Table.Briefing: Security

+++ Table.Alert: Trump überlebt Attentat +++

Liebe Leserin, lieber Leser,

18 Stunden nach den Schüssen auf Donald Trump ist völlig unklar, welche Wucht die Gewalttat auf den US-Wahlkampf haben wird – und welche Konsequenzen den Spitzen des Sicherheitsapparats drohen. Bereits Anfang kommender Woche muss die Direktorin des Secret Service, Kimberley Cheatle, vor dem Oversight Committee des US-Repräsentantenhauses aussagen. So soll rasch geklärt werden, wie der noch am Tatort erschossene mutmaßliche Schütze Thomas Matthew Crooks am Samstagabend auf einer Wahlkampfveranstaltung im US-Bundesstaat Pennsylvania völlig unbedrängt von Sicherheitskräften auf Trump schießen konnte.
In meiner Analyse lesen Sie, wie das Vertrauen in die USA als westliche Führungsmacht durch den Angriff am helllichten Tag weiter erschüttert wird. Nur drei Tage nach Ende des Nato-Jubiläumsgipfels klingen die rhetorischen Signale der Stärke aus Washington plötzlich ziemlich hohl angesichts der augenscheinlichen Unfähigkeit des US-Sicherheitsapparats, die Spitzenpolitiker des einstigen Weltpolizisten angemessen zu schützen. In Moskau, Peking und anderen Zentren der multipolaren Welt wie Istanbul und Delhi wird das mit Aufmerksamkeit registriert.

Ihr
Markus Bickel
Bild von Markus  Bickel

Analyse

Attentat auf Trump: Angriff auf das Herz des Westens

Beamte des Secret Service begleiten Donald Trump von der Wahlkampfbühne in Butler/Pennsylvania.

Montag kommender Woche schon wird Secret-Service-Direktorin Kimberley Cheatle dem Oversight Comittee des US-Repräsentantenhaus in Washington D.C. Rede und Antwort stehen. Die Frage aber, wie es dem vom Federal Bureau of Investigation (FBI) als mutmaßlichen Schützen identifizierten Thomas Matthew Crooks am Samstagabend gelingen konnte, unbedrängt von Sicherheitskräften auf einen der am meisten gefährdeten und am besten geschützten Politiker des Landes zu zielen, wird die USA noch lange beschäftigen – und den ohnehin aufgeheizten Wahlkampf um das höchste Amt im Staat weiter befeuern.

Dabei ist die Linie, die sich vom Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 zu diesem schwarzen Samstag, den 13. Juli, zieht, eine direkte: Trump hat seitdem nichts unversucht gelassen, um Institutionen und Regeln des Rechtsstaats zu unterminieren. Dass die US-Demokratie dreieinhalb Jahre später noch nicht vollends sturmreif geschossen wurde, zeigt, wie resilient sie ist – insbesondere die Justiz hat sich als dritte Säule des US-Präsidialsystems bewährt darin, dem früheren und potenziell künftigen Herrscher im Weißen Haus die Grenzen exekutiven und außeramtlichen Handelns aufzuzeigen.

USA stehen vor neuer Ära politischer Gewalt

43 Jahre nachdem Ronald Reagan 1981 bei einem Attentat in Washington D.C. nur knapp mit dem Leben davon kam, fürchten politische Beobachter bereits eine neue Ära politischer Gewalt in den USAbefeuert vom Brandsturm des Hasses und Misstrauens, den Trump seit seinem ersten Wahlkampf zum Präsidenten 2016 in den sozialen Medien losgetreten hat.

Weshalb der Secret Service nicht vermochte, den Anschlag auf Trump bei einem Wahlkampfauftritt in Butler im US-Bundesstaat Pennsylvania zu verhindern, werden die Ermittlungen zeigen – oder auch nicht. Schon jetzt speisen sich aus dem ikonischen Bild des getroffenen Expräsidenten mit gereckter Faust neue Verschwörungserzählungen seiner Anhänger. Sie werden den Hass, der die sozialen Medien seit Trumps erster Wahl ins Weiße Haus 2016 durchzieht, kaum mindern.

Vertrauen von Verbündeten in USA schwindet weiter

Der Präsident der Eurasia Group, Ian Bremmer, sieht die internationale Führungsrolle der USA durch das Attentat weiter geschwächt. “Alliierte wollen eine stabile US-Demokratie”, sagte er am Sonntag dem US-Briefing-Anbieter Semafor. “Der Attentatsversuch auf Trump spiegelt alles andere als das.” Gegnern des bislang von den USA angeführten Westens böte “sich eine einzigartige Gelegenheit, ihre Desinformations-, Spionage- und andere asymmetrischen Kriegsanstrengungen zu erhöhen.”

Im internationalen Wettstreit zwischen demokratischen und autoritären Systemen ist der Angriff auf Trump nicht nur ein Punktsieg für Putin und Chinas Präsident Xi Jinping, sondern auch für regionale Führungsnationen wie die Türkei, Indien oder Südafrika. In der sich herausbildenden neuen multipolaren Weltordnung stellen die Mittelmächte des Globalen Süden die stille Reserve hinter den globalen Hegemonialmächten USA, China und Russland.

Nach Nato-Gipfel weiterer Weckruf für Europa

Für die Europäische Union bedeuten die Schüsse auf Trump am helllichten Tag einen weiteren Weckruf. Schon das Attentat auf den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico im Mai hat gezeigt, dass in den schwachen Demokratien an der Peripherie der EU mafiöse Strukturen leichtes Spiel haben. Weil die Institutionen in den früheren kommunistischen Staaten Osteuropas 35 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs vielerorts noch immer nicht die Stabilität besitzen wie die ihrer westeuropäischen Nachbarn, stößt die hybride Kriegsführung russischer Geheimdienste hier auf einen perfekten Nährboden.

Der nächste Test für die EU steht schon in zwei Wochen an. Dann beginnen in Paris die Olympischen Sommerspiele. Neben den 45.000 Polizisten und Gendarmen sollen bis zum 11. August etwa 18.000 Soldaten eingesetzt werden. Ein Anschlag auf den Hochsicherheitsevent wäre der größte anzunehmende Unfall für den angeschlagenen Präsidenten Emmanuel Macron. Zeit durchzuatmen bleibt ihm und den anderen europäischen Nato-Partnern US-Präsident Joe Bidens nach dem Attentatsversuch auf der anderen Seite des Atlantiks aber nicht. Denn auch wenn das erste sportliche Großereignis dieses Sommers bis zum Anpfiff des EM-Finales am Abend in Berlin ohne schwerere Sicherheitsvorkommnisse verlief, warten die Gegner der regelbasierten Weltordnung nur darauf, andernorts zuzuschlagen.

  • Donald Trump
  • Olympia
  • Sicherheitspolitik
  • Trump 2024
  • USA

Security.Table Redaktion

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    18 Stunden nach den Schüssen auf Donald Trump ist völlig unklar, welche Wucht die Gewalttat auf den US-Wahlkampf haben wird – und welche Konsequenzen den Spitzen des Sicherheitsapparats drohen. Bereits Anfang kommender Woche muss die Direktorin des Secret Service, Kimberley Cheatle, vor dem Oversight Committee des US-Repräsentantenhauses aussagen. So soll rasch geklärt werden, wie der noch am Tatort erschossene mutmaßliche Schütze Thomas Matthew Crooks am Samstagabend auf einer Wahlkampfveranstaltung im US-Bundesstaat Pennsylvania völlig unbedrängt von Sicherheitskräften auf Trump schießen konnte.
    In meiner Analyse lesen Sie, wie das Vertrauen in die USA als westliche Führungsmacht durch den Angriff am helllichten Tag weiter erschüttert wird. Nur drei Tage nach Ende des Nato-Jubiläumsgipfels klingen die rhetorischen Signale der Stärke aus Washington plötzlich ziemlich hohl angesichts der augenscheinlichen Unfähigkeit des US-Sicherheitsapparats, die Spitzenpolitiker des einstigen Weltpolizisten angemessen zu schützen. In Moskau, Peking und anderen Zentren der multipolaren Welt wie Istanbul und Delhi wird das mit Aufmerksamkeit registriert.

    Ihr
    Markus Bickel
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    Analyse

    Attentat auf Trump: Angriff auf das Herz des Westens

    Beamte des Secret Service begleiten Donald Trump von der Wahlkampfbühne in Butler/Pennsylvania.

    Montag kommender Woche schon wird Secret-Service-Direktorin Kimberley Cheatle dem Oversight Comittee des US-Repräsentantenhaus in Washington D.C. Rede und Antwort stehen. Die Frage aber, wie es dem vom Federal Bureau of Investigation (FBI) als mutmaßlichen Schützen identifizierten Thomas Matthew Crooks am Samstagabend gelingen konnte, unbedrängt von Sicherheitskräften auf einen der am meisten gefährdeten und am besten geschützten Politiker des Landes zu zielen, wird die USA noch lange beschäftigen – und den ohnehin aufgeheizten Wahlkampf um das höchste Amt im Staat weiter befeuern.

    Dabei ist die Linie, die sich vom Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 zu diesem schwarzen Samstag, den 13. Juli, zieht, eine direkte: Trump hat seitdem nichts unversucht gelassen, um Institutionen und Regeln des Rechtsstaats zu unterminieren. Dass die US-Demokratie dreieinhalb Jahre später noch nicht vollends sturmreif geschossen wurde, zeigt, wie resilient sie ist – insbesondere die Justiz hat sich als dritte Säule des US-Präsidialsystems bewährt darin, dem früheren und potenziell künftigen Herrscher im Weißen Haus die Grenzen exekutiven und außeramtlichen Handelns aufzuzeigen.

    USA stehen vor neuer Ära politischer Gewalt

    43 Jahre nachdem Ronald Reagan 1981 bei einem Attentat in Washington D.C. nur knapp mit dem Leben davon kam, fürchten politische Beobachter bereits eine neue Ära politischer Gewalt in den USAbefeuert vom Brandsturm des Hasses und Misstrauens, den Trump seit seinem ersten Wahlkampf zum Präsidenten 2016 in den sozialen Medien losgetreten hat.

    Weshalb der Secret Service nicht vermochte, den Anschlag auf Trump bei einem Wahlkampfauftritt in Butler im US-Bundesstaat Pennsylvania zu verhindern, werden die Ermittlungen zeigen – oder auch nicht. Schon jetzt speisen sich aus dem ikonischen Bild des getroffenen Expräsidenten mit gereckter Faust neue Verschwörungserzählungen seiner Anhänger. Sie werden den Hass, der die sozialen Medien seit Trumps erster Wahl ins Weiße Haus 2016 durchzieht, kaum mindern.

    Vertrauen von Verbündeten in USA schwindet weiter

    Der Präsident der Eurasia Group, Ian Bremmer, sieht die internationale Führungsrolle der USA durch das Attentat weiter geschwächt. “Alliierte wollen eine stabile US-Demokratie”, sagte er am Sonntag dem US-Briefing-Anbieter Semafor. “Der Attentatsversuch auf Trump spiegelt alles andere als das.” Gegnern des bislang von den USA angeführten Westens böte “sich eine einzigartige Gelegenheit, ihre Desinformations-, Spionage- und andere asymmetrischen Kriegsanstrengungen zu erhöhen.”

    Im internationalen Wettstreit zwischen demokratischen und autoritären Systemen ist der Angriff auf Trump nicht nur ein Punktsieg für Putin und Chinas Präsident Xi Jinping, sondern auch für regionale Führungsnationen wie die Türkei, Indien oder Südafrika. In der sich herausbildenden neuen multipolaren Weltordnung stellen die Mittelmächte des Globalen Süden die stille Reserve hinter den globalen Hegemonialmächten USA, China und Russland.

    Nach Nato-Gipfel weiterer Weckruf für Europa

    Für die Europäische Union bedeuten die Schüsse auf Trump am helllichten Tag einen weiteren Weckruf. Schon das Attentat auf den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico im Mai hat gezeigt, dass in den schwachen Demokratien an der Peripherie der EU mafiöse Strukturen leichtes Spiel haben. Weil die Institutionen in den früheren kommunistischen Staaten Osteuropas 35 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs vielerorts noch immer nicht die Stabilität besitzen wie die ihrer westeuropäischen Nachbarn, stößt die hybride Kriegsführung russischer Geheimdienste hier auf einen perfekten Nährboden.

    Der nächste Test für die EU steht schon in zwei Wochen an. Dann beginnen in Paris die Olympischen Sommerspiele. Neben den 45.000 Polizisten und Gendarmen sollen bis zum 11. August etwa 18.000 Soldaten eingesetzt werden. Ein Anschlag auf den Hochsicherheitsevent wäre der größte anzunehmende Unfall für den angeschlagenen Präsidenten Emmanuel Macron. Zeit durchzuatmen bleibt ihm und den anderen europäischen Nato-Partnern US-Präsident Joe Bidens nach dem Attentatsversuch auf der anderen Seite des Atlantiks aber nicht. Denn auch wenn das erste sportliche Großereignis dieses Sommers bis zum Anpfiff des EM-Finales am Abend in Berlin ohne schwerere Sicherheitsvorkommnisse verlief, warten die Gegner der regelbasierten Weltordnung nur darauf, andernorts zuzuschlagen.

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