Table.Briefing: Security

Syrien-Koordinator Lindner fordert PKK-Abzug aus Syrien + Israel: Wie Frauen das Militär stärken

Liebe Leserin, lieber Leser,

im polnischen Nowa Wies hat Verteidigungsminister Boris Pistorius gestern Abend beim Treffen mit seinen Amtskollegen aus Warschau, Paris, London und Rom gefordert, dass nicht über die Köpfe der Ukrainer hinweg verhandelt werden dürfe. In unserem Table.Today Podcast sagte der ukrainische Botschafter Makeiev, dass es “keine Entscheidungen über Europa ohne Europa” geben dürfe. Den Podcast können Sie hier hören.

Außenministerin Annalena Baerbock beriet am Sonntag mit Amtskollegen aus der Region über den Umgang mit den neuen Machthabern Syriens. Markus Bickel hat mit dem Syrien-Koordinator der Bundesregierung, Tobias Lindner, gesprochen. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt fordert, Geduld mit den neuen Machthabern in Damaskus zu haben, er spricht von möglichen Sanktionserleichterungen.

Vera Weidenbach berichtet heute über die Rolle der Frauen im israelischen Militär. Das kleine bedrohte Land im Nahen Osten ist eines der wenigen, in denen Frauen Wehrdienst leisten – trotzdem scheint erst der Krieg, in dem sich Israel seit dem 7.Oktober befindet, den Zugang von Soldatinnen zu bestimmten höheren Rängen der Israel Defense Forces (IDF) verbessert zu haben.

Einen guten Start in die Woche

Ihre
Wilhelmine Preußen
Bild von Wilhelmine  Preußen

Analyse

“Syrien darf nicht als Operationsgebiet der PKK dienen”

Tobias Lindner im November 2022 im Bundestag.

Syriens neue Machthaber um Ahmed al-Scharaa fordern eine rasche Aufhebung der teils schon 2011 verhängten Sanktionen gegen ihr Land. Wie wichtig ist das für die Bundesregierung?

Es ist ein Topthema – vor allem für al-Scharaa und seine Leute, aber eigentlich für die ganze internationale Gemeinschaft. Wir reden da über verschiedene Graustufen, und verfolgen einen klaren Ansatz entlang der Frage: Ist der Grund für die Sanktionen entfallen, oder besteht der Grund noch? Es gibt einzelne Sanktionen, die gegen Syrien erlassen wurden unter der Prämisse, dass Assad die Herrschaft hat. Da sind teilweise die Gründe entfallen. Es gibt andere Bereiche, wo wir die humanitäre Situation jetzt unmittelbar verbessern müssen, da wollen wir eher pragmatisch vorgehen. Bei anderen Sanktionen, die auch durch die Terrorlistung der Hajat Tahrir al-Sham entstehen, werden wir uns sehr genau anschauen, welche Entwicklung Syrien nimmt.

Die USA haben erste Lockerungen bereits vorgenommen, wann zieht die Europäische Union nach?

Die Bundesregierung hat innerhalb der Europäischen Union einen Aufschlag gemacht und die Beratungen laufen jetzt auf den Rat für Außenbeziehungen am 27. Januar in Brüssel zu. Für diese Sitzung führen wir momentan Hintergrundgespräche, weil Sanktionserleichterungen in der EU natürlich auch der Einstimmigkeit bedürfen. Dabei könnte es in einem ersten Schritt um Erleichterungen beim Flugverkehr gehen und bei Finanztransaktionen für im Ausland lebende Syrerinnen und Syrer, die sich am Wiederaufbau beteiligen wollen.

Außenministerin Annalena Baerbock ist Anfang Januar gemeinsam mit ihrem französischen Kollegen Jean-Noël Barrot nach Damaskus gereist – im Auftrag der Hohen Repräsentantin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Kaja Kallas. Stärkt dieses Vorgehen die europäische Position in Syrien?

Ja, weil damit klargemacht wird, dass wir nicht nur bilateral auftreten, sondern eben auch gemeinsam als EU. Das ist ein grundsätzlich neuer Ansatz der Hohen Repräsentantin, den Sie im kommenden Jahr noch häufiger sehen werden. Wir wollen dadurch vermeiden, dass in der Syrien-Politik ein Wettbewerb unter den G7- und anderen westlichen Staaten entsteht. Es geht hier nicht um Alleingänge oder einen Wettlauf, wer als Erstes nach Damaskus kommt, sondern um einen koordinierten Ansatz der EU.

Ist die Türkei in Syrien ein Partner der EU oder fürchten Sie, dass Ankara seine territorialen Ambitionen im Norden des Landes militärisch durchsetzt?

Wir tun alles dafür, dass die Türkei mit uns im Konzert gemeinsam agiert, aber dafür gibt es keine Garantie. Wir haben klargemacht, dass wir einerseits das legitime Interesse verstehen, dass von Syrien aus für die Türkei keine Gefahr ausgehen darf. Aber andererseits erwarten alle Akteure nicht nur von der Türkei, sondern auch von der israelischen Regierung, die territoriale Integrität Syriens zu wahren. Deshalb muss auch die Stellung der syrischen Kurden politisch beantwortet werden und nicht militärisch.

Wie hoch schätzen Sie die Bereitschaft von General Mazloum Abdi ein, dem Oberkommandierenden der kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), sich dem Kommando der syrischen Armee zu unterstellen?

Ich würde es mal so formulieren: Daran arbeiten wir. Das Ziel muss sein, dass alle Milizen in Syrien, nicht nur die kurdischen, am Ende in den syrischen Streitkräften aufgehen. Das gilt natürlich auch für die HTS. Ich kann nachvollziehen, dass es auf kurdischer Seite Sicherheitsgarantien bedarf, deshalb ist ein enger Dialog mit der Führung um al-Scharaa auch so wichtig.

Die Türkei verlangt den Abzug von Kadern der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) aus Syrien. Haben Sie Erkenntnisse, wie groß deren Anteil in den SDF ist?

Ich will in aller Deutlichkeit sagen: Die PKK ist auch aus deutscher Sicht eine Terrororganisation, und die Kämpfer der PKK im Norden Syrien müssen verstehen, dass wir jetzt in einer anderen Situation sind als vor dem Sturz Baschar al-Assads. Syrien darf nicht als Operationsgebiet der PKK dienen, um Angriffe gegen die Türkei auszuführen. Man muss sehr genau trennen zwischen der PKK und den syrischen Kurden im Norden.

In der kurdischen Autonomieregion im Nordirak bildet die Bundeswehr Peschmerga-Kämpfer aus. Könnte Sie das auch in Syrien tun, um beim Aufbau der Armee zu unterstützen?

Die Frage stellt sich im Moment nicht, und ich will darüber auch gar nicht spekulieren. Was uns jetzt wichtig ist, ist, dass es zu einem geordneten und inklusiven Prozess kommt. Da muss es überprüfbare Schritte und Meilensteine geben – ein wichtiger Punkt ist dabei die Frage der Beteiligung von Frauen. Und Kurden genauso wie Drusen, Alawiten und Christen müssen sich wie alle anderen Syrerinnen und Syrer auch in diesem Prozess wiederfinden.

Al-Scharaa hat landesweite Wahlen erst in vier Jahren in Aussicht gestellt. Muss das schneller gehen?

Ich tue mich schwer damit, von der Seitenlinie kluge Ratschläge zu erteilen. Wir sollten uns außerdem ins Gedächtnis rufen, dass auch Deutschland nach 1945 vier Jahre gebraucht hat, um zu einer Verfassung zu kommen und zu allgemeinen gesamtstaatlichen Wahlen. Und gleichwohl ist in diesen vier Jahren die Zeit nicht stillgestanden. Was in Syrien geschaffen werden muss, sind funktionierende Mechanismen der Machtteilung. Und natürlich kann man mit Wahlen auf lokaler und regionaler Ebene beginnen, bevor gesamtstaatlich gewählt wird. So war es in Deutschland ja auch.

Sie haben bei Ihrem Besuch in Damaskus auch die 2012 geschlossene Botschaft besucht. Wann macht sie wieder auf?

Das wird ein gradueller Prozess sein. Uns ist es wichtig, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen und vor Ort ein besseres Gefühl für die Lage zu bekommen – was wir von unserer Botschaft in Beirut aus auch schon tun. Auf der Basis verstetigen wir jetzt unsere Präsenz.

  • Bundesregierung
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  • EU-Außenpolitik
  • Menschenrechte
  • PKK
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News

Bundeswehr stellt eigene Division für den Heimatschutz auf

Die Bundeswehr stellt einen neuen Großverband auf, der für den Schutz von Kritischer Infrastruktur und militärisch wichtigen Einrichtungen in Deutschland zuständig ist. Zum 1. April wird die Heimatschutzdivision dem Heer unterstellt, sie besteht aus Reservisten und aktiven Soldaten.

Nach der 1. und der 10. Panzerdivision und der Division Schnelle Kräfte mit jeweils 20.000 Soldatinnen und Soldaten entsteht damit der vierte Großverband des Heeres. Wer Kommandeur des Großverbands sein wird, ist noch nicht bekannt. 

Bislang war der Heimatschutz dem Territorialen Führungskommando und den jeweiligen Landeskommandos unterstellt. Im Zuge der Umstrukturierung der Streitkräfte, die Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) im April vergangenen Jahres angeordnet hatte, wechselt die Zuständigkeit ab 31. März zum Kommando Heer in Strausberg. 

Sechs Heimatschutzregimenter in der Division

Im Spannungs- und Verteidigungsfall oder auch bei einer krisenhaften Entwicklung sollen Heimatschutzkräfte Häfen, Bahnanlagen und Güterumschlagplätze oder Pipelines, Straßen für den Truppenaufmarsch, Brücken, Verkehrsknotenpunkte und digitale Infrastruktur schützen. Vor allem dann, wenn die aktive Truppe an die Außengrenze der Nato verlegt wird. Die Heimatschützer sollen damit auch die Rolle Deutschlands als Operationsbasis und Drehscheibe der Nato absichern.

In der Heimatschutzdivision sollen die Heimatschutzregimenter der Bundeswehr zusammengefasst werden. Fünf gibt es bereits, in Wiesbaden, München, Münster, Nienburg, Alt Duvenstedt und Gotha. In Berlin soll dieses Jahr das sechste Regiment aufgestellt werden. Insgesamt kann die Bundeswehr auf rund 6.000 ausgebildete Heimatschützer zurückgreifen, die Division soll aber weiter aufwachsen. Militärplaner halten mindestens eine hohe fünfstellige Zahl an Heimatschützern für nötig. klm/dpa

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Russland: Nordeuropäer wollen Ölpreisdeckel senken

Die Regierungen der skandinavischen und baltischen EU-Mitgliedstaaten haben die EU-Kommission aufgefordert, sich für eine Senkung des Ölpreisdeckels auf Importe von russischem Öl einzusetzen. “Der internationale Ölmarkt ist heute besser versorgt als 2022, was das Risiko eines Angebotsschocks durch einen niedrigeren Preisdeckel verringert”, schreiben die Außenminister von Schweden, Dänemark, Finnland, Estland, Litauen und Lettland in einem Brief an die Hohe Außenbeauftragte Kaja Kallas und Finanzmarktkommissarin Maria Luís Albuquerque.

Der im Dezember 2022 beschlossene Ölpreisdeckel soll Russland dazu zwingen, Erdöl für höchstens 60 Dollar pro Barrel an Abnehmer in anderen Staaten zu verkaufen.

Die EU-Außenbeauftragte und die Kommissarin werden dazu aufgefordert, das Thema bei den G7-Beratungen der kommenden Wochen voranzutreiben. Russland habe angesichts begrenzter Lagerkapazitäten und seiner hohen Abhängigkeit von Energieausfuhren für seine Einnahmen keine Alternative zu weiteren Ölexporten, selbst wenn damit nur deutlich niedrigere Preise erlöst werden können.

Außerdem fordern die Minister weitere Maßnahmen gegen die Schattenflotte russischer Öltanker und gegen Akteure, die den Handel mit russischem Öl oberhalb des Preisdeckels ermöglichen. Die Einnahmen aus Öl- und Gasverkäufen tragen mit gut 27 Prozent zu Russland Staatsbudget bei, ein Großteil davon sind Einnahmen aus Exporten. ber

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Rüstungsindustrie: Rutte warnt EU vor neuen Barrieren zwischen Verbündeten

“Wir müssen es vermeiden, zwischen den Verbündeten neue Barrieren zu schaffen”, warnte Mark Rutte bei einem Auftritt vor den Außen- und Verteidigungsausschüssen des EU-Parlaments. Dies werde nur zu höheren Kosten führen, die Produktion und die Innovation erschweren. Der Nato-Generalsekretär kritisierte damit indirekt Diskussionen der EU-Staaten etwa darüber, beim geplanten Programm für die europäische Verteidigungsindustrie (EDIP) bei gemeinsamen Beschaffungen “Made in Europe” zu favorisieren.

Rutte bezeichnete es als “vital für die Sicherheit Europas”, Verbündete von außerhalb der EU bei der Stärkung der Kapazitäten der europäischen Verteidigungsindustrie einzubeziehen. “In einer Zeit, in der Russland, China, Nordkorea und der Iran ihre Zusammenarbeit in der Verteidigungsindustrie auf ein beispielloses Niveau steigern, wäre es ein Akt der Selbstbeschädigung, neue Barrieren zwischen Verbündeten zu errichten”, sagte Rutte vor den EU-Abgeordneten. Er sei überzeugt, dass die transatlantische Kooperation der Verteidigungsindustrien Europa und die USA stärker machen würden.

Zwei-Prozent-Ziel “nicht annähernd genug”

EU und die Nato könnten einander gut ergänzen, sagte Rutte. Er warnte vor Doppelspurigkeiten: “Wir können es uns nicht leisten, Zeit und Ressourcen zu verschwenden.” Die Militärallianz sei richtig platziert, um militärische Standards festzulegen und Ziele bei den Fähigkeiten zu definieren. Die EU habe ihren Binnenmarkt als großen Trumpf. Dies sei eine mächtige “Softpower”, um die Rüstungsproduktion zu beschleunigen.

Das Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben sei “nicht annähernd genug”, sagte Rutte. Eher drei Prozent seien nötig. Eine europäische Nato werde aber noch viel teurer sein, sagte der Generalsekretär als Reaktion auf Fragen von Abgeordneten. Um die USA zu ersetzen, seien Verteidigungsausgaben in der Höhe von acht oder zehn Prozent der Wirtschaftsleistung nötig.

Costa lädt zu Verteidigungsgipfel

Am 3. Februar wird Rutte Gast des informellen Gipfels sein, zu dem EU-Ratspräsident António Costa am Montag offiziell eingeladen hat. Der Tenor des Einladungsbriefs und Ruttes Statement vor dem EU-Parlament stehen dabei in einem deutlichen Widerspruch. Das neue Format der Klausur in einem Schloss in der Nähe von Lüttich soll ganz der europäischen Verteidigung und dem Whitepaper gewidmet sein, das Verteidigungskommissar Andrius Kubilius am 11. März präsentieren soll.

Europa müsse eine größere Verantwortung für seine Verteidigung übernehmen, schreibt Costa in seinem Einladungsbrief. Die EU müsse dabei widerstandsfähiger, effizienter, autonomer und zudem ein verlässlicherer Akteur bei Sicherheit und Verteidigung werden. Die EU-Staaten müssten im gemeinsamen Interesse auf europäischer Ebene stärker zusammenarbeiten. sti

  • Andrius Kubilius
  • Europäische Verteidigung
  • Mark Rutte
  • Zwei-Prozent-Ziel

US-Armee rekrutiert mehr Frauen, viele Männer sind nicht geeignet

Die US-Streitkräfte werden für Frauen zunehmend attraktiver. Vergangenes Jahr haben sich rund 10.000 Frauen verpflichtet, das ist ein Anstieg von 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Anteil der Männer hingegen hat sich nur um acht Prozent erhöht. Die Gründe dafür sind vielfältig. Nach Angaben des US-Justizministeriums sind Frauen seltener vorbestraft, nur 30 Prozent der festgenommenen Jugendlichen sind weiblich. Und anders als junge Frauen erfüllen viele junge Männer auch nicht die Anforderungen der Armee, gerade im Bildungsbereich. Für viele Bereiche in der Armee ist ein Highschool-Abschluss erforderlich.

Die zunehmende Attraktivität des Militärdienstes für Frauen ist bemerkenswert, denn die Anwerbungskampagnen zielen nach wie vor hauptsächlich auf Männer ab. Dies scheint sich nun zu ändern. “Es geht darum, ein professionelles Umfeld zu schaffen, das Zugang zu den besten Talenten bietet, wobei wir die Suche nach Frauen bisher unterschätzt haben”, sagte Katherine Kuzminski, Expertin für Militär und Veteranen am Center for a New American Security zu Military.com. Auch im Hochschulbereich übertreffen sie die Männer: Fast die Hälfte der Frauen im Alter von 25 bis 34 Jahren verfügen über einen Bachelor-Abschluss, verglichen mit 37 Prozent der Männer.

Noch liegt der Anteil der Frauen in der US-Armee bei 16 Prozent. Die neuen Daten machen allerdings deutlich, wie wichtig Frauen für das US-Militär geworden sind. Eine Meinung, die der für das Amt des Verteidigungsministers vorgesehene Republikaner Pete Hegseth allerdings nicht in allem teilt. Er hält den Einsatz von Frauen in Kampfeinheiten für überflüssig und stößt damit auch auf Widerstand in der US-Generalität. nana

  • Daten
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Must-Reads

Washington Post: Iran, already on the defensive, braces for second Trump term. Militärübungen, die die Stärke des Iran demonstrieren sollten, haben stattdessen die Schwäche der Landesarmee offenbart. Die israelischen Luftschläge gegen die Flugabwehr des Landes zeigten, dass der Iran militärisch überschätzt wurde. Innerhalb des Regimes wächst die Angst vor der eigenen Bevölkerung, neuen israelischen Angriffen und Donald Trump.

Semafor: Analysis: A new era for Gulf-Lebanon relations. Nach zwei Jahren politischer Blockade hat der Libanon einen neuen Präsidenten, Armeekommandant Joseph Aoun. Seine Wahl markiert einen Durchbruch für das durch interne Spaltungen und regionale Rivalitäten gelähmte Land. Trotz anhaltender wirtschaftlicher und sozialer Krisen bietet die neue Regierung in Syrien und die schwächere Position der Hisbollah Beirut die Chance zur Stabilisierung und regionalen Integration des Landes.

Wall Street Journal: Hamas Has Another Sinwar. And He’s Rebuilding. Die Hamas erlitt im vergangenen Herbst einen schweren Schlag, als Israel Yahya Sinwar tötete, den Anführer der Gruppe und Strategen hinter den Anschlägen vom 7. Oktober. Doch nun steht mit Yahyas jüngerem Bruder Mohammed ein anderer Sinwar an der Spitze der Terroristen. Er arbeitet daran, die militante Gruppe wieder aufzubauen. Unter Mohammed Sinwar rekrutiert die Hamas neue Kämpfer in Gaza und verwickelt Israel in einen Zermürbungskrieg.

Navigating Russia: Russia’s Hidden War Debt. Russland verfolgt zur Deckung seiner steigenden Kriegskosten eine zweigleisige Strategie, indem es seine überwachten Verteidigungsausgaben durch ein außerbudgetäres Finanzierungsprogramm ergänzt, das der Westen lange nicht beachtete. Diese Mittel geraten nun unter Druck. Das bietet der Ukraine und ihren Verbündeten neue Einflussmöglichkeiten.

Standpunkt

Verteidigungsausgaben: Konkrete Summen fehlen in der Debatte

Sarah Brockmeier-Large
Sarah Brockmeier-Large ist Leiterin des Berliner Büros des Leibniz-Instituts für Friedens- und Konfliktforschung (PRIF) und Non-Resident Fellow am Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin.

Nun ist sie voll im Gange, die Debatte im Wahlkampf über Verteidigungsausgaben. Aber die zentrale Frage bleibt unterbelichtet: “Wer zahlt die Zeche?”, fragte der Bundeskanzler als Reaktion auf den Vorstoß von Wirtschaftsminister Robert Habeck, zukünftig dreieinhalb Prozent des Bruttoinlandprodukts für die Sicherheit Deutschlands aufzubringen. “Die Bürgerinnen und Bürger?”

Ja, die Bürgerinnen und Bürger. Die Frage ist doch – und zwar auch, wenn man deutlich weniger als dreieinhalb Prozent fordert -, welche Bürgerinnen und Bürger dafür wie und wann belastet werden. Mindestens zwei Dinge müssten sich ändern, damit die Finanzierungsfrage ernsthafter diskutiert wird.

Erstens müssten Expertinnen und Journalisten bei den Kostenschätzungen der Wahlprogramme die fehlenden Summen für die Verteidigung miteinbeziehen. Als Ende des Jahres Wirtschaftsinstitute und Experten die Kosten der Wahlprogramme zusammenfassten, tauchten diese Summen nicht auf, weil dort vorwiegend Kosten eingerechnet wurden, die mit Steuern zu tun haben. Im Ergebnis ist es aber irreführend, wenn die Milliardenbeträge für die Verteidigung unter Überschriften wie “Welches Preisschild haben die Wahlversprechen?” (Tagesschau) fehlen.  

Drei Prozent des BIP bedeuteten 70 Milliarden Euro jährlich mehr

Denn alle Parteien mit realistischen Chancen auf eine Regierungsbeteiligung versprechen mindestens zwei Prozent des BIP. Wenn das Sondervermögen für die Bundeswehr aufgebraucht ist, fehlen ab 2028 dafür 30 Milliarden Euro pro Jahr. Zumindest, woher dieses Geld kommen soll, müssten die Parteien erklären.

Nun ist aber eigentlich klar, dass es um mehr als zwei Prozent gehen wird. Vor Habeck hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius schon Anfang des vergangenen Jahres drei bis dreieinhalb Prozent in den Raum gestellt. Innerhalb der Nato wird seit Trumps Wiederwahl längst über drei Prozent gesprochen. Donald Trump fordert utopische fünf Prozent. Allein für zweieinhalb Prozent des BIP würden ab 2028 rund 50 Milliarden Euro, für drei Prozent rund 70 Milliarden Euro fehlen. Jedes Jahr.

Für eine ernsthafte Debatte, woher dieses Geld kommen soll, müssten deswegen zweitens auch Expertinnen und Experten für Sicherheitspolitik damit aufhören, bei der Finanzierungsfrage nur vage von “schmerzhaften Einschnitten” oder “Prioritäten setzen” zu sprechen. Ja, beides wird es brauchen. Aber die Formulierungen suggerieren nicht selten, man müsse sich nur ein bisschen anstrengen und hier und da überbordende Sozialausgaben kürzen, und dann findet man das Geld schon.

Aber 70 Milliarden Euro wären fast 15 Prozent des gesamten Bundeshaushalts von 2024 und knapp 40 Prozent des Etats für Arbeit und Soziales. Die Ausgaben des Bundes für die Rente lagen 2024 bei 127 Milliarden Euro – selbst die Hälfte davon wären keine 70 Milliarden Euro. Die Gesamtsumme für das Bürgergeld lag 2024 bei etwa 26,5 Milliarden Euro. Man könnte die Ministerien für Bildung und Forschung, Gesundheit, Inneres und Entwicklung abschaffen, ohne 70 Milliarden Euro einzusparen. Oder in einer imaginären, über Nacht wirkenden Verwaltungsreform Bürokratie abbauen und in allen Bundesministerien zehn Prozent einsparen: keine 70 Milliarden.

Mehr über Bundeshaushalt und weniger über Prozente sprechen

Es wird sehr wahrscheinlich alles brauchen: eine Reform der Schuldenbremse und neue Schulden, Steuererhöhungen und Kürzungen. Hierzu bräuchte es folgende Debatten: Wie sollte die Schuldenbremse reformiert werden, für wen können Steuern erhöht, wo genau kann gekürzt werden? Und da es um unfassbar hohe Summen geht: Von welchen Fähigkeiten sprechen wir, die die Bundeswehr haben und entwickeln sollte? Wie viel mehr Geld kann wie schnell sinnvoll ausgegeben werden? Wie setzen sich die Parteien für Reformen in der Verwaltung und Beschaffung ein, wie wollen sie eine stärkere europäische Integration vorantreiben?

Aber um diese Debatten sinnvoll zu führen, müssten Politik, Expertinnen und Journalisten im Wahlkampf deutlich mehr über die konkreten Summen sprechen, um die es geht, und dabei die für viele Menschen nichtssagenden Prozentzahlen ins Verhältnis zum Bundeshaushalt setzen. Dass der Ökonom Moritz Schularick Christian Lindner bei Caren Miosga im Dezember erklären musste, dass drei Prozent des BIP 120 bis 130 Milliarden Euro sind, sagt etwas über den FDP-Chef aus. Es sagt aber auch etwas über die sicherheitspolitische Debatte in Deutschland, wenn diese Zahlen dem ehemaligen Finanzminister einen Monat nach Wiederwahl Donald Trumps neu waren.

  • BIP
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  • Bundestagswahl
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Heads

Frank Schwabe – Mit Pragmatismus für die Menschenrechte

Frank Schwabe hat nach 2022 seine eigenen Prinzipien kritisch hinterfragt.

Mit 21 Jahren trat Frank Schwabe in die SPD ein, zwei Jahre nach dem Mauerfall. Dass der Traum von einer Friedensdividende nach dem Ende der Blockkonfrontation mit Russlands Überfall auf die Ukraine 2014 und 2022 vorbei ist, sieht der Bundestagsabgeordnete auch als persönliche Zeitenwende an. “Ich habe mein ganzes politisches Leben gegen Waffenexporte an Länder gekämpft, die etwa den Vertrag über den Waffenhandel nicht unterzeichnet haben. Da ist seit dem Krieg in der Ukraine, aber auch seit dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel vieles zurecht ins Rutschen geraten”, sagt der 54-Jährige aus Castrop-Rauxel.

Seit 2005 sitzt Schwabe für die SPD im Bundestag; seit 2022 ist er außerdem Leiter der Deutschen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats – im selben Jahr wurde er zum Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Schon seit 2014 ist er Sprecher seiner Fraktion für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Dezidiert setzt sich Schwabe für die Belange von Zivilgesellschaft und Minderheiten weltweit ein, besonders in Ost- und Südosteuropa, aber auch in Nahost.

Mit Autokraten klare Worte sprechen

An autoritären Staaten wie Aserbaidschan und Katar komme Deutschland als Energieimporteur nicht mehr vorbei, räumt Schwabe ein. “Da das demokratische Spektrum global eher eine Minderheit an Staaten umfasst, werden wir Gas und Öl künftig weiter einkaufen müssen in Ländern, die nicht dazugehören.” Doch für den Umgang mit dem aserbaidschanischen Machthaber Ilham Alijew und anderen autoritären Herrschern komme es darauf an, die Interessen der Bevölkerung nicht aus dem Blick zu verlieren. “Man muss mit autokratischen Handelspartnern klare Worte sprechen bei schwersten Menschenrechtsverletzungen und ihnen nicht die Gelegenheit geben, Treffen zu inszenieren.”

Schwer scheint es Schwabe trotzdem manchmal zu fallen, seinen Frieden mit den harschen Realitäten der internationalen Realpolitik zu machen – und die Wiederaufnahme von Waffenlieferungen an das Regime des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman durch die Ampel-Koalition nicht verhindert haben zu können. “Es ist schon ein sehr harter Schritt, ein Regime mit Waffen zu beliefern wie Saudi-Arabien, das noch 2018 den Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul hat umbringen lassen, offensichtlich angeordnet von ganz oben.”

Saudi-Arabien für Neuordnung in Nahost unabdingbar

An seinem Pragmatismus hält der Vater von drei Kindern dennoch fest. “Ich finde, Menschenrechtspolitik muss mit Realpolitik kompatibel sein.” Dass es ohne Saudi-Arabien zu keiner Friedenslösung in Nahost kommen werde, hält Schwabe für unzweifelhaft – trotz neuer Rekordzahlen bei Hinrichtungen und “absurden Schauprozessen, die nur der Verschleierung der Vorgänge dienen und die internationale Gemeinschaft an der Nase herumführen”. Am 23. Februar tritt Schwabe zum sechsten Mal für ein Mandat im Bundestag an, die letzten fünf gewann er seinen Wahlkreis Recklinghausen I direkt. Markus Bickel

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Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

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    im polnischen Nowa Wies hat Verteidigungsminister Boris Pistorius gestern Abend beim Treffen mit seinen Amtskollegen aus Warschau, Paris, London und Rom gefordert, dass nicht über die Köpfe der Ukrainer hinweg verhandelt werden dürfe. In unserem Table.Today Podcast sagte der ukrainische Botschafter Makeiev, dass es “keine Entscheidungen über Europa ohne Europa” geben dürfe. Den Podcast können Sie hier hören.

    Außenministerin Annalena Baerbock beriet am Sonntag mit Amtskollegen aus der Region über den Umgang mit den neuen Machthabern Syriens. Markus Bickel hat mit dem Syrien-Koordinator der Bundesregierung, Tobias Lindner, gesprochen. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt fordert, Geduld mit den neuen Machthabern in Damaskus zu haben, er spricht von möglichen Sanktionserleichterungen.

    Vera Weidenbach berichtet heute über die Rolle der Frauen im israelischen Militär. Das kleine bedrohte Land im Nahen Osten ist eines der wenigen, in denen Frauen Wehrdienst leisten – trotzdem scheint erst der Krieg, in dem sich Israel seit dem 7.Oktober befindet, den Zugang von Soldatinnen zu bestimmten höheren Rängen der Israel Defense Forces (IDF) verbessert zu haben.

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    “Syrien darf nicht als Operationsgebiet der PKK dienen”

    Tobias Lindner im November 2022 im Bundestag.

    Syriens neue Machthaber um Ahmed al-Scharaa fordern eine rasche Aufhebung der teils schon 2011 verhängten Sanktionen gegen ihr Land. Wie wichtig ist das für die Bundesregierung?

    Es ist ein Topthema – vor allem für al-Scharaa und seine Leute, aber eigentlich für die ganze internationale Gemeinschaft. Wir reden da über verschiedene Graustufen, und verfolgen einen klaren Ansatz entlang der Frage: Ist der Grund für die Sanktionen entfallen, oder besteht der Grund noch? Es gibt einzelne Sanktionen, die gegen Syrien erlassen wurden unter der Prämisse, dass Assad die Herrschaft hat. Da sind teilweise die Gründe entfallen. Es gibt andere Bereiche, wo wir die humanitäre Situation jetzt unmittelbar verbessern müssen, da wollen wir eher pragmatisch vorgehen. Bei anderen Sanktionen, die auch durch die Terrorlistung der Hajat Tahrir al-Sham entstehen, werden wir uns sehr genau anschauen, welche Entwicklung Syrien nimmt.

    Die USA haben erste Lockerungen bereits vorgenommen, wann zieht die Europäische Union nach?

    Die Bundesregierung hat innerhalb der Europäischen Union einen Aufschlag gemacht und die Beratungen laufen jetzt auf den Rat für Außenbeziehungen am 27. Januar in Brüssel zu. Für diese Sitzung führen wir momentan Hintergrundgespräche, weil Sanktionserleichterungen in der EU natürlich auch der Einstimmigkeit bedürfen. Dabei könnte es in einem ersten Schritt um Erleichterungen beim Flugverkehr gehen und bei Finanztransaktionen für im Ausland lebende Syrerinnen und Syrer, die sich am Wiederaufbau beteiligen wollen.

    Außenministerin Annalena Baerbock ist Anfang Januar gemeinsam mit ihrem französischen Kollegen Jean-Noël Barrot nach Damaskus gereist – im Auftrag der Hohen Repräsentantin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Kaja Kallas. Stärkt dieses Vorgehen die europäische Position in Syrien?

    Ja, weil damit klargemacht wird, dass wir nicht nur bilateral auftreten, sondern eben auch gemeinsam als EU. Das ist ein grundsätzlich neuer Ansatz der Hohen Repräsentantin, den Sie im kommenden Jahr noch häufiger sehen werden. Wir wollen dadurch vermeiden, dass in der Syrien-Politik ein Wettbewerb unter den G7- und anderen westlichen Staaten entsteht. Es geht hier nicht um Alleingänge oder einen Wettlauf, wer als Erstes nach Damaskus kommt, sondern um einen koordinierten Ansatz der EU.

    Ist die Türkei in Syrien ein Partner der EU oder fürchten Sie, dass Ankara seine territorialen Ambitionen im Norden des Landes militärisch durchsetzt?

    Wir tun alles dafür, dass die Türkei mit uns im Konzert gemeinsam agiert, aber dafür gibt es keine Garantie. Wir haben klargemacht, dass wir einerseits das legitime Interesse verstehen, dass von Syrien aus für die Türkei keine Gefahr ausgehen darf. Aber andererseits erwarten alle Akteure nicht nur von der Türkei, sondern auch von der israelischen Regierung, die territoriale Integrität Syriens zu wahren. Deshalb muss auch die Stellung der syrischen Kurden politisch beantwortet werden und nicht militärisch.

    Wie hoch schätzen Sie die Bereitschaft von General Mazloum Abdi ein, dem Oberkommandierenden der kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), sich dem Kommando der syrischen Armee zu unterstellen?

    Ich würde es mal so formulieren: Daran arbeiten wir. Das Ziel muss sein, dass alle Milizen in Syrien, nicht nur die kurdischen, am Ende in den syrischen Streitkräften aufgehen. Das gilt natürlich auch für die HTS. Ich kann nachvollziehen, dass es auf kurdischer Seite Sicherheitsgarantien bedarf, deshalb ist ein enger Dialog mit der Führung um al-Scharaa auch so wichtig.

    Die Türkei verlangt den Abzug von Kadern der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) aus Syrien. Haben Sie Erkenntnisse, wie groß deren Anteil in den SDF ist?

    Ich will in aller Deutlichkeit sagen: Die PKK ist auch aus deutscher Sicht eine Terrororganisation, und die Kämpfer der PKK im Norden Syrien müssen verstehen, dass wir jetzt in einer anderen Situation sind als vor dem Sturz Baschar al-Assads. Syrien darf nicht als Operationsgebiet der PKK dienen, um Angriffe gegen die Türkei auszuführen. Man muss sehr genau trennen zwischen der PKK und den syrischen Kurden im Norden.

    In der kurdischen Autonomieregion im Nordirak bildet die Bundeswehr Peschmerga-Kämpfer aus. Könnte Sie das auch in Syrien tun, um beim Aufbau der Armee zu unterstützen?

    Die Frage stellt sich im Moment nicht, und ich will darüber auch gar nicht spekulieren. Was uns jetzt wichtig ist, ist, dass es zu einem geordneten und inklusiven Prozess kommt. Da muss es überprüfbare Schritte und Meilensteine geben – ein wichtiger Punkt ist dabei die Frage der Beteiligung von Frauen. Und Kurden genauso wie Drusen, Alawiten und Christen müssen sich wie alle anderen Syrerinnen und Syrer auch in diesem Prozess wiederfinden.

    Al-Scharaa hat landesweite Wahlen erst in vier Jahren in Aussicht gestellt. Muss das schneller gehen?

    Ich tue mich schwer damit, von der Seitenlinie kluge Ratschläge zu erteilen. Wir sollten uns außerdem ins Gedächtnis rufen, dass auch Deutschland nach 1945 vier Jahre gebraucht hat, um zu einer Verfassung zu kommen und zu allgemeinen gesamtstaatlichen Wahlen. Und gleichwohl ist in diesen vier Jahren die Zeit nicht stillgestanden. Was in Syrien geschaffen werden muss, sind funktionierende Mechanismen der Machtteilung. Und natürlich kann man mit Wahlen auf lokaler und regionaler Ebene beginnen, bevor gesamtstaatlich gewählt wird. So war es in Deutschland ja auch.

    Sie haben bei Ihrem Besuch in Damaskus auch die 2012 geschlossene Botschaft besucht. Wann macht sie wieder auf?

    Das wird ein gradueller Prozess sein. Uns ist es wichtig, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen und vor Ort ein besseres Gefühl für die Lage zu bekommen – was wir von unserer Botschaft in Beirut aus auch schon tun. Auf der Basis verstetigen wir jetzt unsere Präsenz.

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    Bundeswehr stellt eigene Division für den Heimatschutz auf

    Die Bundeswehr stellt einen neuen Großverband auf, der für den Schutz von Kritischer Infrastruktur und militärisch wichtigen Einrichtungen in Deutschland zuständig ist. Zum 1. April wird die Heimatschutzdivision dem Heer unterstellt, sie besteht aus Reservisten und aktiven Soldaten.

    Nach der 1. und der 10. Panzerdivision und der Division Schnelle Kräfte mit jeweils 20.000 Soldatinnen und Soldaten entsteht damit der vierte Großverband des Heeres. Wer Kommandeur des Großverbands sein wird, ist noch nicht bekannt. 

    Bislang war der Heimatschutz dem Territorialen Führungskommando und den jeweiligen Landeskommandos unterstellt. Im Zuge der Umstrukturierung der Streitkräfte, die Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) im April vergangenen Jahres angeordnet hatte, wechselt die Zuständigkeit ab 31. März zum Kommando Heer in Strausberg. 

    Sechs Heimatschutzregimenter in der Division

    Im Spannungs- und Verteidigungsfall oder auch bei einer krisenhaften Entwicklung sollen Heimatschutzkräfte Häfen, Bahnanlagen und Güterumschlagplätze oder Pipelines, Straßen für den Truppenaufmarsch, Brücken, Verkehrsknotenpunkte und digitale Infrastruktur schützen. Vor allem dann, wenn die aktive Truppe an die Außengrenze der Nato verlegt wird. Die Heimatschützer sollen damit auch die Rolle Deutschlands als Operationsbasis und Drehscheibe der Nato absichern.

    In der Heimatschutzdivision sollen die Heimatschutzregimenter der Bundeswehr zusammengefasst werden. Fünf gibt es bereits, in Wiesbaden, München, Münster, Nienburg, Alt Duvenstedt und Gotha. In Berlin soll dieses Jahr das sechste Regiment aufgestellt werden. Insgesamt kann die Bundeswehr auf rund 6.000 ausgebildete Heimatschützer zurückgreifen, die Division soll aber weiter aufwachsen. Militärplaner halten mindestens eine hohe fünfstellige Zahl an Heimatschützern für nötig. klm/dpa

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    Russland: Nordeuropäer wollen Ölpreisdeckel senken

    Die Regierungen der skandinavischen und baltischen EU-Mitgliedstaaten haben die EU-Kommission aufgefordert, sich für eine Senkung des Ölpreisdeckels auf Importe von russischem Öl einzusetzen. “Der internationale Ölmarkt ist heute besser versorgt als 2022, was das Risiko eines Angebotsschocks durch einen niedrigeren Preisdeckel verringert”, schreiben die Außenminister von Schweden, Dänemark, Finnland, Estland, Litauen und Lettland in einem Brief an die Hohe Außenbeauftragte Kaja Kallas und Finanzmarktkommissarin Maria Luís Albuquerque.

    Der im Dezember 2022 beschlossene Ölpreisdeckel soll Russland dazu zwingen, Erdöl für höchstens 60 Dollar pro Barrel an Abnehmer in anderen Staaten zu verkaufen.

    Die EU-Außenbeauftragte und die Kommissarin werden dazu aufgefordert, das Thema bei den G7-Beratungen der kommenden Wochen voranzutreiben. Russland habe angesichts begrenzter Lagerkapazitäten und seiner hohen Abhängigkeit von Energieausfuhren für seine Einnahmen keine Alternative zu weiteren Ölexporten, selbst wenn damit nur deutlich niedrigere Preise erlöst werden können.

    Außerdem fordern die Minister weitere Maßnahmen gegen die Schattenflotte russischer Öltanker und gegen Akteure, die den Handel mit russischem Öl oberhalb des Preisdeckels ermöglichen. Die Einnahmen aus Öl- und Gasverkäufen tragen mit gut 27 Prozent zu Russland Staatsbudget bei, ein Großteil davon sind Einnahmen aus Exporten. ber

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    Rüstungsindustrie: Rutte warnt EU vor neuen Barrieren zwischen Verbündeten

    “Wir müssen es vermeiden, zwischen den Verbündeten neue Barrieren zu schaffen”, warnte Mark Rutte bei einem Auftritt vor den Außen- und Verteidigungsausschüssen des EU-Parlaments. Dies werde nur zu höheren Kosten führen, die Produktion und die Innovation erschweren. Der Nato-Generalsekretär kritisierte damit indirekt Diskussionen der EU-Staaten etwa darüber, beim geplanten Programm für die europäische Verteidigungsindustrie (EDIP) bei gemeinsamen Beschaffungen “Made in Europe” zu favorisieren.

    Rutte bezeichnete es als “vital für die Sicherheit Europas”, Verbündete von außerhalb der EU bei der Stärkung der Kapazitäten der europäischen Verteidigungsindustrie einzubeziehen. “In einer Zeit, in der Russland, China, Nordkorea und der Iran ihre Zusammenarbeit in der Verteidigungsindustrie auf ein beispielloses Niveau steigern, wäre es ein Akt der Selbstbeschädigung, neue Barrieren zwischen Verbündeten zu errichten”, sagte Rutte vor den EU-Abgeordneten. Er sei überzeugt, dass die transatlantische Kooperation der Verteidigungsindustrien Europa und die USA stärker machen würden.

    Zwei-Prozent-Ziel “nicht annähernd genug”

    EU und die Nato könnten einander gut ergänzen, sagte Rutte. Er warnte vor Doppelspurigkeiten: “Wir können es uns nicht leisten, Zeit und Ressourcen zu verschwenden.” Die Militärallianz sei richtig platziert, um militärische Standards festzulegen und Ziele bei den Fähigkeiten zu definieren. Die EU habe ihren Binnenmarkt als großen Trumpf. Dies sei eine mächtige “Softpower”, um die Rüstungsproduktion zu beschleunigen.

    Das Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben sei “nicht annähernd genug”, sagte Rutte. Eher drei Prozent seien nötig. Eine europäische Nato werde aber noch viel teurer sein, sagte der Generalsekretär als Reaktion auf Fragen von Abgeordneten. Um die USA zu ersetzen, seien Verteidigungsausgaben in der Höhe von acht oder zehn Prozent der Wirtschaftsleistung nötig.

    Costa lädt zu Verteidigungsgipfel

    Am 3. Februar wird Rutte Gast des informellen Gipfels sein, zu dem EU-Ratspräsident António Costa am Montag offiziell eingeladen hat. Der Tenor des Einladungsbriefs und Ruttes Statement vor dem EU-Parlament stehen dabei in einem deutlichen Widerspruch. Das neue Format der Klausur in einem Schloss in der Nähe von Lüttich soll ganz der europäischen Verteidigung und dem Whitepaper gewidmet sein, das Verteidigungskommissar Andrius Kubilius am 11. März präsentieren soll.

    Europa müsse eine größere Verantwortung für seine Verteidigung übernehmen, schreibt Costa in seinem Einladungsbrief. Die EU müsse dabei widerstandsfähiger, effizienter, autonomer und zudem ein verlässlicherer Akteur bei Sicherheit und Verteidigung werden. Die EU-Staaten müssten im gemeinsamen Interesse auf europäischer Ebene stärker zusammenarbeiten. sti

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    US-Armee rekrutiert mehr Frauen, viele Männer sind nicht geeignet

    Die US-Streitkräfte werden für Frauen zunehmend attraktiver. Vergangenes Jahr haben sich rund 10.000 Frauen verpflichtet, das ist ein Anstieg von 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Anteil der Männer hingegen hat sich nur um acht Prozent erhöht. Die Gründe dafür sind vielfältig. Nach Angaben des US-Justizministeriums sind Frauen seltener vorbestraft, nur 30 Prozent der festgenommenen Jugendlichen sind weiblich. Und anders als junge Frauen erfüllen viele junge Männer auch nicht die Anforderungen der Armee, gerade im Bildungsbereich. Für viele Bereiche in der Armee ist ein Highschool-Abschluss erforderlich.

    Die zunehmende Attraktivität des Militärdienstes für Frauen ist bemerkenswert, denn die Anwerbungskampagnen zielen nach wie vor hauptsächlich auf Männer ab. Dies scheint sich nun zu ändern. “Es geht darum, ein professionelles Umfeld zu schaffen, das Zugang zu den besten Talenten bietet, wobei wir die Suche nach Frauen bisher unterschätzt haben”, sagte Katherine Kuzminski, Expertin für Militär und Veteranen am Center for a New American Security zu Military.com. Auch im Hochschulbereich übertreffen sie die Männer: Fast die Hälfte der Frauen im Alter von 25 bis 34 Jahren verfügen über einen Bachelor-Abschluss, verglichen mit 37 Prozent der Männer.

    Noch liegt der Anteil der Frauen in der US-Armee bei 16 Prozent. Die neuen Daten machen allerdings deutlich, wie wichtig Frauen für das US-Militär geworden sind. Eine Meinung, die der für das Amt des Verteidigungsministers vorgesehene Republikaner Pete Hegseth allerdings nicht in allem teilt. Er hält den Einsatz von Frauen in Kampfeinheiten für überflüssig und stößt damit auch auf Widerstand in der US-Generalität. nana

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    Must-Reads

    Washington Post: Iran, already on the defensive, braces for second Trump term. Militärübungen, die die Stärke des Iran demonstrieren sollten, haben stattdessen die Schwäche der Landesarmee offenbart. Die israelischen Luftschläge gegen die Flugabwehr des Landes zeigten, dass der Iran militärisch überschätzt wurde. Innerhalb des Regimes wächst die Angst vor der eigenen Bevölkerung, neuen israelischen Angriffen und Donald Trump.

    Semafor: Analysis: A new era for Gulf-Lebanon relations. Nach zwei Jahren politischer Blockade hat der Libanon einen neuen Präsidenten, Armeekommandant Joseph Aoun. Seine Wahl markiert einen Durchbruch für das durch interne Spaltungen und regionale Rivalitäten gelähmte Land. Trotz anhaltender wirtschaftlicher und sozialer Krisen bietet die neue Regierung in Syrien und die schwächere Position der Hisbollah Beirut die Chance zur Stabilisierung und regionalen Integration des Landes.

    Wall Street Journal: Hamas Has Another Sinwar. And He’s Rebuilding. Die Hamas erlitt im vergangenen Herbst einen schweren Schlag, als Israel Yahya Sinwar tötete, den Anführer der Gruppe und Strategen hinter den Anschlägen vom 7. Oktober. Doch nun steht mit Yahyas jüngerem Bruder Mohammed ein anderer Sinwar an der Spitze der Terroristen. Er arbeitet daran, die militante Gruppe wieder aufzubauen. Unter Mohammed Sinwar rekrutiert die Hamas neue Kämpfer in Gaza und verwickelt Israel in einen Zermürbungskrieg.

    Navigating Russia: Russia’s Hidden War Debt. Russland verfolgt zur Deckung seiner steigenden Kriegskosten eine zweigleisige Strategie, indem es seine überwachten Verteidigungsausgaben durch ein außerbudgetäres Finanzierungsprogramm ergänzt, das der Westen lange nicht beachtete. Diese Mittel geraten nun unter Druck. Das bietet der Ukraine und ihren Verbündeten neue Einflussmöglichkeiten.

    Standpunkt

    Verteidigungsausgaben: Konkrete Summen fehlen in der Debatte

    Sarah Brockmeier-Large
    Sarah Brockmeier-Large ist Leiterin des Berliner Büros des Leibniz-Instituts für Friedens- und Konfliktforschung (PRIF) und Non-Resident Fellow am Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin.

    Nun ist sie voll im Gange, die Debatte im Wahlkampf über Verteidigungsausgaben. Aber die zentrale Frage bleibt unterbelichtet: “Wer zahlt die Zeche?”, fragte der Bundeskanzler als Reaktion auf den Vorstoß von Wirtschaftsminister Robert Habeck, zukünftig dreieinhalb Prozent des Bruttoinlandprodukts für die Sicherheit Deutschlands aufzubringen. “Die Bürgerinnen und Bürger?”

    Ja, die Bürgerinnen und Bürger. Die Frage ist doch – und zwar auch, wenn man deutlich weniger als dreieinhalb Prozent fordert -, welche Bürgerinnen und Bürger dafür wie und wann belastet werden. Mindestens zwei Dinge müssten sich ändern, damit die Finanzierungsfrage ernsthafter diskutiert wird.

    Erstens müssten Expertinnen und Journalisten bei den Kostenschätzungen der Wahlprogramme die fehlenden Summen für die Verteidigung miteinbeziehen. Als Ende des Jahres Wirtschaftsinstitute und Experten die Kosten der Wahlprogramme zusammenfassten, tauchten diese Summen nicht auf, weil dort vorwiegend Kosten eingerechnet wurden, die mit Steuern zu tun haben. Im Ergebnis ist es aber irreführend, wenn die Milliardenbeträge für die Verteidigung unter Überschriften wie “Welches Preisschild haben die Wahlversprechen?” (Tagesschau) fehlen.  

    Drei Prozent des BIP bedeuteten 70 Milliarden Euro jährlich mehr

    Denn alle Parteien mit realistischen Chancen auf eine Regierungsbeteiligung versprechen mindestens zwei Prozent des BIP. Wenn das Sondervermögen für die Bundeswehr aufgebraucht ist, fehlen ab 2028 dafür 30 Milliarden Euro pro Jahr. Zumindest, woher dieses Geld kommen soll, müssten die Parteien erklären.

    Nun ist aber eigentlich klar, dass es um mehr als zwei Prozent gehen wird. Vor Habeck hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius schon Anfang des vergangenen Jahres drei bis dreieinhalb Prozent in den Raum gestellt. Innerhalb der Nato wird seit Trumps Wiederwahl längst über drei Prozent gesprochen. Donald Trump fordert utopische fünf Prozent. Allein für zweieinhalb Prozent des BIP würden ab 2028 rund 50 Milliarden Euro, für drei Prozent rund 70 Milliarden Euro fehlen. Jedes Jahr.

    Für eine ernsthafte Debatte, woher dieses Geld kommen soll, müssten deswegen zweitens auch Expertinnen und Experten für Sicherheitspolitik damit aufhören, bei der Finanzierungsfrage nur vage von “schmerzhaften Einschnitten” oder “Prioritäten setzen” zu sprechen. Ja, beides wird es brauchen. Aber die Formulierungen suggerieren nicht selten, man müsse sich nur ein bisschen anstrengen und hier und da überbordende Sozialausgaben kürzen, und dann findet man das Geld schon.

    Aber 70 Milliarden Euro wären fast 15 Prozent des gesamten Bundeshaushalts von 2024 und knapp 40 Prozent des Etats für Arbeit und Soziales. Die Ausgaben des Bundes für die Rente lagen 2024 bei 127 Milliarden Euro – selbst die Hälfte davon wären keine 70 Milliarden Euro. Die Gesamtsumme für das Bürgergeld lag 2024 bei etwa 26,5 Milliarden Euro. Man könnte die Ministerien für Bildung und Forschung, Gesundheit, Inneres und Entwicklung abschaffen, ohne 70 Milliarden Euro einzusparen. Oder in einer imaginären, über Nacht wirkenden Verwaltungsreform Bürokratie abbauen und in allen Bundesministerien zehn Prozent einsparen: keine 70 Milliarden.

    Mehr über Bundeshaushalt und weniger über Prozente sprechen

    Es wird sehr wahrscheinlich alles brauchen: eine Reform der Schuldenbremse und neue Schulden, Steuererhöhungen und Kürzungen. Hierzu bräuchte es folgende Debatten: Wie sollte die Schuldenbremse reformiert werden, für wen können Steuern erhöht, wo genau kann gekürzt werden? Und da es um unfassbar hohe Summen geht: Von welchen Fähigkeiten sprechen wir, die die Bundeswehr haben und entwickeln sollte? Wie viel mehr Geld kann wie schnell sinnvoll ausgegeben werden? Wie setzen sich die Parteien für Reformen in der Verwaltung und Beschaffung ein, wie wollen sie eine stärkere europäische Integration vorantreiben?

    Aber um diese Debatten sinnvoll zu führen, müssten Politik, Expertinnen und Journalisten im Wahlkampf deutlich mehr über die konkreten Summen sprechen, um die es geht, und dabei die für viele Menschen nichtssagenden Prozentzahlen ins Verhältnis zum Bundeshaushalt setzen. Dass der Ökonom Moritz Schularick Christian Lindner bei Caren Miosga im Dezember erklären musste, dass drei Prozent des BIP 120 bis 130 Milliarden Euro sind, sagt etwas über den FDP-Chef aus. Es sagt aber auch etwas über die sicherheitspolitische Debatte in Deutschland, wenn diese Zahlen dem ehemaligen Finanzminister einen Monat nach Wiederwahl Donald Trumps neu waren.

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    Frank Schwabe – Mit Pragmatismus für die Menschenrechte

    Frank Schwabe hat nach 2022 seine eigenen Prinzipien kritisch hinterfragt.

    Mit 21 Jahren trat Frank Schwabe in die SPD ein, zwei Jahre nach dem Mauerfall. Dass der Traum von einer Friedensdividende nach dem Ende der Blockkonfrontation mit Russlands Überfall auf die Ukraine 2014 und 2022 vorbei ist, sieht der Bundestagsabgeordnete auch als persönliche Zeitenwende an. “Ich habe mein ganzes politisches Leben gegen Waffenexporte an Länder gekämpft, die etwa den Vertrag über den Waffenhandel nicht unterzeichnet haben. Da ist seit dem Krieg in der Ukraine, aber auch seit dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel vieles zurecht ins Rutschen geraten”, sagt der 54-Jährige aus Castrop-Rauxel.

    Seit 2005 sitzt Schwabe für die SPD im Bundestag; seit 2022 ist er außerdem Leiter der Deutschen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats – im selben Jahr wurde er zum Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Schon seit 2014 ist er Sprecher seiner Fraktion für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Dezidiert setzt sich Schwabe für die Belange von Zivilgesellschaft und Minderheiten weltweit ein, besonders in Ost- und Südosteuropa, aber auch in Nahost.

    Mit Autokraten klare Worte sprechen

    An autoritären Staaten wie Aserbaidschan und Katar komme Deutschland als Energieimporteur nicht mehr vorbei, räumt Schwabe ein. “Da das demokratische Spektrum global eher eine Minderheit an Staaten umfasst, werden wir Gas und Öl künftig weiter einkaufen müssen in Ländern, die nicht dazugehören.” Doch für den Umgang mit dem aserbaidschanischen Machthaber Ilham Alijew und anderen autoritären Herrschern komme es darauf an, die Interessen der Bevölkerung nicht aus dem Blick zu verlieren. “Man muss mit autokratischen Handelspartnern klare Worte sprechen bei schwersten Menschenrechtsverletzungen und ihnen nicht die Gelegenheit geben, Treffen zu inszenieren.”

    Schwer scheint es Schwabe trotzdem manchmal zu fallen, seinen Frieden mit den harschen Realitäten der internationalen Realpolitik zu machen – und die Wiederaufnahme von Waffenlieferungen an das Regime des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman durch die Ampel-Koalition nicht verhindert haben zu können. “Es ist schon ein sehr harter Schritt, ein Regime mit Waffen zu beliefern wie Saudi-Arabien, das noch 2018 den Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul hat umbringen lassen, offensichtlich angeordnet von ganz oben.”

    Saudi-Arabien für Neuordnung in Nahost unabdingbar

    An seinem Pragmatismus hält der Vater von drei Kindern dennoch fest. “Ich finde, Menschenrechtspolitik muss mit Realpolitik kompatibel sein.” Dass es ohne Saudi-Arabien zu keiner Friedenslösung in Nahost kommen werde, hält Schwabe für unzweifelhaft – trotz neuer Rekordzahlen bei Hinrichtungen und “absurden Schauprozessen, die nur der Verschleierung der Vorgänge dienen und die internationale Gemeinschaft an der Nase herumführen”. Am 23. Februar tritt Schwabe zum sechsten Mal für ein Mandat im Bundestag an, die letzten fünf gewann er seinen Wahlkreis Recklinghausen I direkt. Markus Bickel

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