Table.Briefing: Security

+++ Table.Alert: Nasrallah bei israelischem Luftangriff getötet +++

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich saß gerade im Taxi zum Flughafen Ben Gurion, als die Nachricht vom israelischen Angriff auf das Hisbollah-Hauptquartier gestern Abend über die Agenturen lief. 18 Stunden später hat die Hisbollah bestätigt, was als Erstes das israelische Militär behauptete: Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah sei bei dem Angriff im Süden der libanesischen Hauptstadt Beirut getötet worden.

In meiner Analyse beschreibe ich, was der Verlust Nasrallahs für Irans Achse des Widerstands aus Milizen von Jemen über Irak und Syrien bis Libanon bedeutet – und ob die Hisbollah ohne ihre wichtigsten Führungskommandeure gegen Israel militärisch je wieder die Initiative erlangen kann.

Aus Berlin wünsche ich Ihnen ein gutes Wochenende,

Ihr
Markus Bickel
Bild von Markus  Bickel

Analyse

Die Tötung Nasrallahs trifft Irans Achse des Widerstands im Mark

Hassan Nasrallah im März 2004 bei einem seiner seltenen öffentlichen Auftritte.

Die Tötung Hisbollah-Generalsekretärs Hassan Nasrallah in Beirut bedeutet eine Zäsur weit über den aktuellen Konflikt mit Israel hinaus. Der 1960 in Beirut geborene schiitische Milizenführer stand mehr als drei Jahrzehnte an der Spitze der stärksten von Irans Stellvertreterarmeen im Nahen Osten. Am Nachmittag bestätigte die Hisbollah den Tod ihres Anführers. Damit verliert die von Iran geführte Achse des Widerstands aus antiisraelischen Milizen im Jemen, Syrien, Irak, Palästina und Libanon ihren prägendsten politisch-militärischen Akteur.

Das mussten über Jahrzehnte nicht zuletzt die israelischen Streitkräfte erfahren, die bei Freischärlerattacken und Anschlägen der Hisbollah zwischen 1985 und 2000 im Südlibanon mehr als 250 Soldaten verloren. Israels Libanon-Invasion 1982 bildete zudem den Startschuss für den Iran, seine Islamische Revolution zu exportieren. In der Bekaa-Ebene bauten die Revolutionsgarden (Pasdaran) des Obersten Führers Ajatollah Ruhola Chomenei die Hisbollah auf, der es durch anhaltende Guerillaattacken gelang, Israels Ministerpräsident Ehud Barak im Mai 2000 den einseitigen Abzug der israelischen Truppen nach 18 Jahren im Südlibanon zu erklären.

Nasrallah über schiitische Kreise hinaus beliebt

Für Nasrallah bedeutete der israelische Abzug den ersten großen militärischen Erfolg, der ihm Ansehen weit über den Libanon hinaus verschaffte. Sein Ruhm auch unter Sunniten wuchs während des Libanon-Krieges 2006 gegen Israel weiter, als manche in ihm schon einen neuen Gamel Abdel Nasser sahen: Dem ägyptischen Präsidenten war es in den 1960er Jahren gelungen, die Idee eines Panarabismus über Grenzen hinweg in breiten Bevölkerungsschichten populär zu machen.

Aus Sicherheitsgründen hat sich Nasrallah seit 2006 nicht mehr als fünf Mal in der Öffentlichkeit gezeigt. 1992 war sein Vorgänger Abbas al-Musawi bei einem israelischen Hubschrauberangriff getötet worden, danach haben die für Nasrallahs getroffenen hohen Sicherheitsvorkehrungen 22 Jahre lang ausgereicht – bis zum gestrigen Freitagabend.

Hisbollah kündigt an weiterzukämpfen

Welche Lücken das Vakuum an der Spitze der Organisation reißt, ist keine 24 Stunden nach dem mit bunkerbrechenden Bomben durchgeführten israelischen Angriff nicht abzusehen. Am Mittag kündigte die Hisbollah an, auch über den Tod ihres Anführers hinaus den Kampf gegen Israel “zur Unterstützung des Gazastreifens und Palästinas und zur Verteidigung des Libanon und seines standhaften und ehrenhaften Volkes” fortzuführen.

Doch die schweren Schläge, die Israels Militär der Hisbollah in den vergangenen beiden Wochen versetzt hat, haben die Kommandostrukturen der 50.000 Kämpfer starken Miliz empfindlich geschwächt. Schlüsselfiguren im militärischen Netz der Schiitenmiliz sind nicht mehr am Leben, darunter mit Ali Karaki ein weiterer hochrangiger Kommandeur, der bei den schwersten Bombardements auf Beirut seit 2006 vergangene Nacht getötet wurde.   

Irans Nationaler Sicherheitsrat berät über Konsequenzen

Irans Oberster Führer, Ajatollah Ali Khamenei, rief am Vormittag in Teheran den Nationalen Sicherheitsrat zusammen. Der stand erst Ende Juli im Fokus, als Hamas-Anführer Ismail Hanijeh in Teheran getötet worden war. Dass auch damals Israel dahinter stand, gilt als sicher – die Blamage für das Regime in Teheran, ein Gästehaus der Revolutionsgarden nicht sichern zu können, war gewaltig. Deshalb ist der Doppelschlag gegen Hanijeh und Nasrallah in nur zwei Monaten auch ein Angriff in das Herz des iranischen Regimes.

Nicht zu unterschätzen ist der propagandistische Verlust, den der Tod Nasrallahs für die von Iran geführte Achse des Widerstands bedeutet. Zwar beteuerte die Hamas in einer Mitteilung am Samstagmittag, dass “der Widerstand gestärkt” daraus hervorgehe. Doch die Führungsrolle, die Nasrallah durch drei Jahrzehnte an der Spitze der Hisbollah zumindest informell innehatte, wird sich nicht so schnell ersetzen lassen – noch weniger als Hanjijeh. Abdel Malek al-Huthi, Anführer der offiziell Ansar al-Allah genannten jemenitischen Huthis, ist keiner breiteren Öffentlichkeit bekannt – ganz abgesehen davon, dass ihm Charisma und Sprachgewandtheit des Islamgelehrten Nasrallah abgehen.

  • Israel
  • Libanon
  • Nahost
  • Nationaler Sicherheitsrat

Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

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    ich saß gerade im Taxi zum Flughafen Ben Gurion, als die Nachricht vom israelischen Angriff auf das Hisbollah-Hauptquartier gestern Abend über die Agenturen lief. 18 Stunden später hat die Hisbollah bestätigt, was als Erstes das israelische Militär behauptete: Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah sei bei dem Angriff im Süden der libanesischen Hauptstadt Beirut getötet worden.

    In meiner Analyse beschreibe ich, was der Verlust Nasrallahs für Irans Achse des Widerstands aus Milizen von Jemen über Irak und Syrien bis Libanon bedeutet – und ob die Hisbollah ohne ihre wichtigsten Führungskommandeure gegen Israel militärisch je wieder die Initiative erlangen kann.

    Aus Berlin wünsche ich Ihnen ein gutes Wochenende,

    Ihr
    Markus Bickel
    Bild von Markus  Bickel

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    Die Tötung Nasrallahs trifft Irans Achse des Widerstands im Mark

    Hassan Nasrallah im März 2004 bei einem seiner seltenen öffentlichen Auftritte.

    Die Tötung Hisbollah-Generalsekretärs Hassan Nasrallah in Beirut bedeutet eine Zäsur weit über den aktuellen Konflikt mit Israel hinaus. Der 1960 in Beirut geborene schiitische Milizenführer stand mehr als drei Jahrzehnte an der Spitze der stärksten von Irans Stellvertreterarmeen im Nahen Osten. Am Nachmittag bestätigte die Hisbollah den Tod ihres Anführers. Damit verliert die von Iran geführte Achse des Widerstands aus antiisraelischen Milizen im Jemen, Syrien, Irak, Palästina und Libanon ihren prägendsten politisch-militärischen Akteur.

    Das mussten über Jahrzehnte nicht zuletzt die israelischen Streitkräfte erfahren, die bei Freischärlerattacken und Anschlägen der Hisbollah zwischen 1985 und 2000 im Südlibanon mehr als 250 Soldaten verloren. Israels Libanon-Invasion 1982 bildete zudem den Startschuss für den Iran, seine Islamische Revolution zu exportieren. In der Bekaa-Ebene bauten die Revolutionsgarden (Pasdaran) des Obersten Führers Ajatollah Ruhola Chomenei die Hisbollah auf, der es durch anhaltende Guerillaattacken gelang, Israels Ministerpräsident Ehud Barak im Mai 2000 den einseitigen Abzug der israelischen Truppen nach 18 Jahren im Südlibanon zu erklären.

    Nasrallah über schiitische Kreise hinaus beliebt

    Für Nasrallah bedeutete der israelische Abzug den ersten großen militärischen Erfolg, der ihm Ansehen weit über den Libanon hinaus verschaffte. Sein Ruhm auch unter Sunniten wuchs während des Libanon-Krieges 2006 gegen Israel weiter, als manche in ihm schon einen neuen Gamel Abdel Nasser sahen: Dem ägyptischen Präsidenten war es in den 1960er Jahren gelungen, die Idee eines Panarabismus über Grenzen hinweg in breiten Bevölkerungsschichten populär zu machen.

    Aus Sicherheitsgründen hat sich Nasrallah seit 2006 nicht mehr als fünf Mal in der Öffentlichkeit gezeigt. 1992 war sein Vorgänger Abbas al-Musawi bei einem israelischen Hubschrauberangriff getötet worden, danach haben die für Nasrallahs getroffenen hohen Sicherheitsvorkehrungen 22 Jahre lang ausgereicht – bis zum gestrigen Freitagabend.

    Hisbollah kündigt an weiterzukämpfen

    Welche Lücken das Vakuum an der Spitze der Organisation reißt, ist keine 24 Stunden nach dem mit bunkerbrechenden Bomben durchgeführten israelischen Angriff nicht abzusehen. Am Mittag kündigte die Hisbollah an, auch über den Tod ihres Anführers hinaus den Kampf gegen Israel “zur Unterstützung des Gazastreifens und Palästinas und zur Verteidigung des Libanon und seines standhaften und ehrenhaften Volkes” fortzuführen.

    Doch die schweren Schläge, die Israels Militär der Hisbollah in den vergangenen beiden Wochen versetzt hat, haben die Kommandostrukturen der 50.000 Kämpfer starken Miliz empfindlich geschwächt. Schlüsselfiguren im militärischen Netz der Schiitenmiliz sind nicht mehr am Leben, darunter mit Ali Karaki ein weiterer hochrangiger Kommandeur, der bei den schwersten Bombardements auf Beirut seit 2006 vergangene Nacht getötet wurde.   

    Irans Nationaler Sicherheitsrat berät über Konsequenzen

    Irans Oberster Führer, Ajatollah Ali Khamenei, rief am Vormittag in Teheran den Nationalen Sicherheitsrat zusammen. Der stand erst Ende Juli im Fokus, als Hamas-Anführer Ismail Hanijeh in Teheran getötet worden war. Dass auch damals Israel dahinter stand, gilt als sicher – die Blamage für das Regime in Teheran, ein Gästehaus der Revolutionsgarden nicht sichern zu können, war gewaltig. Deshalb ist der Doppelschlag gegen Hanijeh und Nasrallah in nur zwei Monaten auch ein Angriff in das Herz des iranischen Regimes.

    Nicht zu unterschätzen ist der propagandistische Verlust, den der Tod Nasrallahs für die von Iran geführte Achse des Widerstands bedeutet. Zwar beteuerte die Hamas in einer Mitteilung am Samstagmittag, dass “der Widerstand gestärkt” daraus hervorgehe. Doch die Führungsrolle, die Nasrallah durch drei Jahrzehnte an der Spitze der Hisbollah zumindest informell innehatte, wird sich nicht so schnell ersetzen lassen – noch weniger als Hanjijeh. Abdel Malek al-Huthi, Anführer der offiziell Ansar al-Allah genannten jemenitischen Huthis, ist keiner breiteren Öffentlichkeit bekannt – ganz abgesehen davon, dass ihm Charisma und Sprachgewandtheit des Islamgelehrten Nasrallah abgehen.

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