mögliche russische Anschlagspläne gegen den Nato-Luftwaffenstützpunkt Geilenkirchen, Sicherheitsvorfälle am Wasserwerk der Luftwaffenkaserne Köln-Wahn – Deutschland ist nervös und vor allem: verwundbar. Aber Deutschland ist nicht alleine. Wichtig wäre jetzt, ein gemeinsames Lagebild von verschiedenen Sabotageaktionen in Europa zu erstellen, sagt die finnische Sicherheitsexpertin Minna Ålander im Interview mit Nana Brink. Denn: Auch Finnland und viele weitere europäische Länder sind betroffen. Man sei aber nicht besonders gut darin, das Big Picture zu erkennen, so Ålander.
Zerstörte Schulen – fehlende Perspektiven: Die Auswirkungen von Krieg und humanitären Krisen auf die Bildung von Kindern sind fatal. 224 Millionen Kinder sind weltweit betroffen, schreibt meine Kollegin Anouk Schlung. Investitionen in das Bildungssystem kommen in Kriegszeiten fast ganz zum Erliegen. So fließen nur 8,5 Prozent der Gelder, die Deutschland an Projekte im Irak zahlt, in bessere Zukunftsperspektiven für Kinder, heißt es in einer Studie von Save the Children, die Gabriel Bub vorab vorlag und die heute erscheint.
Eine aufschlussreiche Lektüre wünscht Ihnen
Mitte August wurde die Luftwaffenkaserne in Köln-Wahn kurzzeitig geschlossen. Die Bundeswehr befürchtete eine Verunreinigung des Trinkwassers. Der Verdacht auf einen Sabotageakt hatte sich jedoch nicht bestätigt. Trotzdem steigt die Angst vor möglichen hybriden Angriffen dieser Art. In Finnland gab es im Sommer eine Reihe von Einbrüchen in Wasserwerke. Warum Europa diesen “Grauzonen-Aggressionen” mehr Aufmerksamkeit schenken muss, erklärt die finnische Sicherheitsexpertin Minna Ålander.
Frau Ålander, wer ist für die Einbruchsserie in Finnland verantwortlich?
Diese Serie von Vorfällen ist außergewöhnlich, weil kurz hintereinander viele Einbrüche passiert sind, also die Frequenz ist interessant. Ob es Sabotageakte waren, darüber hat die finnische Polizei noch keine Details bekannt gegeben. Was man weiß: Die Wasserqualität wurde nicht beeinträchtigt. Also was auch immer da versucht wurde, hat nicht komplett geklappt.
Waren die finnischen Sicherheitsbehörden darauf vorbereitet?
In Finnland besteht bereits seit den 1960er-Jahren ein Gesamtverteidigungssystem, das alle für die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft relevanten Akteurinnen und Akteure und Bereiche zusammenbringt. Die Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Behörden und anderen Stakeholdern funktioniert deshalb sehr gut. Aufrechterhalten wird das System unter anderem durch die sogenannten nationalen Verteidigungskurse, die mehrmals im Jahr stattfinden. Dort üben Ministerien, Behörden, Anbieter kritischer Infrastruktur, Medien- und Wirtschaftsvertreterinnen und -vertretern verschiedene Krisenszenarien. In Finnland ist man deshalb bereits seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf verschiedene Sabotage- und andere Störaktionen vorbereitet. Wer das in Europa nicht ist, hat den Schuss nicht gehört.
Haben Sie diese Angriffe überrascht?
Nein, auch wenn man noch nicht weiß, ob Russland der Drahtzieher ist. Man hat natürlich in Finnland damit gerechnet, dass Russland auf unsere Nato-Mitgliedschaft reagiert. Russland hat ja alle EU-Länder als feindselige Länder definiert und da macht es keinen wesentlichen Unterschied mehr, dass Finnland und Schweden jetzt in der Nato sind. Also wir wären sowieso alle Zielscheiben gewesen. Die Überraschung war eigentlich, dass es so lange gedauert hat, bis Russland die Kapazität freistellen konnte, um so etwas zu unternehmen. Und es wäre gut, sich das europaweit anzuschauen. Also dass man sich nicht so sehr auf diese einzelnen Vorfälle irgendwo konzentriert, sondern sich fragt, ob es ein Muster gibt.
Also sehen Sie ein Muster?
Generell gibt es ja ein Muster bezüglich dieser sogenannten hybriden Kriegsführung. Es wäre wichtig, ein gemeinsames Lagebild von verschiedenen Sabotageaktionen in Europa zu erstellen. So fanden ja Störvorfälle auch in Frankreich während der Olympischen Spiele statt, als Bahnlinien lahmgelegt wurden. Wir sind in Europa nicht besonders gut darin, das größere Muster zu erkennen und voneinander zu lernen. Also wo passiert was und wie hängt das vielleicht zusammen? Gibt es eine Strategie, die gerade ausgetestet wird? Es ist ja völlig klar gewesen, dass seit zweieinhalb Jahren, seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, die Gefahr von Sabotagen und anderen hybriden Aktionen enorm gestiegen ist in ganz Europa. Und da ist es schon bedauerlich, dass die Koordinierung noch immer nicht besonders gut funktioniert.
Was müsste die EU tun?
Die EU kann eine sehr wichtige Rolle spielen, gerade bei dieser sogenannten “Grauzonen-Aggression”. Das sind Aktionen, die ein bestimmtes Ziel verfolgen – also zum Beispiel Einbrüche in Wasserwerke -, aber diese Aktionen spielen sich unterhalb der Grenze von bewaffneten Konflikten ab. Deshalb spielt hier auch das Eskalationsmanagement eine große Rolle. Da kann die EU als politische Union reagieren, anders als die Nato als Militärbündnis. Die EU kann eine Lücke füllen. Das Problem bei diesen hybriden Angriffen ist ja, dass die Gesetzeslage oft nicht ausreichend ist, um darauf zu reagieren. Und da kann die EU den einzelnen Mitgliedern, die dann betroffen sind, sowohl praktisch helfen als auch eine politische Unterstützung nach außen signalisieren.
Wie kann das aussehen?
Die EU hat die hybride Toolbox entwickelt, die bessere Koordinierung und gemeinsame Antworten ermöglichen soll. Dabei können Mitgliedstaaten Teams für eine rasche Reaktion auf hybride Bedrohungen anfordern. Finnland hat die Toolbox beispielsweise im Fall der Balticconector-Gaspipeline im Oktober 2023 aktiviert, als die Pipeline durch den Anker eines chinesischen Schiffs beschädigt wurde. Im Fall der instrumentalisierten Migration an der finnisch-russischen Grenze hat Finnland die Unterstützung von der EU Grenzschutz-Agentur Frontex gesucht und nicht von der Nato.
In der Ukraine können aktuell nur 58 Prozent der Schulen Präsenzunterricht anbieten. Im Osten und im Süden des Landes sind bis zu 99 Prozent der Schulen dauerhaft geschlossen. “Präsenzunterricht kann also gar nicht stattfinden”, berichtet Vera Schroepel, die vor Ort als Kinderschutzspezialistin für Unicef arbeitet.
Zwar gibt es Alternativen zum klassischen Unterricht, wie digitale Lernzentren oder Catch-Up-Lernsessions, doch die soziale und mentale Entwicklung, die Schulen eigentlich fördern soll, bleibt oft hintendran. “Die ist, wenn man sie in dem Alter verpasst, später schwer wieder aufzuholen”, sagt Schroepel. “Schätzungen gehen aktuell davon aus, dass 1,5 Millionen Kinder in der Ukraine gefährdet sind, langfristige psychologische Folgen aufgrund des Kriegs zu tragen.”
Diese Zahlen sind ein eindrückliches Beispiel dafür, wie sich Kriege und Konflikte auf die Bildungschancen junger Menschen auswirken. “Ein Problem von Konflikt- und Krisenregionen ist, dass dort weniger öffentliche Gelder ins Bildungssystem investiert werden”, sagt Malte Pfau, der für die politische Arbeit bei der Kindernothilfe tätig ist. “Man sieht häufig, dass das Militärbudget deutlich über dem des Bildungsbudgets liegt.”
Und auch der politische Fokus in Krisenregionen liegt oft nicht primär auf Bildung und der psychosozialen Gesundheit von Kindern. Das ist zum Beispiel im Irak der Fall, wie Mohamed Mohsen von Save the Children berichtet. Dort “gibt es immer noch kein Gesetz, das den Schutz von Kindern in der Politik durchsetzt.” Besonders für Binnenvertriebene und Geflüchtete, die seit 1993 vor den Kämpfen zwischen der türkischen Armee und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und seit 2014 vor der Terrororganisation Islamischer Staat flohen, ist die Situation immer noch unzureichend. In den Flüchtlingslagern in der Autonomen Region Kurdistan leben 250.000 Menschen, von denen 90 Prozent aus Syrien stammen. Die Hälfte von ihnen ist unter 18 Jahre – gerade ihre Bildungsbiografien sind in Gefahr.
Es sei nicht leicht, die Geflüchteten, von denen 90 Prozent aus Syrien stammen, ins kurdische Bildungssystem mit einer ganz anderen Sprache zu integrieren. Für die jungen Menschen bedeute das einen Verlust von Identität und Verbundenheit, wodurch psychische Belastungen und Probleme zunehmen. Diese können die Schulen in den Lagern nicht auffangen. “Mehr als 70 Prozent der Lehrkräfte in den Schulen verfügen nur über minimale Kenntnisse im Bereich der psychischen Gesundheit und der psychosozialen Unterstützung”, so Mohsen. Das vom staatlichen Service Civil International und anderen Agenturen geleitete Refugee Education Integration Program sei zwar eine gute Initiative, “aber es fehlt an ausreichenden Mitteln und muss durch Programme für psychische Gesundheit und psychosoziale Unterstützung ergänzt werden”, fordert er.
Der Einfluss, den Konflikte auf die Bildungschancen junger Menschen haben, ist drastisch. Weltweit sind schätzungsweise 224 Millionen Kinder und Jugendliche aus 73 Ländern durch humanitäre Krisen in ihrer Bildung eingeschränkt. Ein Drittel der betroffenen Kinder hat derzeit keine Möglichkeit, eine Schule zu besuchen, heißt es in der im Juni 2023 veröffentlichten Studie “Crisis-Affected Children and Adolescents in Need of Education Support” von Education Cannot Wait, einem von Unicef verwalteten globalen Bildungsfonds.
Die meisten Angriffe auf Bildungseinrichtungen wurden 2022 und 2023 in den Palästinensischen Gebieten, der Ukraine, der Demokratischen Republik Kongo und Myanmar verzeichnet. Besonders stark nahmen die Zahlen im Vergleich zu den Vorjahren in der Ukraine, dem Sudan, Palästina, Syrien und Nigeria zu, heißt es in der Publikation Education Under Attack 2024 der Global Coalition to Protect Education from Attack, einem Zusammenschluss internationaler Bildungsorganisationen. Im Sudan konnten seit April 2023 90 Prozent der 19 Millionen Kinder im schulpflichtigen Alter keine Schule besuchen, schreiben die Autoren des im Juli von Plan International veröffentlichten Neglected Crisis Advocacy Brief.
Für viele Kinder bedeuten Schulen mehr als Bildung allein: Sie stellen Schutzräume sowie Wasser, Sanitärversorgung, Hygiene und Ernährungssicherheit zur Verfügung. Die Folgen gehen über den bildungspolitischen Sektor hinaus. Denn zerstörte Bildungschancen fördern den Kreislauf von Armut und Perspektivlosigkeit, und somit auch das Risiko der Rekrutierung von Kindern und Jugendlichen in bewaffnete Gruppen, oder für Mädchen, den Anstieg von Kinderheirat und -schwangerschaften. Für die Mädchen bedeutet dies Gesundheits- sowie soziale Risiken, aus denen diverse Formen der Ausbeutung resultieren können, sagt Rüdiger Schöch, Referatsleiter Humanitäre Krisen, Engagement & Netzwerk bei Plan International Deutschland.
Gibt es Möglichkeiten für die betroffenen Regionen, den Folgen von Kriegen auf die Bildungsmöglichkeiten junger Menschen vorzubeugen? “Letztendlich durch die Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts”, sagt Schöch. Dazu gehört zum Beispiel die 2015 verabschiedete Safe Schools Declaration, eine politische Verpflichtung zum Schutz von Schülern und Studenten, Lehrern, Schulen und Universitäten vor Angriffen und den Auswirkungen bewaffneter Konflikte, die 120 Staaten unterzeichnet haben. Die Erklärung verpflichtet die Staaten, Bildungseinrichtungen im Falle eines Konflikts gänzlich aus diesem herauszuhalten. “Angriffe auf Schulen während eines Konflikts gehören zudem zu den sechs schwerwiegenden Verstößen, die vom UN-Sicherheitsrat festgestellt und verurteilt werden”, ergänzt Schöch.
Immer wieder haben Behörden dem Messengerdienst Telegram einen zu laxen Umgang mit kriminellen und extremistischen Aktivitäten auf seiner Plattform vorgeworfen – auch in Deutschland. Zwar hat das Unternehmen in der Vergangenheit auf Druck von Regierungen und internationalen Organisationen extremistische Inhalte entfernt und illegales Handeln unterbunden. Doch dies geschah eher punktuell und nicht systematisch, was zu Kritik an der Effektivität und Konsistenz dieser Maßnahmen geführt hat. Jetzt hat Frankreich reagiert: Die französische Polizei nahm den Gründer und Chef des Unternehmens, Pawel Durow, am Wochenende in Paris fest.
Die EU-Kommission hat hingegen keine direkte Handhabe gegen Durow. Sie ist nicht einmal für die Aufsicht nach dem Digital Services Act (DSA) zuständig, da Telegram nicht als Very Large Online Platform (VLOP) im Sinne des DSA designiert ist. “Es ist nicht Sache der Kommission, sich zu einer nationalen Untersuchung zu äußern”, sagte ein Sprecher der Kommission.
Die Verhaftung von Durow falle in die Zuständigkeit der französischen Behörden und unter französisches Strafrecht. “Die strafrechtliche Verfolgung gehört nicht zu den möglichen Sanktionen für einen Verstoß gegen den DSA“, stellte der Sprecher klar. Der DSA definiere weder, was illegal ist, noch begründe er einen Straftatbestand und kann daher nicht für Verhaftungen herangezogen werden. Dennoch betonte der Sprecher: “Wir verfolgen die Entwicklungen im Zusammenhang mit Telegram genau und sind bereit, mit den französischen Behörden zusammenzuarbeiten, falls dies erforderlich sein sollte.”
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron trat am Montag Gerüchten entgegen, die Verhaftung Durows sei politisch motiviert. Frankreich sei der Meinungsfreiheit zutiefst verpflichtet. “Die Verhaftung des Telegram-Chefs auf französischem Territorium fand im Rahmen einer laufenden gerichtlichen Untersuchung statt”, schrieb Macron bei X. “Dies ist in keiner Weise eine politische Entscheidung. Es ist Sache der Richter, darüber zu entscheiden.”
Ein Polizeisprecher sagte zu Reuters, dass die nationalen Ämter für Cyberkriminalität und Betrug gegen Durow ermittelten, weil er bei Cyber- und Finanzkriminalität auf Telegram nicht kooperiert habe. Er befinde sich immer noch in Haft, sagte der Sprecher. Französische Medien berichteten zuvor, Durow habe sich durch fehlendes Eingreifen bei Telegram und unzureichende Kooperation mit Behörden des Drogenhandels, Betrugs und mehrerer Vergehen im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch mitschuldig gemacht.
Das Bundesinnenministerium wollte sich zu konkreten Maßnahmen und Vorwürfen der französischen Behörden nicht äußern. Es bestehe aber eine Kooperation zwischen Telegram und dem Bundeskriminalamt hinsichtlich der Löschersuchen und behördlicher Entfernungsanordnungen, “die wir begrüßen”. In anderen Bereichen sehe das Ministerium allerdings noch Verbesserungsbedarf.
Das BKA übermittele an Telegram sowohl Löschersuchen mit der Bitte um selbständige Prüfung und gegebenenfalls Entfernung der Inhalte auf Grundlage der eigenen Nutzerrichtlinien, als auch Entfernungsanordnungen auf Grundlage der Verordnung zur Bekämpfung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte (TCO-Verordnung). Den Entfernungsanordnungen sei Telegram bislang in allen Fällen nachgekommen; den Löschersuchen nur in Teilen. “Die Beauskunftung von Bestandsdaten lehnt Telegram jedoch weiterhin ab”, teilte das Bundesinnenministerium mit.
Hierzulande ist die Bundesnetzagentur (BNetzA) für die Sanktionierung von Hostingdiensten zuständig. Sie kann Anbieter mit Sitz in Deutschland verpflichten, spezifische Maßnahmen zu ergreifen, um die Verbreitung terroristischer Inhalte über ihre Dienste zu verhindern, wenn der Dienst offensichtlich nicht ausreichend eigeninitiativ tätig wird. Telegram hat jedoch in Belgien seinen gesetzlichen Vertreter für die TCO-VO benannt. Dementsprechend ist die belgische Regulierungsbehörde BIPT für die Sanktionierung von Telegram zuständig. “Mit dieser gab es bereits im April 2024 einen Austausch zu Telegram, in dem auch angeregt wurde, ein Verfahren zur Implementierung von ,spezifischen Maßnahmen’ aufzunehmen”, sagte eine BNetzA-Sprecherin.
Geht es um kriminelle Aktivitäten oder gar Kindesmissbrauch, ist der DSA der EU relevant, der die Nutzer allgemein vor rechtswidrigen Inhalten im Netz schützen soll. Er ist seit Februar 2024 unmittelbar in allen EU-Ländern anwendbar. Nutzer können illegalen Content melden. Dafür müssen die Plattformen ein leicht zugängliches Meldesystem einrichten und zügig reagieren. Bei Problemen mit dem Melde- und Abhilfeverfahren können sich Nutzer beim nationalen Digital Services Coordinator (DSC) beschweren. Der DSC – hierzulande die BNetzA – kann dann Ermittlungen einleiten und bei systemischen Verstößen verhängen. Die Kommission ist nur für VLOPs zuständig.
Um Telegram kümmert sich wiederum der belgische DSC. Allerdings hat die belgische Regierung noch keinen DSC offiziell benannt. Deswegen hat die Kommission auch bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Belgien eingeleitet.
Die Regulierungsbehörde BIPT agiert zurzeit als “proto-DSC”. Die Bundesnetzagentur arbeitet nach eigenen Angaben auf europäischer Ebene über das von der Kommission bereitgestellte Informationsaustauschsystem AGORA mit der belgischen Behörde bezüglich Telegram zusammen. “Bei dem deutschen DSC sind bislang keine Beschwerden zu Telegram eingegangen”, sagte die Sprecherin. “Sollten uns Beschwerden zu DSA-Verstößen durch Telegram erreichen, werden diese an die belgische Behörde weitergeleitet.”
Politisch brisant ist die Angelegenheit, weil die Spannungen zwischen Frankreich und Russland seit Monaten zunehmen. Die französischen Behörden hatten Russland vorgeworfen, das Land im Vorfeld der Olympischen Spiele in Paris destabilisieren zu wollen, weil Russland Frankreichs harte Position im Ukraine-Krieg nicht gefällt. Russland bestreitet das. Unbestritten ist jedoch, dass Telegram in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion sehr populär ist. Sowohl russische als auch ukrainische staatliche Stellen nutzen den Messengerdienst ausgiebig, um Informationen über den Krieg in der Ukraine zu verbreiten.
Hinzu kommt: Der 39-jährige Durow ist in Russland geboren, studierte an der Universität St. Petersburg. Seine politische Einstellung nennt er “libertär”. Gemeinsam mit seinem Bruder Nikolai gründete er 2006 erst die Plattform VK, früher bekannt als VKontakte, das russische Pendant zu Facebook. 2013 folgte die Gründung von Telegram. Ein Jahr später verkaufte Durow seine VK-Anteile an Alischer Usmanow, einem kremltreuen Unternehmer.
Während seiner Zeit in Russland hatte Durow immer wieder Probleme mit den russischen Behörden, unter anderem weil er sich weigerte, Gruppen auf VK zu schließen, die dem Kreml unliebsam waren. 2011 nutzten Protestierende VK, um nach den Parlamentswahlen Demonstrationen gegen das Regime zu organisieren.
Im Jahr 2014 verließ Durow Russland. In den Folgejahren lebte der Unternehmer in Berlin, London, Singapur und San Francisco. 2017 zog er nach Dubai, wo auch Telegram seinen Sitz hat. “Ich bin lieber frei, als von irgendjemandem Befehle anzunehmen”, sagte er in einem TV-Interview. Sein Vermögen wird vom Magazin “Forbes” auf 15,5 Milliarden Dollar geschätzt.
Nach Angaben seines Unternehmens besitzt Durow unter anderem die Staatsbürgerschaften Frankreichs und der Vereinigten Arabischen Emirate. Der Unternehmer fühlt sich immer wieder von Regierungen unter Druck gesetzt. Die App solle aber eine “neutrale Plattform” bleiben und kein “Akteur in der Geopolitik” werden.
In einer kürzlich veröffentlichten Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung hatten die Autoren vor erheblichen Sicherheitsmängeln gewarnt, die es auch möglich machen, Telegram zur politischen Beeinflussung einzusetzen. Besonders kritisch betrachten sie das undurchsichtige Verschlüsselungsprotokoll MTProto, da dessen fehlende Transparenz es für unabhängige Experten schwierig macht, die Sicherheit und Integrität des Protokolls zu überprüfen. Diese Intransparenz könnte potenzielle Schwachstellen verbergen, die von Angreifern ausgenutzt werden könnten.
Zudem verschärfe die Tatsache, dass Standard- und Gruppenchats nicht durchgängig Ende-zu-Ende verschlüsselt sind, das Risiko, dass Telegram selbst oder Dritte Zugriff auf die Inhalte der Kommunikation erhalten. Dies untergrabe die Privatsphäre der Nutzer und erhöht die Anfälligkeit für Überwachung und Missbrauch.
Um diesen Risiken entgegenzuwirken, schlagen die Autoren vor, dass die Politik strengere Regulierungen durchsetzt, insbesondere im Rahmen des DSA. Dieser könnte Telegram dazu zwingen, höhere Standards bei Transparenz und Moderation einzuführen, um die Verbreitung illegaler Inhalte zu verhindern und die Sicherheit der Nutzer zu gewährleisten.
Tatsächlich fällt Telegram derzeit wie alle Plattformen unter den DSA, nicht aber unter die strengeren Transparenz- und Dokumentationspflichten, die dort für VLOPs gelten. Durow prahlt zwar damit, dass weltweit bald eine Milliarde Menschen Telegram nutzen. Doch das Unternehmen gibt an, in der EU seien es weniger als 45 Millionen Nutzer, was die Schwelle für VLOPs ist. Derzeit prüft die Kommission noch, ob diese Zahl stimmt. Sie kann eigene Berechnungen anstellen und zu einem anderen Ergebnis kommen.
Stefanie Babst – unabhängige Politikberaterin
Stefanie Babst war lange Jahre im internationalen Stab der Nato und bis 2020 stellvertretende beigeordnete Generalsekretärin der Public Diplomacy Division – und damit ranghöchste Deutsche. Anschließend machte sie sich als Politikberaterin selbständig, ist in der deutschen Medienlandschaft als Expertin mit klarer Kritik an der deutschen Nato-Politik bekannt und nimmt weiter Funktionen beispielsweise im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) wahr. Zuletzt erschien ihr Buch: “Sehenden Auges: Mut zum strategischen Kurswechsel”, in dem sie für eine proaktivere deutsche Sicherheitspolitik plädiert.
Béla Anda – Gründer von Anda Business Communication
“You can win in the courtroom but lose in public – so don’t!”, heißt es in der Bio von Bela Anda auf “X”. Anda ist Medienprofi. Als langjähriger Journalist und ehemaliger stellvertretender Chefredakteur der “Bild” weiß er, die richtigen Fragen zu stellen. Als ehemaliger Regierungssprecher unter Gerhard Schröder wiederum weiß er, schwierige Fragen zu beantworten. Mittlerweile berät er Unternehmen mit seiner eigenen Firma “Anda Business Communication” unter anderem in der Krisen-Kommunikation.
Heiko Borchert – Inhaber und Geschäftsführer Borchert Consulting & Research AG
Heiko Borchert ist Inhaber und Geschäftsführer der Borchert Consulting & Research AG, die sich auf sicherheitsstrategische Themen spezialisiert. Der KI-Experte ist Co-Direktor des Defense AI Observatory an der Universität der Bundeswehr Hamburg, Berater der Geostrategic Intelligence Group in Helsinki und Experte des The Hague Center for Strategic Studies. Seine Expertise nutzt er auch als Mitglied des Redaktionsbeirats der Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik und des Defence Horizon Journal.
Joachim Peter – Partner, Brunswick
Joachim Peter ist seit 2019 Partner bei der strategischen Kommunikationsberatung Brunswick in Berlin. Zuvor war er viele Jahre Korrespondent der Tageszeitung “Die Welt” in Berlin und gehörte anschließend als Textchef Politik zur Führungsmannschaft der Nachrichtenagentur dapd. Sicherheitspolitische Fachkompetenz erhielt er unter anderem im Referat für Strategische Kommunikation 2010 und 2011, im Leitungsstab des Bundesministeriums der Verteidigung.
Germar Schröder – Partner, PricewaterhouseCoopers (PwC) Strategy& GmbH
Germar Schröder ist Berater bei Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC, und leitet den Bereich öffentlicher Sektor in Europa. Er fokussiert sich auf die Schnittstelle von Wirtschaft und Sicherheitspolitik. Schwerpunkte seiner Arbeit bilden insbesondere der Bereich Verteidigung, IT Strategie und Innovation sowie Cyber. Germar Schröder studierte und promovierte in theoretischer Physik an der Universität Hamburg sowie dem Albert-Einstein-Institut Potsdam.
Harald Christ – Inhaber und Gründer Christ&Company
In seiner eigenen Beratungsfirma Christ&Company berät er große Konzerne, Familienunternehmen, CEOs und Verbände in Sachen strategischer und Krisen-Kommunikation. Dabei kann er mit weitreichenden Erfahrungen und einem beträchtlichen Netzwerk in Politik (erst SPD, dann FDP) und Wirtschaft dienen.
Robert Hermann – Geschäftsführer, Germany Trade & Invest (GTAI)
Robert Hermann ist seit Februar 2018 Geschäftsführer von Germany Trade & Invest (GTAI), die Außenwirtschaftsagentur des Bundes. In seiner Funktion informiert er unter anderem deutsche Unternehmen über Auslandsmärkte und verfolgt dadurch tagtäglich die geopolitischen Entwicklungen. Zwischen 2004 und 2008 war Hermann als Investorenanwerber für die neuen Bundesländer und anschließend für Gesamtdeutschland in den Büros der Vorgängergesellschaften der GTAI in Washington D.C. und Boston tätig.
David Chinn – Partner, McKinsey
David Chinn ist Senior Partner und Managing Partner des McKinsey-Büros in Israel. Zuvor leitete er die Public & Social Sector Practice in Europa und war maßgeblich an der Entwicklung von McKinseys Aktivitäten im Bereich Cybersicherheit beteiligt. Mit über 20 Jahren Erfahrung in verschiedenen Branchen hat er unter anderem umfassende Transformationen in der Luft- und Raumfahrt sowie im Verteidigungssektor durchgeführt. Mittlerweile konzentriert er sich auch auf Regierungsreformen und bringt dabei vor allem auch seine Expertise aus dem Verteidigungssektor ein.
Jan Kallmorgen – Partner, Ernst & Young (EY)
Jan Kallmorgen ist seit Februar 2024 Partner im Bereich Strategy & Transactions bei EY-Parthenon. Seit über 15 Jahren berät er internationale Investoren und Unternehmen an der Schnittstelle von (Geo-)Politik und Wirtschaft und soll in diesem Bereich auch die Arbeit von EY weiter vorantreiben. 2017 gründete er die auf Geopolitik und Government Affairs spezialisierte Beratungsfirma Berlin Global Advisors (BGA). Kallmorgen hat an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und der Freien Universität Berlin studiert und einen Master an der School of Foreign Service der Georgetown University abgeschlossen.
Jan H. Wille – Partner, PricewaterhouseCoopers (PwC) Strategy& GmbH
Jan H. Wille ist Partner im Hamburger Büro von Strategy& und leitet PWCs Aerospace- und Defense-Team in Europa, Nahost und Afrika. Zu seinen jüngsten Projekten gehören die Digitalisierung eines Flugzeugherstellers oder die Umgestaltung militärischer Beschaffungsprozesse. Wille war Logistikoffizier bei der Bundeswehr und promovierte in Maschinenbau an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg.
Gerade einmal 8,5 Prozent der deutschen Ausgaben im Irak zwischen 2018 und 2022 waren Kindern gewidmet. Das geht aus einer Studie im Auftrag von Save the Children hervor, die Table.Briefings vorab vorlag. Etwa die Hälfte der Bevölkerung im Irak ist minderjährig. Sollte der Konflikt im Irak wieder aufflammen, fände der Islamische Staat (IS) die richtigen Bedingungen für einen wachsenden Pool für die Rekrutierung von Kindern und Jugendlichen vor, heißt es in der Untersuchung. Auch wenn der IS keine Gebiete mehr kontrolliert, sind im Irak noch Zellen aktiv.
Den geringen Anteil an Ausgaben für Kinder sieht Studienautorin Sofie Lilli Stoffel als Sicherheitsrisiko. Der IS habe während der Besetzung Schulen in “Radikalisierungsschulen” umgewandelt und in der Propaganda strategische Ansätze entwickelt, um Kinder gezielt anzusprechen. “Und da gibt es keine Gegenstrategie. Das ist gefährlich”, sagt Stoffel.
2013 verzeichnete der IS im Irak seine ersten Gebietsgewinne. Vier Jahre später verkündete Premierminister Haider al-Abadi die Rückeroberung der besetzten Territorien im Irak. Doch noch immer ist das Land von diesem und anderen Kriegen gezeichnet. Laut Zahlen von 2021 sind fünf Millionen Kinder im Irak Waisen, 4,5 Millionen leben unter der Armutsgrenze und müssen mit weniger als 85 US-Dollar im Monat auskommen, und eine Million befinden sich in Kinderarbeit.
Gerade in jungen Gesellschaften und da, wo radikale Gruppen gezielt Kinder und Jugendliche ansprechen, steige das Risiko für eine erneute Krise. “Kinder als demografischer Faktor sind in der Außen- und Sicherheitspolitik nirgends relevant. Es gibt mal Seitnotizen, aber gerade den sicherheitspolitischen Aspekt hat niemand auf dem Schirm”, sagt Stoffel. Dabei seien die Hälfte der Menschen in Konfliktgebieten weltweit Kinder.
Deutschland ist im Irak hinter den USA der zweitgrößte Geldgeber und hat dort seit 2014 rund drei Milliarden Euro investiert. In Deutschland ist der Bevölkerungsanteil von Kindern deutlich geringer. “Aus der deutschen Sicht auf Bevölkerung spielen Kinder deshalb eine viel kleinere Rolle.”
Im aktuellen Haushaltsplan der Bundesregierung schrumpft der Entwicklungsetat so stark wie kein anderer. Die Bundesregierung plant, das Geld für Entwicklungszusammenarbeit um acht Prozent zu kürzen. Zuletzt hatte auch ein FDP-Papier für Aufregung gesorgt, das vorsah, das Entwicklungsministerium ins Auswärtige Amt einzugliedern. bub
Die vollständige Studie (Englisch) können Sie hier abrufen. Die deutsche Kurzversion finden Sie hier.
Mehr als 100 Raketen und etwa 100 Drohnen gegen zivile Infrastruktur in der Ukraine: Russland hat am gestrigen Montag unter anderem neun ukrainische Umspannwerke angegriffen. Auch der Damm eines Wasserkraftwerks in der Nähe von Kiew ist leicht beschädigt worden. Nach Angaben des Leiters des ukrainischen Antidesinformationszentrums, Andrij Kovalenko, sei der Damm aber mit Raketen nicht zu zerstören.
Wegen einer der schlimmsten Angriffswellen auf zivile, ukrainische Infrastruktur meldeten mehrere Regionen in der Ukraine Strom- und Wasserausfälle. Nach Angaben des Präsidenten Wolodymyr Selenskyj seien mindestens fünf Menschen getötet worden.
Russland hat die Angriffsintensitäten mit Raketen und Drohnen verstärkt, seitdem ukrainische Truppen auf russisches Territorium vordringen. Obwohl ein eindeutiger Zusammenhang unklar ist, zeigen die Angriffe, dass Russland die Raketen- und Drohnenproduktion sowie -beschaffung verbessert hat. Die Ukraine fängt nach eigenen Angaben gut 60 Prozent der Drohnen ab. Doch mit ballistischen Raketen wie Tochka-U und modifizierten Raketen des Typs S-300 und S-400 gibt es große Probleme.
Setzt Russland auf verschiedene Drohnen- und Raketen-Typen gleichzeitig, steigt die Wahrscheinlich, dass Ziele getroffen und zerstört werden. Der ukrainische Verteidigungsminister forderte von westlichen Unterstützern erneut, die Beschränkung der Nutzung westlicher Waffen aufzuheben. Kiew möchte die Waffen gegen Flugplätze, Planungsstäbe und Startvorrichtungen von Raketen und Drohnen auf russischem Territorium einsetzen.
Nach der Aufregung um einen möglichen großen Aufmarsch belarussischer Truppen an der Grenze zur Ukraine am Wochenende, hat der ukrainische Grenzschutz am Montag Entwarnung gegeben. Die Situation habe sich nicht verändert. “Russland hat in Belarus derzeit nicht genügend Kräfte, um von dort in die Ukraine einzudringen”, sagte der Leiter des ukrainischen Grenzschutzes. Überraschenderweise teilte am Montag auch die russische Privatmiliz Wagner mit, dass sie zwar Kräfte in Belarus habe, diese aber nicht an der “Sondermilitäroperation” Moskaus teilnehmen würden.
Am heutigen Dienstag will der Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Daniel Grossi, zum russischen Atomkraftwerk Kursk reisen. Es befindet sich etwa 20 Kilometer von den Kampfhandlungen zwischen ukrainischen und russischen Truppen entfernt. vf
Internationale Politik: Die Verantwortung des Westens für die Zukunft der Ukraine. Ohne verstärkte westliche Unterstützung droht der Ukraine eine Niederlage. Um die Zukunft des Landes zu sichern, ist eine unumkehrbare Einbindung in euro-atlantische Strukturen notwendig, selbst wenn kurzfristig Gebietsabtretungen unvermeidbar sein sollten.
James Martin Center for Nonproliferation Studies (CNS): Iran-Russia Defense Cooperation. Die Beziehungen zwischen Teheran und Moskau florieren und kündigen neue Unsicherheiten für die internationale Gemeinschaft an durch Waffenhandel und Entwicklungen neuer militärischer Technologien. Diese Studie bietet eine gute Übersicht der Kooperationsbereiche und der verantwortlichen Institutionen in beiden Staaten.
Handelsblatt: Dieser Mann will den Umsatz von Rheinmetall vervierfachen. Der Aufschwung des Düsseldorfer Rüstungsproduzenten Rheinmetall hat auch den persönlichen Reichtum von Konzernchef Armin Papperger vervielfacht. Dieses ausführliche Porträt hilft zu verstehen, wie Papperger das geschafft hat.
Seit Anfang März ist Bartjan Wegter als EU-Koordinator für die Terrorismusbekämpfung der EU im Amt. Nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt verübte der zentralasiatische IS-Ableger ISKP einen verheerenden Terroranschlag auf die Konzerthalle Crocus City Hall in Moskau, unweit der EU-Grenzen.
Für Wegter kam das nicht unerwartet. Seit Jahren sei die ISKP in der EU als reale Gefahr bekannt, sagt er. Auch die Terrorismusgefahr im Allgemeinen sei für ihn ständig präsent gewesen. Sie sei nur in Jahren von weltweiten Kriegen und Krisen verstärkt in den Hintergrund getreten. “Die Terrorismusbekämpfung ist so wichtig wie nie zuvor, ob wir es wollen oder nicht”, sagt er.
Im neuen Amt helfen Wegter seine bisherigen beruflichen Erfahrungen, etwa als stellvertretender Vertreter der Niederlande bei der Nato oder als Teil des Sicherheitsrats der niederländischen Mission bei den Vereinten Nationen in New York. “Ich fühle mich in einer multilateralen Umgebung zu Hause”, sagt der 56-Jährige.
Dass Wegter nun eine Position bei der Europäischen Union bekleidet, “schließt einen natürlichen Kreis”, wie er sagt. Denn er ist in Brüssel zur Welt gekommen, sein Vater arbeitete damals in der EU-Kommission, seine Mutter lehrte an einer europäischen Schule.
“Die Schritte in meinem weiteren Leben waren immer verbunden mit der Idee der europäischen Integration”, sagt Wegter. In seinem Studium der Politikwissenschaft war er im Jahr 1990 einer der ersten Erasmus-Studenten überhaupt, als er für einen Auslandsaufenthalt nach Bologna aufbrach. Später studierte er European Affairs in Brügge.
In seinem jetzigen Mandat als EU-Koordinator für die Terrorismusbekämpfung versteht sich Wegter als “der einzige Akteur, der eine komplette Übersicht über die Bemühungen der Mitgliedstaaten zur Terrorismusbekämpfung hat”. Obwohl er selbst keine Maßnahmen erlassen kann, könne er die Belange der einzelnen EU-Staaten auf eine europäische Ebene heben und somit Kooperationen zwischen Ländern auf den Weg bringen.
Zusätzlich steht er in Kontakt mit verschiedenen Organisationen auf nationaler und europäischer Ebene. Dazu zählen Europol, nationale Grenzschutz- und Sicherheitsbehörden. Gerade moderne Formen wie Cyberterrorismus, Desinformationskampagnen und ausländische Einmischung seien Themen, “die kein Mitgliedstaat alleine bewältigen kann”. In diesen Bereichen stehe Wegter als Partner zur Verfügung, um Empfehlungen zu geben und das Bewusstsein der Länder zu schärfen.
Eine weitere wichtige Aufgabe Wegters besteht darin, Bemühungen der EU zur Terrorismusbekämpfung im Austausch mit Drittstaaten voranzutreiben. “Alle Bedrohungen, denen wir in der EU ausgesetzt sind, gehen entweder von außerhalb unserer Grenzen aus oder werden durch das verstärkt, was außerhalb unserer Grenzen geschieht”, sagt er.
Obwohl die Europäische Kommission über eine ausgeprägte Expertise im Bereich des Terrorismus verfüge, sei er “das Gesicht der EU-Terrorbekämpfung”. Er diene als Ansprechpartner für Drittstaaten, die eine Zusammenarbeit anstreben.
Besonders aktiv sei man derzeit in Zentralasien, in Nordsyrien und dem Irak, aber auch in der Sahelregion und im westlichen Afrika, so Wegter, wo “besorgniserregende Entwicklungen zu beobachten sind”. Die meisten Drittstaaten zeigten ein großes Interesse an einer Kooperation mit der EU sowie deren Partnern aus den USA und Großbritannien.
Die Strategie dabei: “Wir gehen immer von den regionalen Bemühungen zur Terrorismusbekämpfung aus und suchen nach Wegen, wie wir dabei unterstützen können.”
Insgesamt sieht Wegter die EU im Bereich der Terrorismusbekämpfung auf einem guten Weg. Dass die EU nach den Terroranschlägen in Madrid im Jahre 2004 die Position des Counterterrorism Coordinators geschaffen habe, sei essenziell gewesen. Die Terrorgefahr sei weiterhin nicht zu unterschätzen, doch insgesamt “sind wir in einer deutlich besseren Position als noch vor 20 Jahren“, sagt er. Jasper Bennink
Bis vor wenigen Monaten hat Martin Schelleis Krisenvorbereitung für die Streitkräfte gemanagt. Jetzt kümmert er sich um Krisenvorbereitung für eine zivile Hilfsorganisation: Der 64-jährige Generalleutnant a.D. übernimmt die Aufgabe des Bundesbeauftragten für Krisenresilienz, Sicherheitspolitik und Zivil-Militärische Zusammenarbeit bei den Maltesern, wie die Organisation mitteilte.
Schelleis war bis Mitte Mai Inspekteur der Streitkräftebasis der Bundeswehr. Der Organisationsbereich, der vor allem Teilstreitkraft-übergreifend für die Logistik zuständig war, wird mit der von Verteidigungsminister Boris Pistorius angewiesenen Umstrukturierung der “Bundeswehr der Zeitenwende” aufgelöst und zusammen mit dem bisherigen Zentralen Sanitätsdienst in einem Unterstützungsbereich für die Streitkräfte aufgehen. Im Zuge der Neuorganisation war der Luftwaffengeneral in den – vorerst einstweiligen – Ruhestand versetzt worden.
Mit seiner ehrenamtlichen Tätigkeit für die Malteserhilfe soll Schelleis die Beziehungen zum Verteidigungsministerium und den Fachkommandos der Bundeswehr, aber auch zu anderen Organisationen im Zivilschutz intensivieren, erklärte die Hilfsorganisation. Als Inspekteur der Streitkräftebasis und zeitweise auch als sogenannter Nationaler Territorialer Befehlshaber hatte der Generalleutnant in seiner Dienstzeit bereits enge Kontakte zu den verschiedenen zivilen Organisationen zum Beispiel im Bereich der Katastrophenhilfe. Der frühere Offizier ist dem Hilfsdienst bereits durch seine Mitgliedschaft im Malteserorden verbunden. tw
mögliche russische Anschlagspläne gegen den Nato-Luftwaffenstützpunkt Geilenkirchen, Sicherheitsvorfälle am Wasserwerk der Luftwaffenkaserne Köln-Wahn – Deutschland ist nervös und vor allem: verwundbar. Aber Deutschland ist nicht alleine. Wichtig wäre jetzt, ein gemeinsames Lagebild von verschiedenen Sabotageaktionen in Europa zu erstellen, sagt die finnische Sicherheitsexpertin Minna Ålander im Interview mit Nana Brink. Denn: Auch Finnland und viele weitere europäische Länder sind betroffen. Man sei aber nicht besonders gut darin, das Big Picture zu erkennen, so Ålander.
Zerstörte Schulen – fehlende Perspektiven: Die Auswirkungen von Krieg und humanitären Krisen auf die Bildung von Kindern sind fatal. 224 Millionen Kinder sind weltweit betroffen, schreibt meine Kollegin Anouk Schlung. Investitionen in das Bildungssystem kommen in Kriegszeiten fast ganz zum Erliegen. So fließen nur 8,5 Prozent der Gelder, die Deutschland an Projekte im Irak zahlt, in bessere Zukunftsperspektiven für Kinder, heißt es in einer Studie von Save the Children, die Gabriel Bub vorab vorlag und die heute erscheint.
Eine aufschlussreiche Lektüre wünscht Ihnen
Mitte August wurde die Luftwaffenkaserne in Köln-Wahn kurzzeitig geschlossen. Die Bundeswehr befürchtete eine Verunreinigung des Trinkwassers. Der Verdacht auf einen Sabotageakt hatte sich jedoch nicht bestätigt. Trotzdem steigt die Angst vor möglichen hybriden Angriffen dieser Art. In Finnland gab es im Sommer eine Reihe von Einbrüchen in Wasserwerke. Warum Europa diesen “Grauzonen-Aggressionen” mehr Aufmerksamkeit schenken muss, erklärt die finnische Sicherheitsexpertin Minna Ålander.
Frau Ålander, wer ist für die Einbruchsserie in Finnland verantwortlich?
Diese Serie von Vorfällen ist außergewöhnlich, weil kurz hintereinander viele Einbrüche passiert sind, also die Frequenz ist interessant. Ob es Sabotageakte waren, darüber hat die finnische Polizei noch keine Details bekannt gegeben. Was man weiß: Die Wasserqualität wurde nicht beeinträchtigt. Also was auch immer da versucht wurde, hat nicht komplett geklappt.
Waren die finnischen Sicherheitsbehörden darauf vorbereitet?
In Finnland besteht bereits seit den 1960er-Jahren ein Gesamtverteidigungssystem, das alle für die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft relevanten Akteurinnen und Akteure und Bereiche zusammenbringt. Die Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Behörden und anderen Stakeholdern funktioniert deshalb sehr gut. Aufrechterhalten wird das System unter anderem durch die sogenannten nationalen Verteidigungskurse, die mehrmals im Jahr stattfinden. Dort üben Ministerien, Behörden, Anbieter kritischer Infrastruktur, Medien- und Wirtschaftsvertreterinnen und -vertretern verschiedene Krisenszenarien. In Finnland ist man deshalb bereits seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf verschiedene Sabotage- und andere Störaktionen vorbereitet. Wer das in Europa nicht ist, hat den Schuss nicht gehört.
Haben Sie diese Angriffe überrascht?
Nein, auch wenn man noch nicht weiß, ob Russland der Drahtzieher ist. Man hat natürlich in Finnland damit gerechnet, dass Russland auf unsere Nato-Mitgliedschaft reagiert. Russland hat ja alle EU-Länder als feindselige Länder definiert und da macht es keinen wesentlichen Unterschied mehr, dass Finnland und Schweden jetzt in der Nato sind. Also wir wären sowieso alle Zielscheiben gewesen. Die Überraschung war eigentlich, dass es so lange gedauert hat, bis Russland die Kapazität freistellen konnte, um so etwas zu unternehmen. Und es wäre gut, sich das europaweit anzuschauen. Also dass man sich nicht so sehr auf diese einzelnen Vorfälle irgendwo konzentriert, sondern sich fragt, ob es ein Muster gibt.
Also sehen Sie ein Muster?
Generell gibt es ja ein Muster bezüglich dieser sogenannten hybriden Kriegsführung. Es wäre wichtig, ein gemeinsames Lagebild von verschiedenen Sabotageaktionen in Europa zu erstellen. So fanden ja Störvorfälle auch in Frankreich während der Olympischen Spiele statt, als Bahnlinien lahmgelegt wurden. Wir sind in Europa nicht besonders gut darin, das größere Muster zu erkennen und voneinander zu lernen. Also wo passiert was und wie hängt das vielleicht zusammen? Gibt es eine Strategie, die gerade ausgetestet wird? Es ist ja völlig klar gewesen, dass seit zweieinhalb Jahren, seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, die Gefahr von Sabotagen und anderen hybriden Aktionen enorm gestiegen ist in ganz Europa. Und da ist es schon bedauerlich, dass die Koordinierung noch immer nicht besonders gut funktioniert.
Was müsste die EU tun?
Die EU kann eine sehr wichtige Rolle spielen, gerade bei dieser sogenannten “Grauzonen-Aggression”. Das sind Aktionen, die ein bestimmtes Ziel verfolgen – also zum Beispiel Einbrüche in Wasserwerke -, aber diese Aktionen spielen sich unterhalb der Grenze von bewaffneten Konflikten ab. Deshalb spielt hier auch das Eskalationsmanagement eine große Rolle. Da kann die EU als politische Union reagieren, anders als die Nato als Militärbündnis. Die EU kann eine Lücke füllen. Das Problem bei diesen hybriden Angriffen ist ja, dass die Gesetzeslage oft nicht ausreichend ist, um darauf zu reagieren. Und da kann die EU den einzelnen Mitgliedern, die dann betroffen sind, sowohl praktisch helfen als auch eine politische Unterstützung nach außen signalisieren.
Wie kann das aussehen?
Die EU hat die hybride Toolbox entwickelt, die bessere Koordinierung und gemeinsame Antworten ermöglichen soll. Dabei können Mitgliedstaaten Teams für eine rasche Reaktion auf hybride Bedrohungen anfordern. Finnland hat die Toolbox beispielsweise im Fall der Balticconector-Gaspipeline im Oktober 2023 aktiviert, als die Pipeline durch den Anker eines chinesischen Schiffs beschädigt wurde. Im Fall der instrumentalisierten Migration an der finnisch-russischen Grenze hat Finnland die Unterstützung von der EU Grenzschutz-Agentur Frontex gesucht und nicht von der Nato.
In der Ukraine können aktuell nur 58 Prozent der Schulen Präsenzunterricht anbieten. Im Osten und im Süden des Landes sind bis zu 99 Prozent der Schulen dauerhaft geschlossen. “Präsenzunterricht kann also gar nicht stattfinden”, berichtet Vera Schroepel, die vor Ort als Kinderschutzspezialistin für Unicef arbeitet.
Zwar gibt es Alternativen zum klassischen Unterricht, wie digitale Lernzentren oder Catch-Up-Lernsessions, doch die soziale und mentale Entwicklung, die Schulen eigentlich fördern soll, bleibt oft hintendran. “Die ist, wenn man sie in dem Alter verpasst, später schwer wieder aufzuholen”, sagt Schroepel. “Schätzungen gehen aktuell davon aus, dass 1,5 Millionen Kinder in der Ukraine gefährdet sind, langfristige psychologische Folgen aufgrund des Kriegs zu tragen.”
Diese Zahlen sind ein eindrückliches Beispiel dafür, wie sich Kriege und Konflikte auf die Bildungschancen junger Menschen auswirken. “Ein Problem von Konflikt- und Krisenregionen ist, dass dort weniger öffentliche Gelder ins Bildungssystem investiert werden”, sagt Malte Pfau, der für die politische Arbeit bei der Kindernothilfe tätig ist. “Man sieht häufig, dass das Militärbudget deutlich über dem des Bildungsbudgets liegt.”
Und auch der politische Fokus in Krisenregionen liegt oft nicht primär auf Bildung und der psychosozialen Gesundheit von Kindern. Das ist zum Beispiel im Irak der Fall, wie Mohamed Mohsen von Save the Children berichtet. Dort “gibt es immer noch kein Gesetz, das den Schutz von Kindern in der Politik durchsetzt.” Besonders für Binnenvertriebene und Geflüchtete, die seit 1993 vor den Kämpfen zwischen der türkischen Armee und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und seit 2014 vor der Terrororganisation Islamischer Staat flohen, ist die Situation immer noch unzureichend. In den Flüchtlingslagern in der Autonomen Region Kurdistan leben 250.000 Menschen, von denen 90 Prozent aus Syrien stammen. Die Hälfte von ihnen ist unter 18 Jahre – gerade ihre Bildungsbiografien sind in Gefahr.
Es sei nicht leicht, die Geflüchteten, von denen 90 Prozent aus Syrien stammen, ins kurdische Bildungssystem mit einer ganz anderen Sprache zu integrieren. Für die jungen Menschen bedeute das einen Verlust von Identität und Verbundenheit, wodurch psychische Belastungen und Probleme zunehmen. Diese können die Schulen in den Lagern nicht auffangen. “Mehr als 70 Prozent der Lehrkräfte in den Schulen verfügen nur über minimale Kenntnisse im Bereich der psychischen Gesundheit und der psychosozialen Unterstützung”, so Mohsen. Das vom staatlichen Service Civil International und anderen Agenturen geleitete Refugee Education Integration Program sei zwar eine gute Initiative, “aber es fehlt an ausreichenden Mitteln und muss durch Programme für psychische Gesundheit und psychosoziale Unterstützung ergänzt werden”, fordert er.
Der Einfluss, den Konflikte auf die Bildungschancen junger Menschen haben, ist drastisch. Weltweit sind schätzungsweise 224 Millionen Kinder und Jugendliche aus 73 Ländern durch humanitäre Krisen in ihrer Bildung eingeschränkt. Ein Drittel der betroffenen Kinder hat derzeit keine Möglichkeit, eine Schule zu besuchen, heißt es in der im Juni 2023 veröffentlichten Studie “Crisis-Affected Children and Adolescents in Need of Education Support” von Education Cannot Wait, einem von Unicef verwalteten globalen Bildungsfonds.
Die meisten Angriffe auf Bildungseinrichtungen wurden 2022 und 2023 in den Palästinensischen Gebieten, der Ukraine, der Demokratischen Republik Kongo und Myanmar verzeichnet. Besonders stark nahmen die Zahlen im Vergleich zu den Vorjahren in der Ukraine, dem Sudan, Palästina, Syrien und Nigeria zu, heißt es in der Publikation Education Under Attack 2024 der Global Coalition to Protect Education from Attack, einem Zusammenschluss internationaler Bildungsorganisationen. Im Sudan konnten seit April 2023 90 Prozent der 19 Millionen Kinder im schulpflichtigen Alter keine Schule besuchen, schreiben die Autoren des im Juli von Plan International veröffentlichten Neglected Crisis Advocacy Brief.
Für viele Kinder bedeuten Schulen mehr als Bildung allein: Sie stellen Schutzräume sowie Wasser, Sanitärversorgung, Hygiene und Ernährungssicherheit zur Verfügung. Die Folgen gehen über den bildungspolitischen Sektor hinaus. Denn zerstörte Bildungschancen fördern den Kreislauf von Armut und Perspektivlosigkeit, und somit auch das Risiko der Rekrutierung von Kindern und Jugendlichen in bewaffnete Gruppen, oder für Mädchen, den Anstieg von Kinderheirat und -schwangerschaften. Für die Mädchen bedeutet dies Gesundheits- sowie soziale Risiken, aus denen diverse Formen der Ausbeutung resultieren können, sagt Rüdiger Schöch, Referatsleiter Humanitäre Krisen, Engagement & Netzwerk bei Plan International Deutschland.
Gibt es Möglichkeiten für die betroffenen Regionen, den Folgen von Kriegen auf die Bildungsmöglichkeiten junger Menschen vorzubeugen? “Letztendlich durch die Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts”, sagt Schöch. Dazu gehört zum Beispiel die 2015 verabschiedete Safe Schools Declaration, eine politische Verpflichtung zum Schutz von Schülern und Studenten, Lehrern, Schulen und Universitäten vor Angriffen und den Auswirkungen bewaffneter Konflikte, die 120 Staaten unterzeichnet haben. Die Erklärung verpflichtet die Staaten, Bildungseinrichtungen im Falle eines Konflikts gänzlich aus diesem herauszuhalten. “Angriffe auf Schulen während eines Konflikts gehören zudem zu den sechs schwerwiegenden Verstößen, die vom UN-Sicherheitsrat festgestellt und verurteilt werden”, ergänzt Schöch.
Immer wieder haben Behörden dem Messengerdienst Telegram einen zu laxen Umgang mit kriminellen und extremistischen Aktivitäten auf seiner Plattform vorgeworfen – auch in Deutschland. Zwar hat das Unternehmen in der Vergangenheit auf Druck von Regierungen und internationalen Organisationen extremistische Inhalte entfernt und illegales Handeln unterbunden. Doch dies geschah eher punktuell und nicht systematisch, was zu Kritik an der Effektivität und Konsistenz dieser Maßnahmen geführt hat. Jetzt hat Frankreich reagiert: Die französische Polizei nahm den Gründer und Chef des Unternehmens, Pawel Durow, am Wochenende in Paris fest.
Die EU-Kommission hat hingegen keine direkte Handhabe gegen Durow. Sie ist nicht einmal für die Aufsicht nach dem Digital Services Act (DSA) zuständig, da Telegram nicht als Very Large Online Platform (VLOP) im Sinne des DSA designiert ist. “Es ist nicht Sache der Kommission, sich zu einer nationalen Untersuchung zu äußern”, sagte ein Sprecher der Kommission.
Die Verhaftung von Durow falle in die Zuständigkeit der französischen Behörden und unter französisches Strafrecht. “Die strafrechtliche Verfolgung gehört nicht zu den möglichen Sanktionen für einen Verstoß gegen den DSA“, stellte der Sprecher klar. Der DSA definiere weder, was illegal ist, noch begründe er einen Straftatbestand und kann daher nicht für Verhaftungen herangezogen werden. Dennoch betonte der Sprecher: “Wir verfolgen die Entwicklungen im Zusammenhang mit Telegram genau und sind bereit, mit den französischen Behörden zusammenzuarbeiten, falls dies erforderlich sein sollte.”
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron trat am Montag Gerüchten entgegen, die Verhaftung Durows sei politisch motiviert. Frankreich sei der Meinungsfreiheit zutiefst verpflichtet. “Die Verhaftung des Telegram-Chefs auf französischem Territorium fand im Rahmen einer laufenden gerichtlichen Untersuchung statt”, schrieb Macron bei X. “Dies ist in keiner Weise eine politische Entscheidung. Es ist Sache der Richter, darüber zu entscheiden.”
Ein Polizeisprecher sagte zu Reuters, dass die nationalen Ämter für Cyberkriminalität und Betrug gegen Durow ermittelten, weil er bei Cyber- und Finanzkriminalität auf Telegram nicht kooperiert habe. Er befinde sich immer noch in Haft, sagte der Sprecher. Französische Medien berichteten zuvor, Durow habe sich durch fehlendes Eingreifen bei Telegram und unzureichende Kooperation mit Behörden des Drogenhandels, Betrugs und mehrerer Vergehen im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch mitschuldig gemacht.
Das Bundesinnenministerium wollte sich zu konkreten Maßnahmen und Vorwürfen der französischen Behörden nicht äußern. Es bestehe aber eine Kooperation zwischen Telegram und dem Bundeskriminalamt hinsichtlich der Löschersuchen und behördlicher Entfernungsanordnungen, “die wir begrüßen”. In anderen Bereichen sehe das Ministerium allerdings noch Verbesserungsbedarf.
Das BKA übermittele an Telegram sowohl Löschersuchen mit der Bitte um selbständige Prüfung und gegebenenfalls Entfernung der Inhalte auf Grundlage der eigenen Nutzerrichtlinien, als auch Entfernungsanordnungen auf Grundlage der Verordnung zur Bekämpfung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte (TCO-Verordnung). Den Entfernungsanordnungen sei Telegram bislang in allen Fällen nachgekommen; den Löschersuchen nur in Teilen. “Die Beauskunftung von Bestandsdaten lehnt Telegram jedoch weiterhin ab”, teilte das Bundesinnenministerium mit.
Hierzulande ist die Bundesnetzagentur (BNetzA) für die Sanktionierung von Hostingdiensten zuständig. Sie kann Anbieter mit Sitz in Deutschland verpflichten, spezifische Maßnahmen zu ergreifen, um die Verbreitung terroristischer Inhalte über ihre Dienste zu verhindern, wenn der Dienst offensichtlich nicht ausreichend eigeninitiativ tätig wird. Telegram hat jedoch in Belgien seinen gesetzlichen Vertreter für die TCO-VO benannt. Dementsprechend ist die belgische Regulierungsbehörde BIPT für die Sanktionierung von Telegram zuständig. “Mit dieser gab es bereits im April 2024 einen Austausch zu Telegram, in dem auch angeregt wurde, ein Verfahren zur Implementierung von ,spezifischen Maßnahmen’ aufzunehmen”, sagte eine BNetzA-Sprecherin.
Geht es um kriminelle Aktivitäten oder gar Kindesmissbrauch, ist der DSA der EU relevant, der die Nutzer allgemein vor rechtswidrigen Inhalten im Netz schützen soll. Er ist seit Februar 2024 unmittelbar in allen EU-Ländern anwendbar. Nutzer können illegalen Content melden. Dafür müssen die Plattformen ein leicht zugängliches Meldesystem einrichten und zügig reagieren. Bei Problemen mit dem Melde- und Abhilfeverfahren können sich Nutzer beim nationalen Digital Services Coordinator (DSC) beschweren. Der DSC – hierzulande die BNetzA – kann dann Ermittlungen einleiten und bei systemischen Verstößen verhängen. Die Kommission ist nur für VLOPs zuständig.
Um Telegram kümmert sich wiederum der belgische DSC. Allerdings hat die belgische Regierung noch keinen DSC offiziell benannt. Deswegen hat die Kommission auch bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Belgien eingeleitet.
Die Regulierungsbehörde BIPT agiert zurzeit als “proto-DSC”. Die Bundesnetzagentur arbeitet nach eigenen Angaben auf europäischer Ebene über das von der Kommission bereitgestellte Informationsaustauschsystem AGORA mit der belgischen Behörde bezüglich Telegram zusammen. “Bei dem deutschen DSC sind bislang keine Beschwerden zu Telegram eingegangen”, sagte die Sprecherin. “Sollten uns Beschwerden zu DSA-Verstößen durch Telegram erreichen, werden diese an die belgische Behörde weitergeleitet.”
Politisch brisant ist die Angelegenheit, weil die Spannungen zwischen Frankreich und Russland seit Monaten zunehmen. Die französischen Behörden hatten Russland vorgeworfen, das Land im Vorfeld der Olympischen Spiele in Paris destabilisieren zu wollen, weil Russland Frankreichs harte Position im Ukraine-Krieg nicht gefällt. Russland bestreitet das. Unbestritten ist jedoch, dass Telegram in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion sehr populär ist. Sowohl russische als auch ukrainische staatliche Stellen nutzen den Messengerdienst ausgiebig, um Informationen über den Krieg in der Ukraine zu verbreiten.
Hinzu kommt: Der 39-jährige Durow ist in Russland geboren, studierte an der Universität St. Petersburg. Seine politische Einstellung nennt er “libertär”. Gemeinsam mit seinem Bruder Nikolai gründete er 2006 erst die Plattform VK, früher bekannt als VKontakte, das russische Pendant zu Facebook. 2013 folgte die Gründung von Telegram. Ein Jahr später verkaufte Durow seine VK-Anteile an Alischer Usmanow, einem kremltreuen Unternehmer.
Während seiner Zeit in Russland hatte Durow immer wieder Probleme mit den russischen Behörden, unter anderem weil er sich weigerte, Gruppen auf VK zu schließen, die dem Kreml unliebsam waren. 2011 nutzten Protestierende VK, um nach den Parlamentswahlen Demonstrationen gegen das Regime zu organisieren.
Im Jahr 2014 verließ Durow Russland. In den Folgejahren lebte der Unternehmer in Berlin, London, Singapur und San Francisco. 2017 zog er nach Dubai, wo auch Telegram seinen Sitz hat. “Ich bin lieber frei, als von irgendjemandem Befehle anzunehmen”, sagte er in einem TV-Interview. Sein Vermögen wird vom Magazin “Forbes” auf 15,5 Milliarden Dollar geschätzt.
Nach Angaben seines Unternehmens besitzt Durow unter anderem die Staatsbürgerschaften Frankreichs und der Vereinigten Arabischen Emirate. Der Unternehmer fühlt sich immer wieder von Regierungen unter Druck gesetzt. Die App solle aber eine “neutrale Plattform” bleiben und kein “Akteur in der Geopolitik” werden.
In einer kürzlich veröffentlichten Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung hatten die Autoren vor erheblichen Sicherheitsmängeln gewarnt, die es auch möglich machen, Telegram zur politischen Beeinflussung einzusetzen. Besonders kritisch betrachten sie das undurchsichtige Verschlüsselungsprotokoll MTProto, da dessen fehlende Transparenz es für unabhängige Experten schwierig macht, die Sicherheit und Integrität des Protokolls zu überprüfen. Diese Intransparenz könnte potenzielle Schwachstellen verbergen, die von Angreifern ausgenutzt werden könnten.
Zudem verschärfe die Tatsache, dass Standard- und Gruppenchats nicht durchgängig Ende-zu-Ende verschlüsselt sind, das Risiko, dass Telegram selbst oder Dritte Zugriff auf die Inhalte der Kommunikation erhalten. Dies untergrabe die Privatsphäre der Nutzer und erhöht die Anfälligkeit für Überwachung und Missbrauch.
Um diesen Risiken entgegenzuwirken, schlagen die Autoren vor, dass die Politik strengere Regulierungen durchsetzt, insbesondere im Rahmen des DSA. Dieser könnte Telegram dazu zwingen, höhere Standards bei Transparenz und Moderation einzuführen, um die Verbreitung illegaler Inhalte zu verhindern und die Sicherheit der Nutzer zu gewährleisten.
Tatsächlich fällt Telegram derzeit wie alle Plattformen unter den DSA, nicht aber unter die strengeren Transparenz- und Dokumentationspflichten, die dort für VLOPs gelten. Durow prahlt zwar damit, dass weltweit bald eine Milliarde Menschen Telegram nutzen. Doch das Unternehmen gibt an, in der EU seien es weniger als 45 Millionen Nutzer, was die Schwelle für VLOPs ist. Derzeit prüft die Kommission noch, ob diese Zahl stimmt. Sie kann eigene Berechnungen anstellen und zu einem anderen Ergebnis kommen.
Stefanie Babst – unabhängige Politikberaterin
Stefanie Babst war lange Jahre im internationalen Stab der Nato und bis 2020 stellvertretende beigeordnete Generalsekretärin der Public Diplomacy Division – und damit ranghöchste Deutsche. Anschließend machte sie sich als Politikberaterin selbständig, ist in der deutschen Medienlandschaft als Expertin mit klarer Kritik an der deutschen Nato-Politik bekannt und nimmt weiter Funktionen beispielsweise im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) wahr. Zuletzt erschien ihr Buch: “Sehenden Auges: Mut zum strategischen Kurswechsel”, in dem sie für eine proaktivere deutsche Sicherheitspolitik plädiert.
Béla Anda – Gründer von Anda Business Communication
“You can win in the courtroom but lose in public – so don’t!”, heißt es in der Bio von Bela Anda auf “X”. Anda ist Medienprofi. Als langjähriger Journalist und ehemaliger stellvertretender Chefredakteur der “Bild” weiß er, die richtigen Fragen zu stellen. Als ehemaliger Regierungssprecher unter Gerhard Schröder wiederum weiß er, schwierige Fragen zu beantworten. Mittlerweile berät er Unternehmen mit seiner eigenen Firma “Anda Business Communication” unter anderem in der Krisen-Kommunikation.
Heiko Borchert – Inhaber und Geschäftsführer Borchert Consulting & Research AG
Heiko Borchert ist Inhaber und Geschäftsführer der Borchert Consulting & Research AG, die sich auf sicherheitsstrategische Themen spezialisiert. Der KI-Experte ist Co-Direktor des Defense AI Observatory an der Universität der Bundeswehr Hamburg, Berater der Geostrategic Intelligence Group in Helsinki und Experte des The Hague Center for Strategic Studies. Seine Expertise nutzt er auch als Mitglied des Redaktionsbeirats der Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik und des Defence Horizon Journal.
Joachim Peter – Partner, Brunswick
Joachim Peter ist seit 2019 Partner bei der strategischen Kommunikationsberatung Brunswick in Berlin. Zuvor war er viele Jahre Korrespondent der Tageszeitung “Die Welt” in Berlin und gehörte anschließend als Textchef Politik zur Führungsmannschaft der Nachrichtenagentur dapd. Sicherheitspolitische Fachkompetenz erhielt er unter anderem im Referat für Strategische Kommunikation 2010 und 2011, im Leitungsstab des Bundesministeriums der Verteidigung.
Germar Schröder – Partner, PricewaterhouseCoopers (PwC) Strategy& GmbH
Germar Schröder ist Berater bei Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC, und leitet den Bereich öffentlicher Sektor in Europa. Er fokussiert sich auf die Schnittstelle von Wirtschaft und Sicherheitspolitik. Schwerpunkte seiner Arbeit bilden insbesondere der Bereich Verteidigung, IT Strategie und Innovation sowie Cyber. Germar Schröder studierte und promovierte in theoretischer Physik an der Universität Hamburg sowie dem Albert-Einstein-Institut Potsdam.
Harald Christ – Inhaber und Gründer Christ&Company
In seiner eigenen Beratungsfirma Christ&Company berät er große Konzerne, Familienunternehmen, CEOs und Verbände in Sachen strategischer und Krisen-Kommunikation. Dabei kann er mit weitreichenden Erfahrungen und einem beträchtlichen Netzwerk in Politik (erst SPD, dann FDP) und Wirtschaft dienen.
Robert Hermann – Geschäftsführer, Germany Trade & Invest (GTAI)
Robert Hermann ist seit Februar 2018 Geschäftsführer von Germany Trade & Invest (GTAI), die Außenwirtschaftsagentur des Bundes. In seiner Funktion informiert er unter anderem deutsche Unternehmen über Auslandsmärkte und verfolgt dadurch tagtäglich die geopolitischen Entwicklungen. Zwischen 2004 und 2008 war Hermann als Investorenanwerber für die neuen Bundesländer und anschließend für Gesamtdeutschland in den Büros der Vorgängergesellschaften der GTAI in Washington D.C. und Boston tätig.
David Chinn – Partner, McKinsey
David Chinn ist Senior Partner und Managing Partner des McKinsey-Büros in Israel. Zuvor leitete er die Public & Social Sector Practice in Europa und war maßgeblich an der Entwicklung von McKinseys Aktivitäten im Bereich Cybersicherheit beteiligt. Mit über 20 Jahren Erfahrung in verschiedenen Branchen hat er unter anderem umfassende Transformationen in der Luft- und Raumfahrt sowie im Verteidigungssektor durchgeführt. Mittlerweile konzentriert er sich auch auf Regierungsreformen und bringt dabei vor allem auch seine Expertise aus dem Verteidigungssektor ein.
Jan Kallmorgen – Partner, Ernst & Young (EY)
Jan Kallmorgen ist seit Februar 2024 Partner im Bereich Strategy & Transactions bei EY-Parthenon. Seit über 15 Jahren berät er internationale Investoren und Unternehmen an der Schnittstelle von (Geo-)Politik und Wirtschaft und soll in diesem Bereich auch die Arbeit von EY weiter vorantreiben. 2017 gründete er die auf Geopolitik und Government Affairs spezialisierte Beratungsfirma Berlin Global Advisors (BGA). Kallmorgen hat an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und der Freien Universität Berlin studiert und einen Master an der School of Foreign Service der Georgetown University abgeschlossen.
Jan H. Wille – Partner, PricewaterhouseCoopers (PwC) Strategy& GmbH
Jan H. Wille ist Partner im Hamburger Büro von Strategy& und leitet PWCs Aerospace- und Defense-Team in Europa, Nahost und Afrika. Zu seinen jüngsten Projekten gehören die Digitalisierung eines Flugzeugherstellers oder die Umgestaltung militärischer Beschaffungsprozesse. Wille war Logistikoffizier bei der Bundeswehr und promovierte in Maschinenbau an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg.
Gerade einmal 8,5 Prozent der deutschen Ausgaben im Irak zwischen 2018 und 2022 waren Kindern gewidmet. Das geht aus einer Studie im Auftrag von Save the Children hervor, die Table.Briefings vorab vorlag. Etwa die Hälfte der Bevölkerung im Irak ist minderjährig. Sollte der Konflikt im Irak wieder aufflammen, fände der Islamische Staat (IS) die richtigen Bedingungen für einen wachsenden Pool für die Rekrutierung von Kindern und Jugendlichen vor, heißt es in der Untersuchung. Auch wenn der IS keine Gebiete mehr kontrolliert, sind im Irak noch Zellen aktiv.
Den geringen Anteil an Ausgaben für Kinder sieht Studienautorin Sofie Lilli Stoffel als Sicherheitsrisiko. Der IS habe während der Besetzung Schulen in “Radikalisierungsschulen” umgewandelt und in der Propaganda strategische Ansätze entwickelt, um Kinder gezielt anzusprechen. “Und da gibt es keine Gegenstrategie. Das ist gefährlich”, sagt Stoffel.
2013 verzeichnete der IS im Irak seine ersten Gebietsgewinne. Vier Jahre später verkündete Premierminister Haider al-Abadi die Rückeroberung der besetzten Territorien im Irak. Doch noch immer ist das Land von diesem und anderen Kriegen gezeichnet. Laut Zahlen von 2021 sind fünf Millionen Kinder im Irak Waisen, 4,5 Millionen leben unter der Armutsgrenze und müssen mit weniger als 85 US-Dollar im Monat auskommen, und eine Million befinden sich in Kinderarbeit.
Gerade in jungen Gesellschaften und da, wo radikale Gruppen gezielt Kinder und Jugendliche ansprechen, steige das Risiko für eine erneute Krise. “Kinder als demografischer Faktor sind in der Außen- und Sicherheitspolitik nirgends relevant. Es gibt mal Seitnotizen, aber gerade den sicherheitspolitischen Aspekt hat niemand auf dem Schirm”, sagt Stoffel. Dabei seien die Hälfte der Menschen in Konfliktgebieten weltweit Kinder.
Deutschland ist im Irak hinter den USA der zweitgrößte Geldgeber und hat dort seit 2014 rund drei Milliarden Euro investiert. In Deutschland ist der Bevölkerungsanteil von Kindern deutlich geringer. “Aus der deutschen Sicht auf Bevölkerung spielen Kinder deshalb eine viel kleinere Rolle.”
Im aktuellen Haushaltsplan der Bundesregierung schrumpft der Entwicklungsetat so stark wie kein anderer. Die Bundesregierung plant, das Geld für Entwicklungszusammenarbeit um acht Prozent zu kürzen. Zuletzt hatte auch ein FDP-Papier für Aufregung gesorgt, das vorsah, das Entwicklungsministerium ins Auswärtige Amt einzugliedern. bub
Die vollständige Studie (Englisch) können Sie hier abrufen. Die deutsche Kurzversion finden Sie hier.
Mehr als 100 Raketen und etwa 100 Drohnen gegen zivile Infrastruktur in der Ukraine: Russland hat am gestrigen Montag unter anderem neun ukrainische Umspannwerke angegriffen. Auch der Damm eines Wasserkraftwerks in der Nähe von Kiew ist leicht beschädigt worden. Nach Angaben des Leiters des ukrainischen Antidesinformationszentrums, Andrij Kovalenko, sei der Damm aber mit Raketen nicht zu zerstören.
Wegen einer der schlimmsten Angriffswellen auf zivile, ukrainische Infrastruktur meldeten mehrere Regionen in der Ukraine Strom- und Wasserausfälle. Nach Angaben des Präsidenten Wolodymyr Selenskyj seien mindestens fünf Menschen getötet worden.
Russland hat die Angriffsintensitäten mit Raketen und Drohnen verstärkt, seitdem ukrainische Truppen auf russisches Territorium vordringen. Obwohl ein eindeutiger Zusammenhang unklar ist, zeigen die Angriffe, dass Russland die Raketen- und Drohnenproduktion sowie -beschaffung verbessert hat. Die Ukraine fängt nach eigenen Angaben gut 60 Prozent der Drohnen ab. Doch mit ballistischen Raketen wie Tochka-U und modifizierten Raketen des Typs S-300 und S-400 gibt es große Probleme.
Setzt Russland auf verschiedene Drohnen- und Raketen-Typen gleichzeitig, steigt die Wahrscheinlich, dass Ziele getroffen und zerstört werden. Der ukrainische Verteidigungsminister forderte von westlichen Unterstützern erneut, die Beschränkung der Nutzung westlicher Waffen aufzuheben. Kiew möchte die Waffen gegen Flugplätze, Planungsstäbe und Startvorrichtungen von Raketen und Drohnen auf russischem Territorium einsetzen.
Nach der Aufregung um einen möglichen großen Aufmarsch belarussischer Truppen an der Grenze zur Ukraine am Wochenende, hat der ukrainische Grenzschutz am Montag Entwarnung gegeben. Die Situation habe sich nicht verändert. “Russland hat in Belarus derzeit nicht genügend Kräfte, um von dort in die Ukraine einzudringen”, sagte der Leiter des ukrainischen Grenzschutzes. Überraschenderweise teilte am Montag auch die russische Privatmiliz Wagner mit, dass sie zwar Kräfte in Belarus habe, diese aber nicht an der “Sondermilitäroperation” Moskaus teilnehmen würden.
Am heutigen Dienstag will der Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Daniel Grossi, zum russischen Atomkraftwerk Kursk reisen. Es befindet sich etwa 20 Kilometer von den Kampfhandlungen zwischen ukrainischen und russischen Truppen entfernt. vf
Internationale Politik: Die Verantwortung des Westens für die Zukunft der Ukraine. Ohne verstärkte westliche Unterstützung droht der Ukraine eine Niederlage. Um die Zukunft des Landes zu sichern, ist eine unumkehrbare Einbindung in euro-atlantische Strukturen notwendig, selbst wenn kurzfristig Gebietsabtretungen unvermeidbar sein sollten.
James Martin Center for Nonproliferation Studies (CNS): Iran-Russia Defense Cooperation. Die Beziehungen zwischen Teheran und Moskau florieren und kündigen neue Unsicherheiten für die internationale Gemeinschaft an durch Waffenhandel und Entwicklungen neuer militärischer Technologien. Diese Studie bietet eine gute Übersicht der Kooperationsbereiche und der verantwortlichen Institutionen in beiden Staaten.
Handelsblatt: Dieser Mann will den Umsatz von Rheinmetall vervierfachen. Der Aufschwung des Düsseldorfer Rüstungsproduzenten Rheinmetall hat auch den persönlichen Reichtum von Konzernchef Armin Papperger vervielfacht. Dieses ausführliche Porträt hilft zu verstehen, wie Papperger das geschafft hat.
Seit Anfang März ist Bartjan Wegter als EU-Koordinator für die Terrorismusbekämpfung der EU im Amt. Nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt verübte der zentralasiatische IS-Ableger ISKP einen verheerenden Terroranschlag auf die Konzerthalle Crocus City Hall in Moskau, unweit der EU-Grenzen.
Für Wegter kam das nicht unerwartet. Seit Jahren sei die ISKP in der EU als reale Gefahr bekannt, sagt er. Auch die Terrorismusgefahr im Allgemeinen sei für ihn ständig präsent gewesen. Sie sei nur in Jahren von weltweiten Kriegen und Krisen verstärkt in den Hintergrund getreten. “Die Terrorismusbekämpfung ist so wichtig wie nie zuvor, ob wir es wollen oder nicht”, sagt er.
Im neuen Amt helfen Wegter seine bisherigen beruflichen Erfahrungen, etwa als stellvertretender Vertreter der Niederlande bei der Nato oder als Teil des Sicherheitsrats der niederländischen Mission bei den Vereinten Nationen in New York. “Ich fühle mich in einer multilateralen Umgebung zu Hause”, sagt der 56-Jährige.
Dass Wegter nun eine Position bei der Europäischen Union bekleidet, “schließt einen natürlichen Kreis”, wie er sagt. Denn er ist in Brüssel zur Welt gekommen, sein Vater arbeitete damals in der EU-Kommission, seine Mutter lehrte an einer europäischen Schule.
“Die Schritte in meinem weiteren Leben waren immer verbunden mit der Idee der europäischen Integration”, sagt Wegter. In seinem Studium der Politikwissenschaft war er im Jahr 1990 einer der ersten Erasmus-Studenten überhaupt, als er für einen Auslandsaufenthalt nach Bologna aufbrach. Später studierte er European Affairs in Brügge.
In seinem jetzigen Mandat als EU-Koordinator für die Terrorismusbekämpfung versteht sich Wegter als “der einzige Akteur, der eine komplette Übersicht über die Bemühungen der Mitgliedstaaten zur Terrorismusbekämpfung hat”. Obwohl er selbst keine Maßnahmen erlassen kann, könne er die Belange der einzelnen EU-Staaten auf eine europäische Ebene heben und somit Kooperationen zwischen Ländern auf den Weg bringen.
Zusätzlich steht er in Kontakt mit verschiedenen Organisationen auf nationaler und europäischer Ebene. Dazu zählen Europol, nationale Grenzschutz- und Sicherheitsbehörden. Gerade moderne Formen wie Cyberterrorismus, Desinformationskampagnen und ausländische Einmischung seien Themen, “die kein Mitgliedstaat alleine bewältigen kann”. In diesen Bereichen stehe Wegter als Partner zur Verfügung, um Empfehlungen zu geben und das Bewusstsein der Länder zu schärfen.
Eine weitere wichtige Aufgabe Wegters besteht darin, Bemühungen der EU zur Terrorismusbekämpfung im Austausch mit Drittstaaten voranzutreiben. “Alle Bedrohungen, denen wir in der EU ausgesetzt sind, gehen entweder von außerhalb unserer Grenzen aus oder werden durch das verstärkt, was außerhalb unserer Grenzen geschieht”, sagt er.
Obwohl die Europäische Kommission über eine ausgeprägte Expertise im Bereich des Terrorismus verfüge, sei er “das Gesicht der EU-Terrorbekämpfung”. Er diene als Ansprechpartner für Drittstaaten, die eine Zusammenarbeit anstreben.
Besonders aktiv sei man derzeit in Zentralasien, in Nordsyrien und dem Irak, aber auch in der Sahelregion und im westlichen Afrika, so Wegter, wo “besorgniserregende Entwicklungen zu beobachten sind”. Die meisten Drittstaaten zeigten ein großes Interesse an einer Kooperation mit der EU sowie deren Partnern aus den USA und Großbritannien.
Die Strategie dabei: “Wir gehen immer von den regionalen Bemühungen zur Terrorismusbekämpfung aus und suchen nach Wegen, wie wir dabei unterstützen können.”
Insgesamt sieht Wegter die EU im Bereich der Terrorismusbekämpfung auf einem guten Weg. Dass die EU nach den Terroranschlägen in Madrid im Jahre 2004 die Position des Counterterrorism Coordinators geschaffen habe, sei essenziell gewesen. Die Terrorgefahr sei weiterhin nicht zu unterschätzen, doch insgesamt “sind wir in einer deutlich besseren Position als noch vor 20 Jahren“, sagt er. Jasper Bennink
Bis vor wenigen Monaten hat Martin Schelleis Krisenvorbereitung für die Streitkräfte gemanagt. Jetzt kümmert er sich um Krisenvorbereitung für eine zivile Hilfsorganisation: Der 64-jährige Generalleutnant a.D. übernimmt die Aufgabe des Bundesbeauftragten für Krisenresilienz, Sicherheitspolitik und Zivil-Militärische Zusammenarbeit bei den Maltesern, wie die Organisation mitteilte.
Schelleis war bis Mitte Mai Inspekteur der Streitkräftebasis der Bundeswehr. Der Organisationsbereich, der vor allem Teilstreitkraft-übergreifend für die Logistik zuständig war, wird mit der von Verteidigungsminister Boris Pistorius angewiesenen Umstrukturierung der “Bundeswehr der Zeitenwende” aufgelöst und zusammen mit dem bisherigen Zentralen Sanitätsdienst in einem Unterstützungsbereich für die Streitkräfte aufgehen. Im Zuge der Neuorganisation war der Luftwaffengeneral in den – vorerst einstweiligen – Ruhestand versetzt worden.
Mit seiner ehrenamtlichen Tätigkeit für die Malteserhilfe soll Schelleis die Beziehungen zum Verteidigungsministerium und den Fachkommandos der Bundeswehr, aber auch zu anderen Organisationen im Zivilschutz intensivieren, erklärte die Hilfsorganisation. Als Inspekteur der Streitkräftebasis und zeitweise auch als sogenannter Nationaler Territorialer Befehlshaber hatte der Generalleutnant in seiner Dienstzeit bereits enge Kontakte zu den verschiedenen zivilen Organisationen zum Beispiel im Bereich der Katastrophenhilfe. Der frühere Offizier ist dem Hilfsdienst bereits durch seine Mitgliedschaft im Malteserorden verbunden. tw