ist die SPD eher die Partei der Taurus-Verweigerer oder doch die Partei des Sondervermögens und der Zeitenwende? Der frühere Parteivorsitzende Norbert Walter-Borjans wirft seinen Genossen vor, friedenspolitische Themen AfD und BSW zu überlassen und wehrt sich gegen die Pläne der Bundesregierung, weitreichende Präzisionswaffen in Deutschland zu stationieren. Die Ampel hatte das schon im Juni 2023 in ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie angekündigt, weshalb Markus Bickel bei Walter-Borjans nachgefragt hat, warum er erst jetzt dagegen protestiert.
In der aktuellen Diskussion um die Stationierung von weitreichenden Präzisionswaffen würden Kritiker fälschlicherweise Maßstäbe aus der Hochzeit des Kalten Krieges anlegen, schreibt Thomas Wiegold. Heute gehe es nicht mehr um nukleare Aufrüstung, sondern darum, einen atomaren Konflikt zu verhindern. In seiner Analyse klärt er, welche technischen Argumente in der Debatte daneben zielen.
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Herr Walter-Borjans, in ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie hat die Bundesregierung bereits vor einem Jahr die “Entwicklung und Einführung von Zukunftsfähigkeiten wie abstandsfähigen Präzisionswaffen” angekündigt. Warum protestieren Sie erst jetzt dagegen, wenn es um die Stationierung US-amerikanischer Systeme geht?
Jeder einzelne Schritt bis hin zu dieser Entscheidung war erst einmal verhältnismäßig unverdächtig. Mit der jetzt getroffenen Vereinbarung kann Deutschland aber im wahren Wortsinn zum europäischen Brennpunkt werden, weshalb der Unmut über die geplante Stationierung in vielen Gesprächen, die ich führe, so groß ist – weit über die SPD hinaus. Das war aus der Sicherheitsstrategie heraus so nicht abzulesen. Für die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion und des Parteivorstands kam dieser Schritt überraschend, vom Kanzleramt wurde er bestenfalls vage angedeutet.
In dem von Ihnen unterzeichneten Papier heißt es, “dass unser dicht besiedeltes Land zum Ziel eines atomaren Erstschlags” werden könnte. Warum argumentieren Sie mit solchen Worst-Case-Szenarien, die am Ende das russische Narrativ bedienen, dass die Nato und der Westen diejenigen seien, die den Konflikt schürten?
Wie kommen Sie auf diese Deutung? Es gibt unbestreitbare Militärexperten, die die Gefahr eines Einsatzes russischer Atomwaffen gegen die allein im dicht besiedelten Deutschland stationierten US-Langstreckenraketen sehen. Das wäre natürlich der Extremfall, aber selbst eine Stufe darunter birgt die Stationierung Risiken, über die eine breitere Debatte notwendig ist und nicht ein Alleingang am Rande eines Nato-Gipfels. Dagegen richtet sich unsere Kritik in erster Linie, nicht gegen eine inhaltliche – wenn nötig auch scharfe – Kontroverse in gegenseitigem Respekt. In unserem Papier kritisieren wir darüber hinaus die Schlagseite in der Debatte. Die besteht darin, dass die Kritiker der Stationierung als naive Träumer herabgesetzt werden. Wer auf die Stationierung setzt, gilt dagegen per se als Experte.
Bislang wird diese Debatte vor allem innerhalb der SPD geführt, anders als bei den Protesten gegen den Nato-Doppelbeschluss Anfang der 1980er-Jahre.
Nicht nur in der SPD, aber Sie haben recht, damals war gerade die jüngere Generation viel stärker mobilisierbar. Das merke ich auch auf Veranstaltungen, wo die meisten im Publikum älter als 50 oder 60 Jahre sind. Es mag auch am Format liegen, dass 20-Jährige heute nicht mehr in Gemeindesälen diskutieren wie noch vor 40 Jahren. Das läuft inzwischen über soziale Medien. Da fällt Säbelrasseln leichter. Hinzu kommt, dass die Selbstverständlichkeit, mit der die Generation unter 40 bislang Frieden erlebt hat, durch das, was jetzt in der Welt passiert, schwer erschüttert ist. Das fördert die Bereitschaft, einem Kriegsverbrecher die Stirn zu bieten, koste es, was es wolle, und die Ablehnung, mit so einem Aggressor überhaupt nur zu sprechen.
Liegt es nicht auch daran, dass Parolen wie “Frieden schaffen ohne Waffen” angesichts der Bedrohung aus Russland und dem Erstarken anderer autoritärer Kräfte einfach aus der Zeit gefallen sind?
Das Ziel bleibt richtig. Aber die Welt geht zurzeit einen anderen Weg. Dabei geraten auch wir immer wieder in den Konflikt zwischen Moral und Interessen. Das ist besonders für die Jüngeren ohne Nachkriegserfahrung unerträglich. Ist es ja auch. Aber es gibt keine Lösung ohne Gesprächsbereitschaft mit Menschenverächtern, so schwer das fällt. Wenn ich beispielsweise den Konflikt in der Ukraine unter Einbeziehung von China lösen möchte, stellt sich sofort die Frage, ob Pekings derzeitige Politik gegenüber den Uiguren oder Taiwan eine Vermittlerrolle nicht ausschließt. Mit Gaslieferungen aus Katar als Ersatz für russisches Gas ist es nicht anders.
In Ihrer Partei wurde mehr als zehn Jahre lang über den Einsatz bewaffneter Drohnen diskutiert. Ohne den Einsatz dieser Systeme hätte es die Ukraine nicht geschafft, den russischen Einmarsch zu bremsen. Sind Sie froh, dass solche Debatten seit der Zeitenwende nun pragmatischer geführt werden?
Auch wenn ich auf diese Form von Wende gerne verzichtet hätte, sind wir in der Diskussion heute sicherlich an einem anderen Punkt. Putins Vorgehen hat uns schon vor 2022 darin zurückgeworfen, über die nächsten Schritte der Abrüstung zu reden und Sicherheitspolitik nicht nur militärisch zu denken. Auch bei den bewaffneten Drohnen ging es uns um die nicht geführte Debatte darüber, was mit diesen Systemen angerichtet werden kann und dass bei ihrem Einsatz ethische Maßstäbe und Vorgaben des Völkerrechts beachtet werden müssen. Klar ist aber auch, dass die Zeitenwende viele Gesichter hat, nicht nur den Krieg: Klimakrise, gesellschaftliche Spaltung, Konflikte und Migration hängen miteinander zusammen. Wir sind gerade nicht auf dem Weg, das im Zusammenhang zu lösen.
Mit Ihrer kritischen Haltung gegenüber der geplanten Stationierung der US-Mittelstreckenraketen, aber auch in Bezug auf Verhandlungen mit Russland über ein Ende des Kriegs gegen die Ukraine befinden Sie sich in einem Lager mit AfD, BSW und der Linken.
Diese Parteien besetzen ein Thema, das viele umtreibt, das Bundesregierung und CDU/CSU-Opposition aber nicht auf der Tagesordnung haben wollen. Wir dürfen uns vor dieser Debatte nicht drücken, sonst führt es zu einem weiteren Erstarken der Ränder. Auch wenn es bei den bevorstehenden Wahlen um Landesparlamente geht: Die Zeit drängt.
Auf den Philippinen wurde schon Realität, was in zwei Jahren auch in Deutschland passieren soll. Mitte April flog die U.S. Army ihr neues Raketensystem für eine Übung ein: Mit dem neu entwickelten Startsystem “Typhon” testeten die Streitkräfte erstmals außerhalb der USA die schnelle Stationierung des Abschusssystems für Marschflugkörper des Typs Tomahawk vom Boden aus und für Kurzstreckenraketen des Typs Standard Missile 6 (SM-6). Die Waffensysteme gehören zu einer “Multi-Domain Task Force” (MDTF), die im Kriegs- und Krisenfall Kommandeuren den gezielten Einsatz gegen wichtige gegnerische Stellungen wie Kommandozentralen ermöglichen soll.
Eine solche MDTF gibt es seit zwei Jahren auch in Deutschland. Und eine Vereinbarung zwischen der US-Regierung und der Bundesregierung – am Rande des Nato-Gipfels in Washington im Juli bekannt gemacht – führt zu einer zunehmend aufgeheizten Debatte in Deutschland. Denn Berlin und Washington verständigten sich darauf, ab 2026 zunächst gelegentlich und perspektivisch folgende Raketen dauerhaft in Deutschland zu stationieren:
• SM-6 als Boden-Boden-Rakete mit kurzer Reichweite, die aber mit Überschallgeschwindigkeit fliegt,
• Tomahawk-Marschflugkörper, die mit Unterschall-Geschwindigkeit (ca. 880 km/h) rund 1.600 Kilometer Reichweite haben, und
• das noch nicht fertig entwickelte Hyperschall-System Long-Range Hypersonic Weapon System (LRHW), bekannt unter dem Namen “Dark Eagle”.
Alle drei Waffensysteme sollen konventionelle Sprengköpfe tragen, also nicht atomar bewaffnet werden. Dennoch ist die Debatte hierzulande in Teilen von der Erinnerung an die Hochzeit des Kalten Krieges und die Atomkriegsgefahr zwischen den damaligen Blöcken geprägt. Kritiker sprechen von der Gefahr, dass Deutschland damit zum Ziel für einen (russischen) Erstschlag werde – und greifen damit bewusst die Terminologie der nuklearen Hochrüstung in den 1980er-Jahren auf.
Während es damals auf Seiten von Sowjetunion und Warschauer Vertrag einerseits und Nato andererseits um die Frage ging, wie beide Seiten mit Atomwaffen umgehen und nach-, auf- oder hochrüsten, ist diesmal das Ziel, dass es eben nicht zu einem nuklearen Konflikt kommt.
Die Absicht, mit sogenannter weitreichender Präzisionsbewaffnung mit konventioneller Munition unterhalb der Schwelle des Einsatzes von Atomwaffen zu bleiben, beschäftigt die Nato bereits eine Weile. “Deep Precision Strike”, weitreichende Präzisionsschläge, heißt das in der Allianz. Deutschland hatte die Absicht, genau diese Waffen zu entwickeln und zu beschaffen, um damit einem bereits bestehenden russischen Raketenarsenal etwas entgegensetzen zu können. Das hat sich die Bundesregierung bereits vor einem Jahr in die Nationale Sicherheitsstrategie geschrieben: “Die Bundesregierung wird die Entwicklung und Einführung von Zukunftsfähigkeiten wie abstandsfähige Präzisionswaffen befördern.”
Neben der bilateralen Vereinbarung mit den USA unterzeichnete die Bundesregierung deshalb am Rande des Gipfels in Washington auch eine Absichtserklärung mit Frankreich, Polen und Italien. In den europäischen Nato-Ländern wird das Fehlen solcher Waffen im Arsenal der Streitkräfte spätestens seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine als Fehler gesehen. Dass die Europäer keine konventionellen Systeme besitzen, die russisches Territorium erreichen können – mit Ausnahme direkt angrenzender Staaten zum Beispiel an die russische Exklave Kaliningrad an der Ostsee – ist aus Nato-Sicht eine Fähigkeitslücke.
Die Diskussion gerade in Deutschland ignoriert bislang allerdings weitgehend die bereits vor einem Jahr verkündeten Überlegungen – an der Nationalen Sicherheitsstrategie und ihren Aussagen hatte es zum Beispiel aus der SPD keine vernehmbare Kritik gegeben. Und in der Debatte wird der Maßstab der Atomwaffendiskussion von vor 40 Jahren angelegt.
Dabei sind auch Aussagen im Umlauf, die die damit verbundenen Ängste erst recht schüren, obwohl sie faktisch nicht korrekt sind. Das gilt vor allem für die Aussage, die Tomahawk-Marschflugkörper seien auch als Träger von Atomwaffen nutzbar. Die Varianten dieses Waffensystems, die tatsächlich einen nuklearen Sprengkopf tragen konnten, wurden von den USA ausgemustert. Die aktuellen Tomahawk-Versionen können auch nicht schlicht “technisch gesehen” vom konventionellen zum nuklearen Waffensystem umgebaut werden. Zu unterschiedlich ist schon das Gewicht der beiden Arten von Sprengköpfen. “Diese Systeme können ebensowenig wie ein Volkswagen mit einem nuklearen Gefechtskopf ausgerüstet werden”, sagt der Atomwaffenexperte Hans Kristensen von der US-“Federation of American Scientists”. Solange dafür kein Atomsprengkopf entwickelt und zertifiziert werde, sei der Tomahawk nicht nuklearfähig.
Zudem ist aus Sicht der Bundesregierung – das haben Kanzler Olaf Scholz wie auch Verteidigungsminister Boris Pistorius deutlich gemacht – die geplante Stationierung der US-Waffen ein Schritt im Rahmen der von den Europäern angestrebten Bereitstellung dieser Waffen. Ob im US-Arsenal oder in europäischem Besitz.
Dass es mit den Waffen der MDTF nicht getan sein wird, zeigt schon ein Blick auf die vorgesehene Struktur dieser Kampfgruppen, die ohnehin mehr in Asien als in Europa präsent sein werden: In einer solchen MDTF ist neben anderen Komponenten wie elektronische Kriegführung und Flugabwehr ein Raketenartilleriebataillon vorgesehen. Und darin wiederum eine Kompanie für das (auch aus dem Ukraine-Einsatz bekannten) Mehrfachraketenwerfer-System HIMARS, eine Kompanie für die geplante Hyperschall-Waffe und ebenfalls eine Kompanie mit der sogenannten Mid Range Capability mit SM-6 und Tomahawk. Eine flächendeckende Stationierung ist das nicht.
Boris Pistorius – Bundesverteidigungsminister (SPD)
Als Nachfolger der glücklos agierenden Vorgängerin Christine Lambrecht avancierte der Niedersachse 2023 schnell zum beliebtesten Minister der Bundesregierung – das war noch keinem Chef des Wehrressorts gelungen. Auch international wird der 64-Jährige für seine klaren Worte und großen Vorhaben geschätzt. In Deutschland kämpft er darum, die Finanzierung für die “Bundeswehr der Zeitenwende” sicherzustellen, auch gegen die eigene Partei.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) – Vorsitzende des Unterausschusses für Verteidigung im Europäischen Parlament
Mit der erfolgreichen Wahl zur Ausschussvorsitzenden meldete Marie-Agnes Strack-Zimmermann im Europäischen Parlament im Juli direkt einen Führungsanspruch an. Nicht erst seit ihrem Sprung ins Europaparlament steht die versierte Verteidigungsexpertin für einen Wandel in der europäischen Sicherheitspolitik. Sie setzt sich für einen eigenen Kommissar für Verteidigung und für die Aufstellung gemeinsamer europäischer Streitkräfte ein.
Marcus Faber (FDP) – Vorsitzender des Bundestags-Verteidigungsausschusses
Der Politologe, seit 2017 im Bundestag, gilt als selbstbewusster und kampfbereiter Unterstützer von Waffenlieferungen an die Ukraine, der die Bundeswehr auch von innen kennt. Faber, der seinen Wahlkreis in Altmark in Sachsen-Anhalt hat, wirbt vor allem in Ostdeutschland für Verständnis für die Ukraine-Hilfen.
Roderich Kiesewetter (CDU) – Mitglied in Auswärtigen Ausschuss und Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags
Roderich Kiesewetter war von 1982 bis zu seiner Verabschiedung aus dem aktiven Dienst 2015 Berufssoldat, zuletzt im Rang eines Oberst i.G. Er verbrachte viel Zeit im Ausland, entweder in Auslandseinsätzen der Bundeswehr oder in Nato-Institutionen. Der 60-Jährige setzt sich nicht erst seit dem russischen Überfall der Ukraine für eine bessere Ausstattung der Bundeswehr und stärkere Abschreckungsfähigkeit der Nato ein.
Ingo Gädechens (CDU) – Mitglied des Bundestagshaushaltsausschusses und des Gremiums “Sondervermögen Bundeswehr”
Als erfahrener Haushälter beaufsichtigt der ehemalige Marinesoldat neben dem regulären Haushalt der Bundesregierung auch das “Sondervermögen Bundeswehr”. Der Lübecker spricht sich deutlich gegen die von der Regierung vorgesehenen Verwendung des Sondervermögens für “Infrastrukturprojekte” aus, die den Rahmen des Sondervermögens geschmälert hätten.
Agnieszka Brugger (Grüne) – stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Mitglied des Verteidigungsausschusses
Sie steht dazu, dass sich Standpunkte drastisch ändern können: Agnieszka Brugger gehörte zu den ersten Grünen, die nach den Mardern auch Leopard-Panzer in die Ukraine liefern wollten. Seit 2009 sitzt sie für die Grünen im Bundestag, hat sich bei der Bundeswehr einen Namen gemacht und gilt auch beim politischen Gegner als eine der versiertesten Verteidigungspolitikerinnen ihrer Partei.
Sara Nanni (Grüne) – Sicherheitspolitische Sprecherin und Obfrau der Grünen im Verteidigungsausschuss, Mitglied im Gremium “Sondervermögen Bundeswehr”
Sara Nanni vertritt die Grünen erst seit 2021 im Bundestag, gilt aber als vielversprechende Newcomerin im Verteidigungsausschuss. Wie bei den Grünen üblich, agiert sie etwa bei Mitteilungen gerne im Tandem mit ihren Kolleginnen und Kollegen und hat auch Themen wie Krisenprävention im Blick. Ihr Studium der Sozialwissenschaften schloss sie 2014 mit einem Master in Friedens- und Konfliktforschung ab.
Wolfgang Hellmich (SPD) – Obmann des Verteidigungsausschusses, Mitglied im Gremium “Sondervermögen Bundeswehr”
Für Wolfgang Hellmich ist es bereits die dritte Legislaturperiode im Bundestag. Zwischenzeitlich leitete er den Verteidigungsausschuss, jetzt kümmert er sich als Obmann seiner Fraktion um dessen Belange. Er ist bekannt dafür, dass er den direkten Kontakt mit Wählerinnen und Wählern sucht, um Politik zu erklären. Vor seinem Einzug in den Bundestag war er von 1986 bis 2012 Hauptamtlicher Geschäftsführer für die SPD in ihren einstigen Bastionen Dortmund, Düsseldorf, Unna und Hamm sowie an der Ruhr.
Andreas Schwarz (SPD) – Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion für den Wehretat im Haushaltsausschuss, Mitglied des Gremiums “Sondervermögen Bundeswehr”
Andreas Schwarz kann im Bundestag auf langjährige Finanz- und Steuerexpertise zurückgreifen. Der Diplom-Betriebswirt gilt als politischer Generalist, der auch ohne beruflichen Hintergrund in Truppe oder Industrie viel Verständnis für komplizierte militärische Zusammenhänge aufweist. Er spricht sich sowohl für Waffenlieferungen an die Ukraine als auch für ein Raketenabwehr-System für Deutschland aus.
Michael Roth (SPD) – Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags
Michael Roth ist seit 1998 Mitglied im Bundestag. Ins Auswärtige Amt ist er nicht nur deshalb bestens vernetzt, weil er seit 2021 den Auswärtigen Ausschuss des Bundestags leitet, sondern weil er bis dahin als Staatsminister für Europa am Werderschen Markt arbeitete. Der 53-Jährige zählt zu den Unterstützern der Ukraine der ersten Stunde. Weil er mit seiner Position in Partei wie Fraktion zunehmend isoliert war, tritt er 2025 nicht noch einmal für den Bundestag an.
Knapp 24 Stunden nach Absage der Konzerte von Taylor Swift in Wien haben die österreichischen Ermittler schon ein ziemlich klares Bild von den mutmaßlichen Attentätern. Die beiden 19 und 17 Jahre alten Männer waren nach Einschätzung der Behörden Teil eines islamistischen Netzwerks, sollen sich im Internet radikalisiert und dem “Islamischen Staat” Treue geschworen haben. Nach der Festnahme der mutmaßlichen Attentäter wurden die drei Konzerte der US-Musikerin am Donnerstag, Freitag und Samstag abgesagt. Mindestens 170.000 Menschen hatten Tickets für die Konzerte.
Der 19-jährige mutmaßliche Haupttäter hat Polizeiangaben zufolge inzwischen gestanden. Demnach wollte er zusammen mit dem 17-Jährigen entweder am Donnerstag oder am Freitag mit Sprengstoff und Stichwaffen “sich selbst und eine große Menschenmenge töten”, sagte Omar Haijawi-Pirchner, Leiter der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) im österreichischen Innenministerium. Weil er kein Ticket für das Konzert hatte, wollte er das Blutbad offenbar in der Menschenmenge vor dem Ernst-Happel-Stadion in Wien anrichten.
Als die Ermittler die Wohnung des 19-Jährigen in Ternitz bei Wien durchsuchten, entdeckten sie funktionsfähige Sprengsätze, Chemikalien, Falschgeld, Propagandamaterial, Hieb- und Stichwaffen. Beim anderen Beschuldigten fanden sie Propagandamaterial des IS und der Terrorgruppe Al-Qaida. Er soll regelmäßig eine Moschee besucht haben, die islamistische Inhalte verbreitete. Die Behörden gehen davon aus, dass die beiden Festgenommenen keine Komplizen hatten, haben allerdings einen 15-Jährigen als potenziellen Mitwisser identifiziert und befragt. Momentan werde nicht nach weiteren Verdächtigen gefahndet, hieß es.
Ein ausländischer Geheimdienst habe den Hinweis auf die Attentatspläne geliefert. “Gerade in der Terrorismusbekämpfung ist die Informationsteilung essenziell”, sagte Staatsschützer Haijawi-Pirchner. Jedoch habe sich der Hinweis zunächst nur auf einen möglichen Einzeltäter bezogen. Durch weitere eigene Erkenntnisse sei man auf das polizeibekannte islamistische Netzwerk gestoßen. Arthur Fiedler
In diplomatischen Kreisen wächst die Zuversicht, dass der Iran auf einen groß angelegten Vergeltungsschlag gegen Israel verzichten könnte. Das berichten sowohl israelische wie US-amerikanische Medien. Demnach soll US-Präsident Joe Biden über die Schweizer Botschaft in Teheran und die UN-Vertretung Irans in New York deutlich gemacht haben, dass ein Angriff mit Drohnen und Marschflugkörpern wie im April nicht im Interesse des Regimes liege. Vor allem dem neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian könnte ein regionaler Flächenbrand nicht gelegen kommen.
Auch in israelischen Sicherheitskreisen geht man inzwischen offenbar davon aus, dass es als Vergeltung für die Tötung von Hamas-Anführer Ismail Hanija vergangene Woche nicht zu Angriffen von mehreren Fronten kommen werde. Am Donnerstagabend kam das Sicherheitskabinett von Premierminister Benjamin Netanjahu zu einer Krisensitzung zusammen. Die USA hatten am Mittwoch Stellungen der Huthi-Rebellen im Jemen bombardiert, die neben irakischen Schiitenmilizen, der palästinensischen Hamas und der libanesischen Hisbollah zur sogenannten “Achse des Widerstands” zählen, die die Zerstörung Israels zum Ziel hat.
Israel griff auch am Donnerstag Stellungen der Hisbollah im Süden Libanons an. Deren Generalsekretär hatte zu Beginn der Woche bekräftigt, dass die Vergeltung für die Tötung Hanijas und des obersten Hisbollah-Militärkommandeurs Fuad Schukr vergangene Woche “stark, effektiv und wirkungsvoll” ausfallen werde: “Den Feind warten zu lassen, ist Teil der Strafe.”
In den Israel Defense Forces (IDF) geht man von möglichen Angriffen auf militärische Einrichtungen auch im Zentrum Israels aus, die die Hisbollah ins Visier nehmen könnte. Die von Iran militärisch wie finanziell unterstützte Schiitenmiliz soll über mehr als 140.000 Raketen verfügen, darunter Geschossen mit Reichweiten von bis zu 300 Kilometern. Zuletzt hatten auch die jemenitischen Huthi Israel mit Marschflugkörpern und Drohnen beschossen; irakische Schiitenmilizen haben ebenfalls gedroht, Israel anzugreifen. mrb
Auch drei Tage, nachdem ukrainische Truppen auf russisches Territorium in der Region Kursk vorgedrungen waren, hielten die Kämpfe an. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte am Donnerstagabend: “Russland hat den Krieg in unser Land gebracht und soll spüren, was es getan hat.” Die Kämpfe in Kursk erwähnte er jedoch nicht.
Russische staatliche Medien betonten am Donnerstagnachmittag zwar, dass es gelungen sei, das Vorrücken der ukrainischen Truppen aufzuhalten. Kreml-treue und regierungsnahe Telegram-Kanäle berichteten dagegen von Kämpfen unter anderem in den grenznahen Orten Iwaschki und Sudscha.
Bemerkenswert ist, dass Präsident Wladimir Putin am Donnerstag in einem Videogespräch mit dem Kursker Gouverneur Alexej Smirnow über die Lage vor Ort gesprochen hat. Offenbar ist die Situation ernst. Grenznahe Orte sollen nun evakuiert werden. Über die Opfer in der Zivilbevölkerung und Verluste in den Streitkräften gibt es keine überprüfbaren Informationen, russische Behörden sprechen von 30 Verletzten, darunter befinde sich auch der bekannteste russische Kriegsreporter Jewgenij Poddubnyj. Die Armee will mehrere Hundert ukrainische Soldaten getötet haben.
Die Region Kursk liegt nördlich von der ukrainischen Metropole Charkiw, die Russland gerne einnehmen würde. Mit dem Vorstoß dürfte die Ukraine versuchen, russische Kräfte vom Vordringen in Richtung Charkiw abzuhalten. Weil Russland mit den Angriffen auf Charkiw die Front im Osten stark ausgedehnt hatte, mussten ukrainische Kräfte verlegt werden. So gelingt es Russland im Donbass in kleinen Schritten, aber kontinuierlich voranzukommen. In der grenznahen russischen Kleinstadt Sudscha befindet sich außerdem ein Einspeisepunkt für Erdgas, das durch die Ukraine nach Europa fließt. Und in der Region befindet sich das Atomkraftwerk Kursk. Um die ukrainischen Kräfte hier zurückzudrängen, wird Russland Ressourcen in diese Region verlegen müssen.
Für die russische Armeeführung ist der erfolgreiche ukrainische Vorstoß in der Region Kursk ein Problem. Die Flucht der Menschen aus der Region, die Bilder und die Videos, die sich über die sozialen Netzwerke verbreiten – das alles zeigt, dass die Ukraine den Krieg auf das russische Territorium zurückträgt, und Moskau die Gebiete nicht schützen kann. Die regionale Verwaltung versuchte am Donnerstag die Menschen zu beruhigen und von einer massenhaften, unorganisierten Flucht abzuhalten. vf
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat am Donnerstag seine viertägige Afrika-Reise nach Malawi, Sambia und Mauretanien beendet. In Sambia unterzeichnete Kuleba mit seinem Amtskollegen Mulambo Haimbe ein Memorandum of Understanding für langfristige politische Konsultationen. Das Land soll nach Angaben von Kuleba auch Getreide von der Ukraine erhalten.
Dem mauretanischen Premierminister Kumar Jugnath dankte Kuleba zudem in einem Post auf X für die Unterstützung seines Landes im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Beide Länder wollen sich über Doppelbesteuerungs- und Investitionsschutzabkommen verständigen.
Im Sahel haben sich die Spannungen mit der Ukraine indes nicht gelöst. Das ukrainische Außenministerium bedauerte in einer Mitteilung am Donnerstag Nigers Entscheidung, die diplomatischen Beziehungen abzubrechen. Die nigrische Junta von General Tchiani war bereits Anfang der Woche Malis Entschluss gefolgt.
Wie schon in der Reaktion auf Malis Rückzug, bemängelte die ukrainische Regierung nochmals, dass es keine Grundlage dafür gebe. Der ukrainische Geheimdienst hatte vor gut einer Woche erklärt, er habe die Tuareg-Rebellen im Norden Malis bei ihrem erfolgreichen Kampf gegen malische Regierungstruppen und Wagner unterstützt. Mali und Niger führen dies als Begründung für den Abbruch der Beziehungen an.
Dass auch Burkina Faso die Beziehungen mit der Ukraine abbrechen könnte, gilt als sehr wahrscheinlich. Die drei Staaten der AES-Konföderation bemühen sich bisher, politisch geeint aufzutreten. Bei einem Besuch Mitte der Woche lobte Sierra Leones Präsident Julius Maada Bio indessen den Austausch mit Burkinas Übergangspräsident Ibrahim Traoré, der für weitere fünf Jahre das Land regieren soll. Sierra Leone hat für August den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat inne und für Mitte des Monats eine Debatte über die Mitsprache Afrikas in dem Gremium angesetzt. lcw
Fünf deutsche Eurofighter und ein Transportflugzeug des Typs A400M trainieren seit Mittwoch zusammen mit der indischen Luftwaffe. Die Übung “Tarang Shakti” läuft noch bis Dienstag und ist ein Manöver mit vielen Premieren und Symbolik: Es ist die erste gemeinsame Übung der deutschen und indischen Luftstreitkräfte in Indien überhaupt. Für Indiens Luftwaffe ist es gar die erste multinationale Übung seit 60 Jahren – denn neben Deutschland sind auch Frankreich mit Rafale und Mirage 2000-Kampfjets und Spanien und Großbritannien mit Eurofightern dabei.
Das neuerliche Interesse Europas an Indien beruht auf Gegenseitigkeit. Indien, das sich bedroht fühlt von China und Pakistan, sucht westliche Verbündete, nutzt die Übung “Tarang Shakti” (deutsch: “Welle der Macht”) vor allem, um von westlichen Partnern zu lernen. Der Chef der indischen Luftwaffe, Vivek Ram Chaudhari, sagte am Dienstag, er sei überzeugt, dass diese Übung künftig zu einem “festen Bestandteil im Kalender unserer befreundeten Länder wird.”
Dass die Übung auch bei der Bundeswehr hohe Priorität genießt, demonstrierte Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz, als er einen Eurofighter selbst zum Luftwaffenstützpunkt Sulur im Süden des Landes flog. Für Deutschland steht bei dem Besuch in Indien vor allem der Wunsch nach einer engeren Kooperation mit der sechstgrößten Industrienation der Welt im Vordergrund. Indien sucht derzeit unter anderem nach einem Partner für den Bau konventioneller U-Boote, ein potenziell milliardenschweres Projekt für Thyssen Krupp Marine Systems. Auch bei der Eurodrohne kommt Indien als Beobachter infrage.
Die Teilübung “Tarang Shakti” in Indien ist der fünfte und letzte Teil der Luftwaffen-Verlegeübung “Pacific Skies 24”, deren erste Station Mitte Juni in Alaska war. Danach machten die Flugzeuge Stopp in Japan, Hawaii und Australien. klm
Stiftung Wissenschaft und Politik: Trump II und die nukleare Rückversicherung der USA im Pazifik. In Australien, Japan und Südkorea ist die Sorge, dass die USA ihre erweiterte nukleare Abschreckung beenden könnten, deutlich geringer ausgeprägt als in Europa. Die Länder befürchten viel eher regionale ordnungspolitische Herausforderungen, die auch für Europas Sicherheit und Wirtschaft relevant wären.
Journal für Internationale Politik und Gesellschaft: Mut zum Lückeschließen. Es fehle an strukturierten Bemühungen, den Krieg in der Ukraine zu beenden, kritisieren die Autoren dieses Artikels. Sie fordern eine internationale Kontaktgruppe zur Bearbeitung des Krieges. Diese soll einen Dialog der Konfliktparteien ermöglichen, politischen Druck ausüben und die Lage der Zivilbevölkerung verbessern.
Council on Foreign Relations: Tim Walz on Foreign Policy. Dieser Artikel sammelt Hintergrundinformationen zu Tim Walz’ außenpolitischen Ansichten. Er fasst die Positionen des demokratischen Vizepräsidentschaftskandidaten zu Russlands Angriffskrieg, der Lage in Nahost, China, dem Klimawandel, Migration sowie Gesundheits- und Handelspolitik zusammen.
Konrad-Adenauer-Siftung: Cyber-Actor Iran. Der Iran habe sich zu einem bedeutenden Akteur im Cyber- und Informationsraum entwickelt, schreiben die Autoren dieses Artikels. “Es ist davon auszugehen, dass die Aktivitäten und das Vorgehen Teherans in Deutschland künftig gezielter und aggressiver werden – vor allem was die Sabotage von kritischen Infrastrukturen und Spionageaktivitäten angeht.” Der Artikel führt aus, wie sich Deutschland als Verbündeter der USA und Israels auf vielfältige Bedrohungen einstellen muss.
European Council on Foreign Relations: The EU’s democracy promotion in the Western Balkans and the eastern neighbourhood. Die EU steht vor der Aufgabe, zukünftige Mitglieder auf dem westlichen Balkan und in Osteuropa bei der Umwandlung in liberale Demokratien zu unterstützen. Sie “wird ihre Konditionalität konsequenter und vorhersehbarer anwenden müssen. Außerdem sollte sie zivilgesellschaftliche und nicht-staatliche Initiativen unterstützen, um einen Wandel von unten herbeizuführen”, fordern die Autoren dieses Textes.
Sie verkörpert den Typus der jungen Wissenschaftlerin: klar in der Analyse, freundlich im Ton, und wenn es sein muss: angriffslustig. Das haben ältere, vor allem männliche, Kollegen schon mal unterschätzt, die meinten, sie unterbrechen zu müssen. Dann wird Anja Dahlmann, was sonst gar nicht ihr Stil ist, etwas lauter – und redet ungerührt weiter.
Natürlich muss man das lernen. Und wahrscheinlich lernt man das am besten, wenn man für ein Thema brennt. Und das tut die Politikwissenschaftlerin. Einer der Schwerpunkte ihrer wissenschaftlichen Arbeit: Künstliche Intelligenz in Waffensystemen. Ein Aufreger-Thema. Sehr schnell ist da von “Killer-Robotern” die Rede, von Drohnen-Schwärmen, die sich verselbstständigen. Anja Dahlmann kennt diese Buzzwords und verdreht ein wenig die Augen.
Schlagwörter wie Killer-Drohnen lehnt sie – ganz korrekte Wissenschaftlerin – vehement ab. Denn der Einsatz von KI auch im militärischen Bereich ist längst Realität. In diesem Zusammenhang verweist Dahlmann gern auf die zehnjährige Diskussion in Deutschland über die Bewaffnung von Drohnen. Solche Debatten könne man sich heute nicht mehr leisten. “Wir müssen uns damit beschäftigen, weil wir die technische Entwicklung kaum noch aufhalten können.”
Ihre wissenschaftliche Karriere beginnt sie nach ihrem Masterabschluss 2013 in Göttingen bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Da begegnet sie auch ihrem Thema, dass sie bis heute beschäftigt: Gibt es vollautonome Waffensysteme eigentlich schon? Und was muss man tun, um diese zu verhindern? “Ich bin da eher zufällig hineingeraten. Um dann festzustellen, wie umfangreich das Thema ist.” Es geht sowohl um technische, militärische, als auch politische, rechtliche und moralische Fragen: “Das fand ich spannend.”
Das vom Auswärtigen Amt und der SWP unterstützte Wissenschaftsprojekt “The International Panel on the Regulation of Autonomous Weapons” (iPRAW) bietet ihr den Rahmen dazu. Über ihre Forschungsergebnisse, beispielsweise welche Auswirkungen solche Waffen auf das internationale Völkerrecht haben, berät sie die Bundesregierung und auch den Bundestag. “Wir haben viel Aufklärungsarbeit geleistet.” Und manchmal “freut man sich, wenn man bestimmte Überlegungen in offiziellen Statements wiederfindet”. So lehnt die Ampel-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag autonome Waffen ab, “die vollständig der Verfügung des Menschen entzogen sind”.
Auch wenn die Politik – anders als bei der Drohnen-Debatte – “heute viel weiter ist”, kann man sich international auf kein Verbot von vollautonomen Waffen verständigen. Seit zehn Jahren beschäftigt sich die “Convention of Certain Conventional Weapons” (CCW) in Genf mit diesem Thema. Seit dieser Zeit besucht Anja Dahlmann regelmäßig die Treffen dieser Regierungs-Expertengruppe. Am Anfang war sie enthusiastisch, – jetzt endlich würde etwas passieren. Heute glaubt sie nicht mehr an ein Verbot: “Weil zu viele Einzelstaaten es nicht wollen, unter anderem Russland, China, Israel, aber in Teilen auch die USA.” Da die CCW ein “konsensbasiertes Forum” ist, werde es keine Beschlüsse in absehbarer Zeit geben.
Was nach Dahlmanns Meinung Deutschland nicht daran hindern müsste, den Einsatz von KI in Waffensystemen zu regeln. “Es liegt eigentlich alles auf dem Tisch.” Obwohl es viele einzelne Überlegungen gibt – im Bundestag, im Verteidigungsministerium, in den Streitkräften und in der Industrie – fehlt es an einer kohärenten Strategie. Ein Versäumnis, meint Dahlmann: “Sie wäre wichtig, weil sie eine informiertere Diskussion ermöglichen würde: Was wollen wir und was wollen wir nicht? Wie soll eine menschliche Kontrolle aussehen?”
Aber auch hier gilt – siehe oben: Einfach weitermachen. Sich nicht unterbrechen lassen. Nana Brink
Christian Heldt wird ab September neuer Sonderbeauftragter für Beziehungen zu jüdischen Organisationen, Antisemitismusfragen, internationale Angelegenheiten der Sinti und Roma und Holocaust-Erinnerung (kurz SB JSR, Abteilung 6) im Auswärtigen Amt. Der 60-Jährige war bis Ende Juli Botschafter in Riga. Dort folgt ihm Gudrun Masloch nach, zuvor Referatsleiterin für Westafrika in Berlin.
Heldt war seit November 2020 Botschafter in Lettland. Davor vertrat er Deutschland an der Botschaft im Kosovo sowie als Gesandter an der Botschaft beim Heiligen Stuhl. Weitere Stationen seiner Karriere führten ihn nach Tel Aviv und ins französische Außenministerium. Von 2008 bis 2010 war Heldt politischer Berater beim Einsatzführungsstab im Verteidigungsministerium. Von 1993 bis 1996 war er an der Botschaft in Moskau im Wirtschaftsreferat und als Koordinator für humanitäre Hilfe eingesetzt.
Der 1963 in Aschaffenburg geborene Diplomat ging nach dem Abitur für zwei Jahre als Reserveoffiziersanwärter zur Bundeswehr und studierte danach Geschichte, Völkerrecht und Politikwissenschaften in Bonn und Paris. 1991 trat er seinen Vorbereitungsdienst für den höheren Auswärtigen Dienst an. klm
Diese Autobiografie ist kein literarisches Meisterwerk. Aber eine unterhaltsame Erzählung über eine Frau, die schon immer nach oben wollte. Nach ganz oben. Kamala Harris schreibt rührselig – und bisweilen pathetisch – von ihrem Lebensweg als Tochter eines indisch-jamaikanischen Einwandererpaares, die sich zur Justizministerin von Kalifornien hocharbeitet. Was hängenbleibt, ist ihre Selbst-Definition als “Schwarze Frau”. Dies habe sie ihrer Mutter zu verdanken, die entschlossen war, sie und ihre jüngere Schwester “zu selbstbewussten, stolzen Schwarzen Frauen zu erziehen”.
Interessant ist ihr erster Wahlkampf. Eine Art Blaupause für alle weiteren Wahlkämpfe, die die Juristin bis ins Vize-Präsidentenamt führen wird. Für die demokratische Partei kandidiert sie 2003 für den Posten der Bezirksstaatsanwältin von San Francisco. Sie besiegte den bekannten Amtsinhaber. Ihr erstes Plakat: “Kamala Harris – Eine Stimme für die Gerechtigkeit”. Was sie dabei lernt, gehört zu den Grundvoraussetzungen einer politischen Karriere in den USA: Rede über Dein Leben, sei persönlich – und sage nichts Wesentliches.
Dies ist kein negatives Urteil über die charismatische neue demokratische Präsidentschaftskandidatin. Diese Autobiografie zeugt eben von ihrer Klugheit, ihren Wählerinnen und Wähler das Bild zu vermitteln, das sie selbst bestimmt. nana
Kamala Harris / Der Wahrheit verpflichtet – Meine Geschichte / Siedler Verlag München 2024
ist die SPD eher die Partei der Taurus-Verweigerer oder doch die Partei des Sondervermögens und der Zeitenwende? Der frühere Parteivorsitzende Norbert Walter-Borjans wirft seinen Genossen vor, friedenspolitische Themen AfD und BSW zu überlassen und wehrt sich gegen die Pläne der Bundesregierung, weitreichende Präzisionswaffen in Deutschland zu stationieren. Die Ampel hatte das schon im Juni 2023 in ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie angekündigt, weshalb Markus Bickel bei Walter-Borjans nachgefragt hat, warum er erst jetzt dagegen protestiert.
In der aktuellen Diskussion um die Stationierung von weitreichenden Präzisionswaffen würden Kritiker fälschlicherweise Maßstäbe aus der Hochzeit des Kalten Krieges anlegen, schreibt Thomas Wiegold. Heute gehe es nicht mehr um nukleare Aufrüstung, sondern darum, einen atomaren Konflikt zu verhindern. In seiner Analyse klärt er, welche technischen Argumente in der Debatte daneben zielen.
Ich wünsche eine gute Lektüre
Herr Walter-Borjans, in ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie hat die Bundesregierung bereits vor einem Jahr die “Entwicklung und Einführung von Zukunftsfähigkeiten wie abstandsfähigen Präzisionswaffen” angekündigt. Warum protestieren Sie erst jetzt dagegen, wenn es um die Stationierung US-amerikanischer Systeme geht?
Jeder einzelne Schritt bis hin zu dieser Entscheidung war erst einmal verhältnismäßig unverdächtig. Mit der jetzt getroffenen Vereinbarung kann Deutschland aber im wahren Wortsinn zum europäischen Brennpunkt werden, weshalb der Unmut über die geplante Stationierung in vielen Gesprächen, die ich führe, so groß ist – weit über die SPD hinaus. Das war aus der Sicherheitsstrategie heraus so nicht abzulesen. Für die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion und des Parteivorstands kam dieser Schritt überraschend, vom Kanzleramt wurde er bestenfalls vage angedeutet.
In dem von Ihnen unterzeichneten Papier heißt es, “dass unser dicht besiedeltes Land zum Ziel eines atomaren Erstschlags” werden könnte. Warum argumentieren Sie mit solchen Worst-Case-Szenarien, die am Ende das russische Narrativ bedienen, dass die Nato und der Westen diejenigen seien, die den Konflikt schürten?
Wie kommen Sie auf diese Deutung? Es gibt unbestreitbare Militärexperten, die die Gefahr eines Einsatzes russischer Atomwaffen gegen die allein im dicht besiedelten Deutschland stationierten US-Langstreckenraketen sehen. Das wäre natürlich der Extremfall, aber selbst eine Stufe darunter birgt die Stationierung Risiken, über die eine breitere Debatte notwendig ist und nicht ein Alleingang am Rande eines Nato-Gipfels. Dagegen richtet sich unsere Kritik in erster Linie, nicht gegen eine inhaltliche – wenn nötig auch scharfe – Kontroverse in gegenseitigem Respekt. In unserem Papier kritisieren wir darüber hinaus die Schlagseite in der Debatte. Die besteht darin, dass die Kritiker der Stationierung als naive Träumer herabgesetzt werden. Wer auf die Stationierung setzt, gilt dagegen per se als Experte.
Bislang wird diese Debatte vor allem innerhalb der SPD geführt, anders als bei den Protesten gegen den Nato-Doppelbeschluss Anfang der 1980er-Jahre.
Nicht nur in der SPD, aber Sie haben recht, damals war gerade die jüngere Generation viel stärker mobilisierbar. Das merke ich auch auf Veranstaltungen, wo die meisten im Publikum älter als 50 oder 60 Jahre sind. Es mag auch am Format liegen, dass 20-Jährige heute nicht mehr in Gemeindesälen diskutieren wie noch vor 40 Jahren. Das läuft inzwischen über soziale Medien. Da fällt Säbelrasseln leichter. Hinzu kommt, dass die Selbstverständlichkeit, mit der die Generation unter 40 bislang Frieden erlebt hat, durch das, was jetzt in der Welt passiert, schwer erschüttert ist. Das fördert die Bereitschaft, einem Kriegsverbrecher die Stirn zu bieten, koste es, was es wolle, und die Ablehnung, mit so einem Aggressor überhaupt nur zu sprechen.
Liegt es nicht auch daran, dass Parolen wie “Frieden schaffen ohne Waffen” angesichts der Bedrohung aus Russland und dem Erstarken anderer autoritärer Kräfte einfach aus der Zeit gefallen sind?
Das Ziel bleibt richtig. Aber die Welt geht zurzeit einen anderen Weg. Dabei geraten auch wir immer wieder in den Konflikt zwischen Moral und Interessen. Das ist besonders für die Jüngeren ohne Nachkriegserfahrung unerträglich. Ist es ja auch. Aber es gibt keine Lösung ohne Gesprächsbereitschaft mit Menschenverächtern, so schwer das fällt. Wenn ich beispielsweise den Konflikt in der Ukraine unter Einbeziehung von China lösen möchte, stellt sich sofort die Frage, ob Pekings derzeitige Politik gegenüber den Uiguren oder Taiwan eine Vermittlerrolle nicht ausschließt. Mit Gaslieferungen aus Katar als Ersatz für russisches Gas ist es nicht anders.
In Ihrer Partei wurde mehr als zehn Jahre lang über den Einsatz bewaffneter Drohnen diskutiert. Ohne den Einsatz dieser Systeme hätte es die Ukraine nicht geschafft, den russischen Einmarsch zu bremsen. Sind Sie froh, dass solche Debatten seit der Zeitenwende nun pragmatischer geführt werden?
Auch wenn ich auf diese Form von Wende gerne verzichtet hätte, sind wir in der Diskussion heute sicherlich an einem anderen Punkt. Putins Vorgehen hat uns schon vor 2022 darin zurückgeworfen, über die nächsten Schritte der Abrüstung zu reden und Sicherheitspolitik nicht nur militärisch zu denken. Auch bei den bewaffneten Drohnen ging es uns um die nicht geführte Debatte darüber, was mit diesen Systemen angerichtet werden kann und dass bei ihrem Einsatz ethische Maßstäbe und Vorgaben des Völkerrechts beachtet werden müssen. Klar ist aber auch, dass die Zeitenwende viele Gesichter hat, nicht nur den Krieg: Klimakrise, gesellschaftliche Spaltung, Konflikte und Migration hängen miteinander zusammen. Wir sind gerade nicht auf dem Weg, das im Zusammenhang zu lösen.
Mit Ihrer kritischen Haltung gegenüber der geplanten Stationierung der US-Mittelstreckenraketen, aber auch in Bezug auf Verhandlungen mit Russland über ein Ende des Kriegs gegen die Ukraine befinden Sie sich in einem Lager mit AfD, BSW und der Linken.
Diese Parteien besetzen ein Thema, das viele umtreibt, das Bundesregierung und CDU/CSU-Opposition aber nicht auf der Tagesordnung haben wollen. Wir dürfen uns vor dieser Debatte nicht drücken, sonst führt es zu einem weiteren Erstarken der Ränder. Auch wenn es bei den bevorstehenden Wahlen um Landesparlamente geht: Die Zeit drängt.
Auf den Philippinen wurde schon Realität, was in zwei Jahren auch in Deutschland passieren soll. Mitte April flog die U.S. Army ihr neues Raketensystem für eine Übung ein: Mit dem neu entwickelten Startsystem “Typhon” testeten die Streitkräfte erstmals außerhalb der USA die schnelle Stationierung des Abschusssystems für Marschflugkörper des Typs Tomahawk vom Boden aus und für Kurzstreckenraketen des Typs Standard Missile 6 (SM-6). Die Waffensysteme gehören zu einer “Multi-Domain Task Force” (MDTF), die im Kriegs- und Krisenfall Kommandeuren den gezielten Einsatz gegen wichtige gegnerische Stellungen wie Kommandozentralen ermöglichen soll.
Eine solche MDTF gibt es seit zwei Jahren auch in Deutschland. Und eine Vereinbarung zwischen der US-Regierung und der Bundesregierung – am Rande des Nato-Gipfels in Washington im Juli bekannt gemacht – führt zu einer zunehmend aufgeheizten Debatte in Deutschland. Denn Berlin und Washington verständigten sich darauf, ab 2026 zunächst gelegentlich und perspektivisch folgende Raketen dauerhaft in Deutschland zu stationieren:
• SM-6 als Boden-Boden-Rakete mit kurzer Reichweite, die aber mit Überschallgeschwindigkeit fliegt,
• Tomahawk-Marschflugkörper, die mit Unterschall-Geschwindigkeit (ca. 880 km/h) rund 1.600 Kilometer Reichweite haben, und
• das noch nicht fertig entwickelte Hyperschall-System Long-Range Hypersonic Weapon System (LRHW), bekannt unter dem Namen “Dark Eagle”.
Alle drei Waffensysteme sollen konventionelle Sprengköpfe tragen, also nicht atomar bewaffnet werden. Dennoch ist die Debatte hierzulande in Teilen von der Erinnerung an die Hochzeit des Kalten Krieges und die Atomkriegsgefahr zwischen den damaligen Blöcken geprägt. Kritiker sprechen von der Gefahr, dass Deutschland damit zum Ziel für einen (russischen) Erstschlag werde – und greifen damit bewusst die Terminologie der nuklearen Hochrüstung in den 1980er-Jahren auf.
Während es damals auf Seiten von Sowjetunion und Warschauer Vertrag einerseits und Nato andererseits um die Frage ging, wie beide Seiten mit Atomwaffen umgehen und nach-, auf- oder hochrüsten, ist diesmal das Ziel, dass es eben nicht zu einem nuklearen Konflikt kommt.
Die Absicht, mit sogenannter weitreichender Präzisionsbewaffnung mit konventioneller Munition unterhalb der Schwelle des Einsatzes von Atomwaffen zu bleiben, beschäftigt die Nato bereits eine Weile. “Deep Precision Strike”, weitreichende Präzisionsschläge, heißt das in der Allianz. Deutschland hatte die Absicht, genau diese Waffen zu entwickeln und zu beschaffen, um damit einem bereits bestehenden russischen Raketenarsenal etwas entgegensetzen zu können. Das hat sich die Bundesregierung bereits vor einem Jahr in die Nationale Sicherheitsstrategie geschrieben: “Die Bundesregierung wird die Entwicklung und Einführung von Zukunftsfähigkeiten wie abstandsfähige Präzisionswaffen befördern.”
Neben der bilateralen Vereinbarung mit den USA unterzeichnete die Bundesregierung deshalb am Rande des Gipfels in Washington auch eine Absichtserklärung mit Frankreich, Polen und Italien. In den europäischen Nato-Ländern wird das Fehlen solcher Waffen im Arsenal der Streitkräfte spätestens seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine als Fehler gesehen. Dass die Europäer keine konventionellen Systeme besitzen, die russisches Territorium erreichen können – mit Ausnahme direkt angrenzender Staaten zum Beispiel an die russische Exklave Kaliningrad an der Ostsee – ist aus Nato-Sicht eine Fähigkeitslücke.
Die Diskussion gerade in Deutschland ignoriert bislang allerdings weitgehend die bereits vor einem Jahr verkündeten Überlegungen – an der Nationalen Sicherheitsstrategie und ihren Aussagen hatte es zum Beispiel aus der SPD keine vernehmbare Kritik gegeben. Und in der Debatte wird der Maßstab der Atomwaffendiskussion von vor 40 Jahren angelegt.
Dabei sind auch Aussagen im Umlauf, die die damit verbundenen Ängste erst recht schüren, obwohl sie faktisch nicht korrekt sind. Das gilt vor allem für die Aussage, die Tomahawk-Marschflugkörper seien auch als Träger von Atomwaffen nutzbar. Die Varianten dieses Waffensystems, die tatsächlich einen nuklearen Sprengkopf tragen konnten, wurden von den USA ausgemustert. Die aktuellen Tomahawk-Versionen können auch nicht schlicht “technisch gesehen” vom konventionellen zum nuklearen Waffensystem umgebaut werden. Zu unterschiedlich ist schon das Gewicht der beiden Arten von Sprengköpfen. “Diese Systeme können ebensowenig wie ein Volkswagen mit einem nuklearen Gefechtskopf ausgerüstet werden”, sagt der Atomwaffenexperte Hans Kristensen von der US-“Federation of American Scientists”. Solange dafür kein Atomsprengkopf entwickelt und zertifiziert werde, sei der Tomahawk nicht nuklearfähig.
Zudem ist aus Sicht der Bundesregierung – das haben Kanzler Olaf Scholz wie auch Verteidigungsminister Boris Pistorius deutlich gemacht – die geplante Stationierung der US-Waffen ein Schritt im Rahmen der von den Europäern angestrebten Bereitstellung dieser Waffen. Ob im US-Arsenal oder in europäischem Besitz.
Dass es mit den Waffen der MDTF nicht getan sein wird, zeigt schon ein Blick auf die vorgesehene Struktur dieser Kampfgruppen, die ohnehin mehr in Asien als in Europa präsent sein werden: In einer solchen MDTF ist neben anderen Komponenten wie elektronische Kriegführung und Flugabwehr ein Raketenartilleriebataillon vorgesehen. Und darin wiederum eine Kompanie für das (auch aus dem Ukraine-Einsatz bekannten) Mehrfachraketenwerfer-System HIMARS, eine Kompanie für die geplante Hyperschall-Waffe und ebenfalls eine Kompanie mit der sogenannten Mid Range Capability mit SM-6 und Tomahawk. Eine flächendeckende Stationierung ist das nicht.
Boris Pistorius – Bundesverteidigungsminister (SPD)
Als Nachfolger der glücklos agierenden Vorgängerin Christine Lambrecht avancierte der Niedersachse 2023 schnell zum beliebtesten Minister der Bundesregierung – das war noch keinem Chef des Wehrressorts gelungen. Auch international wird der 64-Jährige für seine klaren Worte und großen Vorhaben geschätzt. In Deutschland kämpft er darum, die Finanzierung für die “Bundeswehr der Zeitenwende” sicherzustellen, auch gegen die eigene Partei.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) – Vorsitzende des Unterausschusses für Verteidigung im Europäischen Parlament
Mit der erfolgreichen Wahl zur Ausschussvorsitzenden meldete Marie-Agnes Strack-Zimmermann im Europäischen Parlament im Juli direkt einen Führungsanspruch an. Nicht erst seit ihrem Sprung ins Europaparlament steht die versierte Verteidigungsexpertin für einen Wandel in der europäischen Sicherheitspolitik. Sie setzt sich für einen eigenen Kommissar für Verteidigung und für die Aufstellung gemeinsamer europäischer Streitkräfte ein.
Marcus Faber (FDP) – Vorsitzender des Bundestags-Verteidigungsausschusses
Der Politologe, seit 2017 im Bundestag, gilt als selbstbewusster und kampfbereiter Unterstützer von Waffenlieferungen an die Ukraine, der die Bundeswehr auch von innen kennt. Faber, der seinen Wahlkreis in Altmark in Sachsen-Anhalt hat, wirbt vor allem in Ostdeutschland für Verständnis für die Ukraine-Hilfen.
Roderich Kiesewetter (CDU) – Mitglied in Auswärtigen Ausschuss und Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags
Roderich Kiesewetter war von 1982 bis zu seiner Verabschiedung aus dem aktiven Dienst 2015 Berufssoldat, zuletzt im Rang eines Oberst i.G. Er verbrachte viel Zeit im Ausland, entweder in Auslandseinsätzen der Bundeswehr oder in Nato-Institutionen. Der 60-Jährige setzt sich nicht erst seit dem russischen Überfall der Ukraine für eine bessere Ausstattung der Bundeswehr und stärkere Abschreckungsfähigkeit der Nato ein.
Ingo Gädechens (CDU) – Mitglied des Bundestagshaushaltsausschusses und des Gremiums “Sondervermögen Bundeswehr”
Als erfahrener Haushälter beaufsichtigt der ehemalige Marinesoldat neben dem regulären Haushalt der Bundesregierung auch das “Sondervermögen Bundeswehr”. Der Lübecker spricht sich deutlich gegen die von der Regierung vorgesehenen Verwendung des Sondervermögens für “Infrastrukturprojekte” aus, die den Rahmen des Sondervermögens geschmälert hätten.
Agnieszka Brugger (Grüne) – stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Mitglied des Verteidigungsausschusses
Sie steht dazu, dass sich Standpunkte drastisch ändern können: Agnieszka Brugger gehörte zu den ersten Grünen, die nach den Mardern auch Leopard-Panzer in die Ukraine liefern wollten. Seit 2009 sitzt sie für die Grünen im Bundestag, hat sich bei der Bundeswehr einen Namen gemacht und gilt auch beim politischen Gegner als eine der versiertesten Verteidigungspolitikerinnen ihrer Partei.
Sara Nanni (Grüne) – Sicherheitspolitische Sprecherin und Obfrau der Grünen im Verteidigungsausschuss, Mitglied im Gremium “Sondervermögen Bundeswehr”
Sara Nanni vertritt die Grünen erst seit 2021 im Bundestag, gilt aber als vielversprechende Newcomerin im Verteidigungsausschuss. Wie bei den Grünen üblich, agiert sie etwa bei Mitteilungen gerne im Tandem mit ihren Kolleginnen und Kollegen und hat auch Themen wie Krisenprävention im Blick. Ihr Studium der Sozialwissenschaften schloss sie 2014 mit einem Master in Friedens- und Konfliktforschung ab.
Wolfgang Hellmich (SPD) – Obmann des Verteidigungsausschusses, Mitglied im Gremium “Sondervermögen Bundeswehr”
Für Wolfgang Hellmich ist es bereits die dritte Legislaturperiode im Bundestag. Zwischenzeitlich leitete er den Verteidigungsausschuss, jetzt kümmert er sich als Obmann seiner Fraktion um dessen Belange. Er ist bekannt dafür, dass er den direkten Kontakt mit Wählerinnen und Wählern sucht, um Politik zu erklären. Vor seinem Einzug in den Bundestag war er von 1986 bis 2012 Hauptamtlicher Geschäftsführer für die SPD in ihren einstigen Bastionen Dortmund, Düsseldorf, Unna und Hamm sowie an der Ruhr.
Andreas Schwarz (SPD) – Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion für den Wehretat im Haushaltsausschuss, Mitglied des Gremiums “Sondervermögen Bundeswehr”
Andreas Schwarz kann im Bundestag auf langjährige Finanz- und Steuerexpertise zurückgreifen. Der Diplom-Betriebswirt gilt als politischer Generalist, der auch ohne beruflichen Hintergrund in Truppe oder Industrie viel Verständnis für komplizierte militärische Zusammenhänge aufweist. Er spricht sich sowohl für Waffenlieferungen an die Ukraine als auch für ein Raketenabwehr-System für Deutschland aus.
Michael Roth (SPD) – Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags
Michael Roth ist seit 1998 Mitglied im Bundestag. Ins Auswärtige Amt ist er nicht nur deshalb bestens vernetzt, weil er seit 2021 den Auswärtigen Ausschuss des Bundestags leitet, sondern weil er bis dahin als Staatsminister für Europa am Werderschen Markt arbeitete. Der 53-Jährige zählt zu den Unterstützern der Ukraine der ersten Stunde. Weil er mit seiner Position in Partei wie Fraktion zunehmend isoliert war, tritt er 2025 nicht noch einmal für den Bundestag an.
Knapp 24 Stunden nach Absage der Konzerte von Taylor Swift in Wien haben die österreichischen Ermittler schon ein ziemlich klares Bild von den mutmaßlichen Attentätern. Die beiden 19 und 17 Jahre alten Männer waren nach Einschätzung der Behörden Teil eines islamistischen Netzwerks, sollen sich im Internet radikalisiert und dem “Islamischen Staat” Treue geschworen haben. Nach der Festnahme der mutmaßlichen Attentäter wurden die drei Konzerte der US-Musikerin am Donnerstag, Freitag und Samstag abgesagt. Mindestens 170.000 Menschen hatten Tickets für die Konzerte.
Der 19-jährige mutmaßliche Haupttäter hat Polizeiangaben zufolge inzwischen gestanden. Demnach wollte er zusammen mit dem 17-Jährigen entweder am Donnerstag oder am Freitag mit Sprengstoff und Stichwaffen “sich selbst und eine große Menschenmenge töten”, sagte Omar Haijawi-Pirchner, Leiter der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) im österreichischen Innenministerium. Weil er kein Ticket für das Konzert hatte, wollte er das Blutbad offenbar in der Menschenmenge vor dem Ernst-Happel-Stadion in Wien anrichten.
Als die Ermittler die Wohnung des 19-Jährigen in Ternitz bei Wien durchsuchten, entdeckten sie funktionsfähige Sprengsätze, Chemikalien, Falschgeld, Propagandamaterial, Hieb- und Stichwaffen. Beim anderen Beschuldigten fanden sie Propagandamaterial des IS und der Terrorgruppe Al-Qaida. Er soll regelmäßig eine Moschee besucht haben, die islamistische Inhalte verbreitete. Die Behörden gehen davon aus, dass die beiden Festgenommenen keine Komplizen hatten, haben allerdings einen 15-Jährigen als potenziellen Mitwisser identifiziert und befragt. Momentan werde nicht nach weiteren Verdächtigen gefahndet, hieß es.
Ein ausländischer Geheimdienst habe den Hinweis auf die Attentatspläne geliefert. “Gerade in der Terrorismusbekämpfung ist die Informationsteilung essenziell”, sagte Staatsschützer Haijawi-Pirchner. Jedoch habe sich der Hinweis zunächst nur auf einen möglichen Einzeltäter bezogen. Durch weitere eigene Erkenntnisse sei man auf das polizeibekannte islamistische Netzwerk gestoßen. Arthur Fiedler
In diplomatischen Kreisen wächst die Zuversicht, dass der Iran auf einen groß angelegten Vergeltungsschlag gegen Israel verzichten könnte. Das berichten sowohl israelische wie US-amerikanische Medien. Demnach soll US-Präsident Joe Biden über die Schweizer Botschaft in Teheran und die UN-Vertretung Irans in New York deutlich gemacht haben, dass ein Angriff mit Drohnen und Marschflugkörpern wie im April nicht im Interesse des Regimes liege. Vor allem dem neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian könnte ein regionaler Flächenbrand nicht gelegen kommen.
Auch in israelischen Sicherheitskreisen geht man inzwischen offenbar davon aus, dass es als Vergeltung für die Tötung von Hamas-Anführer Ismail Hanija vergangene Woche nicht zu Angriffen von mehreren Fronten kommen werde. Am Donnerstagabend kam das Sicherheitskabinett von Premierminister Benjamin Netanjahu zu einer Krisensitzung zusammen. Die USA hatten am Mittwoch Stellungen der Huthi-Rebellen im Jemen bombardiert, die neben irakischen Schiitenmilizen, der palästinensischen Hamas und der libanesischen Hisbollah zur sogenannten “Achse des Widerstands” zählen, die die Zerstörung Israels zum Ziel hat.
Israel griff auch am Donnerstag Stellungen der Hisbollah im Süden Libanons an. Deren Generalsekretär hatte zu Beginn der Woche bekräftigt, dass die Vergeltung für die Tötung Hanijas und des obersten Hisbollah-Militärkommandeurs Fuad Schukr vergangene Woche “stark, effektiv und wirkungsvoll” ausfallen werde: “Den Feind warten zu lassen, ist Teil der Strafe.”
In den Israel Defense Forces (IDF) geht man von möglichen Angriffen auf militärische Einrichtungen auch im Zentrum Israels aus, die die Hisbollah ins Visier nehmen könnte. Die von Iran militärisch wie finanziell unterstützte Schiitenmiliz soll über mehr als 140.000 Raketen verfügen, darunter Geschossen mit Reichweiten von bis zu 300 Kilometern. Zuletzt hatten auch die jemenitischen Huthi Israel mit Marschflugkörpern und Drohnen beschossen; irakische Schiitenmilizen haben ebenfalls gedroht, Israel anzugreifen. mrb
Auch drei Tage, nachdem ukrainische Truppen auf russisches Territorium in der Region Kursk vorgedrungen waren, hielten die Kämpfe an. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte am Donnerstagabend: “Russland hat den Krieg in unser Land gebracht und soll spüren, was es getan hat.” Die Kämpfe in Kursk erwähnte er jedoch nicht.
Russische staatliche Medien betonten am Donnerstagnachmittag zwar, dass es gelungen sei, das Vorrücken der ukrainischen Truppen aufzuhalten. Kreml-treue und regierungsnahe Telegram-Kanäle berichteten dagegen von Kämpfen unter anderem in den grenznahen Orten Iwaschki und Sudscha.
Bemerkenswert ist, dass Präsident Wladimir Putin am Donnerstag in einem Videogespräch mit dem Kursker Gouverneur Alexej Smirnow über die Lage vor Ort gesprochen hat. Offenbar ist die Situation ernst. Grenznahe Orte sollen nun evakuiert werden. Über die Opfer in der Zivilbevölkerung und Verluste in den Streitkräften gibt es keine überprüfbaren Informationen, russische Behörden sprechen von 30 Verletzten, darunter befinde sich auch der bekannteste russische Kriegsreporter Jewgenij Poddubnyj. Die Armee will mehrere Hundert ukrainische Soldaten getötet haben.
Die Region Kursk liegt nördlich von der ukrainischen Metropole Charkiw, die Russland gerne einnehmen würde. Mit dem Vorstoß dürfte die Ukraine versuchen, russische Kräfte vom Vordringen in Richtung Charkiw abzuhalten. Weil Russland mit den Angriffen auf Charkiw die Front im Osten stark ausgedehnt hatte, mussten ukrainische Kräfte verlegt werden. So gelingt es Russland im Donbass in kleinen Schritten, aber kontinuierlich voranzukommen. In der grenznahen russischen Kleinstadt Sudscha befindet sich außerdem ein Einspeisepunkt für Erdgas, das durch die Ukraine nach Europa fließt. Und in der Region befindet sich das Atomkraftwerk Kursk. Um die ukrainischen Kräfte hier zurückzudrängen, wird Russland Ressourcen in diese Region verlegen müssen.
Für die russische Armeeführung ist der erfolgreiche ukrainische Vorstoß in der Region Kursk ein Problem. Die Flucht der Menschen aus der Region, die Bilder und die Videos, die sich über die sozialen Netzwerke verbreiten – das alles zeigt, dass die Ukraine den Krieg auf das russische Territorium zurückträgt, und Moskau die Gebiete nicht schützen kann. Die regionale Verwaltung versuchte am Donnerstag die Menschen zu beruhigen und von einer massenhaften, unorganisierten Flucht abzuhalten. vf
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat am Donnerstag seine viertägige Afrika-Reise nach Malawi, Sambia und Mauretanien beendet. In Sambia unterzeichnete Kuleba mit seinem Amtskollegen Mulambo Haimbe ein Memorandum of Understanding für langfristige politische Konsultationen. Das Land soll nach Angaben von Kuleba auch Getreide von der Ukraine erhalten.
Dem mauretanischen Premierminister Kumar Jugnath dankte Kuleba zudem in einem Post auf X für die Unterstützung seines Landes im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Beide Länder wollen sich über Doppelbesteuerungs- und Investitionsschutzabkommen verständigen.
Im Sahel haben sich die Spannungen mit der Ukraine indes nicht gelöst. Das ukrainische Außenministerium bedauerte in einer Mitteilung am Donnerstag Nigers Entscheidung, die diplomatischen Beziehungen abzubrechen. Die nigrische Junta von General Tchiani war bereits Anfang der Woche Malis Entschluss gefolgt.
Wie schon in der Reaktion auf Malis Rückzug, bemängelte die ukrainische Regierung nochmals, dass es keine Grundlage dafür gebe. Der ukrainische Geheimdienst hatte vor gut einer Woche erklärt, er habe die Tuareg-Rebellen im Norden Malis bei ihrem erfolgreichen Kampf gegen malische Regierungstruppen und Wagner unterstützt. Mali und Niger führen dies als Begründung für den Abbruch der Beziehungen an.
Dass auch Burkina Faso die Beziehungen mit der Ukraine abbrechen könnte, gilt als sehr wahrscheinlich. Die drei Staaten der AES-Konföderation bemühen sich bisher, politisch geeint aufzutreten. Bei einem Besuch Mitte der Woche lobte Sierra Leones Präsident Julius Maada Bio indessen den Austausch mit Burkinas Übergangspräsident Ibrahim Traoré, der für weitere fünf Jahre das Land regieren soll. Sierra Leone hat für August den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat inne und für Mitte des Monats eine Debatte über die Mitsprache Afrikas in dem Gremium angesetzt. lcw
Fünf deutsche Eurofighter und ein Transportflugzeug des Typs A400M trainieren seit Mittwoch zusammen mit der indischen Luftwaffe. Die Übung “Tarang Shakti” läuft noch bis Dienstag und ist ein Manöver mit vielen Premieren und Symbolik: Es ist die erste gemeinsame Übung der deutschen und indischen Luftstreitkräfte in Indien überhaupt. Für Indiens Luftwaffe ist es gar die erste multinationale Übung seit 60 Jahren – denn neben Deutschland sind auch Frankreich mit Rafale und Mirage 2000-Kampfjets und Spanien und Großbritannien mit Eurofightern dabei.
Das neuerliche Interesse Europas an Indien beruht auf Gegenseitigkeit. Indien, das sich bedroht fühlt von China und Pakistan, sucht westliche Verbündete, nutzt die Übung “Tarang Shakti” (deutsch: “Welle der Macht”) vor allem, um von westlichen Partnern zu lernen. Der Chef der indischen Luftwaffe, Vivek Ram Chaudhari, sagte am Dienstag, er sei überzeugt, dass diese Übung künftig zu einem “festen Bestandteil im Kalender unserer befreundeten Länder wird.”
Dass die Übung auch bei der Bundeswehr hohe Priorität genießt, demonstrierte Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz, als er einen Eurofighter selbst zum Luftwaffenstützpunkt Sulur im Süden des Landes flog. Für Deutschland steht bei dem Besuch in Indien vor allem der Wunsch nach einer engeren Kooperation mit der sechstgrößten Industrienation der Welt im Vordergrund. Indien sucht derzeit unter anderem nach einem Partner für den Bau konventioneller U-Boote, ein potenziell milliardenschweres Projekt für Thyssen Krupp Marine Systems. Auch bei der Eurodrohne kommt Indien als Beobachter infrage.
Die Teilübung “Tarang Shakti” in Indien ist der fünfte und letzte Teil der Luftwaffen-Verlegeübung “Pacific Skies 24”, deren erste Station Mitte Juni in Alaska war. Danach machten die Flugzeuge Stopp in Japan, Hawaii und Australien. klm
Stiftung Wissenschaft und Politik: Trump II und die nukleare Rückversicherung der USA im Pazifik. In Australien, Japan und Südkorea ist die Sorge, dass die USA ihre erweiterte nukleare Abschreckung beenden könnten, deutlich geringer ausgeprägt als in Europa. Die Länder befürchten viel eher regionale ordnungspolitische Herausforderungen, die auch für Europas Sicherheit und Wirtschaft relevant wären.
Journal für Internationale Politik und Gesellschaft: Mut zum Lückeschließen. Es fehle an strukturierten Bemühungen, den Krieg in der Ukraine zu beenden, kritisieren die Autoren dieses Artikels. Sie fordern eine internationale Kontaktgruppe zur Bearbeitung des Krieges. Diese soll einen Dialog der Konfliktparteien ermöglichen, politischen Druck ausüben und die Lage der Zivilbevölkerung verbessern.
Council on Foreign Relations: Tim Walz on Foreign Policy. Dieser Artikel sammelt Hintergrundinformationen zu Tim Walz’ außenpolitischen Ansichten. Er fasst die Positionen des demokratischen Vizepräsidentschaftskandidaten zu Russlands Angriffskrieg, der Lage in Nahost, China, dem Klimawandel, Migration sowie Gesundheits- und Handelspolitik zusammen.
Konrad-Adenauer-Siftung: Cyber-Actor Iran. Der Iran habe sich zu einem bedeutenden Akteur im Cyber- und Informationsraum entwickelt, schreiben die Autoren dieses Artikels. “Es ist davon auszugehen, dass die Aktivitäten und das Vorgehen Teherans in Deutschland künftig gezielter und aggressiver werden – vor allem was die Sabotage von kritischen Infrastrukturen und Spionageaktivitäten angeht.” Der Artikel führt aus, wie sich Deutschland als Verbündeter der USA und Israels auf vielfältige Bedrohungen einstellen muss.
European Council on Foreign Relations: The EU’s democracy promotion in the Western Balkans and the eastern neighbourhood. Die EU steht vor der Aufgabe, zukünftige Mitglieder auf dem westlichen Balkan und in Osteuropa bei der Umwandlung in liberale Demokratien zu unterstützen. Sie “wird ihre Konditionalität konsequenter und vorhersehbarer anwenden müssen. Außerdem sollte sie zivilgesellschaftliche und nicht-staatliche Initiativen unterstützen, um einen Wandel von unten herbeizuführen”, fordern die Autoren dieses Textes.
Sie verkörpert den Typus der jungen Wissenschaftlerin: klar in der Analyse, freundlich im Ton, und wenn es sein muss: angriffslustig. Das haben ältere, vor allem männliche, Kollegen schon mal unterschätzt, die meinten, sie unterbrechen zu müssen. Dann wird Anja Dahlmann, was sonst gar nicht ihr Stil ist, etwas lauter – und redet ungerührt weiter.
Natürlich muss man das lernen. Und wahrscheinlich lernt man das am besten, wenn man für ein Thema brennt. Und das tut die Politikwissenschaftlerin. Einer der Schwerpunkte ihrer wissenschaftlichen Arbeit: Künstliche Intelligenz in Waffensystemen. Ein Aufreger-Thema. Sehr schnell ist da von “Killer-Robotern” die Rede, von Drohnen-Schwärmen, die sich verselbstständigen. Anja Dahlmann kennt diese Buzzwords und verdreht ein wenig die Augen.
Schlagwörter wie Killer-Drohnen lehnt sie – ganz korrekte Wissenschaftlerin – vehement ab. Denn der Einsatz von KI auch im militärischen Bereich ist längst Realität. In diesem Zusammenhang verweist Dahlmann gern auf die zehnjährige Diskussion in Deutschland über die Bewaffnung von Drohnen. Solche Debatten könne man sich heute nicht mehr leisten. “Wir müssen uns damit beschäftigen, weil wir die technische Entwicklung kaum noch aufhalten können.”
Ihre wissenschaftliche Karriere beginnt sie nach ihrem Masterabschluss 2013 in Göttingen bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Da begegnet sie auch ihrem Thema, dass sie bis heute beschäftigt: Gibt es vollautonome Waffensysteme eigentlich schon? Und was muss man tun, um diese zu verhindern? “Ich bin da eher zufällig hineingeraten. Um dann festzustellen, wie umfangreich das Thema ist.” Es geht sowohl um technische, militärische, als auch politische, rechtliche und moralische Fragen: “Das fand ich spannend.”
Das vom Auswärtigen Amt und der SWP unterstützte Wissenschaftsprojekt “The International Panel on the Regulation of Autonomous Weapons” (iPRAW) bietet ihr den Rahmen dazu. Über ihre Forschungsergebnisse, beispielsweise welche Auswirkungen solche Waffen auf das internationale Völkerrecht haben, berät sie die Bundesregierung und auch den Bundestag. “Wir haben viel Aufklärungsarbeit geleistet.” Und manchmal “freut man sich, wenn man bestimmte Überlegungen in offiziellen Statements wiederfindet”. So lehnt die Ampel-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag autonome Waffen ab, “die vollständig der Verfügung des Menschen entzogen sind”.
Auch wenn die Politik – anders als bei der Drohnen-Debatte – “heute viel weiter ist”, kann man sich international auf kein Verbot von vollautonomen Waffen verständigen. Seit zehn Jahren beschäftigt sich die “Convention of Certain Conventional Weapons” (CCW) in Genf mit diesem Thema. Seit dieser Zeit besucht Anja Dahlmann regelmäßig die Treffen dieser Regierungs-Expertengruppe. Am Anfang war sie enthusiastisch, – jetzt endlich würde etwas passieren. Heute glaubt sie nicht mehr an ein Verbot: “Weil zu viele Einzelstaaten es nicht wollen, unter anderem Russland, China, Israel, aber in Teilen auch die USA.” Da die CCW ein “konsensbasiertes Forum” ist, werde es keine Beschlüsse in absehbarer Zeit geben.
Was nach Dahlmanns Meinung Deutschland nicht daran hindern müsste, den Einsatz von KI in Waffensystemen zu regeln. “Es liegt eigentlich alles auf dem Tisch.” Obwohl es viele einzelne Überlegungen gibt – im Bundestag, im Verteidigungsministerium, in den Streitkräften und in der Industrie – fehlt es an einer kohärenten Strategie. Ein Versäumnis, meint Dahlmann: “Sie wäre wichtig, weil sie eine informiertere Diskussion ermöglichen würde: Was wollen wir und was wollen wir nicht? Wie soll eine menschliche Kontrolle aussehen?”
Aber auch hier gilt – siehe oben: Einfach weitermachen. Sich nicht unterbrechen lassen. Nana Brink
Christian Heldt wird ab September neuer Sonderbeauftragter für Beziehungen zu jüdischen Organisationen, Antisemitismusfragen, internationale Angelegenheiten der Sinti und Roma und Holocaust-Erinnerung (kurz SB JSR, Abteilung 6) im Auswärtigen Amt. Der 60-Jährige war bis Ende Juli Botschafter in Riga. Dort folgt ihm Gudrun Masloch nach, zuvor Referatsleiterin für Westafrika in Berlin.
Heldt war seit November 2020 Botschafter in Lettland. Davor vertrat er Deutschland an der Botschaft im Kosovo sowie als Gesandter an der Botschaft beim Heiligen Stuhl. Weitere Stationen seiner Karriere führten ihn nach Tel Aviv und ins französische Außenministerium. Von 2008 bis 2010 war Heldt politischer Berater beim Einsatzführungsstab im Verteidigungsministerium. Von 1993 bis 1996 war er an der Botschaft in Moskau im Wirtschaftsreferat und als Koordinator für humanitäre Hilfe eingesetzt.
Der 1963 in Aschaffenburg geborene Diplomat ging nach dem Abitur für zwei Jahre als Reserveoffiziersanwärter zur Bundeswehr und studierte danach Geschichte, Völkerrecht und Politikwissenschaften in Bonn und Paris. 1991 trat er seinen Vorbereitungsdienst für den höheren Auswärtigen Dienst an. klm
Diese Autobiografie ist kein literarisches Meisterwerk. Aber eine unterhaltsame Erzählung über eine Frau, die schon immer nach oben wollte. Nach ganz oben. Kamala Harris schreibt rührselig – und bisweilen pathetisch – von ihrem Lebensweg als Tochter eines indisch-jamaikanischen Einwandererpaares, die sich zur Justizministerin von Kalifornien hocharbeitet. Was hängenbleibt, ist ihre Selbst-Definition als “Schwarze Frau”. Dies habe sie ihrer Mutter zu verdanken, die entschlossen war, sie und ihre jüngere Schwester “zu selbstbewussten, stolzen Schwarzen Frauen zu erziehen”.
Interessant ist ihr erster Wahlkampf. Eine Art Blaupause für alle weiteren Wahlkämpfe, die die Juristin bis ins Vize-Präsidentenamt führen wird. Für die demokratische Partei kandidiert sie 2003 für den Posten der Bezirksstaatsanwältin von San Francisco. Sie besiegte den bekannten Amtsinhaber. Ihr erstes Plakat: “Kamala Harris – Eine Stimme für die Gerechtigkeit”. Was sie dabei lernt, gehört zu den Grundvoraussetzungen einer politischen Karriere in den USA: Rede über Dein Leben, sei persönlich – und sage nichts Wesentliches.
Dies ist kein negatives Urteil über die charismatische neue demokratische Präsidentschaftskandidatin. Diese Autobiografie zeugt eben von ihrer Klugheit, ihren Wählerinnen und Wähler das Bild zu vermitteln, das sie selbst bestimmt. nana
Kamala Harris / Der Wahrheit verpflichtet – Meine Geschichte / Siedler Verlag München 2024