die Vorbereitungen für den Einsatz der Deutschen Marine im Roten Meer laufen auf Hochtouren. Heute Vormittag stattet Verteidigungsminister Boris Pistorius deshalb der im Hafen Souda Bay von Kreta ankernden Fregatte Hessen einen Besuch ab. Gemeinsam mit einer kleinen Delegation von Parlamentariern. Schließlich soll der Bundestag der Bundeswehr schon diesen Freitag das Mandat zur Teilnahme an der EU-Mission Aspides erteilen. Am Montag genehmigten die EU-Außenminister in Brüssel die Mission, Stephan Israel hat die Details.
Rein defensiv ist die Mission ausgelegt, an der laut Mandatstext bis zu 700 Bundeswehrsoldaten teilnehmen können, um Handelsschiffe vor Angriffen der jemenitischen Huthis zu schützen. Nach dem Terrorüberfall der palästinensischen Hamas im Oktober vergangenen Jahres feuerte die vom Iran unterstützte Miliz Drohnen und Marschflugkörper auch Richtung Israel. Nana Brink beschreibt, wie die Massenvergewaltigung israelischer Frauen durch die Hamas den Kampf gegen sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe wieder zurück auf die Tagesordnung der internationalen Gemeinschaft gebracht hat.
Einen Blick von außen auf die deutsche Diskussion um Wiedereinführung der Wehrpflicht wirft Norwegens Verteidigungsattaché in Berlin, Fredrik B. Borgmann. In unserer Debattenreihe “Deutschland zu Diensten” empfiehlt er das norwegische Musterungsmodell, weil es nicht nur die Personalsorgen der Armee gelindert, sondern auch deren Ansehen in der Gesellschaft gestärkt habe.
Eine gute Lektüre wünscht
Mélanie Joly, die kanadische Außenministerin, fand klare Worte: “Das Thema ist immer noch ein Tabu. Vergewaltigung als Waffe im Krieg wurde zu lange ignoriert. Jetzt sprechen wir darüber.” Auf einem unter anderem mit der israelischen First Lady Michal Herzog prominent besetzten Panel auf der Münchner Sicherheitskonferenz erklärte Joly, was besonders wichtig sei: “Wir müssen die Fälle dokumentieren und die Täter auf einer internationalen Bühne anklagen.”
Die brutalen Übergriffe der Hamas von 7. Oktober haben gezeigt, dass sexualisierte Gewalt an Frauen systematisch als Kriegswaffe eingesetzt wird. Keine neue Erkenntnis. Aber erst 2001 wurde im Kriegsverbrechertribunal für das frühere Jugoslawien der Vereinten Nationen in Den Haag erstmals Vergewaltigung in Zusammenhang mit kriegerischen Aktionen als schwerer Verstoß gegen die Genfer Konventionen verurteilt.
Seit 2002 wird sexuelle Gewalt erstmals in der Geschichte des Völkerstrafrechts explizit als Kriegsverbrechen benannt. Laut des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes können “Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Nötigung zur Prostitution, erzwungene Schwangerschaft, Zwangssterilisation und ‘andere Formen sexueller Gewalt von vergleichbarer Schwere’ sanktioniert werden”.
Dazu, so betonte die kanadische Außenministerin Joly gegenüber Table.Media, müsse “man Beweise sammeln, und zwar so schnell es geht”. Oftmals mangele es an kompetentem Personal bei den Polizeikräften und in der Rechtsmedizin. Kanada unterstützt derzeit Ermittler in der Ukraine mit zivilem Fachpersonal. “Für eine juristische Aufarbeitung ist eine genaue Beweisführung entscheidend.”
Die Frauenrechtsorganisation medica mondiale, die sich seit den Balkan-Kriegen mit dem Thema befasst, sieht nach den brutalen Angriffen der Hamas nun eine “gestiegene mediale und politische Öffentlichkeit”. So sprach sich Außenministerin Annalena Baerbock auf der Münchner Sicherheitskonferenz für Sanktionen der Europäischen Union gegen die Hamas aus. “Wir müssen die Verbrechen benennen und diese Verbrechen sind direkt gegen Frauen gerichtet. Wir müssen sagen: Wir sanktionieren Euch für das, was ihr getan habt.”
In diesem Zusammenhang kritisierte die kanadische Außenministerin Joly, die Vereinten Nationen hätten “viel zu spät” reagiert. Erst am 1. Dezember verurteilte die UN-Vereinigung für die Stärkung von Frauenrechten “die brutalen Angriffe der Hamas auf Israel am 7. Oktober”: “Wir sind alarmiert von den zahlreichen Berichten von sexualisierter geschlechtsspezifischer Gewalt während der Angriffe.” Die Erklärung von UN-Women, alle Berichte für sexualisierte Gewalt zu untersuchen und die Taten strafrechtlich zu verfolgen, hat, so Israels First Lady Herzog, vor allem in Israel viel Kritik ausgelöst.
Sara Fremberg, zuständig für den Bereich Politik bei medica mondiale, fordert darüber hinaus mehr Unterstützung für “die Organisationen, die direkt mit Überlebenden sexualisierter Kriegsgewalt arbeiten. Sie müssen geschützt, unterstützt und in alle relevanten politischen Prozesse und Entscheidungen eingebunden werden”.
Sexualisierte Gewalt in Kriegen sei “kein Frauenthema”, erklärt die grüne Bundestagsabgeordnete Merle Spellerberg: “Es ist wichtig, dass sich auch Männer dafür interessieren.” Sie beobachte, dass “alle das Thema zwar furchtbar finden, aber die wenigsten wollen sich damit beschäftigen”.
Sexualisierte Gewalt in Konfliktgebieten soll nun auch in Deutschland als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit strafrechtlich verfolgt werden können. Das Bundeskabinett hat Anfang November einen Gesetzentwurf des Justizministeriums beschlossen, der auf eine entsprechende Änderung des Völkerstrafrechts abzielt. Es sei wichtig, so Familienministerin Lisa Paus, dass Deutschland sich eindeutig positioniert: “Sexualisierte Gewalt, vor allem gegen Frauen, wird in Konflikten seit langem weltweit von Terroristen und in bewaffneten Konflikten systematisch und als taktische Waffe genutzt. Wir ordnen deshalb sexualisierte Gewalt klar als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein.”
Sie sind der erste aktive Soldat in der Geschichte der Bundesakademie, der den Posten des Präsidenten bekleidet. Ändert sich dadurch etwas am Charakter der BAKS?
Ändert sich durch das Etikett der Inhalt von etwas? Nein. Und so ist das auch bei der BAKS. Die Expertise, die die BAKS besonders auszeichnet, war schon immer insbesondere eine außenpolitische, militärische, wirtschaftliche und entwicklungspolitische. Der einzige Unterschied besteht darin, dass der an der Spitze jetzt eben eine Uniform trägt.
In der Nationalen Sicherheitsstrategie ist immer wieder von Integrierter Sicherheit die Rede. Was bedeutet das eigentlich in der Praxis?
Sicherheit wird verstanden als Schutz vor Krieg und Gewalt, frei zu sein und gesicherte Lebensgrundlagen zu haben. Vorrangig meint Integrierte Sicherheit das Zusammenführen von Politikbereichen sowie das Zusammenwirken aller relevanten Akteure, Mittel und Instrumente zu einem Ganzen gegenüber einer Bedrohung von außen, auch wenn sich diese natürlich nie ganz von Szenarien im Innern trennen lässt. Um das erfolgreich zu koordinieren, muss auf allen Ebenen ein Verständnis dafür vorherrschen, dass jeder in seinem Bereich Verantwortung trägt. Die Aufgabe der Bundesakademie für Sicherheitspolitik ist es, dies zu fördern und zu unterstützen, in der Exekutive, in der Wirtschaft und in der Zivilgesellschaft.
Hätten Sie die Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrats begrüßt?
Am Ende ist es nicht entscheidend, ob ein Nationaler Sicherheitsrat das rasche Handeln der unterschiedlichen Bereiche koordiniert, ob das im Kabinett geschieht oder auf Staatssekretärsebene. Am Ende geht es darum, eine Politik der Integrierten Sicherheit aktiv und verantwortungsbewusst umzusetzen.
Stellt der Krieg in der Ukraine aus Ihrer Sicht die größte militärische Herausforderung für Europa dar?
Die auf absehbare Zeit größte Bedrohung ist Russland. Lassen Sie es mich im militärischen Sprachgebrauch beschreiben: Russland sieht sich in einem Krieg gegen den Westen, gegen die Nato – mit dem Ziel, dass diese sich mindestens zurückzieht auf ihre Grenzen zur Zeit des Kalten Krieges. Wenn wir in dieser militärischen Terminologie bleiben, dann ist der menschenverachtende Krieg in der Ukraine eine Schlacht in diesem übergeordneten Krieg Russlands. Unabhängig davon führt Russland schon heute weitere Schlachten an anderen Stellen, zum Beispiel im Cyberraum und im Informationsumfeld. Die Tatsache, dass die Ukraine Widerstand leistet, bindet Russland aktuell.
Russland hat auf Kriegsproduktion umgestellt, während Europa nicht hinterherkommt, die vor einem Jahr versprochene eine Million Schuss Artilleriemunition für die Ukraine herzustellen. Woran liegt das?
Das kommt darauf an, wen sie fragen. Die einen sagen, sie brauchten dafür mehr Geld, die anderen verweisen auf fehlende Verträge, wieder andere monieren mangelnde Produktionslinien oder Ingenieure. Was erforderlich ist, ist Prioritäten zu setzen. Dafür muss der politische Wille da sein – und die Bereitschaft der Industrie, Verträge dann auch zeitnah umzusetzen.
Hat sich da seit der Zeitenwende etwas geändert?
Ja, das hat jeder erkannt. Jetzt geht es darum, dass sich nicht nur jeder einzelne, sondern das gesamte System neu ausrichtet. Bundeskanzler Scholz hat vergangenes Jahr auf der Bundeswehrtagung davon gesprochen, dass die militärische Kultur, die DNA bundesrepublikanischer Sicherheitspolitik, neu justiert wurde. Nach meiner Wahrnehmung ist vielen in Deutschland seit Russlands Angriff 2022 klarer geworden, dass wir mehr in unser Militär und unsere Wehrhaftigkeit investieren müssen.
Widerstände gegen Begriffe wie Kriegstüchtigkeit gibt es weiter.
Ich bin im Kalten Krieg Soldat geworden und wurde kriegsnah ausgebildet, so bezeichnete man das damals. Dies bedeutete, sich im Gefecht zu bewähren und zu bestehen. Darum ging es übrigens auch bei den Einsätzen in Afghanistan. Deshalb finde ich es gut, dass Verteidigungsminister Pistorius diese Debatte nun angestoßen hat. Nur so lässt sich das Bewusstsein in der Gesellschaft weiter festigen, dass gewisse Dinge passieren müssen. Für mich ist dieser Begriff nicht mehr als ein Etikett – dem Minister aber geht es um den Inhalt, darum, dass dieser der Richtige ist.
Ist Deutschland dafür gut aufgestellt?
Um wirklich die höchste, bestmögliche Abschreckungswirkung zu erzielen, ist noch viel Luft nach oben. Die Bundeswehr ist noch nicht da, wo sie sein sollte. Auch, was die Gesamtverteidigung anbelangt, also inklusive Infrastrukturbedarfen und Zivilschutz, ist noch viel zu tun. Das Bewusstsein ist da. Die große Frage ist, wie holen wir das, was dreißig Jahre lang aus guten Gründen abgebaut worden ist, wieder auf? Und wie schaffen wir das in kurzer Zeit, um zu zeigen, dass wir es wirklich ernst meinen?
Muss die Bundesakademie dafür nicht selbst stärker in die Gesellschaft hineinwirken – mit Formaten ähnlich dem der Münchner Sicherheitskonferenz wie “Zeitenwende on Tour”?
Wenn man uns den Personalumfang der Münchner Sicherheitskonferenz gibt und das Geld dazu, dann machen wir das sehr gerne. Ja, ich sehe die Notwendigkeit, unsere Themen noch stärker in die Öffentlichkeit hineinzubringen. Sie haben ja selbst die Frage nach der Integrierten Sicherheit gestellt. Was hat man darunter zu verstehen? Wie setzt die Politik diese um? Da besteht sehr viel Erklärungsbedarf, und auf breiter Front sollte besser in unsere Gesellschaft kommuniziert werden. Wie heißt es in unserer Nationalen Sicherheitsstrategie: “Für die Sicherheit in unserem Land tragen wir alle Verantwortung, und wir alle haben etwas beizutragen.”
Mehr als eine Million Falschnachrichten innerhalb von 30 Tagen, viele angeblich im Namen von Außenministerin Annalena Baerbock, viele gegen die Ukraine gerichtet – solche Manipulationskampagnen im Internet nehmen zu. Aufgedeckt wurde diese zwischen 20. Dezember 2023 und 20. Januar 2024 erfolgte Kampagne, durch das Auswärtige Amt. Dessen interner Bericht landete beim Spiegel, offiziell äußern wollten sich Auswärtiges Amt und Bundesregierung nicht. Ein möglicher Grund: Deutschlands Desinformationsabwehr fehlt eine klare Strategie.
Die 2023 von der Bundesregierung vorgestellte Nationale Sicherheitsstrategie verweist auf eine solche nationale Strategie gegen Desinformation: “Diese wird die Instrumente der Früherkennung von manipulativer Kommunikation im Informationsraum ausbauen, unsere Resilienz und Reaktionsfähigkeiten verbessern und auch auf unsere Fähigkeiten zielen, unsere demokratischen Werte und unsere Sichtweisen international überzeugend zu vertreten.” Nur wann?
Bislang existiert die deutsche Strategie gegen Desinformation genauso wie der “Aktionsplan Desinformation” des Bundesinnenministeriums nur in den Schubladen der Ministerien. Der Tagesspiegel berichtete über diesen Aktionsplan, der vor allem Koordination und Ansprechpartner zwischen Bund und Ländern regeln soll.
In der Zwischenzeit, so verrät eine Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken aus dem Dezember 2022 ist “das Erkennen und die Abwehr von Desinformation (…) eine Querschnittsaufgabe, die verschiedene Arbeitseinheiten und eine Vielzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unterschiedlichen Ressorts betrifft”. Heißt: Kanzleramt, Außenministerium, Innenministerium, Sicherheitsdienste und Bundespresseamt bearbeiteten das Thema allesamt mit, irgendwie. Zum Beispiel in der interministeriellen Arbeitsgruppe “Hybrid”.
Während also alleine der russische Propagandasender RT für dieses Jahr ein geschätztes globales Jahresbudget von rund einer Milliarde Dollar hat, ist in Deutschland eine Handvoll Beamter hinter verschlossenen Ministeriumstüren mit dem Problem beschäftigt. In der Öffentlichkeit – also dort, wo sowohl Einfluss als Gegenmaßnahmen ihre Wirkung entfalten (sollen) – kommt von den Abwehrbemühungen jedoch wenig an. Das Problem Desinformation betrifft dabei nicht nur Deutschland. In diesem Jahr sind sage und schreibe 45 Prozent der Weltbevölkerung zu Wahlen aufgerufen.
Die vom AA aufgedeckte Kampagne ist nur eine Momentaufnahme. Bereits 2022 machten verschiedene Medien, Think-Tanks, Facebook-Mutter Meta, der Europäische Auswärtige Dienst und die französische Regierung auf diese Einflussoperation aufmerksam. Sie alle fanden Fake-Profile und Millionen von Nachrichten, die immer wieder zu gefälschten Medienseiten mit prorussischer Propaganda führten. Daher der Spitzname der Operation: “Doppelgänger”. Meta nannte “Doppelgänger” die “größte und hartnäckigste russische Einflussoperation”, mit der sie es je zu tun hatten. Und sie geht weiter, bis heute.
Auf EU-Ebene wurde die Desinformationsbekämpfung seit der russischen Annexion der Krim 2014 kontinuierlich hochgefahren. Der oberste Desinformationsbekämpfer, Lutz Güllner, erklärt im Gespräch mit Table.Media: “Wir werden Desinformation und Einflusskampagne sicher nie los. Deshalb müssen wir das Risiko minimieren, die Kosten für die Angreifer in die Höhe treiben, Missbrauch erschweren und Resilienz fördern.”
Und wie? “Zuerst braucht es einen klaren Fahrplan und eine Zieldefinition. Was wollen wir eigentlich erreichen? Danach braucht es klare Zuständigkeiten, die auch mit entsprechenden Ressourcen, sprich: Personal und Budget, hinterlegt sind. Dort muss dann nach klaren Problembeschreibungen und Methoden vorgegangen werden. Anschließend kommt die internationale Kooperation und die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft.” Besonders wichtig sei es, die Ergebnisse dieser Arbeit auch zu kommunizieren: “Das kontinuierliche Aufdecken und Entlarven von Manipulationsversuchen, ein Bewusstsein für die Bedrohung und das Funktionieren von Informationsmanipulation zu schaffen, ist sicherlich das erste und wichtigste Instrument zur Abwehr”, so Güllner. Kurz: klare Strategien, aktives Handeln, mehr Öffentlichkeit.
Neben der EU haben auch andere Länder Behörden für den Kampf gegen Desinformation ins Leben gerufen. Die schwedische Behörde für Psychologische Verteidigung gilt dabei als besonders erfolgreich. Sie arbeitet sowohl der Regierung bei der Aufdeckung und Identifizierung von Einflusskampagnen zu, während sie andererseits mit Forschung und Zivilgesellschaft kooperiert. Abwehr nach außen, Widerstandsfähigkeit im Inneren, so könnte man das schwedische Modell zusammenfassen. Die ersten Härtetests mit äußeren und inneren Propaganda- und Einflussversuchen erlebte die neue Behörde im Zusammenhang mit dem schwedischen Nato-Beitritt. Und bestand.
Frankreich hingegen setzt vor allem auf Cybersicherheit und gründete dazu Viginum, eine Behörde, die dem nationalen Sicherheitsrat untersteht. Sie ist für das “Aufspüren, Beobachten und Analysieren von Taktiken, Praktiken, Narrativen und Akteuren hinter digitaler Desinformation und Propagandakampagnen” zuständig. Die Spuren von “Doppelgänger” fand Viginum so auch um einiges früher, bereits im Sommer letzten Jahres informierte die Behörde die Öffentlichkeit.
Die Einrichtung solcher Zentralstellen empfiehlt auch das EU-Parlament, ein Vorschlag, den auch Lutz Güllner “interessant” findet. Sie sichern einerseits Ressourcen im Kampf gegen Desinformation, können die Arbeit mit den vielen Beteiligten wie Medien, Plattformen, Forschung und Zivilgesellschaft koordinieren und in die Öffentlichkeit hineinwirken.
Auch abseits der Einrichtung von Zentralstellen mangelt es nicht an brauchbaren Ideen. Das US-Außenministerium veröffentlichte zum Beispiel ein schlankes Konzept mit konkreten Empfehlungen zur Abwehr staatlicher ausländischer Informationsmanipulation; und das von der EU geförderte Exzellenzzentrum für Hybride Kriegsführung in Helsinki zeigte knapp und übersichtlich, was der Westen von den Bemühungen der Ukraine im Kampf gegen russische Einflussnahme lernen kann.
Die Eckpunkte sind dabei immer wieder dieselben: 1. Den Kampf annehmen und Personal und Budget zur Verfügung stellen; 2. Eine klare Zielstrategie aufsetzen; 3. Der gegnerischen Propaganda den Geldhahn abdrehen; 4. Druck auf Social Media-Plattformen und Messengerdienste zur Löschung und Demobilisierung von Desinformation; 5. Journalistische und auch strafrechtliche Untersuchungen gegen böswillige Akteure; 6. Zusammenarbeit verschiedener staatlicher und nicht-staatlicher Akteure und so weiter. Die Experten-Empfehlungen wiederholen sich. Im Kampf gegen Desinformation muss Deutschland das Rad also nicht neu erfinden. Christopher Nehring
Die Außenministerinnen und Außenminister der Mitgliedstaaten haben am Montag in Brüssel den Einsatz im Roten Meer beschlossen, der unter dem Namen “Aspides” läuft, dem griechischen Wort für Schutzschilde. “Wir haben gesehen, dass mit Blick auf die Angriffe der Huthis auf die zivile Seefahrt die ganze Weltwirtschaft getroffen wird”, sagte Außenministerin Annalena Baerbock zum Beschluss. Es seien nicht nur europäische Schiffe, die im Roten Meer immer wieder von Huthis-Raketen gefährdet würden.
“Es ist gut, dass Deutschland einen Beitrag zu dieser Mission leistet”, sagte der EU-Abgeordnete David McAllister: “Unsere Reedereien werden von einer klaren europäischen Antwort profitieren”, so der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament. Die Bundeswehr beteiligt sich an der Operation mit der Fregatte “Hessen”, die bereits am 8. Februar mit 240 Soldatinnen und Soldaten an Bord von Wilhelmshaven aus gestartet ist. Der Bundestag soll noch am Freitag das Mandat für die deutsche Beteiligung verabschieden.
Insgesamt wird die Operation aus mindestens vier Fregatten bestehen, wobei neben Deutschland unter anderem auch Italien, Griechenland und Dänemark Schiffe beisteuern. Das Hauptquartier der vorerst auf ein Jahr angelegten Operation wird sich im griechischen Larissa befinden. Die Fregatten sollen entlang der wichtigen Seeverbindungen die Sicherheit für Handelsschiffe wieder herstellen.
Das Mandat sieht vor, dass im Rahmen des Völkerrechts Angriffe der Rebellen abgewehrt und etwa Drohnen abgeschossen werden dürfen. Anders als beim Einsatz der USA und Großbritanniens schließt das Mandat von “Aspides” aber proaktive Angriffe auf Huthi-Stellungen in Jemen aus. Es gehe um eine rein defensive Operation, betonte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.
Die Außenminister empfingen zudem Julija Nawalnaja, die Ehefrau des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny. Dies als Statement der Solidarität, wie Borrell betonte. Nawalny sei im russischen Gefängnis “langsam ermordet worden”. Die EU werde keine Anstrengungen scheuen, um Russlands politische Führung zur Rechenschaft zu ziehen, heißt es in einer Erklärung.
Keine Einigung gab es hingegen zu einem Aufruf Borrells an Israels Regierung, auf die geplante militärische Operation gegen Rafah im Gazastreifen zu verzichten. 26 Mitgliedstaaten waren einverstanden, doch Ungarn verhinderte einen Beschluss. Das Land blockierte auch geplante Sanktionen gegen extremistische Siedler, die in der Westbank Palästinenser terrorisieren.
Am Widerstand Viktor Orbáns scheitert bisher auch eine Einigung auf das 13. Sanktionspaket gegen Russland, das die EU vor dem zweiten Jahrestag des Angriffs auf die Ukraine beschließen will. Die EU-Botschafter wollen am Mittwoch einen neuen Versuch wagen, Ungarns Blockade aus dem Weg zu räumen. sti
Der Bundeswehr mangelt es an Attraktivität als Arbeitgeber. In einer Befragung des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) gaben zwei Drittel der Befragten unter fünfzig an, die Streitkräfte als Arbeitgeber als eher nicht attraktiv oder überhaupt nicht attraktiv wahrzunehmen. Gerade einmal vier Prozent der Befragten betrachten eine Arbeit bei der Bundeswehr als sehr attraktiv.
Ein Viertel der Menschen unter dreißig könnte sich vorstellen, als Zivilistin oder Zivilist bei der Bundeswehr zu arbeiten. Eine Soldatentätigkeit käme dagegen für gerade einmal zwölf Prozent infrage. Große Differenzen gibt es hinsichtlich der Geschlechter. Während jeder fünfte junge Mann sich vorstellen könnte, als Soldat zu arbeiten, sind es gerade einmal sechs Prozent der Frauen. Die Zahlen bestätigen einen seit Jahren negativen Trend. 2020 gaben noch 28 Prozent der jungen Männer und 13 Prozent der jungen Frauen an, dass der Soldatenberuf für sie eine Möglichkeit sei.
Die Ergebnisse der Befragung stehen im Kontrast zur aktuell schwelenden Debatte um eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. Diese würden, im Rahmen einer allgemeinen Dienstpflicht, 52 Prozent der Deutschen begrüßen. Die Zahl bedeutet eine Steigerung von zwei Prozent im Vergleich zu 2022. Und die Wehrpflicht würde für die Bundeswehr ein Mittel zur Personalgewinnung bedeuten.
Doch auch hier bestehen Meinungsunterschiede zwischen den Geschlechtern: Während 56 Prozent der befragten Männer sich für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht aussprechen, tun dies lediglich 47 Prozent der Frauen. Zudem spielt das Alter der Befragten eine Rolle. Sowohl Männer als auch Frauen bis 29 stehen der Wiedereinführung eines Wehrdienstes weniger positiv gegenüber als Menschen ab 30. Insgesamt lehnt ein Viertel der Befragten eine Reaktivierung der Wehrpflicht ab.
Die Bevölkerungsbefragung des ZMSBw zu sicherheits- und verteidigungspolitischen Themen erscheint jährlich. Die Daten für die aktuelle Ausgabe wurden im Juli 2023 erhoben. asc
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, spricht sich angesichts der Bedrohung durch Russland für eine europäische Sicherheitskonferenz auf höchster politischer Ebene aus. Die EU-Staats- und Regierungschefs sollten die drängenden Fragen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik diskutieren, um ein “klares Commitment auch in ihre Länder hinein” zu senden, sagte sie am Montag bei einer Veranstaltung von Table.Media und der Europäischen Bewegung Deutschland. “Wir haben jetzt eine historische Verantwortung und wir werden uns einst rechtfertigen müssen, ob wir den Gong gehört haben, bereit sind, wirklich ins Obligo zu gehen.”
Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl sieht dabei insbesondere das Weimarer Dreieck aus Deutschland, Frankreich und Polen in der Verantwortung. “Es muss sich einer in diesem Zug in die Lokomotive setzen und anfahren”, sagte sie. Dann würden die anderen europäischen Staaten auch folgen. Die Europäer diskutierten seit langem darüber, mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit zu übernehmen, aber bislang passiere zu wenig.
Strack-Zimmermann sieht auch die EU-Kommission in der Pflicht. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Montag angekündigt, sich um eine zweite Amtszeit zu bewerben und die Sicherheitspolitik zu einer ihrer Prioritäten machen zu wollen. Strack-Zimmermann kritisierte aber, dass die CDU-Politikerin “das Thema nicht deutlich früher aufgegriffen hat und diese Trump-freie Zeit nicht genutzt hat”. Offenkundig handele von der Leyen “aus der Logik heraus: Jetzt kann man darüber sprechen, ohne dass man Schaden nimmt”. Zuvor habe sie lieber nicht über Waffen reden wollen und es schon als Bundesverteidigungsministerin vermieden, sich vor Militärgerät ablichten zu lassen.
Die FDP-Politikerin geht davon aus, dass die Kommissionspräsidentin das Thema letztlich anderen überlassen wird. Von der Leyen hat bereits angekündigt, in einer möglichen zweiten Amtszeit den Aufgabenbereich eines Verteidigungskommissars zu schaffen. Von der Leyen schwebt vor, dass sich ein Verteidigungskommissar vor allem um die Belange der Rüstungsindustrie kümmern soll. Wie von der Leyens Plänen in Berlin aufgenommen werden, lesen Sie hier. tho
China möchte die sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit EU- und Nato-Staat Ungarn vertiefen. China hoffe, neben dem wirtschaftlichen Austausch auch die Strafverfolgungs- und Sicherheitsbeziehungen mit Ungarn ausbauen zu können, berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Montag.
Chinas Minister für öffentliche Sicherheit, Wang Xiaohong, hatte in der vergangenen Woche Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán getroffen. Wang traf sich dem Bericht zufolge auch mit Innenminister Sándor Pintér und unterzeichnete Dokumente über die Zusammenarbeit bei Strafverfolgung und Sicherheit. Sollte die Kooperation auch den Austausch von Daten zur Strafverfolgung beinhalten, besteht auch die Gefahr, dass China durch die Zusammenarbeit mit Ungarn Zugriff auf europäische Datenbanken bekommen könnte.
Während des Besuchs in Budapest sagte Wang, er hoffe, dass solche Bemühungen in Fragen der öffentlichen Sicherheit “ein neuer Höhepunkt der bilateralen Beziehungen” in Bereichen wie der Bekämpfung von Terrorismus und grenzüberschreitender Kriminalität sein würden. Details wurden nicht veröffentlicht. Ungarn und China feiern dieses Jahr das Jubiläum zu 75 Jahren diplomatischer Beziehungen. are
Arte: Becoming Nawalny – Putins Staatsfeind Nr. 1. Wie wurde Alexej Nawalny zu Putins schärfstem Gegner? Weggefährten, Freunde und Kritiker erzählen den Werdegang des Oppositionellen und zeichnen so ein widersprüchliches, facettenreiches Bild des Kremlkritikers.
Financial Times: FBI warns Chinese malware could threaten critical US infrastructure. FBI-Direktor Christopher Wray warnt, chinesische Bemühungen, bösartigen Softwarecode in Computernetzwerke einzuschleusen, hätten einen “Fieberpegel” erreicht. Die Malware greift explizit Kritis wie Stromnetze und Wasserversorgung an. Das FBI steht unter Druck, das Bewusstsein für die chinesische Spionage zu schärfen.
ZEITmagazin: “Die Albträume kamen erst später, als es wieder ruhig war.” Was bringt einen dazu, immer wieder in Kriegsgebiete zu fahren? Das ZEITmagazin spricht mit den Krisenreportern Paul Ronzheimer, Katrin Eigendorf und Wolfgang Bauer über Resilienz, die Rolle von Stringern, das Gefühl, ein Doppelleben zu führen, und wie der Krieg das eigene Menschenbild verändert.
SZ: Die Milliarden der Hamas. “Wie kaum eine Organisation vor ihr hat die Hamas verstanden, wie sich im 21. Jahrhundert Terror finanzieren lässt – und Villen und Luxusleben ihrer Führer dazu”, schreibt die SZ. Der Artikel beleuchtet das finanzielle Netzwerk der Terrororganisation, welche Rollen dabei der Westen, Katar und Kryptowährungen spielen – und wie Hamas und Netanjahu einander im Stillen lange förderten.
SWP Podcast: Im Fadenkreuz – Warum kritische Infrastruktur in den Weltmeeren mehr Schutz braucht. Maritime kritische Infrastrukturen wie Gaspipelines und Unterwasserkabel sind zentral für das Funktionieren von Wirtschaft und Gesellschaft. In diesem Podcast geht es um die Frage, wie die komplexe, stark vernetzte Infrastruktur auf hoher See besser geschützt werden kann.
Die allgemeine Wehrpflicht hat in Norwegen eine lange und feste Tradition. Das norwegische Wehrpflichtsystem geht sogar bis in die Wikingerzeit zurück. Um Land und Leute zu schützen, führten die Wikinger die beiden Systeme “Leidang” (Seeverteidigung und Angriffskrieg) und “Landvern” (Territorialverteidigung) ein. Auf seinem Höhepunkt um das Jahr 1270 konnte das “Leidang”-System bei einer Bevölkerung von etwa 300.000-500.000 Menschen etwa 27.000 Mann auf 300 Schiffen mobilisieren. “Leidang” und “Landvern” existierten bis ins frühe 18. Jahrhundert.
Laut der norwegischen Verfassung von 1814 sind alle norwegischen Bürger vom 1. Januar des Jahres, in dem sie 19 Jahre alt werden, bis zum Ende des Jahres, in dem sie 44 Jahre alt werden, wehrpflichtig. Dennoch hat das Parlament erst 2014 erstmals eine allgemeine Wehrpflicht für Männer und Frauen beschlossen. Seit dem 1. Januar 2015 sind alle Männer und Frauen wehrpflichtig. Damit war Norwegen das erste Nato-Land, das die allgemeine Wehrpflicht einführte. Nach ihrer ersten 12-monatigen Dienstzeit werden die Wehrpflichtigen in der Regel als Reservisten in die Heimatgarde versetzt, wo sie bis zum Ende ihrer 575-tägigen (19-monatigen) Dienstzeit verbleiben und zur Ausbildung einberufen werden können.
Die Wehrpflicht erreichte während des Kalten Krieges ihren historischen Höhepunkt. Seit den 1990er Jahren verzeichnen wir einen deutlichen Rückgang der Zahl der Wehrpflichtigen. Heute stehen jedes Jahr etwa 60.000 Männer und Frauen für die Einberufung zur Verfügung. Jedoch werden nur etwa 9.500 zum Dienst einberufen und absolvieren die Grundausbildung. Von diesen sind etwa 3.000 weiblich. Entsprechend kann das Militär die fähigsten und motiviertesten Personen für den Dienst auswählen. Aus den Statistiken der ersten Klassen der allgemeinen Wehrpflichtigen geht hervor, dass 83 Prozent aller Wehrpflichtigen mit ihrem Militärdienst zufrieden sind. Bei den Frauen sind es 90 Prozent.
Europa muss seine Verteidigung verstärken. Personal ist entscheidend, aber Deutschland und andere Länder haben Probleme mit der Rekrutierung. Meiner Meinung nach könnte sich Deutschland am norwegischen Wehrpflichtmodell orientieren, um ein auf die deutsche Gesellschaft zugeschnittenes kombiniertes Zivil- und Militärdienstmodell zu schaffen, das auch bei der Personalbeschaffung hilfreich wäre.
Fredrik B. Borgmann, norwegischer Militärattaché in Berlin. Alle bisherigen Artikel unserer Debattenreihe finden Sie hier.
die Vorbereitungen für den Einsatz der Deutschen Marine im Roten Meer laufen auf Hochtouren. Heute Vormittag stattet Verteidigungsminister Boris Pistorius deshalb der im Hafen Souda Bay von Kreta ankernden Fregatte Hessen einen Besuch ab. Gemeinsam mit einer kleinen Delegation von Parlamentariern. Schließlich soll der Bundestag der Bundeswehr schon diesen Freitag das Mandat zur Teilnahme an der EU-Mission Aspides erteilen. Am Montag genehmigten die EU-Außenminister in Brüssel die Mission, Stephan Israel hat die Details.
Rein defensiv ist die Mission ausgelegt, an der laut Mandatstext bis zu 700 Bundeswehrsoldaten teilnehmen können, um Handelsschiffe vor Angriffen der jemenitischen Huthis zu schützen. Nach dem Terrorüberfall der palästinensischen Hamas im Oktober vergangenen Jahres feuerte die vom Iran unterstützte Miliz Drohnen und Marschflugkörper auch Richtung Israel. Nana Brink beschreibt, wie die Massenvergewaltigung israelischer Frauen durch die Hamas den Kampf gegen sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe wieder zurück auf die Tagesordnung der internationalen Gemeinschaft gebracht hat.
Einen Blick von außen auf die deutsche Diskussion um Wiedereinführung der Wehrpflicht wirft Norwegens Verteidigungsattaché in Berlin, Fredrik B. Borgmann. In unserer Debattenreihe “Deutschland zu Diensten” empfiehlt er das norwegische Musterungsmodell, weil es nicht nur die Personalsorgen der Armee gelindert, sondern auch deren Ansehen in der Gesellschaft gestärkt habe.
Eine gute Lektüre wünscht
Mélanie Joly, die kanadische Außenministerin, fand klare Worte: “Das Thema ist immer noch ein Tabu. Vergewaltigung als Waffe im Krieg wurde zu lange ignoriert. Jetzt sprechen wir darüber.” Auf einem unter anderem mit der israelischen First Lady Michal Herzog prominent besetzten Panel auf der Münchner Sicherheitskonferenz erklärte Joly, was besonders wichtig sei: “Wir müssen die Fälle dokumentieren und die Täter auf einer internationalen Bühne anklagen.”
Die brutalen Übergriffe der Hamas von 7. Oktober haben gezeigt, dass sexualisierte Gewalt an Frauen systematisch als Kriegswaffe eingesetzt wird. Keine neue Erkenntnis. Aber erst 2001 wurde im Kriegsverbrechertribunal für das frühere Jugoslawien der Vereinten Nationen in Den Haag erstmals Vergewaltigung in Zusammenhang mit kriegerischen Aktionen als schwerer Verstoß gegen die Genfer Konventionen verurteilt.
Seit 2002 wird sexuelle Gewalt erstmals in der Geschichte des Völkerstrafrechts explizit als Kriegsverbrechen benannt. Laut des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes können “Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Nötigung zur Prostitution, erzwungene Schwangerschaft, Zwangssterilisation und ‘andere Formen sexueller Gewalt von vergleichbarer Schwere’ sanktioniert werden”.
Dazu, so betonte die kanadische Außenministerin Joly gegenüber Table.Media, müsse “man Beweise sammeln, und zwar so schnell es geht”. Oftmals mangele es an kompetentem Personal bei den Polizeikräften und in der Rechtsmedizin. Kanada unterstützt derzeit Ermittler in der Ukraine mit zivilem Fachpersonal. “Für eine juristische Aufarbeitung ist eine genaue Beweisführung entscheidend.”
Die Frauenrechtsorganisation medica mondiale, die sich seit den Balkan-Kriegen mit dem Thema befasst, sieht nach den brutalen Angriffen der Hamas nun eine “gestiegene mediale und politische Öffentlichkeit”. So sprach sich Außenministerin Annalena Baerbock auf der Münchner Sicherheitskonferenz für Sanktionen der Europäischen Union gegen die Hamas aus. “Wir müssen die Verbrechen benennen und diese Verbrechen sind direkt gegen Frauen gerichtet. Wir müssen sagen: Wir sanktionieren Euch für das, was ihr getan habt.”
In diesem Zusammenhang kritisierte die kanadische Außenministerin Joly, die Vereinten Nationen hätten “viel zu spät” reagiert. Erst am 1. Dezember verurteilte die UN-Vereinigung für die Stärkung von Frauenrechten “die brutalen Angriffe der Hamas auf Israel am 7. Oktober”: “Wir sind alarmiert von den zahlreichen Berichten von sexualisierter geschlechtsspezifischer Gewalt während der Angriffe.” Die Erklärung von UN-Women, alle Berichte für sexualisierte Gewalt zu untersuchen und die Taten strafrechtlich zu verfolgen, hat, so Israels First Lady Herzog, vor allem in Israel viel Kritik ausgelöst.
Sara Fremberg, zuständig für den Bereich Politik bei medica mondiale, fordert darüber hinaus mehr Unterstützung für “die Organisationen, die direkt mit Überlebenden sexualisierter Kriegsgewalt arbeiten. Sie müssen geschützt, unterstützt und in alle relevanten politischen Prozesse und Entscheidungen eingebunden werden”.
Sexualisierte Gewalt in Kriegen sei “kein Frauenthema”, erklärt die grüne Bundestagsabgeordnete Merle Spellerberg: “Es ist wichtig, dass sich auch Männer dafür interessieren.” Sie beobachte, dass “alle das Thema zwar furchtbar finden, aber die wenigsten wollen sich damit beschäftigen”.
Sexualisierte Gewalt in Konfliktgebieten soll nun auch in Deutschland als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit strafrechtlich verfolgt werden können. Das Bundeskabinett hat Anfang November einen Gesetzentwurf des Justizministeriums beschlossen, der auf eine entsprechende Änderung des Völkerstrafrechts abzielt. Es sei wichtig, so Familienministerin Lisa Paus, dass Deutschland sich eindeutig positioniert: “Sexualisierte Gewalt, vor allem gegen Frauen, wird in Konflikten seit langem weltweit von Terroristen und in bewaffneten Konflikten systematisch und als taktische Waffe genutzt. Wir ordnen deshalb sexualisierte Gewalt klar als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein.”
Sie sind der erste aktive Soldat in der Geschichte der Bundesakademie, der den Posten des Präsidenten bekleidet. Ändert sich dadurch etwas am Charakter der BAKS?
Ändert sich durch das Etikett der Inhalt von etwas? Nein. Und so ist das auch bei der BAKS. Die Expertise, die die BAKS besonders auszeichnet, war schon immer insbesondere eine außenpolitische, militärische, wirtschaftliche und entwicklungspolitische. Der einzige Unterschied besteht darin, dass der an der Spitze jetzt eben eine Uniform trägt.
In der Nationalen Sicherheitsstrategie ist immer wieder von Integrierter Sicherheit die Rede. Was bedeutet das eigentlich in der Praxis?
Sicherheit wird verstanden als Schutz vor Krieg und Gewalt, frei zu sein und gesicherte Lebensgrundlagen zu haben. Vorrangig meint Integrierte Sicherheit das Zusammenführen von Politikbereichen sowie das Zusammenwirken aller relevanten Akteure, Mittel und Instrumente zu einem Ganzen gegenüber einer Bedrohung von außen, auch wenn sich diese natürlich nie ganz von Szenarien im Innern trennen lässt. Um das erfolgreich zu koordinieren, muss auf allen Ebenen ein Verständnis dafür vorherrschen, dass jeder in seinem Bereich Verantwortung trägt. Die Aufgabe der Bundesakademie für Sicherheitspolitik ist es, dies zu fördern und zu unterstützen, in der Exekutive, in der Wirtschaft und in der Zivilgesellschaft.
Hätten Sie die Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrats begrüßt?
Am Ende ist es nicht entscheidend, ob ein Nationaler Sicherheitsrat das rasche Handeln der unterschiedlichen Bereiche koordiniert, ob das im Kabinett geschieht oder auf Staatssekretärsebene. Am Ende geht es darum, eine Politik der Integrierten Sicherheit aktiv und verantwortungsbewusst umzusetzen.
Stellt der Krieg in der Ukraine aus Ihrer Sicht die größte militärische Herausforderung für Europa dar?
Die auf absehbare Zeit größte Bedrohung ist Russland. Lassen Sie es mich im militärischen Sprachgebrauch beschreiben: Russland sieht sich in einem Krieg gegen den Westen, gegen die Nato – mit dem Ziel, dass diese sich mindestens zurückzieht auf ihre Grenzen zur Zeit des Kalten Krieges. Wenn wir in dieser militärischen Terminologie bleiben, dann ist der menschenverachtende Krieg in der Ukraine eine Schlacht in diesem übergeordneten Krieg Russlands. Unabhängig davon führt Russland schon heute weitere Schlachten an anderen Stellen, zum Beispiel im Cyberraum und im Informationsumfeld. Die Tatsache, dass die Ukraine Widerstand leistet, bindet Russland aktuell.
Russland hat auf Kriegsproduktion umgestellt, während Europa nicht hinterherkommt, die vor einem Jahr versprochene eine Million Schuss Artilleriemunition für die Ukraine herzustellen. Woran liegt das?
Das kommt darauf an, wen sie fragen. Die einen sagen, sie brauchten dafür mehr Geld, die anderen verweisen auf fehlende Verträge, wieder andere monieren mangelnde Produktionslinien oder Ingenieure. Was erforderlich ist, ist Prioritäten zu setzen. Dafür muss der politische Wille da sein – und die Bereitschaft der Industrie, Verträge dann auch zeitnah umzusetzen.
Hat sich da seit der Zeitenwende etwas geändert?
Ja, das hat jeder erkannt. Jetzt geht es darum, dass sich nicht nur jeder einzelne, sondern das gesamte System neu ausrichtet. Bundeskanzler Scholz hat vergangenes Jahr auf der Bundeswehrtagung davon gesprochen, dass die militärische Kultur, die DNA bundesrepublikanischer Sicherheitspolitik, neu justiert wurde. Nach meiner Wahrnehmung ist vielen in Deutschland seit Russlands Angriff 2022 klarer geworden, dass wir mehr in unser Militär und unsere Wehrhaftigkeit investieren müssen.
Widerstände gegen Begriffe wie Kriegstüchtigkeit gibt es weiter.
Ich bin im Kalten Krieg Soldat geworden und wurde kriegsnah ausgebildet, so bezeichnete man das damals. Dies bedeutete, sich im Gefecht zu bewähren und zu bestehen. Darum ging es übrigens auch bei den Einsätzen in Afghanistan. Deshalb finde ich es gut, dass Verteidigungsminister Pistorius diese Debatte nun angestoßen hat. Nur so lässt sich das Bewusstsein in der Gesellschaft weiter festigen, dass gewisse Dinge passieren müssen. Für mich ist dieser Begriff nicht mehr als ein Etikett – dem Minister aber geht es um den Inhalt, darum, dass dieser der Richtige ist.
Ist Deutschland dafür gut aufgestellt?
Um wirklich die höchste, bestmögliche Abschreckungswirkung zu erzielen, ist noch viel Luft nach oben. Die Bundeswehr ist noch nicht da, wo sie sein sollte. Auch, was die Gesamtverteidigung anbelangt, also inklusive Infrastrukturbedarfen und Zivilschutz, ist noch viel zu tun. Das Bewusstsein ist da. Die große Frage ist, wie holen wir das, was dreißig Jahre lang aus guten Gründen abgebaut worden ist, wieder auf? Und wie schaffen wir das in kurzer Zeit, um zu zeigen, dass wir es wirklich ernst meinen?
Muss die Bundesakademie dafür nicht selbst stärker in die Gesellschaft hineinwirken – mit Formaten ähnlich dem der Münchner Sicherheitskonferenz wie “Zeitenwende on Tour”?
Wenn man uns den Personalumfang der Münchner Sicherheitskonferenz gibt und das Geld dazu, dann machen wir das sehr gerne. Ja, ich sehe die Notwendigkeit, unsere Themen noch stärker in die Öffentlichkeit hineinzubringen. Sie haben ja selbst die Frage nach der Integrierten Sicherheit gestellt. Was hat man darunter zu verstehen? Wie setzt die Politik diese um? Da besteht sehr viel Erklärungsbedarf, und auf breiter Front sollte besser in unsere Gesellschaft kommuniziert werden. Wie heißt es in unserer Nationalen Sicherheitsstrategie: “Für die Sicherheit in unserem Land tragen wir alle Verantwortung, und wir alle haben etwas beizutragen.”
Mehr als eine Million Falschnachrichten innerhalb von 30 Tagen, viele angeblich im Namen von Außenministerin Annalena Baerbock, viele gegen die Ukraine gerichtet – solche Manipulationskampagnen im Internet nehmen zu. Aufgedeckt wurde diese zwischen 20. Dezember 2023 und 20. Januar 2024 erfolgte Kampagne, durch das Auswärtige Amt. Dessen interner Bericht landete beim Spiegel, offiziell äußern wollten sich Auswärtiges Amt und Bundesregierung nicht. Ein möglicher Grund: Deutschlands Desinformationsabwehr fehlt eine klare Strategie.
Die 2023 von der Bundesregierung vorgestellte Nationale Sicherheitsstrategie verweist auf eine solche nationale Strategie gegen Desinformation: “Diese wird die Instrumente der Früherkennung von manipulativer Kommunikation im Informationsraum ausbauen, unsere Resilienz und Reaktionsfähigkeiten verbessern und auch auf unsere Fähigkeiten zielen, unsere demokratischen Werte und unsere Sichtweisen international überzeugend zu vertreten.” Nur wann?
Bislang existiert die deutsche Strategie gegen Desinformation genauso wie der “Aktionsplan Desinformation” des Bundesinnenministeriums nur in den Schubladen der Ministerien. Der Tagesspiegel berichtete über diesen Aktionsplan, der vor allem Koordination und Ansprechpartner zwischen Bund und Ländern regeln soll.
In der Zwischenzeit, so verrät eine Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken aus dem Dezember 2022 ist “das Erkennen und die Abwehr von Desinformation (…) eine Querschnittsaufgabe, die verschiedene Arbeitseinheiten und eine Vielzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unterschiedlichen Ressorts betrifft”. Heißt: Kanzleramt, Außenministerium, Innenministerium, Sicherheitsdienste und Bundespresseamt bearbeiteten das Thema allesamt mit, irgendwie. Zum Beispiel in der interministeriellen Arbeitsgruppe “Hybrid”.
Während also alleine der russische Propagandasender RT für dieses Jahr ein geschätztes globales Jahresbudget von rund einer Milliarde Dollar hat, ist in Deutschland eine Handvoll Beamter hinter verschlossenen Ministeriumstüren mit dem Problem beschäftigt. In der Öffentlichkeit – also dort, wo sowohl Einfluss als Gegenmaßnahmen ihre Wirkung entfalten (sollen) – kommt von den Abwehrbemühungen jedoch wenig an. Das Problem Desinformation betrifft dabei nicht nur Deutschland. In diesem Jahr sind sage und schreibe 45 Prozent der Weltbevölkerung zu Wahlen aufgerufen.
Die vom AA aufgedeckte Kampagne ist nur eine Momentaufnahme. Bereits 2022 machten verschiedene Medien, Think-Tanks, Facebook-Mutter Meta, der Europäische Auswärtige Dienst und die französische Regierung auf diese Einflussoperation aufmerksam. Sie alle fanden Fake-Profile und Millionen von Nachrichten, die immer wieder zu gefälschten Medienseiten mit prorussischer Propaganda führten. Daher der Spitzname der Operation: “Doppelgänger”. Meta nannte “Doppelgänger” die “größte und hartnäckigste russische Einflussoperation”, mit der sie es je zu tun hatten. Und sie geht weiter, bis heute.
Auf EU-Ebene wurde die Desinformationsbekämpfung seit der russischen Annexion der Krim 2014 kontinuierlich hochgefahren. Der oberste Desinformationsbekämpfer, Lutz Güllner, erklärt im Gespräch mit Table.Media: “Wir werden Desinformation und Einflusskampagne sicher nie los. Deshalb müssen wir das Risiko minimieren, die Kosten für die Angreifer in die Höhe treiben, Missbrauch erschweren und Resilienz fördern.”
Und wie? “Zuerst braucht es einen klaren Fahrplan und eine Zieldefinition. Was wollen wir eigentlich erreichen? Danach braucht es klare Zuständigkeiten, die auch mit entsprechenden Ressourcen, sprich: Personal und Budget, hinterlegt sind. Dort muss dann nach klaren Problembeschreibungen und Methoden vorgegangen werden. Anschließend kommt die internationale Kooperation und die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft.” Besonders wichtig sei es, die Ergebnisse dieser Arbeit auch zu kommunizieren: “Das kontinuierliche Aufdecken und Entlarven von Manipulationsversuchen, ein Bewusstsein für die Bedrohung und das Funktionieren von Informationsmanipulation zu schaffen, ist sicherlich das erste und wichtigste Instrument zur Abwehr”, so Güllner. Kurz: klare Strategien, aktives Handeln, mehr Öffentlichkeit.
Neben der EU haben auch andere Länder Behörden für den Kampf gegen Desinformation ins Leben gerufen. Die schwedische Behörde für Psychologische Verteidigung gilt dabei als besonders erfolgreich. Sie arbeitet sowohl der Regierung bei der Aufdeckung und Identifizierung von Einflusskampagnen zu, während sie andererseits mit Forschung und Zivilgesellschaft kooperiert. Abwehr nach außen, Widerstandsfähigkeit im Inneren, so könnte man das schwedische Modell zusammenfassen. Die ersten Härtetests mit äußeren und inneren Propaganda- und Einflussversuchen erlebte die neue Behörde im Zusammenhang mit dem schwedischen Nato-Beitritt. Und bestand.
Frankreich hingegen setzt vor allem auf Cybersicherheit und gründete dazu Viginum, eine Behörde, die dem nationalen Sicherheitsrat untersteht. Sie ist für das “Aufspüren, Beobachten und Analysieren von Taktiken, Praktiken, Narrativen und Akteuren hinter digitaler Desinformation und Propagandakampagnen” zuständig. Die Spuren von “Doppelgänger” fand Viginum so auch um einiges früher, bereits im Sommer letzten Jahres informierte die Behörde die Öffentlichkeit.
Die Einrichtung solcher Zentralstellen empfiehlt auch das EU-Parlament, ein Vorschlag, den auch Lutz Güllner “interessant” findet. Sie sichern einerseits Ressourcen im Kampf gegen Desinformation, können die Arbeit mit den vielen Beteiligten wie Medien, Plattformen, Forschung und Zivilgesellschaft koordinieren und in die Öffentlichkeit hineinwirken.
Auch abseits der Einrichtung von Zentralstellen mangelt es nicht an brauchbaren Ideen. Das US-Außenministerium veröffentlichte zum Beispiel ein schlankes Konzept mit konkreten Empfehlungen zur Abwehr staatlicher ausländischer Informationsmanipulation; und das von der EU geförderte Exzellenzzentrum für Hybride Kriegsführung in Helsinki zeigte knapp und übersichtlich, was der Westen von den Bemühungen der Ukraine im Kampf gegen russische Einflussnahme lernen kann.
Die Eckpunkte sind dabei immer wieder dieselben: 1. Den Kampf annehmen und Personal und Budget zur Verfügung stellen; 2. Eine klare Zielstrategie aufsetzen; 3. Der gegnerischen Propaganda den Geldhahn abdrehen; 4. Druck auf Social Media-Plattformen und Messengerdienste zur Löschung und Demobilisierung von Desinformation; 5. Journalistische und auch strafrechtliche Untersuchungen gegen böswillige Akteure; 6. Zusammenarbeit verschiedener staatlicher und nicht-staatlicher Akteure und so weiter. Die Experten-Empfehlungen wiederholen sich. Im Kampf gegen Desinformation muss Deutschland das Rad also nicht neu erfinden. Christopher Nehring
Die Außenministerinnen und Außenminister der Mitgliedstaaten haben am Montag in Brüssel den Einsatz im Roten Meer beschlossen, der unter dem Namen “Aspides” läuft, dem griechischen Wort für Schutzschilde. “Wir haben gesehen, dass mit Blick auf die Angriffe der Huthis auf die zivile Seefahrt die ganze Weltwirtschaft getroffen wird”, sagte Außenministerin Annalena Baerbock zum Beschluss. Es seien nicht nur europäische Schiffe, die im Roten Meer immer wieder von Huthis-Raketen gefährdet würden.
“Es ist gut, dass Deutschland einen Beitrag zu dieser Mission leistet”, sagte der EU-Abgeordnete David McAllister: “Unsere Reedereien werden von einer klaren europäischen Antwort profitieren”, so der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament. Die Bundeswehr beteiligt sich an der Operation mit der Fregatte “Hessen”, die bereits am 8. Februar mit 240 Soldatinnen und Soldaten an Bord von Wilhelmshaven aus gestartet ist. Der Bundestag soll noch am Freitag das Mandat für die deutsche Beteiligung verabschieden.
Insgesamt wird die Operation aus mindestens vier Fregatten bestehen, wobei neben Deutschland unter anderem auch Italien, Griechenland und Dänemark Schiffe beisteuern. Das Hauptquartier der vorerst auf ein Jahr angelegten Operation wird sich im griechischen Larissa befinden. Die Fregatten sollen entlang der wichtigen Seeverbindungen die Sicherheit für Handelsschiffe wieder herstellen.
Das Mandat sieht vor, dass im Rahmen des Völkerrechts Angriffe der Rebellen abgewehrt und etwa Drohnen abgeschossen werden dürfen. Anders als beim Einsatz der USA und Großbritanniens schließt das Mandat von “Aspides” aber proaktive Angriffe auf Huthi-Stellungen in Jemen aus. Es gehe um eine rein defensive Operation, betonte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.
Die Außenminister empfingen zudem Julija Nawalnaja, die Ehefrau des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny. Dies als Statement der Solidarität, wie Borrell betonte. Nawalny sei im russischen Gefängnis “langsam ermordet worden”. Die EU werde keine Anstrengungen scheuen, um Russlands politische Führung zur Rechenschaft zu ziehen, heißt es in einer Erklärung.
Keine Einigung gab es hingegen zu einem Aufruf Borrells an Israels Regierung, auf die geplante militärische Operation gegen Rafah im Gazastreifen zu verzichten. 26 Mitgliedstaaten waren einverstanden, doch Ungarn verhinderte einen Beschluss. Das Land blockierte auch geplante Sanktionen gegen extremistische Siedler, die in der Westbank Palästinenser terrorisieren.
Am Widerstand Viktor Orbáns scheitert bisher auch eine Einigung auf das 13. Sanktionspaket gegen Russland, das die EU vor dem zweiten Jahrestag des Angriffs auf die Ukraine beschließen will. Die EU-Botschafter wollen am Mittwoch einen neuen Versuch wagen, Ungarns Blockade aus dem Weg zu räumen. sti
Der Bundeswehr mangelt es an Attraktivität als Arbeitgeber. In einer Befragung des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) gaben zwei Drittel der Befragten unter fünfzig an, die Streitkräfte als Arbeitgeber als eher nicht attraktiv oder überhaupt nicht attraktiv wahrzunehmen. Gerade einmal vier Prozent der Befragten betrachten eine Arbeit bei der Bundeswehr als sehr attraktiv.
Ein Viertel der Menschen unter dreißig könnte sich vorstellen, als Zivilistin oder Zivilist bei der Bundeswehr zu arbeiten. Eine Soldatentätigkeit käme dagegen für gerade einmal zwölf Prozent infrage. Große Differenzen gibt es hinsichtlich der Geschlechter. Während jeder fünfte junge Mann sich vorstellen könnte, als Soldat zu arbeiten, sind es gerade einmal sechs Prozent der Frauen. Die Zahlen bestätigen einen seit Jahren negativen Trend. 2020 gaben noch 28 Prozent der jungen Männer und 13 Prozent der jungen Frauen an, dass der Soldatenberuf für sie eine Möglichkeit sei.
Die Ergebnisse der Befragung stehen im Kontrast zur aktuell schwelenden Debatte um eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. Diese würden, im Rahmen einer allgemeinen Dienstpflicht, 52 Prozent der Deutschen begrüßen. Die Zahl bedeutet eine Steigerung von zwei Prozent im Vergleich zu 2022. Und die Wehrpflicht würde für die Bundeswehr ein Mittel zur Personalgewinnung bedeuten.
Doch auch hier bestehen Meinungsunterschiede zwischen den Geschlechtern: Während 56 Prozent der befragten Männer sich für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht aussprechen, tun dies lediglich 47 Prozent der Frauen. Zudem spielt das Alter der Befragten eine Rolle. Sowohl Männer als auch Frauen bis 29 stehen der Wiedereinführung eines Wehrdienstes weniger positiv gegenüber als Menschen ab 30. Insgesamt lehnt ein Viertel der Befragten eine Reaktivierung der Wehrpflicht ab.
Die Bevölkerungsbefragung des ZMSBw zu sicherheits- und verteidigungspolitischen Themen erscheint jährlich. Die Daten für die aktuelle Ausgabe wurden im Juli 2023 erhoben. asc
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, spricht sich angesichts der Bedrohung durch Russland für eine europäische Sicherheitskonferenz auf höchster politischer Ebene aus. Die EU-Staats- und Regierungschefs sollten die drängenden Fragen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik diskutieren, um ein “klares Commitment auch in ihre Länder hinein” zu senden, sagte sie am Montag bei einer Veranstaltung von Table.Media und der Europäischen Bewegung Deutschland. “Wir haben jetzt eine historische Verantwortung und wir werden uns einst rechtfertigen müssen, ob wir den Gong gehört haben, bereit sind, wirklich ins Obligo zu gehen.”
Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl sieht dabei insbesondere das Weimarer Dreieck aus Deutschland, Frankreich und Polen in der Verantwortung. “Es muss sich einer in diesem Zug in die Lokomotive setzen und anfahren”, sagte sie. Dann würden die anderen europäischen Staaten auch folgen. Die Europäer diskutierten seit langem darüber, mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit zu übernehmen, aber bislang passiere zu wenig.
Strack-Zimmermann sieht auch die EU-Kommission in der Pflicht. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Montag angekündigt, sich um eine zweite Amtszeit zu bewerben und die Sicherheitspolitik zu einer ihrer Prioritäten machen zu wollen. Strack-Zimmermann kritisierte aber, dass die CDU-Politikerin “das Thema nicht deutlich früher aufgegriffen hat und diese Trump-freie Zeit nicht genutzt hat”. Offenkundig handele von der Leyen “aus der Logik heraus: Jetzt kann man darüber sprechen, ohne dass man Schaden nimmt”. Zuvor habe sie lieber nicht über Waffen reden wollen und es schon als Bundesverteidigungsministerin vermieden, sich vor Militärgerät ablichten zu lassen.
Die FDP-Politikerin geht davon aus, dass die Kommissionspräsidentin das Thema letztlich anderen überlassen wird. Von der Leyen hat bereits angekündigt, in einer möglichen zweiten Amtszeit den Aufgabenbereich eines Verteidigungskommissars zu schaffen. Von der Leyen schwebt vor, dass sich ein Verteidigungskommissar vor allem um die Belange der Rüstungsindustrie kümmern soll. Wie von der Leyens Plänen in Berlin aufgenommen werden, lesen Sie hier. tho
China möchte die sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit EU- und Nato-Staat Ungarn vertiefen. China hoffe, neben dem wirtschaftlichen Austausch auch die Strafverfolgungs- und Sicherheitsbeziehungen mit Ungarn ausbauen zu können, berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Montag.
Chinas Minister für öffentliche Sicherheit, Wang Xiaohong, hatte in der vergangenen Woche Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán getroffen. Wang traf sich dem Bericht zufolge auch mit Innenminister Sándor Pintér und unterzeichnete Dokumente über die Zusammenarbeit bei Strafverfolgung und Sicherheit. Sollte die Kooperation auch den Austausch von Daten zur Strafverfolgung beinhalten, besteht auch die Gefahr, dass China durch die Zusammenarbeit mit Ungarn Zugriff auf europäische Datenbanken bekommen könnte.
Während des Besuchs in Budapest sagte Wang, er hoffe, dass solche Bemühungen in Fragen der öffentlichen Sicherheit “ein neuer Höhepunkt der bilateralen Beziehungen” in Bereichen wie der Bekämpfung von Terrorismus und grenzüberschreitender Kriminalität sein würden. Details wurden nicht veröffentlicht. Ungarn und China feiern dieses Jahr das Jubiläum zu 75 Jahren diplomatischer Beziehungen. are
Arte: Becoming Nawalny – Putins Staatsfeind Nr. 1. Wie wurde Alexej Nawalny zu Putins schärfstem Gegner? Weggefährten, Freunde und Kritiker erzählen den Werdegang des Oppositionellen und zeichnen so ein widersprüchliches, facettenreiches Bild des Kremlkritikers.
Financial Times: FBI warns Chinese malware could threaten critical US infrastructure. FBI-Direktor Christopher Wray warnt, chinesische Bemühungen, bösartigen Softwarecode in Computernetzwerke einzuschleusen, hätten einen “Fieberpegel” erreicht. Die Malware greift explizit Kritis wie Stromnetze und Wasserversorgung an. Das FBI steht unter Druck, das Bewusstsein für die chinesische Spionage zu schärfen.
ZEITmagazin: “Die Albträume kamen erst später, als es wieder ruhig war.” Was bringt einen dazu, immer wieder in Kriegsgebiete zu fahren? Das ZEITmagazin spricht mit den Krisenreportern Paul Ronzheimer, Katrin Eigendorf und Wolfgang Bauer über Resilienz, die Rolle von Stringern, das Gefühl, ein Doppelleben zu führen, und wie der Krieg das eigene Menschenbild verändert.
SZ: Die Milliarden der Hamas. “Wie kaum eine Organisation vor ihr hat die Hamas verstanden, wie sich im 21. Jahrhundert Terror finanzieren lässt – und Villen und Luxusleben ihrer Führer dazu”, schreibt die SZ. Der Artikel beleuchtet das finanzielle Netzwerk der Terrororganisation, welche Rollen dabei der Westen, Katar und Kryptowährungen spielen – und wie Hamas und Netanjahu einander im Stillen lange förderten.
SWP Podcast: Im Fadenkreuz – Warum kritische Infrastruktur in den Weltmeeren mehr Schutz braucht. Maritime kritische Infrastrukturen wie Gaspipelines und Unterwasserkabel sind zentral für das Funktionieren von Wirtschaft und Gesellschaft. In diesem Podcast geht es um die Frage, wie die komplexe, stark vernetzte Infrastruktur auf hoher See besser geschützt werden kann.
Die allgemeine Wehrpflicht hat in Norwegen eine lange und feste Tradition. Das norwegische Wehrpflichtsystem geht sogar bis in die Wikingerzeit zurück. Um Land und Leute zu schützen, führten die Wikinger die beiden Systeme “Leidang” (Seeverteidigung und Angriffskrieg) und “Landvern” (Territorialverteidigung) ein. Auf seinem Höhepunkt um das Jahr 1270 konnte das “Leidang”-System bei einer Bevölkerung von etwa 300.000-500.000 Menschen etwa 27.000 Mann auf 300 Schiffen mobilisieren. “Leidang” und “Landvern” existierten bis ins frühe 18. Jahrhundert.
Laut der norwegischen Verfassung von 1814 sind alle norwegischen Bürger vom 1. Januar des Jahres, in dem sie 19 Jahre alt werden, bis zum Ende des Jahres, in dem sie 44 Jahre alt werden, wehrpflichtig. Dennoch hat das Parlament erst 2014 erstmals eine allgemeine Wehrpflicht für Männer und Frauen beschlossen. Seit dem 1. Januar 2015 sind alle Männer und Frauen wehrpflichtig. Damit war Norwegen das erste Nato-Land, das die allgemeine Wehrpflicht einführte. Nach ihrer ersten 12-monatigen Dienstzeit werden die Wehrpflichtigen in der Regel als Reservisten in die Heimatgarde versetzt, wo sie bis zum Ende ihrer 575-tägigen (19-monatigen) Dienstzeit verbleiben und zur Ausbildung einberufen werden können.
Die Wehrpflicht erreichte während des Kalten Krieges ihren historischen Höhepunkt. Seit den 1990er Jahren verzeichnen wir einen deutlichen Rückgang der Zahl der Wehrpflichtigen. Heute stehen jedes Jahr etwa 60.000 Männer und Frauen für die Einberufung zur Verfügung. Jedoch werden nur etwa 9.500 zum Dienst einberufen und absolvieren die Grundausbildung. Von diesen sind etwa 3.000 weiblich. Entsprechend kann das Militär die fähigsten und motiviertesten Personen für den Dienst auswählen. Aus den Statistiken der ersten Klassen der allgemeinen Wehrpflichtigen geht hervor, dass 83 Prozent aller Wehrpflichtigen mit ihrem Militärdienst zufrieden sind. Bei den Frauen sind es 90 Prozent.
Europa muss seine Verteidigung verstärken. Personal ist entscheidend, aber Deutschland und andere Länder haben Probleme mit der Rekrutierung. Meiner Meinung nach könnte sich Deutschland am norwegischen Wehrpflichtmodell orientieren, um ein auf die deutsche Gesellschaft zugeschnittenes kombiniertes Zivil- und Militärdienstmodell zu schaffen, das auch bei der Personalbeschaffung hilfreich wäre.
Fredrik B. Borgmann, norwegischer Militärattaché in Berlin. Alle bisherigen Artikel unserer Debattenreihe finden Sie hier.