Table.Briefing: Security

Türkische Erpressungsversuche in der Nato + Russische Abschussdrohungen gegen Satelliten + Forscher warnen, Putins Armee zu unterschätzen

  • Türkei und Ungarn: Erpressungsversuche bei Nato-Beitritt von Schweden und Finnland
  • Westliche Satelliten – existenzielle Unterstützung für die Ukraine
  • Moskau zieht Lehren und bereitet sich auf weiteres Kriegsjahr vor
  • Patria-Radpanzer: Verteidigungspolitiker ignorieren Ansage von Kanzler Scholz
  • Aus Sorge vor Eskalation: USA begrenzen Reichweite der HIMARS
  • Indopazifik-Strategie: Kanada geht auf Distanz zu China
  • Drohnen gegen die Ukraine: Iran nutzt kanadische Antenne für Shahed-136
  • EU-Kommission schlägt neuntes Sanktionspaket gegen Russland vor
  • Heads: Alexander Sollfrank – Der Troubleshooter aus der Wilhelmsburg-Kaserne
Liebe Leserin, lieber Leser,

einige Nato-Mitglieder wären sicher froh, wenn die Türkei das Bündnis verließe. Strategisch dürfte das eher unklug sein, was die Türkei zu nutzen weiß. Seit Monaten blockiert sie den Beitritt Schwedens und Finnlands und fordert für ihre Zustimmung die Auslieferung angeblicher PKK-Terroristen aus Schweden. Das kann man auch Erpressung nennen, eine Zerreißprobe für die Allianz. Denn: Schweden und Finnland denken nicht daran, dem Druck nachzugeben. Die nordische Front steht, wie Nana Brink berichtet.

Wie würde der russische Krieg wohl verlaufen, wenn die Ukraine die westliche Satelliten-Unterstützung nicht hätte? Ich rede nicht von Elon Musk und Starlink, sondern von militärischer Aufklärung, Kommunikation und Navigation, die existenzielle Bedeutung hat für die Verteidiger. Deshalb droht Russland, westliche Satelliten abzuschießen. Gabriel Bub hat recherchiert, wie groß das Risiko ist.

Die operativ-taktischen Erfolge der Ukraine auf dem Gefechtsfeld verstellen mitunter den Blick für die nach wie vor bedrohlichen Fähigkeiten der russischen Streitkräfte. Viktor Funk kommt in seiner Analyse zu der Erkenntnis, dass Russland Lehren aus dem bisherigen Kriegsverlauf zieht – um schon bald neu anzugreifen.

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Ihr
Marco Seliger
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Analyse

Türkei und Ungarn: Erpressungsversuche bei Nato-Beitritt von Schweden und Finnland

Mit der kürzlichen Auslieferung eines PKK-Anhängers aus Schweden in die Türkei scheint die Strategie des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan aufzugehen: Nato-Mitgliedschaft nur gegen Zugeständnisse. Die Türkei versucht seit Monaten, die Aufnahme von Schweden und Finnland in das Bündnis zu behindern.

Hintergrund der Blockade sind Vorwürfe, vor allem Schweden würde kurdischen “Terroristen” einen Zufluchtsort bieten. Für Schwedens neue konservative Regierung steht ein schneller Nato-Beitritt ganz oben auf der außenpolitischen Agenda. Dafür sei man bereit, mit der Türkei zu verhandeln. Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoglu sprach kürzlich von “Fortschritten”, allerdings müsse man jetzt “konkrete Schritte” sehen. Die sind – mit der Auslieferung – nun offensichtlich erfolgt.

Schwedens Verteidigungsminister: Lassen uns nicht erpressen

Der Druck auf Schweden ist groß, denn viele Nato-Strategen treibt die Frage um: Was passiert, wenn die Türkei zuerst nur der Aufnahme Finnlands zustimmt? “Das wäre fatal”, sagt ein hochrangiger Nato-Vertreter. “Es wäre eine große Herausforderung für die Nato”, analysiert die Politikwissenschaftlerin Minna Ålander vom Thinktank “Finnish Institute of International Affairs”.

Dies wäre “eine Situation, die sie (die Nato; Anm. d. Red) in jedem Fall vermeiden muss”. So trat der schwedische Verteidigungsminister Pål Jonson auch prompt Spekulationen entgegen, die Türkei könnte diesen Spielraum nutzen: “Wir lassen uns nicht erpressen”. Der finnische Verteidigungsminister Antti Kaikkonen betonte Ende vergangener Woche “die enge Partnerschaft mit Schweden”. Gegenüber Security.Table bekräftigte er: “Wir gehen nur zusammen”.

Insel Gotland – der “unsinkbare Flugzeugträger”

Aus strategischer Sicht kann die Nato einen Beitritt Schwedens erst nach Finnland nicht dulden. Ein Blick auf die Landkarte erklärt, warum: Bis auf die russische Oblast Kaliningrad ist der gesamte Ostseeraum von Nato-Staaten umgeben. Der “nordische Block” wird im “Strategischen Konzept der Nato 2022” eine große Rolle spielen. Dort wird Russland “als die größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten” bezeichnet.

Die schwedische Insel Gotland ist nur 330 Kilometer von Kaliningrad entfernt. Sie wird gern als “unsinkbarer Flugzeugträger” bezeichnet und ist für die Verteidigung der baltischen Staaten von zentraler Bedeutung. “Wäre Schweden nicht zeitgleich mit Finnland in der Nato, gäbe es einen blinden Fleck”, sagt die finnische Militärexpertin Minna Ålander.

Auch Ungarn agiert mit Erpressermethoden

Der ehemalige Oberbefehlshaber der US-Armee in Europa, Ben Hodges, warnt daher auch vor einer Spaltung der Nato: “Finnland wird warten, bis Schweden ebenfalls aufgenommen ist. Sie werden in dieser Situation zusammenhalten”.

Die schnelle Aufnahme von Schweden und Finnland in die Nato gilt auch politisch als starkes Signal der Einigkeit innerhalb der westlichen Staaten. Die bislang neutralen Staaten hatten im Mai gemeinsam ihre Nato-Beitrittsgesuche eingereicht. Sie sind von 28 der 30 Nato-Länder ratifiziert worden; nötig ist eine Zustimmung aller bisheriger Mitglieder. Die Türkei und Ungarn haben eine Ratifizierung von Bedingungen abhängig gemacht.

Ungarn will sich erst nächstes Jahr mit dem Nato-Beitritt beschäftigen, wenn die EU zurückgehaltene Mittel in Milliardenhöhe freigebe. Auch dies ist ein Erpressungsversuch. Die Türkei hat ebenfalls eigene Interessen: Sie knüpft die Zustimmung bislang an die Auslieferung von Anhängern der Kurden-Organisation PKK, der Gülen-Bewegung und an Waffenlieferungen. Die PKK gilt auch in den USA und der EU als terroristische Organisation.

Schweden liefert wieder Waffenteile an Türkei

Das schwedische Parlament hatte Mitte November mit den Stimmen der neuen Mehrheit des Mitte-Rechts-Lagers die Anti-Terror-Gesetze geändert. So ist es unter bestimmten Umständen strafbar, Informationen weiterzugeben, die dem Verhältnis Schwedens zu Organisationen wie der UN oder der Nato schaden könnten. Einen Zusammenhang zwischen der Auslieferung des PKK-Anhängers und dem Nato-Beitritt hat die schwedische Regierung zurückgewiesen.

Beim Thema Waffenlieferungen allerdings ist ein Richtungswechsel offenkundig. Die “Inspektion für strategische Produkte” (ISP) ist für Waffenexporte in Schweden zuständig; sie hatte den Export von Kriegsgütern im Zuge der türkischen Angriffe auf Autonomiegebiete in Nord- und Ostsyrien 2019 gestoppt. Im September wurde erstmals wieder eine Lieferung von elektronischer Ausrüstung und Software in die Türkei genehmigt. Wie die ISP mitteilte, hing “der Schritt direkt mit dem Nato-Beitritt zusammen”.

Mit einer Aufgabe der türkischen Blockadehaltung – zumindest öffentlich – ist in den nächsten Monaten nicht zu rechnen. Im Juni 2023 sind Wahlen in der Türkei und Staatschef Erdogan wird die anti-europäische Stimmung in seiner Wählerschaft zu bedienen wissen.

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Westliche Satelliten – existenzielle Unterstützung für die Ukraine

Über ihre Beobachtungssatelliten registrieren die USA den Start russischer Marschflugkörper und informieren die ukrainische Flugabwehr. Über ihre Navigationssatelliten steuern die Amerikaner ukrainische Präzisionsraketen ins Ziel. Über ihre Kommunikationssatelliten hören die Deutschen russische Telefongespräche ab und geben ihre Informationen an Kiew weiter. Westliche Satelliten liefern der Ukraine beinahe existenzielle Unterstützung in ihrem Abwehrkampf gegen die russischen Invasoren.

Es verwundert daher wenig, dass Russland droht, westliche Satelliten abzuschießen. Doch geht das überhaupt? Ja. “Es reicht ein Betonklotz. Man muss ihn auch nicht schießen, es reicht, die Bahn zu kreuzen”, sagt der ehemalige Chef der European Space Agency (ESA), Johann-Dietrich Wörner.

Im November 2021 hatte Russland seinen Satelliten Cosmos 1408 mit einer Antisatelliten-Rakete (ASAT) abgeschossen, rund 1.500 verfolgbare Teile des Satelliten entstanden. Nach der Explosion musste die Besatzung der Internationalen Raumstation (ISS) in die angedockten Shuttles ausweichen. Knapp ein Jahr später wich die ISS erneut einem Trümmerteil aus.

600 Bruchstücke eines Satelliten, den China 2007 abschoss, würden immer noch beobachtet, sagte Generalleutnant Nina Armagno, Stabschefin der US Space Force, bei einer Konferenz in Australien. Auf die chinesische Machtdemonstration reagierten die USA damals mit dem Abschuss eines eigenen Satelliten. 2019 schoss auch Indien einen eigenen Satelliten ab, Premier Narendra Modi feierte: “Indien hat sich heute einen Namen gemacht – als Supermacht im Weltraum.”

2017 startete der russische Satellit Cosmos 2519 und beunruhigte amerikanische Militäranalysten, weil er wie eine Matrjoschka-Puppe einen Satelliten freigab, der wiederum einen dritten Flugkörper abstieß. Hierbei könnte es sich um eine ASAT-Mission gehandelt haben.

Sensible Satellitentypen

Wer kritische Infrastruktur angreifen will, findet mit Satelliten leichte Ziele:

Navigation: Vier Satelliten des europäischen Galileo-Systems, von denen 22 aktive Satelliten im All sind, reichen für die Standortbestimmung aus. Die Hälfte von ihnen ist in der Regel erreichbar. Es müsste also eine verhältnismäßig große Zahl an Satelliten abgeschossen werden, um europäische Navigationssysteme zu stören. Selbst dann gäbe es noch weitere Systeme wie das GPS der USA mit 31 Satelliten oder das chinesische Beidou. Russland hat mit Glonass ein eigenes Navigationssystem mit 24 Satelliten.

Kommunikation: Satelliten, die Informations- und Datenübertragung sicherstellen, fliegen in etwa 36.000 Kilometern Höhe. Über sie laufen zum Beispiel Fernseh- und Rundfunkprogramme. “Ein Satellit ist für mehrere Programme zuständig”, sagt Wörner. “Da wäre die Zerstörung einzelner Satelliten sehr, sehr ärgerlich.” Gerade in Gebieten mit schwacher (oder zerstörter) Infrastruktur ermöglichen Kommunikationssatelliten Datenaustausch.

Erdbeobachtung: Im Krieg können Erdbeobachtungssatelliten wertvolle Informationen liefern, zum Beispiel über den Standort schwerer Waffen Russlands in der Ukraine. Sonst werden sie auch für Wettervorhersagen genutzt. “Man kann sie mit einem entsprechend starken Strahl blenden”, sagt Wörner. Laser könnten die Satelliten bei ihrer Orientierung stören oder, wenn sie stark genug sind, Sensoren beschädigen.

Machtverteilung im All

Über 5.000 Satelliten umkreisen die Erde, zwei Drittel gehören den USA, China besitzt zehn Prozent der Satelliten, Russland fünf Prozent. Herumfliegende Trümmerteile machen keinen Unterschied zwischen russischen und amerikanischen Satelliten. Im schlimmsten Fall könnte nach einem Abschuss eine Kettenreaktion folgen, bei der immer mehr Satelliten durch Trümmerteile beschädigt werden. Irgendwann wäre der Orbit nur noch schwer passierbar.

Technisch anspruchsvoller als ein Abschuss ist die Vorgehensweise mit einem Roboterarm. China ließ 2017 einen Satelliten bei 25.000 km/h an einen anderen annähern und eine Woche mit dem anderen Satelliten manövrieren. Amerikanische Analysten interpretierten das als einen militärischen Test. “Eine Möglichkeit, einen Satelliten zu beseitigen, bestünde darin, ihn mit einem Greifarm zu nehmen und damit in der Atmosphäre zu verschwinden”, sagt Wörner. Auch durch Hacking könnten Satelliten-Systeme gestört werden.

Weltraumkommandos schweigen lieber

Wörner sagt, er “glaube nicht an Star Wars”, doch in der Bundeswehr scheint man das anders zu sehen. Deutschland hat im Juli 2021 ein eigenes Weltraumkommando in den Dienst gestellt, Frankreich gründete seines 2019, die USA reaktivierten ihres 2019.

Auf Nachfrage von Security.Table antwortet das Weltraumkommando der Bundeswehr, dass “potenzielle oder konkrete Beeinträchtigungen, die sich gezielt gegen unsere Weltraumsysteme richten (…), gegenwärtig nicht feststellbar” sind. Mehr will niemand aus dem Weltraumkommando dazu sagen. Auch das französische Weltraumkommando wollte eine Anfrage von Security.Table nicht beantworten.

Die Sorgen nehmen zu

Der ehemalige Kommandeur des deutschen Weltraumkommandos, Klaus Habersetzer, sagt in einer sehenswerten Arte-Dokumentation (siehe auch unsere Presseschau): “Wir müssen davon ausgehen, dass in einem zukünftigen Konflikt der Gegner versuchen wird, die Fähigkeiten, auf die wir uns abstützen, die weltraumbasiert sind, zu stören oder sogar zu unterbinden.”

Dass Russland wegen seines kleinen Raumfahrtprogramms “wenig zu verlieren” habe, sei ein Argument für Angriffe im All, sagte ein Kommandeur der kanadischen Space Force kürzlich. Die Sorge wächst. Der erste Ausschuss der Generalversammlung der Vereinten Nationen hat im Oktober eine Resolution verabschiedet, die alle Mitgliedsländer dazu aufruft, keine Versuche mit ASATs durchzuführen.

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Moskau zieht Lehren und bereitet sich auf weiteres Kriegsjahr vor

Nicht nur die jüngsten ukrainischen Drohnenangriffe auf drei russische Flugplätze tief im Landesinneren legen die Schwächen der russischen Armee offen. Russlands Krieg gegen die Ukraine hat diverse andere Probleme seiner Streitkräfte sichtbar gemacht. Dennoch dürfe Russland nicht unterschätzt werden, die Nato müsse sich darauf einstellen, dass Moskau aus seinen Fehlern lernt und stärker werde, warnen Autoren einer vor wenigen Tagen erschienen Studie des britischen Royal United Services Institute (RUSI).

Obwohl die taktischen Fähigkeiten der russischen Armee überschätzt worden seien, hätten sich die Waffensysteme als überwiegend effektiv erwiesen. “Die erfahreneren Truppenteile haben gezeigt, dass sie beachtliches Potenzial haben”, heißt es in dem 60-seitigen Papier.

In ihrer Analyse des bisherigen Kriegsverlaufs heben die Autoren fünf Schwächen der russischen Seite hervor:

  • Die einzelnen Teilstreitkräfte können ihre Fähigkeiten nicht effektiv ausspielen, weil sie den Landstreitkräften untergeordnet sind.
  • Es fehlen fähige, junge Offiziere an der Front.
  • Land- und Seestreitkräfte wiederholen Fehler, weil sie auf korrigierende Befehle von oben warten.
  • Obere Ränge erhalten oft unehrliche Informationen von unten, die als Grundlage für Entscheidungen dienen. Angst vor Strafen schadet dem Berichtswesen.
  • Schwache Melde- und Aufklärungsfähigkeit führen zu Verlusten durch friendly fire.

“Sie bleiben sehr tödlich”

Für die Studie nutzen die Autoren Informationen des ukrainischen Generalstabs aus dem Krieg bis Juli. Bereits in diesem Zeitraum hätten die russischen Streitkräfte gezeigt, dass sie sich an veränderte Situationen anpassen können. “Sie bleiben weiterhin sehr tödlich, sind entschlossen, die von ihrem Präsidenten gesetzten Ziele zu erreichen und dabei auch sehr wirksame Waffensysteme einzusetzen”, heißt es. Gelinge es Moskau, diese Probleme zu lösen, würde die Diskrepanz zwischen Potenzial und Fähigkeiten der Armee deutlich geringer werden.

Darauf arbeitet die Regierung Wladimir Putins bereits mit Hochdruck hin:

  • Ein neuer Koordinationsratsrat soll die Probleme der Armee in der Logistik, Sanitätswesen und Ausstattung beheben.
  • Rüstungsbetriebe sollen schneller Aufträge abarbeiten. Dafür wurden Arbeitsgesetze geändert, um längere Schichten zu ermöglichen, weil Personal fehlt. Zudem werden Beschäftigte der Branche vom Militärdienst freigestellt. Auch soll die Abhängigkeit der Unternehmen von ausländischen Zulieferungen “vollständig” abgeschafft werden, so Putin.
  • Die Zahl der militärischen Ausbildungszentren soll landesweit von jetzt 104 auf 120 wachsen, um das fehlende Führungspersonal aufzubauen.
  • Das Beschaffungswesen der Armee soll auf der Grundlage der aktuellen Erfahrungen modernisiert werden.
  • Darüber hinaus wird die patriotische Erziehung an Schulen und Universitäten bereits ausgeweitet.

Am 6. Dezember verkündete Verteidigungsminister Sergej Schoigu zudem, dass die Erfahrungen aus dem Krieg gegen die Ukraine in die aktuelle militärische Ausbildung einfließen. Das neue Ausbildungsjahr begann am 1. Dezember. Stark im Fokus der Ausbildung soll die koordinierte Zusammenarbeit verschiedener Teilstreitkräfte stehen – bisher ein Schwachpunkt, wie vom RUSI dargelegt.

Neuer Rat soll Probleme der russischen Armee lösen

Besonders der Koordinationsrat verdient Aufmerksamkeit. Laut Gesetz soll er die Bedürfnisse der Armee und anderer militärischer Einheiten unter der Vorgabe der Ziele der “Militärischen Spezialoperation” erfüllen. Er soll also die Kriegsführung in der Ukraine effektiver und effizienter machen.

Der Rat ist in der Hand von Zivilisten, die sich bisher als fähige Manager der Regierung Putins hervorgetan haben. Vorsitzender ist Ministerpräsident Michail Mischustin, 19 Personen gehören dem Rat insgesamt an – Chefs aller wichtigen Sicherheitsbehörden sind genauso vertreten wie der Bürgermeister der Stadt Moskau.

Der Kreml-Kenner und ehemalige Chefredakteur der Zeitung Wedomosti, Maxim Tovkaylo, fasst die Bedeutung des Koordinationsrates so zusammen: “Dieser Rat ist ein Beweis dafür, dass zivile Beamte nun vollständig Kriegsteilnehmer sind. Wenn jemand die Illusion hatte, dass in Russland ein Staatsstreich möglich wäre, dann muss man sagen, dass es dafür keinerlei Anzeichen gibt.”

Hohe Verluste halten Moskau von Aggressionen nicht ab

Russlands fähigste Technokraten und Ministerien werden also für den Krieg eingespannt. Dass die Probleme der Armee sichtbar geworden sind, begrüßen sogar russische Nationalisten und Propagandisten in TV-Shows und auf ihren Websites. Sie setzen einerseits auf langfristige Veränderungen und versuchen andererseits kurzfristig, die sinkende Zustimmung zum Krieg umzukehren – 55 Prozent der Menschen in Russland befürworten inzwischen Verhandlungen mit der Ukraine.

Die Probleme der Armee sind allesamt altbekannt. Bereits mit den großen Reformen 2008 und 2012 wollte Russland besonders die Kommunikationsfähigkeit in den Streitkräften verbessern und die Effektivität steigern. Beides scheiterte, unter anderem weil Untergebene kritischer hätten denken und ehrlicher berichten müssen – ein großes Problem in einem autoritären Staat. Das Projekt widersprach dem Machtsystem, schrieb der russische Militärkenner Alexander Golts bereits 2015.

Doch der Zustand seiner Armee hielt Putin nicht vom Krieg ab. Seine Aggressionsbereitschaft bleibt, laut dem Center for Strategic & International Studies (CSIS) steigt auch die Nervosität in den baltischen Staaten sowie in Polen. Sie befürchten nach wie vor einen Angriff, auch wenn die russischen Truppen derzeit in der Ukraine (scheinbar) aufgerieben werden.

Laut der RUSI-Studie zeigt sich das Gewaltpotenzial auch darin, dass russische Truppen trotz hoher Verluste ihre Taktik auch im Kleinen oft nicht änderten und wider jeder Vernunft handelten. Seit Wochen ist das zum Beispiel in den Kämpfen um Bachmut zu sehen, einer äußerst verlustreichen Schlacht in Ruinen und Gräben.

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News

Patria-Radpanzer: Verteidigungspolitiker ignorieren Ansage von Kanzler Scholz

Die Ansage von Bundeskanzler Olaf Scholz, die Bundeswehr schnell mit marktverfügbaren Waffen auszurüsten, droht von seiner eigenen Partei unterlaufen zu werden. Nach Informationen von Security.Table stellen Abgeordnete der SPD, aber auch der Union die geplante Beschaffung von Transportpanzern des finnischen Produzenten Patria infrage. Es müsse erst geprüft werden, ob genügend alternative Angebote eingeholt worden seien, heißt es.

Der Patria ist ein drei- oder vierachsiges Radfahrzeug. Das Basismodell wurde vor gut 20 Jahren entwickelt und in zahlreichen Streitkräften eingeführt. Finnland will es mit Schweden, Estland, Lettland und Deutschland zu einem “Common Armoured Vehicle System” weiterentwickeln. Der Radpanzer soll im kommenden Jahr in der Bundeswehr einem Testlauf unterzogen werden.

Der Abteilungsleiter Ausrüstung im Verteidigungsministerium, Carsten Stawitzki, hatte dazu am 14. Juni eine entsprechende Absichtserklärung (“Statement of Intent”) unterzeichnet. Deutschland wollte den offiziellen Beitritt zum Programm bis Ende dieses Jahres erklären. Ob dies schon geschehen ist, dazu war das BMVg gestern nicht zu erreichen.

Auch rüstungspolitische Aspekte beachten

Die Bundeswehr beabsichtigt, ihren Transportpanzer Fuchs (derzeit 939 Stück) durch den Patria zu ersetzen. Es handelt sich dabei um einen Großauftrag, der zunächst über das Sondervermögen finanziert werden sollte. Weil das Geld nicht reicht und andere Beschaffungsprojekte wichtiger sind, soll der Fuchs-Nachfolger in den kommenden Jahren aus dem laufenden Wehretat bezahlt werden.

Noch ist unklar, wie viele Fahrzeuge beschafft werden sollen. Die Bundeswehr benötigt auch künftig Transportpanzer in großer Stückzahl. Bei einem Großauftrag wie diesem, heißt es aus den Reihen der SPD-Verteidigungspolitiker, dürften nicht nur militärische, sondern es müssten auch rüstungspolitische Aspekte betrachtet werden. Im Klartext: Die deutsche Industrie solle beteiligt werden, obwohl sie ein solches System derzeit selbst nicht anbietet.

Rückfall in alte Zeiten

So war es in den vergangenen drei Jahrzehnten wiederholt, wenn sich die Bundeswehr für ein ausländisches Modell entschieden hatte. Die Wertschöpfung im eigenen Land spielte bei Beschaffungsprojekten immer eine große Rolle. Mit seiner Ansage, auf marktverfügbare Produkte zu setzen, hatte Kanzler Scholz darauf hinwirken wollen, dass dieser Aspekt künftig geringer gewertet wird als das Erreichen schneller Verteidigungsfähigkeit.

Doch auch aus der Union kommt Widerstand. Eine Industriekooperation von deutschen Unternehmen im finnisch geführten Programm “Common Armoured Vehicle System” wäre ein deutlicher Schritt in Richtung gemeinsamer europäischer Rüstungskooperation, teilte der CDU-Verteidigungsexperte Jens Lehmann mit. “Die Einbindung von deutschem Know-how würde dem neuen 6×6-Fahrzeug der Bundeswehr guttun”, sagte er. ms

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Aus Sorge vor Eskalation: USA begrenzen Reichweite der HIMARS-Raketenwerfer

Die USA haben die Reichweite des Mehrfachraketenwerfers HIMARS für die ukrainische Armee beschränkt. Laut einem Bericht des Wallstreet Journals (WSJ) soll so verhindert werden, dass Kiew die US-Waffen für Angriffe auf innerrussische Ziele einsetzt.

Bisher hat die Ukraine 20 HIMARS mit satellitengesteuerten Raketen erhalten, die bis zu 80 Kilometer weit fliegen können. Doch prinzipiell könnten auch Raketen mit mehr als 300 Kilometer Reichweite für die HIMARS verwendet werden, sogenannte Army Tactical Missile Systems (ATACMS). Sie sollen Ziele weit hinter der Frontlinie treffen.

Laut WSJ ist die jetzt erst bekannt gewordene Modifikation der HIMARS eine Sicherheitsmaßnahme der US-Regierung. Damit will die Biden-Administration die Unterstützung der Ukraine aufrecht halten und zugleich das Risiko einer weiteren Eskalation mit Moskau reduzieren. Es könnte auch eine Reaktion auf die unterschiedlichen Positionen unter den Ukraine-Verbündeten sein. So hatte zum Beispiel Litauen im Juni für Raketen mit größerer Reichweite für die Ukraine geworben.

Sorge vor Wortbruch durch Kiew

In Washington gibt es Befürchtungen, dass Kiew sein Wort nicht hält und den Krieg auf russisches Territorium trägt, so WSJ. Die mutmaßlich ukrainischen Angriffe auf drei russische Flugplätze tief im Landesinneren in dieser Woche zeigen, dass diese Befürchtungen berechtigt sein könnten.

Mit der Begrenzung der HIMARS-Reichweite signalisiert Washington an Moskau auch, dass es zumindest keine direkte Konfrontation will. Nach den Angriffen auf die Flugplätze hatten die USA rasch versichert, dass sie damit nichts zu tun hatten.

Der Hersteller der HIMARS, Lockheed Martin, hat derweil angekündigt, seine Kapazitäten auszubauen und mehr Raketenwerfer pro Jahr produzieren zu wollen. Damit soll der Bestand der US-Armee, aber auch der Bestand der Partner-Staaten, die ihre Waffen der Ukraine zur Verfügung stellen, wieder aufgestockt werden. Der Vertrag über 431 Millionen Dollar (410 Mio. Euro) erlaubt, statt 60 dann 96 HIMARS-Systeme pro Jahr herzustellen. 18 davon sind für die Ukraine bestimmt. vf

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Indopazifik-Strategie: Kanada betrachtet China als zunehmend störende Großmacht

Kanada will die Zusammenarbeit unter anderem mit Indien, Japan und Südkorea vertiefen – nicht aber mit China. Die entsprechende Strategie hat Kanadas Außenministerin Melanie Joly Ende November vorgestellt. In dem 26-seitigen Papier finden sich deutliche Worte in Richtung Peking.

China sei eine “zunehmend störende Großmacht”, heißt es in dem Schriftstück. Allerdings müsse das Land weiterhin als Partner bei der Bekämpfung des Klimawandels, Erhalt der Biodiversität und Fragen der globalen Gesundheit und nuklearen Proliferation berücksichtigt werden. Die kanadische Wirtschaft und Wissenschaft müssten jedoch vor chinesischem Einfluss geschützt werden.

Das Verhältnis zwischen Kanada und China ist belastet. Ottawa beschuldigte Peking, Einfluss auf kanadische Wahlen genommen zu haben. Indien, das als “essenzieller Partner” und “größte Demokratie der Welt” genannt wird, erhält einen eigenen Abschnitt. Die meisten ausländischen Studierenden in Kanada sind Inderinnen und Inder.

Die Strategie benennt fünf Ziele:

  • Frieden, Resilienz und Sicherheit sollen gefördert werden. Darunter fällt eine tiefergehende Zusammenarbeit mit den südostasiatischen ASEAN-Ländern, Japan und Südkorea.
  • Handel, Investitionen und Lieferketten-Resilienz sollen im Indopazifik ausgeweitet werden.
  • Zivilgesellschaftlichen Verbindungen sollen gestärkt werden, unter anderem durch Erleichterung der Einreise-Bedingungen für Menschen aus der Region.
  • Mehr Zusammenarbeit beim Umweltschutz
  • Und Kanada will sich stärker als aktiver und engagierter Partner positionieren.

Die Strategie wird mit 2,3 Milliarden kanadischen Dollar (1,6 Milliarden Euro) in den kommenden fünf Jahren finanziert. Allein eine halbe Milliarde kanadische Dollar (350 Millionen Euro) soll in den Ausbau militärischer Kapazitäten fließen, zum Beispiel in die Entsendung zusätzlicher Fregatten in die Region.

Kanada hält sich damit eng an die Strategie der USA aus dem Februar dieses Jahres. bub

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Drohnen gegen die Ukraine: Iran nutzt kanadische Antenne für Shahed-136

Das kanadische Unternehmen Tallysman Wireless will die Verwendung seiner Produkte in iranischen Drohnen unterbinden. Das Unternehmen mit Sitz in Ottawa stellt unter anderen Keramikantennen her. Diese Antennen wurden in iranischen Drohnen des Typs Shahed-136 entdeckt. Mit diesen Drohnen greift Russland Ziele in der Ukraine an. Die Verwendung seiner Bauteile in den iranischen Drohnen hat Tallysman inzwischen bestätigt.

Das Unternehmen versicherte, dass es seine Produkte weder in den Iran noch nach Russland exportiere. Auch sei es seinen Händlern verboten, Produkte an Staaten zu verkaufen, die unter Sanktionen stehen. Nach eigenen Angaben prüft das Unternehmen derzeit in Kooperation mit Ermittlungsbehörden, auf welchem Weg die Antennen in den Iran gelangt sind.

Eine Untersuchung ukrainischer Nichtregierungsorganisationen zeigte, dass in einer Shahed-136-Drohne Elemente von mehr als 30 westlichen Unternehmen verbaut worden waren, darunter aus Kanada, Japan, USA und Europa. vf

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EU-Kommission schlägt neuntes Sanktionspaket gegen Russland vor

Die Europäische Kommission will Russland mit einem neunten Sanktionspaket weiter unter Druck setzen. “Russland bringt weiterhin Tod und Verwüstung in die Ukraine”, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch auf Twitter. “Wir stehen an der Seite der Ukraine und lassen Russland für seine Grausamkeiten bezahlen.” Die bisherigen acht Sanktionspakete, die die EU eingeführt hat, zeigten bereits deutliche Wirkung, so von der Leyen.

Mit dem neunten Paket sollen fast 200 Personen und Organisationen zur Sanktionsliste hinzugefügt werden. Dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell zufolge geht es etwa um Mitglieder des russischen Militärs, der Verteidigungsindustrie sowie der Regierung. Es sollen unter anderem diejenigen getroffen werden, die für die Raketenangriffe auf die Ukraine sowie den Diebstahl von ukrainischem Getreide verantwortlich sind.

Einschränkungen bei Exportgütern

Zudem sollen drei weitere russische Banken sanktioniert werden, wie von der Leyen mitteilte. Die Sanktionen sollen auch Russlands Zugang zu Drohnen einschränken, insbesondere über Drittländer wie den Iran.

Von der Leyen nannte auch neue Exportbeschränkungen für Güter, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke genutzt werden können. Es sollen vier Nachrichtenorganisationen, die der Kommissionschefin zufolge Propaganda verbreiten, vom Netz genommen werden. Zum Schluss nannte sie wirtschaftliche Maßnahmen gegen den russischen Energie- und Bergbausektor.

Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen werden nun von den EU-Mitgliedstaaten diskutiert. Im Idealfall sollen sie nächste Woche beschlossen werden und in Kraft treten. dpa

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Presseschau

Presseschau

Arte – Wettrüsten im All, Kriegszone der Zukunft? In einer knapp einstündigen Doku beleuchtet Arte die Kriegsgefahr im All mit amerikanischen, französischen, deutschen, russischen und chinesischen Einschätzungen dazu. Es geht auch um die Fragen, wen die Schuld an Kämpfen im All am Ende träfe und wie realistisch sie sind.

Breaking Defense – Compromise NDAA released with $857.9 billion topline: Das US-Repräsentantenhaus und der Senat haben sich auf einen Entwurf für den Verteidigungshaushalt von fast 858 Milliarden US-Dollar verständigt. 800 Millionen Dollar sind für die Unterstützung der Ukraine vorgesehen, noch in diesem Monat dürfte der Haushalt abgesegnet werden.

The Atlantic – How to Stop the Next World War: Eric Schmidt und Robert Work prognostizieren, wie sich neue Techniken auf Kriegsführung auswirken können. Wer wissen will, was die Überschrift verspricht, sollte nur das letzte Drittel lesen. Vorher wird – auch interessant – beantwortet, warum man sich überhaupt fragen sollte, was der Text beantwortet.

dpa/ntv – Moskau ordert wohl Hunderte Drohnen und Raketen: Die dpa veröffentlicht eine Meldung, nach der große Mengen an unbemannten Flugkörpern und Raketen aus dem Iran an Russland geliefert würden. Wolodymyr Selenskyj vermutet, dass der Iran im Gegenzug Unterstützung bei seinem Atomprogramm erhält.

The New York Times – Shadowy Arm of a German State Helped Russia Finish Nord Stream 2: Wer noch einmal daran zurückdenken will, wer in “Mecklenburg-West-Pomerania” wofür und mit wem lobbyiert hat, um Nord Stream 2 durchzubringen, kann mit diesem Artikel einen gut zusammengefassten Throwback erleben.

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Heads

Alexander Sollfrank – Troubleshooter aus der Wilhelmsburg-Kaserne in Ulm

Porträtfoto von Generalleutnant Alexander Sollfrank, Leiter des JSEC der Nato, vor Flaggen.
Generalleutnant Alexander Sollfrank leitet das Joint Support and Enabling Command und das Multinationale Kommando Operative Führung in Ulm.

Wie man sich bettet, so liegt man. Und wenn man so will, ist Generalleutnant Alexander Sollfrank derjenige, der das Bett bereitet, damit sich schnell und gut gelegt bzw. Truppen umgelegt werden können. Sollfrank führt seit März 2022 das Joint Support and Enabling Command (JSEC) der Nato und das Multinationale Kommando Operative Führung in Ulm, ein deutsches Kommando mit internationaler Beteiligung.

Zwischen 2017 und 2018 führte Sollfrank das Kommando Spezialkräfte (KSK) in Calw. Seinem Nachfolger Markus Kreitmayr wurde verschwundene Munition zum Verhängnis, auch weil er den Dieben eine Amnestie versprach. Als mehr Munition zurückgegeben als vermisst wurde, fiel die katastrophale Calwer Buchführung auf. Sollfrank war da schon weg, doch einige der Vorgänge dürften auch in seine Amtszeit gefallen sein.

Jetzt koordiniert Sollfrank beim JSEC die Truppenbewegungen der Nato. “Unser Verantwortungsbereich geht von der Ostküste der USA bis an die Ostflanke der Nato, vom Nordkap bis ans Mittelmeer”, sagt Sollfrank. “Die Truppenkörper, mit denen wir arbeiten, sind Brigaden und Divisionen. Wenn man solche Größen bewegt, muss das geplant sein.”

Planung gehört zur Abschreckung

Entstanden ist das JSEC 2018 als Folge der russischen Krim-Annexion. “Man hat erkannt, dass wir sehr stark mit Verlegungen zu tun haben und dass wir ein Hauptquartier brauchen, das sich um diese Aufgabe kümmert“, sagt Sollfrank. 2021 überreichte der Nato-Oberbefehlshaber für Europa Sollfranks Vorgänger die neue Truppenfahne des Kommandos. “Wir waren rechtzeitig da”, sagt Sollfrank.

Das JSEC ist Teil der Nato-Kommandostruktur und dem europäischen Oberbefehlshaber (SACEUR) direkt unterstellt. “Wir sorgen dafür, dass die richtigen Kräfte zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle sind.”

Als Kommandeur in Ulm hat Sollfrank zwei Hüte auf, wie er sagt. Wenn es Probleme zwischen Nato und EU gibt, sollte er sie mitbekommen. Von größeren Hindernissen will er aber nicht sprechen. “Friktionen kommen immer vor, das gehört dazu. Troubleshooting gehört zum Geschäft.”

Also: Probleme beseitigen und im besten Falle erkennen, bevor sie auftauchen. Das heißt: Szenarios vorbereiten, damit es im Ernstfall schnell geht. “Wir versuchen uns auf die Eventualitäten vorzubereiten. In Ulm laufen die Informationen zusammen.” Das gehört auch zur Abschreckungsfunktion dazu, auch wenn Sollfrank das relativiert. “Wir sind ein Zahnrädchen. Wir sind nichts ohne die anderen Teile, die kämpfen.” Aber wenn das eine Zahnrad fehlt, funktioniert das gesamte Getriebe nicht.

“Militärisches Herzstück” des Strategischen Kompass

“Wenn ab 2025 auf EU-Ebene die Rapid Deployment Capacity einsatzfähig sein soll, werden wir in Ulm, im Multinationalen Kommando, in der Lage sein, die bei einem Einsatz erforderlichen militärstrategischen Planungen vorzunehmen”, sagt Sollfrank.

Im März 2022 hatte sich die EU mit dem Strategischen Kompass ein Konzept gegeben, das mit der Rapid Deployment Capacity (RDC) eine schnell einsetzbare Division aus 5000 Soldatinnen und Soldaten vorsieht. Im Kern wird sie von deutschen Truppenteilen gestellt. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht bezeichnete die RDC als “militärisches Herzstück” des Strategischen Kompass.

Sollfranks Aufgabe ist es, Informationen zu bündeln und weiterzugeben. Dass er im Mai von Donau 3 fm zum Schwaben der Woche gekürt wurde, ging aber an ihm vorbei. Ein paar Friktionen gibt es doch noch. Gabriel Bub

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Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

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    • Türkei und Ungarn: Erpressungsversuche bei Nato-Beitritt von Schweden und Finnland
    • Westliche Satelliten – existenzielle Unterstützung für die Ukraine
    • Moskau zieht Lehren und bereitet sich auf weiteres Kriegsjahr vor
    • Patria-Radpanzer: Verteidigungspolitiker ignorieren Ansage von Kanzler Scholz
    • Aus Sorge vor Eskalation: USA begrenzen Reichweite der HIMARS
    • Indopazifik-Strategie: Kanada geht auf Distanz zu China
    • Drohnen gegen die Ukraine: Iran nutzt kanadische Antenne für Shahed-136
    • EU-Kommission schlägt neuntes Sanktionspaket gegen Russland vor
    • Heads: Alexander Sollfrank – Der Troubleshooter aus der Wilhelmsburg-Kaserne
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    einige Nato-Mitglieder wären sicher froh, wenn die Türkei das Bündnis verließe. Strategisch dürfte das eher unklug sein, was die Türkei zu nutzen weiß. Seit Monaten blockiert sie den Beitritt Schwedens und Finnlands und fordert für ihre Zustimmung die Auslieferung angeblicher PKK-Terroristen aus Schweden. Das kann man auch Erpressung nennen, eine Zerreißprobe für die Allianz. Denn: Schweden und Finnland denken nicht daran, dem Druck nachzugeben. Die nordische Front steht, wie Nana Brink berichtet.

    Wie würde der russische Krieg wohl verlaufen, wenn die Ukraine die westliche Satelliten-Unterstützung nicht hätte? Ich rede nicht von Elon Musk und Starlink, sondern von militärischer Aufklärung, Kommunikation und Navigation, die existenzielle Bedeutung hat für die Verteidiger. Deshalb droht Russland, westliche Satelliten abzuschießen. Gabriel Bub hat recherchiert, wie groß das Risiko ist.

    Die operativ-taktischen Erfolge der Ukraine auf dem Gefechtsfeld verstellen mitunter den Blick für die nach wie vor bedrohlichen Fähigkeiten der russischen Streitkräfte. Viktor Funk kommt in seiner Analyse zu der Erkenntnis, dass Russland Lehren aus dem bisherigen Kriegsverlauf zieht – um schon bald neu anzugreifen.

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    Ihr
    Marco Seliger
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    Analyse

    Türkei und Ungarn: Erpressungsversuche bei Nato-Beitritt von Schweden und Finnland

    Mit der kürzlichen Auslieferung eines PKK-Anhängers aus Schweden in die Türkei scheint die Strategie des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan aufzugehen: Nato-Mitgliedschaft nur gegen Zugeständnisse. Die Türkei versucht seit Monaten, die Aufnahme von Schweden und Finnland in das Bündnis zu behindern.

    Hintergrund der Blockade sind Vorwürfe, vor allem Schweden würde kurdischen “Terroristen” einen Zufluchtsort bieten. Für Schwedens neue konservative Regierung steht ein schneller Nato-Beitritt ganz oben auf der außenpolitischen Agenda. Dafür sei man bereit, mit der Türkei zu verhandeln. Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoglu sprach kürzlich von “Fortschritten”, allerdings müsse man jetzt “konkrete Schritte” sehen. Die sind – mit der Auslieferung – nun offensichtlich erfolgt.

    Schwedens Verteidigungsminister: Lassen uns nicht erpressen

    Der Druck auf Schweden ist groß, denn viele Nato-Strategen treibt die Frage um: Was passiert, wenn die Türkei zuerst nur der Aufnahme Finnlands zustimmt? “Das wäre fatal”, sagt ein hochrangiger Nato-Vertreter. “Es wäre eine große Herausforderung für die Nato”, analysiert die Politikwissenschaftlerin Minna Ålander vom Thinktank “Finnish Institute of International Affairs”.

    Dies wäre “eine Situation, die sie (die Nato; Anm. d. Red) in jedem Fall vermeiden muss”. So trat der schwedische Verteidigungsminister Pål Jonson auch prompt Spekulationen entgegen, die Türkei könnte diesen Spielraum nutzen: “Wir lassen uns nicht erpressen”. Der finnische Verteidigungsminister Antti Kaikkonen betonte Ende vergangener Woche “die enge Partnerschaft mit Schweden”. Gegenüber Security.Table bekräftigte er: “Wir gehen nur zusammen”.

    Insel Gotland – der “unsinkbare Flugzeugträger”

    Aus strategischer Sicht kann die Nato einen Beitritt Schwedens erst nach Finnland nicht dulden. Ein Blick auf die Landkarte erklärt, warum: Bis auf die russische Oblast Kaliningrad ist der gesamte Ostseeraum von Nato-Staaten umgeben. Der “nordische Block” wird im “Strategischen Konzept der Nato 2022” eine große Rolle spielen. Dort wird Russland “als die größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten” bezeichnet.

    Die schwedische Insel Gotland ist nur 330 Kilometer von Kaliningrad entfernt. Sie wird gern als “unsinkbarer Flugzeugträger” bezeichnet und ist für die Verteidigung der baltischen Staaten von zentraler Bedeutung. “Wäre Schweden nicht zeitgleich mit Finnland in der Nato, gäbe es einen blinden Fleck”, sagt die finnische Militärexpertin Minna Ålander.

    Auch Ungarn agiert mit Erpressermethoden

    Der ehemalige Oberbefehlshaber der US-Armee in Europa, Ben Hodges, warnt daher auch vor einer Spaltung der Nato: “Finnland wird warten, bis Schweden ebenfalls aufgenommen ist. Sie werden in dieser Situation zusammenhalten”.

    Die schnelle Aufnahme von Schweden und Finnland in die Nato gilt auch politisch als starkes Signal der Einigkeit innerhalb der westlichen Staaten. Die bislang neutralen Staaten hatten im Mai gemeinsam ihre Nato-Beitrittsgesuche eingereicht. Sie sind von 28 der 30 Nato-Länder ratifiziert worden; nötig ist eine Zustimmung aller bisheriger Mitglieder. Die Türkei und Ungarn haben eine Ratifizierung von Bedingungen abhängig gemacht.

    Ungarn will sich erst nächstes Jahr mit dem Nato-Beitritt beschäftigen, wenn die EU zurückgehaltene Mittel in Milliardenhöhe freigebe. Auch dies ist ein Erpressungsversuch. Die Türkei hat ebenfalls eigene Interessen: Sie knüpft die Zustimmung bislang an die Auslieferung von Anhängern der Kurden-Organisation PKK, der Gülen-Bewegung und an Waffenlieferungen. Die PKK gilt auch in den USA und der EU als terroristische Organisation.

    Schweden liefert wieder Waffenteile an Türkei

    Das schwedische Parlament hatte Mitte November mit den Stimmen der neuen Mehrheit des Mitte-Rechts-Lagers die Anti-Terror-Gesetze geändert. So ist es unter bestimmten Umständen strafbar, Informationen weiterzugeben, die dem Verhältnis Schwedens zu Organisationen wie der UN oder der Nato schaden könnten. Einen Zusammenhang zwischen der Auslieferung des PKK-Anhängers und dem Nato-Beitritt hat die schwedische Regierung zurückgewiesen.

    Beim Thema Waffenlieferungen allerdings ist ein Richtungswechsel offenkundig. Die “Inspektion für strategische Produkte” (ISP) ist für Waffenexporte in Schweden zuständig; sie hatte den Export von Kriegsgütern im Zuge der türkischen Angriffe auf Autonomiegebiete in Nord- und Ostsyrien 2019 gestoppt. Im September wurde erstmals wieder eine Lieferung von elektronischer Ausrüstung und Software in die Türkei genehmigt. Wie die ISP mitteilte, hing “der Schritt direkt mit dem Nato-Beitritt zusammen”.

    Mit einer Aufgabe der türkischen Blockadehaltung – zumindest öffentlich – ist in den nächsten Monaten nicht zu rechnen. Im Juni 2023 sind Wahlen in der Türkei und Staatschef Erdogan wird die anti-europäische Stimmung in seiner Wählerschaft zu bedienen wissen.

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    Westliche Satelliten – existenzielle Unterstützung für die Ukraine

    Über ihre Beobachtungssatelliten registrieren die USA den Start russischer Marschflugkörper und informieren die ukrainische Flugabwehr. Über ihre Navigationssatelliten steuern die Amerikaner ukrainische Präzisionsraketen ins Ziel. Über ihre Kommunikationssatelliten hören die Deutschen russische Telefongespräche ab und geben ihre Informationen an Kiew weiter. Westliche Satelliten liefern der Ukraine beinahe existenzielle Unterstützung in ihrem Abwehrkampf gegen die russischen Invasoren.

    Es verwundert daher wenig, dass Russland droht, westliche Satelliten abzuschießen. Doch geht das überhaupt? Ja. “Es reicht ein Betonklotz. Man muss ihn auch nicht schießen, es reicht, die Bahn zu kreuzen”, sagt der ehemalige Chef der European Space Agency (ESA), Johann-Dietrich Wörner.

    Im November 2021 hatte Russland seinen Satelliten Cosmos 1408 mit einer Antisatelliten-Rakete (ASAT) abgeschossen, rund 1.500 verfolgbare Teile des Satelliten entstanden. Nach der Explosion musste die Besatzung der Internationalen Raumstation (ISS) in die angedockten Shuttles ausweichen. Knapp ein Jahr später wich die ISS erneut einem Trümmerteil aus.

    600 Bruchstücke eines Satelliten, den China 2007 abschoss, würden immer noch beobachtet, sagte Generalleutnant Nina Armagno, Stabschefin der US Space Force, bei einer Konferenz in Australien. Auf die chinesische Machtdemonstration reagierten die USA damals mit dem Abschuss eines eigenen Satelliten. 2019 schoss auch Indien einen eigenen Satelliten ab, Premier Narendra Modi feierte: “Indien hat sich heute einen Namen gemacht – als Supermacht im Weltraum.”

    2017 startete der russische Satellit Cosmos 2519 und beunruhigte amerikanische Militäranalysten, weil er wie eine Matrjoschka-Puppe einen Satelliten freigab, der wiederum einen dritten Flugkörper abstieß. Hierbei könnte es sich um eine ASAT-Mission gehandelt haben.

    Sensible Satellitentypen

    Wer kritische Infrastruktur angreifen will, findet mit Satelliten leichte Ziele:

    Navigation: Vier Satelliten des europäischen Galileo-Systems, von denen 22 aktive Satelliten im All sind, reichen für die Standortbestimmung aus. Die Hälfte von ihnen ist in der Regel erreichbar. Es müsste also eine verhältnismäßig große Zahl an Satelliten abgeschossen werden, um europäische Navigationssysteme zu stören. Selbst dann gäbe es noch weitere Systeme wie das GPS der USA mit 31 Satelliten oder das chinesische Beidou. Russland hat mit Glonass ein eigenes Navigationssystem mit 24 Satelliten.

    Kommunikation: Satelliten, die Informations- und Datenübertragung sicherstellen, fliegen in etwa 36.000 Kilometern Höhe. Über sie laufen zum Beispiel Fernseh- und Rundfunkprogramme. “Ein Satellit ist für mehrere Programme zuständig”, sagt Wörner. “Da wäre die Zerstörung einzelner Satelliten sehr, sehr ärgerlich.” Gerade in Gebieten mit schwacher (oder zerstörter) Infrastruktur ermöglichen Kommunikationssatelliten Datenaustausch.

    Erdbeobachtung: Im Krieg können Erdbeobachtungssatelliten wertvolle Informationen liefern, zum Beispiel über den Standort schwerer Waffen Russlands in der Ukraine. Sonst werden sie auch für Wettervorhersagen genutzt. “Man kann sie mit einem entsprechend starken Strahl blenden”, sagt Wörner. Laser könnten die Satelliten bei ihrer Orientierung stören oder, wenn sie stark genug sind, Sensoren beschädigen.

    Machtverteilung im All

    Über 5.000 Satelliten umkreisen die Erde, zwei Drittel gehören den USA, China besitzt zehn Prozent der Satelliten, Russland fünf Prozent. Herumfliegende Trümmerteile machen keinen Unterschied zwischen russischen und amerikanischen Satelliten. Im schlimmsten Fall könnte nach einem Abschuss eine Kettenreaktion folgen, bei der immer mehr Satelliten durch Trümmerteile beschädigt werden. Irgendwann wäre der Orbit nur noch schwer passierbar.

    Technisch anspruchsvoller als ein Abschuss ist die Vorgehensweise mit einem Roboterarm. China ließ 2017 einen Satelliten bei 25.000 km/h an einen anderen annähern und eine Woche mit dem anderen Satelliten manövrieren. Amerikanische Analysten interpretierten das als einen militärischen Test. “Eine Möglichkeit, einen Satelliten zu beseitigen, bestünde darin, ihn mit einem Greifarm zu nehmen und damit in der Atmosphäre zu verschwinden”, sagt Wörner. Auch durch Hacking könnten Satelliten-Systeme gestört werden.

    Weltraumkommandos schweigen lieber

    Wörner sagt, er “glaube nicht an Star Wars”, doch in der Bundeswehr scheint man das anders zu sehen. Deutschland hat im Juli 2021 ein eigenes Weltraumkommando in den Dienst gestellt, Frankreich gründete seines 2019, die USA reaktivierten ihres 2019.

    Auf Nachfrage von Security.Table antwortet das Weltraumkommando der Bundeswehr, dass “potenzielle oder konkrete Beeinträchtigungen, die sich gezielt gegen unsere Weltraumsysteme richten (…), gegenwärtig nicht feststellbar” sind. Mehr will niemand aus dem Weltraumkommando dazu sagen. Auch das französische Weltraumkommando wollte eine Anfrage von Security.Table nicht beantworten.

    Die Sorgen nehmen zu

    Der ehemalige Kommandeur des deutschen Weltraumkommandos, Klaus Habersetzer, sagt in einer sehenswerten Arte-Dokumentation (siehe auch unsere Presseschau): “Wir müssen davon ausgehen, dass in einem zukünftigen Konflikt der Gegner versuchen wird, die Fähigkeiten, auf die wir uns abstützen, die weltraumbasiert sind, zu stören oder sogar zu unterbinden.”

    Dass Russland wegen seines kleinen Raumfahrtprogramms “wenig zu verlieren” habe, sei ein Argument für Angriffe im All, sagte ein Kommandeur der kanadischen Space Force kürzlich. Die Sorge wächst. Der erste Ausschuss der Generalversammlung der Vereinten Nationen hat im Oktober eine Resolution verabschiedet, die alle Mitgliedsländer dazu aufruft, keine Versuche mit ASATs durchzuführen.

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    Moskau zieht Lehren und bereitet sich auf weiteres Kriegsjahr vor

    Nicht nur die jüngsten ukrainischen Drohnenangriffe auf drei russische Flugplätze tief im Landesinneren legen die Schwächen der russischen Armee offen. Russlands Krieg gegen die Ukraine hat diverse andere Probleme seiner Streitkräfte sichtbar gemacht. Dennoch dürfe Russland nicht unterschätzt werden, die Nato müsse sich darauf einstellen, dass Moskau aus seinen Fehlern lernt und stärker werde, warnen Autoren einer vor wenigen Tagen erschienen Studie des britischen Royal United Services Institute (RUSI).

    Obwohl die taktischen Fähigkeiten der russischen Armee überschätzt worden seien, hätten sich die Waffensysteme als überwiegend effektiv erwiesen. “Die erfahreneren Truppenteile haben gezeigt, dass sie beachtliches Potenzial haben”, heißt es in dem 60-seitigen Papier.

    In ihrer Analyse des bisherigen Kriegsverlaufs heben die Autoren fünf Schwächen der russischen Seite hervor:

    • Die einzelnen Teilstreitkräfte können ihre Fähigkeiten nicht effektiv ausspielen, weil sie den Landstreitkräften untergeordnet sind.
    • Es fehlen fähige, junge Offiziere an der Front.
    • Land- und Seestreitkräfte wiederholen Fehler, weil sie auf korrigierende Befehle von oben warten.
    • Obere Ränge erhalten oft unehrliche Informationen von unten, die als Grundlage für Entscheidungen dienen. Angst vor Strafen schadet dem Berichtswesen.
    • Schwache Melde- und Aufklärungsfähigkeit führen zu Verlusten durch friendly fire.

    “Sie bleiben sehr tödlich”

    Für die Studie nutzen die Autoren Informationen des ukrainischen Generalstabs aus dem Krieg bis Juli. Bereits in diesem Zeitraum hätten die russischen Streitkräfte gezeigt, dass sie sich an veränderte Situationen anpassen können. “Sie bleiben weiterhin sehr tödlich, sind entschlossen, die von ihrem Präsidenten gesetzten Ziele zu erreichen und dabei auch sehr wirksame Waffensysteme einzusetzen”, heißt es. Gelinge es Moskau, diese Probleme zu lösen, würde die Diskrepanz zwischen Potenzial und Fähigkeiten der Armee deutlich geringer werden.

    Darauf arbeitet die Regierung Wladimir Putins bereits mit Hochdruck hin:

    • Ein neuer Koordinationsratsrat soll die Probleme der Armee in der Logistik, Sanitätswesen und Ausstattung beheben.
    • Rüstungsbetriebe sollen schneller Aufträge abarbeiten. Dafür wurden Arbeitsgesetze geändert, um längere Schichten zu ermöglichen, weil Personal fehlt. Zudem werden Beschäftigte der Branche vom Militärdienst freigestellt. Auch soll die Abhängigkeit der Unternehmen von ausländischen Zulieferungen “vollständig” abgeschafft werden, so Putin.
    • Die Zahl der militärischen Ausbildungszentren soll landesweit von jetzt 104 auf 120 wachsen, um das fehlende Führungspersonal aufzubauen.
    • Das Beschaffungswesen der Armee soll auf der Grundlage der aktuellen Erfahrungen modernisiert werden.
    • Darüber hinaus wird die patriotische Erziehung an Schulen und Universitäten bereits ausgeweitet.

    Am 6. Dezember verkündete Verteidigungsminister Sergej Schoigu zudem, dass die Erfahrungen aus dem Krieg gegen die Ukraine in die aktuelle militärische Ausbildung einfließen. Das neue Ausbildungsjahr begann am 1. Dezember. Stark im Fokus der Ausbildung soll die koordinierte Zusammenarbeit verschiedener Teilstreitkräfte stehen – bisher ein Schwachpunkt, wie vom RUSI dargelegt.

    Neuer Rat soll Probleme der russischen Armee lösen

    Besonders der Koordinationsrat verdient Aufmerksamkeit. Laut Gesetz soll er die Bedürfnisse der Armee und anderer militärischer Einheiten unter der Vorgabe der Ziele der “Militärischen Spezialoperation” erfüllen. Er soll also die Kriegsführung in der Ukraine effektiver und effizienter machen.

    Der Rat ist in der Hand von Zivilisten, die sich bisher als fähige Manager der Regierung Putins hervorgetan haben. Vorsitzender ist Ministerpräsident Michail Mischustin, 19 Personen gehören dem Rat insgesamt an – Chefs aller wichtigen Sicherheitsbehörden sind genauso vertreten wie der Bürgermeister der Stadt Moskau.

    Der Kreml-Kenner und ehemalige Chefredakteur der Zeitung Wedomosti, Maxim Tovkaylo, fasst die Bedeutung des Koordinationsrates so zusammen: “Dieser Rat ist ein Beweis dafür, dass zivile Beamte nun vollständig Kriegsteilnehmer sind. Wenn jemand die Illusion hatte, dass in Russland ein Staatsstreich möglich wäre, dann muss man sagen, dass es dafür keinerlei Anzeichen gibt.”

    Hohe Verluste halten Moskau von Aggressionen nicht ab

    Russlands fähigste Technokraten und Ministerien werden also für den Krieg eingespannt. Dass die Probleme der Armee sichtbar geworden sind, begrüßen sogar russische Nationalisten und Propagandisten in TV-Shows und auf ihren Websites. Sie setzen einerseits auf langfristige Veränderungen und versuchen andererseits kurzfristig, die sinkende Zustimmung zum Krieg umzukehren – 55 Prozent der Menschen in Russland befürworten inzwischen Verhandlungen mit der Ukraine.

    Die Probleme der Armee sind allesamt altbekannt. Bereits mit den großen Reformen 2008 und 2012 wollte Russland besonders die Kommunikationsfähigkeit in den Streitkräften verbessern und die Effektivität steigern. Beides scheiterte, unter anderem weil Untergebene kritischer hätten denken und ehrlicher berichten müssen – ein großes Problem in einem autoritären Staat. Das Projekt widersprach dem Machtsystem, schrieb der russische Militärkenner Alexander Golts bereits 2015.

    Doch der Zustand seiner Armee hielt Putin nicht vom Krieg ab. Seine Aggressionsbereitschaft bleibt, laut dem Center for Strategic & International Studies (CSIS) steigt auch die Nervosität in den baltischen Staaten sowie in Polen. Sie befürchten nach wie vor einen Angriff, auch wenn die russischen Truppen derzeit in der Ukraine (scheinbar) aufgerieben werden.

    Laut der RUSI-Studie zeigt sich das Gewaltpotenzial auch darin, dass russische Truppen trotz hoher Verluste ihre Taktik auch im Kleinen oft nicht änderten und wider jeder Vernunft handelten. Seit Wochen ist das zum Beispiel in den Kämpfen um Bachmut zu sehen, einer äußerst verlustreichen Schlacht in Ruinen und Gräben.

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    Patria-Radpanzer: Verteidigungspolitiker ignorieren Ansage von Kanzler Scholz

    Die Ansage von Bundeskanzler Olaf Scholz, die Bundeswehr schnell mit marktverfügbaren Waffen auszurüsten, droht von seiner eigenen Partei unterlaufen zu werden. Nach Informationen von Security.Table stellen Abgeordnete der SPD, aber auch der Union die geplante Beschaffung von Transportpanzern des finnischen Produzenten Patria infrage. Es müsse erst geprüft werden, ob genügend alternative Angebote eingeholt worden seien, heißt es.

    Der Patria ist ein drei- oder vierachsiges Radfahrzeug. Das Basismodell wurde vor gut 20 Jahren entwickelt und in zahlreichen Streitkräften eingeführt. Finnland will es mit Schweden, Estland, Lettland und Deutschland zu einem “Common Armoured Vehicle System” weiterentwickeln. Der Radpanzer soll im kommenden Jahr in der Bundeswehr einem Testlauf unterzogen werden.

    Der Abteilungsleiter Ausrüstung im Verteidigungsministerium, Carsten Stawitzki, hatte dazu am 14. Juni eine entsprechende Absichtserklärung (“Statement of Intent”) unterzeichnet. Deutschland wollte den offiziellen Beitritt zum Programm bis Ende dieses Jahres erklären. Ob dies schon geschehen ist, dazu war das BMVg gestern nicht zu erreichen.

    Auch rüstungspolitische Aspekte beachten

    Die Bundeswehr beabsichtigt, ihren Transportpanzer Fuchs (derzeit 939 Stück) durch den Patria zu ersetzen. Es handelt sich dabei um einen Großauftrag, der zunächst über das Sondervermögen finanziert werden sollte. Weil das Geld nicht reicht und andere Beschaffungsprojekte wichtiger sind, soll der Fuchs-Nachfolger in den kommenden Jahren aus dem laufenden Wehretat bezahlt werden.

    Noch ist unklar, wie viele Fahrzeuge beschafft werden sollen. Die Bundeswehr benötigt auch künftig Transportpanzer in großer Stückzahl. Bei einem Großauftrag wie diesem, heißt es aus den Reihen der SPD-Verteidigungspolitiker, dürften nicht nur militärische, sondern es müssten auch rüstungspolitische Aspekte betrachtet werden. Im Klartext: Die deutsche Industrie solle beteiligt werden, obwohl sie ein solches System derzeit selbst nicht anbietet.

    Rückfall in alte Zeiten

    So war es in den vergangenen drei Jahrzehnten wiederholt, wenn sich die Bundeswehr für ein ausländisches Modell entschieden hatte. Die Wertschöpfung im eigenen Land spielte bei Beschaffungsprojekten immer eine große Rolle. Mit seiner Ansage, auf marktverfügbare Produkte zu setzen, hatte Kanzler Scholz darauf hinwirken wollen, dass dieser Aspekt künftig geringer gewertet wird als das Erreichen schneller Verteidigungsfähigkeit.

    Doch auch aus der Union kommt Widerstand. Eine Industriekooperation von deutschen Unternehmen im finnisch geführten Programm “Common Armoured Vehicle System” wäre ein deutlicher Schritt in Richtung gemeinsamer europäischer Rüstungskooperation, teilte der CDU-Verteidigungsexperte Jens Lehmann mit. “Die Einbindung von deutschem Know-how würde dem neuen 6×6-Fahrzeug der Bundeswehr guttun”, sagte er. ms

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    Aus Sorge vor Eskalation: USA begrenzen Reichweite der HIMARS-Raketenwerfer

    Die USA haben die Reichweite des Mehrfachraketenwerfers HIMARS für die ukrainische Armee beschränkt. Laut einem Bericht des Wallstreet Journals (WSJ) soll so verhindert werden, dass Kiew die US-Waffen für Angriffe auf innerrussische Ziele einsetzt.

    Bisher hat die Ukraine 20 HIMARS mit satellitengesteuerten Raketen erhalten, die bis zu 80 Kilometer weit fliegen können. Doch prinzipiell könnten auch Raketen mit mehr als 300 Kilometer Reichweite für die HIMARS verwendet werden, sogenannte Army Tactical Missile Systems (ATACMS). Sie sollen Ziele weit hinter der Frontlinie treffen.

    Laut WSJ ist die jetzt erst bekannt gewordene Modifikation der HIMARS eine Sicherheitsmaßnahme der US-Regierung. Damit will die Biden-Administration die Unterstützung der Ukraine aufrecht halten und zugleich das Risiko einer weiteren Eskalation mit Moskau reduzieren. Es könnte auch eine Reaktion auf die unterschiedlichen Positionen unter den Ukraine-Verbündeten sein. So hatte zum Beispiel Litauen im Juni für Raketen mit größerer Reichweite für die Ukraine geworben.

    Sorge vor Wortbruch durch Kiew

    In Washington gibt es Befürchtungen, dass Kiew sein Wort nicht hält und den Krieg auf russisches Territorium trägt, so WSJ. Die mutmaßlich ukrainischen Angriffe auf drei russische Flugplätze tief im Landesinneren in dieser Woche zeigen, dass diese Befürchtungen berechtigt sein könnten.

    Mit der Begrenzung der HIMARS-Reichweite signalisiert Washington an Moskau auch, dass es zumindest keine direkte Konfrontation will. Nach den Angriffen auf die Flugplätze hatten die USA rasch versichert, dass sie damit nichts zu tun hatten.

    Der Hersteller der HIMARS, Lockheed Martin, hat derweil angekündigt, seine Kapazitäten auszubauen und mehr Raketenwerfer pro Jahr produzieren zu wollen. Damit soll der Bestand der US-Armee, aber auch der Bestand der Partner-Staaten, die ihre Waffen der Ukraine zur Verfügung stellen, wieder aufgestockt werden. Der Vertrag über 431 Millionen Dollar (410 Mio. Euro) erlaubt, statt 60 dann 96 HIMARS-Systeme pro Jahr herzustellen. 18 davon sind für die Ukraine bestimmt. vf

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    Indopazifik-Strategie: Kanada betrachtet China als zunehmend störende Großmacht

    Kanada will die Zusammenarbeit unter anderem mit Indien, Japan und Südkorea vertiefen – nicht aber mit China. Die entsprechende Strategie hat Kanadas Außenministerin Melanie Joly Ende November vorgestellt. In dem 26-seitigen Papier finden sich deutliche Worte in Richtung Peking.

    China sei eine “zunehmend störende Großmacht”, heißt es in dem Schriftstück. Allerdings müsse das Land weiterhin als Partner bei der Bekämpfung des Klimawandels, Erhalt der Biodiversität und Fragen der globalen Gesundheit und nuklearen Proliferation berücksichtigt werden. Die kanadische Wirtschaft und Wissenschaft müssten jedoch vor chinesischem Einfluss geschützt werden.

    Das Verhältnis zwischen Kanada und China ist belastet. Ottawa beschuldigte Peking, Einfluss auf kanadische Wahlen genommen zu haben. Indien, das als “essenzieller Partner” und “größte Demokratie der Welt” genannt wird, erhält einen eigenen Abschnitt. Die meisten ausländischen Studierenden in Kanada sind Inderinnen und Inder.

    Die Strategie benennt fünf Ziele:

    • Frieden, Resilienz und Sicherheit sollen gefördert werden. Darunter fällt eine tiefergehende Zusammenarbeit mit den südostasiatischen ASEAN-Ländern, Japan und Südkorea.
    • Handel, Investitionen und Lieferketten-Resilienz sollen im Indopazifik ausgeweitet werden.
    • Zivilgesellschaftlichen Verbindungen sollen gestärkt werden, unter anderem durch Erleichterung der Einreise-Bedingungen für Menschen aus der Region.
    • Mehr Zusammenarbeit beim Umweltschutz
    • Und Kanada will sich stärker als aktiver und engagierter Partner positionieren.

    Die Strategie wird mit 2,3 Milliarden kanadischen Dollar (1,6 Milliarden Euro) in den kommenden fünf Jahren finanziert. Allein eine halbe Milliarde kanadische Dollar (350 Millionen Euro) soll in den Ausbau militärischer Kapazitäten fließen, zum Beispiel in die Entsendung zusätzlicher Fregatten in die Region.

    Kanada hält sich damit eng an die Strategie der USA aus dem Februar dieses Jahres. bub

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    Drohnen gegen die Ukraine: Iran nutzt kanadische Antenne für Shahed-136

    Das kanadische Unternehmen Tallysman Wireless will die Verwendung seiner Produkte in iranischen Drohnen unterbinden. Das Unternehmen mit Sitz in Ottawa stellt unter anderen Keramikantennen her. Diese Antennen wurden in iranischen Drohnen des Typs Shahed-136 entdeckt. Mit diesen Drohnen greift Russland Ziele in der Ukraine an. Die Verwendung seiner Bauteile in den iranischen Drohnen hat Tallysman inzwischen bestätigt.

    Das Unternehmen versicherte, dass es seine Produkte weder in den Iran noch nach Russland exportiere. Auch sei es seinen Händlern verboten, Produkte an Staaten zu verkaufen, die unter Sanktionen stehen. Nach eigenen Angaben prüft das Unternehmen derzeit in Kooperation mit Ermittlungsbehörden, auf welchem Weg die Antennen in den Iran gelangt sind.

    Eine Untersuchung ukrainischer Nichtregierungsorganisationen zeigte, dass in einer Shahed-136-Drohne Elemente von mehr als 30 westlichen Unternehmen verbaut worden waren, darunter aus Kanada, Japan, USA und Europa. vf

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    EU-Kommission schlägt neuntes Sanktionspaket gegen Russland vor

    Die Europäische Kommission will Russland mit einem neunten Sanktionspaket weiter unter Druck setzen. “Russland bringt weiterhin Tod und Verwüstung in die Ukraine”, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch auf Twitter. “Wir stehen an der Seite der Ukraine und lassen Russland für seine Grausamkeiten bezahlen.” Die bisherigen acht Sanktionspakete, die die EU eingeführt hat, zeigten bereits deutliche Wirkung, so von der Leyen.

    Mit dem neunten Paket sollen fast 200 Personen und Organisationen zur Sanktionsliste hinzugefügt werden. Dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell zufolge geht es etwa um Mitglieder des russischen Militärs, der Verteidigungsindustrie sowie der Regierung. Es sollen unter anderem diejenigen getroffen werden, die für die Raketenangriffe auf die Ukraine sowie den Diebstahl von ukrainischem Getreide verantwortlich sind.

    Einschränkungen bei Exportgütern

    Zudem sollen drei weitere russische Banken sanktioniert werden, wie von der Leyen mitteilte. Die Sanktionen sollen auch Russlands Zugang zu Drohnen einschränken, insbesondere über Drittländer wie den Iran.

    Von der Leyen nannte auch neue Exportbeschränkungen für Güter, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke genutzt werden können. Es sollen vier Nachrichtenorganisationen, die der Kommissionschefin zufolge Propaganda verbreiten, vom Netz genommen werden. Zum Schluss nannte sie wirtschaftliche Maßnahmen gegen den russischen Energie- und Bergbausektor.

    Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen werden nun von den EU-Mitgliedstaaten diskutiert. Im Idealfall sollen sie nächste Woche beschlossen werden und in Kraft treten. dpa

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    Presseschau

    Presseschau

    Arte – Wettrüsten im All, Kriegszone der Zukunft? In einer knapp einstündigen Doku beleuchtet Arte die Kriegsgefahr im All mit amerikanischen, französischen, deutschen, russischen und chinesischen Einschätzungen dazu. Es geht auch um die Fragen, wen die Schuld an Kämpfen im All am Ende träfe und wie realistisch sie sind.

    Breaking Defense – Compromise NDAA released with $857.9 billion topline: Das US-Repräsentantenhaus und der Senat haben sich auf einen Entwurf für den Verteidigungshaushalt von fast 858 Milliarden US-Dollar verständigt. 800 Millionen Dollar sind für die Unterstützung der Ukraine vorgesehen, noch in diesem Monat dürfte der Haushalt abgesegnet werden.

    The Atlantic – How to Stop the Next World War: Eric Schmidt und Robert Work prognostizieren, wie sich neue Techniken auf Kriegsführung auswirken können. Wer wissen will, was die Überschrift verspricht, sollte nur das letzte Drittel lesen. Vorher wird – auch interessant – beantwortet, warum man sich überhaupt fragen sollte, was der Text beantwortet.

    dpa/ntv – Moskau ordert wohl Hunderte Drohnen und Raketen: Die dpa veröffentlicht eine Meldung, nach der große Mengen an unbemannten Flugkörpern und Raketen aus dem Iran an Russland geliefert würden. Wolodymyr Selenskyj vermutet, dass der Iran im Gegenzug Unterstützung bei seinem Atomprogramm erhält.

    The New York Times – Shadowy Arm of a German State Helped Russia Finish Nord Stream 2: Wer noch einmal daran zurückdenken will, wer in “Mecklenburg-West-Pomerania” wofür und mit wem lobbyiert hat, um Nord Stream 2 durchzubringen, kann mit diesem Artikel einen gut zusammengefassten Throwback erleben.

    • Sicherheit

    Heads

    Alexander Sollfrank – Troubleshooter aus der Wilhelmsburg-Kaserne in Ulm

    Porträtfoto von Generalleutnant Alexander Sollfrank, Leiter des JSEC der Nato, vor Flaggen.
    Generalleutnant Alexander Sollfrank leitet das Joint Support and Enabling Command und das Multinationale Kommando Operative Führung in Ulm.

    Wie man sich bettet, so liegt man. Und wenn man so will, ist Generalleutnant Alexander Sollfrank derjenige, der das Bett bereitet, damit sich schnell und gut gelegt bzw. Truppen umgelegt werden können. Sollfrank führt seit März 2022 das Joint Support and Enabling Command (JSEC) der Nato und das Multinationale Kommando Operative Führung in Ulm, ein deutsches Kommando mit internationaler Beteiligung.

    Zwischen 2017 und 2018 führte Sollfrank das Kommando Spezialkräfte (KSK) in Calw. Seinem Nachfolger Markus Kreitmayr wurde verschwundene Munition zum Verhängnis, auch weil er den Dieben eine Amnestie versprach. Als mehr Munition zurückgegeben als vermisst wurde, fiel die katastrophale Calwer Buchführung auf. Sollfrank war da schon weg, doch einige der Vorgänge dürften auch in seine Amtszeit gefallen sein.

    Jetzt koordiniert Sollfrank beim JSEC die Truppenbewegungen der Nato. “Unser Verantwortungsbereich geht von der Ostküste der USA bis an die Ostflanke der Nato, vom Nordkap bis ans Mittelmeer”, sagt Sollfrank. “Die Truppenkörper, mit denen wir arbeiten, sind Brigaden und Divisionen. Wenn man solche Größen bewegt, muss das geplant sein.”

    Planung gehört zur Abschreckung

    Entstanden ist das JSEC 2018 als Folge der russischen Krim-Annexion. “Man hat erkannt, dass wir sehr stark mit Verlegungen zu tun haben und dass wir ein Hauptquartier brauchen, das sich um diese Aufgabe kümmert“, sagt Sollfrank. 2021 überreichte der Nato-Oberbefehlshaber für Europa Sollfranks Vorgänger die neue Truppenfahne des Kommandos. “Wir waren rechtzeitig da”, sagt Sollfrank.

    Das JSEC ist Teil der Nato-Kommandostruktur und dem europäischen Oberbefehlshaber (SACEUR) direkt unterstellt. “Wir sorgen dafür, dass die richtigen Kräfte zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle sind.”

    Als Kommandeur in Ulm hat Sollfrank zwei Hüte auf, wie er sagt. Wenn es Probleme zwischen Nato und EU gibt, sollte er sie mitbekommen. Von größeren Hindernissen will er aber nicht sprechen. “Friktionen kommen immer vor, das gehört dazu. Troubleshooting gehört zum Geschäft.”

    Also: Probleme beseitigen und im besten Falle erkennen, bevor sie auftauchen. Das heißt: Szenarios vorbereiten, damit es im Ernstfall schnell geht. “Wir versuchen uns auf die Eventualitäten vorzubereiten. In Ulm laufen die Informationen zusammen.” Das gehört auch zur Abschreckungsfunktion dazu, auch wenn Sollfrank das relativiert. “Wir sind ein Zahnrädchen. Wir sind nichts ohne die anderen Teile, die kämpfen.” Aber wenn das eine Zahnrad fehlt, funktioniert das gesamte Getriebe nicht.

    “Militärisches Herzstück” des Strategischen Kompass

    “Wenn ab 2025 auf EU-Ebene die Rapid Deployment Capacity einsatzfähig sein soll, werden wir in Ulm, im Multinationalen Kommando, in der Lage sein, die bei einem Einsatz erforderlichen militärstrategischen Planungen vorzunehmen”, sagt Sollfrank.

    Im März 2022 hatte sich die EU mit dem Strategischen Kompass ein Konzept gegeben, das mit der Rapid Deployment Capacity (RDC) eine schnell einsetzbare Division aus 5000 Soldatinnen und Soldaten vorsieht. Im Kern wird sie von deutschen Truppenteilen gestellt. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht bezeichnete die RDC als “militärisches Herzstück” des Strategischen Kompass.

    Sollfranks Aufgabe ist es, Informationen zu bündeln und weiterzugeben. Dass er im Mai von Donau 3 fm zum Schwaben der Woche gekürt wurde, ging aber an ihm vorbei. Ein paar Friktionen gibt es doch noch. Gabriel Bub

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