das war’s: Die Geburtstagsparty der Nato hier in Washington ist vorbei. Die Regierungschefs bemühten sich, den Jubiläumsgipfel in ihren Abschlusspressekonferenzen als großen Erfolg zu verbuchen, vor allem die Beschlüsse zur Unterstützung der Ukraine.
Abseits der offiziellen Agenda sorgte am Abschlusstag ein CNN-Bericht über ein geplantes Attentat Russlands auf Rheinmetall-CEO Armin Papperger für Aufregung. Generalsekretär Jens Stoltenberg betonte, solche Versuche seien nicht neu und zielten darauf, westliche Partner “einzuschüchtern” – laut Stoltenberg ohne Erfolg.
Kein Geburtstag ohne Geschenke. Am Donnerstag wurden nochmal bilaterale Zusagen von den Bündnispartnern an die Ukraine verkündet, die allerdings größtenteils vorher bekannt waren. Nach außen hin demonstrierte der ukrainische Präsident Selenskyj Dankbarkeit, zufrieden aber dürfte er mit den Ergebnissen des Gipfels nicht sein: keine klare Einladung zum Beitritt in die Nato, weniger Flugabwehrsysteme als erhofft. Über seine offenen Wünsche lesen Sie in den News.
Gastgeber Joe Biden sorgte für den krönenden Abschluss des Gipfels, als er den ukrainischen Präsidenten am Donnerstag mit “Ladies and Gentlemen, President Putin” auf die Bühne rief. Dass er sich kurz darauf korrigierte, interessierte in den sozialen Medien nur wenige. Der Nato-Gipfel ist vorbei, der US-Wahlkampf geht weiter.
Die europäischen Nato-Länder nehmen in dem Verteidigungsbündnis eine zunehmend wichtigere Rolle ein. “Kopernikanische Revolution” nannte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in seiner Abschlusspressekonferenz am Donnerstag die Zustimmung für sein Konzept des europäischen Nato-Pfeilers in der Allianz.
Viel wurde über Geld gesprochen, die Ukraine-Hilfen, Donald Trump, Joe Bidens Fitness – weniger über die militärischen Veränderungen. “Wir sind gerade wirklich dabei – ohne viel darüber zu sprechen – eine Nato zu schaffen, die fähiger, reaktiver und europäischer wird”, sagt Camille Grand vom European Council on Foreign Relations (ECFR) und früherer stellvertretender Nato-Generalsekretär zu Table.Briefings.
Die Nato-Pläne, 300.000 Soldaten in hoher Bereitschaft zu halten, von denen die meisten Europäer sind, sei “schon eine starke Veränderung”, so Grand. Wie die europäischen Nato-Länder ihre Verteidigungsausgaben erhöht haben, sei “enorm”. Der Politikberater sieht in der EU einen aktiver werdenden Akteur, der mehr Geld – “meiner Meinung nach noch nicht genug” – für Entwicklungen zur Verfügung stelle. Das diene auch Nato-Interessen.
Nicht alle sehen das so. Bei den US-Republikanern will man ein Europa, das mehr Geld für Verteidigung ausgibt. Die Mittel sollen aber am besten in die USA fließen, der konservative Kommentator Nile Gardiner sagte, dass Macrons strategische Autonomie “Gift” für die Nato sei.
Den Nato-Gipfel wollte US-Präsident Joe Biden auch aus innenpolitischen Gründen zu einem Erfolg machen. “Insbesondere in den USA haben wir es mit einer Domestizierung von Außen- und Sicherheitspolitik zu tun”, sagt Michael Werz von der Münchner Sicherheitskonferenz und vom Demokraten-nahen Thinktank Center for American Progress. Deshalb sei es für Joe Biden wichtig, “diesen Nato-Gipfel zu einem Erfolg zu machen, weil die Bedeutung der Nato innerhalb der Vereinigten Staaten begründet werden muss”.
Überschattet wurde der Abschlusstag des Gipfels von Bidens wackeligen Performance. Am Donnerstagabend kündigte er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als “President Putin” an, korrigierte sich nach einem Moment dann aber selbst. Unter den US-Demokraten verliert er zunehmend an Rückendeckung. Aber auch in den Abschlusspressekonferenzen ausländischer Politiker kan es zu Fragen, wie sie Bidens Gesundheitszustand wahrnähmen. Abgesehen vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, der sich laut mehreren Medienberichten nach dem Gipfel mit Donald Trump treffen wollte, dürften sich die wenigsten europäischen Staatschefs eine Wiederwahl des republikanischen US-Präsidenten wünschen.
Schon gar nicht Deutschland. Berlins Standing in den USA ist gut wie lange nicht. “Im Weißen Haus steht zwischen Europa und Berlin ein Äquivalenzzeichen. Die deutschen Leistungen werden wahrgenommen”, sagt Werz. Das betonte auch Bundeskanzler Olaf Scholz, der zum Abschluss sagte, er habe in den Tagen des Gipfels “viel Anerkennung” für Deutschlands Rolle im Bündnis erlebt. Härter geht man in den USA mit Frankreich ins Gericht, das bei der Ukraine-Unterstützung weit hinter Deutschland steht.
Nur ob die Nato den Fokus in den Indopazifik verlagert, ist nicht ganz klar geworden. Was in Europa passiere, sei für Asien relevant und umgekehrt, sagte Generalsekretär Stoltenberg zum Abschluss. des Gipfels Macron betonte, die verstärkte Kooperation mit Ländern im Indopazifik werde “auf keinen Fall” aus der Nato eine Verteidigungsallianz machen, die Truppen in die Region entsenden müsse. Trotz der deutlichen Worte in Richtung China in der Abschlusserklärung der Nato-Staaten bleiben Fragezeichen über die Rolle Europas im Indopazifik. “Die Amerikaner sagen nicht klar, was sie von den Europäern erwarten”, so Grand. “Sie sagen, dass die Europäer sich mehr Sorgen wegen China machen sollen, aber sie sagen nicht, ob sie konkrete Hilfe im Indopazifik brauchen, oder ein verstärktes Engagement in Europa, um den Amerikanern dort den Rücken freizuhalten.”
Die Verteidigungsminister Deutschlands, Frankreichs, Italiens und Polens haben am Donnerstag eine Absichtserklärung zur gemeinsamen Entwicklung weitreichender Waffensysteme unterzeichnet. Die Vereinbarung folgt einen Tag nachdem die Bundesregierung verkündet hat, dass konventionelle, weitreichende Präzisionswaffen aus den US in Deutschland stationiert werden sollen. Sébastien Lecornu, Verteidigungsminister Frankreichs, das den Lead bei der Entwicklung hat, sagte nach der Unterzeichnung zu Table.Briefings, er mache sich keine Sorgen, dass die amerikanischen Systeme das europäische Vorhaben beeinträchtigen können. “Die beiden Initiativen haben nichts miteinander zu tun.”
Der European Long Range Strike Approach (Elsa) steht weiteren Partnern offen. Die Bundesregierung hofft auf Mitwirkung von Großbritannien. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach in Washington davon, dass man mit Paris und London ein entsprechendes Abkommen vereinbart habe. Auch Lecornu hatte betont, dass man mit den Briten im Gespräch sei.
Es gehe darum, dass man neben dem nuklearen Schutzschirm einen eigenen Schutz habe, sagte Scholz. Der Kanzler hatte das schon bei der Münchner Sicherheitskonferenz angekündigt, zudem stand es in der Nationalen Sicherheitsstrategie.
Die Raketen sollen deutlich weiter fliegen als etwa Taurus-Marschflugkörper, die eine Reichweite von 500 Kilometern haben. Lecornu deutete an, wie weit: “Natürlich muss man das definieren. Raketen, die 2.000 Kilometer weit fliegen, haben nichts mit einer Caesar-Haubitze zu tun.” Für die Produktion dürfte MBDA infrage kommen, wie der französische Minister sagte. Als Grundlage könne das Missile de croisière naval (MDCN) dienen, so Lecornu. Bis Jahresende erhoffe er sich, dass die Generalstäbe der Teilnehmernationen ihre Anforderungen an die Waffe definieren, damit die Produktion beginnen könne.
Um bereits vor einer europäischen Neuentwicklung solche Systeme zur Abschreckung in Europa vorzuhalten, sollen drei US-Waffensysteme ab 2026 in Deutschland stationiert werden. Es handelt sich um die Kurzstreckenrakete Standard Missile 6 (SM-6), Tomahawk-Marschflugkörper und den Hyperschall-Gleiter Long-Range Hypersonic Weapon System, der noch in der Entwicklung ist. Dabei geht es um konventionelle Waffensysteme, die vom Boden gestartet werden, nicht um Atomwaffen.
Kurz nach der Ankündigung der Stationierungspläne warnte Kremlsprecher Dmitri Peskow, dass Russland eine “militärische Antwort” vorbereiten werde. Konkreter wurde er nicht, erläuterte aber, dass Russland derzeit seine Nuklear-Doktrin überarbeite – weil man es “derzeit mit einer sehr mächtigen Allianz zu tun hat, die eine feindliche Politik gegen uns betreibt”. Mit Viktor Funk und Thomas Wiegold
Neben Hilfen für die Ukraine und der Entwicklung weitreichenden Waffensystemen hat die Nato auf ihrem Gipfel in Washington die Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeiten an ihrer Nord- und Ostflanke weiter ausgebaut. Ins Lastenheft schreibt sich die Allianz unter anderem: ein Großprojekt zur Überwachung der Erde aus dem All, gemeinsame Beschaffungen und Kooperationen zur Verteidigung der Nord- und Ostsee und Arktis sowie die grenzüberschreitende Nutzung des Luftraums über den nordischen Ländern. Alles, um Richtung Russland zu signalisieren: Man steht zusammen, man hat einen (Schlacht-)Plan für die kommen Jahre und Jahrzehnte.
Ein wichtiger Punkt blieb aber – zumindest vorläufig – offen, der eigentlich nur noch als Formsache galt: Die finale Entscheidung der Nato, dass Deutschland das regionale Hauptquartier für die Ostsee als “Commander Task Force Baltic” (CTF Baltic) führen soll. Nachdem Polen seine Blockade gegen ein von Deutschland geführtes maritimes Nato-Hauptquartier aufgegeben hatte, war es kurz vor dem Gipfel doch noch zu Friktionen mit anderen Mitgliedsstaaten über Zuständigkeiten und Aufgaben gekommen. Die Übertragung der Aufgabe sowie die Besetzung des Chefpostens scheinen zwar noch nicht endgültig beschlossen zu sein. Als ernsthaft gefährdet gilt es nicht.
Auf Deutschland käme mit dem CTF Baltic, angesiedelt auf dem Gelände des Marinekommandos in Rostock, eine Monsteraufgabe zu. Im Fall einer militärischen Eskalation Russlands in der Ostsee würden von hier die Einheiten der acht Ostsee-Anrainerstaaten zur Verteidigung koordiniert. Entsprechende Vorbereitungen und Absprachen dafür werden bereits jetzt getroffen, etwa bei der Nutzung von Material. So sollen künftig nationale Bestände an Seeminen effizienter aufgefüllt und genutzt werden. Eine entsprechende Absichtserklärung zur gemeinsamen Beschaffung, Logistik und Betrieb von Seeminen unterzeichneten die Verteidigungsminister von Norwegen, Schweden, Finnland, Lettland, Litauen, Estland, Polen und Dänemark am Mittwoch – unter deutscher Federführung.
Darüber hinaus kamen weitere multilaterale Abkommen zur Stärkung von Nord- und Ostflanke der Nato sowie der Arktis zustande:
China blickt mit Wut und Ärger auf den aktuellen Nato-Gipfel. Das Zusammentreffen in Washington habe sich zu einer Gerüchteküche entwickelt, in der vor allem die Theorie der chinesischen Bedrohung gekocht werde, schreibt die chinesische Zeitung Global Times. “Unter dem Hype der USA und der Nato scheint China zum Schlüssel für das Überleben Europas geworden zu sein, das zudem das Schicksal des Russland-Ukraine-Konflikts als entscheidende Macht kontrolliere.”
Im chinesischen Außenministerium klingt es ähnlich: “Wir lehnen die Verunglimpfung Chinas und die Schuldzuweisungen der Nato entschieden ab. Die Nato sollte China nicht als Rechtfertigung für ihre Expansion in den asiatisch-pazifischen Raum verwenden und versuchen, die regionale Dynamik zu stören.”
Nun könnte man mit ähnlicher Verve zurückkeifen – und beispielsweise Chinas zunehmend robuster Außenpolitik als regional-hegemonial brandmarken. In Chinas Nachbarschaft wie Japan, Südkorea, Australien oder den Philippinen könnte man einiges dazu sagen. Doch damit würde man vor allem eines übersehen: Chinas Kritik ist durchaus nachvollziehbar. Denn die Nato orientiert sich tatsächlich immer weiter nach Asien.
So sind auf dem Nato-Gipfel nicht nur Mitgliedsstaaten vertreten, sondern zum dritten Mal auch die sogenannten AP4: Australien, Japan, Neuseeland und Südkorea. In Washington vereinbarte die Nato mit ihren indopazifischen Partnern mehrere Projekte. Es geht um die Bereiche Cybersicherheit, Desinformation, Künstliche Intelligenz, die gemeinsame Unterstützung der Ukraine, sowie neue Technologien und Rüstungsindustrie.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg macht aus der Nato-Ausrichtung auch keinen Hehl. “Die Sicherheit Europas betrifft Asien, und die Sicherheit Asiens betrifft Europa“, schreibt er in einem Aufsatz für das Magazin “Foreign Affairs”. Sein Argument: Sicherheit sei keine regionale Angelegenheit mehr. “Ohne die Unterstützung seiner autoritären Freunde in Asien wäre Russland nicht in der Lage, diesen Krieg aufrechtzuerhalten.”
Neben Iran und Nordkorea nennt Stoltenberg vor allem China. “Öffentlich will der chinesische Präsident Xi Jinping die Welt glauben machen, er strebe Frieden an. Insgeheim jedoch heizt er den Konflikt an, indem er Russland Spitzentechnologien wie Halbleiter und Mikroelektronik liefert, die Moskau zur Herstellung von Raketen, Panzern und Flugzeugen verwendet.” Und in der Tat: chinesische Zolldaten, amerikanische Geheimdienstinformationen und Funde auf den Schlachtfeldern in der Ukraine zeigen, wie sehr China die russische Kriegsmaschinerie unterstützt.
An diesem Punkt setzt der Nato-Generalsekretär China unter Druck. “Gleichzeitig will Xi gute Beziehungen zum Westen pflegen, um Sanktionen zu vermeiden und den Handel aufrechtzuerhalten. Aber er kann nicht beides haben. Irgendwann muss Chinas Unterstützung für Russlands illegalen Krieg ihren Preis haben.” Es ist eine sinnvolle Herangehensweise: Kerninteressen definieren und diese geschlossen auch nach außen vertreten.
Während China diese Politik schon seit Jahren verfolgt, tut sich der Westen damit äußerst schwer – sowohl beim Definieren seiner Interessen als auch beim gemeinsamen Vertreten. Das zeigt sich innerhalb der Europäischen Union – jüngstes Beispiel ist die “Friedensmission 3.0” von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán. China wiederum weiß seit Jahren, diese Uneinigkeit im Westen zu seinem Vorteil zu nutzen. Es ist Ungarn, das immer wieder gegen EU-Vorschläge sein Veto einlegt, in denen China wegen Menschenrechtsverletzungen oder in Bezug auf Hongkong oder Taiwan verurteilt wurde.
Auch bezüglich der Nato-Ausrichtung existieren solche Unstimmigkeiten. Vor allem Frankreich will den Anschein vermeiden, dass die Nato ihre Präsenz im Indopazifik ausbaut. Es war der französische Präsident Emmanuel Macron, der sich gegen ein Verbindungsbüro in Japan ausgesprochen hat. “Wenn wir die Nato drängen, das Spektrum und die Geografie zu erweitern, machen wir einen großen Fehler”, argumentiert Macron.
Insgesamt ist Chinas Ärger über die Nato also durchaus nachvollziehbar. Und doch gibt es auch hier zwei Seiten. Denn nicht nur die Nato weitet ihren Blick nach Asien. Auch China rückt mit seiner Außenpolitik bereits an Nato-Grenzen vor – und darüber hinaus. So nehmen dieser Tag chinesische Truppen an Militärübungen in Weißrussland teil. Die Manöver findet um Brest statt, einer weißrussischen Stadt direkt an der Grenze zum Nato-Mitglied Polen. Kleine Erinnerung: Weißrusslands Staatschef Alexander Lukaschenko gewährte Putins Truppen freien Zugang, um die Ukraine auch von Norden aus angreifen zu können.
Zudem forciert Peking die Zusammenarbeit mit dem Nato-Mitglied Türkei. Seit Jahren nimmt das Land vom Bosporus an den Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (Shanghai Cooperation Organization, kurz SCO) teil. Noch ist die Türkei kein SCO-Mitglied, aber Präsident Recep Tayyip Erdogan hat seinen Beitrittswunsch bereits mehrfach hinterlegt. Für die Nato ist das äußerst problematisch, schließlich beherbergt die Türkei wichtige Nato-Einrichtungen.
Und so gibt es Grund zur Sorge auf beiden Seiten – in China wie in den Nato-Hauptstädten. Das gegenseitige Misstrauen wächst. Das ist gefährlich. Angesichts dieser Lage ist es wichtig, einen direkten Dialog aufzunehmen. Interessen und Absichten müssen klar definieren und benannt werden. Denn an einer Eskalation – und sei es auch nur aufgrund von Missverständnissen – kann keiner Seite gelegen sein.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich beim Nato-Gipfel in Washington eindeutig zufriedener mit den Ergebnissen als noch vor einem Jahr in Vilnius. Weitere Forderungen hatte er nach Abschluss des Gipfels dennoch.
Vor allem warb er für die Aufhebung aller Auflagen für den Einsatz westlicher Waffen gegen russisches Staatsgebiet. “Wenn wir siegen und unser Land bewahren wollen, dann müssen all diese Einschränkungen aufgehoben werden”, betonte der ukrainische Staatschef bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag. Es gehe dabei vor allem um Militärstützpunkte in über 600 Kilometern Entfernung von der ukrainischen Grenze, von denen Raketenangriffe wie am Montag auf die Hauptstadt Kiew ausgehen.
Kurz darauf wiederholte er die Forderung auf X und betonte: ATACMS, SCALPs und Storm Shadows wären “noch effektiver” wenn sie auf russische Militärflugplätze zielen könnten, von denen die Flugzeuge mit den Gleitbomben starten, die Russland auf die Ukraine abwirft. “Wir brauchen diese Genehmigung von unseren Partnern und vor allem von den Vereinigten Staaten”, schrieb er.
Außerdem forderte er mehr Tempo bei der Lieferung von F-16 Kampfflugzeugen ein. Eine “ausreichende” Zahl davon, und zwar mindestens 150, die Hälfte von dem, was Russland im Einsatz habe, müsse schnell geliefert werden. “Wie viele Jahre werden wir auf die Hälfte der 300 Flugzeuge warten, wenn wir so schnell wie bisher liefern und ausbilden? Der Krieg sollte nicht so lange dauern”, schrieb er. Am Mittwoch hatten die USA, die Niederlande und Dänemark am Rande des Nato-Gipfels erklärt, dass noch in diesem Sommer die von ausländischen Partnern versprochenen F-16-Kampfjets in der Ukraine fliegen sollen.
Auch am Donnerstag kündigten einzelne Nato-Verbündete weitere Militärhilfen an, die allerdings meist bereits versprochene Lieferungen beinhalteten. Unter anderem kündigten die USA ein neues Militärpaket mit einem Umfang von 225 Millionen US-Dollar (rund 207 Millionen Euro) an. Das beinhaltet unter anderem das bereits von den USA angekündigte Patriot-Luftabwehrsystem. wp
Klimabezogene Desinformation vonseiten Russlands verschärft die Herausforderungen, vor denen die Nato steht. Zu diesem Schluss kommt die neue Klimawandel- und Sicherheitsfolgenabschätzung der Nato, die am Dienstag erschienen ist. “Russische Staatsmedien verstärken die Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Klimawandel und spielen ihn als übertrieben oder sogar positiv herunter”, heißt es in dem 32 Seiten langen Bericht.
Besonders seit der russischen Vollinvasion der Ukraine 2022 habe Desinformation im Zusammenhang mit der europäischen grünen Energiewende zugenommen. Grund für Russlands Leugnen des menschengemachten Klimawandels seien Verflechtungen zwischen der fossilen Brennstoffindustrie und der Regierung, sowie die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen als wichtigster Quelle der Staatseinnahmen.
Doug Weir, Leiter der britischen Nichtregierungsorganisation Conflict and Environment Observatory (CEOBS), begrüßte im Gespräch mit Table.Briefings, dass das Papier erörtere, wie Konflikte zur Klimakrise beitragen, und nicht nur, wie sich der Klimawandel auf die nationale Sicherheit auswirken könnte. Diese Komponenten der Klimasicherheit hätten bisher weit weniger Aufmerksamkeit erhalten. Er mahnt allerdings, “dass das Bündnis den beitragenden Staaten nur Empfehlungen zur Emissionsverfolgung und -berichterstattung geben kann und seine Mitglieder nicht zur Dekarbonisierung zwingen kann.”
Bisher seien das Engagement und die Fortschritte bei der Dekarbonisierung innerhalb der Nato-Staaten sehr unterschiedlich. “Einige Länder treiben die Agenda voran, andere müssen noch überzeugt werden. Wenn diese Lücke nicht geschlossen wird, wird die Glaubwürdigkeit der Nato auf dem Gebiet der Klimasicherheit zunehmend leiden.”
Der jährlich erscheinende Bericht mit dem Titel “Secretary General’s Annual Climate Change and Security Impact Assessment” untersucht die Auswirkungen des Klimawandels auf jeden der fünf Nato-Einsatzbereiche: See, Land, Luft, Weltraum und Cyberraum. Zudem befasst es sich mit den Klimaauswirkungen des russischen Einmarsches in der Ukraine. Die Bewertung ist Teil des Klimawandel-Aktionsplans, den die Nato-Staats- und Regierungschefs 2021 auf ihrem Gipfel in Brüssel beschlossen hatten. asc
Das Münchner Start-Up für Künstliche Intelligenz (KI) in der Verteidigung, Helsing, gründet in Estland eine Tochterfirma und will in den nächsten drei Jahren 70 Millionen Euro investieren. Das teilte das Unternehmen am Donnerstag am Rande des Nato-Gipfels in Washington mit.
Damit will Helsing nach eigenen Angaben seine Zusammenarbeit mit der Industrie im baltischen Raum intensiveren, “insbesondere mit Blick auf gemeinsame Produktentwicklungen für die Verteidigung der Nato-Ostflanke”, heißt es in einem Statement. “Helsing OÜ wird Lehren aus dem Ukraine-Krieg ziehen und eigenfinanzierte KI-Forschung betreiben, um die Erfordernisse der baltischen Verteidigungskräfte zu erfüllen. Wir werden hierbei lokale Produktion priorisieren und sicherstellen, dass die Verteidigungssysteme der baltischen Staaten vor Ort widerstandsfähig und anpassungsfähig sind”, schrieb Geschäftsführer Gundbert Scherf.
Estlands Premierministerin Kaja Kallas dankte Scherf und schrieb auf X: “Die heutige Sicherheitsrealität erfordert eine Stärkung der Verteidigungsindustrie. Estland konzentriert sich darauf, ein Zentrum für Verteidigungstechnologie und Innovation zu werden.” klm
Atlantic Council: Our experts read between the lines of NATO’s Washington summit communiqué. Am Mittwochnachmittag legten die Staats- und Regierungschefs der Nato die Abschlusserklärung des Jubiläumsgipfels in Washington vor. Dieser Artikel schlüsselt auf, worum es in dem Konsensdokument geht und was die Ergebnisse für die Ukraine, Russland und China bedeuten.
The New York Times: NATO on the Edge – Biden Praises and Trump Denigrates a 75-Year Alliance. An der Zukunft der Nato scheiden sich die Geister in den USA. Während Präsident Joe Biden das Verteidigungsbündnis als das größte “in der Geschichte der Welt” bezeichnete, spricht Donald Trump von “Schutzgelderpressung” durch das westliche Bündnis. Die Präsidentschaftswahlen im November könnten deshalb ein Wendepunkt in der Geschichte der Nato werden.
The Guardian: China a ‘decisive enabler’ of Russia’s war in Ukraine, says Nato. Besorgnis über Pekings Atomwaffenarsenal und seine Fähigkeiten im Weltraum, sowie die Rolle der Volksrepublik im russischen Angriffskrieg – Chinas Einfluss auf die globale Sicherheit ist immens. Die Nato fällte auf ihrem Gipfel ein kritisches Urteil – aus Pekings Sicht ein Affront.
Politico: At NATO, the center left is having it’s moment. It won’t last. Für die westlichen Mitte-Links-Parteien stellt der Nato-Gipfel einen Moment der Einigkeit dar. Dieser Kommentar erörtert, warum der Zusammenhalt nur von kurzer Dauer sein könnte und wie Wahlen in den kommenden Jahren das sicherheitspolitische Bild des Westens beeinflussen werden.
Al Jazeera: How much is each NATO country spending on its military in 2024? Die 32 Mitglieder des Militärbündnisses werden in diesem Jahr insgesamt 1,47 Billionen Dollar in ihre Verteidigungsfähigkeit investieren. Dieser Artikel schlüsselt auf, wer wie viel zahlt und wie sich die Ausgaben über die letzten Jahre entwickelt haben.
das war’s: Die Geburtstagsparty der Nato hier in Washington ist vorbei. Die Regierungschefs bemühten sich, den Jubiläumsgipfel in ihren Abschlusspressekonferenzen als großen Erfolg zu verbuchen, vor allem die Beschlüsse zur Unterstützung der Ukraine.
Abseits der offiziellen Agenda sorgte am Abschlusstag ein CNN-Bericht über ein geplantes Attentat Russlands auf Rheinmetall-CEO Armin Papperger für Aufregung. Generalsekretär Jens Stoltenberg betonte, solche Versuche seien nicht neu und zielten darauf, westliche Partner “einzuschüchtern” – laut Stoltenberg ohne Erfolg.
Kein Geburtstag ohne Geschenke. Am Donnerstag wurden nochmal bilaterale Zusagen von den Bündnispartnern an die Ukraine verkündet, die allerdings größtenteils vorher bekannt waren. Nach außen hin demonstrierte der ukrainische Präsident Selenskyj Dankbarkeit, zufrieden aber dürfte er mit den Ergebnissen des Gipfels nicht sein: keine klare Einladung zum Beitritt in die Nato, weniger Flugabwehrsysteme als erhofft. Über seine offenen Wünsche lesen Sie in den News.
Gastgeber Joe Biden sorgte für den krönenden Abschluss des Gipfels, als er den ukrainischen Präsidenten am Donnerstag mit “Ladies and Gentlemen, President Putin” auf die Bühne rief. Dass er sich kurz darauf korrigierte, interessierte in den sozialen Medien nur wenige. Der Nato-Gipfel ist vorbei, der US-Wahlkampf geht weiter.
Die europäischen Nato-Länder nehmen in dem Verteidigungsbündnis eine zunehmend wichtigere Rolle ein. “Kopernikanische Revolution” nannte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in seiner Abschlusspressekonferenz am Donnerstag die Zustimmung für sein Konzept des europäischen Nato-Pfeilers in der Allianz.
Viel wurde über Geld gesprochen, die Ukraine-Hilfen, Donald Trump, Joe Bidens Fitness – weniger über die militärischen Veränderungen. “Wir sind gerade wirklich dabei – ohne viel darüber zu sprechen – eine Nato zu schaffen, die fähiger, reaktiver und europäischer wird”, sagt Camille Grand vom European Council on Foreign Relations (ECFR) und früherer stellvertretender Nato-Generalsekretär zu Table.Briefings.
Die Nato-Pläne, 300.000 Soldaten in hoher Bereitschaft zu halten, von denen die meisten Europäer sind, sei “schon eine starke Veränderung”, so Grand. Wie die europäischen Nato-Länder ihre Verteidigungsausgaben erhöht haben, sei “enorm”. Der Politikberater sieht in der EU einen aktiver werdenden Akteur, der mehr Geld – “meiner Meinung nach noch nicht genug” – für Entwicklungen zur Verfügung stelle. Das diene auch Nato-Interessen.
Nicht alle sehen das so. Bei den US-Republikanern will man ein Europa, das mehr Geld für Verteidigung ausgibt. Die Mittel sollen aber am besten in die USA fließen, der konservative Kommentator Nile Gardiner sagte, dass Macrons strategische Autonomie “Gift” für die Nato sei.
Den Nato-Gipfel wollte US-Präsident Joe Biden auch aus innenpolitischen Gründen zu einem Erfolg machen. “Insbesondere in den USA haben wir es mit einer Domestizierung von Außen- und Sicherheitspolitik zu tun”, sagt Michael Werz von der Münchner Sicherheitskonferenz und vom Demokraten-nahen Thinktank Center for American Progress. Deshalb sei es für Joe Biden wichtig, “diesen Nato-Gipfel zu einem Erfolg zu machen, weil die Bedeutung der Nato innerhalb der Vereinigten Staaten begründet werden muss”.
Überschattet wurde der Abschlusstag des Gipfels von Bidens wackeligen Performance. Am Donnerstagabend kündigte er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als “President Putin” an, korrigierte sich nach einem Moment dann aber selbst. Unter den US-Demokraten verliert er zunehmend an Rückendeckung. Aber auch in den Abschlusspressekonferenzen ausländischer Politiker kan es zu Fragen, wie sie Bidens Gesundheitszustand wahrnähmen. Abgesehen vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, der sich laut mehreren Medienberichten nach dem Gipfel mit Donald Trump treffen wollte, dürften sich die wenigsten europäischen Staatschefs eine Wiederwahl des republikanischen US-Präsidenten wünschen.
Schon gar nicht Deutschland. Berlins Standing in den USA ist gut wie lange nicht. “Im Weißen Haus steht zwischen Europa und Berlin ein Äquivalenzzeichen. Die deutschen Leistungen werden wahrgenommen”, sagt Werz. Das betonte auch Bundeskanzler Olaf Scholz, der zum Abschluss sagte, er habe in den Tagen des Gipfels “viel Anerkennung” für Deutschlands Rolle im Bündnis erlebt. Härter geht man in den USA mit Frankreich ins Gericht, das bei der Ukraine-Unterstützung weit hinter Deutschland steht.
Nur ob die Nato den Fokus in den Indopazifik verlagert, ist nicht ganz klar geworden. Was in Europa passiere, sei für Asien relevant und umgekehrt, sagte Generalsekretär Stoltenberg zum Abschluss. des Gipfels Macron betonte, die verstärkte Kooperation mit Ländern im Indopazifik werde “auf keinen Fall” aus der Nato eine Verteidigungsallianz machen, die Truppen in die Region entsenden müsse. Trotz der deutlichen Worte in Richtung China in der Abschlusserklärung der Nato-Staaten bleiben Fragezeichen über die Rolle Europas im Indopazifik. “Die Amerikaner sagen nicht klar, was sie von den Europäern erwarten”, so Grand. “Sie sagen, dass die Europäer sich mehr Sorgen wegen China machen sollen, aber sie sagen nicht, ob sie konkrete Hilfe im Indopazifik brauchen, oder ein verstärktes Engagement in Europa, um den Amerikanern dort den Rücken freizuhalten.”
Die Verteidigungsminister Deutschlands, Frankreichs, Italiens und Polens haben am Donnerstag eine Absichtserklärung zur gemeinsamen Entwicklung weitreichender Waffensysteme unterzeichnet. Die Vereinbarung folgt einen Tag nachdem die Bundesregierung verkündet hat, dass konventionelle, weitreichende Präzisionswaffen aus den US in Deutschland stationiert werden sollen. Sébastien Lecornu, Verteidigungsminister Frankreichs, das den Lead bei der Entwicklung hat, sagte nach der Unterzeichnung zu Table.Briefings, er mache sich keine Sorgen, dass die amerikanischen Systeme das europäische Vorhaben beeinträchtigen können. “Die beiden Initiativen haben nichts miteinander zu tun.”
Der European Long Range Strike Approach (Elsa) steht weiteren Partnern offen. Die Bundesregierung hofft auf Mitwirkung von Großbritannien. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach in Washington davon, dass man mit Paris und London ein entsprechendes Abkommen vereinbart habe. Auch Lecornu hatte betont, dass man mit den Briten im Gespräch sei.
Es gehe darum, dass man neben dem nuklearen Schutzschirm einen eigenen Schutz habe, sagte Scholz. Der Kanzler hatte das schon bei der Münchner Sicherheitskonferenz angekündigt, zudem stand es in der Nationalen Sicherheitsstrategie.
Die Raketen sollen deutlich weiter fliegen als etwa Taurus-Marschflugkörper, die eine Reichweite von 500 Kilometern haben. Lecornu deutete an, wie weit: “Natürlich muss man das definieren. Raketen, die 2.000 Kilometer weit fliegen, haben nichts mit einer Caesar-Haubitze zu tun.” Für die Produktion dürfte MBDA infrage kommen, wie der französische Minister sagte. Als Grundlage könne das Missile de croisière naval (MDCN) dienen, so Lecornu. Bis Jahresende erhoffe er sich, dass die Generalstäbe der Teilnehmernationen ihre Anforderungen an die Waffe definieren, damit die Produktion beginnen könne.
Um bereits vor einer europäischen Neuentwicklung solche Systeme zur Abschreckung in Europa vorzuhalten, sollen drei US-Waffensysteme ab 2026 in Deutschland stationiert werden. Es handelt sich um die Kurzstreckenrakete Standard Missile 6 (SM-6), Tomahawk-Marschflugkörper und den Hyperschall-Gleiter Long-Range Hypersonic Weapon System, der noch in der Entwicklung ist. Dabei geht es um konventionelle Waffensysteme, die vom Boden gestartet werden, nicht um Atomwaffen.
Kurz nach der Ankündigung der Stationierungspläne warnte Kremlsprecher Dmitri Peskow, dass Russland eine “militärische Antwort” vorbereiten werde. Konkreter wurde er nicht, erläuterte aber, dass Russland derzeit seine Nuklear-Doktrin überarbeite – weil man es “derzeit mit einer sehr mächtigen Allianz zu tun hat, die eine feindliche Politik gegen uns betreibt”. Mit Viktor Funk und Thomas Wiegold
Neben Hilfen für die Ukraine und der Entwicklung weitreichenden Waffensystemen hat die Nato auf ihrem Gipfel in Washington die Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeiten an ihrer Nord- und Ostflanke weiter ausgebaut. Ins Lastenheft schreibt sich die Allianz unter anderem: ein Großprojekt zur Überwachung der Erde aus dem All, gemeinsame Beschaffungen und Kooperationen zur Verteidigung der Nord- und Ostsee und Arktis sowie die grenzüberschreitende Nutzung des Luftraums über den nordischen Ländern. Alles, um Richtung Russland zu signalisieren: Man steht zusammen, man hat einen (Schlacht-)Plan für die kommen Jahre und Jahrzehnte.
Ein wichtiger Punkt blieb aber – zumindest vorläufig – offen, der eigentlich nur noch als Formsache galt: Die finale Entscheidung der Nato, dass Deutschland das regionale Hauptquartier für die Ostsee als “Commander Task Force Baltic” (CTF Baltic) führen soll. Nachdem Polen seine Blockade gegen ein von Deutschland geführtes maritimes Nato-Hauptquartier aufgegeben hatte, war es kurz vor dem Gipfel doch noch zu Friktionen mit anderen Mitgliedsstaaten über Zuständigkeiten und Aufgaben gekommen. Die Übertragung der Aufgabe sowie die Besetzung des Chefpostens scheinen zwar noch nicht endgültig beschlossen zu sein. Als ernsthaft gefährdet gilt es nicht.
Auf Deutschland käme mit dem CTF Baltic, angesiedelt auf dem Gelände des Marinekommandos in Rostock, eine Monsteraufgabe zu. Im Fall einer militärischen Eskalation Russlands in der Ostsee würden von hier die Einheiten der acht Ostsee-Anrainerstaaten zur Verteidigung koordiniert. Entsprechende Vorbereitungen und Absprachen dafür werden bereits jetzt getroffen, etwa bei der Nutzung von Material. So sollen künftig nationale Bestände an Seeminen effizienter aufgefüllt und genutzt werden. Eine entsprechende Absichtserklärung zur gemeinsamen Beschaffung, Logistik und Betrieb von Seeminen unterzeichneten die Verteidigungsminister von Norwegen, Schweden, Finnland, Lettland, Litauen, Estland, Polen und Dänemark am Mittwoch – unter deutscher Federführung.
Darüber hinaus kamen weitere multilaterale Abkommen zur Stärkung von Nord- und Ostflanke der Nato sowie der Arktis zustande:
China blickt mit Wut und Ärger auf den aktuellen Nato-Gipfel. Das Zusammentreffen in Washington habe sich zu einer Gerüchteküche entwickelt, in der vor allem die Theorie der chinesischen Bedrohung gekocht werde, schreibt die chinesische Zeitung Global Times. “Unter dem Hype der USA und der Nato scheint China zum Schlüssel für das Überleben Europas geworden zu sein, das zudem das Schicksal des Russland-Ukraine-Konflikts als entscheidende Macht kontrolliere.”
Im chinesischen Außenministerium klingt es ähnlich: “Wir lehnen die Verunglimpfung Chinas und die Schuldzuweisungen der Nato entschieden ab. Die Nato sollte China nicht als Rechtfertigung für ihre Expansion in den asiatisch-pazifischen Raum verwenden und versuchen, die regionale Dynamik zu stören.”
Nun könnte man mit ähnlicher Verve zurückkeifen – und beispielsweise Chinas zunehmend robuster Außenpolitik als regional-hegemonial brandmarken. In Chinas Nachbarschaft wie Japan, Südkorea, Australien oder den Philippinen könnte man einiges dazu sagen. Doch damit würde man vor allem eines übersehen: Chinas Kritik ist durchaus nachvollziehbar. Denn die Nato orientiert sich tatsächlich immer weiter nach Asien.
So sind auf dem Nato-Gipfel nicht nur Mitgliedsstaaten vertreten, sondern zum dritten Mal auch die sogenannten AP4: Australien, Japan, Neuseeland und Südkorea. In Washington vereinbarte die Nato mit ihren indopazifischen Partnern mehrere Projekte. Es geht um die Bereiche Cybersicherheit, Desinformation, Künstliche Intelligenz, die gemeinsame Unterstützung der Ukraine, sowie neue Technologien und Rüstungsindustrie.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg macht aus der Nato-Ausrichtung auch keinen Hehl. “Die Sicherheit Europas betrifft Asien, und die Sicherheit Asiens betrifft Europa“, schreibt er in einem Aufsatz für das Magazin “Foreign Affairs”. Sein Argument: Sicherheit sei keine regionale Angelegenheit mehr. “Ohne die Unterstützung seiner autoritären Freunde in Asien wäre Russland nicht in der Lage, diesen Krieg aufrechtzuerhalten.”
Neben Iran und Nordkorea nennt Stoltenberg vor allem China. “Öffentlich will der chinesische Präsident Xi Jinping die Welt glauben machen, er strebe Frieden an. Insgeheim jedoch heizt er den Konflikt an, indem er Russland Spitzentechnologien wie Halbleiter und Mikroelektronik liefert, die Moskau zur Herstellung von Raketen, Panzern und Flugzeugen verwendet.” Und in der Tat: chinesische Zolldaten, amerikanische Geheimdienstinformationen und Funde auf den Schlachtfeldern in der Ukraine zeigen, wie sehr China die russische Kriegsmaschinerie unterstützt.
An diesem Punkt setzt der Nato-Generalsekretär China unter Druck. “Gleichzeitig will Xi gute Beziehungen zum Westen pflegen, um Sanktionen zu vermeiden und den Handel aufrechtzuerhalten. Aber er kann nicht beides haben. Irgendwann muss Chinas Unterstützung für Russlands illegalen Krieg ihren Preis haben.” Es ist eine sinnvolle Herangehensweise: Kerninteressen definieren und diese geschlossen auch nach außen vertreten.
Während China diese Politik schon seit Jahren verfolgt, tut sich der Westen damit äußerst schwer – sowohl beim Definieren seiner Interessen als auch beim gemeinsamen Vertreten. Das zeigt sich innerhalb der Europäischen Union – jüngstes Beispiel ist die “Friedensmission 3.0” von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán. China wiederum weiß seit Jahren, diese Uneinigkeit im Westen zu seinem Vorteil zu nutzen. Es ist Ungarn, das immer wieder gegen EU-Vorschläge sein Veto einlegt, in denen China wegen Menschenrechtsverletzungen oder in Bezug auf Hongkong oder Taiwan verurteilt wurde.
Auch bezüglich der Nato-Ausrichtung existieren solche Unstimmigkeiten. Vor allem Frankreich will den Anschein vermeiden, dass die Nato ihre Präsenz im Indopazifik ausbaut. Es war der französische Präsident Emmanuel Macron, der sich gegen ein Verbindungsbüro in Japan ausgesprochen hat. “Wenn wir die Nato drängen, das Spektrum und die Geografie zu erweitern, machen wir einen großen Fehler”, argumentiert Macron.
Insgesamt ist Chinas Ärger über die Nato also durchaus nachvollziehbar. Und doch gibt es auch hier zwei Seiten. Denn nicht nur die Nato weitet ihren Blick nach Asien. Auch China rückt mit seiner Außenpolitik bereits an Nato-Grenzen vor – und darüber hinaus. So nehmen dieser Tag chinesische Truppen an Militärübungen in Weißrussland teil. Die Manöver findet um Brest statt, einer weißrussischen Stadt direkt an der Grenze zum Nato-Mitglied Polen. Kleine Erinnerung: Weißrusslands Staatschef Alexander Lukaschenko gewährte Putins Truppen freien Zugang, um die Ukraine auch von Norden aus angreifen zu können.
Zudem forciert Peking die Zusammenarbeit mit dem Nato-Mitglied Türkei. Seit Jahren nimmt das Land vom Bosporus an den Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (Shanghai Cooperation Organization, kurz SCO) teil. Noch ist die Türkei kein SCO-Mitglied, aber Präsident Recep Tayyip Erdogan hat seinen Beitrittswunsch bereits mehrfach hinterlegt. Für die Nato ist das äußerst problematisch, schließlich beherbergt die Türkei wichtige Nato-Einrichtungen.
Und so gibt es Grund zur Sorge auf beiden Seiten – in China wie in den Nato-Hauptstädten. Das gegenseitige Misstrauen wächst. Das ist gefährlich. Angesichts dieser Lage ist es wichtig, einen direkten Dialog aufzunehmen. Interessen und Absichten müssen klar definieren und benannt werden. Denn an einer Eskalation – und sei es auch nur aufgrund von Missverständnissen – kann keiner Seite gelegen sein.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich beim Nato-Gipfel in Washington eindeutig zufriedener mit den Ergebnissen als noch vor einem Jahr in Vilnius. Weitere Forderungen hatte er nach Abschluss des Gipfels dennoch.
Vor allem warb er für die Aufhebung aller Auflagen für den Einsatz westlicher Waffen gegen russisches Staatsgebiet. “Wenn wir siegen und unser Land bewahren wollen, dann müssen all diese Einschränkungen aufgehoben werden”, betonte der ukrainische Staatschef bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag. Es gehe dabei vor allem um Militärstützpunkte in über 600 Kilometern Entfernung von der ukrainischen Grenze, von denen Raketenangriffe wie am Montag auf die Hauptstadt Kiew ausgehen.
Kurz darauf wiederholte er die Forderung auf X und betonte: ATACMS, SCALPs und Storm Shadows wären “noch effektiver” wenn sie auf russische Militärflugplätze zielen könnten, von denen die Flugzeuge mit den Gleitbomben starten, die Russland auf die Ukraine abwirft. “Wir brauchen diese Genehmigung von unseren Partnern und vor allem von den Vereinigten Staaten”, schrieb er.
Außerdem forderte er mehr Tempo bei der Lieferung von F-16 Kampfflugzeugen ein. Eine “ausreichende” Zahl davon, und zwar mindestens 150, die Hälfte von dem, was Russland im Einsatz habe, müsse schnell geliefert werden. “Wie viele Jahre werden wir auf die Hälfte der 300 Flugzeuge warten, wenn wir so schnell wie bisher liefern und ausbilden? Der Krieg sollte nicht so lange dauern”, schrieb er. Am Mittwoch hatten die USA, die Niederlande und Dänemark am Rande des Nato-Gipfels erklärt, dass noch in diesem Sommer die von ausländischen Partnern versprochenen F-16-Kampfjets in der Ukraine fliegen sollen.
Auch am Donnerstag kündigten einzelne Nato-Verbündete weitere Militärhilfen an, die allerdings meist bereits versprochene Lieferungen beinhalteten. Unter anderem kündigten die USA ein neues Militärpaket mit einem Umfang von 225 Millionen US-Dollar (rund 207 Millionen Euro) an. Das beinhaltet unter anderem das bereits von den USA angekündigte Patriot-Luftabwehrsystem. wp
Klimabezogene Desinformation vonseiten Russlands verschärft die Herausforderungen, vor denen die Nato steht. Zu diesem Schluss kommt die neue Klimawandel- und Sicherheitsfolgenabschätzung der Nato, die am Dienstag erschienen ist. “Russische Staatsmedien verstärken die Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Klimawandel und spielen ihn als übertrieben oder sogar positiv herunter”, heißt es in dem 32 Seiten langen Bericht.
Besonders seit der russischen Vollinvasion der Ukraine 2022 habe Desinformation im Zusammenhang mit der europäischen grünen Energiewende zugenommen. Grund für Russlands Leugnen des menschengemachten Klimawandels seien Verflechtungen zwischen der fossilen Brennstoffindustrie und der Regierung, sowie die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen als wichtigster Quelle der Staatseinnahmen.
Doug Weir, Leiter der britischen Nichtregierungsorganisation Conflict and Environment Observatory (CEOBS), begrüßte im Gespräch mit Table.Briefings, dass das Papier erörtere, wie Konflikte zur Klimakrise beitragen, und nicht nur, wie sich der Klimawandel auf die nationale Sicherheit auswirken könnte. Diese Komponenten der Klimasicherheit hätten bisher weit weniger Aufmerksamkeit erhalten. Er mahnt allerdings, “dass das Bündnis den beitragenden Staaten nur Empfehlungen zur Emissionsverfolgung und -berichterstattung geben kann und seine Mitglieder nicht zur Dekarbonisierung zwingen kann.”
Bisher seien das Engagement und die Fortschritte bei der Dekarbonisierung innerhalb der Nato-Staaten sehr unterschiedlich. “Einige Länder treiben die Agenda voran, andere müssen noch überzeugt werden. Wenn diese Lücke nicht geschlossen wird, wird die Glaubwürdigkeit der Nato auf dem Gebiet der Klimasicherheit zunehmend leiden.”
Der jährlich erscheinende Bericht mit dem Titel “Secretary General’s Annual Climate Change and Security Impact Assessment” untersucht die Auswirkungen des Klimawandels auf jeden der fünf Nato-Einsatzbereiche: See, Land, Luft, Weltraum und Cyberraum. Zudem befasst es sich mit den Klimaauswirkungen des russischen Einmarsches in der Ukraine. Die Bewertung ist Teil des Klimawandel-Aktionsplans, den die Nato-Staats- und Regierungschefs 2021 auf ihrem Gipfel in Brüssel beschlossen hatten. asc
Das Münchner Start-Up für Künstliche Intelligenz (KI) in der Verteidigung, Helsing, gründet in Estland eine Tochterfirma und will in den nächsten drei Jahren 70 Millionen Euro investieren. Das teilte das Unternehmen am Donnerstag am Rande des Nato-Gipfels in Washington mit.
Damit will Helsing nach eigenen Angaben seine Zusammenarbeit mit der Industrie im baltischen Raum intensiveren, “insbesondere mit Blick auf gemeinsame Produktentwicklungen für die Verteidigung der Nato-Ostflanke”, heißt es in einem Statement. “Helsing OÜ wird Lehren aus dem Ukraine-Krieg ziehen und eigenfinanzierte KI-Forschung betreiben, um die Erfordernisse der baltischen Verteidigungskräfte zu erfüllen. Wir werden hierbei lokale Produktion priorisieren und sicherstellen, dass die Verteidigungssysteme der baltischen Staaten vor Ort widerstandsfähig und anpassungsfähig sind”, schrieb Geschäftsführer Gundbert Scherf.
Estlands Premierministerin Kaja Kallas dankte Scherf und schrieb auf X: “Die heutige Sicherheitsrealität erfordert eine Stärkung der Verteidigungsindustrie. Estland konzentriert sich darauf, ein Zentrum für Verteidigungstechnologie und Innovation zu werden.” klm
Atlantic Council: Our experts read between the lines of NATO’s Washington summit communiqué. Am Mittwochnachmittag legten die Staats- und Regierungschefs der Nato die Abschlusserklärung des Jubiläumsgipfels in Washington vor. Dieser Artikel schlüsselt auf, worum es in dem Konsensdokument geht und was die Ergebnisse für die Ukraine, Russland und China bedeuten.
The New York Times: NATO on the Edge – Biden Praises and Trump Denigrates a 75-Year Alliance. An der Zukunft der Nato scheiden sich die Geister in den USA. Während Präsident Joe Biden das Verteidigungsbündnis als das größte “in der Geschichte der Welt” bezeichnete, spricht Donald Trump von “Schutzgelderpressung” durch das westliche Bündnis. Die Präsidentschaftswahlen im November könnten deshalb ein Wendepunkt in der Geschichte der Nato werden.
The Guardian: China a ‘decisive enabler’ of Russia’s war in Ukraine, says Nato. Besorgnis über Pekings Atomwaffenarsenal und seine Fähigkeiten im Weltraum, sowie die Rolle der Volksrepublik im russischen Angriffskrieg – Chinas Einfluss auf die globale Sicherheit ist immens. Die Nato fällte auf ihrem Gipfel ein kritisches Urteil – aus Pekings Sicht ein Affront.
Politico: At NATO, the center left is having it’s moment. It won’t last. Für die westlichen Mitte-Links-Parteien stellt der Nato-Gipfel einen Moment der Einigkeit dar. Dieser Kommentar erörtert, warum der Zusammenhalt nur von kurzer Dauer sein könnte und wie Wahlen in den kommenden Jahren das sicherheitspolitische Bild des Westens beeinflussen werden.
Al Jazeera: How much is each NATO country spending on its military in 2024? Die 32 Mitglieder des Militärbündnisses werden in diesem Jahr insgesamt 1,47 Billionen Dollar in ihre Verteidigungsfähigkeit investieren. Dieser Artikel schlüsselt auf, wer wie viel zahlt und wie sich die Ausgaben über die letzten Jahre entwickelt haben.