik des künftigen US-amerikanischen Präsidenten, gilt für Merz umso mehr das Credo des starken Deutschlands in einem starken Europa. Die Beziehungen vor allem zu Frankreich und Polen sollen gestärkt werden, um mit einer gemeinsamen europäischen Stimme den USA auf Augenhöhe zu begegnen. Ein “starkes, selbstbewusstes, geeintes Europa” sei auch für die USA von strategischem Interesse, so Merz. Es geht darum, den europäischen Pfeiler innerhalb der Nato zu stärken. Ein harmonisiertes Rüstungsexportgesetz dürfte im Wahlprogramm festgeschrieben werden.
China: Deutlicher als im Wahlprogramm für 2021, angelehnt an das Positionspapier der Union vom April 2023, wird die Union das Thema China adressieren. China entwickele sich mehr und mehr zum Systemrivalen und agiere weniger als Partner und Wettbewerber, fasste es Merz zusammen und hob damit eine Veränderung in der Gewichtung des Dreiklangs hervor. Peking wird als die zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts für die regelbasierte internationale Ordnung, das Prinzip “Frieden durch Handel” als gescheitert angesehen. Die CDU/CSU fordert ein “De-Risking” und eine Stärkung der technologischen Souveränität der EU, insbesondere in Schlüsseltechnologien.
Am 17. Dezember, und damit einen Tag nach der Vertrauensfrage, will die Union ihr Programm vorstellen.
Angela Merkel blickt kritisch auf den Afghanistan-Einsatz zurück, verteidigt ihn aber auch. “Die internationale Gemeinschaft hatte ihre Ziele in Afghanistan zu hoch gesteckt“, resümierte die Altkanzlerin am Donnerstag als Zeugin im Afghanistan-Untersuchungsausschuss des Bundestages.
Die Entscheidung zur Beteiligung Deutschlands sei nach wie vor richtig gewesen, betonte Merkel. “Es gab die begründete Hoffnung, dass es nach dem Ende des Einsatzes keine terroristischen Angriffe mehr von Afghanistan aus geben würde.” Dennoch habe es sich als unmöglich erwiesen, in Afghanistan eine Demokratisierung “von außen zu erzwingen”.
Das Chaos beim internationalen Evakuierungseinsatz am 15. August 2021, dem Tag der Machtübernahme der Taliban, bewerteten Merkel und der ebenfalls aussagende ehemalige Chef des Bundeskanzleramts, Helge Braun, als äußeren Umstände. Sie betonten, dass keines der teilnehmenden Länder auf die Krisensituation angemessen vorbereitet gewesen sei.
Merkel hob mehrfach die dominante Rolle der USA hervor, die zeitweise über 100.000 Soldaten in Afghanistan stationiert hatten – im Falle Deutschlands waren es maximal 5.000. Die einseitige Abzugsentscheidung der Regierung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump sei einer der Gründe für die chaotischen Zustände bei der Evakuierung gewesen.
Ein anderer Grund sei eine Fehleinschätzung des Bundesnachrichtendienstes gewesen, sagte Braun. Dieser hatte nicht damit gerechnet, dass die afghanische Regierung vor dem 11. September 2021 zusammenbrechen würde. Dies hatte auch der ehemalige Außenminister Heiko Maas angemerkt, der vergangene Woche im Zeugenstand saß. asc
Das Verteidigungsministerium will noch 37 Vorlagen durch den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages bringen. Ein Großteil davon sollte bereits diese Woche auf der Tagesordnung des Verteidigungsausschusses und des Haushaltsausschusses stehen, die Union hat sie jedoch kurzfristig von der Tagesordnung genommen und will die einzelnen Vorhaben nochmal genau prüfen.
“Die Vorhaben hat das BMVg industriepolitisch begründet und nicht sicherheitspolitisch”, kritisierte der CDU-Bundestagsabgeordnete Henning Otte, stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, die Beschaffungsvorhaben, die das Verteidigungsministerium noch in diesem Jahr beschlossen haben will.
Es geht um Projekte wie die Modernisierung des Marschflugkörpers Taurus, aber auch den Einstieg in große Beschaffungsvorhaben wie die Luftverteidigungsfregatte F127 oder neue U-Boote. Genau die stellt Otte in Frage und ist damit in der Fraktion wohl nicht alleine.
U-Boote und Fregatten, die bis 2034 geliefert werden, seien zwar “eine wichtige Anschaffung”, die Prioritäten müssten aber bezüglich der Zeitachsen genau abgewogen werden. “Es gilt jetzt auch, beispielsweise die Kampfkraft der Landstreitkräfte zu erhöhen”, sagte Otte im Gespräch mit Table.Briefings.
Aus Ottes Sicht sind andere Projekte mit Blick auf die Aussagen des Generalinspekteurs der Bundeswehr, dass Russland bis Ende dieses Jahrzehnts Nato-Territorium angreifen könnte, derzeit entscheidender. Er nannte beispielsweise, das Tactial Wide Area Network für Landoperationen (TaWAN LBO), das die Kommunikation zwischen den Truppen auf dem Gefechtsfeld, die in Zukunft mit digitalen Funkgeräten ausgestattet sein werden, mit den Dienststellen im Hinterland sicherstellen soll.
Auf die Union könnte es jetzt ankommen. Am Dienstag hatte der Verteidigungsminister deswegen zum sogenannten verteidigungspolitischen Imbiss, der jede Sitzungswoche stattfindet, in den Bendlerblock ausnahmsweise auch Vertreter der Union eingeladen. wp
Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) dokumentierte 2023 so viele schwere Kinderrechtsverletzungen in Kriegen und Konflikten wie nie zuvor. 11.649 Kinder wurden im letzten Jahr kriegsbedingt getötet oder verstümmelt – 35 Prozent mehr als im Vorjahr. Konfliktbedingte sexualisierte Gewalt nahm um 25 Prozent zu. Die Fälle, bei denen nachweislich der Zugang zu humanitärer Hilfe verweigert wurde, stiegen um mehr als 32 Prozent.
Insgesamt gab es 32.990 Fälle schwerer Kinderrechtsverletzungen. Dazu zählen neben Tötungen, Verstümmelungen und sexualisierter Gewalt auch Angriffe auf Schulen und medizinische Infrastruktur, Entführungen sowie die Rekrutierung für den Kampf. Die Zahlen fasst der gestern erschienene Unicef-Situationsbericht 2024 zusammen.
Besonders viele schwere Kinderrechtsverletzungen stellten die UN 2023 in Israel und Palästina (8.009 Fälle), in der Demokratischen Republik Kongo (3.764 Fälle) und im Sudan (1.721 Fälle) fest. Der Trend setzt sich in diesem Jahr fort: In Gaza werden täglich durchschnittlich über 67 Kinder getötet oder verletzt. Im Sudan wurden seit Jahresbeginn über 1.500 schwere Kinderrechtsverletzungen verifiziert. Allein zwischen April und Oktober wurden dort 150 Kinder kriegsbedingt getötet.
Diese Zahlen seien “nur die Spitze des Eisbergs”, sagt Lucia Elmi, die die weltweiten Unicef-Nothilfeprogramme für Kinder leitet. Und: Sie beziehen sich allein auf physische Verletzungen. “Die seelischen Verletzungen aufgrund von Kriegen und Gewalt bleiben meist unsichtbar und werden nicht ernst genommen”, betont auch Areej Zindler, Fachärztin für Kinderpsychiatrie und -psychotherapie und Mitglied im Deutschen Komitee für Unicef.
Weltweit wächst jedes sechste Kind, insgesamt 460 Millionen, in einem Kriegs- oder Konfliktgebiet auf. Laut Unicef wurden in diesem Jahr mehr als 57 Millionen Kinder in Kriegs- und Krisenländern geboren. asc
Die Bundesregierung hat in ihrer Kabinettssitzung am Mittwoch beschlossen, die Einsätze der Bundeswehr im Roten Meer sowie im Südsudan fortzusetzen. “Aufgrund der für Anfang 2025 vorgesehenen Neuwahlen sollen für die vier in absehbarer Zeit auslaufenden Bundestagsmandate nun vorzeitig Verlängerungen auf den Weg gebracht werden”, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Neben den beiden Einsätzen am Horn von Afrika will die Bundesregierung noch zwei Einsätze im Mittelmeer verlängern.
Konkret handelt es sich um folgende Einsätze:
Die beiden Mandate am Horn von Afrika sollen nach Regierungsangaben inhaltlich unverändert bis zum 31. Oktober 2025 verlängert werden. Der Bundestag muss die entsprechenden Mandate allerdings noch bestätigen.
Das Bundestagsmandat der Eunavfor Aspides, das vorläufig bis zum 25. Februar 2025 läuft, sieht einen Einsatz von bis zu 700 Soldaten vor. Im Südsudan sind bis zu 50 Soldaten im Einsatz. Das Bundestagsmandat läuft noch bis Ende März 2025. dre/myb
Eine ausführliche Analyse zur Lage am Horn von Afrika lesen Sie hier.
Das Regime des syrischen Machthabers Baschar al-Assad gerät weiter unter Druck. Eine Woche nach der überraschenden Einnahme Aleppos durch die von der Türkei unterstützte Al-Qaida-Nachfolgeorganisation Tahri Hayat al-Sham (THS) haben die sunnitischen Milizionäre am Donnerstag auch weite Teile der Provinz und die gleichnamige Provinzhauptstadt Hama eingenommen. Der Iran entsandte den berüchtigten General der Revolutionsgarden,Javad Ghaffari, nach Syrien, um Assads staatliche Armeeeinheiten zu unterstützen. Am Wochenende wollten der russische Präsident Wladimir Putin und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan über eine Deeskalation des Konflikts sprechen.
Ankara erhofft sich durch den neu ausgebrochenen Konflikt, seine in der Vergangenheit in Syrien erlangten territorialen Gewinne militärisch abzusichern; nationalistische türkische Politiker verwiesen in diesem Zusammenhang auf historische Ansprüche der Türkei auf die Gebiete nördlich von Aleppo. Der 2011 mit Aufständen gegen Assad begonnene Krieg in Syrien galt seit 2020 als eingefroren. Nun sind abermals Hundertausende auf der Flucht; Erdogan setzt auch deshalb auf Härte, weil er eine Rückkehr der drei Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei in die Provinzen Idlib, Aleppo und Hama fordert.
Das Wiederaufflammen des Konflikts ist auch deshalb so gefährlich, weil es die bislang mit dem Assad-Regime kooperierenden Syrian Defence Forces (SDF) im Nordosten des Landes in Bedrängnis bringt. Diese werden vom syrischen PKK-Ableger, den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), kontrolliert und hatten die USA als Bündnispartner im Kampf gegen den Islamischen Staat 2015. 900 US-Soldaten sind an der Grenze zu Irak im Nordosten des Landes weiter stationiert; der damalige US-Präsident Donald Trump hatte seinerzeit erfolglos für ihren Abzug geworben. mrb
Foreign Policy: The Baltic Sea’s Bad Actors. Die möglichen Sabotageakte und Störmaßnahmen durch Russland und China in der Ostsee und im Schwarzen Meer könnten anderen Ländern als Inspiration dienen.
New York Times: ‘Politics Failed’: Top U.N. Envoy Says Gaza War Followed Years of Weak Diplomacy. Tor Wennesland, der ausscheidende oberste Gesandte der Vereinten Nationen für den Nahost-Friedensprozess, ist der Meinung, dass die internationale Gemeinschaft im israelisch-palästinensischen Konflikt kurzfristige Hilfen vor langfristigen Lösungen priorisiert hat. Er warnt davor, den Fehler zu wiederholen.
Washington Post: How Trump can end the war in Ukraine for good. Wenn Trump vermeiden will, ein historisches Scheitern wie die Vereinbarung von Budapest zu verantworten, muss er vermeiden, sich von Putin mit Versprechen beschwichtigen zu lassen, schreibt die Washington Post. Es brauche auch europäische Friedenstruppen, die eine demilitarisierte Zone bewachen.
New York Times: With Assad Challenged, a Push to Cut Syria’s Ties to Iran Grows More Unlikely. Die USA haben versucht, das Bündnis des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad mit Teheran zu schwächen. Der überraschende Vormarsch der Rebellen auf Aleppo hat diese Hoffnungen jedoch gedämpft. Assad setzt gerade jetzt auf enge Beziehungen zu Teheran.
IISS: Navigating Troubled Waters: The Houthis’ Campaign in the Red Sea and the Gulf of Aden. Nach zwölf Monaten fortgesetzter Angriffe der Houthis auf westliche Schiffe wird deutlich, dass die derzeitige Reaktion der internationalen Gemeinschaft ihre Ziele nicht erreicht hat.
Keine Frage: Niger macht es seinen Partnern nicht leicht. Die Polizei am Flughafen Niamey nimmt allen nicht-afrikanischen Reisenden bei der Ankunft den Reisepass ab – abzuholen ein paar Tage später. Die Militärregierung fürchtet, dass Frankreich Agenten einschleusen will. Mit der früheren Kolonialmacht hatten die neuen Machthaber nach ihrem Putsch gebrochen. Europa stellte damals auf Druck von Paris die Entwicklungskooperation ein. Das öffnete die Tür für Russland, das Söldner des Afrika-Korps schickte.
Man kann Europas Zögern verstehen, zur Tagesordnung überzugehen. Die Regierung hält bis heute den gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum gefangen. Nach einer baldigen Rückkehr zu einer zivilen Regierung sieht es nicht aus. Erst jetzt sollen nationale Beratungen über eine Transition beginnen. Trotzdem sollte Deutschland jetzt nicht den Wiederbeginn der Entwicklungsprojekte verschieben – das verschärft nur die Armut und treibt Menschen in die Migration.
Die Bundesregierung hatte sich sehr viel Zeit gelassen, mit den neuen Machthabern Kontakt aufzunehmen. Erst im Sommer akkreditierte Berlin einen neuen Botschafter, aber erst, nachdem auf Druck des Auswärtigen Amts noch ein Luftwaffenstützpunkt der Bundeswehr am Flughafen Niamey gekündigt worden war. In der Bundeswehr gab es Fürsprecher, diesen für Notfall-Evakuierungen in Afrika wie im Sudan 2023 zu erhalten. Deutschland hatte dort im Rahmen der inzwischen beendeten Mali-Mission viel investiert und etwa einen Flugzeughangar und Unterkünfte gebaut.
Erst vergangene Woche kam dann eine Delegation des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit aus Berlin, um mit der Regierung über Hilfsprojekte zu reden. Mitten in die Gespräche platzte dann der Abgang des EU-Botschafters Salvador Pinto da França. Der aus Portugal stammende Botschafter mit französischem Zweitpass war den neuen Machthabern ein Dorn im Auge, aber wohl auch vorher in das eine oder andere Fettnäpfchen getreten, heißt es in Niamey. Wegen der Krise unterschrieb die deutsche Delegation nicht wie geplant ein Protokoll zur Wiederaufnahme der Entwicklungsprojekte.
Doch Deutschland sollte nun pragmatisch handeln. Denn es steht sehr viel auf dem Spiel für Europa. Niger ist eines der ärmsten Länder der Welt und strategisch wichtig, weil durch den Flächenstaat die zentrale Afrika-Route zur Bootsabfahrt von Libyen nach Italien geht. Wer in Niger etwas zu sagen hat, redet beim Thema Migration mit. Russland hat Europas Zögern ausgenutzt, um sich als neuer Partner anzubieten. Einen Tag nachdem Niamey mit Moskau 2023 eine militärische Kooperation eingegangen war, machte die Junta die auf Druck der EU 2015 geschlossene Landroute nach Libyen wieder auf. Seitdem boomt das Schmugglergeschäft wieder.
Doch es gibt auch ein wenig Hoffnung. In Niamey stellt sich eine gewisse Ernüchterung mit Russland ein. Außer ein paar Ausbildern hat Russland wenig geliefert, und gar keine zivilen Hilfsgelder. Dies ist eine Chance für Europa, Moskau irgendwann wieder als Partner abzulösen. Berlin muss dann aber auch mal seine eigenen Interessen offensiver vertreten wie Italien, das seine bilaterale Kooperation mit Niger längst wieder aufgenommen und sich über Frankreichs Bedenken hinweggesetzt hat. Denn die Zeit der früheren Kolonialmacht ist abgelaufen. Nach dem erzwungenen Rückzug aus Mali, Niger und Burkina Faso verlangen jetzt auch Tschad und Senegal den Abzug französischer Soldaten. Zeit für eine eigenständigere Politik Berlins.
Der frühere Vizekanzler, SPD-Vorsitzende sowie Ex-Wirtschafts- und Außenminister Sigmar Gabriel soll Mitglied im Aufsichtsrat von Rheinmetall werden. Das teilte der Konzern am Donnerstag mit. Die Zustimmung der Aktionäre im Mai steht noch aus. Gabriel solle dem Konzern “mit seinem internationalen Renommee im In- und Ausland helfen”, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende Ulrich Grillo.
Gabriel selbst versteht seine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat als Beitrag, “offensiv mit der Notwendigkeit einer starken und leistungsfähigen Verteidigungsindustrie in Deutschland und Europa umzugehen”. Damit die europäische Säule der Nato wieder “abschreckungsfähig” und die Bundeswehr “verteidigungs- und kriegstauglich” werden könne, bedürfe es “eines starken nationalen und europäischen Champions wie Rheinmetall“, so Gabriel.
Gabriel ist Vorsitzender des Vereins Atlantik-Brücke und Mitglied der Denkfabrik European Council on Foreign Relations. Seit 2020 hat er Aufsichtsratsmandate bei der Deutschen Bank und Siemens Energy inne. Schon damals hatte Gabriel wegen seiner Beratertätigkeiten scharfe Kritik aus der SPD erhalten. Erst im August hatte der frühere SPD-Politiker sein Aufsichtsratsmandat bei Thyssenkrupp im Streit um die Ausrichtung der Stahlsparte niedergelegt.
Mit Gabriel nominierte das Kontrollgremium des Konzerns die Wissenschaftlerin und frühere Technik-Vorständin der Deutschen Bahn, Sabina Jeschke, für den Aufsichtsrat. bub
In den deutschen Kinos läuft derzeit ein Film über einen narzisstischen Bösewicht aus dem New Yorker Stadtteil Queens, der sich in den 1970er- und 1980er-Jahren mit krummen Geschäften zum Immobilienmogul und Milliardär hocharbeitet. Die Einblicke in das extravagante Leben der Drogen- und Discowelt könnten durchaus Unterhaltungswert haben – wenn es sich bei dem Hauptcharakter nicht um den designierten US-Präsidenten Donald Trump handeln würde. Während Trump – hervorragend gespielt von Sebastian Stan – anfangs noch so etwas wie ein Gewissen zu haben scheint, wird ihm das von seinem Mentor, dem Anwalt Roy Cohn, gespielt von Jeremy Strong, nach und nach ausgetrieben.
Der Film von Ali Abbasi beruht auf wahren Begebenheiten aus Trumps Leben. Auch wenn Abbasi sich dabei sicherlich auch die ein oder andere kreative Freiheit erlaubt, die drei Grundsätze, die Trump im Film von seinem Mentor Cohn übernimmt, lassen sich unschwer beim echten Donald Trump, wiederfinden: 1. Attack, attack, attack. 2. Never confess, always deny. 3. Always declare yourself the winner.
“The Apprentice – The Trump Story”, seit Mitte Oktober in den deutschen Kinos.