Table.Briefing: Security

Ukraine Recovery Conference: Kiew hofft auf Investitionen + Scharping wirbt für Wehrpflicht

Liebe Leserin, lieber Leser,

Europa hat gewählt, die Ukraine wird es spüren. Allein in Deutschland haben fast 25 Prozent der Wähler für Parteien gestimmt, die sich für eine Kapitulation der Ukraine aussprechen. Das dürfte auch der Wiederaufbaukonferenz, die heute und morgen in Berlin stattfindet, ein Gefühl der Dringlichkeit verleihen. Während Denis Trubetskoy aus Kiew berichtet, was wiederaufgebaut werden muss, hat Lisa-Martina Klein aufgeschrieben, was auf der Agenda steht. Ein Highlight der Woche: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj soll heute Nachmittag im Bundestag sprechen.

Unterdessen hat sich am Montag das Ende des Kosovo-Kriegs zum 25. Mal gejährt. Markus Bickel hat dazu mit Rudolf Scharping gesprochen, der damals als erster Verteidigungsminister nach dem Zweiten Weltkrieg wieder deutsche Soldaten in einen Auslandseinsatz schickte. Es geht auch um die Wehrpflicht. Am Mittwochnachmittag will der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius in der Bundespressekonferenz seine Pläne für einen Wehrdienst vorstellen. Eine gute Gelegenheit noch einmal auf unser Whitepaper zum Thema zu verweisen, in dem wir Standpunkte von Politikern und europäischen Experten gesammelt haben.

Ihre
Wilhelmine Preußen
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Analyse

Ukraine-Wiederaufbau: Welche Sektoren am stärksten zerstört wurden

Das Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine bleibt auch nach mehr als 835 Tagen nicht abzusehen. Und so ist es bereits die dritte Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine, die nun am 11. sowie am 12. Juni nach ähnlichen Veranstaltungen in Lugano und London in Berlin noch am Rande der aktiven Kampfhandlungen stattfindet.

Mehr als 2.000 Teilnehmer aus über 60 Ländern, darunter auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, werden in einer Zeit tagen, in der vor allem die ukrainische Energieinfrastruktur wieder durch massive russische Luftangriffe herausgefordert wird. Ende März hat Russland mit einer neuen Beschusswelle begonnen, die sich vor allem gegen Wärme- und Wasserkraftwerke, teilweise auch gegen Solarenergiekapazitäten richtet und ununterbrochen weitergeht.

Ukraine hat rund 50 Prozent der Stromproduktion verloren

Nach Angaben des ukrainischen Energiebetreibers Ukrenergo gibt es aktuell kein Wärmekraftwerk in der Ukraine, das von Russland nicht zumindest beschädigt wurde. Bei der aktuellen Angriffswelle wurden außerdem mindestens zwei Wasserkraftwerke vorerst funktionsunfähig gemacht – und insgesamt ist davon auszugehen, dass die Ukraine durch die russischen Angriffe im Winter 2022/2023 sowie in der aktuellen Phase rund 50 Prozent der Stromproduktionskapazitäten verloren hat.

Bis Mitte Mai haben die Haushalte das kaum zu spüren bekommen – abgesehen etwa von der Großstadt Charkiw, wo die Lage teilweise kritisch war und bleibt – obwohl die Einschränkungen für die nicht kriegskritische Infrastruktur schon galten. In den letzten Wochen sind Stromausfälle wieder Alltag im ländlichen Raum – und es ist zu erwarten, dass sich die Lage im Hochsommer wegen der verstärkten Nutzung der Klimaanlagen, aber vor allem im Winter noch einmal verschlechtert.

Gerade in Sachen Energie möchte die Ukraine in Berlin nach privaten Investoren suchen, um sich im Bereich der kleineren Solar- und Windkraftwerke besser aufzustellen und so zumindest mehr Spielraum bei der Produktion für private Haushalte zu bekommen.

Russland hat über 210.000 Gebäude zerstört oder beschädigt

Die Energieinfrastruktur ist jedoch nur einer der Sektoren, die vom russischen Angriffskrieg stark betroffen sind. So wird nach der gemeinsamen Einschätzung der Weltbank, der Europäischen Kommission, der Vereinten Nationen sowie der ukrainischen Regierung vom Februar 2024 ersichtlich, dass der direkte Schaden für die Ukraine rund 152 Milliarden US-Dollar beträgt. Neben der Energie ist es vor allem der Wohnsektor, die Transportinfrastruktur, die Industrie sowie die Landwirtschaft, denen große Schäden zugefügt wurden. Dabei sind es in erster Linie die Regionen Charkiw, Donezk, Luhansk, Saporischschja und Kiew, in denen die Schäden besonders groß sind.

So wurden in der Ukraine rund zehn Prozent des allgemeinen Wohnungsbestands beschädigt oder zerstört – und auf die Beschädigungen im Wohnsektor entfallen nach UN-Angaben fast 56 Milliarden US-Dollar oder 37 Prozent des allgemein eingeschätzten Schadens. Die von der New York Times durchgeführte Auswertung der Satellitenbilder zeigt, dass Russland insgesamt mindestens mehr als 210.000 Gebäude zerstört oder beschädigt hat, darunter mehr als 900 Schulen, Krankenhäuser, Kirchen oder andere von den Genfer Konventionen geschützte Objekte.

Drastische Folgen für Umwelt und Landwirtschaft

Mit Blick auf die Situation im Agrarsektor spricht das zuständige Ministerium in Kiew von der Zerstörung von rund 30 Prozent des gesamten Agrarpotenzials des Landes, während fast 20 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche von Russland besetzt bleiben. Ein großes Problem ist dabei vor allem die Verseuchung und Verminung. Die Zerstörung des Wasserkraftwerks Kachowka im teilbesetzten Bezirk Cherson vor einem Jahr hat letztlich zu besonders harten Folgen für die Umwelt sowie für die Landwirtschaft geführt, zumal in der Region einige der fruchtbarsten Flächen im gesamten Land liegen.

Bemerkenswert ist auch der Schaden für die Industrie sowie Unternehmen, den die Kyiv School of Economics auf 13,1 Milliarden US-Dollar schätzt. Beschädigt oder zerstört wurden demnach 78 private Unternehmen sowie 348 staatliche Unternehmen.

Gesamtkosten belaufen sich auf mindestens 486 Milliarden Dollar

Stand Februar 2024 wurden die Gesamtkosten für den Wiederaufbau der Ukraine von der Weltbank, der Europäischen Kommission, den UN sowie der Kiewer Regierung daher auf insgesamt 486 Milliarden US-Dollar für die nächsten Jahre eingeschätzt – vor einem Jahr lag diese Zahl noch bei 411 Milliarden Dollar. Von diesem Bedarf fallen 17 Prozent auf den Wohnsektor, gefolgt von Verkehr (15 Prozent), Industrie (14 Prozent), Landwirtschaft (zwölf Prozent) und Energie (zehn Prozent).

Gerade in Bezug auf die Energie dürfte sich der Bedarf jedoch seit Februar deutlich gesteigert haben. Denn anders als im Winter 2022/2023 greift Russland bei der aktuellen Beschusswelle nicht mehr Transformatoren der Umspannwerke an, sondern zerstört nachhaltig Kraftwerke mit den präzisesten und teuersten Raketen, die es in seinem Arsenal hat. Und weil das Kriegsende weiterhin nicht in Sicht ist, bleibt davon auszugehen, dass der Wiederaufbau der Ukraine letztlich mehr als 486 Milliarden US-Dollar kosten wird. 

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25 Jahre Kosovo-Krieg: “Deutschland muss eine neue Balance finden”

Rudolf Scharping ist Geschäftsführender Gesellschafter der RSBK Strategie Beratung Kommunikation AG, die stark im China-Geschäft tätig ist; von 1998 bis 2002 war er Bundesverteidigungsminister.

Sie waren der erste Verteidigungsminister, unter dem deutsche Soldaten nach 1945 wieder im Einsatz waren. Wie schwer fiel ihnen 1999 die Zustimmung zur Kriegsbeteiligung?

Schwer und mit Sorgen belastet, wegen der Soldaten und der Familien, auch wegen des Durchhaltens gerade in der Koalition. Andererseits: entschieden. Entschieden auch bei der Suche nach einer politischen Lösung. Das begann mit der Ernennung von Viktor Tschernomyrdin, dem früheren russischen Ministerpräsidenten, zum Sonderbeauftragten für Jugoslawien. Ich kannte ihn und konnte das nutzen.

Der Protest gegen den Krieg war groß, auch in der SPD. 

Ja, aber das war eine Entwicklung. Schon unmittelbar nach der Bundestagswahl 1998 und dem Übergang von Helmut Kohl zu Gerhard Schröder war klar, dass nur die glaubhafte Drohung, militärische Mittel einzusetzen, den Druck auf Slobodan Milošević aufrechterhalten würde. Deutschland ist verankert in Europa und Nato; ich war zu der Zeit Präsident der Europäischen Sozialdemokratie. Es war klar: Wir können nur gemeinsam etwas bewirken. Ich selbst war damals kein so ganz typischer Vertreter der Sozialdemokratie, weil ich immer der Meinung war, dass der Schutz von Frieden und Freiheit auch die Fähigkeit zur Verteidigung voraussetzt. 

Eine Position, die ein Vierteljahrhundert später immer noch umstritten ist in Ihrer Partei – gerne auch mit Verweis auf den Friedensnobelpreisträger Willy Brandt.

Brandt wusste genau: Erfolgreiche Entspannungs- und Friedenspolitik ist nur möglich bei fester Verankerung der Bundesrepublik in Nato und Europäischer Gemeinschaft. Am Willen und der Fähigkeit zum bewaffneten Schutz von Freiheit hat er nie einen Zweifel gelassen. 

Unter Brandt wurden zeitweise 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Rüstung gesteckt. 

Heute brauchen wir eher 2,5 Prozent, um die Fähigkeiten aufzubauen, die wir brauchen. Damit verhindern wir übrigens auch, erpresst zu werden – von Mächten, die unsere zivilisatorischen Vorstellungen nicht teilen und die ihre Interessen knallhart verfolgen. 

Wie kommt es, dass diese Debatte auch nach zwei Jahren Krieg in der Ukraine in Deutschland immer noch so zaghaft geführt wird?

Das sehe ich anders. In Demokratien muss diskutiert werden – unter Wahrung unserer eigenen Sicherheitsinteressen. Daran hält sich leider nicht jeder oder jede. Grundsätzlicher gesagt: Mit der deutschen Einheit hat sich etwas breit gemacht, was der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe in die Worte fasste, dass Deutschland nur von Freunden umzingelt sei. Das war einerseits richtig, andererseits hat es eine Stimmung auf den Punkt gebracht, die lautete: Wozu noch Streitkräfte in dieser Größenordnung unterhalten? Das ist in meinen Augen eine gefährliche Haltung: Sie sollten nie warten, bis es brennt, ehe sie beginnen, die Feuerwehr aufzubauen. 

Andererseits entsprach diese Position der Stimmung nach dem Ende der Blockkonfrontation, als viele von einer Friedensdividende ausgingen. 

Das ist richtig. Diese Dividende haben wir überreichlich genommen, seit 1990 und besonders ab 2009, als unter christdemokratischer Führung die Bundeswehr noch einmal erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden ist durch das sogenannte Aussetzen der Wehrpflicht auf der einen und massive Kürzungen auf der anderen Seite. 

Halten Sie eine Wiedereinführung der Wehrpflicht für richtig?

Mehr noch: Alle müssen etwas beitragen zum dauerhaften Gelingen unserer Freiheit. Es bekommt einem Gemeinwesen nicht gut, wenn man alle Verpflichtungen gegenüber dem Gemeinwesen an bezahlte Agenturen auslagert, weder bei den Streitkräften noch in anderen Bereichen. Der Kitt einer Gesellschaft besteht in gemeinsamen Überzeugungen und Werten, die nicht vernachlässigt werden sollten. Helmut Schmidt hat das einmal versucht zum Ausdruck zu bringen, als er von den Menschen- und Freiheitsrechten sprach, denen in jedem einzelnen Fall immer auch eine Verpflichtung und Verantwortlichkeit gegenübersteht.

In der Ampel-Koalition scheint es weder für die Rückkehr zur Wehrpflicht noch für eine allgemeine Dienstpflicht eine Mehrheit zu geben. Halten Sie die Gesellschaft für weniger solidarisch als noch vor 20 Jahren?

Nein. Ich habe eher den Eindruck, dass die Politik nicht so weit ist wie die Erkenntnis auch unter jüngeren Menschen. Denn eine allgemeine Verpflichtung zu einem zeitlich begrenzten Dienst an der Allgemeinheit findet ja in allen Schichten und Altersklassen der Bevölkerung Mehrheiten, unterschiedlich stark, aber eben eine Mehrheit. 

Finden Sie, dass Deutschland kriegstüchtig werden muss, wie Verteidigungsminister Boris Pistorius es fordert?

Ich finde, Deutschland muss eine neue Balance finden: die Fähigkeit, Freiheit zu verteidigen, gemeinsam mit anderen in Europa und im transatlantischen Bündnis, und die Fähigkeit, auf dieser Grundlage wirksame Friedenspolitik zu betreiben. Beides ist nicht so ausgeprägt, wie ich mir das wünsche. 

Hinter Ihnen hängt eine Weltkarte. Schauen Sie da inzwischen öfter nach Taiwan oder Neukaledonien als noch in den 1990ern?

Und in den Nahen Osten oder den Sudan. Meine große Sorge ist diese unglückliche und gefährliche Kombination: Deutschland ist international so stark verflochten wie kaum ein anderes Land, aber wir denken zu wenig strategisch, oft findet man sogar manch Kleinkariertes, und jetzt kommt sogar hässlicher Nationalismus, Rassismus oder Antisemitismus dazu. Im Kern geht es darum, dass es auf der Welt sehr verschiedene Interessen und Sichtweisen gibt. Da muss man sich behaupten. Das wird uns als Deutschen nur in und mit Europa gemeinsam gelingen, mit klugem Realismus und ohne erhobenen Zeigefinger.

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News

Ukraine-Wiederaufbaukonferenz: Worauf es ankommen wird

Am Dienstag und Mittwoch ist Deutschland zusammen mit der Ukraine Gastgeber der dritten Ukraine-Wiederaufbaukonferenz in Berlin. Über 2.000 Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft aus mehr als 60 Ländern werden darüber beraten, wie die Ukraine beim Wiederaufbau ihres Landes unterstützt werden kann.

Zur Eröffnung ab 10 Uhr werden am Dienstag neben Bundeskanzler Olaf Scholz auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erwartet. Selenskyjs Frau Olena Selenska nimmt ebenfalls an der Konferenz teil. Selenskyj wird am Dienstag auch eine Rede vor dem Bundestag halten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird die Eröffnungsrede am abendlichen Empfang halten. Er soll am Rande der Konferenz außerdem mit Selenskyj sprechen, genauso wie Wirtschaftsminister Robert Habeck, wie Table.Briefings aus Regierungskreisen erfuhr. Ab 14.30 Uhr soll Selenskyj dann eine Rede vor dem Bundestag halten.

Private Investoren als Zugpferde der Wirtschaft

Deutschland als Co-Ausrichter wird einen Schwerpunkt auf den sozialen und gesellschaftlichen Wiederaufbau – Themen wie Ausbildung, Gesundheit und Teilhabe – sowie den Wiederaufbau und die Resilienz von Gemeinden und Regionen legen. So sollen eine Fachkräfte-Allianz zur Unternehmensförderung und Fachkräfteausbildung und weitere Kooperationsvereinbarungen verkündet werden. In den rund 30 Panels werden auch die nötigen Reformen vor einem Beitritt der Ukraine zur EU, der Kampf gegen Korruption sowie die grüne Transformation thematisiert.

Schlussendlich wird es aber vor allem um wirksame wirtschaftliche Vereinbarungen und privates Investorenkapital gehen. Ein schnelles Wirtschaftswachstum wird entscheidend sein, um die hohen Verteidigungsausgaben der Ukraine decken zu können.

Mehr als 600 ukrainische, deutsche und internationale Unternehmensvertreter aus Sektoren wie Energie, Logistik und Gesundheit werden deshalb erwartet. Auch die deutsche und ukrainische Rüstungsindustrie wird vertreten sein, etwa mit Armin Papperger, Vorstandsvorsitzender bei Rheinmetall und Ralf Ketzel, Chef der Deutschland-Sparte von KNDS und Nataliia Kushnerska von Brave 1, einer ukrainischen Plattform für die Weiterentwicklung von Technologien im Verteidigungssektor. Sie werden mit Wirtschaftsminister Robert Habeck, dem niederländischen Premierminister und vermutlichen Nachfolger von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, Mark Rutte, und Oleksandr Kamyshin, dem ukrainischen Minister für strategische Industrien, auf einem Panel zur “ukrainischen Verteidigungsindustrie als treibende Kraft für Resilienz und Erholung” sitzen.

Zukunft der ukrainischen Wiederaufbauagentur ungewiss

Aus den deutschen Ministerien werden neben Außenministerin Annalena Baerbock und Entwicklungsministerin Svenja Schulze – den beiden federführenden Ressorts – auch Finanzminister Christian Lindner, Bauministerin Klara Geywitz, Arbeitsminister Hubertus Heil, Gesundheitsminister Karl Lauterbach, Umweltministerin Steffi Lemke und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger teilnehmen.

Die USA werden durch Penny Pritzker, Sonderbeauftragte der Vereinigten Staaten von Amerika für den wirtschaftlichen Wiederaufbau der Ukraine, vertreten.

Am Montag wurde bekannt, dass der Chef der ukrainischen Wiederaufbauagentur, Mustafa Najem, zurückgetreten ist. Den Auslöser soll eine nicht genehmigte Dienstreise nach Berlin zur Wiederaufbaukonferenz gewesen sein. Najem hatte aber bereits zuvor die Unterfinanzierung seiner Behörde und übermäßige Bürokratie, beklagt, die Wiederaufbaumaßnahmen künstlich verzögerten. Einem Medienbericht zufolge geht mit Najem ein Großteil seines Teams, was die weitere Arbeit der Agentur in Frage stellt. klm

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Israelisches Kriegskabinett: Wie Benny Gantz’ Austritt Netanjahu schwächt

Benny Gantz’ Rücktritt aus der Regierung und damit dem israelischen Kriegskabinett dürfte die Position des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu international weiter schwächen.

Dass der ehemalige Verteidigungsminister und Generalstabschef der Armee nach dem Überfall islamistischer Hamas-Kämpfer am 7. Oktober und dem Beginn des Kriegs im Gazastreifen Teil des Kriegskabinetts wurde, hatte im Land ein Gefühl der Einheit in schwierigen Zeiten geschaffen und dem Gremium auch außenpolitisch Glaubwürdigkeit verliehen.

“Benny Gantz war eine Versicherung für Israels internationale Partner, dass es Minister im Kriegskabinett gibt, die pragmatische Haltungen einnehmen”, so der Leiter der Friedrich-Naumann Stiftung in Israel, Kristof Kleeman gegenüber Table.Briefings. Sein Rücktritt würde es schwieriger für wichtige westliche Verbündete wie die USA oder Deutschland machen, mit der Regierung in Jerusalem vertrauensvoll zu kooperieren.

Gantz war zuletzt zunehmend auf Distanz zu Netanjahu gegangen und hatte wiederholt gefordert, einen Plan für die Zukunft des Gazastreifens vorzulegen. Am Sonntag war ein entsprechendes Ultimatum ausgelaufen. Der frühere Verteidigungsminister hatte deshalb seinen Rücktritt aus der Regierung angekündigt und Netanjahu aufgerufen, einen Termin für eine vorgezogene Parlamentswahl festzusetzen.

Ein Geiselabkommen rückt weiter in die Ferne

Durch das Ausscheiden seiner Partei der Nationalen Einheit reduziert sich die von Netanjahu geführte Regierung auf ihre ursprünglichen fünf Fraktionen – seine rechtsgerichtete Likud-Partei, die rechtsextremen Religiösen Zionisten und Otzma Yehudit sowie die ultraorthodoxen Shas und das Vereinigte Tora-Judentum.

Sie verfügen über insgesamt 64 Sitze in der 120-köpfigen Knesset, sodass der Verlust von Gantz’ achtköpfiger Fraktion die Koalition nicht ihrer parlamentarischen Mehrheit beraubt. Allerdings wird Netanjahus Regierung noch stärker von den ultranationalistischen Ministern Itamar Ben Gvir und Bezalel Smotrich dominiert werden. Das Resultat könnte eine noch härtere Gangart in Gaza und ein stärkeres Vorgehen gegen die Hisbollah im Libanon sein. Ein Geiselabkommen erscheint unter diesen Umständen wieder weiter in die Ferne zu rücken.

In der Zwischenzeit hat der UN-Sicherheitsrat sich für einen von US-Präsident Joe Biden vorgestellten, mehrstufigen Plan für eine Waffenruhe ausgesprochen. Der amerikanische Außenminister Antony Blinken ist zudem erneut in der Region und traf am Montag in Israel ein. Dort sind Gespräche mit Ministerpräsident Netanjahu vorgesehen, aber auch mit Benny Gantz. Die innenpolitischen Entwicklungen könnten den amerikanischen Bemühungen im Weg stehen. “Gantz wurde von der Regierung Biden lange Zeit als ein wichtiger Gesprächspartner innerhalb der israelischen Regierung angesehen, sowohl bei der begrenzten Offensive in Rafah, als auch für die Verhandlungen über ein Geiselabkommen”, sagt Kleeman. “Dass er nicht mehr Teil des Kriegskabinetts ist, stellt für die USA ein Problem dar.” wp

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Friedensgutachten 2024: Mehr Gewaltkonflikte als je zuvor

Im jährlichen Friedensgutachten der vier großen deutschen Friedensforschungsinstitute wird 2023 als das Jahr bezeichnet, “in dem es mehr Gewaltkonflikte auf der Welt gab als je zuvor”.  Bei der Vorstellung des Berichts am Dienstag in Berlin zeichnete Ursula Schröder, Wissenschaftliche Direktorin des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), das düstere Bild einer “Welt ohne Kompass”. Zentrale Akteure wie die Vereinten Nationen seien kaum noch in der Lage, die eigene Finanzierung zu sichern: “Zentrale friedenspolitische Trends weisen in die falsche Richtung zu mehr Krieg und Gewalt, zu mehr Aufrüstung auf allen Seiten, und zu mehr globaler Konfrontation – und damit zu weniger Frieden weltweit.”  

Der 156-seitige Bericht ist in fünf Kapitel gegliedert, die regionale Schwerpunkte auf Westafrika und den Nahostkonflikt legen, aber auch globale Rüstungsdynamiken, Formen der Friedenssicherung und nachhaltige Konfliktlösungen thematisieren.

Politik des langen Atems für die Ukraine

Mit Blick auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine verwies Schröder auf eine “Politik des langen Atems”, die in Deutschland und der Weltgemeinschaft vonnöten sei, um überhaupt erst zu dem Punkt von Friedensverhandlungen zu gelangen. “Diplomatie und militärische Unterstützung sind dabei keine Gegensätze”, sagte Schröder. “Vielmehr muss die weitere militärische Unterstützung der Ukraine in den Dienst eines langfristigen politischen Prozesses gestellt werden.”

Die Bundesregierung könne ihr internationales Gewicht zum jetzigen Zeitpunkt am besten dazu nutzen, Schlüsselstaaten des Globalen Südens wie Brasilien und China zu mehr Engagement hin zu direkten Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zu bewegen.

Bundesregierung soll Palästina als Staat anerkennen

Christopher Daase vom Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung sprach von der “Sequenzierung eines Friedensprozesses”, der von lokalen Waffenstillständen hin zu Friedensverhandlungen lange Zeit in Anspruch nehmen werde, ehe es zu einer internationalen Friedenskonferenz kommen könnte.

Im Hinblick auf die deutsche Nahostpolitik empfiehlt das Gutachten der Bundesregierung, “Palästina als Staat anzuerkennen.” – “Nicht ob, sondern wann sollte für die Bundesregierung die Frage sein”. mrb

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Sudan: Regierung bietet Russland einen Militärstützpunkt an

Die Regierung des Sudan will in Wirtschafts- und Militärfragen enger mit Russland kooperieren. Dies berichtete die regierungsnahe Zeitung Sudan Tribune. Demnach hat sich der stellvertretende Vorsitzende des sudanesischen Übergangsrates, Malik Agar, am Freitag vergangener Woche mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow getroffen. Dabei sollen sie beschlossen haben, einen schon vereinbarten bilateralen Militärausschuss zu aktivieren.

Agar ist dem Bericht zufolge am 3. Juni zum 27. Internationalen Wirtschaftsforum nach St. Petersburg gereist. Während seines mehrtägigen Aufenthalts hat er mit Lawrow unter anderem über den Stand des Bürgerkriegs im Land gesprochen und den Bau einer russischen Militärbasis im Sudan thematisiert. Den sudanesischen Medienbericht bestätigte das russische Nachrichtenportal Sputnik News.

Blutiger Bürgerkrieg

Im Sudan herrscht ein Bürgerkrieg zwischen Machthaber Abdel Fattah Abdelrahman Burhan und seinem ehemaligen Vize Mohammed Hamdan Daglo, genannt Hemeti: Die Armee kämpft gegen die von Hemeti angeführten paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF).

Der Konflikt hat bisher nach UN-Angaben rund 16.000 Tote und 33.000 Verletzte gefordert. Viele Menschen leiden unter Hunger. Etwa neun Millionen Menschen sind auf der Flucht, im Sudan selbst oder viele auch im Tschad. Dies ist nach dem Urteil des früheren UN-Sonderbeauftragten für den Sudan, Volker Perthes, die derzeit größte humanitäre Krise der Welt.

Agar hat zudem Lawrow das Interesse der sudanesischen Regierung übermittelt, ein Abkommen über den Bau eines russischen Marinestützpunkts am Roten Meer aufzugreifen. “Wir möchten dieses Abkommen auf jeden Fall wiederbeleben, wenn beide Länder dazu bereit sind”, sagte Agar.

Saudi-Arabien besorgt

Dabei sollten auch die Interessen anderer Länder entlang der Küste des Roten Meeres berücksichtigt werden. Saudi-Arabien versucht, den Bau dieses Marinestützpunkts zu verhindern, da es seine Sicherheitsinteressen gefährdet sieht. Das Rote Meer ist an dieser Stelle weniger als 300 Kilometer breit.

Der Krieg mit den RSF hat die sudanesische Armee veranlasst, den Bau der russischen Marinebasis voranzutreiben. Die Regierung unter General Burhan bekräftigte, dass sie für andere Länder offen sei, die ähnliche Stützpunkte auf der sudanesischen Seite des Roten Meeres errichten wollen.

Zahlreiche Militärbasen in Dschibuti

Dabei hat er offenbar Dschibuti im Sinn, das ein lukratives Geschäft mit Militärbasen betreibt. Seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1977 beherbergt Dschibuti den größten Stützpunkt der französischen Streitkräfte in Afrika: schätzungsweise 2.000 Mann der Land-, Luft- und Marinestreitkräfte. Zunächst war dort die 13. Halbbrigade der Fremdenlegion stationiert, seit einer Umstrukturierung noch das 5e Régiment interarmes d’outre-mer (5e RIAOM).

Daneben beherbergt Dschibuti einen Militärstützpunkt der USA in der ehemaligen Kaserne der Fremdenlegion, Camp Lemonnier. Außerdem unterhalten Italien und Japan Militärbasen im Land. Die deutsche Marine steuerte von Dschibuti aus die Anti-Piraterie-Mission Atalanta. Zudem betreibt China dort seit 2017 einen Marinestützpunkt. Die internationale Präsenz in Dschibuti könnte Russland antreiben, ebenfalls eine Militärbasis am Roten Meer zu besitzen. hlr

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Warum die Bundeswehr von der Corona-Impfpflicht abrückt

Die Bundeswehr nimmt die Impfung gegen Covid-19 aus dem verpflichtenden Impfprogramm für alle Soldaten und Soldatinnen heraus. Nach einer entsprechenden Empfehlung des Wehrmedizinischen Beirats im Verteidigungsministerium entschied Minister Boris Pistorius, das so genannte Basis-Impfschema anzupassen. Grund ist die geringere Schwere von Corona-Erkrankungen. Allerdings soll es für bestimmte Gruppen wie zum Beispiel Schiffsbesatzungen weiterhin die Möglichkeit geben, diese Impfung zwingend vorzuschreiben.

Die Impfpflicht für die Truppe war von der damaligen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer angesichts der Pandemie im November 2021 verfügt worden. Im Mai dieses Jahres kam der Wehrmedizinische Beirat zu der Einschätzung, dass angesichts der Immunisierung der Bevölkerung, der inzwischen milderen Krankheitsverläufe und der deutlich gesunkenen Zahl von Krankenhausaufenthalten wegen einer Corona-Infektion eine verpflichtende Impfung für alle Soldaten nicht mehr angemessen sei.

Gegen die Covid-19-Pflichtimpfung hatte es von einzelnen Soldaten Widerstand und Klagen gegeben. In einem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hatte das Verteidigungsministerium bereits im Mai die Absicht erkennen lassen, von der Verpflichtung abzurücken. Formal muss die Änderung des Basis-Impfschemas noch mit den Personalvertretungen abgestimmt werden, ehe sie in Kraft tritt. Andere Pflichtimpfungen, zum Beispiel gegen Influenza, gelten unverändert. tw

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Must-Reads

Haaretz: During Gaza War: Massive Spike in Serbian Arms Sold to Israel, Flown in on Israeli Military Planes. In dieser gemeinsamen Recherche enthüllen das Balkan Investigative Network (BIRN) und die israelische Tageszeitung Haaretz, wie die israelische Luftwaffe in sieben Flügen Waffen aus Serbien nach Israel geflogen hat. Die serbischen Waffenexporte sind zuletzt stark gestiegen.

The Wall Street Journal: How Israel Pulled Off a High-Risk Hostage Rescue. Es sei eine ungewöhnliche und riskante Taktik gewesen, mit der die israelischen Streitkräfte die vier von der Hamas entführten Geiseln am Samstag befreiten. Wie die Aktion verlief, bei der nach Hamas-Angaben mindestens 274 Menschen getötet wurden.

Foreign Affairs: India’s Perilous Border Standoff With China. An der chinesisch-indischen Grenze stehen sich 100.000 Soldaten gegenüber. Seit den tödlichen Zusammenstößen 2020 verschärft sich der Konflikt, der im Himalaya mit Waffen ausgetragen werden könnte. Indien bringt sich als Gegengewicht zu China im Indopazifik in Stellung.

Heads

Gyde Jensen: Wie sie als Bildungspolitikerin Außenpolitik macht

Gyde Jensen ist Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion für Menschenrechte und humanitäre Hilfe sowie Mitglied des FDP-Fraktionsvorstandes.
Gyde Jensen macht sich auch im bildungspolitischen Bereich für mehr Unabhängigkeit von China stark.

Gyde Jensen ist seit 2021 stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im Deutschen Bundestag, verantwortlich für Bildung, Frauen, Familie und Jugend – doch ihr Herz schlägt für die Außenpolitik.

Als sie 2017 mit nur 28 Jahren in den Bundestag einzog, wurde sie Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses und damit die jüngste Ausschussvorsitzende in der Geschichte des Deutschen Bundestags. Eine Zeit, die sie bis heute prägt. Noch immer ist sie in Kontakt mit Weggefährten von Joshua Wong, dem Gesicht der Hongkonger Freiheitsbewegung, der weiterhin für seinen Aktivismus inhaftiert ist. Sein Schicksal, sein Aufopferungswille für Freiheit und Demokratie habe sie inspiriert, sagt sie noch heute.

Derzeit kann sie das Thema China vorrangig durch das Prisma der Bildungspolitik aktiv mitgestalten – durch Regularien bei der Forschungskooperationen mit Peking oder den Umgang mit chinesischen Studierenden. Aus ihrer Sicht sind all das kleine Puzzleteil in einem großen Systemkonflikt.

Jensen will aus Fehlern in der Russlandpolitik lernen

Im parlamentarischen Alltag liegen jetzt vor allem Themen wie die Kindergrundsicherung oder der Digitalpakt Schule auf ihrem Schreibtisch. Doch Mitgliedschaften in Gremien wie der Interparliamentary Alliance on China (IPAC) oder dem Parlamentskreis Hongkong erlauben ihr es dennoch, weiterhin in die Rolle der China-Expertin und Menschenrechtspolitikerin zu schlüpfen. Die deutsch-chinesische Parlamentariergruppe, wo sie stellvertretende Vorsitzende ist, sieht sie unter der Leitung von Hans-Peter Friedrich (CSU) zum Büttel” der kommunistischen Partei in Peking verkommen.

Ihre Position gegenüber China ist klar – klarer als so Manchen auch in ihrer eigenen Partei, die möglicherweise vor allem an die hohen wirtschaftlichen Kosten eines härteren Decoupling-Kurses nachdenken, lieb ist. Gerne würde sie die Abhängigkeit Deutschlands von Peking schneller und entschiedener reduzieren. Sollte der Koalitionskompromiss – nach dem Berichten zufolge der Zeitplan des Ausbaus kritischer IT-Komponenten von den chinesischen Anbietern Huawei und ZTE nach hinten verschoben würde – durchgehen, sei das ihrer Meinung nach “fatal”. Man dürfe jetzt bei der zentralen kritischen Infrastruktur der Zukunft nicht die gleichen Fehler machen, wie sie zu lange bei der Energieabhängigkeit von russischem Gas gemacht wurden, ist ihre Haltung.

Hang zur Außenpolitik

Es ist allerdings auffällig, dass außenpolitisches Interesse nicht in Fernost endet. Gerade erst ist sie von einer Reise aus Israel zurückgekehrt, um sich auch über diesen Konflikt eine Meinung zu bilden. Auch beim schwierigen Thema Wehretat schweigt sie nicht und fordert von der eigenen Partei eine offene Diskussion. Einem zweiten Sondervermögen will sie sich also nicht von vorneherein verschließen.

“Die Menschen können Entscheidungen nur verstehen, wenn die Freien Demokraten sie auch nachvollziehbar diskutieren”, sagt sie. Mit ihren Positionen macht sie sich oft keine Freunde. Ob das schlechte Ergebnis bei den Wahlen zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden auch damit zusammen hängt, mit ihren progressiven Haltung bei gesellschaftspolitischen Themen oder der schwierigen Durchsetzungskraft im Bereich Bildung in Familie, bleibt offen.

Fest steht, sie brennt für ein anderes Thema: der Außenpolitik. Gerne wäre sie schon 2023 Alexander Graf Lambsdorff als Leiterin des Bereichs Internationales der FDP-Bundestagsfraktion gefolgt, stattdessen entschied sich die Fraktion für Michael Link, der gleichzeitig als Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung fungiert.

Zwischen Familie und Beruf

Wie schwierig der Balanceakt zwischen Familienleben in Schleswig-Holstein und Berufspolitikerinnendasein in der Hauptstadt ist, erlebte sie schon 2021, als ihr Kind schwer krank zur Welt kam – mitten während der Koalitionsverhandlungen. Unter Inkaufnahme vieler “schräger Blicke” habe sie sich gemeinsam mit ihrem Mann zwischen Krankenhaus, Familie und Politik “zerrissen” und würde es doch immer wieder tun. Das Anliegen um Freiheit und Gesundheit im Kleinen müsse neben dem Engagement für Freiheit und Frieden im Großen möglich sein, sagt sie.

Ein Kinderbett, aus dem beide Kinder schon lange herausgewachsen sind, steht noch immer in ihrem Büro – als wolle sie Besucher daran erinnern, dass hier nicht ein, sondern mindestens zwei Jobs erfüllt werden. Daneben zieren den Raum im Jakob-Kaiser-Haus Kunstwerke des chinesischen Cartoonisten Badiocao, angelehnt an die Regenbogen-Bewegung und den Unterdrückungsapparat der chinesischen Regierung. Sie stammen aus ihrer Zeit im Menschenrechtsausschuss und sollen auch in ihr nächstes Büro mitziehen. Nicht unwahrscheinlich, dass sie thematisch dann wieder besser zu ihrer offiziellen Funktion passen, denn die Frau für Frauenthemen allein will Jensen nicht sein. Mit einem Comeback der jungen Liberalen in die Außenpolitik ist spätestens in der nächsten Legislaturperiode zu rechnen.Wilhelmine Preußen

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Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

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    Europa hat gewählt, die Ukraine wird es spüren. Allein in Deutschland haben fast 25 Prozent der Wähler für Parteien gestimmt, die sich für eine Kapitulation der Ukraine aussprechen. Das dürfte auch der Wiederaufbaukonferenz, die heute und morgen in Berlin stattfindet, ein Gefühl der Dringlichkeit verleihen. Während Denis Trubetskoy aus Kiew berichtet, was wiederaufgebaut werden muss, hat Lisa-Martina Klein aufgeschrieben, was auf der Agenda steht. Ein Highlight der Woche: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj soll heute Nachmittag im Bundestag sprechen.

    Unterdessen hat sich am Montag das Ende des Kosovo-Kriegs zum 25. Mal gejährt. Markus Bickel hat dazu mit Rudolf Scharping gesprochen, der damals als erster Verteidigungsminister nach dem Zweiten Weltkrieg wieder deutsche Soldaten in einen Auslandseinsatz schickte. Es geht auch um die Wehrpflicht. Am Mittwochnachmittag will der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius in der Bundespressekonferenz seine Pläne für einen Wehrdienst vorstellen. Eine gute Gelegenheit noch einmal auf unser Whitepaper zum Thema zu verweisen, in dem wir Standpunkte von Politikern und europäischen Experten gesammelt haben.

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    Das Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine bleibt auch nach mehr als 835 Tagen nicht abzusehen. Und so ist es bereits die dritte Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine, die nun am 11. sowie am 12. Juni nach ähnlichen Veranstaltungen in Lugano und London in Berlin noch am Rande der aktiven Kampfhandlungen stattfindet.

    Mehr als 2.000 Teilnehmer aus über 60 Ländern, darunter auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, werden in einer Zeit tagen, in der vor allem die ukrainische Energieinfrastruktur wieder durch massive russische Luftangriffe herausgefordert wird. Ende März hat Russland mit einer neuen Beschusswelle begonnen, die sich vor allem gegen Wärme- und Wasserkraftwerke, teilweise auch gegen Solarenergiekapazitäten richtet und ununterbrochen weitergeht.

    Ukraine hat rund 50 Prozent der Stromproduktion verloren

    Nach Angaben des ukrainischen Energiebetreibers Ukrenergo gibt es aktuell kein Wärmekraftwerk in der Ukraine, das von Russland nicht zumindest beschädigt wurde. Bei der aktuellen Angriffswelle wurden außerdem mindestens zwei Wasserkraftwerke vorerst funktionsunfähig gemacht – und insgesamt ist davon auszugehen, dass die Ukraine durch die russischen Angriffe im Winter 2022/2023 sowie in der aktuellen Phase rund 50 Prozent der Stromproduktionskapazitäten verloren hat.

    Bis Mitte Mai haben die Haushalte das kaum zu spüren bekommen – abgesehen etwa von der Großstadt Charkiw, wo die Lage teilweise kritisch war und bleibt – obwohl die Einschränkungen für die nicht kriegskritische Infrastruktur schon galten. In den letzten Wochen sind Stromausfälle wieder Alltag im ländlichen Raum – und es ist zu erwarten, dass sich die Lage im Hochsommer wegen der verstärkten Nutzung der Klimaanlagen, aber vor allem im Winter noch einmal verschlechtert.

    Gerade in Sachen Energie möchte die Ukraine in Berlin nach privaten Investoren suchen, um sich im Bereich der kleineren Solar- und Windkraftwerke besser aufzustellen und so zumindest mehr Spielraum bei der Produktion für private Haushalte zu bekommen.

    Russland hat über 210.000 Gebäude zerstört oder beschädigt

    Die Energieinfrastruktur ist jedoch nur einer der Sektoren, die vom russischen Angriffskrieg stark betroffen sind. So wird nach der gemeinsamen Einschätzung der Weltbank, der Europäischen Kommission, der Vereinten Nationen sowie der ukrainischen Regierung vom Februar 2024 ersichtlich, dass der direkte Schaden für die Ukraine rund 152 Milliarden US-Dollar beträgt. Neben der Energie ist es vor allem der Wohnsektor, die Transportinfrastruktur, die Industrie sowie die Landwirtschaft, denen große Schäden zugefügt wurden. Dabei sind es in erster Linie die Regionen Charkiw, Donezk, Luhansk, Saporischschja und Kiew, in denen die Schäden besonders groß sind.

    So wurden in der Ukraine rund zehn Prozent des allgemeinen Wohnungsbestands beschädigt oder zerstört – und auf die Beschädigungen im Wohnsektor entfallen nach UN-Angaben fast 56 Milliarden US-Dollar oder 37 Prozent des allgemein eingeschätzten Schadens. Die von der New York Times durchgeführte Auswertung der Satellitenbilder zeigt, dass Russland insgesamt mindestens mehr als 210.000 Gebäude zerstört oder beschädigt hat, darunter mehr als 900 Schulen, Krankenhäuser, Kirchen oder andere von den Genfer Konventionen geschützte Objekte.

    Drastische Folgen für Umwelt und Landwirtschaft

    Mit Blick auf die Situation im Agrarsektor spricht das zuständige Ministerium in Kiew von der Zerstörung von rund 30 Prozent des gesamten Agrarpotenzials des Landes, während fast 20 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche von Russland besetzt bleiben. Ein großes Problem ist dabei vor allem die Verseuchung und Verminung. Die Zerstörung des Wasserkraftwerks Kachowka im teilbesetzten Bezirk Cherson vor einem Jahr hat letztlich zu besonders harten Folgen für die Umwelt sowie für die Landwirtschaft geführt, zumal in der Region einige der fruchtbarsten Flächen im gesamten Land liegen.

    Bemerkenswert ist auch der Schaden für die Industrie sowie Unternehmen, den die Kyiv School of Economics auf 13,1 Milliarden US-Dollar schätzt. Beschädigt oder zerstört wurden demnach 78 private Unternehmen sowie 348 staatliche Unternehmen.

    Gesamtkosten belaufen sich auf mindestens 486 Milliarden Dollar

    Stand Februar 2024 wurden die Gesamtkosten für den Wiederaufbau der Ukraine von der Weltbank, der Europäischen Kommission, den UN sowie der Kiewer Regierung daher auf insgesamt 486 Milliarden US-Dollar für die nächsten Jahre eingeschätzt – vor einem Jahr lag diese Zahl noch bei 411 Milliarden Dollar. Von diesem Bedarf fallen 17 Prozent auf den Wohnsektor, gefolgt von Verkehr (15 Prozent), Industrie (14 Prozent), Landwirtschaft (zwölf Prozent) und Energie (zehn Prozent).

    Gerade in Bezug auf die Energie dürfte sich der Bedarf jedoch seit Februar deutlich gesteigert haben. Denn anders als im Winter 2022/2023 greift Russland bei der aktuellen Beschusswelle nicht mehr Transformatoren der Umspannwerke an, sondern zerstört nachhaltig Kraftwerke mit den präzisesten und teuersten Raketen, die es in seinem Arsenal hat. Und weil das Kriegsende weiterhin nicht in Sicht ist, bleibt davon auszugehen, dass der Wiederaufbau der Ukraine letztlich mehr als 486 Milliarden US-Dollar kosten wird. 

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    25 Jahre Kosovo-Krieg: “Deutschland muss eine neue Balance finden”

    Rudolf Scharping ist Geschäftsführender Gesellschafter der RSBK Strategie Beratung Kommunikation AG, die stark im China-Geschäft tätig ist; von 1998 bis 2002 war er Bundesverteidigungsminister.

    Sie waren der erste Verteidigungsminister, unter dem deutsche Soldaten nach 1945 wieder im Einsatz waren. Wie schwer fiel ihnen 1999 die Zustimmung zur Kriegsbeteiligung?

    Schwer und mit Sorgen belastet, wegen der Soldaten und der Familien, auch wegen des Durchhaltens gerade in der Koalition. Andererseits: entschieden. Entschieden auch bei der Suche nach einer politischen Lösung. Das begann mit der Ernennung von Viktor Tschernomyrdin, dem früheren russischen Ministerpräsidenten, zum Sonderbeauftragten für Jugoslawien. Ich kannte ihn und konnte das nutzen.

    Der Protest gegen den Krieg war groß, auch in der SPD. 

    Ja, aber das war eine Entwicklung. Schon unmittelbar nach der Bundestagswahl 1998 und dem Übergang von Helmut Kohl zu Gerhard Schröder war klar, dass nur die glaubhafte Drohung, militärische Mittel einzusetzen, den Druck auf Slobodan Milošević aufrechterhalten würde. Deutschland ist verankert in Europa und Nato; ich war zu der Zeit Präsident der Europäischen Sozialdemokratie. Es war klar: Wir können nur gemeinsam etwas bewirken. Ich selbst war damals kein so ganz typischer Vertreter der Sozialdemokratie, weil ich immer der Meinung war, dass der Schutz von Frieden und Freiheit auch die Fähigkeit zur Verteidigung voraussetzt. 

    Eine Position, die ein Vierteljahrhundert später immer noch umstritten ist in Ihrer Partei – gerne auch mit Verweis auf den Friedensnobelpreisträger Willy Brandt.

    Brandt wusste genau: Erfolgreiche Entspannungs- und Friedenspolitik ist nur möglich bei fester Verankerung der Bundesrepublik in Nato und Europäischer Gemeinschaft. Am Willen und der Fähigkeit zum bewaffneten Schutz von Freiheit hat er nie einen Zweifel gelassen. 

    Unter Brandt wurden zeitweise 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Rüstung gesteckt. 

    Heute brauchen wir eher 2,5 Prozent, um die Fähigkeiten aufzubauen, die wir brauchen. Damit verhindern wir übrigens auch, erpresst zu werden – von Mächten, die unsere zivilisatorischen Vorstellungen nicht teilen und die ihre Interessen knallhart verfolgen. 

    Wie kommt es, dass diese Debatte auch nach zwei Jahren Krieg in der Ukraine in Deutschland immer noch so zaghaft geführt wird?

    Das sehe ich anders. In Demokratien muss diskutiert werden – unter Wahrung unserer eigenen Sicherheitsinteressen. Daran hält sich leider nicht jeder oder jede. Grundsätzlicher gesagt: Mit der deutschen Einheit hat sich etwas breit gemacht, was der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe in die Worte fasste, dass Deutschland nur von Freunden umzingelt sei. Das war einerseits richtig, andererseits hat es eine Stimmung auf den Punkt gebracht, die lautete: Wozu noch Streitkräfte in dieser Größenordnung unterhalten? Das ist in meinen Augen eine gefährliche Haltung: Sie sollten nie warten, bis es brennt, ehe sie beginnen, die Feuerwehr aufzubauen. 

    Andererseits entsprach diese Position der Stimmung nach dem Ende der Blockkonfrontation, als viele von einer Friedensdividende ausgingen. 

    Das ist richtig. Diese Dividende haben wir überreichlich genommen, seit 1990 und besonders ab 2009, als unter christdemokratischer Führung die Bundeswehr noch einmal erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden ist durch das sogenannte Aussetzen der Wehrpflicht auf der einen und massive Kürzungen auf der anderen Seite. 

    Halten Sie eine Wiedereinführung der Wehrpflicht für richtig?

    Mehr noch: Alle müssen etwas beitragen zum dauerhaften Gelingen unserer Freiheit. Es bekommt einem Gemeinwesen nicht gut, wenn man alle Verpflichtungen gegenüber dem Gemeinwesen an bezahlte Agenturen auslagert, weder bei den Streitkräften noch in anderen Bereichen. Der Kitt einer Gesellschaft besteht in gemeinsamen Überzeugungen und Werten, die nicht vernachlässigt werden sollten. Helmut Schmidt hat das einmal versucht zum Ausdruck zu bringen, als er von den Menschen- und Freiheitsrechten sprach, denen in jedem einzelnen Fall immer auch eine Verpflichtung und Verantwortlichkeit gegenübersteht.

    In der Ampel-Koalition scheint es weder für die Rückkehr zur Wehrpflicht noch für eine allgemeine Dienstpflicht eine Mehrheit zu geben. Halten Sie die Gesellschaft für weniger solidarisch als noch vor 20 Jahren?

    Nein. Ich habe eher den Eindruck, dass die Politik nicht so weit ist wie die Erkenntnis auch unter jüngeren Menschen. Denn eine allgemeine Verpflichtung zu einem zeitlich begrenzten Dienst an der Allgemeinheit findet ja in allen Schichten und Altersklassen der Bevölkerung Mehrheiten, unterschiedlich stark, aber eben eine Mehrheit. 

    Finden Sie, dass Deutschland kriegstüchtig werden muss, wie Verteidigungsminister Boris Pistorius es fordert?

    Ich finde, Deutschland muss eine neue Balance finden: die Fähigkeit, Freiheit zu verteidigen, gemeinsam mit anderen in Europa und im transatlantischen Bündnis, und die Fähigkeit, auf dieser Grundlage wirksame Friedenspolitik zu betreiben. Beides ist nicht so ausgeprägt, wie ich mir das wünsche. 

    Hinter Ihnen hängt eine Weltkarte. Schauen Sie da inzwischen öfter nach Taiwan oder Neukaledonien als noch in den 1990ern?

    Und in den Nahen Osten oder den Sudan. Meine große Sorge ist diese unglückliche und gefährliche Kombination: Deutschland ist international so stark verflochten wie kaum ein anderes Land, aber wir denken zu wenig strategisch, oft findet man sogar manch Kleinkariertes, und jetzt kommt sogar hässlicher Nationalismus, Rassismus oder Antisemitismus dazu. Im Kern geht es darum, dass es auf der Welt sehr verschiedene Interessen und Sichtweisen gibt. Da muss man sich behaupten. Das wird uns als Deutschen nur in und mit Europa gemeinsam gelingen, mit klugem Realismus und ohne erhobenen Zeigefinger.

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    Ukraine-Wiederaufbaukonferenz: Worauf es ankommen wird

    Am Dienstag und Mittwoch ist Deutschland zusammen mit der Ukraine Gastgeber der dritten Ukraine-Wiederaufbaukonferenz in Berlin. Über 2.000 Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft aus mehr als 60 Ländern werden darüber beraten, wie die Ukraine beim Wiederaufbau ihres Landes unterstützt werden kann.

    Zur Eröffnung ab 10 Uhr werden am Dienstag neben Bundeskanzler Olaf Scholz auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erwartet. Selenskyjs Frau Olena Selenska nimmt ebenfalls an der Konferenz teil. Selenskyj wird am Dienstag auch eine Rede vor dem Bundestag halten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird die Eröffnungsrede am abendlichen Empfang halten. Er soll am Rande der Konferenz außerdem mit Selenskyj sprechen, genauso wie Wirtschaftsminister Robert Habeck, wie Table.Briefings aus Regierungskreisen erfuhr. Ab 14.30 Uhr soll Selenskyj dann eine Rede vor dem Bundestag halten.

    Private Investoren als Zugpferde der Wirtschaft

    Deutschland als Co-Ausrichter wird einen Schwerpunkt auf den sozialen und gesellschaftlichen Wiederaufbau – Themen wie Ausbildung, Gesundheit und Teilhabe – sowie den Wiederaufbau und die Resilienz von Gemeinden und Regionen legen. So sollen eine Fachkräfte-Allianz zur Unternehmensförderung und Fachkräfteausbildung und weitere Kooperationsvereinbarungen verkündet werden. In den rund 30 Panels werden auch die nötigen Reformen vor einem Beitritt der Ukraine zur EU, der Kampf gegen Korruption sowie die grüne Transformation thematisiert.

    Schlussendlich wird es aber vor allem um wirksame wirtschaftliche Vereinbarungen und privates Investorenkapital gehen. Ein schnelles Wirtschaftswachstum wird entscheidend sein, um die hohen Verteidigungsausgaben der Ukraine decken zu können.

    Mehr als 600 ukrainische, deutsche und internationale Unternehmensvertreter aus Sektoren wie Energie, Logistik und Gesundheit werden deshalb erwartet. Auch die deutsche und ukrainische Rüstungsindustrie wird vertreten sein, etwa mit Armin Papperger, Vorstandsvorsitzender bei Rheinmetall und Ralf Ketzel, Chef der Deutschland-Sparte von KNDS und Nataliia Kushnerska von Brave 1, einer ukrainischen Plattform für die Weiterentwicklung von Technologien im Verteidigungssektor. Sie werden mit Wirtschaftsminister Robert Habeck, dem niederländischen Premierminister und vermutlichen Nachfolger von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, Mark Rutte, und Oleksandr Kamyshin, dem ukrainischen Minister für strategische Industrien, auf einem Panel zur “ukrainischen Verteidigungsindustrie als treibende Kraft für Resilienz und Erholung” sitzen.

    Zukunft der ukrainischen Wiederaufbauagentur ungewiss

    Aus den deutschen Ministerien werden neben Außenministerin Annalena Baerbock und Entwicklungsministerin Svenja Schulze – den beiden federführenden Ressorts – auch Finanzminister Christian Lindner, Bauministerin Klara Geywitz, Arbeitsminister Hubertus Heil, Gesundheitsminister Karl Lauterbach, Umweltministerin Steffi Lemke und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger teilnehmen.

    Die USA werden durch Penny Pritzker, Sonderbeauftragte der Vereinigten Staaten von Amerika für den wirtschaftlichen Wiederaufbau der Ukraine, vertreten.

    Am Montag wurde bekannt, dass der Chef der ukrainischen Wiederaufbauagentur, Mustafa Najem, zurückgetreten ist. Den Auslöser soll eine nicht genehmigte Dienstreise nach Berlin zur Wiederaufbaukonferenz gewesen sein. Najem hatte aber bereits zuvor die Unterfinanzierung seiner Behörde und übermäßige Bürokratie, beklagt, die Wiederaufbaumaßnahmen künstlich verzögerten. Einem Medienbericht zufolge geht mit Najem ein Großteil seines Teams, was die weitere Arbeit der Agentur in Frage stellt. klm

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    Israelisches Kriegskabinett: Wie Benny Gantz’ Austritt Netanjahu schwächt

    Benny Gantz’ Rücktritt aus der Regierung und damit dem israelischen Kriegskabinett dürfte die Position des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu international weiter schwächen.

    Dass der ehemalige Verteidigungsminister und Generalstabschef der Armee nach dem Überfall islamistischer Hamas-Kämpfer am 7. Oktober und dem Beginn des Kriegs im Gazastreifen Teil des Kriegskabinetts wurde, hatte im Land ein Gefühl der Einheit in schwierigen Zeiten geschaffen und dem Gremium auch außenpolitisch Glaubwürdigkeit verliehen.

    “Benny Gantz war eine Versicherung für Israels internationale Partner, dass es Minister im Kriegskabinett gibt, die pragmatische Haltungen einnehmen”, so der Leiter der Friedrich-Naumann Stiftung in Israel, Kristof Kleeman gegenüber Table.Briefings. Sein Rücktritt würde es schwieriger für wichtige westliche Verbündete wie die USA oder Deutschland machen, mit der Regierung in Jerusalem vertrauensvoll zu kooperieren.

    Gantz war zuletzt zunehmend auf Distanz zu Netanjahu gegangen und hatte wiederholt gefordert, einen Plan für die Zukunft des Gazastreifens vorzulegen. Am Sonntag war ein entsprechendes Ultimatum ausgelaufen. Der frühere Verteidigungsminister hatte deshalb seinen Rücktritt aus der Regierung angekündigt und Netanjahu aufgerufen, einen Termin für eine vorgezogene Parlamentswahl festzusetzen.

    Ein Geiselabkommen rückt weiter in die Ferne

    Durch das Ausscheiden seiner Partei der Nationalen Einheit reduziert sich die von Netanjahu geführte Regierung auf ihre ursprünglichen fünf Fraktionen – seine rechtsgerichtete Likud-Partei, die rechtsextremen Religiösen Zionisten und Otzma Yehudit sowie die ultraorthodoxen Shas und das Vereinigte Tora-Judentum.

    Sie verfügen über insgesamt 64 Sitze in der 120-köpfigen Knesset, sodass der Verlust von Gantz’ achtköpfiger Fraktion die Koalition nicht ihrer parlamentarischen Mehrheit beraubt. Allerdings wird Netanjahus Regierung noch stärker von den ultranationalistischen Ministern Itamar Ben Gvir und Bezalel Smotrich dominiert werden. Das Resultat könnte eine noch härtere Gangart in Gaza und ein stärkeres Vorgehen gegen die Hisbollah im Libanon sein. Ein Geiselabkommen erscheint unter diesen Umständen wieder weiter in die Ferne zu rücken.

    In der Zwischenzeit hat der UN-Sicherheitsrat sich für einen von US-Präsident Joe Biden vorgestellten, mehrstufigen Plan für eine Waffenruhe ausgesprochen. Der amerikanische Außenminister Antony Blinken ist zudem erneut in der Region und traf am Montag in Israel ein. Dort sind Gespräche mit Ministerpräsident Netanjahu vorgesehen, aber auch mit Benny Gantz. Die innenpolitischen Entwicklungen könnten den amerikanischen Bemühungen im Weg stehen. “Gantz wurde von der Regierung Biden lange Zeit als ein wichtiger Gesprächspartner innerhalb der israelischen Regierung angesehen, sowohl bei der begrenzten Offensive in Rafah, als auch für die Verhandlungen über ein Geiselabkommen”, sagt Kleeman. “Dass er nicht mehr Teil des Kriegskabinetts ist, stellt für die USA ein Problem dar.” wp

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    Friedensgutachten 2024: Mehr Gewaltkonflikte als je zuvor

    Im jährlichen Friedensgutachten der vier großen deutschen Friedensforschungsinstitute wird 2023 als das Jahr bezeichnet, “in dem es mehr Gewaltkonflikte auf der Welt gab als je zuvor”.  Bei der Vorstellung des Berichts am Dienstag in Berlin zeichnete Ursula Schröder, Wissenschaftliche Direktorin des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), das düstere Bild einer “Welt ohne Kompass”. Zentrale Akteure wie die Vereinten Nationen seien kaum noch in der Lage, die eigene Finanzierung zu sichern: “Zentrale friedenspolitische Trends weisen in die falsche Richtung zu mehr Krieg und Gewalt, zu mehr Aufrüstung auf allen Seiten, und zu mehr globaler Konfrontation – und damit zu weniger Frieden weltweit.”  

    Der 156-seitige Bericht ist in fünf Kapitel gegliedert, die regionale Schwerpunkte auf Westafrika und den Nahostkonflikt legen, aber auch globale Rüstungsdynamiken, Formen der Friedenssicherung und nachhaltige Konfliktlösungen thematisieren.

    Politik des langen Atems für die Ukraine

    Mit Blick auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine verwies Schröder auf eine “Politik des langen Atems”, die in Deutschland und der Weltgemeinschaft vonnöten sei, um überhaupt erst zu dem Punkt von Friedensverhandlungen zu gelangen. “Diplomatie und militärische Unterstützung sind dabei keine Gegensätze”, sagte Schröder. “Vielmehr muss die weitere militärische Unterstützung der Ukraine in den Dienst eines langfristigen politischen Prozesses gestellt werden.”

    Die Bundesregierung könne ihr internationales Gewicht zum jetzigen Zeitpunkt am besten dazu nutzen, Schlüsselstaaten des Globalen Südens wie Brasilien und China zu mehr Engagement hin zu direkten Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zu bewegen.

    Bundesregierung soll Palästina als Staat anerkennen

    Christopher Daase vom Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung sprach von der “Sequenzierung eines Friedensprozesses”, der von lokalen Waffenstillständen hin zu Friedensverhandlungen lange Zeit in Anspruch nehmen werde, ehe es zu einer internationalen Friedenskonferenz kommen könnte.

    Im Hinblick auf die deutsche Nahostpolitik empfiehlt das Gutachten der Bundesregierung, “Palästina als Staat anzuerkennen.” – “Nicht ob, sondern wann sollte für die Bundesregierung die Frage sein”. mrb

    • Bundesregierung
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    Sudan: Regierung bietet Russland einen Militärstützpunkt an

    Die Regierung des Sudan will in Wirtschafts- und Militärfragen enger mit Russland kooperieren. Dies berichtete die regierungsnahe Zeitung Sudan Tribune. Demnach hat sich der stellvertretende Vorsitzende des sudanesischen Übergangsrates, Malik Agar, am Freitag vergangener Woche mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow getroffen. Dabei sollen sie beschlossen haben, einen schon vereinbarten bilateralen Militärausschuss zu aktivieren.

    Agar ist dem Bericht zufolge am 3. Juni zum 27. Internationalen Wirtschaftsforum nach St. Petersburg gereist. Während seines mehrtägigen Aufenthalts hat er mit Lawrow unter anderem über den Stand des Bürgerkriegs im Land gesprochen und den Bau einer russischen Militärbasis im Sudan thematisiert. Den sudanesischen Medienbericht bestätigte das russische Nachrichtenportal Sputnik News.

    Blutiger Bürgerkrieg

    Im Sudan herrscht ein Bürgerkrieg zwischen Machthaber Abdel Fattah Abdelrahman Burhan und seinem ehemaligen Vize Mohammed Hamdan Daglo, genannt Hemeti: Die Armee kämpft gegen die von Hemeti angeführten paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF).

    Der Konflikt hat bisher nach UN-Angaben rund 16.000 Tote und 33.000 Verletzte gefordert. Viele Menschen leiden unter Hunger. Etwa neun Millionen Menschen sind auf der Flucht, im Sudan selbst oder viele auch im Tschad. Dies ist nach dem Urteil des früheren UN-Sonderbeauftragten für den Sudan, Volker Perthes, die derzeit größte humanitäre Krise der Welt.

    Agar hat zudem Lawrow das Interesse der sudanesischen Regierung übermittelt, ein Abkommen über den Bau eines russischen Marinestützpunkts am Roten Meer aufzugreifen. “Wir möchten dieses Abkommen auf jeden Fall wiederbeleben, wenn beide Länder dazu bereit sind”, sagte Agar.

    Saudi-Arabien besorgt

    Dabei sollten auch die Interessen anderer Länder entlang der Küste des Roten Meeres berücksichtigt werden. Saudi-Arabien versucht, den Bau dieses Marinestützpunkts zu verhindern, da es seine Sicherheitsinteressen gefährdet sieht. Das Rote Meer ist an dieser Stelle weniger als 300 Kilometer breit.

    Der Krieg mit den RSF hat die sudanesische Armee veranlasst, den Bau der russischen Marinebasis voranzutreiben. Die Regierung unter General Burhan bekräftigte, dass sie für andere Länder offen sei, die ähnliche Stützpunkte auf der sudanesischen Seite des Roten Meeres errichten wollen.

    Zahlreiche Militärbasen in Dschibuti

    Dabei hat er offenbar Dschibuti im Sinn, das ein lukratives Geschäft mit Militärbasen betreibt. Seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1977 beherbergt Dschibuti den größten Stützpunkt der französischen Streitkräfte in Afrika: schätzungsweise 2.000 Mann der Land-, Luft- und Marinestreitkräfte. Zunächst war dort die 13. Halbbrigade der Fremdenlegion stationiert, seit einer Umstrukturierung noch das 5e Régiment interarmes d’outre-mer (5e RIAOM).

    Daneben beherbergt Dschibuti einen Militärstützpunkt der USA in der ehemaligen Kaserne der Fremdenlegion, Camp Lemonnier. Außerdem unterhalten Italien und Japan Militärbasen im Land. Die deutsche Marine steuerte von Dschibuti aus die Anti-Piraterie-Mission Atalanta. Zudem betreibt China dort seit 2017 einen Marinestützpunkt. Die internationale Präsenz in Dschibuti könnte Russland antreiben, ebenfalls eine Militärbasis am Roten Meer zu besitzen. hlr

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    Warum die Bundeswehr von der Corona-Impfpflicht abrückt

    Die Bundeswehr nimmt die Impfung gegen Covid-19 aus dem verpflichtenden Impfprogramm für alle Soldaten und Soldatinnen heraus. Nach einer entsprechenden Empfehlung des Wehrmedizinischen Beirats im Verteidigungsministerium entschied Minister Boris Pistorius, das so genannte Basis-Impfschema anzupassen. Grund ist die geringere Schwere von Corona-Erkrankungen. Allerdings soll es für bestimmte Gruppen wie zum Beispiel Schiffsbesatzungen weiterhin die Möglichkeit geben, diese Impfung zwingend vorzuschreiben.

    Die Impfpflicht für die Truppe war von der damaligen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer angesichts der Pandemie im November 2021 verfügt worden. Im Mai dieses Jahres kam der Wehrmedizinische Beirat zu der Einschätzung, dass angesichts der Immunisierung der Bevölkerung, der inzwischen milderen Krankheitsverläufe und der deutlich gesunkenen Zahl von Krankenhausaufenthalten wegen einer Corona-Infektion eine verpflichtende Impfung für alle Soldaten nicht mehr angemessen sei.

    Gegen die Covid-19-Pflichtimpfung hatte es von einzelnen Soldaten Widerstand und Klagen gegeben. In einem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hatte das Verteidigungsministerium bereits im Mai die Absicht erkennen lassen, von der Verpflichtung abzurücken. Formal muss die Änderung des Basis-Impfschemas noch mit den Personalvertretungen abgestimmt werden, ehe sie in Kraft tritt. Andere Pflichtimpfungen, zum Beispiel gegen Influenza, gelten unverändert. tw

    • Bundeswehr
    • Corona-Impfungen

    Must-Reads

    Haaretz: During Gaza War: Massive Spike in Serbian Arms Sold to Israel, Flown in on Israeli Military Planes. In dieser gemeinsamen Recherche enthüllen das Balkan Investigative Network (BIRN) und die israelische Tageszeitung Haaretz, wie die israelische Luftwaffe in sieben Flügen Waffen aus Serbien nach Israel geflogen hat. Die serbischen Waffenexporte sind zuletzt stark gestiegen.

    The Wall Street Journal: How Israel Pulled Off a High-Risk Hostage Rescue. Es sei eine ungewöhnliche und riskante Taktik gewesen, mit der die israelischen Streitkräfte die vier von der Hamas entführten Geiseln am Samstag befreiten. Wie die Aktion verlief, bei der nach Hamas-Angaben mindestens 274 Menschen getötet wurden.

    Foreign Affairs: India’s Perilous Border Standoff With China. An der chinesisch-indischen Grenze stehen sich 100.000 Soldaten gegenüber. Seit den tödlichen Zusammenstößen 2020 verschärft sich der Konflikt, der im Himalaya mit Waffen ausgetragen werden könnte. Indien bringt sich als Gegengewicht zu China im Indopazifik in Stellung.

    Heads

    Gyde Jensen: Wie sie als Bildungspolitikerin Außenpolitik macht

    Gyde Jensen ist Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion für Menschenrechte und humanitäre Hilfe sowie Mitglied des FDP-Fraktionsvorstandes.
    Gyde Jensen macht sich auch im bildungspolitischen Bereich für mehr Unabhängigkeit von China stark.

    Gyde Jensen ist seit 2021 stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im Deutschen Bundestag, verantwortlich für Bildung, Frauen, Familie und Jugend – doch ihr Herz schlägt für die Außenpolitik.

    Als sie 2017 mit nur 28 Jahren in den Bundestag einzog, wurde sie Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses und damit die jüngste Ausschussvorsitzende in der Geschichte des Deutschen Bundestags. Eine Zeit, die sie bis heute prägt. Noch immer ist sie in Kontakt mit Weggefährten von Joshua Wong, dem Gesicht der Hongkonger Freiheitsbewegung, der weiterhin für seinen Aktivismus inhaftiert ist. Sein Schicksal, sein Aufopferungswille für Freiheit und Demokratie habe sie inspiriert, sagt sie noch heute.

    Derzeit kann sie das Thema China vorrangig durch das Prisma der Bildungspolitik aktiv mitgestalten – durch Regularien bei der Forschungskooperationen mit Peking oder den Umgang mit chinesischen Studierenden. Aus ihrer Sicht sind all das kleine Puzzleteil in einem großen Systemkonflikt.

    Jensen will aus Fehlern in der Russlandpolitik lernen

    Im parlamentarischen Alltag liegen jetzt vor allem Themen wie die Kindergrundsicherung oder der Digitalpakt Schule auf ihrem Schreibtisch. Doch Mitgliedschaften in Gremien wie der Interparliamentary Alliance on China (IPAC) oder dem Parlamentskreis Hongkong erlauben ihr es dennoch, weiterhin in die Rolle der China-Expertin und Menschenrechtspolitikerin zu schlüpfen. Die deutsch-chinesische Parlamentariergruppe, wo sie stellvertretende Vorsitzende ist, sieht sie unter der Leitung von Hans-Peter Friedrich (CSU) zum Büttel” der kommunistischen Partei in Peking verkommen.

    Ihre Position gegenüber China ist klar – klarer als so Manchen auch in ihrer eigenen Partei, die möglicherweise vor allem an die hohen wirtschaftlichen Kosten eines härteren Decoupling-Kurses nachdenken, lieb ist. Gerne würde sie die Abhängigkeit Deutschlands von Peking schneller und entschiedener reduzieren. Sollte der Koalitionskompromiss – nach dem Berichten zufolge der Zeitplan des Ausbaus kritischer IT-Komponenten von den chinesischen Anbietern Huawei und ZTE nach hinten verschoben würde – durchgehen, sei das ihrer Meinung nach “fatal”. Man dürfe jetzt bei der zentralen kritischen Infrastruktur der Zukunft nicht die gleichen Fehler machen, wie sie zu lange bei der Energieabhängigkeit von russischem Gas gemacht wurden, ist ihre Haltung.

    Hang zur Außenpolitik

    Es ist allerdings auffällig, dass außenpolitisches Interesse nicht in Fernost endet. Gerade erst ist sie von einer Reise aus Israel zurückgekehrt, um sich auch über diesen Konflikt eine Meinung zu bilden. Auch beim schwierigen Thema Wehretat schweigt sie nicht und fordert von der eigenen Partei eine offene Diskussion. Einem zweiten Sondervermögen will sie sich also nicht von vorneherein verschließen.

    “Die Menschen können Entscheidungen nur verstehen, wenn die Freien Demokraten sie auch nachvollziehbar diskutieren”, sagt sie. Mit ihren Positionen macht sie sich oft keine Freunde. Ob das schlechte Ergebnis bei den Wahlen zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden auch damit zusammen hängt, mit ihren progressiven Haltung bei gesellschaftspolitischen Themen oder der schwierigen Durchsetzungskraft im Bereich Bildung in Familie, bleibt offen.

    Fest steht, sie brennt für ein anderes Thema: der Außenpolitik. Gerne wäre sie schon 2023 Alexander Graf Lambsdorff als Leiterin des Bereichs Internationales der FDP-Bundestagsfraktion gefolgt, stattdessen entschied sich die Fraktion für Michael Link, der gleichzeitig als Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung fungiert.

    Zwischen Familie und Beruf

    Wie schwierig der Balanceakt zwischen Familienleben in Schleswig-Holstein und Berufspolitikerinnendasein in der Hauptstadt ist, erlebte sie schon 2021, als ihr Kind schwer krank zur Welt kam – mitten während der Koalitionsverhandlungen. Unter Inkaufnahme vieler “schräger Blicke” habe sie sich gemeinsam mit ihrem Mann zwischen Krankenhaus, Familie und Politik “zerrissen” und würde es doch immer wieder tun. Das Anliegen um Freiheit und Gesundheit im Kleinen müsse neben dem Engagement für Freiheit und Frieden im Großen möglich sein, sagt sie.

    Ein Kinderbett, aus dem beide Kinder schon lange herausgewachsen sind, steht noch immer in ihrem Büro – als wolle sie Besucher daran erinnern, dass hier nicht ein, sondern mindestens zwei Jobs erfüllt werden. Daneben zieren den Raum im Jakob-Kaiser-Haus Kunstwerke des chinesischen Cartoonisten Badiocao, angelehnt an die Regenbogen-Bewegung und den Unterdrückungsapparat der chinesischen Regierung. Sie stammen aus ihrer Zeit im Menschenrechtsausschuss und sollen auch in ihr nächstes Büro mitziehen. Nicht unwahrscheinlich, dass sie thematisch dann wieder besser zu ihrer offiziellen Funktion passen, denn die Frau für Frauenthemen allein will Jensen nicht sein. Mit einem Comeback der jungen Liberalen in die Außenpolitik ist spätestens in der nächsten Legislaturperiode zu rechnen.Wilhelmine Preußen

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