Sie lesen das zweite Table.Spezial zur 60. Münchner Sicherheitskonferenz – heute Mittag beginnt die MSC mit der Rede von UN-Generalsekretär António Guterres, am Nachmittag trifft Verteidigungsminister Boris Pistorius im Bayerischen Hof ein. Was am Freitag und Samstag noch wichtig wird, lesen Sie in unserem MSC-Ticker hier.
Den militärischen Nachschub an die Ukraine aufrechtzuerhalten, ist das alles überschattende Thema dieser Jubiläumskonferenz, das haben die ersten Diskussionen am Vorabend der MSC bereits gezeigt. Und das zeigt das Treffen von Olaf Scholz heute Vormittag mit Wolodymyr Selenskyj im Kanzleramt. Die Unterzeichnung einer bilateralen Vereinbarung über Sicherheitszusagen und langfristige Unterstützung der Ukraine sendet ein klares Signal nicht nur nach Moskau, sondern auch nach Washington: Deutschland steht bereit, den europäischen Pfeiler der Nato zu stützen.
Vor allem hinter den Kulissen im Bayerischen Hof wird es heiß hergehen, wenn sich bis Sonntag über die künftige Lastenteilung zwischen den Nato-Partnern dies- und jenseits des Atlantiks gestritten wird.
Seit der russischen Vollinvasion in die Ukraine vor zwei Jahren werden immer öfter Frauen zu sicherheitsrelevanten Themen befragt, und auch in München soll jeder zweite Panelplatz von einer Frau besetzt sein. Doch wirklich gleichberechtigt vertreten sind sie in diesem Metier weiterhin nicht. Warum ihre Expertise so wichtig ist, erläutert Silvia Petig, Vorsitzende der deutschen Sektion von Women in International Security (WIIS), im Interview.
Eine spannende Lektüre
Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, fordert eine Stärkung des europäischen Pfeilers der Nato. Am Donnerstagabend sprach er sich beim Sicherheitspolitischen Gespräch von Bayerischer Staatskanzlei und Deutscher Atlantischer Gesellschaft im Münchner Prinz-Carl-Palais für “eine Lastenteilung” der europäischen Nato-Staaten mit den USA aus. Dass Deutschland das von der Nato vorgegebene Zweiprozentziel nun endlich erreicht habe, hätten schon die US-Präsidenten Barack Obama und Donald Trump gefordert, so Heusgen.
“Ich hoffe, dass Sie zufrieden sind”, sagte der MSC-Vorsitzende an General Christopher G. Cavoli gewandt, den Alliierten Oberkommandierenden der Nato in Europa. Der 1964 in Würzburg geborene US-Amerikaner übernahm den Posten vier Monate nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022. Ausdrücklich dankten Heusgen und der Vorsitzende der Deutschen Atlantischen Gesellschaft, Christian Schmidt, dem Viersternegeneral für sein Engagement für Europa.
“Nato at 75 – Are we ready to defend” war das Sicherheitspolitische Gespräch betitelt, an dem auch der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis für eine stärkere Teilhabe Europas an der Verteidigung der Nato plädierte, nicht zuletzt an deren Ostflanke. Der Konsens, der am Vorabend des eigentlichen MSC-Konferenzbeginns am Freitag herrschte, dürfte auch die weiteren Diskussionen im Bayerischen Hof bis Sonntag prägen: Unabhängig davon, wer in einem Jahr in Washington Präsident ist, muss Europa militärisch mehr Lasten übernehmen.
Aber nicht nur das. Technologisch wie wirtschaftlich ist die 60. Münchner Sicherheitskonferenz so stark aufgestellt wie wohl keine vor ihr. Cyberabwehr und KI sind mehr als nur Buzzwords in Dutzenden Panels und Hintergrundkreisen, wo es um die Zukunft der modernen Kriegsführung geht. Anders als noch vor zehn Jahren zählen Vertreter ziviler Wirtschaftsunternehmen, aber auch von Weltbank und UN-Unterorganisationen ebenso zu den Gästen der Konferenz wie Militärs, Vertreter wehrtechnischer Betriebe, Diplomaten und Politiker.
Bereits am Donnerstagabend machte der Cyber Innovation Hub der Bundeswehr den inoffiziellen Auftakt zur Jubiläumskonferenz: Zur MSC Innovation Night im Hauptsaal des Bayerischen Hofs kamen unter anderem Generalinspekteur Carsten Breuer und der Inspekteur des Heeres, Alfons Mais. Generalleutnant Michael Vetter, Abteilungsleiter Cyber- und Informationstechnik im Verteidigungsministerium, sagte gegenüber Table.Media, dass die Bundeswehr auf gutem Weg sei, Software-basierte Vereidigung “Wirklichkeit werden zu lassen”. Auch wenn der Fortschritt dadurch erschwert werde, dass die finanziellen und materiellen Defizite der vergangenen 25 Jahre ausgeglichen werden müssten.
Der Verweis auf leere Kassen ist symptomatisch nicht nur für die Verteidigungsbranche. In Hinblick auf die Vielzahl globaler Krisen verweist Axel van Trotsenburg auf den “langen Atem”, den es brauche, um so etwas wie menschliche Sicherheit für Millionen Menschen in fragilen Staaten zu erreichen, angefangen bei Bekämpfung wieder steigender extremer Armut. Der Senior Managing Director der Weltbank verweist darauf, dass sich allein die Kosten für den Wiederaufbau und die Erholung der von Russland angegriffenen Ukraine auf rund 453 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren beliefen. “Je länger der Krieg dauert, desto höher werden die Kosten”, so van Trotsenburg gegenüber Table.Media.
Das gilt nicht nur für den Krieg in der Ukraine, sondern auch für den in Nahost. UN-Generalsekretär António Guterres wird sie beide thematisieren, wenn er am Freitagmittag im Bayerischen Hof die 60. Münchner Sicherheitskonferenz offiziell eröffnet. Es werden nicht die einzigen Krisen blieben, die die Beratungen in München bis Sonntag prägen werden.
Alle Texte des Security.Table zur Münchner Sicherheitskonferenz 2024 finden Sie hier.
Frau Petig, was halten Sie von feministischer Außenpolitik?
Für uns als überparteilichen Verein spielt das Konzept natürlich eine Rolle – das heißt aber nicht, dass alle Mitglieder es unterstützen. So wie Kriegstüchtigkeit offenbar ein Reizwort ist, löst auch der Begriff Feministische Außenpolitik heftige Reaktionen aus. Natürlich eckt man mit so einem Wort an. Aber dass verschiedene Gruppen gleichberechtigte Teilhabe genießen in der Sicherheitspolitik, ist nicht zu viel verlangt. Dabei geht es nicht nur um mehr Mitspracherechte von Frauen, sondern von Minderheiten insgesamt.
WIIS gibt es seit 2003. Wie viel Fortschritt für Frauen in den Führungen von Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Armee und Politik wurde seitdem erreicht?
Unsere Mitglieder sind überall vertreten, in den Ministerien, in den Botschaften, in Thinktanks, in der Bundeswehr und in der Wirtschaft. Aber wir sind am Tisch meistens die einzigen Frauen. Ich bin an sich ein recht geduldiger Mensch, mein Hobby ist Stricken, ich weiß, dass manche Dinge einfach dauern. Aber vieles hat sich in den letzten 20 Jahren, bei allem Fortschritt, halt doch nicht geändert.
Woran liegt das?
Ich glaube, das liegt ganz stark an der Führungskultur. Menschen stellen immer gerne Menschen ein, die so sind wie sie selbst. Und deswegen glaube ich, dass unser Verein so wichtig ist: Weil wir Frauen vermitteln und empfehlen können. Seit Russlands Angriff auf die Ukraine haben wir so viele Anfragen wie nie zuvor, weil Expertinnen ganz anders gefragt sind. Der Preis für die Öffentlichkeit allerdings sind oft Hasskommentare im Internet.
Und der Neid der Männer?
Es gibt schon eine Blase männlicher Supporter, die sagen, so ein Netzwerk hätten Sie auch gerne. Gerade zu den Herren in Uniform sage ich dann gerne, dass der Generalstabslehrgang ja quasi das Gleiche sei.
Es gibt also durchaus Unterstützung von Männern?
Ja, natürlich. Ich glaube, man kann den Weg nicht alleine gehen, man braucht Mitstreiter, man muss einander mitnehmen.
Haben Sie nach der Schule selbst einmal überlegt, in die Bundeswehr zu gehen?
Als ich Abitur gemacht habe 2001, durften Frauen ja zum ersten Mal in vollem Umfang zur Bundeswehr. Das stand für mich nicht zur Debatte. Aber hätte ich damals gewusst, welche Möglichkeiten die Bundeswehr bietet, auch international, wäre das natürlich attraktiv gewesen. Bei WIIS.de freuen wir uns sehr über mehr Mitglieder in Uniform.
Die sicherheitspolitische Community hat seit 2022 einen unheimlichen Auftrieb erlebt. Vor der Zeitenwende haftete Gesprächen mit Vertretern der Rüstungsindustrie der Ruch von Kriegstreiberei an, spüren Sie diese Vorbehalte heute noch?
Nein, das war vor zwei Jahren aber auch nicht anders. Außerdem gehören renommierte Friedensforscherinnen ja ebenso zu WIIS wie Abgeordnete und Angestellte des Bundestags, Angehörige der Bundeswehr – oder eben von Rüstungsunternehmen. Gerade jetzt, wo der Krieg in der Ukraine so viele Menschen verunsichert, stellt das doch eine Bereicherung dar, finde ich. Hier eine andere Perspektive einzubringen, ist unser Ziel. Wir sind ja quasi als Vorstand wie die Cheerleader der Mitglieder unseres Vereins, die wir zeigen wollen. Dabei unterscheiden wir uns von unseren amerikanischen Kollegen, die mehr wie ein Thinktank agieren und auch Statements zu bestimmten Themen abgeben. Wir sind überparteilich, mit unterschiedlichen Meinungen, und eine Netzwerkorganisation.
Am 17. Februar findet Ihr Frühstück auf der MSC statt, in der Vergangenheit waren dort Madeleine Albright und Hillary Clinton zu Gast, Außenministerin Annalena Baerbock postet regelmäßig Fotos von sich und anderen Außenministerinnen in den sozialen Medien. Wie wichtig sind solche Vorbilder?
Sie ermuntern andere Frauen, es ihnen gleichzutun. Auf Veranstaltungen sehe ich oft, wie motivierend es ist, Frauen zu sehen, die Beeindruckendes geschafft haben und wie Mitglieder, die man länger kennt, sich weiterentwickeln und höhere Positionen bekleiden, nach Jahren im Ausland möglicherweise. Und die heute viel öfter die Hauptverdiener sind als vor 20 Jahren. Aber vielleicht geht es da bei Thinktanks, an Botschaften und in der Industrie auch schneller voran als in anderen Bereichen, wo auf manchen Ebenen noch viel getan werden muss.
Silvia Petig ist Vorsitzende von WIIS.de, der deutschen Sektion von “Women in International Security”, eines internationalen Zusammenschlusses von Frauen in der Außen- und internationalen Sicherheitspolitik. Zudem ist Petig Beraterin der Parlamentarischen Staatssekretärin Siemtje Möller.
Noch nie haben die Staaten in Asien so viel für Militär, Waffen und Verteidigung ausgegeben wie im vergangenen Jahr: insgesamt 510 Milliarden US-Dollar. Das geht aus “The Military Balance” hervor, dem aktuellen Rüstungsbericht des renommierten International Institute for Strategic Studies (IISS). Nominal stiegen die Ausgaben gegenüber dem Vorjahr um 2,8 Prozent, real beträgt das Wachstum sogar 4,6 Prozent.
Damit liegt die Steigerung eigentlich im Rahmen der Vorjahre. Dennoch lässt sich ein neuer Trend feststellen – und dieser gibt Anlass zur Sorge: Denn die Rüstungsausgaben übersteigen inzwischen in vielen Ländern das jeweilige Wirtschaftswachstum. Damit stellt sich die Frage der fiskalischen Nachhaltigkeit. Gerade bei langfristigen Rüstungsprojekten droht die Gefahr, dass einzelne Staaten finanziell in eine Art Rüstungsfalle stürzen.
Doch zunächst zu den Gründen für die rekordhohen Rüstungsausgaben: China rüstet auf. Den IISS-Zahlen zufolge entfallen rund 43 Prozent der regionalen Rüstungsausgaben auf China. Peking selbst beziffert sein aktuelles Verteidigungsbudget auf 1,55 Billionen Yuan (219,5 Milliarden US-Dollar). Und viele Experten vermutet, dass die eigentlichen Rüstungsausgaben noch höher sind. Klar: Das ist immer noch weit weniger als das US-Budget von 905 Milliarden US-Dollar. Aber ebenso richtig ist: Es entspricht einer nominalen Steigerung von 7,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Präsident Xi Jinping unterzieht die Volksbefreiungsarmee einer umfassenden Modernisierung – weg vom größten Heer der Welt, hin zu einer mobilen, strategischen Militärmacht. So arbeitet man unter anderem an der ballistischen Mittelstreckenrakete DF-27 (CH-SS-X-24) mit Hyperschallgleitkörper, um Raketenabwehrsysteme überwinden zu können. Die chinesische Marine hat mittlerweile mehr Kriegsschiffe als die US Navy – und mit der Fujian steht ein dritter, deutlich leistungsstärkerer Flugzeugträger kurz vor der Probefahrt. Und mutmaßliche Spionageballone über den USA und Taiwan tragen in den jeweiligen Ländern ebenfalls zu einem Gefühl latenter Bedrohung bei.
Hinzu kommt Pekings zunehmend robusteres Auftreten – nicht nur gegenüber den USA, sondern vor allem auch gegenüber den Ländern der Region:
Die Reaktion dieser Staaten ist eindeutig und nachvollziehbar: Sie rüsten auf – in einem nie dagewesenen Ausmaß.
All diese Investitionen sind jedoch keine Einmalzahlungen. Vielmehr handelt es sich um langfristige Rüstungsprojekte. Die Regierungen verpflichten sich zu jahrelangen Zahlungen. Und genau hier liegt die große Gefahr – vor allem für die fortgeschrittenen Volkswirtschaften Asiens.
Schon jetzt wird für diese Länder im aktuellen Jahr lediglich mit einem Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 1,7 Prozent gerechnet. Japan ächzt unter einer hohen Staatsverschuldung, während Australien nicht nur Kaufkosten für die Atom-U-Boote entstehen, sondern auch Zahlungen für Personal und Wartung der Schiffe über deren gesamte Lebensdauer. Und sollte sich die Sicherheitslage in der Region weiter verschlechtern, würde sich auch die wirtschaftliche Dynamik weiter abschwächen. Es ist ein Kreislauf aus steigenden Kosten und sinkenden Einnahmen.
Hinzu kommt die große Unsicherheit rund um die anstehende Präsidentschaftswahl in den USA. Washington ist für alle diese Staaten der wichtigste Verbündete – gerade in Fragen von Sicherheit und Verteidigung. Donald Trump hat dieser Tage nochmals zum Besten gegeben, wie er die amerikanische Bündnistreue interpretiert: “Wenn Sie Ihre Rechnungen nicht bezahlen, erhalten Sie keinen Schutz. Es ist ganz einfach”, sagte Trump in South Carolina. Gemünzt war der Satz zwar auf die Nato-Mitglieder, die unter ihm als US-Präsident wohl nicht mehr auf amerikanischen Schutz vor Russland zählen können – ähnliche Überlegungen hatte Trump allerdings auch schon in Bezug auf Südkorea angestellt. Und so treiben Trump und China die Staaten in Asien zu weiteren Investitionen in Rüstung und Verteidigung – inklusive unabsehbarer finanzieller Gefahren.
Moderne Technologien und die ihr zugrunde liegenden Forschungsprozesse haben in den letzten Jahrzehnten die wirtschaftliche Globalisierung getrieben und vielen Ländern wachsenden Wohlstand beschert. Doch diese Entwicklung könnte nach dem neuesten Security-Report der am Freitag beginnenden Münchner Sicherheits-Konferenz (MSC) an ein Ende kommen, weil Chip-Herstellung und Künstliche Intelligenz immer mehr zu Waffen im geopolitischen Wettstreit werden. Wie die Forschungspolitik sich mit den neuen Herausforderungen an die Forschungssicherheit auseinandersetzen muss, wird auch BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger auf dem Sicherheitsgipfel in mehreren Expertenrunden diskutieren.
Der “Munich Security Report”, der die aktuellen sicherheitspolitischen Problemzonen in den Blick nimmt (Osteuropa, Indo-Pazifik, Naher Osten, Klima und Wirtschaft) befasst sich in diesem Jahr auch erstmals mit der Technologie als Krisenherd. “Da Staaten zunehmend Technologie nutzen, um die Vorherrschaft über ihre geopolitischen Rivalen zu erlangen, haben diese neuen Trends der technischen Bewaffnung und Desintegration Auswirkungen auf die internationale Sicherheit”, heißt es im Sicherheitsbericht.
In der Summe dieser Trends diagnostiziert der Report der Sicherheitsexperten eine “Geopolitisierung des Technologiesektors“: Die alten Netzwerke globaler Kooperation lösen sich auf und werden von neuen machtpolitischen Konstellationen abgelöst. Verbunden mit dem Technologie-Wettlauf entfalte sich “eine Konfrontation zwischen demokratisch und autokratischen Visionen zur digitalen Governance, bei der China, die EU und die USA digitale Regulierung und Infrastruktur nutzen, um ihre widersprüchlichen Visionen zu exportieren.” Ob in der EU der Weg der strengen KI-Regulierung in die Isolation führt oder ein Weltmodell generiert, sei dahingestellt.
Die MSC, die in diesem Jahr zum 60. Mal stattfindet, ist das weltweit größte Treffen seiner Art, das Politiker, Militär- und Wirtschaftsvertreter, NGOs und Experten zur Diskussion über sicherheitsrelevante Themen zusammenbringt. Auch wissenschaftsbezogene Aspekte spielen – wie auch im Lage-Report – ihre Rolle. Bettina Stark-Watzinger ist am Freitag bei mindestens drei Events präsent. Am Vormittag hält sie einen Impulsvortrag im Rahmen des Panels “Conversation on Research Security”. Später nimmt sie am Eröffnungspanel “Growing the Pie: A Global Order that Works for Everyone” teil. Zum KI-Thema äußert sie sich im Panel “Responsible Use of AI and its Contribution to a Future Proof Democracy / AI as Driver of Innovation and Democracy”.
Wie ein Sprecher des Ministeriums gegenüber Research.Table erklärte, ist Stark-Watzinger das Thema der Sicherheitsforschung sehr wichtig. “Verstärktes Handeln” sei geplant, wobei auch zukünftig “die Balance zwischen Wissenschaftsfreiheit und sicherheitspolitischen Fragen” gewahrt bleiben solle. Manfred Ronzheimer
Das Gastgeberland hält sich am ersten Tag der Münchner Sicherheitskonferenz vornehm zurück: Bundeskanzler Olaf Scholz soll erst am Samstagmorgen das Wort ergreifen im Bayerischen Hof, und auch Verteidigungsminister Boris Pistorius wird am Freitag noch nicht auf die Bühne im Hauptsaal treten – sondern plant um 17 Uhr lediglich ein Statement vor dem Tagungshotel.
So gehört der erste Tag dieser Jubiläumskonferenz der internationalen Prominenz – UN-Generalsekretär António Guterres eröffnet mittags die Konferenz, gefolgt von einer Podiumsdiskussion mit dem Titel “Growing the Pie: A Global Order That Works for Everyone”, an der auch Bettina Stark-Watzinger teilnimmt, Ministerin für Forschung und Bildung. Um 14.30 Uhr ergreift die ranghöchste US-amerikanische Vertreterin auf der Konferenz das Wort, Vizepräsidentin Kamala Harris.
Neben der langjährigen Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, ist Harris in München die wichtigste Stimme jener transatlantisch geprägten US-Delegation, für die die Sicherheitskonferenz in München politisch immer ein Heimspiel war. Ihr gegenüber steht eine heute noch kleinere Gruppe, die dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump nahesteht. Dazu zählt der Republikaner James David Vance aus Ohio, der zum ersten Mal auf der MSC dabei ist.
Einen ganz besonderen Gast aus den USA empfängt die deutsche Sektion von Women in International Security am Samstag um 7.30 Uhr in der Münchner Residenz. Hillary Clinton hält die Keynote auf dem inzwischen zu einer festen MSC-Tradition gewordenen Women’s Breakfast, mit am Tisch sitzen unter anderem die beiden Staatssekretärinnen Katja Keul (Auswärtiges Amt) und Siemtje Möller (Verteidigungsministerium) – und die lettische Ministerpräsidentin Silina Evika.
Im Literaturhaus wirft die MSC am Freitag um 15.30 Uhr einen Blick auf das anhaltende Geiseldrama im Gazastreifen. “Hamas Hostage Taking as a Tool of Terror”, heißt die Veranstaltung, bei der israelische Außenminister Israel Katz, die First Lady Israels, Michal Herzog, und der österreichische Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka neben Angehörige der Geiseln sprechen werden. mb
Die europäischen Nato-Länder werden in diesem Jahr erstmals in toto das Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben erfüllen. Dies sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach einem Treffen der 31 alliierten Verteidigungsminister am Donnerstag in Brüssel.
Im laufenden Jahr werden sich die Investitionen in die Rüstung in Europa auf 380 Milliarden Dollar addieren, fügte Stoltenberg hinzu. Dies sei “ein historischer Fortschritt”, auch wenn bis zum Nato-Jubiläumsgipfel im Juli in Washington noch einiges getan werden müsse.
Dies gilt vor allem für Länder wie Frankreich, Spanien und Belgien, die das vor zehn Jahren in Wales vereinbarte Zwei-Prozent-Ziel weiter verfehlen. Der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu kündigte an, Paris wolle es aber noch 2024 erreichen.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius wies darauf hin, dass Deutschland in diesem Jahr die Zwei-Prozent-Marke erfüllen werde – zum ersten Mal seit den 90er-Jahren. “Das ist ein wichtiges Signal”, sagte der SPD-Politiker in Brüssel. Deutschland werde bei 2,1 Prozent landen.
Insgesamt erfüllen nun 18 von 31 Alliierten die Vorgaben von Wales. Das Zwei-Prozent-Ziel ist zuletzt wieder in den Fokus gerückt, weil US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump damit gedroht hatte, “säumigen” Nato-Mitgliedern den militärischen Schutz zu entziehen.
Bis zum Gipfel in Washington will die Nato diesen Streit hinter sich lassen. Das lange umstrittene “Burden Sharing” solle dann kein Thema mehr sein, sagte ein Diplomat. Nun zeige sich, dass die Europäer ihre Lektion gelernt hätten und sich in die richtige Richtung bewegten.
Eine zunehmend wichtige Rolle kommt dabei Deutschland zu. Das größte EU-Land sei bereit, eine Führungsrolle in der Nato zu spielen, sagte Pistorius. Schon jetzt sei Deutschland die “logistische Drehscheibe” in Europa. “Damit übernehmen wir Führungsaufgaben.”
Als Erfolg wertet es Pistorius auch, dass sich Griechenland und die Türkei der deutschen Initiative für eine gemeinsame Luftverteidigung in Europa anschließen. Die Initiative European Sky Shield (ESSI) hat nun 21 Mitglieder. Pistorius bezeichnete sie als “Erfolgsgeschichte”.
Die großen EU-Länder Frankreich, Italien und Polen sind allerdings weiter nicht dabei. Rom und Paris fürchten, dass ESSI das von Frankreich geführte Frühwarn- und Abfangsystem Twister gefährden könnte. Bei der Luftverteidigung sind die Reihen noch nicht geschlossen; dennoch nimmt der “europäische Pfeiler” in der Nato langsam Gestalt an. ebo
Wenn der andauernde russische Angriffskrieg in der Ukraine eines gezeigt hat, dann das: Das Gefechtsfeld ist gläsern – und digital: Durch Drohnen-Bilder, GPS-Daten und Social-Media-Posts auch von Zivilisten kann der Gegner in Echtzeit verortet werden. Entscheidend für ein umfassendes Lagebild sind aber auch die Bedingungen vor Ort. Dafür hat der Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBw) gestern im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz eine neue Software vorgestellt: die sogenannte “Crowd Information Platform” (CIP). “Für eine Informationsüberlegenheit auf dem Gefechtsfeld ist es wichtig, die aktuellen Geofaktoren zur Verfügung zu haben. Das entscheidet über Erfolg oder Misserfolg einer Mission”, erklärt Sven Weizenegger, Leiter des CIHBw, im Gespräch mit Table.Media.
Diese “Eyes on the Ground” können wichtige Informationen für die Erstellung eines effizienten Lagebilds liefern: Wie ist die Beschaffenheit des Bodens, damit ein schwerer Panzer wie der Leopard 2A6 fahren kann? Oder: Wie ist der Zustand der Infrastruktur, ist zum Beispiel eine Straße durch Regenfälle unterspült? “Die so gewonnen Daten können dynamisch analysiert und visualisiert werden, um eine zielgerichtete und effiziente Auswertung – auch unter Zeitdruck – sicherzustellen”.
Für dieses Projekt arbeitet der CIHBw mit dem Münchner Start-up Innovation Labs zusammen. Die Plattform durchforstet “gezielt das Internet, mit Schwerpunkt auf Social-Media-Plattformen wie X, Facebook und Telegram, auf relevante Informationen”. Gesucht wird nach öffentlich zugänglichen Daten. Entscheidend dabei ist der Einsatz von KI, mit deren Hilfe die “öffentlich zugänglichen Bilder, Videos und Blogbeiträge auswertet werden”.
Laut CIHBw, bei dem zur Hälfte Soldaten und Zivilisten arbeiten, befindet sich das Projekt derzeit in der Testphase. “Wir erproben die technische Umsetzbarkeit. Ob und vor allem auch wann ein solches System in die Bundeswehr eingeführt wird, liegt nicht im Verantwortungsbereich des CIHBw. Das Gleiche gilt für die Klärung der völkerrechtlichen Fragen.” Bis heute ist die Verwendung von Informationen, die von zivilen Personen kommen, also zum Beispiel Bilder von Truppenbewegungen in sozialen Medien, nicht rechtlich geklärt. Dieser Bereich gilt als juristische Grauzone. “Wir müssen allerdings die technischen Möglichkeiten antizipieren, auch bevor eine solche Debatte begonnen hat”, meint CIHBw-Chef Weizenegger. nana
Die Zeit: “Eine solche Zerstörung in so kurzer Zeit gab es noch nie.” Nukleare Bedrohungen, der Klimawandel und eine unkontrollierte Entwicklung von KI sind UN-Generalsekretär António Guterres zufolge aktuell die größten sicherheitspolitischen Risiken. Sie zu bewältigen sei schwierig, gerade jetzt, wo die Welt “tief gespalten” ist. Im Interview spricht der Diplomat über die Zukunft der UNRWA und die Macht dramatischer Rhetorik.
The Norwegian Intelligence Service: Focus 2024. Die Norwegischen Geheimdienste zeichnen in ihrem jährlichen Sicherheitsbericht ein düsteres Bild mit Blick auf die Entwicklungen in der Ukraine und analysieren, wie sowohl Russland als auch China ihre revisionistische Agenda gezielt und teilweise gemeinsam verfolgen.
Die Zeit: Braucht Europa die Bombe? Donald Trump macht Kampagne gegen die Nato – für Deutschland ein Moment strategischer Verwundbarkeit. Hier stellen sich Fragen: Was tun, wenn der nukleare Schutzschirm der USA eingeklappt wird? Gäbe es eine europäische Alternative? Zum Beispiel in Gestalt der französischen Nuklearwaffen? Gedankenspiele über eine europäische atomare Abschreckung werden lauter.
Das Erste: 20 Tage in Mariupol. Der Oscar-nominierte Dokumentarfilm “20 Tage in Mariupol” ist die nächsten drei Monate in der “Das Erste”-Mediathek verfügbar. Pulitzer-Preisträger Mstyslav Chernov und ein ukrainisches AP-Journalisten-Team dokumentieren darin die Gräueltaten der russischen Invasion. Als einzige internationale Reporter vor Ort halten sie entscheidende Kriegsbilder fest.
TAZ: Ausbau der Festung Ägypten. Kairo verstärkt die Grenze zwischen Gaza und Ägypten und rüstet sich so für einen Massenansturm im Falle einer Bodenoffensive in Rafah. Ob die Grenze diesem standhalten würde, ist allerdings fraglich. Berichten zufolge habe Ägypten hinter den Kulissen sogar mit einer Aussetzung seines Friedensvertrags mit Israel gedroht, sollte dessen Militär in Rafah eindringen.
Deutschlands Sicherheit ist hybrid in allen Facetten bedroht. Deshalb ist es erforderlich, dass Deutschland einen Operationsplan (OPLAN DEU) für seine Gesamtverteidigung erarbeitet, der Sicherheit integriert betrachtet. Insofern kommt der zivil-militärischen Zusammenarbeit eine besondere Bedeutung zu. Die Bundeswehr ist in der Zusammenarbeit mit Ländern und Kommunen bereits geübt und hat Erfahrung bei Katastrophen wie Hochwasser oder im Rahmen der Amtshilfe wie während der Pandemie. Dennoch braucht eine Strategie für die Gesamtverteidigung mehr, sie muss viel umfassender sein und Sicherheit ganzheitlich erfassen.
Es kommt hier vor allem auch auf das Zusammenspiel mit zivilen, nicht-staatlichen Akteuren und insbesondere solchen, die zur kritischen Infrastruktur gehören, an. Diese kritische Infrastruktur ist im Rahmen der hybriden Kriegsführung besonders betroffen und somit sind personell all jene gefragt, die dort beschäftigt sind. Hier gibt es kaum Erfahrung und wenig geübte Zusammenarbeit mit dem Militär.
Bevölkerungs- und Katastrophenschutz beruht in Deutschland vorrangig auf ehrenamtlichen Strukturen, die aber für hybride Bedrohungslagen finanziell wie materiell nicht ausreichend aufgestellt sind. Weiterhin fehlt es an der Definition, welche Bereiche überhaupt zur kritischen Infrastruktur gehören, wie die entsprechenden Schutzvorkehrungen getroffen werden müssen, welche Dienstleistungen dazugehören und welche Berufsgruppen im Rahmen einer zivilen Verteidigung und zivil-militärischen Kooperation besonders sensibilisiert werden müssen.
Grundvoraussetzung für eine Gesamtverteidigung ist es, zunächst eine Gesamtbedrohungsrechnung aufzustellen, von der aus Erfordernisse für Strukturen, rechtliche Änderungen und Fähigkeiten abgeleitet werden. Eine solche stellt beispielsweise die Schweiz mit der Nationalen Risikoanalyse von Katastrophen und Notlagen auf.
Daraus folgt die Schaffung von militärischen Fähigkeiten, inklusive militärischer Reserve und Resilienz in der Gesamtgesellschaft sowie ziviler und institutioneller Reserven. Diese Resilienz lebt vor allem von der Sensibilisierung unserer Gesellschaft für die Bedrohungen und vom Mindset, Handlungsbereitschaft und Umpriorisierungen, also auch individuelle Einschränkungen in Kauf zu nehmen, um Resilienz und damit Sicherheit zu erhöhen.
Diese Resilienz haben wir in Deutschland kaum, weil es keine gesellschaftliche Debatte darüber oder auch zu einer Dienstpflicht oder eine Bedrohungsgesamtrechnung gibt und weil die politische Kommunikation völlig unzureichend ist. Der OPLAN DEU sollte dies mitberücksichtigen. Problematisch ist, dass dieser vorrangig von der Exekutive (Territoriales Führungskommando und Vertreter der Bundesländer) erarbeitet wird.
Dies ist im Bereich des Katastrophenschutzes unabdingbar. Allerdings ist Deutschland zunehmend hybriden Bedrohungen ausgesetzt (Desinformation, Cyberangriffe, Sabotage kritischer Infrastruktur insbesondere auch im maritimen Bereich). Hier müssen also zivile Akteure an Bord. Dies setzt die Definition kritischer Infrastruktur und kritischen Personals, sowie den Aufbau strategischer Reserven, voraus. Als Parlament sind wir hierbei nicht eingebunden.
Die größte Hürde der zivil-militärischen Zusammenarbeit ist aus meiner Erfahrung die mangelnde Priorisierung von KRITIS-Schutz-, Resilienz- und Krisenpräventionsmaßnahmen, also der Gesamtverteidigung. Und der Pflicht von Unternehmen und des zivilen Bereichs, sich nicht nur für den Katastrophen- oder Krisenfall zu wappnen, sondern im Zweifel individuelle Interessen hinter die Gesamtverteidigung zu stellen.
Das erfordert zwangsläufig staatliche Vorgaben, welches Personal im Zweifel freigestellt, welche Unternehmen ihre Produktion zeitweise umstellen müssen, welche Mitarbeiter Arbeitszeit erhöhen müssen, weil Deutschland im hybriden Krieg bereits angegriffen ist. Besonders gilt dies aktuell natürlich für die Rüstungsindustrie samt Zulieferer. Hier liegt es am politischen Willen, die militärisch-zivile-industrielle Zusammenarbeit zu verbessern und die Industrie durch Bürgschaften, Finanzierungszusagen und konkrete Aufträge anzukurbeln.
Im Wettbewerb um Fachkräfte reichen allerdings Anreize nicht immer aus, um im zivilen Bereich eine Priorisierung für gesellschaftliche Resilienz und gegen individuelle Profite zu erreichen. Hier muss es also staatliche finanzielle Umpriorisierungen geben. Dies kann auch die Verpflichtung auf einen Gesellschaftsdienst sein oder darauf, Mittel für Resilienz fördernde Maßnahmen freizumachen, denn Umpriorisierung hält sich an den Rahmen der freien und sozialen Marktwirtschaft.
Roderich Kiesewetter sitzt seit 2009 für die CDU im Deutschen Bundestag. Er ist Oberst a. D. der Bundeswehr und war von 2011 bis 2016 Präsident des Verbands der Reservisten der Deutschen Bundeswehr.
Sie lesen das zweite Table.Spezial zur 60. Münchner Sicherheitskonferenz – heute Mittag beginnt die MSC mit der Rede von UN-Generalsekretär António Guterres, am Nachmittag trifft Verteidigungsminister Boris Pistorius im Bayerischen Hof ein. Was am Freitag und Samstag noch wichtig wird, lesen Sie in unserem MSC-Ticker hier.
Den militärischen Nachschub an die Ukraine aufrechtzuerhalten, ist das alles überschattende Thema dieser Jubiläumskonferenz, das haben die ersten Diskussionen am Vorabend der MSC bereits gezeigt. Und das zeigt das Treffen von Olaf Scholz heute Vormittag mit Wolodymyr Selenskyj im Kanzleramt. Die Unterzeichnung einer bilateralen Vereinbarung über Sicherheitszusagen und langfristige Unterstützung der Ukraine sendet ein klares Signal nicht nur nach Moskau, sondern auch nach Washington: Deutschland steht bereit, den europäischen Pfeiler der Nato zu stützen.
Vor allem hinter den Kulissen im Bayerischen Hof wird es heiß hergehen, wenn sich bis Sonntag über die künftige Lastenteilung zwischen den Nato-Partnern dies- und jenseits des Atlantiks gestritten wird.
Seit der russischen Vollinvasion in die Ukraine vor zwei Jahren werden immer öfter Frauen zu sicherheitsrelevanten Themen befragt, und auch in München soll jeder zweite Panelplatz von einer Frau besetzt sein. Doch wirklich gleichberechtigt vertreten sind sie in diesem Metier weiterhin nicht. Warum ihre Expertise so wichtig ist, erläutert Silvia Petig, Vorsitzende der deutschen Sektion von Women in International Security (WIIS), im Interview.
Eine spannende Lektüre
Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, fordert eine Stärkung des europäischen Pfeilers der Nato. Am Donnerstagabend sprach er sich beim Sicherheitspolitischen Gespräch von Bayerischer Staatskanzlei und Deutscher Atlantischer Gesellschaft im Münchner Prinz-Carl-Palais für “eine Lastenteilung” der europäischen Nato-Staaten mit den USA aus. Dass Deutschland das von der Nato vorgegebene Zweiprozentziel nun endlich erreicht habe, hätten schon die US-Präsidenten Barack Obama und Donald Trump gefordert, so Heusgen.
“Ich hoffe, dass Sie zufrieden sind”, sagte der MSC-Vorsitzende an General Christopher G. Cavoli gewandt, den Alliierten Oberkommandierenden der Nato in Europa. Der 1964 in Würzburg geborene US-Amerikaner übernahm den Posten vier Monate nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022. Ausdrücklich dankten Heusgen und der Vorsitzende der Deutschen Atlantischen Gesellschaft, Christian Schmidt, dem Viersternegeneral für sein Engagement für Europa.
“Nato at 75 – Are we ready to defend” war das Sicherheitspolitische Gespräch betitelt, an dem auch der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis für eine stärkere Teilhabe Europas an der Verteidigung der Nato plädierte, nicht zuletzt an deren Ostflanke. Der Konsens, der am Vorabend des eigentlichen MSC-Konferenzbeginns am Freitag herrschte, dürfte auch die weiteren Diskussionen im Bayerischen Hof bis Sonntag prägen: Unabhängig davon, wer in einem Jahr in Washington Präsident ist, muss Europa militärisch mehr Lasten übernehmen.
Aber nicht nur das. Technologisch wie wirtschaftlich ist die 60. Münchner Sicherheitskonferenz so stark aufgestellt wie wohl keine vor ihr. Cyberabwehr und KI sind mehr als nur Buzzwords in Dutzenden Panels und Hintergrundkreisen, wo es um die Zukunft der modernen Kriegsführung geht. Anders als noch vor zehn Jahren zählen Vertreter ziviler Wirtschaftsunternehmen, aber auch von Weltbank und UN-Unterorganisationen ebenso zu den Gästen der Konferenz wie Militärs, Vertreter wehrtechnischer Betriebe, Diplomaten und Politiker.
Bereits am Donnerstagabend machte der Cyber Innovation Hub der Bundeswehr den inoffiziellen Auftakt zur Jubiläumskonferenz: Zur MSC Innovation Night im Hauptsaal des Bayerischen Hofs kamen unter anderem Generalinspekteur Carsten Breuer und der Inspekteur des Heeres, Alfons Mais. Generalleutnant Michael Vetter, Abteilungsleiter Cyber- und Informationstechnik im Verteidigungsministerium, sagte gegenüber Table.Media, dass die Bundeswehr auf gutem Weg sei, Software-basierte Vereidigung “Wirklichkeit werden zu lassen”. Auch wenn der Fortschritt dadurch erschwert werde, dass die finanziellen und materiellen Defizite der vergangenen 25 Jahre ausgeglichen werden müssten.
Der Verweis auf leere Kassen ist symptomatisch nicht nur für die Verteidigungsbranche. In Hinblick auf die Vielzahl globaler Krisen verweist Axel van Trotsenburg auf den “langen Atem”, den es brauche, um so etwas wie menschliche Sicherheit für Millionen Menschen in fragilen Staaten zu erreichen, angefangen bei Bekämpfung wieder steigender extremer Armut. Der Senior Managing Director der Weltbank verweist darauf, dass sich allein die Kosten für den Wiederaufbau und die Erholung der von Russland angegriffenen Ukraine auf rund 453 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren beliefen. “Je länger der Krieg dauert, desto höher werden die Kosten”, so van Trotsenburg gegenüber Table.Media.
Das gilt nicht nur für den Krieg in der Ukraine, sondern auch für den in Nahost. UN-Generalsekretär António Guterres wird sie beide thematisieren, wenn er am Freitagmittag im Bayerischen Hof die 60. Münchner Sicherheitskonferenz offiziell eröffnet. Es werden nicht die einzigen Krisen blieben, die die Beratungen in München bis Sonntag prägen werden.
Alle Texte des Security.Table zur Münchner Sicherheitskonferenz 2024 finden Sie hier.
Frau Petig, was halten Sie von feministischer Außenpolitik?
Für uns als überparteilichen Verein spielt das Konzept natürlich eine Rolle – das heißt aber nicht, dass alle Mitglieder es unterstützen. So wie Kriegstüchtigkeit offenbar ein Reizwort ist, löst auch der Begriff Feministische Außenpolitik heftige Reaktionen aus. Natürlich eckt man mit so einem Wort an. Aber dass verschiedene Gruppen gleichberechtigte Teilhabe genießen in der Sicherheitspolitik, ist nicht zu viel verlangt. Dabei geht es nicht nur um mehr Mitspracherechte von Frauen, sondern von Minderheiten insgesamt.
WIIS gibt es seit 2003. Wie viel Fortschritt für Frauen in den Führungen von Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Armee und Politik wurde seitdem erreicht?
Unsere Mitglieder sind überall vertreten, in den Ministerien, in den Botschaften, in Thinktanks, in der Bundeswehr und in der Wirtschaft. Aber wir sind am Tisch meistens die einzigen Frauen. Ich bin an sich ein recht geduldiger Mensch, mein Hobby ist Stricken, ich weiß, dass manche Dinge einfach dauern. Aber vieles hat sich in den letzten 20 Jahren, bei allem Fortschritt, halt doch nicht geändert.
Woran liegt das?
Ich glaube, das liegt ganz stark an der Führungskultur. Menschen stellen immer gerne Menschen ein, die so sind wie sie selbst. Und deswegen glaube ich, dass unser Verein so wichtig ist: Weil wir Frauen vermitteln und empfehlen können. Seit Russlands Angriff auf die Ukraine haben wir so viele Anfragen wie nie zuvor, weil Expertinnen ganz anders gefragt sind. Der Preis für die Öffentlichkeit allerdings sind oft Hasskommentare im Internet.
Und der Neid der Männer?
Es gibt schon eine Blase männlicher Supporter, die sagen, so ein Netzwerk hätten Sie auch gerne. Gerade zu den Herren in Uniform sage ich dann gerne, dass der Generalstabslehrgang ja quasi das Gleiche sei.
Es gibt also durchaus Unterstützung von Männern?
Ja, natürlich. Ich glaube, man kann den Weg nicht alleine gehen, man braucht Mitstreiter, man muss einander mitnehmen.
Haben Sie nach der Schule selbst einmal überlegt, in die Bundeswehr zu gehen?
Als ich Abitur gemacht habe 2001, durften Frauen ja zum ersten Mal in vollem Umfang zur Bundeswehr. Das stand für mich nicht zur Debatte. Aber hätte ich damals gewusst, welche Möglichkeiten die Bundeswehr bietet, auch international, wäre das natürlich attraktiv gewesen. Bei WIIS.de freuen wir uns sehr über mehr Mitglieder in Uniform.
Die sicherheitspolitische Community hat seit 2022 einen unheimlichen Auftrieb erlebt. Vor der Zeitenwende haftete Gesprächen mit Vertretern der Rüstungsindustrie der Ruch von Kriegstreiberei an, spüren Sie diese Vorbehalte heute noch?
Nein, das war vor zwei Jahren aber auch nicht anders. Außerdem gehören renommierte Friedensforscherinnen ja ebenso zu WIIS wie Abgeordnete und Angestellte des Bundestags, Angehörige der Bundeswehr – oder eben von Rüstungsunternehmen. Gerade jetzt, wo der Krieg in der Ukraine so viele Menschen verunsichert, stellt das doch eine Bereicherung dar, finde ich. Hier eine andere Perspektive einzubringen, ist unser Ziel. Wir sind ja quasi als Vorstand wie die Cheerleader der Mitglieder unseres Vereins, die wir zeigen wollen. Dabei unterscheiden wir uns von unseren amerikanischen Kollegen, die mehr wie ein Thinktank agieren und auch Statements zu bestimmten Themen abgeben. Wir sind überparteilich, mit unterschiedlichen Meinungen, und eine Netzwerkorganisation.
Am 17. Februar findet Ihr Frühstück auf der MSC statt, in der Vergangenheit waren dort Madeleine Albright und Hillary Clinton zu Gast, Außenministerin Annalena Baerbock postet regelmäßig Fotos von sich und anderen Außenministerinnen in den sozialen Medien. Wie wichtig sind solche Vorbilder?
Sie ermuntern andere Frauen, es ihnen gleichzutun. Auf Veranstaltungen sehe ich oft, wie motivierend es ist, Frauen zu sehen, die Beeindruckendes geschafft haben und wie Mitglieder, die man länger kennt, sich weiterentwickeln und höhere Positionen bekleiden, nach Jahren im Ausland möglicherweise. Und die heute viel öfter die Hauptverdiener sind als vor 20 Jahren. Aber vielleicht geht es da bei Thinktanks, an Botschaften und in der Industrie auch schneller voran als in anderen Bereichen, wo auf manchen Ebenen noch viel getan werden muss.
Silvia Petig ist Vorsitzende von WIIS.de, der deutschen Sektion von “Women in International Security”, eines internationalen Zusammenschlusses von Frauen in der Außen- und internationalen Sicherheitspolitik. Zudem ist Petig Beraterin der Parlamentarischen Staatssekretärin Siemtje Möller.
Noch nie haben die Staaten in Asien so viel für Militär, Waffen und Verteidigung ausgegeben wie im vergangenen Jahr: insgesamt 510 Milliarden US-Dollar. Das geht aus “The Military Balance” hervor, dem aktuellen Rüstungsbericht des renommierten International Institute for Strategic Studies (IISS). Nominal stiegen die Ausgaben gegenüber dem Vorjahr um 2,8 Prozent, real beträgt das Wachstum sogar 4,6 Prozent.
Damit liegt die Steigerung eigentlich im Rahmen der Vorjahre. Dennoch lässt sich ein neuer Trend feststellen – und dieser gibt Anlass zur Sorge: Denn die Rüstungsausgaben übersteigen inzwischen in vielen Ländern das jeweilige Wirtschaftswachstum. Damit stellt sich die Frage der fiskalischen Nachhaltigkeit. Gerade bei langfristigen Rüstungsprojekten droht die Gefahr, dass einzelne Staaten finanziell in eine Art Rüstungsfalle stürzen.
Doch zunächst zu den Gründen für die rekordhohen Rüstungsausgaben: China rüstet auf. Den IISS-Zahlen zufolge entfallen rund 43 Prozent der regionalen Rüstungsausgaben auf China. Peking selbst beziffert sein aktuelles Verteidigungsbudget auf 1,55 Billionen Yuan (219,5 Milliarden US-Dollar). Und viele Experten vermutet, dass die eigentlichen Rüstungsausgaben noch höher sind. Klar: Das ist immer noch weit weniger als das US-Budget von 905 Milliarden US-Dollar. Aber ebenso richtig ist: Es entspricht einer nominalen Steigerung von 7,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Präsident Xi Jinping unterzieht die Volksbefreiungsarmee einer umfassenden Modernisierung – weg vom größten Heer der Welt, hin zu einer mobilen, strategischen Militärmacht. So arbeitet man unter anderem an der ballistischen Mittelstreckenrakete DF-27 (CH-SS-X-24) mit Hyperschallgleitkörper, um Raketenabwehrsysteme überwinden zu können. Die chinesische Marine hat mittlerweile mehr Kriegsschiffe als die US Navy – und mit der Fujian steht ein dritter, deutlich leistungsstärkerer Flugzeugträger kurz vor der Probefahrt. Und mutmaßliche Spionageballone über den USA und Taiwan tragen in den jeweiligen Ländern ebenfalls zu einem Gefühl latenter Bedrohung bei.
Hinzu kommt Pekings zunehmend robusteres Auftreten – nicht nur gegenüber den USA, sondern vor allem auch gegenüber den Ländern der Region:
Die Reaktion dieser Staaten ist eindeutig und nachvollziehbar: Sie rüsten auf – in einem nie dagewesenen Ausmaß.
All diese Investitionen sind jedoch keine Einmalzahlungen. Vielmehr handelt es sich um langfristige Rüstungsprojekte. Die Regierungen verpflichten sich zu jahrelangen Zahlungen. Und genau hier liegt die große Gefahr – vor allem für die fortgeschrittenen Volkswirtschaften Asiens.
Schon jetzt wird für diese Länder im aktuellen Jahr lediglich mit einem Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 1,7 Prozent gerechnet. Japan ächzt unter einer hohen Staatsverschuldung, während Australien nicht nur Kaufkosten für die Atom-U-Boote entstehen, sondern auch Zahlungen für Personal und Wartung der Schiffe über deren gesamte Lebensdauer. Und sollte sich die Sicherheitslage in der Region weiter verschlechtern, würde sich auch die wirtschaftliche Dynamik weiter abschwächen. Es ist ein Kreislauf aus steigenden Kosten und sinkenden Einnahmen.
Hinzu kommt die große Unsicherheit rund um die anstehende Präsidentschaftswahl in den USA. Washington ist für alle diese Staaten der wichtigste Verbündete – gerade in Fragen von Sicherheit und Verteidigung. Donald Trump hat dieser Tage nochmals zum Besten gegeben, wie er die amerikanische Bündnistreue interpretiert: “Wenn Sie Ihre Rechnungen nicht bezahlen, erhalten Sie keinen Schutz. Es ist ganz einfach”, sagte Trump in South Carolina. Gemünzt war der Satz zwar auf die Nato-Mitglieder, die unter ihm als US-Präsident wohl nicht mehr auf amerikanischen Schutz vor Russland zählen können – ähnliche Überlegungen hatte Trump allerdings auch schon in Bezug auf Südkorea angestellt. Und so treiben Trump und China die Staaten in Asien zu weiteren Investitionen in Rüstung und Verteidigung – inklusive unabsehbarer finanzieller Gefahren.
Moderne Technologien und die ihr zugrunde liegenden Forschungsprozesse haben in den letzten Jahrzehnten die wirtschaftliche Globalisierung getrieben und vielen Ländern wachsenden Wohlstand beschert. Doch diese Entwicklung könnte nach dem neuesten Security-Report der am Freitag beginnenden Münchner Sicherheits-Konferenz (MSC) an ein Ende kommen, weil Chip-Herstellung und Künstliche Intelligenz immer mehr zu Waffen im geopolitischen Wettstreit werden. Wie die Forschungspolitik sich mit den neuen Herausforderungen an die Forschungssicherheit auseinandersetzen muss, wird auch BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger auf dem Sicherheitsgipfel in mehreren Expertenrunden diskutieren.
Der “Munich Security Report”, der die aktuellen sicherheitspolitischen Problemzonen in den Blick nimmt (Osteuropa, Indo-Pazifik, Naher Osten, Klima und Wirtschaft) befasst sich in diesem Jahr auch erstmals mit der Technologie als Krisenherd. “Da Staaten zunehmend Technologie nutzen, um die Vorherrschaft über ihre geopolitischen Rivalen zu erlangen, haben diese neuen Trends der technischen Bewaffnung und Desintegration Auswirkungen auf die internationale Sicherheit”, heißt es im Sicherheitsbericht.
In der Summe dieser Trends diagnostiziert der Report der Sicherheitsexperten eine “Geopolitisierung des Technologiesektors“: Die alten Netzwerke globaler Kooperation lösen sich auf und werden von neuen machtpolitischen Konstellationen abgelöst. Verbunden mit dem Technologie-Wettlauf entfalte sich “eine Konfrontation zwischen demokratisch und autokratischen Visionen zur digitalen Governance, bei der China, die EU und die USA digitale Regulierung und Infrastruktur nutzen, um ihre widersprüchlichen Visionen zu exportieren.” Ob in der EU der Weg der strengen KI-Regulierung in die Isolation führt oder ein Weltmodell generiert, sei dahingestellt.
Die MSC, die in diesem Jahr zum 60. Mal stattfindet, ist das weltweit größte Treffen seiner Art, das Politiker, Militär- und Wirtschaftsvertreter, NGOs und Experten zur Diskussion über sicherheitsrelevante Themen zusammenbringt. Auch wissenschaftsbezogene Aspekte spielen – wie auch im Lage-Report – ihre Rolle. Bettina Stark-Watzinger ist am Freitag bei mindestens drei Events präsent. Am Vormittag hält sie einen Impulsvortrag im Rahmen des Panels “Conversation on Research Security”. Später nimmt sie am Eröffnungspanel “Growing the Pie: A Global Order that Works for Everyone” teil. Zum KI-Thema äußert sie sich im Panel “Responsible Use of AI and its Contribution to a Future Proof Democracy / AI as Driver of Innovation and Democracy”.
Wie ein Sprecher des Ministeriums gegenüber Research.Table erklärte, ist Stark-Watzinger das Thema der Sicherheitsforschung sehr wichtig. “Verstärktes Handeln” sei geplant, wobei auch zukünftig “die Balance zwischen Wissenschaftsfreiheit und sicherheitspolitischen Fragen” gewahrt bleiben solle. Manfred Ronzheimer
Das Gastgeberland hält sich am ersten Tag der Münchner Sicherheitskonferenz vornehm zurück: Bundeskanzler Olaf Scholz soll erst am Samstagmorgen das Wort ergreifen im Bayerischen Hof, und auch Verteidigungsminister Boris Pistorius wird am Freitag noch nicht auf die Bühne im Hauptsaal treten – sondern plant um 17 Uhr lediglich ein Statement vor dem Tagungshotel.
So gehört der erste Tag dieser Jubiläumskonferenz der internationalen Prominenz – UN-Generalsekretär António Guterres eröffnet mittags die Konferenz, gefolgt von einer Podiumsdiskussion mit dem Titel “Growing the Pie: A Global Order That Works for Everyone”, an der auch Bettina Stark-Watzinger teilnimmt, Ministerin für Forschung und Bildung. Um 14.30 Uhr ergreift die ranghöchste US-amerikanische Vertreterin auf der Konferenz das Wort, Vizepräsidentin Kamala Harris.
Neben der langjährigen Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, ist Harris in München die wichtigste Stimme jener transatlantisch geprägten US-Delegation, für die die Sicherheitskonferenz in München politisch immer ein Heimspiel war. Ihr gegenüber steht eine heute noch kleinere Gruppe, die dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump nahesteht. Dazu zählt der Republikaner James David Vance aus Ohio, der zum ersten Mal auf der MSC dabei ist.
Einen ganz besonderen Gast aus den USA empfängt die deutsche Sektion von Women in International Security am Samstag um 7.30 Uhr in der Münchner Residenz. Hillary Clinton hält die Keynote auf dem inzwischen zu einer festen MSC-Tradition gewordenen Women’s Breakfast, mit am Tisch sitzen unter anderem die beiden Staatssekretärinnen Katja Keul (Auswärtiges Amt) und Siemtje Möller (Verteidigungsministerium) – und die lettische Ministerpräsidentin Silina Evika.
Im Literaturhaus wirft die MSC am Freitag um 15.30 Uhr einen Blick auf das anhaltende Geiseldrama im Gazastreifen. “Hamas Hostage Taking as a Tool of Terror”, heißt die Veranstaltung, bei der israelische Außenminister Israel Katz, die First Lady Israels, Michal Herzog, und der österreichische Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka neben Angehörige der Geiseln sprechen werden. mb
Die europäischen Nato-Länder werden in diesem Jahr erstmals in toto das Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben erfüllen. Dies sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach einem Treffen der 31 alliierten Verteidigungsminister am Donnerstag in Brüssel.
Im laufenden Jahr werden sich die Investitionen in die Rüstung in Europa auf 380 Milliarden Dollar addieren, fügte Stoltenberg hinzu. Dies sei “ein historischer Fortschritt”, auch wenn bis zum Nato-Jubiläumsgipfel im Juli in Washington noch einiges getan werden müsse.
Dies gilt vor allem für Länder wie Frankreich, Spanien und Belgien, die das vor zehn Jahren in Wales vereinbarte Zwei-Prozent-Ziel weiter verfehlen. Der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu kündigte an, Paris wolle es aber noch 2024 erreichen.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius wies darauf hin, dass Deutschland in diesem Jahr die Zwei-Prozent-Marke erfüllen werde – zum ersten Mal seit den 90er-Jahren. “Das ist ein wichtiges Signal”, sagte der SPD-Politiker in Brüssel. Deutschland werde bei 2,1 Prozent landen.
Insgesamt erfüllen nun 18 von 31 Alliierten die Vorgaben von Wales. Das Zwei-Prozent-Ziel ist zuletzt wieder in den Fokus gerückt, weil US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump damit gedroht hatte, “säumigen” Nato-Mitgliedern den militärischen Schutz zu entziehen.
Bis zum Gipfel in Washington will die Nato diesen Streit hinter sich lassen. Das lange umstrittene “Burden Sharing” solle dann kein Thema mehr sein, sagte ein Diplomat. Nun zeige sich, dass die Europäer ihre Lektion gelernt hätten und sich in die richtige Richtung bewegten.
Eine zunehmend wichtige Rolle kommt dabei Deutschland zu. Das größte EU-Land sei bereit, eine Führungsrolle in der Nato zu spielen, sagte Pistorius. Schon jetzt sei Deutschland die “logistische Drehscheibe” in Europa. “Damit übernehmen wir Führungsaufgaben.”
Als Erfolg wertet es Pistorius auch, dass sich Griechenland und die Türkei der deutschen Initiative für eine gemeinsame Luftverteidigung in Europa anschließen. Die Initiative European Sky Shield (ESSI) hat nun 21 Mitglieder. Pistorius bezeichnete sie als “Erfolgsgeschichte”.
Die großen EU-Länder Frankreich, Italien und Polen sind allerdings weiter nicht dabei. Rom und Paris fürchten, dass ESSI das von Frankreich geführte Frühwarn- und Abfangsystem Twister gefährden könnte. Bei der Luftverteidigung sind die Reihen noch nicht geschlossen; dennoch nimmt der “europäische Pfeiler” in der Nato langsam Gestalt an. ebo
Wenn der andauernde russische Angriffskrieg in der Ukraine eines gezeigt hat, dann das: Das Gefechtsfeld ist gläsern – und digital: Durch Drohnen-Bilder, GPS-Daten und Social-Media-Posts auch von Zivilisten kann der Gegner in Echtzeit verortet werden. Entscheidend für ein umfassendes Lagebild sind aber auch die Bedingungen vor Ort. Dafür hat der Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBw) gestern im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz eine neue Software vorgestellt: die sogenannte “Crowd Information Platform” (CIP). “Für eine Informationsüberlegenheit auf dem Gefechtsfeld ist es wichtig, die aktuellen Geofaktoren zur Verfügung zu haben. Das entscheidet über Erfolg oder Misserfolg einer Mission”, erklärt Sven Weizenegger, Leiter des CIHBw, im Gespräch mit Table.Media.
Diese “Eyes on the Ground” können wichtige Informationen für die Erstellung eines effizienten Lagebilds liefern: Wie ist die Beschaffenheit des Bodens, damit ein schwerer Panzer wie der Leopard 2A6 fahren kann? Oder: Wie ist der Zustand der Infrastruktur, ist zum Beispiel eine Straße durch Regenfälle unterspült? “Die so gewonnen Daten können dynamisch analysiert und visualisiert werden, um eine zielgerichtete und effiziente Auswertung – auch unter Zeitdruck – sicherzustellen”.
Für dieses Projekt arbeitet der CIHBw mit dem Münchner Start-up Innovation Labs zusammen. Die Plattform durchforstet “gezielt das Internet, mit Schwerpunkt auf Social-Media-Plattformen wie X, Facebook und Telegram, auf relevante Informationen”. Gesucht wird nach öffentlich zugänglichen Daten. Entscheidend dabei ist der Einsatz von KI, mit deren Hilfe die “öffentlich zugänglichen Bilder, Videos und Blogbeiträge auswertet werden”.
Laut CIHBw, bei dem zur Hälfte Soldaten und Zivilisten arbeiten, befindet sich das Projekt derzeit in der Testphase. “Wir erproben die technische Umsetzbarkeit. Ob und vor allem auch wann ein solches System in die Bundeswehr eingeführt wird, liegt nicht im Verantwortungsbereich des CIHBw. Das Gleiche gilt für die Klärung der völkerrechtlichen Fragen.” Bis heute ist die Verwendung von Informationen, die von zivilen Personen kommen, also zum Beispiel Bilder von Truppenbewegungen in sozialen Medien, nicht rechtlich geklärt. Dieser Bereich gilt als juristische Grauzone. “Wir müssen allerdings die technischen Möglichkeiten antizipieren, auch bevor eine solche Debatte begonnen hat”, meint CIHBw-Chef Weizenegger. nana
Die Zeit: “Eine solche Zerstörung in so kurzer Zeit gab es noch nie.” Nukleare Bedrohungen, der Klimawandel und eine unkontrollierte Entwicklung von KI sind UN-Generalsekretär António Guterres zufolge aktuell die größten sicherheitspolitischen Risiken. Sie zu bewältigen sei schwierig, gerade jetzt, wo die Welt “tief gespalten” ist. Im Interview spricht der Diplomat über die Zukunft der UNRWA und die Macht dramatischer Rhetorik.
The Norwegian Intelligence Service: Focus 2024. Die Norwegischen Geheimdienste zeichnen in ihrem jährlichen Sicherheitsbericht ein düsteres Bild mit Blick auf die Entwicklungen in der Ukraine und analysieren, wie sowohl Russland als auch China ihre revisionistische Agenda gezielt und teilweise gemeinsam verfolgen.
Die Zeit: Braucht Europa die Bombe? Donald Trump macht Kampagne gegen die Nato – für Deutschland ein Moment strategischer Verwundbarkeit. Hier stellen sich Fragen: Was tun, wenn der nukleare Schutzschirm der USA eingeklappt wird? Gäbe es eine europäische Alternative? Zum Beispiel in Gestalt der französischen Nuklearwaffen? Gedankenspiele über eine europäische atomare Abschreckung werden lauter.
Das Erste: 20 Tage in Mariupol. Der Oscar-nominierte Dokumentarfilm “20 Tage in Mariupol” ist die nächsten drei Monate in der “Das Erste”-Mediathek verfügbar. Pulitzer-Preisträger Mstyslav Chernov und ein ukrainisches AP-Journalisten-Team dokumentieren darin die Gräueltaten der russischen Invasion. Als einzige internationale Reporter vor Ort halten sie entscheidende Kriegsbilder fest.
TAZ: Ausbau der Festung Ägypten. Kairo verstärkt die Grenze zwischen Gaza und Ägypten und rüstet sich so für einen Massenansturm im Falle einer Bodenoffensive in Rafah. Ob die Grenze diesem standhalten würde, ist allerdings fraglich. Berichten zufolge habe Ägypten hinter den Kulissen sogar mit einer Aussetzung seines Friedensvertrags mit Israel gedroht, sollte dessen Militär in Rafah eindringen.
Deutschlands Sicherheit ist hybrid in allen Facetten bedroht. Deshalb ist es erforderlich, dass Deutschland einen Operationsplan (OPLAN DEU) für seine Gesamtverteidigung erarbeitet, der Sicherheit integriert betrachtet. Insofern kommt der zivil-militärischen Zusammenarbeit eine besondere Bedeutung zu. Die Bundeswehr ist in der Zusammenarbeit mit Ländern und Kommunen bereits geübt und hat Erfahrung bei Katastrophen wie Hochwasser oder im Rahmen der Amtshilfe wie während der Pandemie. Dennoch braucht eine Strategie für die Gesamtverteidigung mehr, sie muss viel umfassender sein und Sicherheit ganzheitlich erfassen.
Es kommt hier vor allem auch auf das Zusammenspiel mit zivilen, nicht-staatlichen Akteuren und insbesondere solchen, die zur kritischen Infrastruktur gehören, an. Diese kritische Infrastruktur ist im Rahmen der hybriden Kriegsführung besonders betroffen und somit sind personell all jene gefragt, die dort beschäftigt sind. Hier gibt es kaum Erfahrung und wenig geübte Zusammenarbeit mit dem Militär.
Bevölkerungs- und Katastrophenschutz beruht in Deutschland vorrangig auf ehrenamtlichen Strukturen, die aber für hybride Bedrohungslagen finanziell wie materiell nicht ausreichend aufgestellt sind. Weiterhin fehlt es an der Definition, welche Bereiche überhaupt zur kritischen Infrastruktur gehören, wie die entsprechenden Schutzvorkehrungen getroffen werden müssen, welche Dienstleistungen dazugehören und welche Berufsgruppen im Rahmen einer zivilen Verteidigung und zivil-militärischen Kooperation besonders sensibilisiert werden müssen.
Grundvoraussetzung für eine Gesamtverteidigung ist es, zunächst eine Gesamtbedrohungsrechnung aufzustellen, von der aus Erfordernisse für Strukturen, rechtliche Änderungen und Fähigkeiten abgeleitet werden. Eine solche stellt beispielsweise die Schweiz mit der Nationalen Risikoanalyse von Katastrophen und Notlagen auf.
Daraus folgt die Schaffung von militärischen Fähigkeiten, inklusive militärischer Reserve und Resilienz in der Gesamtgesellschaft sowie ziviler und institutioneller Reserven. Diese Resilienz lebt vor allem von der Sensibilisierung unserer Gesellschaft für die Bedrohungen und vom Mindset, Handlungsbereitschaft und Umpriorisierungen, also auch individuelle Einschränkungen in Kauf zu nehmen, um Resilienz und damit Sicherheit zu erhöhen.
Diese Resilienz haben wir in Deutschland kaum, weil es keine gesellschaftliche Debatte darüber oder auch zu einer Dienstpflicht oder eine Bedrohungsgesamtrechnung gibt und weil die politische Kommunikation völlig unzureichend ist. Der OPLAN DEU sollte dies mitberücksichtigen. Problematisch ist, dass dieser vorrangig von der Exekutive (Territoriales Führungskommando und Vertreter der Bundesländer) erarbeitet wird.
Dies ist im Bereich des Katastrophenschutzes unabdingbar. Allerdings ist Deutschland zunehmend hybriden Bedrohungen ausgesetzt (Desinformation, Cyberangriffe, Sabotage kritischer Infrastruktur insbesondere auch im maritimen Bereich). Hier müssen also zivile Akteure an Bord. Dies setzt die Definition kritischer Infrastruktur und kritischen Personals, sowie den Aufbau strategischer Reserven, voraus. Als Parlament sind wir hierbei nicht eingebunden.
Die größte Hürde der zivil-militärischen Zusammenarbeit ist aus meiner Erfahrung die mangelnde Priorisierung von KRITIS-Schutz-, Resilienz- und Krisenpräventionsmaßnahmen, also der Gesamtverteidigung. Und der Pflicht von Unternehmen und des zivilen Bereichs, sich nicht nur für den Katastrophen- oder Krisenfall zu wappnen, sondern im Zweifel individuelle Interessen hinter die Gesamtverteidigung zu stellen.
Das erfordert zwangsläufig staatliche Vorgaben, welches Personal im Zweifel freigestellt, welche Unternehmen ihre Produktion zeitweise umstellen müssen, welche Mitarbeiter Arbeitszeit erhöhen müssen, weil Deutschland im hybriden Krieg bereits angegriffen ist. Besonders gilt dies aktuell natürlich für die Rüstungsindustrie samt Zulieferer. Hier liegt es am politischen Willen, die militärisch-zivile-industrielle Zusammenarbeit zu verbessern und die Industrie durch Bürgschaften, Finanzierungszusagen und konkrete Aufträge anzukurbeln.
Im Wettbewerb um Fachkräfte reichen allerdings Anreize nicht immer aus, um im zivilen Bereich eine Priorisierung für gesellschaftliche Resilienz und gegen individuelle Profite zu erreichen. Hier muss es also staatliche finanzielle Umpriorisierungen geben. Dies kann auch die Verpflichtung auf einen Gesellschaftsdienst sein oder darauf, Mittel für Resilienz fördernde Maßnahmen freizumachen, denn Umpriorisierung hält sich an den Rahmen der freien und sozialen Marktwirtschaft.
Roderich Kiesewetter sitzt seit 2009 für die CDU im Deutschen Bundestag. Er ist Oberst a. D. der Bundeswehr und war von 2011 bis 2016 Präsident des Verbands der Reservisten der Deutschen Bundeswehr.