mit dem Jahreswechsel wächst die Nervosität bei einigen Nato-Beobachtern. Dem 75. Geburtstag des Militärbündnisses am 4. April folgen die US-Präsidentschaftswahlen sieben Monate später – mit einer möglichen Wiederwahl Donald Trumps. Nana Brink skizziert drei Optionen, wie die USA sich in diesem Fall zur Nato positionieren könnten. In allen drei Fällen müsste Europa seine Sicherheitsstrategien überdenken.
Doch auch ohne Donald Trump im höchsten US-amerikanischen Amt verlagern die USA ihren Fokus zunehmend auf den Pazifik. Im Südchinesischen Meer will Washington seinen ehemaligen Militärstützpunkt auf der kleinen Insel Tinian wieder aufbauen. Dahinter steckt die Strategie der US-Luftwaffe, ihre Standorte in der Region besser zu verteilen. Michael Radunski weiß mehr.
Deutschland diskutiert derweil über die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte im Dezember Überlegungen zum schwedischen Modell ins Spiel gebracht, die Wehrbeauftragte Eva Högl folgte ihm diese Woche. Der schwedische Verteidigungsattaché in Berlin, Jonas Hård af Segerstad, erklärt in seinem Standpunkt, warum er darin kein “Allheilmittel” für die Sorgen der Bundeswehr sieht.
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Mit 75 Jahren sollte man wissen, wer man ist. Und man könnte vielleicht auch stolz sein, dass man noch so lebendig ist. Weder “obsolet” noch “hirntot”. “Die Nato ist deshalb so alt geworden, weil sie es immer wieder geschafft hat, eine Lebensversicherung für alle Mitglieder zu sein”, meint Claudia Major, Leiterin der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).
Vor allem für die Europäer stellt sich nach der Wahl eines neuen US-Präsidenten im November die Frage: Hat diese Lebensversicherung Bestand? Für den deutschen Nato-General a.D. Heinrich Brauß ist klar: “Die größere Gefahr für den Bestand der Nato ist Trump, nicht Putin.”
Natürlich hatte die Nato nach 1990 ihre Identitätskrisen. Spätestens nach dem russischen Überfall auf die Krim 2014 hieß es: “back to the roots”. Nach Jahrzehnten der internationalen Krisenbewältigung – siehe Kosovo oder Afghanistan – rückte der alte Grundsatz aus dem Kalten Krieg wieder in den Fokus: kollektive Verteidigung. Russland ist nun wieder die “bedeutendste und direkte Bedrohung”. Das New Force Model, das 2023 in Vilnius verabschiedet wurde, sieht die Verteidigung der euro-atlantischen Region als Hauptaufgabe – inklusive der Verstärkung der Nato-Ostflanke und der Aufnahme Finnlands und Schwedens in die Nato.
So weit, so einig. Der ausstehende Beitritt Schwedens, der immer noch von der Türkei und Ungarn blockiert wird, mag da nur ein kleiner Schönheitsfehler sein. Rechtzeitig zum neuen Jahr kündigte denn auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg an, er sei zuversichtlich, dass das Land im Juli beim Jubiläumsgipfel als 32. Bündnismitglied mit dabei sein werde. Einen Satz, den er vor einem Jahr genau so auch schon formuliert hatte. Ohne Ergebnis.
Die Geburtstagsparty in Washington wird also keine lustige sein. Sie findet im Schatten des US-Präsidentschaftswahlkampfes statt. Und: Die Europäer wissen nicht, wie ihre Lebensversicherung ab November aussehen könnte. Denn bislang haben die USA die Fliehkräfte des transatlantischen Bündnisses gebändigt. Weil sie den Löwenanteil der Verteidigungskapazitäten stellen. Weil ihre strategischen Atombomben auch Nicht-Atommächte in Europa – darunter Deutschland – schützen. Entgegen der Meinung vieler Kommentatoren in den letzten zwei Wochen ist der amerikanische Atomschirm in absehbarer Zeit nicht durch eine europäische Nuklear-Variante zu ersetzen.
Man kann davon ausgehen, dass die Übergangsphase bis zur Inauguration eines möglichen neuen/alten US-Präsidenten Donald Trump bei weitem nicht so chaotisch verlaufen wird wie 2016/2017. Bislang werden drei Optionen unter Sicherheitsexperten diskutiert, die eine Regierung Trump im Hinblick auf die Nato in der Schublade hat:
Innerhalb der republikanischen Partei – und vor allem bei der Basis – finden die zweite und dritte Option breite Zustimmung. Ein fatales Signal, findet SWP-Sicherheitsexpertin Claudia Major: “Die USA wären zwar in der Nato, aber als völlig unberechenbarer Partner.”
Unklar bei all diesen Optionen sind die Reaktionen des militärischen Spitzenpersonals. In der ersten Trump-Präsidentschaft galten unter anderem ehemalige Generäle wie Verteidigungsminister James Mattis oder Generalstabschef Mark Milley als Stimmen der Vernunft. Ein wiedergewählter Präsident Trump allerdings hätte die Befugnis, fast alle Exekutivbeamten zu entlassen. Stattdessen könnte er ihm genehme Militärs im Generalstab platzieren. Nur zur Erinnerung: Es war General Milley, der im Nachgang des Sturms auf das Capitol Trumps Befehlsgewalt über die Atomwaffen eingeschränkt hatte.
Zurück zur Geburtstagsparty im Juli und der Frage nach der Lebensversicherung der Europäer. Eine Nato ohne die USA schien lange Zeit undenkbar. Eigentlich 75 Jahre lang. Aber auch ein wiedergewählter US-Präsident Joe Biden – ein ausgewiesener Transatlantiker – wird eher früher als später eine andere Lastenverteilung in der Nato fordern. Darauf, so die Politikwissenschaftlerin Majda Ruge vom European Council on Foreign Relations, müsse man sich einstellen. “Deutschland muss letztlich wieder eine Rolle einnehmen, wie sie die Bundeswehr im Kalten Krieg gegenüber der Sowjetunion und dem Warschauer Pakt hatte, nämlich als Rückgrat der konventionellen Verteidigung gegen Russland.”

Tinian dürfte vor allem Historikern ein Begriff sein. Weniger, weil die kleine Insel im Pazifischen Ozean einst Teil der Kolonie Deutsch-Neuguinea war. Vielmehr, weil auf diesem Eiland der Nördlichen Marianen eines der schlimmsten Kapitel der Menschheitsgeschichte seinen Anfang nahm. Am 6. August 1945 startete der B-29-Bomber “Enola Gay” vom dortigen US-Militärflugplatz “North Field” und warf wenig später erstmals eine Atombombe ab.
Fast 80 Jahre später scheint Tinian für Geostrategen und Politiker wieder interessant zu werden. Denn die USA wollen ihren ehemaligen Militärstützpunkt im Pazifik neu aufbauen. “Wenn man in den nächsten Monaten aufmerksam ist, wird man vor allem bei Tinian North deutliche Fortschritte sehen”, kündigte General Kenneth Wilsbach, Kommandant der US-Pacific-Air-Forces, im Interview mit der japanischen Zeitung Nikkei Asia an. Die Pacific Air Forces bestätigten die US-Pläne, wollten aber keine offizielle Stellungnahme abgeben. Im Budget-Antrag der US-Luftwaffe für das Geschäftsjahr 2024 sind jedenfalls 78 Millionen US-Dollar für Bauprojekte auf Tinian eingeplant.
Es ist eine deutliche Verschärfung der Lage im Südchinesischen Meer. China beansprucht praktisch das gesamte Südchinesische Meer für sich – einschließlich von Gebieten in den Exklusiven Wirtschaftszonen (EWZ) der Anrainer. Viel steht auf dem Spiel: Es geht um aktuelle Ressourcen (reiche Fischgründe) und zukünftige (mögliche Erdöl- und Erdgasvorkommen). Um den Welthandel (fast jeder dritte Schiffscontainer passiert das Südchinesische Meer), um Militär und Geostrategie.
Die US-Strategie hinter dem Wiederaufbau von Tinian heißt: Agile Combat Employment, kurz ACE. Ziel der US-Luftwaffe sei es, “Operationen von zentralisierten physischen Infrastrukturen auf ein Netzwerk kleinerer, verteilter Standorte zu verlagern, um die Planung des Gegners zu erschweren und mehr Möglichkeiten für gemeinsame Einsätze zu haben”. Denn ein Großteil der US-Luftwaffe im Pazifik ist auf wenigen großen Luftwaffenstützpunkten stationiert – auf Guam oder Okinawa. Das macht die US-Einheiten zu einem vergleichsweise einfachen Ziel.
In einer Analyse der Air University der amerikanischen Luftwaffe aus dem Jahr 2022 heißt es: ACE trage dazu bei, die chinesischen Bedrohungen abzuschwächen, indem es eigene Kräfte im Einsatzgebiet verteilt, ihren Einsatz unvorhersehbar macht und die Volksbefreiungsarmee dazu zwinge, mehr Raketen einzusetzen.

Chinas Verteidigungsministerium warnte daraufhin vor einer Verschärfung der Situation. Das chinesische Militär beobachte die US-Pläne genau. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Peking kündigte an, man werde Chinas Seerechte, Sicherheit und Souveränität in der Region entschieden verteidigen. Am Mittwoch teilte das Southern Theatre Command des Militärs mit, man werde dieser Tage Routinepatrouillen im Südchinesischen Meer durchführen.
Wie entschieden China seine Rechte verteidigt, das bekommen vor allem die Philippinen zu spüren. Zuletzt wurden Wasserwerfer eingesetzt, einige Boote gar gerammt. Ein anderes Mal errichtete China eine Seesperre, um philippinische Boote vom umstrittenen Scarborough Shoal fernzuhalten.
Manila ist sich des militärischen Ungleichgewichts bewusst und setzt daher auf “assertive transparency” –durchsetzungsstarke Transparenz. “Mit dieser neuen Kampagne versuchen die Philippinen, sich gegen Chinas ‘Grauzonen’-Taktik zu wehren”, erklärt der ehemalige US-Air-Force-Pilot Raymond Powell im Gespräch mit Table.Media. Powell ist heute Leiter von Sealight, einem Projekt zum Thema Transparenz im Seerecht an der Stanford University.
Nun soll auch Hardware folgen. Vor wenigen Tagen wurde an der Nordwestküste der größten Insel der Philippinen ein japanisches Radarsystem aufgebaut. Etwa 300 Kilometer vom umkämpften Scarborough Shoal entfernt soll es jene Gebiete überwachen, in denen es zuletzt zu Zusammenstößen mit chinesischen Schiffen kam.
Das System ist Teil einer umfassenden Modernisierung der philippinischen Streitkräfte. Wichtiger Nebenaspekt: Mit dem Radar kommt erstmals eine in Japan hergestellte Verteidigungsausrüstung in einem fremden Land zum Einsatz. Auch Tokio setzt damit ein klares Zeichen.
Unterdessen berichtet EurAsian Times, dass die Philippinen noch in diesem Monat in Indien hergestellte Überschall-Marschflugraketen erhalten sollen. Der Kauf der Raketen vom Typ BrahMos wurde schon 2022 beschlossen. Zudem hat der philippinische Kongress den Bau einer dauerhaften Anlage an einem anderen, zwischen Peking und Manila umstrittenen Riff bewilligt.
Entsprechend scharf reagierten Chinas Staatsmedien. In einem Leitartikel in der Zeitung “People’s Daily” werden die Philippinen davor gewarnt, “Unruhe und Chaos zu verursachen”. Die Philippinen hätten wiederholt gegen Chinas Territorialansprüche verstoßen, eine schwerwiegende “Fehlkalkulation“.
“Dieses Verhalten ist äußerst gefährlich und hat dem Frieden, der Stabilität, dem Wohlstand und der Entwicklung in der Region ernsthaft geschadet”, heißt es in dem Artikel. Der Kommentar wurde unter dem Namen “Zhong Sheng” verfasst. Es ist ein Homophon für die “Stimme Chinas”, ein Pseudonym, unter dem scharfe Ansichten zu außenpolitischen Themen dargelegt werden.
Dass es sich hierbei um eine reale Gefahr handelt, machte zuletzt auch der philippinische Botschafter in den USA klar. Jose Manuel Romualdez warnte in einem Interview: Die Auseinandersetzungen zwischen philippinischen und chinesischen Schiffen im Südchinesischen Meer könnten “jederzeit” einen größeren Konflikt auslösen – mit dramatischen Folgen. “Wenn in unserer Region etwas passiert, ist das wie der Beginn eines neuen Krieges, eines Weltkriegs.”
Die USA, Deutschland und zehn andere Staaten haben die Huthi-Rebellen im Jemen ultimativ aufgefordert, die Angriffe auf Handelsschiffe im Roten Meer einzustellen. Allerdings ließen sie offen, welche konkreten Folgen eine Fortsetzung der Angriffe mit Raketen, Drohnen und bewaffneten Booten auf Frachter und Tanker in der Seeregion haben könnte. Die Bundesregierung erklärte unterdessen ihre Bereitschaft, sich an einer möglichen EU-Mission zum Schutz der Schifffahrt zu beteiligen.
“Sollten die Huthi weiterhin Menschenleben, die Weltwirtschaft und den freien Verkehr von Waren auf den zentralen Seewegen der Region bedrohen, werden sie die Verantwortung für die Folgen tragen. Wir bleiben der regelbasierten internationalen Ordnung verpflichtet und sind entschlossen, böswillige Akteure für widerrechtliche Inbesitznahmen und Angriffe zur Rechenschaft zu ziehen”, heißt es in der gemeinsamen Erklärung vom Mittwochabend.
Die von Iran unterstützten Huthis hatten seit November wiederholt Handelsschiffe vor der jemenitischen Küste angegriffen und das mit der Unterstützung der Hamas im Krieg gegen Israel begründet. Vor allem US-Kriegsschiffe, aber auch die britische und die französische Marine hatten wiederholt Antischiffsraketen und Drohnen abgeschossen; bei einem Gefecht am Silvestertag versenkten US-Hubschrauber drei kleine Boote der Huthis und töteten die Mannschaft.
Das Auswärtige Amt verwies darauf, dass die EU sich derzeit darum bemühe, eine eigenständige Marinemission unter ihrer Führung zum Schutz der Handelsschiffe einzurichten: “Wir als Bundesregierung wären dazu bereit und stehen dazu auch in engem Kontakt mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst in Brüssel”, sagte Außenamtssprecher Sebastian Fischer. Die USA hatten bereits im Dezember die Mission “Operation Prosperity Guardian” unter ihrer Führung im Roten Meer ins Leben gerufen, der sich allerdings bislang nur wenige europäische Staaten angeschlossen haben. Der Brüsseler Plan, die bereits gegen Piraten vor Somalia eingerichtete EU-Operation Atalanta auf das Rote Meer auszuweiten, war am Widerstand Spaniens gescheitert.
Zahlreiche Reedereien haben inzwischen die Passage ihrer Frachter und Tanker durch das Rote Meer und damit auch durch den Suez-Kanal gestoppt und die Schiffe auf die deutlich längere Route rund um die Südspitze Afrikas umgeleitet. Da durch den Suez-Kanal gut zwölf Prozent der weltweiten Warenströme transportiert werden, wirken sich die Umleitungen nach einer Übersicht der Nachrichtenagentur Reuters bereits auf die Frachtkosten aus. tw
Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) schickt am Sonntag 64 Tonnen Hilfsgüter, darunter hauptsächlich Zelte, Zeltplanen für Notunterkünfte und zwei Zelthallen von Leipzig nach Ägypten. Von dort aus sollen sie weiter in den Süden Gazas transportiert werden.
Die Lage der Zivilbevölkerung in den Palästinensischen Gebieten ist drei Monate nach Kriegsbeginn weiter katastrophal. Es fehlt an Wasser, Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung. Ein großer Teil der Häuser ist zerstört. Etwa 1,9 Millionen Menschen wurden innerhalb des Gaza-Streifens vertrieben, viele mehrfach, weil Israel anfangs den Norden unter Beschuss genommen hat, später seine Offensive auf den Süden ausgeweitet hat.
Zwei Chartermaschinen bringen die erste Güterlieferung des DRK aus Deutschland an die Schwestergesellschaft Palästinensischer Roter Halbmond. “Die Unterkunftssituation wird immer kritischer, Notunterkünfte sind hoffnungslos überfüllt”, sagt Christof Johnen, Leiter des Bereichs Internationale Zusammenarbeit des DRK. Das Auswärtige Amt, zuständig für die Finanzierung humanitärer Hilfe, hatte am 21. Dezember vergangenen Jahres weitere Hilfe für die Krisenregion zugesichert.
Allerdings, so Johnen, sei nicht das Geld das Problem: “Die Eskalationsgefahr ist so hoch, dass humanitäre Hilfe nicht in der qualitativen Form geleistet werden kann, wie sie sollte.” Menschen im Norden Gazas könnten kaum erreicht und medizinisch versorgt werden. Neben den Notunterkünften schickt das DRK auch 50 Trauma-Rucksäcke zur Notversorgung der Patienten. Trotzdem sei dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde ist die Zahl der seit Kriegsbeginn getöteten Palästinenser auf knapp 22.500 gestiegen, weitere 57.600 sind verletzt worden. Die Zahlen lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.
Derweil droht die Lage im Nahen Osten weiter zu eskalieren. Israel hat eine “dritte Phase” im Gaza-Krieg angekündigt. Verteidigungsminister Joaw Gallant sagte, im Norden solle gezielter gegen Hamas-Kämpfer vorgegangen werden. Gleichzeitig befürchtet Israel Vergeltungsschläge der Hisbollah nach dem Tod des Hamas-Funktionärs Saleh al-Aruri, der am Dienstag im libanesischen Beirut durch Drohnen getötet wurde. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah macht Israel dafür verantwortlich.
Am Donnerstag brach US-Außenminister Antony Blinken zu einer Reise in den Nahen Osten auf. Er will unter anderem Israel, das Westjordanland, die Türkei, Griechenland, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien und Ägypten besuchen, um Gespräche über eine mögliche Lösung des Konflikts zu führen. klm
Russland will ausländische Vertragssoldaten und ihre Ehepartner sowie deren Kinder einbürgern, wenn sie einen Dienstvertrag bis zum Ende des Krieges in der Ukraine unterzeichnen oder bereits in diesem Dienst sind. Präsident Wladimir Putin hat den entsprechenden Erlass am gestrigen Donnerstag, 4. Januar, unterzeichnet. Der Erlass hebt für die genannte Personengruppe unter anderem die Forderung nach einem Sprachtest sowie Kenntnissen der Kultur und Geschichte des Landes auf.
Mit dieser neuen Regelung will Russland einige Probleme in seinem Krieg lösen:
Die russische Armee hat trotz Aufstockung des Personals und verdeckter Mobilmachung – ein offizielles, gesetzlich geregeltes Ende der ersten Mobilmachung vom September 2022 hat es bis heute nicht gegeben – Probleme mit der Rekrutierung neuer Soldaten. Der neue Plan, Ausländer mit Staatsbürgerschaften anzulocken, soll dem Regime neue personelle Ressourcen und Zeit verschaffen. Denn auch die Ukraine braucht neue und frische Kräfte für die Front.
Der neue Erlass ist bereits die dritte Änderung des Einbürgerungsgesetzes in den vergangenen zwei Jahren, die speziell Ausländer im russischen Militär betrifft. Frühere Medienberichte zeigen, dass sich Freiwillige im Ausland finden, die sich für Geld und eine Aussicht auf ein vermeintlich besseres Leben in Russland, anwerben lassen.
Laut Moscow Times kämpfen Kubaner und Serben für Russland in der Ukraine. Laut der russischen Agentur Tass sollen auch Abchasen, Italiener und Kolumbianer dabei sein. Und laut dem britischen Geheimdienst hat Russland in den ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien Freiwillige für den Krieg in der Ukraine geworben. Hinzu kommen verurteilte ausländische Sträflinge und migrantische Arbeiter in Russland, die teils unter Zwang für den Krieg geworben werden. Eine genauere Zahl dieser Kämpfer ist nicht bekannt. vf
Die ukrainische Regierung hatte in dieser Woche zwei gute Nachrichten zu verkünden: Erstmals seit August 2023 konnte sie wieder Ukrainer aus russischer Gefangenschaft gegen russische Kriegsgefangene tauschen; außerdem wollen Nato-Mitglieder auf Ersuchen Kiews eine Notfallsitzung zur Unterstützung der ukrainischen Luftverteidigung abhalten.
Unter den ausgetauschten Soldaten, Soldatinnen und Zivilisten soll sich laut ukrainischen Medien ein Soldat befinden, der am 24. Februar 2022 gefangen genommen worden war. Ebenso ist die letzte ukrainische gefangene Militärmedizinerin nun frei. Sie gehörte zu den Verteidigern von Mariupol. In die Ukraine kehren 230 Militärangehörige und Zivilisten zurück, nach Russland 248 Soldaten. Seit der Vollinvasion im Februar 2022 war es der größte Gefangenenaustausch. Nach Angaben von Moskau und Kiew waren die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) an der Vermittlung des Austauschs beteiligt.
Das Treffen des Nato-Ukraine-Rates, um das Kiew gebeten hatte, ist laut dem Nato-Sprecher Dylan White für Mittwoch, 10. Januar, terminiert. Das Ersuchen der Ukraine für das Treffen folgt nach einem fünftägigen Dauerbeschuss Russlands mit rund 500 Raketen und Drohnen. vf
Mit Rüstungsexportgenehmigungen im Wert von rund 12,2 Milliarden Euro hat die Bundesregierung 2023 einen neuen Rekord aufgestellt. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums hervor. Hauptempfängerland ist die Ukraine mit 4,44 Milliarden Euro. Die Genehmigungen entfielen zu 6,44 Milliarden auf Kriegswaffen und zu 5,76 Milliarden Euro auf sonstige Rüstungsgüter – in diese Kategorie fallen zum Beispiel gepanzerte Fahrzeuge.
Der neue Höchststand war bereits im Dezember bekannt geworden, damals aber auf Grundlage vorläufiger Zahlen, die noch nicht die zweite Dezemberhälfte umfassten. Der bisherige Höchststand von 9,35 Milliarden Euro war 2021 erzielt worden, der neue Rekord liegt 30 Prozent darüber.
“Die kontinuierliche deutsche Unterstützung der Ukraine bei ihrer Selbstverteidigung gegen den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg dient der Sicherung der globalen Friedensordnung”, erklärte Staatssekretär Sven Giegold (Grüne).
Der zweithöchste Genehmigungswert entfalle auf Norwegen. Das zeige, dass die Bundesregierung an ihrer restriktiven Grundlinie festhalte, wonach die Frage der Menschenrechte von besonderer Bedeutung sei. “Rekordnachfrage nach deutschen Rüstungsgütern bei unseren demokratischen Partnerländern ist Ausdruck eines gesteigerten Bedürfnisses nach militärischer Sicherheit, für das Russlands Aggression die überragende Verantwortung trägt”, so Giegold weiter.
Rund 89 Prozent des genehmigten Exportwerts beziehungsweise 10,84 Milliarden Euro betreffen EU- und Nato-Staaten oder Länder, die Nato-Mitgliedern gleichgestellt sind (Japan, Schweiz, Australien und Neuseeland)- sowie Südkorea, Singapur und die Ukraine. Die restlichen 11 Prozent, also 1,36 Milliarden Euro, entfallen auf sonstige Drittländer. dpa
Deutschland, die Niederlande, Rumänien und Spanien beschaffen gemeinsam bis zu 1.000 Lenkflugkörper für das Luftverteidigungssystem Patriot. Das teilten die Rüstungsunternehmen MBDA und Raytheon am Mittwoch mit. Der Auftrag, der über die Beschaffungsorganisation Nato Support and Procurement Agency (NSPA) abgewickelt wird, kostet die Länder 5,1 Milliarden Euro.
Der deutsche Anteil wird größtenteils mit 2,4 Milliarden Euro aus dem 100 Milliarden Euro Bundeswehr-Sondervermögen finanziert. Die 500 Lenkflugkörper sollen zwischen 2027 und 2033 ausgeliefert werden.
Die Bestellung der Patriot Guidance Enhanced Missiles (GEM-T) wurde durch die Bewilligung des Haushaltsausschusses im Dezember von 3 Milliarden Euro für den Kauf von 500 Patriot-Lenkflugkörpern möglich. MBDA und Raytheon erklären sich im Gegenzug dazu bereit, eine Produktionsstätte in Deutschland aufzubauen. Die Produktion soll im bayerischen Schrobenhausen stattfinden, wo bereits die Wartung von Patriot-Raketen stattfindet.
Die Beschaffung gliedert sich in das von Deutschland initiierte Beschaffungsbündnis European Sky Shield Initiative (Essi) ein. Europäische Partner wie Frankreich oder Italien waren der von Bundeskanzler Olaf Scholz lancierten Initiative ferngeblieben, weil sie im Kauf nichteuropäischer Systeme eine Schwächung der europäischen Rüstungsindustrie sehen. bub
Die Zeit: Bundeswehreinsatz in Afghanistan – “Wahnsinn. Eine Riesenscheiße”. Als die Bundeswehr Afghanistan im August 2021 verlassen musste, wussten die Hunderten Deutsche und Tausenden Ortskräfte in Kabul “nichts von der Gefahr, vor der Berlin gewarnt worden war”, schreibt Christian Schweppe. Ausführliche Recherche, die das Versagen um den Bundeswehrabzug aufarbeitet. Mit Staatssekretären im Urlaub und zahlreichen unbeantworteten Warnungen.
Spiegel: Der Deutsche Traum von der deutschen Atombombe. Ein nuklearer Alleingang Deutschlands wäre eine antieuropäische Fehlentscheidung, egoistisch und kaum machbar, schreiben die Sicherheitsexperten der SWP, Claudia Major und Liviu Horovitz. Ein Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag wäre unvermeidlich und würde Deutschland so auf eine Stufe mit Nordkorea stellen.
ARD-Doku: Einsatzbefehl Mali. Ein Jahr lang hat die ARD deutsche Soldatinnen und Soldaten in Mali und bei ihrer Rückkehr nach Deutschland begleitet und kommt ihnen dabei bemerkenswert nah. Die vierteilige Serie wirft auch einen Blick auf die privaten Auswirkungen des Einsatzes auf die Soldaten.

Deutschland und Schweden haben fast gleichzeitig und aus den gleichen Gründen die Wehrpflicht ausgesetzt. Mit Ende des Kalten Krieges und dem neuen Schwerpunkt auf Auslandseinsätze wechselte Schweden 2009 zu einer Berufsarmee mit ausschließlich angestellten Soldaten, die – im Gegensatz zu den Wehrpflichtigen – in Auslandseinsätze befohlen werden konnten. Zwischen 2010 und 2017 kamen deswegen nur Freiwillige in die Streitkräfte.
Mit der neuen Sicherheitslage ist die Landesverteidigung wieder Hauptaufgabe geworden, was eine größere Zahl von Soldaten für den Kriegsfall braucht. Mit Freiwilligen konnte das Ziel von 3.500 pro Jahr nicht erreicht werden, sondern im Durchschnitt nur 2.200. Diese Zahlen wären für die neue Lage keine mögliche Lösung. Die Wehrpflicht wurde deswegen mit einem Parlamentsbeschluss reaktiviert. Die Wehrpflicht ist in Schweden eine von drei Totalverteidigungspflichten. Außer der Wehrpflicht gibt es für die zivilen Teile der Totalverteidigung auch die Zivilpflicht und die allgemeine Dienstpflicht.
Ein Unterschied zwischen Deutschland und Schweden ist die Sicht auf Wehrgerechtigkeit. In Schweden wird der Bedarf an Wehrpflichtigen von der Größe der Streitkräfte im Kriegsfall bestimmt, und davon leitet sich die Anzahl für die Grundausbildung pro Jahr ab. In Schweden werden so viele einberufen, wie es dieser Anzahl entspricht. Die Zielgröße der schwedischen Streitkräfte liegt im Kriegsfall um 116.000, davon 46.000 Wehrpflichtige. Ziel und Hauptzweck des Wehrpflichtsystems ist es also, diese 46.000 auszubilden. Dafür müssen zirka 8.000 jährlich grundausgebildet werden, was auch für den Aufbau von Reserven ausreicht.
In jedem Jahrgang stehen 100.000 junge Frauen und Männer zur Verfügung. Dem Gesetz nach sind alle verpflichtet, sich prüfen zu lassen. Alle 18-jährigen schwedischen Staatsbürger bekommen deswegen einen Fragebogen, mit 40 Fragen zur Gesundheit, zum körperlichen Zustand, zur Schule, zur Persönlichkeit und zu eventuellen Straftaten. Der Bogen schließt mit ein paar Fragen zur Motivation ab: Wie ist die persönliche Einstellung zur Grundausbildung?
Zusammengenommen ergeben diese Antworten ein erstes Bild davon, wer sowohl physisch und psychisch geeignet für die Grundausbildung sein könnte und wie die Motivation aussieht. Diese Befragung liegt der Auswahl zur zweitägigen Musterung zugrunde, der sich 30.000 Männer und Frauen unterziehen müssen. Von diesen werden schließlich die 8.000 für die Grundausbildung ausgewählt.
Die ersten Ergebnisse nach fünf Jahren Wehrpflicht sind, dass die Grundausbildungszahlen deutlich gestiegen sind. Das ist keine Überraschung, aber gleichzeitig sinkt der Anteil der Grundausgebildeten, die sich nach der Grundausbildung weiter verpflichten. Die ausgewählten Wehrpflichtigen haben auch durchschnittlich ein höheres persönliches Leitungsprofil als die Freiwilligen.
Eine Schlussfolgerung ist, dass das Pflichtsystem seinen übergeordneten Zweck erfüllt: die Kriegsfallsorganisation zu bemannen. Um junge Männer und Frauen zu gewinnen, die sich als Mannschaftssoldaten nach der Grundausbildung verpflichten, ist es weniger geeignet.
Der Unterschied der Freiwilligkeit gegenüber scheint zu sein, dass die ausgewählten Wehrpflichtigen nicht nur eine Auswahl, sondern eher eine Auslese sind, die gerne ein herausfordernderes Jahr in den Streitkräften machen, aber andere Ziele im Leben haben als sechs Jahre MG-Schütze zu sein: Jägerzug oder Jurastudium?
Für die Rekrutierung zur Offizierslaufbahn ist das System jedoch klug, da es die dafür richtigen auswählt und ihnen einen Einblick in die Streitkräfte gibt, den sie sonst vielleicht nie bekommen hätten. Dies sorgt auch für eine wichtige Verwurzelung in der Gesellschaft, da es zunehmend Bürger aller Schichten gibt, die die Wehrpflicht absolviert haben – und sei es nur ein kleiner Anteil.
Eine andere Frage ist, was die Wehrpflicht für das schwedische Engagement in der Nato bedeuten wird. Wir haben die Wehrpflicht 2017 mit der bündnisfreien Landesverteidigung im Blick reaktiviert. Der Bedarf damals war “Masse nach der Mobilmachung”, aber weniger Einheiten, die schon im Normalfall aktiv sind. Der Einsatz von Wehrpflichtigen zur Abschreckung an der Ostflanke ist nämlich nicht möglich. Hier können nur stehende Einheiten mit angestellten Soldaten eingesetzt werden.
Wenn ich als Außenstehender einen Rat an die Bundeswehr geben darf: Stellt fest, welche Probleme eine Reaktivierung lösen soll! Die Wehrpflicht ist kein Allheilmittel, das alle Sorgen aus der Welt schafft.

Der Buchtitel ist Statement und These zugleich: Der Westen steht in einem neuen Kalten Krieg mit Russland. Die Themen von damals sind sehr ähnlich denen von heute – die nukleare Bedrohung, der Abschreckungsgedanke, hybride Kriegsführung, etwa durch Propaganda und gezielte Desinformation, erweitert durch massive Cyberattacken und Angriffe auf Kritische Infrastruktur. Ein wesentlicher Unterschied zum “ersten” Kalten Krieg besteht aber darin, dass Russland ökonomisch schwächer als zu Zeiten der Sowjetunion ist und somit abhängig von einer anderen aufstrebenden Atommacht: China.
Julia Berghofer beleuchtet in ihrem Ende Oktober erschienenen Buch die deutsche Zeitenwende ebenso wie das neue strategische Konzept der Nato und die feministische Außenpolitik. Aber auch mögliche Maßnahmen, die in diesem neuen Kalten Krieg zur Risikoreduktion beitragen können, wie “Militär-zu-Militär-Kanäle”, ein besseres Verständnis der Nato-Staaten für russische Motive und Strategien, oder eine Fortführung des P5-Formats (zwischen den fünf Atomwaffenstaaten USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien).
Wer die Debatten der vergangenen Jahre in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik eng verfolgt hat, dem liefert Julia Berghofers Buch eher eine akribische Dokumentation dessen, was war, denn einen neuen Blick auf das, was wird. Trotzdem empfiehlt sich das Buch der Politologin für genau diesen detailreichen Überblick. klm
Julia Berghofer: Der neue Kalte Krieg – Bastei Lübbe
mit dem Jahreswechsel wächst die Nervosität bei einigen Nato-Beobachtern. Dem 75. Geburtstag des Militärbündnisses am 4. April folgen die US-Präsidentschaftswahlen sieben Monate später – mit einer möglichen Wiederwahl Donald Trumps. Nana Brink skizziert drei Optionen, wie die USA sich in diesem Fall zur Nato positionieren könnten. In allen drei Fällen müsste Europa seine Sicherheitsstrategien überdenken.
Doch auch ohne Donald Trump im höchsten US-amerikanischen Amt verlagern die USA ihren Fokus zunehmend auf den Pazifik. Im Südchinesischen Meer will Washington seinen ehemaligen Militärstützpunkt auf der kleinen Insel Tinian wieder aufbauen. Dahinter steckt die Strategie der US-Luftwaffe, ihre Standorte in der Region besser zu verteilen. Michael Radunski weiß mehr.
Deutschland diskutiert derweil über die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte im Dezember Überlegungen zum schwedischen Modell ins Spiel gebracht, die Wehrbeauftragte Eva Högl folgte ihm diese Woche. Der schwedische Verteidigungsattaché in Berlin, Jonas Hård af Segerstad, erklärt in seinem Standpunkt, warum er darin kein “Allheilmittel” für die Sorgen der Bundeswehr sieht.
Heute erhalten Sie die 100. Ausgabe Security.Table. Wir freuen uns, dass Sie dabei sind und berichten weiterhin, was Sie sicherheitspolitisch wissen sollten. Empfehlen Sie uns gerne weiter, schreiben Sie uns, was Ihnen gefällt oder was Ihnen fehlt: security.content@table.media.
Mit 75 Jahren sollte man wissen, wer man ist. Und man könnte vielleicht auch stolz sein, dass man noch so lebendig ist. Weder “obsolet” noch “hirntot”. “Die Nato ist deshalb so alt geworden, weil sie es immer wieder geschafft hat, eine Lebensversicherung für alle Mitglieder zu sein”, meint Claudia Major, Leiterin der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).
Vor allem für die Europäer stellt sich nach der Wahl eines neuen US-Präsidenten im November die Frage: Hat diese Lebensversicherung Bestand? Für den deutschen Nato-General a.D. Heinrich Brauß ist klar: “Die größere Gefahr für den Bestand der Nato ist Trump, nicht Putin.”
Natürlich hatte die Nato nach 1990 ihre Identitätskrisen. Spätestens nach dem russischen Überfall auf die Krim 2014 hieß es: “back to the roots”. Nach Jahrzehnten der internationalen Krisenbewältigung – siehe Kosovo oder Afghanistan – rückte der alte Grundsatz aus dem Kalten Krieg wieder in den Fokus: kollektive Verteidigung. Russland ist nun wieder die “bedeutendste und direkte Bedrohung”. Das New Force Model, das 2023 in Vilnius verabschiedet wurde, sieht die Verteidigung der euro-atlantischen Region als Hauptaufgabe – inklusive der Verstärkung der Nato-Ostflanke und der Aufnahme Finnlands und Schwedens in die Nato.
So weit, so einig. Der ausstehende Beitritt Schwedens, der immer noch von der Türkei und Ungarn blockiert wird, mag da nur ein kleiner Schönheitsfehler sein. Rechtzeitig zum neuen Jahr kündigte denn auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg an, er sei zuversichtlich, dass das Land im Juli beim Jubiläumsgipfel als 32. Bündnismitglied mit dabei sein werde. Einen Satz, den er vor einem Jahr genau so auch schon formuliert hatte. Ohne Ergebnis.
Die Geburtstagsparty in Washington wird also keine lustige sein. Sie findet im Schatten des US-Präsidentschaftswahlkampfes statt. Und: Die Europäer wissen nicht, wie ihre Lebensversicherung ab November aussehen könnte. Denn bislang haben die USA die Fliehkräfte des transatlantischen Bündnisses gebändigt. Weil sie den Löwenanteil der Verteidigungskapazitäten stellen. Weil ihre strategischen Atombomben auch Nicht-Atommächte in Europa – darunter Deutschland – schützen. Entgegen der Meinung vieler Kommentatoren in den letzten zwei Wochen ist der amerikanische Atomschirm in absehbarer Zeit nicht durch eine europäische Nuklear-Variante zu ersetzen.
Man kann davon ausgehen, dass die Übergangsphase bis zur Inauguration eines möglichen neuen/alten US-Präsidenten Donald Trump bei weitem nicht so chaotisch verlaufen wird wie 2016/2017. Bislang werden drei Optionen unter Sicherheitsexperten diskutiert, die eine Regierung Trump im Hinblick auf die Nato in der Schublade hat:
Innerhalb der republikanischen Partei – und vor allem bei der Basis – finden die zweite und dritte Option breite Zustimmung. Ein fatales Signal, findet SWP-Sicherheitsexpertin Claudia Major: “Die USA wären zwar in der Nato, aber als völlig unberechenbarer Partner.”
Unklar bei all diesen Optionen sind die Reaktionen des militärischen Spitzenpersonals. In der ersten Trump-Präsidentschaft galten unter anderem ehemalige Generäle wie Verteidigungsminister James Mattis oder Generalstabschef Mark Milley als Stimmen der Vernunft. Ein wiedergewählter Präsident Trump allerdings hätte die Befugnis, fast alle Exekutivbeamten zu entlassen. Stattdessen könnte er ihm genehme Militärs im Generalstab platzieren. Nur zur Erinnerung: Es war General Milley, der im Nachgang des Sturms auf das Capitol Trumps Befehlsgewalt über die Atomwaffen eingeschränkt hatte.
Zurück zur Geburtstagsparty im Juli und der Frage nach der Lebensversicherung der Europäer. Eine Nato ohne die USA schien lange Zeit undenkbar. Eigentlich 75 Jahre lang. Aber auch ein wiedergewählter US-Präsident Joe Biden – ein ausgewiesener Transatlantiker – wird eher früher als später eine andere Lastenverteilung in der Nato fordern. Darauf, so die Politikwissenschaftlerin Majda Ruge vom European Council on Foreign Relations, müsse man sich einstellen. “Deutschland muss letztlich wieder eine Rolle einnehmen, wie sie die Bundeswehr im Kalten Krieg gegenüber der Sowjetunion und dem Warschauer Pakt hatte, nämlich als Rückgrat der konventionellen Verteidigung gegen Russland.”

Tinian dürfte vor allem Historikern ein Begriff sein. Weniger, weil die kleine Insel im Pazifischen Ozean einst Teil der Kolonie Deutsch-Neuguinea war. Vielmehr, weil auf diesem Eiland der Nördlichen Marianen eines der schlimmsten Kapitel der Menschheitsgeschichte seinen Anfang nahm. Am 6. August 1945 startete der B-29-Bomber “Enola Gay” vom dortigen US-Militärflugplatz “North Field” und warf wenig später erstmals eine Atombombe ab.
Fast 80 Jahre später scheint Tinian für Geostrategen und Politiker wieder interessant zu werden. Denn die USA wollen ihren ehemaligen Militärstützpunkt im Pazifik neu aufbauen. “Wenn man in den nächsten Monaten aufmerksam ist, wird man vor allem bei Tinian North deutliche Fortschritte sehen”, kündigte General Kenneth Wilsbach, Kommandant der US-Pacific-Air-Forces, im Interview mit der japanischen Zeitung Nikkei Asia an. Die Pacific Air Forces bestätigten die US-Pläne, wollten aber keine offizielle Stellungnahme abgeben. Im Budget-Antrag der US-Luftwaffe für das Geschäftsjahr 2024 sind jedenfalls 78 Millionen US-Dollar für Bauprojekte auf Tinian eingeplant.
Es ist eine deutliche Verschärfung der Lage im Südchinesischen Meer. China beansprucht praktisch das gesamte Südchinesische Meer für sich – einschließlich von Gebieten in den Exklusiven Wirtschaftszonen (EWZ) der Anrainer. Viel steht auf dem Spiel: Es geht um aktuelle Ressourcen (reiche Fischgründe) und zukünftige (mögliche Erdöl- und Erdgasvorkommen). Um den Welthandel (fast jeder dritte Schiffscontainer passiert das Südchinesische Meer), um Militär und Geostrategie.
Die US-Strategie hinter dem Wiederaufbau von Tinian heißt: Agile Combat Employment, kurz ACE. Ziel der US-Luftwaffe sei es, “Operationen von zentralisierten physischen Infrastrukturen auf ein Netzwerk kleinerer, verteilter Standorte zu verlagern, um die Planung des Gegners zu erschweren und mehr Möglichkeiten für gemeinsame Einsätze zu haben”. Denn ein Großteil der US-Luftwaffe im Pazifik ist auf wenigen großen Luftwaffenstützpunkten stationiert – auf Guam oder Okinawa. Das macht die US-Einheiten zu einem vergleichsweise einfachen Ziel.
In einer Analyse der Air University der amerikanischen Luftwaffe aus dem Jahr 2022 heißt es: ACE trage dazu bei, die chinesischen Bedrohungen abzuschwächen, indem es eigene Kräfte im Einsatzgebiet verteilt, ihren Einsatz unvorhersehbar macht und die Volksbefreiungsarmee dazu zwinge, mehr Raketen einzusetzen.

Chinas Verteidigungsministerium warnte daraufhin vor einer Verschärfung der Situation. Das chinesische Militär beobachte die US-Pläne genau. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Peking kündigte an, man werde Chinas Seerechte, Sicherheit und Souveränität in der Region entschieden verteidigen. Am Mittwoch teilte das Southern Theatre Command des Militärs mit, man werde dieser Tage Routinepatrouillen im Südchinesischen Meer durchführen.
Wie entschieden China seine Rechte verteidigt, das bekommen vor allem die Philippinen zu spüren. Zuletzt wurden Wasserwerfer eingesetzt, einige Boote gar gerammt. Ein anderes Mal errichtete China eine Seesperre, um philippinische Boote vom umstrittenen Scarborough Shoal fernzuhalten.
Manila ist sich des militärischen Ungleichgewichts bewusst und setzt daher auf “assertive transparency” –durchsetzungsstarke Transparenz. “Mit dieser neuen Kampagne versuchen die Philippinen, sich gegen Chinas ‘Grauzonen’-Taktik zu wehren”, erklärt der ehemalige US-Air-Force-Pilot Raymond Powell im Gespräch mit Table.Media. Powell ist heute Leiter von Sealight, einem Projekt zum Thema Transparenz im Seerecht an der Stanford University.
Nun soll auch Hardware folgen. Vor wenigen Tagen wurde an der Nordwestküste der größten Insel der Philippinen ein japanisches Radarsystem aufgebaut. Etwa 300 Kilometer vom umkämpften Scarborough Shoal entfernt soll es jene Gebiete überwachen, in denen es zuletzt zu Zusammenstößen mit chinesischen Schiffen kam.
Das System ist Teil einer umfassenden Modernisierung der philippinischen Streitkräfte. Wichtiger Nebenaspekt: Mit dem Radar kommt erstmals eine in Japan hergestellte Verteidigungsausrüstung in einem fremden Land zum Einsatz. Auch Tokio setzt damit ein klares Zeichen.
Unterdessen berichtet EurAsian Times, dass die Philippinen noch in diesem Monat in Indien hergestellte Überschall-Marschflugraketen erhalten sollen. Der Kauf der Raketen vom Typ BrahMos wurde schon 2022 beschlossen. Zudem hat der philippinische Kongress den Bau einer dauerhaften Anlage an einem anderen, zwischen Peking und Manila umstrittenen Riff bewilligt.
Entsprechend scharf reagierten Chinas Staatsmedien. In einem Leitartikel in der Zeitung “People’s Daily” werden die Philippinen davor gewarnt, “Unruhe und Chaos zu verursachen”. Die Philippinen hätten wiederholt gegen Chinas Territorialansprüche verstoßen, eine schwerwiegende “Fehlkalkulation“.
“Dieses Verhalten ist äußerst gefährlich und hat dem Frieden, der Stabilität, dem Wohlstand und der Entwicklung in der Region ernsthaft geschadet”, heißt es in dem Artikel. Der Kommentar wurde unter dem Namen “Zhong Sheng” verfasst. Es ist ein Homophon für die “Stimme Chinas”, ein Pseudonym, unter dem scharfe Ansichten zu außenpolitischen Themen dargelegt werden.
Dass es sich hierbei um eine reale Gefahr handelt, machte zuletzt auch der philippinische Botschafter in den USA klar. Jose Manuel Romualdez warnte in einem Interview: Die Auseinandersetzungen zwischen philippinischen und chinesischen Schiffen im Südchinesischen Meer könnten “jederzeit” einen größeren Konflikt auslösen – mit dramatischen Folgen. “Wenn in unserer Region etwas passiert, ist das wie der Beginn eines neuen Krieges, eines Weltkriegs.”
Die USA, Deutschland und zehn andere Staaten haben die Huthi-Rebellen im Jemen ultimativ aufgefordert, die Angriffe auf Handelsschiffe im Roten Meer einzustellen. Allerdings ließen sie offen, welche konkreten Folgen eine Fortsetzung der Angriffe mit Raketen, Drohnen und bewaffneten Booten auf Frachter und Tanker in der Seeregion haben könnte. Die Bundesregierung erklärte unterdessen ihre Bereitschaft, sich an einer möglichen EU-Mission zum Schutz der Schifffahrt zu beteiligen.
“Sollten die Huthi weiterhin Menschenleben, die Weltwirtschaft und den freien Verkehr von Waren auf den zentralen Seewegen der Region bedrohen, werden sie die Verantwortung für die Folgen tragen. Wir bleiben der regelbasierten internationalen Ordnung verpflichtet und sind entschlossen, böswillige Akteure für widerrechtliche Inbesitznahmen und Angriffe zur Rechenschaft zu ziehen”, heißt es in der gemeinsamen Erklärung vom Mittwochabend.
Die von Iran unterstützten Huthis hatten seit November wiederholt Handelsschiffe vor der jemenitischen Küste angegriffen und das mit der Unterstützung der Hamas im Krieg gegen Israel begründet. Vor allem US-Kriegsschiffe, aber auch die britische und die französische Marine hatten wiederholt Antischiffsraketen und Drohnen abgeschossen; bei einem Gefecht am Silvestertag versenkten US-Hubschrauber drei kleine Boote der Huthis und töteten die Mannschaft.
Das Auswärtige Amt verwies darauf, dass die EU sich derzeit darum bemühe, eine eigenständige Marinemission unter ihrer Führung zum Schutz der Handelsschiffe einzurichten: “Wir als Bundesregierung wären dazu bereit und stehen dazu auch in engem Kontakt mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst in Brüssel”, sagte Außenamtssprecher Sebastian Fischer. Die USA hatten bereits im Dezember die Mission “Operation Prosperity Guardian” unter ihrer Führung im Roten Meer ins Leben gerufen, der sich allerdings bislang nur wenige europäische Staaten angeschlossen haben. Der Brüsseler Plan, die bereits gegen Piraten vor Somalia eingerichtete EU-Operation Atalanta auf das Rote Meer auszuweiten, war am Widerstand Spaniens gescheitert.
Zahlreiche Reedereien haben inzwischen die Passage ihrer Frachter und Tanker durch das Rote Meer und damit auch durch den Suez-Kanal gestoppt und die Schiffe auf die deutlich längere Route rund um die Südspitze Afrikas umgeleitet. Da durch den Suez-Kanal gut zwölf Prozent der weltweiten Warenströme transportiert werden, wirken sich die Umleitungen nach einer Übersicht der Nachrichtenagentur Reuters bereits auf die Frachtkosten aus. tw
Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) schickt am Sonntag 64 Tonnen Hilfsgüter, darunter hauptsächlich Zelte, Zeltplanen für Notunterkünfte und zwei Zelthallen von Leipzig nach Ägypten. Von dort aus sollen sie weiter in den Süden Gazas transportiert werden.
Die Lage der Zivilbevölkerung in den Palästinensischen Gebieten ist drei Monate nach Kriegsbeginn weiter katastrophal. Es fehlt an Wasser, Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung. Ein großer Teil der Häuser ist zerstört. Etwa 1,9 Millionen Menschen wurden innerhalb des Gaza-Streifens vertrieben, viele mehrfach, weil Israel anfangs den Norden unter Beschuss genommen hat, später seine Offensive auf den Süden ausgeweitet hat.
Zwei Chartermaschinen bringen die erste Güterlieferung des DRK aus Deutschland an die Schwestergesellschaft Palästinensischer Roter Halbmond. “Die Unterkunftssituation wird immer kritischer, Notunterkünfte sind hoffnungslos überfüllt”, sagt Christof Johnen, Leiter des Bereichs Internationale Zusammenarbeit des DRK. Das Auswärtige Amt, zuständig für die Finanzierung humanitärer Hilfe, hatte am 21. Dezember vergangenen Jahres weitere Hilfe für die Krisenregion zugesichert.
Allerdings, so Johnen, sei nicht das Geld das Problem: “Die Eskalationsgefahr ist so hoch, dass humanitäre Hilfe nicht in der qualitativen Form geleistet werden kann, wie sie sollte.” Menschen im Norden Gazas könnten kaum erreicht und medizinisch versorgt werden. Neben den Notunterkünften schickt das DRK auch 50 Trauma-Rucksäcke zur Notversorgung der Patienten. Trotzdem sei dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde ist die Zahl der seit Kriegsbeginn getöteten Palästinenser auf knapp 22.500 gestiegen, weitere 57.600 sind verletzt worden. Die Zahlen lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.
Derweil droht die Lage im Nahen Osten weiter zu eskalieren. Israel hat eine “dritte Phase” im Gaza-Krieg angekündigt. Verteidigungsminister Joaw Gallant sagte, im Norden solle gezielter gegen Hamas-Kämpfer vorgegangen werden. Gleichzeitig befürchtet Israel Vergeltungsschläge der Hisbollah nach dem Tod des Hamas-Funktionärs Saleh al-Aruri, der am Dienstag im libanesischen Beirut durch Drohnen getötet wurde. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah macht Israel dafür verantwortlich.
Am Donnerstag brach US-Außenminister Antony Blinken zu einer Reise in den Nahen Osten auf. Er will unter anderem Israel, das Westjordanland, die Türkei, Griechenland, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien und Ägypten besuchen, um Gespräche über eine mögliche Lösung des Konflikts zu führen. klm
Russland will ausländische Vertragssoldaten und ihre Ehepartner sowie deren Kinder einbürgern, wenn sie einen Dienstvertrag bis zum Ende des Krieges in der Ukraine unterzeichnen oder bereits in diesem Dienst sind. Präsident Wladimir Putin hat den entsprechenden Erlass am gestrigen Donnerstag, 4. Januar, unterzeichnet. Der Erlass hebt für die genannte Personengruppe unter anderem die Forderung nach einem Sprachtest sowie Kenntnissen der Kultur und Geschichte des Landes auf.
Mit dieser neuen Regelung will Russland einige Probleme in seinem Krieg lösen:
Die russische Armee hat trotz Aufstockung des Personals und verdeckter Mobilmachung – ein offizielles, gesetzlich geregeltes Ende der ersten Mobilmachung vom September 2022 hat es bis heute nicht gegeben – Probleme mit der Rekrutierung neuer Soldaten. Der neue Plan, Ausländer mit Staatsbürgerschaften anzulocken, soll dem Regime neue personelle Ressourcen und Zeit verschaffen. Denn auch die Ukraine braucht neue und frische Kräfte für die Front.
Der neue Erlass ist bereits die dritte Änderung des Einbürgerungsgesetzes in den vergangenen zwei Jahren, die speziell Ausländer im russischen Militär betrifft. Frühere Medienberichte zeigen, dass sich Freiwillige im Ausland finden, die sich für Geld und eine Aussicht auf ein vermeintlich besseres Leben in Russland, anwerben lassen.
Laut Moscow Times kämpfen Kubaner und Serben für Russland in der Ukraine. Laut der russischen Agentur Tass sollen auch Abchasen, Italiener und Kolumbianer dabei sein. Und laut dem britischen Geheimdienst hat Russland in den ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien Freiwillige für den Krieg in der Ukraine geworben. Hinzu kommen verurteilte ausländische Sträflinge und migrantische Arbeiter in Russland, die teils unter Zwang für den Krieg geworben werden. Eine genauere Zahl dieser Kämpfer ist nicht bekannt. vf
Die ukrainische Regierung hatte in dieser Woche zwei gute Nachrichten zu verkünden: Erstmals seit August 2023 konnte sie wieder Ukrainer aus russischer Gefangenschaft gegen russische Kriegsgefangene tauschen; außerdem wollen Nato-Mitglieder auf Ersuchen Kiews eine Notfallsitzung zur Unterstützung der ukrainischen Luftverteidigung abhalten.
Unter den ausgetauschten Soldaten, Soldatinnen und Zivilisten soll sich laut ukrainischen Medien ein Soldat befinden, der am 24. Februar 2022 gefangen genommen worden war. Ebenso ist die letzte ukrainische gefangene Militärmedizinerin nun frei. Sie gehörte zu den Verteidigern von Mariupol. In die Ukraine kehren 230 Militärangehörige und Zivilisten zurück, nach Russland 248 Soldaten. Seit der Vollinvasion im Februar 2022 war es der größte Gefangenenaustausch. Nach Angaben von Moskau und Kiew waren die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) an der Vermittlung des Austauschs beteiligt.
Das Treffen des Nato-Ukraine-Rates, um das Kiew gebeten hatte, ist laut dem Nato-Sprecher Dylan White für Mittwoch, 10. Januar, terminiert. Das Ersuchen der Ukraine für das Treffen folgt nach einem fünftägigen Dauerbeschuss Russlands mit rund 500 Raketen und Drohnen. vf
Mit Rüstungsexportgenehmigungen im Wert von rund 12,2 Milliarden Euro hat die Bundesregierung 2023 einen neuen Rekord aufgestellt. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums hervor. Hauptempfängerland ist die Ukraine mit 4,44 Milliarden Euro. Die Genehmigungen entfielen zu 6,44 Milliarden auf Kriegswaffen und zu 5,76 Milliarden Euro auf sonstige Rüstungsgüter – in diese Kategorie fallen zum Beispiel gepanzerte Fahrzeuge.
Der neue Höchststand war bereits im Dezember bekannt geworden, damals aber auf Grundlage vorläufiger Zahlen, die noch nicht die zweite Dezemberhälfte umfassten. Der bisherige Höchststand von 9,35 Milliarden Euro war 2021 erzielt worden, der neue Rekord liegt 30 Prozent darüber.
“Die kontinuierliche deutsche Unterstützung der Ukraine bei ihrer Selbstverteidigung gegen den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg dient der Sicherung der globalen Friedensordnung”, erklärte Staatssekretär Sven Giegold (Grüne).
Der zweithöchste Genehmigungswert entfalle auf Norwegen. Das zeige, dass die Bundesregierung an ihrer restriktiven Grundlinie festhalte, wonach die Frage der Menschenrechte von besonderer Bedeutung sei. “Rekordnachfrage nach deutschen Rüstungsgütern bei unseren demokratischen Partnerländern ist Ausdruck eines gesteigerten Bedürfnisses nach militärischer Sicherheit, für das Russlands Aggression die überragende Verantwortung trägt”, so Giegold weiter.
Rund 89 Prozent des genehmigten Exportwerts beziehungsweise 10,84 Milliarden Euro betreffen EU- und Nato-Staaten oder Länder, die Nato-Mitgliedern gleichgestellt sind (Japan, Schweiz, Australien und Neuseeland)- sowie Südkorea, Singapur und die Ukraine. Die restlichen 11 Prozent, also 1,36 Milliarden Euro, entfallen auf sonstige Drittländer. dpa
Deutschland, die Niederlande, Rumänien und Spanien beschaffen gemeinsam bis zu 1.000 Lenkflugkörper für das Luftverteidigungssystem Patriot. Das teilten die Rüstungsunternehmen MBDA und Raytheon am Mittwoch mit. Der Auftrag, der über die Beschaffungsorganisation Nato Support and Procurement Agency (NSPA) abgewickelt wird, kostet die Länder 5,1 Milliarden Euro.
Der deutsche Anteil wird größtenteils mit 2,4 Milliarden Euro aus dem 100 Milliarden Euro Bundeswehr-Sondervermögen finanziert. Die 500 Lenkflugkörper sollen zwischen 2027 und 2033 ausgeliefert werden.
Die Bestellung der Patriot Guidance Enhanced Missiles (GEM-T) wurde durch die Bewilligung des Haushaltsausschusses im Dezember von 3 Milliarden Euro für den Kauf von 500 Patriot-Lenkflugkörpern möglich. MBDA und Raytheon erklären sich im Gegenzug dazu bereit, eine Produktionsstätte in Deutschland aufzubauen. Die Produktion soll im bayerischen Schrobenhausen stattfinden, wo bereits die Wartung von Patriot-Raketen stattfindet.
Die Beschaffung gliedert sich in das von Deutschland initiierte Beschaffungsbündnis European Sky Shield Initiative (Essi) ein. Europäische Partner wie Frankreich oder Italien waren der von Bundeskanzler Olaf Scholz lancierten Initiative ferngeblieben, weil sie im Kauf nichteuropäischer Systeme eine Schwächung der europäischen Rüstungsindustrie sehen. bub
Die Zeit: Bundeswehreinsatz in Afghanistan – “Wahnsinn. Eine Riesenscheiße”. Als die Bundeswehr Afghanistan im August 2021 verlassen musste, wussten die Hunderten Deutsche und Tausenden Ortskräfte in Kabul “nichts von der Gefahr, vor der Berlin gewarnt worden war”, schreibt Christian Schweppe. Ausführliche Recherche, die das Versagen um den Bundeswehrabzug aufarbeitet. Mit Staatssekretären im Urlaub und zahlreichen unbeantworteten Warnungen.
Spiegel: Der Deutsche Traum von der deutschen Atombombe. Ein nuklearer Alleingang Deutschlands wäre eine antieuropäische Fehlentscheidung, egoistisch und kaum machbar, schreiben die Sicherheitsexperten der SWP, Claudia Major und Liviu Horovitz. Ein Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag wäre unvermeidlich und würde Deutschland so auf eine Stufe mit Nordkorea stellen.
ARD-Doku: Einsatzbefehl Mali. Ein Jahr lang hat die ARD deutsche Soldatinnen und Soldaten in Mali und bei ihrer Rückkehr nach Deutschland begleitet und kommt ihnen dabei bemerkenswert nah. Die vierteilige Serie wirft auch einen Blick auf die privaten Auswirkungen des Einsatzes auf die Soldaten.

Deutschland und Schweden haben fast gleichzeitig und aus den gleichen Gründen die Wehrpflicht ausgesetzt. Mit Ende des Kalten Krieges und dem neuen Schwerpunkt auf Auslandseinsätze wechselte Schweden 2009 zu einer Berufsarmee mit ausschließlich angestellten Soldaten, die – im Gegensatz zu den Wehrpflichtigen – in Auslandseinsätze befohlen werden konnten. Zwischen 2010 und 2017 kamen deswegen nur Freiwillige in die Streitkräfte.
Mit der neuen Sicherheitslage ist die Landesverteidigung wieder Hauptaufgabe geworden, was eine größere Zahl von Soldaten für den Kriegsfall braucht. Mit Freiwilligen konnte das Ziel von 3.500 pro Jahr nicht erreicht werden, sondern im Durchschnitt nur 2.200. Diese Zahlen wären für die neue Lage keine mögliche Lösung. Die Wehrpflicht wurde deswegen mit einem Parlamentsbeschluss reaktiviert. Die Wehrpflicht ist in Schweden eine von drei Totalverteidigungspflichten. Außer der Wehrpflicht gibt es für die zivilen Teile der Totalverteidigung auch die Zivilpflicht und die allgemeine Dienstpflicht.
Ein Unterschied zwischen Deutschland und Schweden ist die Sicht auf Wehrgerechtigkeit. In Schweden wird der Bedarf an Wehrpflichtigen von der Größe der Streitkräfte im Kriegsfall bestimmt, und davon leitet sich die Anzahl für die Grundausbildung pro Jahr ab. In Schweden werden so viele einberufen, wie es dieser Anzahl entspricht. Die Zielgröße der schwedischen Streitkräfte liegt im Kriegsfall um 116.000, davon 46.000 Wehrpflichtige. Ziel und Hauptzweck des Wehrpflichtsystems ist es also, diese 46.000 auszubilden. Dafür müssen zirka 8.000 jährlich grundausgebildet werden, was auch für den Aufbau von Reserven ausreicht.
In jedem Jahrgang stehen 100.000 junge Frauen und Männer zur Verfügung. Dem Gesetz nach sind alle verpflichtet, sich prüfen zu lassen. Alle 18-jährigen schwedischen Staatsbürger bekommen deswegen einen Fragebogen, mit 40 Fragen zur Gesundheit, zum körperlichen Zustand, zur Schule, zur Persönlichkeit und zu eventuellen Straftaten. Der Bogen schließt mit ein paar Fragen zur Motivation ab: Wie ist die persönliche Einstellung zur Grundausbildung?
Zusammengenommen ergeben diese Antworten ein erstes Bild davon, wer sowohl physisch und psychisch geeignet für die Grundausbildung sein könnte und wie die Motivation aussieht. Diese Befragung liegt der Auswahl zur zweitägigen Musterung zugrunde, der sich 30.000 Männer und Frauen unterziehen müssen. Von diesen werden schließlich die 8.000 für die Grundausbildung ausgewählt.
Die ersten Ergebnisse nach fünf Jahren Wehrpflicht sind, dass die Grundausbildungszahlen deutlich gestiegen sind. Das ist keine Überraschung, aber gleichzeitig sinkt der Anteil der Grundausgebildeten, die sich nach der Grundausbildung weiter verpflichten. Die ausgewählten Wehrpflichtigen haben auch durchschnittlich ein höheres persönliches Leitungsprofil als die Freiwilligen.
Eine Schlussfolgerung ist, dass das Pflichtsystem seinen übergeordneten Zweck erfüllt: die Kriegsfallsorganisation zu bemannen. Um junge Männer und Frauen zu gewinnen, die sich als Mannschaftssoldaten nach der Grundausbildung verpflichten, ist es weniger geeignet.
Der Unterschied der Freiwilligkeit gegenüber scheint zu sein, dass die ausgewählten Wehrpflichtigen nicht nur eine Auswahl, sondern eher eine Auslese sind, die gerne ein herausfordernderes Jahr in den Streitkräften machen, aber andere Ziele im Leben haben als sechs Jahre MG-Schütze zu sein: Jägerzug oder Jurastudium?
Für die Rekrutierung zur Offizierslaufbahn ist das System jedoch klug, da es die dafür richtigen auswählt und ihnen einen Einblick in die Streitkräfte gibt, den sie sonst vielleicht nie bekommen hätten. Dies sorgt auch für eine wichtige Verwurzelung in der Gesellschaft, da es zunehmend Bürger aller Schichten gibt, die die Wehrpflicht absolviert haben – und sei es nur ein kleiner Anteil.
Eine andere Frage ist, was die Wehrpflicht für das schwedische Engagement in der Nato bedeuten wird. Wir haben die Wehrpflicht 2017 mit der bündnisfreien Landesverteidigung im Blick reaktiviert. Der Bedarf damals war “Masse nach der Mobilmachung”, aber weniger Einheiten, die schon im Normalfall aktiv sind. Der Einsatz von Wehrpflichtigen zur Abschreckung an der Ostflanke ist nämlich nicht möglich. Hier können nur stehende Einheiten mit angestellten Soldaten eingesetzt werden.
Wenn ich als Außenstehender einen Rat an die Bundeswehr geben darf: Stellt fest, welche Probleme eine Reaktivierung lösen soll! Die Wehrpflicht ist kein Allheilmittel, das alle Sorgen aus der Welt schafft.

Der Buchtitel ist Statement und These zugleich: Der Westen steht in einem neuen Kalten Krieg mit Russland. Die Themen von damals sind sehr ähnlich denen von heute – die nukleare Bedrohung, der Abschreckungsgedanke, hybride Kriegsführung, etwa durch Propaganda und gezielte Desinformation, erweitert durch massive Cyberattacken und Angriffe auf Kritische Infrastruktur. Ein wesentlicher Unterschied zum “ersten” Kalten Krieg besteht aber darin, dass Russland ökonomisch schwächer als zu Zeiten der Sowjetunion ist und somit abhängig von einer anderen aufstrebenden Atommacht: China.
Julia Berghofer beleuchtet in ihrem Ende Oktober erschienenen Buch die deutsche Zeitenwende ebenso wie das neue strategische Konzept der Nato und die feministische Außenpolitik. Aber auch mögliche Maßnahmen, die in diesem neuen Kalten Krieg zur Risikoreduktion beitragen können, wie “Militär-zu-Militär-Kanäle”, ein besseres Verständnis der Nato-Staaten für russische Motive und Strategien, oder eine Fortführung des P5-Formats (zwischen den fünf Atomwaffenstaaten USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien).
Wer die Debatten der vergangenen Jahre in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik eng verfolgt hat, dem liefert Julia Berghofers Buch eher eine akribische Dokumentation dessen, was war, denn einen neuen Blick auf das, was wird. Trotzdem empfiehlt sich das Buch der Politologin für genau diesen detailreichen Überblick. klm
Julia Berghofer: Der neue Kalte Krieg – Bastei Lübbe