Table.Briefing: Security

+++ Table-Alert: Eskalation in Nahost – Khamenei droht Israel mit Vergeltung für Tötung Hanijas +++

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Tötung von Hamas-Führer Ismail Hanija in der Nacht auf Mittwoch in Teheran macht eine regionale Eskalation in Nahost immer wahrscheinlicher. Irans Oberster Führer Ali Khamenei drohte Israel am Morgen mit einer “harten Bestrafung”. In Jerusalem kommt am Nachmittag das Sicherheitskabinett Ministerpräsident Benjamin Netanjahus zu einer Krisensitzung zusammen.

Zusätzlich verschärft wird die Lage durch den israelischen Angriff auf die mutmaßliche Nummer zwei des libanesischen Hamas-Verbündeten Hisbollah, Fuad Schukr, in Beirut Dienstagabend. Was der Doppelschlag gegen die Spitzen der von Iran angeführten “Achse des Widerstands” bedeutet, lesen Sie in meiner Analyse.

Ihr
Markus Bickel
Bild von Markus  Bickel

Analyse

Irans “Achse des Widerstands” rüstet sich für die nächste Runde

Archivbild: Hamas-Anführer Ismail Hanija ist nach Angaben der Gruppe in Teheran getötet worden.

Die Reaktionen aus Teheran, Beirut und Sanaa waren eindeutig: Der Angriff auf Ismail Hanija, den politischen Führer der Hamas, werde nicht unbeantwortet bleiben, hieß es am Morgen in Stellungnahmen der libanesischen Hisbollah, der Huthi-Rebellen im Jemen und von Irans Präsident Massud Peseschkian. Der Iran werde “seine territoriale Integrität, seine Würde, seine Ehre und seinen Stolz verteidigen und die terroristischen Besatzer dazu bringen, ihre feige Tat zu bereuen”, sagte der erst am Wochenende vereidigte Peseschkian, zu dessen Amtseinführung Hamas-Führer Hanija eigens nach Teheran gekommen war.

Gemeinsam mit schiitischen Milizen im Irak, der Hisbollah und den Huthis gehört die Hamas zur sogenannten Achse des Widerstands, die die Vernichtung Israels zum Ziel hat. Angeführt wird sie vom Iran, der seit der Islamischen Revolution 1979 ein regionales Netzwerk bewaffneter Verbündeter aufgebaut hat. Auch Syriens Präsident Baschar al-Assad unterstützt das antiisraelische Bündnis.

Irans Präsident lässt Reaktion offen

Wie die Reaktion auf die gezielte Tötung Hanijas aussehen werde, ließ Irans Präsident Peseschkian in seiner ersten Stellungnahme offen. Am frühen Mittwochmorgen gegen zwei Uhr war nach übereinstimmenden Berichten ein Geschoss in einem Gästehaus der Regierung im Norden Teherans eingeschlagen, wo Hanija zur Amtseinführung Peseschkians am Sonntag untergebracht war. Nach Angaben iranischer Quellen soll das Gebäude von einem Lenkflugkörper getroffen worden sein, der außerhalb Irans abgeschossen wurde. Hanija war 2017 in die Spitze des Hamas-Politbüros aufgerückt, er pendelte zuletzt zwischen Katar und der Türkei.  

Noch im April, nach dem iranischen Großangriff auf Israel, hatte die Regierung Ministerpräsident Benjamin Netanjahus lediglich mit einem begrenzten Gegenschlag auf eine Militäranlage in Isfahan reagiert. Diplomatischer Druck, vor allem seitens der USA, sorgte offenbar dafür, dass Israel von Angriffen auf iranische Regierungsgebäude absah. Eine regionale Konfrontation, die von Irans Stellvertreterarmeen im Jemen, Libanon und Irak gegen Israels hätte angeführt werden können, konnte so vermieden werden.

Bereits im Januar Angriff auf Beirut

Zumindest zunächst. Denn mit der gezielten Tötung Hanijas und dem Angriff auf den ranghohen Hisbollah-Kommandeur Fuad Schukr am Dienstagabend in Beirut ändert sich das. Ob der Mann, den Israel für den Angriff auf ein Fußballfeld am Wochenende auf den Golanhöhen verantwortlich macht, überlebt hat, war am Mittwochmorgen unklar; die Hisbollah bestätigte lediglich, dass er sich in dem getroffenen Gebäude aufgehalten habe. Erst im Januar war unweit des Angriffsorts im Süden der libanesischen Hauptstadt die Nummer zwei in der Hamas-Hierarchie, Saleh al-Arouri, von Israel getötet worden.

Israel hielt den Süden Libanons von 1978 bis 2000 besetzt; auch nach dem Abzug seiner Truppen überfliegt es trotz Kritik der Vereinten Nationen mit Militärflugzeugen regelmäßig das Land. Sowohl in Beirut wie im Süden des nördlichen Nachbarlandes unterhält es zudem ein gut aufgestelltes Netz an Spitzeln – die Rolle der schiitischen, mit dem Iran verbündeten Hisbollah als “Staat im Staat” sorgt vor allem bei christlichen und sunnitischen Libanesen für Unmut.

Russland, China und Türkei kritisieren Israel scharf

Die Doppelrolle der Hisbollah als lokaler politischer Akteur im Libanon einerseits und Stellvertreterarmee Irans an der Grenze zu Israel andererseits macht die jüngsten Entwicklungen so gefährlich. 2006 führte eine Fehlkalkulation der Hisbollah-Führung um Generalsekretär Hassan Nasrallah dazu, dass Israel in 34 Tagen Krieg viele Gemeinden im Süden des Landes zerstörte und auch das von der Hisbollah kontrollierten Viertel Haret Hreik in Beirut in Schutt und Asche legte. Sollte die “Partei Gottes”, so der Name der Organisation im Arabischen, ihre weitreichenden Raketen nun einsetzen, um Ziele nicht nur im Norden Israels zu treffen, ließe sich eine Eskalation des Konflikts kaum vermeiden.

Das zeigen auch die internationalen Reaktionen am Mittwochmorgen. Nicht nur die Türkei, dessen Präsident Recep Tayyip Erdoğan offen auf Seiten der Hamas steht, verurteilte den Angriff und warnte vor einer Eskalation. Auch China und Russland, das bis zum Angriff der Hamas auf den Süden Israels im Oktober vergangenen Jahres gute Beziehungen zur Regierung in Jerusalem unterhielt, kritisierten das israelische Vorgehen scharf. Die Tötung von Hanija birge die Gefahr weiterer regionaler Instabilität, hieß es in einer Stellungnahme des chinesischen Außenministeriums. Peking hatte zuletzt zwischen der islamistischen Hamas und der säkularen Fatah vermittelt.

  • Benjamin Netanjahu
  • Iran
  • Israel
  • Libanon
  • Naher Osten

Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

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    die Tötung von Hamas-Führer Ismail Hanija in der Nacht auf Mittwoch in Teheran macht eine regionale Eskalation in Nahost immer wahrscheinlicher. Irans Oberster Führer Ali Khamenei drohte Israel am Morgen mit einer “harten Bestrafung”. In Jerusalem kommt am Nachmittag das Sicherheitskabinett Ministerpräsident Benjamin Netanjahus zu einer Krisensitzung zusammen.

    Zusätzlich verschärft wird die Lage durch den israelischen Angriff auf die mutmaßliche Nummer zwei des libanesischen Hamas-Verbündeten Hisbollah, Fuad Schukr, in Beirut Dienstagabend. Was der Doppelschlag gegen die Spitzen der von Iran angeführten “Achse des Widerstands” bedeutet, lesen Sie in meiner Analyse.

    Ihr
    Markus Bickel
    Bild von Markus  Bickel

    Analyse

    Irans “Achse des Widerstands” rüstet sich für die nächste Runde

    Archivbild: Hamas-Anführer Ismail Hanija ist nach Angaben der Gruppe in Teheran getötet worden.

    Die Reaktionen aus Teheran, Beirut und Sanaa waren eindeutig: Der Angriff auf Ismail Hanija, den politischen Führer der Hamas, werde nicht unbeantwortet bleiben, hieß es am Morgen in Stellungnahmen der libanesischen Hisbollah, der Huthi-Rebellen im Jemen und von Irans Präsident Massud Peseschkian. Der Iran werde “seine territoriale Integrität, seine Würde, seine Ehre und seinen Stolz verteidigen und die terroristischen Besatzer dazu bringen, ihre feige Tat zu bereuen”, sagte der erst am Wochenende vereidigte Peseschkian, zu dessen Amtseinführung Hamas-Führer Hanija eigens nach Teheran gekommen war.

    Gemeinsam mit schiitischen Milizen im Irak, der Hisbollah und den Huthis gehört die Hamas zur sogenannten Achse des Widerstands, die die Vernichtung Israels zum Ziel hat. Angeführt wird sie vom Iran, der seit der Islamischen Revolution 1979 ein regionales Netzwerk bewaffneter Verbündeter aufgebaut hat. Auch Syriens Präsident Baschar al-Assad unterstützt das antiisraelische Bündnis.

    Irans Präsident lässt Reaktion offen

    Wie die Reaktion auf die gezielte Tötung Hanijas aussehen werde, ließ Irans Präsident Peseschkian in seiner ersten Stellungnahme offen. Am frühen Mittwochmorgen gegen zwei Uhr war nach übereinstimmenden Berichten ein Geschoss in einem Gästehaus der Regierung im Norden Teherans eingeschlagen, wo Hanija zur Amtseinführung Peseschkians am Sonntag untergebracht war. Nach Angaben iranischer Quellen soll das Gebäude von einem Lenkflugkörper getroffen worden sein, der außerhalb Irans abgeschossen wurde. Hanija war 2017 in die Spitze des Hamas-Politbüros aufgerückt, er pendelte zuletzt zwischen Katar und der Türkei.  

    Noch im April, nach dem iranischen Großangriff auf Israel, hatte die Regierung Ministerpräsident Benjamin Netanjahus lediglich mit einem begrenzten Gegenschlag auf eine Militäranlage in Isfahan reagiert. Diplomatischer Druck, vor allem seitens der USA, sorgte offenbar dafür, dass Israel von Angriffen auf iranische Regierungsgebäude absah. Eine regionale Konfrontation, die von Irans Stellvertreterarmeen im Jemen, Libanon und Irak gegen Israels hätte angeführt werden können, konnte so vermieden werden.

    Bereits im Januar Angriff auf Beirut

    Zumindest zunächst. Denn mit der gezielten Tötung Hanijas und dem Angriff auf den ranghohen Hisbollah-Kommandeur Fuad Schukr am Dienstagabend in Beirut ändert sich das. Ob der Mann, den Israel für den Angriff auf ein Fußballfeld am Wochenende auf den Golanhöhen verantwortlich macht, überlebt hat, war am Mittwochmorgen unklar; die Hisbollah bestätigte lediglich, dass er sich in dem getroffenen Gebäude aufgehalten habe. Erst im Januar war unweit des Angriffsorts im Süden der libanesischen Hauptstadt die Nummer zwei in der Hamas-Hierarchie, Saleh al-Arouri, von Israel getötet worden.

    Israel hielt den Süden Libanons von 1978 bis 2000 besetzt; auch nach dem Abzug seiner Truppen überfliegt es trotz Kritik der Vereinten Nationen mit Militärflugzeugen regelmäßig das Land. Sowohl in Beirut wie im Süden des nördlichen Nachbarlandes unterhält es zudem ein gut aufgestelltes Netz an Spitzeln – die Rolle der schiitischen, mit dem Iran verbündeten Hisbollah als “Staat im Staat” sorgt vor allem bei christlichen und sunnitischen Libanesen für Unmut.

    Russland, China und Türkei kritisieren Israel scharf

    Die Doppelrolle der Hisbollah als lokaler politischer Akteur im Libanon einerseits und Stellvertreterarmee Irans an der Grenze zu Israel andererseits macht die jüngsten Entwicklungen so gefährlich. 2006 führte eine Fehlkalkulation der Hisbollah-Führung um Generalsekretär Hassan Nasrallah dazu, dass Israel in 34 Tagen Krieg viele Gemeinden im Süden des Landes zerstörte und auch das von der Hisbollah kontrollierten Viertel Haret Hreik in Beirut in Schutt und Asche legte. Sollte die “Partei Gottes”, so der Name der Organisation im Arabischen, ihre weitreichenden Raketen nun einsetzen, um Ziele nicht nur im Norden Israels zu treffen, ließe sich eine Eskalation des Konflikts kaum vermeiden.

    Das zeigen auch die internationalen Reaktionen am Mittwochmorgen. Nicht nur die Türkei, dessen Präsident Recep Tayyip Erdoğan offen auf Seiten der Hamas steht, verurteilte den Angriff und warnte vor einer Eskalation. Auch China und Russland, das bis zum Angriff der Hamas auf den Süden Israels im Oktober vergangenen Jahres gute Beziehungen zur Regierung in Jerusalem unterhielt, kritisierten das israelische Vorgehen scharf. Die Tötung von Hanija birge die Gefahr weiterer regionaler Instabilität, hieß es in einer Stellungnahme des chinesischen Außenministeriums. Peking hatte zuletzt zwischen der islamistischen Hamas und der säkularen Fatah vermittelt.

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