Table.Briefing: Security

+++ Table.Spezial: Putin hält an Kriegszielen fest +++

Liebe Leserin, lieber Leser,

gute vier Stunden lang hat der russische Präsident Wladimir Putin heute auf der ersten Jahrespressekonferenz seit 2021 Fragen von Medien und Bürgern beantwortet. Er hatte vor allem drei Botschaften: Ich bin fit, ich weiß Bescheid und wir bleiben auf Kurs. Sicherheitspolitisch heißt das: Der Krieg in der Ukraine geht unverändert weiter, und wenn westliche Partner bessere Beziehungen wollen, dann sollen sie was dafür tun.

Der Mann im Kreml wähnt sich seiner Position sicher. Die russische Wirtschaft hat sich nach dem Schock im ersten Kriegsjahr erholt, die ukrainische Sommeroffensive ist gescheitert – das gibt Putin neues Selbstvertrauen, und das zeigt er auch.

Wir haben für Sie Putins 18. Jahrespressekonferenz verfolgt und fassen in diesem Spezial die wichtigsten Punkte zusammen.

Ihr
Viktor Funk
Bild von Viktor  Funk

Analyse

Putins Jahrespressekonferenz: Keine Sekunde Zweifel

Übertragung der Konferenz auf einem öffentlichen Bildschirm in Moskau.

Nichts Neues im Osten – und das ist das Beunruhigende. Nachdem der russische Präsident Wladimir Putin im vergangenen Jahr seine traditionelle Jahrespressekonferenz ausgesetzt hatte, empfing er am Donnerstag wieder Dutzende nationale sowie internationale Pressvertreter und widmete sich auch den Fragen zugeschalteter Bürger. Das Wichtigste:

  • Ukraine: “Frieden wird es erst geben, wenn wir unsere Ziele erreicht haben, und die Ziele ändern sich nicht: Denazifizierung, Demilitarisierung. Neutralität.” Putin behauptet, dass die vom Westen der Ukraine zur Verfügung gestellte Technik weitgehend zerstört sei; er wirft Kiew vor, aus rein politischen Gründen, Soldaten in den Tod zu schicken und redete die eigenen Verluste klein. Die Ukraine selbst erhalte militärische Hilfe “für lau”. Der Kriegsherr im Kreml erwartet, dass sich das ändern wird. In Bezug auf die USA sagte Putin: “Wenn irgendwelche inneren Veränderungen stattfinden, wenn sie anfangen, andere Menschen, andere Staaten zu respektieren, dann können wir gleichwertige Beziehungen aufbauen.”  Nach einer Frage zum Krieg im Gazastreifen warf Putin Israel vor, unverhältnismäßig zu handeln. “Schaut, was bei uns in der Region der Sondermilitäroperation passiert und was in Gaza geschieht.”
  • Mobilmachung: “Zu diesem Zeitpunkt nicht nötig”, so beendet Putin seine Ausführungen zu der Frage, ob eine zweite Mobilmachung anstehen könnte. Laut Putin gebe es so viele Freiwillige, dass der Bedarf der Armee völlig ausreiche. Aktuell befinden sich nach seiner Aussage 244.000 Soldaten in der Kriegsregion. Täglich würden sich 1500 Freiwillige melden, sodass zum Jahresende knapp 500.000 Vertragssoldaten angeworben werden würden. Überprüfen lassen sich diese Zahlen nicht. Putin hat jedoch erst kürzlich die Sollzahl der Soldaten um 170.000 erhöht. Die Gesamtzahl des Personals im russischen Militär ist seit der Vollinvasion schwierig zu ermitteln. Besonders betonte Putin in der Pressekonferenz jedoch die Bedeutung der patriotischen Erziehung. Bereits jetzt seien mehr als 1000 Rückkehrer aus der Ukraine in der Ausbildung der Jugend aktiv.

  • Wirtschaftliche Entwicklung: Dieses Thema handelte Putin als Erstes ab. Demnach werde zum Ende dieses Jahres ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 3,5 Prozent erreicht. Insgesamt habe Russland seine Widerstandsfähigkeit trotz der Sanktionen bewiesen. Putin betonte, die Priorität seiner Politik liege auf der Souveränität des Landes. “Ohne Souveränität kann Russland nicht existiert, so war es immer in seiner 1000-jährigen Geschichte.” Im Laufe der Konferenz wies Putin immer wieder darauf hin, dass die “vaterländische” Produktion in verschiedenen Branchen sich positiv entwickle. Kritische Fragen, wie etwa die nach sehr vielen fehlenden Arbeitskräften kamen jedoch nicht vor.
  • Beziehungen zum Westen: Wie eh und je gibt Putin für die derzeitige diplomatische Situation dem Westen die Schuld. “Wir haben diese Beziehungen nicht verschlechtert. Unsere Interessen wurden ignoriert.” Lediglich an dieser Stelle der mehrstündigen PK wurde Putin deutlich emotional und führte wieder aus, wie es zu diesem Zerwürfnis mit dem Westen gekommen sei. Hauptschuldiger sei die USA, die Europäische Union unterwerfe sich Washington. Putin hob den ungarischen Premier Viktor Orbán als jemanden hervor, der sich dagegen behaupte. Putins heutige Aussagen erinnerten stark an seine lange Rede an die Nation drei Tage vor der Vollinvasion in die Ukraine. Putin bleibt bei seinen Rechtfertigungen für den Krieg, den er stets als Sondermilitäroperation bezeichnet, und lässt keine Anzeichen für Gesprächsbereitschaft erkennen.
  • Internationale Beziehungen: Demonstrativ wies der russische Präsident seinen Sprecher Dmitri Peskow an, zuerst die Frage einem Journalisten der chinesischen Agentur Xinhua zu gewähren, danach einer Reporterin der New York Times. Putin unterstrich, dass die Beziehungen zu China sich ökonomisch und politisch positiv entwickelten. “Von den russisch-chinesischen Beziehungen hängt die Stabilität der Welt ab.” Laut Putin unterstützen sehr viele Staaten Russland, “weil Russland für seien Interessen kämpft”. Zu der Frage der New York Times Reporterin Valerie Hopkins über mögliche Freilassung der US-Bürger Evan Gershkovich (Wall Street Journal-Reporter) und Paul Whelan, sagte Putin: Die US-Seite müsse uns Vorschläge machen, die uns zufriedenstellen. “Ich hoffe, wir finden eine Lösung.”

In der 18. Pressekonferenz dieser Art griff Putin wie immer alle möglichen Themen auf, zu denen er sich sehr detailliert äußerte: von medizinischer Versorgung in der Region, über Renovierungen von Sporthallen, Abtreibungen, Rentenerhöhungen, Inflation und vielen anderen. Vor den anstehenden Präsidentschaftswahlen am 17. März durfte auch die Ankündigung einer Rentenerhöhung nicht fehlen.

Insgesamt zeigt nicht nur diese Pressekonferenz, sondern zeigten auch Äußerungen hochrangiger russischer Politiker in den vergangenen Tagen, dass die Wirtschaftskrise infolge der Vollinvasion und der Sanktionen zumindest offiziell als überwunden gilt. Doch dieser vermeintliche Erfolg und Budgetpläne für die kommenden Jahre setzen sehr positive Entwicklungen voraus. In einer neuen Sonderanalyse des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri heißt es zum russischen Kriegsbudget: “Diese optimistische Prognose beruht auf erheblichen Steigerungen der Einnahmen aus Öl und Gas sowie anderen wirtschaftlichen Aktivitäten und scheint daher anfällig für verschärfte internationale Sanktionen, eine sich verschlechternde Weltwirtschaft oder eine schwächere inländische Wirtschaftsleistung zu sein.”

Auf die letzte Frage, was der heutige Putin dem Putin in der Vergangenheit sagen würde, meinte der 71-jährige: “Du bist auf dem richtigen Weg.”

  • Russland
  • Ukraine
  • Ukraine-Krieg
  • Wladimir Putin

Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    gute vier Stunden lang hat der russische Präsident Wladimir Putin heute auf der ersten Jahrespressekonferenz seit 2021 Fragen von Medien und Bürgern beantwortet. Er hatte vor allem drei Botschaften: Ich bin fit, ich weiß Bescheid und wir bleiben auf Kurs. Sicherheitspolitisch heißt das: Der Krieg in der Ukraine geht unverändert weiter, und wenn westliche Partner bessere Beziehungen wollen, dann sollen sie was dafür tun.

    Der Mann im Kreml wähnt sich seiner Position sicher. Die russische Wirtschaft hat sich nach dem Schock im ersten Kriegsjahr erholt, die ukrainische Sommeroffensive ist gescheitert – das gibt Putin neues Selbstvertrauen, und das zeigt er auch.

    Wir haben für Sie Putins 18. Jahrespressekonferenz verfolgt und fassen in diesem Spezial die wichtigsten Punkte zusammen.

    Ihr
    Viktor Funk
    Bild von Viktor  Funk

    Analyse

    Putins Jahrespressekonferenz: Keine Sekunde Zweifel

    Übertragung der Konferenz auf einem öffentlichen Bildschirm in Moskau.

    Nichts Neues im Osten – und das ist das Beunruhigende. Nachdem der russische Präsident Wladimir Putin im vergangenen Jahr seine traditionelle Jahrespressekonferenz ausgesetzt hatte, empfing er am Donnerstag wieder Dutzende nationale sowie internationale Pressvertreter und widmete sich auch den Fragen zugeschalteter Bürger. Das Wichtigste:

    • Ukraine: “Frieden wird es erst geben, wenn wir unsere Ziele erreicht haben, und die Ziele ändern sich nicht: Denazifizierung, Demilitarisierung. Neutralität.” Putin behauptet, dass die vom Westen der Ukraine zur Verfügung gestellte Technik weitgehend zerstört sei; er wirft Kiew vor, aus rein politischen Gründen, Soldaten in den Tod zu schicken und redete die eigenen Verluste klein. Die Ukraine selbst erhalte militärische Hilfe “für lau”. Der Kriegsherr im Kreml erwartet, dass sich das ändern wird. In Bezug auf die USA sagte Putin: “Wenn irgendwelche inneren Veränderungen stattfinden, wenn sie anfangen, andere Menschen, andere Staaten zu respektieren, dann können wir gleichwertige Beziehungen aufbauen.”  Nach einer Frage zum Krieg im Gazastreifen warf Putin Israel vor, unverhältnismäßig zu handeln. “Schaut, was bei uns in der Region der Sondermilitäroperation passiert und was in Gaza geschieht.”
    • Mobilmachung: “Zu diesem Zeitpunkt nicht nötig”, so beendet Putin seine Ausführungen zu der Frage, ob eine zweite Mobilmachung anstehen könnte. Laut Putin gebe es so viele Freiwillige, dass der Bedarf der Armee völlig ausreiche. Aktuell befinden sich nach seiner Aussage 244.000 Soldaten in der Kriegsregion. Täglich würden sich 1500 Freiwillige melden, sodass zum Jahresende knapp 500.000 Vertragssoldaten angeworben werden würden. Überprüfen lassen sich diese Zahlen nicht. Putin hat jedoch erst kürzlich die Sollzahl der Soldaten um 170.000 erhöht. Die Gesamtzahl des Personals im russischen Militär ist seit der Vollinvasion schwierig zu ermitteln. Besonders betonte Putin in der Pressekonferenz jedoch die Bedeutung der patriotischen Erziehung. Bereits jetzt seien mehr als 1000 Rückkehrer aus der Ukraine in der Ausbildung der Jugend aktiv.

    • Wirtschaftliche Entwicklung: Dieses Thema handelte Putin als Erstes ab. Demnach werde zum Ende dieses Jahres ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 3,5 Prozent erreicht. Insgesamt habe Russland seine Widerstandsfähigkeit trotz der Sanktionen bewiesen. Putin betonte, die Priorität seiner Politik liege auf der Souveränität des Landes. “Ohne Souveränität kann Russland nicht existiert, so war es immer in seiner 1000-jährigen Geschichte.” Im Laufe der Konferenz wies Putin immer wieder darauf hin, dass die “vaterländische” Produktion in verschiedenen Branchen sich positiv entwickle. Kritische Fragen, wie etwa die nach sehr vielen fehlenden Arbeitskräften kamen jedoch nicht vor.
    • Beziehungen zum Westen: Wie eh und je gibt Putin für die derzeitige diplomatische Situation dem Westen die Schuld. “Wir haben diese Beziehungen nicht verschlechtert. Unsere Interessen wurden ignoriert.” Lediglich an dieser Stelle der mehrstündigen PK wurde Putin deutlich emotional und führte wieder aus, wie es zu diesem Zerwürfnis mit dem Westen gekommen sei. Hauptschuldiger sei die USA, die Europäische Union unterwerfe sich Washington. Putin hob den ungarischen Premier Viktor Orbán als jemanden hervor, der sich dagegen behaupte. Putins heutige Aussagen erinnerten stark an seine lange Rede an die Nation drei Tage vor der Vollinvasion in die Ukraine. Putin bleibt bei seinen Rechtfertigungen für den Krieg, den er stets als Sondermilitäroperation bezeichnet, und lässt keine Anzeichen für Gesprächsbereitschaft erkennen.
    • Internationale Beziehungen: Demonstrativ wies der russische Präsident seinen Sprecher Dmitri Peskow an, zuerst die Frage einem Journalisten der chinesischen Agentur Xinhua zu gewähren, danach einer Reporterin der New York Times. Putin unterstrich, dass die Beziehungen zu China sich ökonomisch und politisch positiv entwickelten. “Von den russisch-chinesischen Beziehungen hängt die Stabilität der Welt ab.” Laut Putin unterstützen sehr viele Staaten Russland, “weil Russland für seien Interessen kämpft”. Zu der Frage der New York Times Reporterin Valerie Hopkins über mögliche Freilassung der US-Bürger Evan Gershkovich (Wall Street Journal-Reporter) und Paul Whelan, sagte Putin: Die US-Seite müsse uns Vorschläge machen, die uns zufriedenstellen. “Ich hoffe, wir finden eine Lösung.”

    In der 18. Pressekonferenz dieser Art griff Putin wie immer alle möglichen Themen auf, zu denen er sich sehr detailliert äußerte: von medizinischer Versorgung in der Region, über Renovierungen von Sporthallen, Abtreibungen, Rentenerhöhungen, Inflation und vielen anderen. Vor den anstehenden Präsidentschaftswahlen am 17. März durfte auch die Ankündigung einer Rentenerhöhung nicht fehlen.

    Insgesamt zeigt nicht nur diese Pressekonferenz, sondern zeigten auch Äußerungen hochrangiger russischer Politiker in den vergangenen Tagen, dass die Wirtschaftskrise infolge der Vollinvasion und der Sanktionen zumindest offiziell als überwunden gilt. Doch dieser vermeintliche Erfolg und Budgetpläne für die kommenden Jahre setzen sehr positive Entwicklungen voraus. In einer neuen Sonderanalyse des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri heißt es zum russischen Kriegsbudget: “Diese optimistische Prognose beruht auf erheblichen Steigerungen der Einnahmen aus Öl und Gas sowie anderen wirtschaftlichen Aktivitäten und scheint daher anfällig für verschärfte internationale Sanktionen, eine sich verschlechternde Weltwirtschaft oder eine schwächere inländische Wirtschaftsleistung zu sein.”

    Auf die letzte Frage, was der heutige Putin dem Putin in der Vergangenheit sagen würde, meinte der 71-jährige: “Du bist auf dem richtigen Weg.”

    • Russland
    • Ukraine
    • Ukraine-Krieg
    • Wladimir Putin

    Security.Table Redaktion

    SECURITY.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen