+++ Table.Alert – Putschversuch in Russland: „Schlimmste Krise sei den 90er Jahren“ +++
Liebe Leserin, lieber Leser,
Wladimir Putin war ganz offensichtlich überwältigt vom Putschversuch seines ihm lange treuen Gefährten Jewgeni Prigoschin. Mehr als zwölf Stunden dauerte es, ehe sich der russische Präsident heute Früh um kurz nach 9 Uhr Moskauer Zeit an sein Volk wandte. Putin bemühte historische Parallelen, erinnerte an 1917, als ein innerer Verrat das zaristische Russland in eine Krise – die Revolution – stürzte: “Es kam zum Bürgerkrieg. Russen töteten Russen, Brüder töteten Brüder.” Putin warnte Bevölkerung und Sicherheitskräfte mit Blick auf die Vergangenheit davor, sich dem Putsch um Prigoschin anzuschließen – und drohte den “Verrätern”.
Nach 16 Monaten Krieg in der Ukraine haben Prigoschin und Putin miteinander gebrochen. Der Konflikt zwischen dem Chef der Söldnertruppe Wagner und der russischen Führung ist nun ein nationaler, kein auf eine Kriegsregion begrenzter mehr. Prigoschin hält die russische Millionen-Stadt Rostow unweit des Asowschen Meeres als Geisel. Er fordert die Absetzung der Spitze des Verteidigungsministeriums um Sergej Schoigu. Widerstand hat er bisher nur mäßig erfahren; auf den Straßen in Rostow solidarisieren sich die Menschen mit seiner Truppe. Seine Männer sind kriegserfahren und bestens bewaffnet.
Der Krisenstab der Bundesregierung tagt zur Stunde im Auswärtigen Amt – unter Leitung von Staatssekretär Andreas Michaelis. Ich habe den Russland-Experten Alexey Yusupovvon der Friedrich-Ebert-Stiftung gefragt, wie groß die Gefahr für das Regime in der aktuellen Lage ist. Prigoschins Einfluss habe in den sozialen Netzen durch seine ausgeklügelte Kommunikationsstrategie zwar viel Einfluss, sagt Yusupov. Ausschlaggebend für den Ausgang des Machtkampfs aber werde sein, wie sich die Sicherheitsorgane und das Militär positionieren.
Wir wünschen Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre
Ihr Viktor Funk
Analyse
Putschversuch in Russland – “Es ist die tiefste politische Krise seit den 90er Jahren”
Wagner-Söldner in Rostow, wo sie die Militärverwaltung unter ihre Kontrolle gebracht haben.
Herr Yusupov, der alte Konflikt zwischen Prigoschin und der russischen Armeeführung ist eskaliert. Gibt es eine ähnliche Spaltung auch in der Gesellschaft, kann Prigoschin ernsthaft davon ausgehen, dass sein Putsch auf Unterstützung in der Gesellschaft stößt?
In den vergangenen Monaten schien der Konflikt zwischen Prigoschin und dem Verteidigungsministerium sich vor allem um logistische Fragen wie Munition, Nachschub und medizinische Versorgung zu drehen. Gesamtgesellschaftlich war das nicht relevant. Das hat sich jetzt geändert: Trotz der persönlichen Verbindungen und der Loyalität von früher lässt Putin Prigoschin fallen. Auf der anderen Seite hat sich Prigoschin in seiner Antwort auf Putins Rede auch klar positioniert. Er hat eine Linie gezogen zwischen den heldenhaften Kämpfern an der Front, die seiner Ansicht nach im Sinne des Vaterlandes handeln, und auf der anderen Seite den korrupten Bürokraten, die sich nicht nur jetzt im Krieg als Volksverräter offenbart haben, sondern insgesamt dem Land schaden. Das ist eine neue Konfliktlinie. Damit übernimmt Prigoschin eine nationalistische Erzählung, nach der die russische Regierung nicht im Sinne des russischen Volkes handelt. Diese Erzählung ist anschlussfähig, und zwar nicht nur in den nationalistischen Kreisen, sondern auch in Teilen der Bevölkerung, die in einem Antagonismus mit der Regierung leben. Sie wissen, die große Politik ist weit weg, sie verteilt Gelder nach mafiösen Prinzipien und das Beste wäre, sich von ihr fernzuhalten. Je mehr Prigoschin in diese Richtung geht, die politische Elite um Wladimir Putin insgesamt als Volksverräter zu bezeichnen, desto stärker wird er die Spaltung in der Gesellschaft vertiefen.
Putin wirft Prigoschin Verrat vor, er fällt damit klar ein Urteil über ihn. Kann sich Putin aber auch der Loyalität seiner Armee, des FSB und der Nationalgarde sicher sein?
Das ist die große Frage. Nichts fürchten Geheimdienstregime mehr als populäre Kriegsherren. Das war immer ein Problem für Putins Regime. Zum Beispiel wie einst bei dem sehr populären General Lebed, der 1996 sogar Präsidentschaftskandidat war und 2002 bei einem mysteriösen Hubschrauberabsturz ums Leben kam – so eine Person würde mehrere Legitimitäten verbinden, sowohl die staatsmännische wie auch die militärisch-heroische. Weder Putin noch Schoigu und auch kein anderer Vertreter der FSB-Spitze haben sie. Populäre Kriegsherren und Feldkommandeure sind in der russischen Gesellschaft aufgrund der besonderen Erzählung vom Großen Vaterländischen Krieg und wegen einer besonderen Vorstellung von Männlichkeit sehr anschlussfähig. Im Gegensatz zu Putin hat Prigoschin dieses Image aufgebaut. Dazu gehört auch seine direkte Kommunikation via Telegram. Und das ist wahrscheinlich der erste Putsch, der in einer App angekündigt wird und eine unglaubliche Reichweite erringt. Prigoschin muss keinen Fernsehsender einnehmen, keine Radiostation besetzen, er braucht keine Druckerei für Flugblätter. Er schickt eine Sprachnachricht via Telegram und jeder russische Polizist, Beamte, Soldat kann das problemlos abhören. Und niemand muss gerade fürchten, dass das geahndet wird.
Alexey Yusupov leitet das Russland-Programm der FES.
Was erreicht er damit?
Prigoschin hat damit direkten Zugang zu den Mitgliedern der Sicherheitsorgane. Während wir reden hat sein Telegram-Kanal mehr als 860.000 Abonnenten. Die zentralen Fragen sind deshalb: Wie viele teilen seine Position? Wie viele schließen sich ihm an? Wie viele sind so verunsichert, dass sie sich ihm zumindest nicht in den Weg stellen? Der Sieg für Prigoschin bestünde nicht darin, dass sich scharenweise Kräfte aus der Polizei, der Armee oder der Nationalgarde ihm anschließen, sondern darin, dass sie sich zurückhalten. Das ist durchaus möglich. Auf der anderen Seite sind da die Hardliner im FSB, die schon lange ein Problem damit hatten, dass Putin seine Loyalitätssphäre jenseits der professionellen Geheimdienste ausweitete. Prigoschin ist ja trotz der Nähe zu Putin kein Geheimdienstler. Was also folgen wird, wenn es Putin gelingt, diesen Aufstand niederzuschlagen, ist eine Säuberungswelle. Der Loyalitätszirkel wird enger. Die Hardliner werden die vermeintlich Unzuverlässigen in der politischen Elite, im Militär, im öffentlichen Raum zu beseitigen versuchen, sie aus ihren Funktionen entfernen oder sie verhaften, oder sie sich ihrer ganz entledigen. Wir werden eine Verschärfung des polizeistaatlichen Charakters des Systems sehen.
Sie waren gerade in Russland, wie würden Sie den Blick der russ. Bevölkerung auf Wagner-Söldner beschreiben?
Zwei Dinge fallen auf: Tatsächlich ist Prigoschins Bekanntheit inzwischen enorm. Wenn Sie zum Beispiel in der Moskauer Metro fahren, sehen sie Wagner-Werbeplakate, über dort abgebildete QR-Codes treten sie mit Wagner in Kontakt, chatten mit einem Bot, können prüfen lassen, ob Sie von Wagner potenziell rekrutiert werden können. Das zweite ist: Wagner macht keine Werbung mit patriotischer Propaganda. Das macht das Verteidigungsministerium. Wagner geht anders vor, macht Werbung mit dem Bild eines Profi-Killers. Das ist etwas, was die jüngere Bevölkerung aus Hollywood-Filmen kennt. Wagner zeigt einen Mann, dessen Missionen sich ändern, ihn mal nach Syrien führen, mal nach Mali. Es ist egal, gegen wen sie als Wagner-Soldat kämpfen, das Image ist nicht das eines Vaterlandverteidigers. Es ist das Image eines hochprofessionellen, skrupellosen, amoralischen Killers. Und das ist sehr anschlussfähig in dieser Gesellschaft, in die sich die Kombination aus Geld und kaltblütige Professionalität als ein Charakteristikum eingebrannt hat.
Russland hat nach 1991 schon zwei Putsch-Situationen gehabt, der eine führte zum Ende der Sowjetunion, der andere 1993 wurde blutig abgewendet. Wie bewerten Sie die Lage jetzt?
Zum ersten Mal seit 20 Jahren hat der Kreml die Initiative bei den Fragen der inneren Sicherheit verloren. Seit dem Ende des zweiten tschetschenischen Krieges entscheidet nun jemand anderes als der Kreml, wie sicher oder unsicher es heute in den Kerngebieten Russlands ist. Die Regierung Putins hat gleich mehrere wesentliche Probleme mit den Elementen von Staatlichkeit: beim Gewaltmonopol, bei der Grenzkontrolle im Süden des Landes zur Ukraine und bei der Bevölkerung, weil sie durch das Austeilen von russischen Pässen in besetzten ukrainischen Gebieten nicht wissen, wer sich jetzt im eigenen Land befindet. Es ist die tiefste politische Krise, in der Russland seit den 90er Jahren war.
Alexey Yusupov war für die Friedrich-Ebert-Stiftung bereits in Kasachstan, Myanmar und Afghanistan. Kurz vor dem russischen Überfall auf die Ukraine wurde er Leiter des Russland-Programms der FES. Der in Moskau geborene Yusupov ist regelmäßig im Land und kehre erst in dieser Woche aus Russland zurück. Mehr über Alexey Yusopov erfahren Sie im Porträt über ihn.
Wladimir Putin war ganz offensichtlich überwältigt vom Putschversuch seines ihm lange treuen Gefährten Jewgeni Prigoschin. Mehr als zwölf Stunden dauerte es, ehe sich der russische Präsident heute Früh um kurz nach 9 Uhr Moskauer Zeit an sein Volk wandte. Putin bemühte historische Parallelen, erinnerte an 1917, als ein innerer Verrat das zaristische Russland in eine Krise – die Revolution – stürzte: “Es kam zum Bürgerkrieg. Russen töteten Russen, Brüder töteten Brüder.” Putin warnte Bevölkerung und Sicherheitskräfte mit Blick auf die Vergangenheit davor, sich dem Putsch um Prigoschin anzuschließen – und drohte den “Verrätern”.
Nach 16 Monaten Krieg in der Ukraine haben Prigoschin und Putin miteinander gebrochen. Der Konflikt zwischen dem Chef der Söldnertruppe Wagner und der russischen Führung ist nun ein nationaler, kein auf eine Kriegsregion begrenzter mehr. Prigoschin hält die russische Millionen-Stadt Rostow unweit des Asowschen Meeres als Geisel. Er fordert die Absetzung der Spitze des Verteidigungsministeriums um Sergej Schoigu. Widerstand hat er bisher nur mäßig erfahren; auf den Straßen in Rostow solidarisieren sich die Menschen mit seiner Truppe. Seine Männer sind kriegserfahren und bestens bewaffnet.
Der Krisenstab der Bundesregierung tagt zur Stunde im Auswärtigen Amt – unter Leitung von Staatssekretär Andreas Michaelis. Ich habe den Russland-Experten Alexey Yusupovvon der Friedrich-Ebert-Stiftung gefragt, wie groß die Gefahr für das Regime in der aktuellen Lage ist. Prigoschins Einfluss habe in den sozialen Netzen durch seine ausgeklügelte Kommunikationsstrategie zwar viel Einfluss, sagt Yusupov. Ausschlaggebend für den Ausgang des Machtkampfs aber werde sein, wie sich die Sicherheitsorgane und das Militär positionieren.
Wir wünschen Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre
Ihr Viktor Funk
Analyse
Putschversuch in Russland – “Es ist die tiefste politische Krise seit den 90er Jahren”
Wagner-Söldner in Rostow, wo sie die Militärverwaltung unter ihre Kontrolle gebracht haben.
Herr Yusupov, der alte Konflikt zwischen Prigoschin und der russischen Armeeführung ist eskaliert. Gibt es eine ähnliche Spaltung auch in der Gesellschaft, kann Prigoschin ernsthaft davon ausgehen, dass sein Putsch auf Unterstützung in der Gesellschaft stößt?
In den vergangenen Monaten schien der Konflikt zwischen Prigoschin und dem Verteidigungsministerium sich vor allem um logistische Fragen wie Munition, Nachschub und medizinische Versorgung zu drehen. Gesamtgesellschaftlich war das nicht relevant. Das hat sich jetzt geändert: Trotz der persönlichen Verbindungen und der Loyalität von früher lässt Putin Prigoschin fallen. Auf der anderen Seite hat sich Prigoschin in seiner Antwort auf Putins Rede auch klar positioniert. Er hat eine Linie gezogen zwischen den heldenhaften Kämpfern an der Front, die seiner Ansicht nach im Sinne des Vaterlandes handeln, und auf der anderen Seite den korrupten Bürokraten, die sich nicht nur jetzt im Krieg als Volksverräter offenbart haben, sondern insgesamt dem Land schaden. Das ist eine neue Konfliktlinie. Damit übernimmt Prigoschin eine nationalistische Erzählung, nach der die russische Regierung nicht im Sinne des russischen Volkes handelt. Diese Erzählung ist anschlussfähig, und zwar nicht nur in den nationalistischen Kreisen, sondern auch in Teilen der Bevölkerung, die in einem Antagonismus mit der Regierung leben. Sie wissen, die große Politik ist weit weg, sie verteilt Gelder nach mafiösen Prinzipien und das Beste wäre, sich von ihr fernzuhalten. Je mehr Prigoschin in diese Richtung geht, die politische Elite um Wladimir Putin insgesamt als Volksverräter zu bezeichnen, desto stärker wird er die Spaltung in der Gesellschaft vertiefen.
Putin wirft Prigoschin Verrat vor, er fällt damit klar ein Urteil über ihn. Kann sich Putin aber auch der Loyalität seiner Armee, des FSB und der Nationalgarde sicher sein?
Das ist die große Frage. Nichts fürchten Geheimdienstregime mehr als populäre Kriegsherren. Das war immer ein Problem für Putins Regime. Zum Beispiel wie einst bei dem sehr populären General Lebed, der 1996 sogar Präsidentschaftskandidat war und 2002 bei einem mysteriösen Hubschrauberabsturz ums Leben kam – so eine Person würde mehrere Legitimitäten verbinden, sowohl die staatsmännische wie auch die militärisch-heroische. Weder Putin noch Schoigu und auch kein anderer Vertreter der FSB-Spitze haben sie. Populäre Kriegsherren und Feldkommandeure sind in der russischen Gesellschaft aufgrund der besonderen Erzählung vom Großen Vaterländischen Krieg und wegen einer besonderen Vorstellung von Männlichkeit sehr anschlussfähig. Im Gegensatz zu Putin hat Prigoschin dieses Image aufgebaut. Dazu gehört auch seine direkte Kommunikation via Telegram. Und das ist wahrscheinlich der erste Putsch, der in einer App angekündigt wird und eine unglaubliche Reichweite erringt. Prigoschin muss keinen Fernsehsender einnehmen, keine Radiostation besetzen, er braucht keine Druckerei für Flugblätter. Er schickt eine Sprachnachricht via Telegram und jeder russische Polizist, Beamte, Soldat kann das problemlos abhören. Und niemand muss gerade fürchten, dass das geahndet wird.
Alexey Yusupov leitet das Russland-Programm der FES.
Was erreicht er damit?
Prigoschin hat damit direkten Zugang zu den Mitgliedern der Sicherheitsorgane. Während wir reden hat sein Telegram-Kanal mehr als 860.000 Abonnenten. Die zentralen Fragen sind deshalb: Wie viele teilen seine Position? Wie viele schließen sich ihm an? Wie viele sind so verunsichert, dass sie sich ihm zumindest nicht in den Weg stellen? Der Sieg für Prigoschin bestünde nicht darin, dass sich scharenweise Kräfte aus der Polizei, der Armee oder der Nationalgarde ihm anschließen, sondern darin, dass sie sich zurückhalten. Das ist durchaus möglich. Auf der anderen Seite sind da die Hardliner im FSB, die schon lange ein Problem damit hatten, dass Putin seine Loyalitätssphäre jenseits der professionellen Geheimdienste ausweitete. Prigoschin ist ja trotz der Nähe zu Putin kein Geheimdienstler. Was also folgen wird, wenn es Putin gelingt, diesen Aufstand niederzuschlagen, ist eine Säuberungswelle. Der Loyalitätszirkel wird enger. Die Hardliner werden die vermeintlich Unzuverlässigen in der politischen Elite, im Militär, im öffentlichen Raum zu beseitigen versuchen, sie aus ihren Funktionen entfernen oder sie verhaften, oder sie sich ihrer ganz entledigen. Wir werden eine Verschärfung des polizeistaatlichen Charakters des Systems sehen.
Sie waren gerade in Russland, wie würden Sie den Blick der russ. Bevölkerung auf Wagner-Söldner beschreiben?
Zwei Dinge fallen auf: Tatsächlich ist Prigoschins Bekanntheit inzwischen enorm. Wenn Sie zum Beispiel in der Moskauer Metro fahren, sehen sie Wagner-Werbeplakate, über dort abgebildete QR-Codes treten sie mit Wagner in Kontakt, chatten mit einem Bot, können prüfen lassen, ob Sie von Wagner potenziell rekrutiert werden können. Das zweite ist: Wagner macht keine Werbung mit patriotischer Propaganda. Das macht das Verteidigungsministerium. Wagner geht anders vor, macht Werbung mit dem Bild eines Profi-Killers. Das ist etwas, was die jüngere Bevölkerung aus Hollywood-Filmen kennt. Wagner zeigt einen Mann, dessen Missionen sich ändern, ihn mal nach Syrien führen, mal nach Mali. Es ist egal, gegen wen sie als Wagner-Soldat kämpfen, das Image ist nicht das eines Vaterlandverteidigers. Es ist das Image eines hochprofessionellen, skrupellosen, amoralischen Killers. Und das ist sehr anschlussfähig in dieser Gesellschaft, in die sich die Kombination aus Geld und kaltblütige Professionalität als ein Charakteristikum eingebrannt hat.
Russland hat nach 1991 schon zwei Putsch-Situationen gehabt, der eine führte zum Ende der Sowjetunion, der andere 1993 wurde blutig abgewendet. Wie bewerten Sie die Lage jetzt?
Zum ersten Mal seit 20 Jahren hat der Kreml die Initiative bei den Fragen der inneren Sicherheit verloren. Seit dem Ende des zweiten tschetschenischen Krieges entscheidet nun jemand anderes als der Kreml, wie sicher oder unsicher es heute in den Kerngebieten Russlands ist. Die Regierung Putins hat gleich mehrere wesentliche Probleme mit den Elementen von Staatlichkeit: beim Gewaltmonopol, bei der Grenzkontrolle im Süden des Landes zur Ukraine und bei der Bevölkerung, weil sie durch das Austeilen von russischen Pässen in besetzten ukrainischen Gebieten nicht wissen, wer sich jetzt im eigenen Land befindet. Es ist die tiefste politische Krise, in der Russland seit den 90er Jahren war.
Alexey Yusupov war für die Friedrich-Ebert-Stiftung bereits in Kasachstan, Myanmar und Afghanistan. Kurz vor dem russischen Überfall auf die Ukraine wurde er Leiter des Russland-Programms der FES. Der in Moskau geborene Yusupov ist regelmäßig im Land und kehre erst in dieser Woche aus Russland zurück. Mehr über Alexey Yusopov erfahren Sie im Porträt über ihn.