Table.Briefing: Security

Pakistans unterschätze Rolle in Nahost + China-Kenner Rudd traut Peking Vermittlerrolle zu

Liebe Leserin, lieber Leser,

der US-amerikanische Außenminister Antony Blinken verließ Skopje, ehe es überhaupt zu einem Zusammentreffen mit Sergej Lawrow kommen konnte: So nutzte der russische Chefdiplomat das OSZE-Außenministertreffen in der nordmazedonischen Hauptstadt, um den Einfluss Moskaus in der weltweit größten regionalen Sicherheitsorganisation zu wahren. Die Vertreter der baltischen Staaten, Polens, Rumäniens und der Ukraine waren der Zusammenkunft, die heute zu Ende geht, gleich ferngeblieben. Lisa-Martina Klein hat mit dem litauischen Politologen Linas Kojala darüber gesprochen, welche Signale die OSZE setzen müsste, um Moskaus Expansionsdrang einzudämmen – und wie wichtig die dauerhafte Stationierung einer deutschen Brigade in Litauen dabei ist.

Von der Idee des früheren israelischen Premierministers Ehud Olmert, nach Kriegsende Nato-Soldaten in den Gazastreifen zu schicken, hält Shlomo Shpiro – nichts. Gemeinsam mit dem früheren israelischen Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, war er diese Woche zu Gast bei uns in der Redaktion zu einem Security.Breakfast. Mit Blick auf die Zukunft nach dem Krieg sprachen sich beide für eine weitere Annäherung ihres Landes an Saudi-Arabien aus – Kronprinz Mohammed Bin Salman habe das Zeug, eines Tages in die Fußstapfen des ägyptischen Präsidenten Anwar al-Sadat zu treten. Inwieweit Pakistan durch die saudische Position ebenfalls gezwungen sein könnte, seine Beziehungen zu Israel zu normalisieren, analysiert Shams ul Haq.

Der Tod Henry Kissingers bewegt die Welt. In unserer internationalen Presseschau würdigen viele das Lebenswerk eines Mannes, der als 15-Jähriger vor den Nazis aus Deutschland in die USA geflohenen war. In die lobenden Erinnerungen an den Friedensnobelpreisträger mischen sich auch kritische Stimmen, die seine Unterstützung für lateinamerikanische Diktaturen und seine Rolle bei der Bombardierung Kambodschas beleuchten.

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Markus Bickel
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Analyse

Debatte um Cybersicherheit: “Können uns das Warten nicht leisten”

Claudia Plattner, Präsidentin des Bundesamts für Sicherheit in der Informationssicherheit (BSI), und Innenministerin Nancy Faeser im November in Berlin.

Es sind kleine Nebenbemerkungen, die in den vergangenen Wochen immer wieder aufhorchen ließen: Deutschland sei nicht wirklich gut auf größere Angriffe auf die IT-Sicherheit vorbereitet, deutsche Firmen würden schon bei den essenziellen Standardsicherheitsmaßnahmen versagen. Und noch sei das Thema Cybersicherheit nicht flächendeckend angekommen – nicht im Kabinett, nicht bei den Unternehmensvorständen. Auch das sagt nicht irgendwer, sondern die Präsidentin des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Claudia Plattner. Und keiner widerspricht ihr. Im Gegenteil: Alle Fachleute stimmen ihr zu – ob vom Chaos Computer Club, vom Bundesamt für Verfassungsschutz oder aus der Privatwirtschaft.  

Deshalb soll sie gestärkt werden: mit Gesetzgebung wie der deutschen Umsetzung der Netzwerk- und Informationssicherheitsrichtlinie 2 der EU, aber auch mit dem Kritis-Dachgesetz. Beide setzen extrem niedrigschwellig an: Unternehmen und öffentliche Institutionen sollen ab bestimmten Schwellenwerten oder bei bestimmten Tätigkeiten das tun müssen, was von ihnen erwartet werden darf: ihre Systeme zu kennen und sie abzusichern, wenn sie für die Gesellschaft unverzichtbar sind.  

Geheimdienstliche Beschränkungen erschweren Austausch

Dafür sollen möglichst viele Akteure zusammenarbeiten – und Informationen austauschen. Über ganz konkrete Sicherheitsvorfälle – damit nicht das, was in einem Unternehmen oder einer Behörde passiert ist, auch in anderen passiert. Und damit großflächige Angriffsmuster überhaupt erkannt werden können. 

Doch die deutsche Debatte ist vor allem eines: sehr deutsch. Wer soll unter welchen Umständen welche Informationen zu welchem Vorfall erhalten dürfen? Die Nachrichtendienste etwa unterliegen oft den Third-Party-Rules: Informationen von Dritten dürfen sie oft nur als “finished Intelligence” teilen – und auch dann längst nicht mit jedem. Doch im Vergleich zum Rohmaterial fehlen viele Kontextinformationen, die gerade bei Cybersicherheitsvorfällen maßgeblich sind, um größere Muster zu erkennen.  

BND fordert schnelleres Handeln

Dabei geht es vor allem um den Methodenschutz, wie BND-Vizepräsident Dag Baehr diese Woche zu Protokoll gab: Natürlich wollten alle Nachrichten- und Geheimdienste der Verbündeten einen Angreifer erwischen. Es gehe aber für diesen speziellen Bereich auch stets um Abstreitbarkeit, “plausible deniability” nach dem Motto: “Die Maus wurde gefangen, aber es war nicht meine Katze.”

Und auch die Deutschen könnten oft nicht die Informationen teilen, die sie gerne teilen würden. Und das sei ein Problem: “Wir können uns das Warten nicht leisten”, so Baehr. “Und die Gefahr steigt exponentiell, während wir uns mit Übermittlungsvorschriften beschäftigen.” Zusammenarbeit setze voraus, dass die Beteiligten dies wollten, könnten und dürften. Mit Blick auf Cybersicherheit bedeute das, sagt der frühere KSK-Kommandeur: “Die klopfen schon die ganze Zeit an unsere Tür, während wir uns damit beschäftigen, ob wir dem anderen erzählen dürfen, dass einer anklopft.”  

Hessen und Bayern stellen sich quer

Doch auch jenseits der klandestinen Gemeinde gibt es Probleme bei der Zusammenarbeit. In Deutschland etwa die Aufteilung zwischen dem Bund und den Ländern: Wer ist wofür zuständig? Wer im Fall der Fälle kompetent? Die geplante Zentralstellenfunktion des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) für IT-Sicherheitsvorfälle und die des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) für physische Vorfälle stehen seit über einem Jahr im Raum, sind aber nach wie vor nicht Konsens mit allen Bundesländern.

Die Bundesebene spricht beim BSI inzwischen auffällig oft davon, dass die Bonner IT-Sicherheitsbehörde doch nur eine Zentralstellenfunktion wie das BKA erhalten solle – und die meisten Länder finden das eine gute Idee. Doch es bräuchte eine verfassungsändernde Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundesrat und Bundestag. Und bei der Länderkammer ist das bislang nicht gesichert. Insbesondere Bayern und Hessen verwahren sich bislang dagegen – beides Länder mit vergleichsweise starken, eigenen Institutionen. 

Zauberwort Resilienz

Und so liegt die Hoffnung der Privatwirtschaft derzeit vor allem darin, einen anderen Aspekt zu stärken: die Resilienz der Infrastrukturen und kritischen Anlagen insgesamt. Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), betont, dass es im Endeffekt egal sei, ob eine Anlage wegen eines physischen oder eines Angriffs auf die IT ausfalle: wenn sie ausfalle, sei der Schaden da. Es sei auch unmöglich, 500.000 Kilometer Glasfaser zu schützen, sagt Thomas Tschersich, Chef bei Telekom Security.

Resilienz ist also das Zauberwort: Da IT nicht perfekt geschützt werden kann, geht es neben allen zumutbaren Maßnahmen auch darum, die Ausfallzeiten gering zu halten und Systeme und Anlagen schnellstmöglich wieder zum Arbeiten zu bringen. Doch durchdekliniert ist das noch nicht: Welche Folgen das etwa für Lagerhaltung, Redundanzplanung und Notfall-Verträge mit Konkurrenten im Schadensfall hat, ist bislang kaum Thema. Vorerst obsiegt in der deutschen Sicherheitsdebatte die Resilienz der Debatte über Trennungsgebot und Zuständigkeiten im Föderalismus. 

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Gaza-Krieg: Pakistan dosiert seine Kritik an Israel vorsichtig

Israel und Pakistan haben nie formelle diplomatische Beziehungen unterhalten. 1947 stimmte Pakistan gegen den Teilungsplan der Vereinten Nationen für Palästina, und bis heute erkennt es den Staat Israel nicht an. Den seit 7. Oktober anhaltenden Krieg zwischen der Terrororganisation Hamas und israelischen Streitkräften bezeichnete das Außenministerium in Islamabad im November als “traurige Erinnerung und direkte Folge von mehr als sieben Jahrzehnten illegaler ausländischer Besatzung, Aggression und Missachtung des Völkerrechts”.  Inoffiziell hat das pakistanische Militär in der Vergangenheit die Hamas mit Geldern und Technik unterstützt.

Im aktuellen Nahostkrieg hat sich die pakistanische Regierung darauf verständigt, nicht zu einer weiteren Eskalation des Konflikts beizutragen. Auf dem Gipfel arabischer und islamischer Staaten Mitte November in Riad verurteilte Premierminister Anwaar ul Haq Kakar das Vorgehen Israels als unverhältnismäßig, brutal und aggressiv; systematisch würde gegen Menschenrechte, das Völkerrecht und die Humanität verstoßen. Dafür müsse Israel von der internationalen Gemeinschaft zur Rechenschaft gezogen werden.

Militärische und zivile Organe vereint gegen Israel

Ähnlich äußerte sich der Generalstabschef der Armee, Asim Munir. Er forderte die internationale Gemeinschaft auf, Israels “rechtswidrige Gewaltanwendung” zu beenden. Die “neue Welle der Gewalt in Gaza ist das Ergebnis unverminderter Unterdrückung, anhaltender Menschenrechtsverletzungen und des staatlich geförderten Sakrilegs der Al-Aqsa-Moschee”, sagte er.

Die Äußerungen zeigen, dass die pakistanischen Regierungsstellen darum bemüht sind, die Beziehungen ins westliche Ausland durch unbedachte Formulierungen nicht zu sehr zu gefährden. Jede Bemerkung, die als aktive Befürwortung von Gewalt gegen Israel interpretiert werden könnte, wurde bislang vermieden.

Aus früheren diplomatischen Fehlern gelernt

Diese vorsichtige Haltung kann als Lehre aus jüngsten Konflikten angesehen werden: 2018 etwa erklärte der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu mahnend bei einem Besuch in Indien, dass Israel kein Feind Pakistans sei und dass Pakistan sich gegenüber Israel “nicht wie ein Feind verhalten sollte”. Als der damalige pakistanische Premierminister Imran Khan 2022 kurz nach Kriegsbeginn nach Moskau reiste, sorgte das für Empörung in westlichen Hauptstädten und führte zu erheblichen diplomatischen Spannungen.

Bislang hält sich die pakistanische Regierung aus diplomatischer Vorsicht mit schärferer Israel-Kritik zurück, beobachtet aber sehr genau die Annäherung Saudi-Arabiens an das Land.  Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Äußerung des damaligen pakistanischen Regierungschefs Imran Khan 2020. Nach Unterzeichnung der Abraham-Abkommen zwischen Israel, Bahrein und den Vereinten Arabischen Emiraten (VAE) sagte er, dass die USA und “mindestens ein anderes Land” verstärkten diplomatischen Druck auf seine Regierung ausgeübt hätten, ebenfalls diplomatische Beziehungen zu Israel aufzunehmen.

Geheimdienstliche Zusammenarbeit mit Israel

Zwar gab Khan den Namen des Landes nicht preis, doch kann es sich dabei nur um Saudi-Arabien gehandelt haben. Trotz des Gaza-Kriegs hält Thronfolger Mohammed Bin Salman an dem Ziel fest, mittelfristig sein Verhältnis zu Israel zu normalisieren. Die Regierung in Pakistan wiederum hat wiederholt bekräftigt, keine offiziellen Beziehungen aufzunehmen, ehe nicht ein “lebensfähiges, unabhängiges und zusammenhängendes” Palästina mit Ostjerusalem als Hauptstadt geschaffen und von Israel anerkannt werde.

Auf geheimdienstlicher Ebene kooperierten beide Staaten jedoch schon mehrfach miteinander, während des sowjetisch-afghanischen Kriegs etwa und nach dem Schwarzen September 1970/71 in Jordanien, einem etwa ein Jahr dauernden Bürgerkrieg. In der Türkei nutzten Israel und Pakistan ihre Botschaften und Generalkonsulate zudem, um miteinander zu kommunizieren und Informationen auszutauschen. So hätten pakistanische Geheimdienstmitarbeiter in der Vergangenheit über diesen Weg Hinweise auf einen bevorstehenden Terroranschlag im indischen Mumbai 2008 an den israelischen Mossad weitergeleitet, berichtete die pakistanische Zeitung Dawn zwei Jahre später. Als ein Hauptziel war ein jüdisches Kulturzentrum in der indischen Millionenmetropole genannt worden.

In den sozialen Medien geben Extremisten den Ton vor

Radikalere Töne finden sich indes in der pakistanischen Öffentlichkeit, vor allem in den sozialen Medien. Menschen äußern dort, ihr Leben für Palästina geben zu wollen. Auch rechte Islamisten in Pakistan haben ihre Unterstützung für die Hamas und deren Angriff auf Israel am 7. Oktober bekundet. In ähnlicher Weise haben sich politische Parteien im ganzen Land geäußert, um sich im Vorfeld der Parlamentswahl im Februar kommenden Jahres zu positionieren.

Wenn aber die Tötung palästinensischer Zivilisten anhält und der Druck auf der Straße wächst, könnte die Regierung von Premierminister Kakar ihre bislang vorsichtige Haltung möglicherweise nicht mehr beibehalten.

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News

Forderungen nach Eingreiftruppe im Gazastreifen werden lauter

Israels früherer Ministerpräsident, Ehud Olmert, hat die Entsendung von Nato-Truppen in den Gazastreifen nach Ende der Kämpfe gefordert. Israel müsse “mit den Vereinigten Staaten und seinen anderen Freunden eine Vereinbarung über die Entsendung einer internationalen Eingreiftruppe in den Gazastreifen treffen, die sich aus Soldaten der Nato-Länder zusammensetzt und die israelische Armee ersetzen würde”, schrieb er in einem Gastbeitrag für die israelische Tageszeitung Haaretz.

Gegenüber Table.Media kritisierte der israelische Politikwissenschaftler Shlomo Shpiro Olmerts Vorschlag: Weder in Afghanistan noch im Irak sei es der Nato in den vergangenen beiden Jahrzehnten gelungen, für Sicherheit zu sorgen. Auch UN-Blauhelmeinheiten seien nicht geeignet, für Stabilität in dem seit 2007 von der Hamas kontrollierten Gazastreifen zu sorgen. Allenfalls Ägypten käme dafür infrage, allerdings fehle für einen solchen Einsatz in Kairo wahrscheinlich der politische Wille.

99 Geiseln bisher freigekommen

Acht Wochen nach den Pogromen der palästinensischen Terrororganisation im Süden Israels werden die Rufe nach einer politischen Lösung des Konflikts lauter. Immer wieder wird dabei auf die vor dreißig Jahren in den Oslo-Verträgen angestrebte Zweistaatenlösung verwiesen, unter anderem von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und der US-Regierung. US-Außenminister Antony Blinken traf am Donnerstag in Jerusalem zum vierten Mal seit Kriegsbeginn mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zusammen. Vor Fortsetzung seiner Militäroffensive im Süden des Gazastreifens habe Israel “die Pflicht”, Schaden von “unschuldigen Männern, Frauen und Kindern” abzuwenden, sagte er auf einer Pressekonferenz am Donnerstagabend in Jerusalem.

Mehr als 15.000 Menschen sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza seit dem 7. Oktober getötet worden. 1,8 der 2,2, Millionen Bewohner wurden in den Süden des Landstrichs vertrieben. Eine unter Vermittlung Katars vor einer Woche zustande gekommene Feuerpause war zunächst bis Freitagfrüh verlängert worden. 99 von der Hamas verschleppte Geiseln sind seitdem freigekommen und 210 palästinensische Häftlinge; Hunderte Lastwagen mit Hilfsgütern erreichten den Gazastreifen. mrb

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Australiens Botschafter in den USA traut China Vermittlerrolle in Nahost zu

China könnte als Vermittler im derzeitigen Nahost-Krieg “aktiver” werden, analysiert der australische Botschafter in den USA, Kevin Rudd. Allerdings müsse China dafür eine klare Haltung gegenüber der Hamas zeigen. Im Gespräch mit Table.Media sagte Rudd: “Solange die Führung in Peking sich weigert, die Verbrechen der Hamas klar zu verurteilen, wird Israel gegenüber China skeptisch bleiben.” Eine Verurteilung des Hamas-Terrors hat China auch mit der Vorlage eines Positionspapiers zu Nahost in dieser Woche nicht vorgenommen.

Bei der Annäherung zwischen den Erzfeinden Saudi-Arabien und Iran beispielsweise hatte China eine entscheidende Rolle gespielt, so Rudd. Das von ihm als eng beschriebene Verhältnis zum Iran allerdings hindere Israel noch daran, China als “langfristigen strategischen Partner” zu sehen: “Bei den jüngsten Annäherungen an die Golfmonarchien geht es China vor allem um seinen wachsenden Bedarf an Kohlenwasserstoff. Die USA importieren weniger Energie aus den Golfstaaten, die Chinesen füllen diese Lücke und nutzen die Geschäfte, um zugleich auch die geopolitischen Beziehungen in der Region auszubauen.”

Sicherheitsbündnis im Indopazifik unter US-Führung

Rudd, der zweimal Premierminister und Außenminister Australiens war, ist studierter Sinologe und gilt als einer der besten Kenner Chinas. Der jetzige Botschafter seines Landes in den USA sieht vor allem Chinas Machtansprüche im indopazifischen Raum als ein langfristiges Problem für die westliche Staatengemeinschaft. Für ihn ist klar: “Peking will Taiwan erobern.” Deshalb müsse ein neues Sicherheitsbündnis unter Führung der USA im Indopazifik etabliert werden: “Ich halte eine Strategie der Abschreckung für angemessen. Der militärischen Führung in Peking muss klargemacht werden, dass für jeden Versuch, etwa Taiwan mit einseitiger Gewalt zurückzuerobern, China einen hohen Preis zu zahlen hat, politisch, militärisch und wirtschaftlich.” Auch Deutschland spiele dabei eine wichtige Rolle, in dem es eine “zunehmend harte Haltung gegenüber China” einnehme.

In seinem gerade erschienenen Buch “Der vermeidbare Krieg. Die Gefahr eines katastrophalen Konflikts zwischen den Vereinigten Staaten und Xi Jinpings China” entwirft Rudd eine “Roadmap für eine unsichere Zukunft”. Sowohl China als auch die USA müssten einen “gemanagten strategischen Wettbewerb” anstreben. Das Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping Mitte November könnte dafür die Tonalität gesetzt haben. nana

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Stawitzki wirft Industrie Trägheit bei Munitionsproduktion vor

Der Abteilungsleiter Ausrüstung im Verteidigungsministerium, Vizeadmiral Carsten Stawitzki, wirft der Rüstungsindustrie vor, trotz gut dotierter Aufträge ihre Produktionskapazitäten nicht schnell genug hochzufahren. Rund 80 Milliarden Euro an Ausgaben seien von deutscher Seite mit Industriepartnern bereits vereinbart, dennoch könne er “mindestens eine Milliarde Euro” nicht auszahlen. Grund dafür sei, dass es “erhebliche Verzögerungen bei diesen Programmen” gebe, sagte Stawitzki am Mittwoch auf der Berliner Sicherheitskonferenz (BSC).

Sie warten alle auf weitere Anweisungen. Sie kennen alle unsere Budgetzwänge”, sagte er mit Hinweis auf die Haushaltsplanungen, die vom Bundestag vor Jahresende verabschiedet werden sollen. Wenn man mit Autokratien wie Russland, China oder Nordkorea bei der Waffen- und Munitionsproduktion mithalten wolle, stelle sich die Frage: “Wie viele Marktprinzipien kann ich der Verteidigungsindustrie in diesen Zeiten gewähren oder wie viele Planungsprinzipien muss ich anwenden, um die Produktionskapazitäten so hochzufahren, um diesen Wettbewerb zu gewinnen?”

Deutschland versucht wie andere europäische Partner, die Produktion von Munition, insbesondere von Artilleriegeschossen, zu erhöhen. Die Europäische Union hatte sich im März 2023 verpflichtet, innerhalb eines Jahres eine Million Artilleriegranaten an die Ukraine zu liefern, wovon die EU bislang nur rund ein Drittel geliefert hat. Nordkorea hingegen hat nach Schätzungen des südkoreanischen Geheimdienstes eine Million Artilleriegeschosse an Russland für den Krieg gegen die Ukraine zur Verfügung gestellt. bub

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Baerbock wirft Russland Zerstörung von OSZE vor

Neben Litauen, Lettland, Estland und der Ukraine haben gestern auch Polen und Rumänien das Treffen der Außenminister der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) boykottiert – aus Protest gegen die Anwesenheit von Russlands Außenminister Sergej Lawrow. Man wolle Russland keine Propaganda-Möglichkeit bieten, erklärten die baltischen Staaten. Außerdem blockierte Russland monatelang eine Entscheidung über den nächsten Vorsitz und stimmte gegen das Nato-Land Estland. Die endgültige Entscheidung über Malta als Vorsitz steht noch aus.

Bundesaußenminister Annalena Baerbock sagte vor dem Treffen, dass Russland nicht nur die Ukraine zerstören wolle, sondern auch internationale Organisationen wie die OSZE selbst. Russland versuche, die internationale Zusammenarbeit zu torpedieren. Sie forderte Lawrow auf, “das unsägliche Leid” zu stoppen. 

Wie isoliert ist Russland noch?

Moskau gab sich von dem Protest erwartbar unbeeindruckt. Nach Angaben des russischen Außenministeriums hätten sogar einige Staaten um ein bilaterales Gespräch mit Lawrow gebeten. Ist Russland also doch nicht so isoliert, wie es der Westen darstellt? Im Interview mit Table.Media erklärt der litauische Politologe Linas Kojala, dass dieses ambivalente Verhalten des Westens gemischte Signale sendet. Denn Russland zeige weiterhin keinerlei Anzeichen für eine Verhandlungsbereitschaft. 

Umso wichtiger sei daher, dass die Nato-Mitgliedstaaten in eine starke Position kommen. Es sei günstiger, jetzt die Fähigkeiten zu verstärken, als sich später in einer Konfrontation mit Russland zu sehen. Als klares Zeichen dafür, dass sich Deutschland seiner Verpflichtung bewusst ist, sieht Kojala die Entscheidung von Verteidigungsminister Boris Pistorius, eine permanente, schwere Kampfbrigade in Litauen zu stationieren.

“Dafür braucht es Politiker, die trotz der Schwierigkeiten bei der Umsetzung wirklich an diese Idee glauben. Es braucht Politiker, die sich nicht hinter der Gesellschaft verstecken und sagen: Seht her, meine Bevölkerung will das nicht, daher kann ich das nicht tun”, betonte Kojala im Interview. Denn der Politologe zweifelt, ob Verbündete wie Deutschland wirklich zur Hilfe kämen, würde Litauen angegriffen werden. klm

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ICAN: Bundesregierung bremst bei nuklearer Abrüstung

Deutschland wird den Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) nicht unterzeichnen. Dies würde mit den nationalen Sicherheitsinteressen und der Mitgliedschaft in der Nato kollidieren, sagte Susanne Riegraf, die stellvertretende Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle. Nukleare Abschreckung und Engagement für Rüstungskontrolle könnten Hand in Hand gehen, so die Diplomatin auf der zweiten Tagung der Unterzeichnerstaaten des Vertrags über das Verbot von Kernwaffen.

Das Treffen in New York am Sitz der Vereinten Nationen endet heute nach fünf Tagen Beratungen zwischen den Vertragsstaaten, sowie internationalen Organisationen, Beobachtern verschiedener Regierungen und Gruppen aus der Zivilgesellschaft.

Der deutsche Ableger der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) kritisierte die Position der Bundesregierung. Die “Zeitenwende” behindere die nukleare Abrüstung, so Organisation. “Während die Bundesregierung im letzten Jahr das Engagement der Mitgliedsstaaten des AVV begrüßt hat, fehlte in der aktuellen Rede jegliche Wertschätzung für die immense Bedeutung des Vertrages”, sagte Marian Losse, Vorstandsmitglied von ICAN Deutschland.

Den Hauptfokus auf der Bedrohung durch Russland nahm er als einseitig wahr, denn auch die nukleare Aufrüstung Chinas spielte eine größere Rolle als im letzten Jahr. Zudem rüste die Bundesregierung durch Modernisierung der eigenen Luftwaffenbasis in Büchel und den Kauf neuer Flugzeuge für den Einsatz von Atombomben ebenfalls nuklear auf.

Riegraf sieht Russland als Haupthindernis für Abrüstung

Riegraf bekräftigte in New York die Verpflichtung Deutschlands, eine sichere Welt ohne Atomwaffen anzustreben. Gleichzeitig erklärte sie, dass es wichtig sei, die Sicherheitslage in Europa und weltweit im Auge zu behalten. “Russland hat das Konzept des Vertrauens und der Vertrauensbildung der vergangenen Jahrzehnte völlig entmachtet”, sagte sie.

So hatte Putin im März angekündigt, Atomwaffen in Belarus stationieren zu wollen; im Oktober kündigte er den Vertrag über das Verbot von Nuklearversuchen auf. “Die internationalen Rüstungskontrollgremien, einschließlich dieses Treffens der Vertragsstaaten, müssen ausdrücklich Russland als Haupthindernis für Abrüstungsbemühungen benennen”, forderte Riegraf.

Der Vertrag über das Verbot von Kernwaffen (AVV) wurde 2017 verabschiedet und trat 2021 in Kraft. Neben dem Verbot von Entwicklung, Produktion, Test, Erwerb, Lagerung, Transport, Stationierung und Einsatz jeglicher Kernwaffen verpflichtet er zudem zu Hilfe für die Opfer von Einsätzen oder Tests von Atomwaffen. Somit ergänzt er den nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NVV) aus dem Jahr 1968.

Deutschland hat, wie alle Nato-Staaten, den Vertrag nicht unterschrieben. Die neun Staaten weltweit, die Atomwaffen besitzen, sind ebenfalls nicht Mitglieder des AVV. Insgesamt gibt es weltweit mehr als 12.500 Atomsprengköpfe, rund 90 Prozent davon in Besitz der USA und Russlands. asc

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Presseschau

NPR: The Legacy of Henry Kissinger. Außenpolitisches Superhirn und Kriegsverbrecher, gewiefter Stratege und verantwortungsloser Befehlshaber – Dieser Beitrag beleuchtet die gespaltene Rolle Henry Kissingers und wie sein Handeln die Politik des 20. Jahrhunderts auf der ganzen Welt prägte.

The Intercept: Henry Kissinger, Top U.S. Diplomat Responsible for Millions of Deaths, dies at 100. Wie viele Menschenleben hat Henry Kissinger mit seiner Politik zu verantworten? “Er trug dazu bei, den Vietnamkrieg zu verlängern, den Konflikt auf das neutrale Kambodscha auszudehnen; er unterstützte Völkermorde in Kambodscha, Osttimor und Bangladesch; beschleunigte Bürgerkriege im südlichen Afrika und unterstützte Putsche in ganz Lateinamerika”, schreibt The Intercept zu Beginn dieses Nachrufs.

The Nation: A People’s Obituary of Henry Kissinger. “Jetzt, da Kissinger tot ist, werden seine Kritiker die Gelegenheit haben, ihre Anschuldigungen zu wiederholen. Und es gibt eine lange Liste von Zeugen, die bereit sind, Hintergrundinformationen zu seinen Aktionen in Kambodscha, Laos, Vietnam, Osttimor, Bangladesch, gegen die Kurden, in Chile, Argentinien, Uruguay und Zypern und anderen Orten zu liefern.”

The Washington Post: Henry Kissinger’s central role in the U.S. carpet bombing of Cambodia. Kissingers Einfluss in Kambodscha ist nicht abstrakt, sondern spürbar und wirkt auch nach seinem Tod noch nach. Landminen sind dabei nur ein Teil des Problems – vor allem geht es um die Nachwirkungen des Bürgerkriegs, den Kissinger vor fünf Jahrzehnten mit angezettelt hat.

The East African: How Henry Kissingers diplomacy in Africa prolonged SA apartheid. “Das Apartheidregime hatte sich direkt in Kissingers hochkarätige Umlaufbahn katapultiert”, schreibt The East African. Der Artikel legt die drastischen Effekte von Kissingers Außenpolitik auf das Leben der Menschen im Apartheidstaat dar.

The Moscow Times: Putin, Russian Officials React to Henry Kissinger’s Death. Die Reaktionen russischer Politiker auf die Nachricht von Kissingers Tod bauen auf seinem Beitrag zur Entspannung zwischen Washington und der Sowjetunion zur Zeit des Kalten Krieges und seinen Aussagen zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine auf.

China.Table: Henry Kissinger – Als die USA und China noch “Freunde” waren. Mit dem Tod von Henry Kissinger endet eine Ära in den Beziehungen zwischen China und den USA. Peking ehrt ihn als “höchst geschätzten alten Freund”. Darin steckt nicht nur Anerkennung, sondern auch Kritik an der aktuellen US-Regierung.

Frankfurter Rundschau: Bücher von und über Henry Kissinger – Drei Empfehlungen. Zwei Biografien – von Wolfgang Seybold und Walter Isaacson – sowie Henry Kissingers eigenes Werk “Staatskunst” zeichnen ein eindrückliches, facettenreiches Bild des Außenpolitikers.

Standpunkt

Nachhaltiger Schutz der Grundversorgung sieht anders aus  

Von Ferdinand Gehringer
Ferdinand Gehringer

Mit dem NIS-2-Umsetzungsgesetz (NIS-2-UmsuCG) und dem Kritis-Dachgesetz werden derzeit zwei Richtlinien der Europäischen Union – die NIS-2 Richtlinie und die CER-Richtlinie – in nationales Recht umgesetzt. Als Kritische Infrastrukturen definiert das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) “Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden.”

Die neuen Gesetze sollen den digitalen und physischen Schutz sowie die Widerstandsfähigkeit der Kritischen Infrastruktur verbessern und sichern. Mit den neuen Gesetzen soll vor allem die Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes aufrechterhalten werden. Um die bloße Versorgungssicherheit geht es dabei nicht mehr. 

So werden Mindestverpflichtungen für Betreiber Kritischer Infrastrukturen eingeführt oder ausgebaut, um das Risiko des Ausfalles oder der Störung der Einrichtungen zu minimieren. Die Zahl der Sektoren nimmt stetig zu, ohne eine Priorisierung zwischen den unterschiedlichen Versorgungsarten. Was besonders wichtig für die Grundversorgung der Bevölkerung ist, wird nicht aufgeführt. Vielmehr stehen die Regelungsziele sinnbildlich für einen sich immer weiter vom Grundgedanken der Krisenvorsorge entfernenden Regulierungsansatz.  

Weiter Anwendungsbereich führt zur Überbelastung 

Der Anwendungsbereich wird stetig erweitert und die Anzahl der Sektoren im Vergleich zu den Vorgängerregulierungen erhöht. Mittlerweile sind es 18 Sektoren in der NIS-2 Richtlinie und elf Sektoren in der CER-Richtlinie. Dies führt in der Umsetzung dazu, dass viel mehr Betreiber kritischer Einrichtungen die Anforderungen erfüllen müssen. 

Zudem wird es künftig neben dem Anlagenbezug einen Bezug auf die Einrichtung geben, sodass je nach Umsatz und Mitarbeiterzahl sogar das gesamte Unternehmen von den Verpflichtungen betroffen sein kann. Der Beratungsaufwand vor allem bei den vielen kleinen und mittelständischen Betreibern wächst enorm an.

Aufgrund des Fachkräftemangels auch im IT-Dienstleistungssektor dürfte hier ein Kraftakt erforderlich sein, um eine ordnungsgemäße Umsetzung der Mindestverpflichtungen zu gewährleisten. In Deutschland geht man derzeit davon aus, dass künftig rund 29.000 Betriebe und öffentliche Einrichtungen der NIS-2 Richtlinie unterliegen. Bisher waren es circa 4.500 Betreiber. So mangelt es derzeit an Ressourcen im operativen Bereich.  

Richtlinien gefährden nationale und europäische Kohärenz  

Zudem sehen beide Richtlinien jeweils die Benennung einer nationalen Meldebehörde vor. In Deutschland wird es mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zwei unterschiedliche Bundesoberbehörden als Meldestellen geben. Überlagernde Zuständigkeiten, uneinheitliche Informationsstände und Schwierigkeiten bei europäischen Kooperationen sind vorprogrammiert.  

Dazu kommt, dass bei der Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht lediglich eine Mindestharmonisierung vorgesehen ist, können die Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung des digitalen und physischen Schutzes jeweils Regelungen unterschiedlicher Reichweite erlassen. Es droht ein uneinheitliches Schutzniveau in der Union.

Resilienzgesetz zur Sicherung der Grundversorgung 

Der Ansatz, einzelne Einrichtungen zu schützen, führt nicht zu einer nachhaltigen Sicherung der Grundversorgung im Krisen- oder Katastrophenfall. Vielmehr braucht es künftig eine Verordnung zur europäischen Resilienz, um ein einheitliches Schutzniveau zu verwirklichen. Durch die weiter zunehmende Vernetzung der Prozesse und Einrichtungen sowie durch mögliche Spill-Over Effekte könnte der Schutz einzelner Entitäten konterkariert werden, oder gar leerlaufen.

Schließlich kann das am schwächsten geschützte Glied in der Kette Auswirkungen auf das Schutzniveau der anderen haben. Entscheidend ist, welche Teil- und Kernbereiche der Versorgung besonders geschützt werden müssen. Diese müssen dann priorisiert und deren Ausfall kompensiert werden. Eine solche Priorisierung fehlt bislang ebenso wie grenzüberschreitende Lösungen innerhalb der EU zur Minderung der Auswirkungen bei Ausfällen oder von Störungsschäden und zur schnellen Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Versorgung.  

Europaweites, flächendeckendes Monitoring notwendig

Die Verordnung kann darüber hinaus Verantwortungsbereiche aufeinander abgestimmt regeln. Sie kann nicht nur Rechte und Pflichten von Betreibern der Infrastruktur beinhalten, sondern zugleich auch diese von staatlichen Akteuren und der Bevölkerung mit umfassen, um die Resilienz zu steigern und eine Krisenversorgung zu sichern.  

Zugleich würde nur eine Meldebehörde pro Mitgliedstaat, vor allem die Zusammenarbeit unter den Ländern und mit der EU vereinfachen. Ein europaweites und flächendeckendes Monitoring der Versorgung – wie es das bereits in Ansätzen für die Stromversorgung gibt – sollte langfristig das Ziel sein, um Ausfälle oder Störungen frühzeitig zu erfassen und gegebenenfalls regional, aber auch länderübergreifend in der Europäischen Union auffangen zu können. 

Schließlich ist die Grundversorgung erst recht im Krisenfall das, was die Kritische Infrastruktur ausmacht. Weshalb sollte sie dann nicht auch europäisch gesichert werden können?  

Ferdinand Gehringer ist Referent für Innere Sicherheit und Cybersicherheit bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. 

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Dessert

Wenn die Stimme aus dem Off sagt: “Das ist die russische Erde”, dann prügeln alle auf dieser Erde aufeinander ein – jede und jeder gegen jede und jeden. Die russische Erde ist in diesem Fall die Bühne im Ballhaus Prinzenallee in Berlin. Dort spielen fünf Darstellende das Stück “Ich bin’s nicht, Wladimir Putin ist es gewesen”. Es geht um den russischen Krieg gegen die Ukraine und die individuelle Verantwortung für diesen Krieg. Gibt es die? Das wird zunächst bestritten. Lässt sich die persönliche Verantwortung negieren? Mit der Zeit immer schwieriger. Immer wieder stehen die drei Männer und zwei Frauen, die in Dialogen und Monologen mit anderen und mit sich streiten, vor einer persönliche Katharsis. Und setzt sie auch ein? In Russland selbst ist nach fast 650 Tagen Krieg nichts davon zu merken. Zum vorerst letzten Mal ist das Theaterstück, das mit dem Titel auf die berühmte Produktion “Ich bin’s nicht, Adolf Hitler ist es gewesen” anspielt, am 10. Dezember um 19 Uhr zu sehen. Mehr Informationen und Karten hier.

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Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

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    Debatte um Cybersicherheit: “Können uns das Warten nicht leisten”

    Claudia Plattner, Präsidentin des Bundesamts für Sicherheit in der Informationssicherheit (BSI), und Innenministerin Nancy Faeser im November in Berlin.

    Es sind kleine Nebenbemerkungen, die in den vergangenen Wochen immer wieder aufhorchen ließen: Deutschland sei nicht wirklich gut auf größere Angriffe auf die IT-Sicherheit vorbereitet, deutsche Firmen würden schon bei den essenziellen Standardsicherheitsmaßnahmen versagen. Und noch sei das Thema Cybersicherheit nicht flächendeckend angekommen – nicht im Kabinett, nicht bei den Unternehmensvorständen. Auch das sagt nicht irgendwer, sondern die Präsidentin des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Claudia Plattner. Und keiner widerspricht ihr. Im Gegenteil: Alle Fachleute stimmen ihr zu – ob vom Chaos Computer Club, vom Bundesamt für Verfassungsschutz oder aus der Privatwirtschaft.  

    Deshalb soll sie gestärkt werden: mit Gesetzgebung wie der deutschen Umsetzung der Netzwerk- und Informationssicherheitsrichtlinie 2 der EU, aber auch mit dem Kritis-Dachgesetz. Beide setzen extrem niedrigschwellig an: Unternehmen und öffentliche Institutionen sollen ab bestimmten Schwellenwerten oder bei bestimmten Tätigkeiten das tun müssen, was von ihnen erwartet werden darf: ihre Systeme zu kennen und sie abzusichern, wenn sie für die Gesellschaft unverzichtbar sind.  

    Geheimdienstliche Beschränkungen erschweren Austausch

    Dafür sollen möglichst viele Akteure zusammenarbeiten – und Informationen austauschen. Über ganz konkrete Sicherheitsvorfälle – damit nicht das, was in einem Unternehmen oder einer Behörde passiert ist, auch in anderen passiert. Und damit großflächige Angriffsmuster überhaupt erkannt werden können. 

    Doch die deutsche Debatte ist vor allem eines: sehr deutsch. Wer soll unter welchen Umständen welche Informationen zu welchem Vorfall erhalten dürfen? Die Nachrichtendienste etwa unterliegen oft den Third-Party-Rules: Informationen von Dritten dürfen sie oft nur als “finished Intelligence” teilen – und auch dann längst nicht mit jedem. Doch im Vergleich zum Rohmaterial fehlen viele Kontextinformationen, die gerade bei Cybersicherheitsvorfällen maßgeblich sind, um größere Muster zu erkennen.  

    BND fordert schnelleres Handeln

    Dabei geht es vor allem um den Methodenschutz, wie BND-Vizepräsident Dag Baehr diese Woche zu Protokoll gab: Natürlich wollten alle Nachrichten- und Geheimdienste der Verbündeten einen Angreifer erwischen. Es gehe aber für diesen speziellen Bereich auch stets um Abstreitbarkeit, “plausible deniability” nach dem Motto: “Die Maus wurde gefangen, aber es war nicht meine Katze.”

    Und auch die Deutschen könnten oft nicht die Informationen teilen, die sie gerne teilen würden. Und das sei ein Problem: “Wir können uns das Warten nicht leisten”, so Baehr. “Und die Gefahr steigt exponentiell, während wir uns mit Übermittlungsvorschriften beschäftigen.” Zusammenarbeit setze voraus, dass die Beteiligten dies wollten, könnten und dürften. Mit Blick auf Cybersicherheit bedeute das, sagt der frühere KSK-Kommandeur: “Die klopfen schon die ganze Zeit an unsere Tür, während wir uns damit beschäftigen, ob wir dem anderen erzählen dürfen, dass einer anklopft.”  

    Hessen und Bayern stellen sich quer

    Doch auch jenseits der klandestinen Gemeinde gibt es Probleme bei der Zusammenarbeit. In Deutschland etwa die Aufteilung zwischen dem Bund und den Ländern: Wer ist wofür zuständig? Wer im Fall der Fälle kompetent? Die geplante Zentralstellenfunktion des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) für IT-Sicherheitsvorfälle und die des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) für physische Vorfälle stehen seit über einem Jahr im Raum, sind aber nach wie vor nicht Konsens mit allen Bundesländern.

    Die Bundesebene spricht beim BSI inzwischen auffällig oft davon, dass die Bonner IT-Sicherheitsbehörde doch nur eine Zentralstellenfunktion wie das BKA erhalten solle – und die meisten Länder finden das eine gute Idee. Doch es bräuchte eine verfassungsändernde Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundesrat und Bundestag. Und bei der Länderkammer ist das bislang nicht gesichert. Insbesondere Bayern und Hessen verwahren sich bislang dagegen – beides Länder mit vergleichsweise starken, eigenen Institutionen. 

    Zauberwort Resilienz

    Und so liegt die Hoffnung der Privatwirtschaft derzeit vor allem darin, einen anderen Aspekt zu stärken: die Resilienz der Infrastrukturen und kritischen Anlagen insgesamt. Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), betont, dass es im Endeffekt egal sei, ob eine Anlage wegen eines physischen oder eines Angriffs auf die IT ausfalle: wenn sie ausfalle, sei der Schaden da. Es sei auch unmöglich, 500.000 Kilometer Glasfaser zu schützen, sagt Thomas Tschersich, Chef bei Telekom Security.

    Resilienz ist also das Zauberwort: Da IT nicht perfekt geschützt werden kann, geht es neben allen zumutbaren Maßnahmen auch darum, die Ausfallzeiten gering zu halten und Systeme und Anlagen schnellstmöglich wieder zum Arbeiten zu bringen. Doch durchdekliniert ist das noch nicht: Welche Folgen das etwa für Lagerhaltung, Redundanzplanung und Notfall-Verträge mit Konkurrenten im Schadensfall hat, ist bislang kaum Thema. Vorerst obsiegt in der deutschen Sicherheitsdebatte die Resilienz der Debatte über Trennungsgebot und Zuständigkeiten im Föderalismus. 

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    Gaza-Krieg: Pakistan dosiert seine Kritik an Israel vorsichtig

    Israel und Pakistan haben nie formelle diplomatische Beziehungen unterhalten. 1947 stimmte Pakistan gegen den Teilungsplan der Vereinten Nationen für Palästina, und bis heute erkennt es den Staat Israel nicht an. Den seit 7. Oktober anhaltenden Krieg zwischen der Terrororganisation Hamas und israelischen Streitkräften bezeichnete das Außenministerium in Islamabad im November als “traurige Erinnerung und direkte Folge von mehr als sieben Jahrzehnten illegaler ausländischer Besatzung, Aggression und Missachtung des Völkerrechts”.  Inoffiziell hat das pakistanische Militär in der Vergangenheit die Hamas mit Geldern und Technik unterstützt.

    Im aktuellen Nahostkrieg hat sich die pakistanische Regierung darauf verständigt, nicht zu einer weiteren Eskalation des Konflikts beizutragen. Auf dem Gipfel arabischer und islamischer Staaten Mitte November in Riad verurteilte Premierminister Anwaar ul Haq Kakar das Vorgehen Israels als unverhältnismäßig, brutal und aggressiv; systematisch würde gegen Menschenrechte, das Völkerrecht und die Humanität verstoßen. Dafür müsse Israel von der internationalen Gemeinschaft zur Rechenschaft gezogen werden.

    Militärische und zivile Organe vereint gegen Israel

    Ähnlich äußerte sich der Generalstabschef der Armee, Asim Munir. Er forderte die internationale Gemeinschaft auf, Israels “rechtswidrige Gewaltanwendung” zu beenden. Die “neue Welle der Gewalt in Gaza ist das Ergebnis unverminderter Unterdrückung, anhaltender Menschenrechtsverletzungen und des staatlich geförderten Sakrilegs der Al-Aqsa-Moschee”, sagte er.

    Die Äußerungen zeigen, dass die pakistanischen Regierungsstellen darum bemüht sind, die Beziehungen ins westliche Ausland durch unbedachte Formulierungen nicht zu sehr zu gefährden. Jede Bemerkung, die als aktive Befürwortung von Gewalt gegen Israel interpretiert werden könnte, wurde bislang vermieden.

    Aus früheren diplomatischen Fehlern gelernt

    Diese vorsichtige Haltung kann als Lehre aus jüngsten Konflikten angesehen werden: 2018 etwa erklärte der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu mahnend bei einem Besuch in Indien, dass Israel kein Feind Pakistans sei und dass Pakistan sich gegenüber Israel “nicht wie ein Feind verhalten sollte”. Als der damalige pakistanische Premierminister Imran Khan 2022 kurz nach Kriegsbeginn nach Moskau reiste, sorgte das für Empörung in westlichen Hauptstädten und führte zu erheblichen diplomatischen Spannungen.

    Bislang hält sich die pakistanische Regierung aus diplomatischer Vorsicht mit schärferer Israel-Kritik zurück, beobachtet aber sehr genau die Annäherung Saudi-Arabiens an das Land.  Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Äußerung des damaligen pakistanischen Regierungschefs Imran Khan 2020. Nach Unterzeichnung der Abraham-Abkommen zwischen Israel, Bahrein und den Vereinten Arabischen Emiraten (VAE) sagte er, dass die USA und “mindestens ein anderes Land” verstärkten diplomatischen Druck auf seine Regierung ausgeübt hätten, ebenfalls diplomatische Beziehungen zu Israel aufzunehmen.

    Geheimdienstliche Zusammenarbeit mit Israel

    Zwar gab Khan den Namen des Landes nicht preis, doch kann es sich dabei nur um Saudi-Arabien gehandelt haben. Trotz des Gaza-Kriegs hält Thronfolger Mohammed Bin Salman an dem Ziel fest, mittelfristig sein Verhältnis zu Israel zu normalisieren. Die Regierung in Pakistan wiederum hat wiederholt bekräftigt, keine offiziellen Beziehungen aufzunehmen, ehe nicht ein “lebensfähiges, unabhängiges und zusammenhängendes” Palästina mit Ostjerusalem als Hauptstadt geschaffen und von Israel anerkannt werde.

    Auf geheimdienstlicher Ebene kooperierten beide Staaten jedoch schon mehrfach miteinander, während des sowjetisch-afghanischen Kriegs etwa und nach dem Schwarzen September 1970/71 in Jordanien, einem etwa ein Jahr dauernden Bürgerkrieg. In der Türkei nutzten Israel und Pakistan ihre Botschaften und Generalkonsulate zudem, um miteinander zu kommunizieren und Informationen auszutauschen. So hätten pakistanische Geheimdienstmitarbeiter in der Vergangenheit über diesen Weg Hinweise auf einen bevorstehenden Terroranschlag im indischen Mumbai 2008 an den israelischen Mossad weitergeleitet, berichtete die pakistanische Zeitung Dawn zwei Jahre später. Als ein Hauptziel war ein jüdisches Kulturzentrum in der indischen Millionenmetropole genannt worden.

    In den sozialen Medien geben Extremisten den Ton vor

    Radikalere Töne finden sich indes in der pakistanischen Öffentlichkeit, vor allem in den sozialen Medien. Menschen äußern dort, ihr Leben für Palästina geben zu wollen. Auch rechte Islamisten in Pakistan haben ihre Unterstützung für die Hamas und deren Angriff auf Israel am 7. Oktober bekundet. In ähnlicher Weise haben sich politische Parteien im ganzen Land geäußert, um sich im Vorfeld der Parlamentswahl im Februar kommenden Jahres zu positionieren.

    Wenn aber die Tötung palästinensischer Zivilisten anhält und der Druck auf der Straße wächst, könnte die Regierung von Premierminister Kakar ihre bislang vorsichtige Haltung möglicherweise nicht mehr beibehalten.

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    News

    Forderungen nach Eingreiftruppe im Gazastreifen werden lauter

    Israels früherer Ministerpräsident, Ehud Olmert, hat die Entsendung von Nato-Truppen in den Gazastreifen nach Ende der Kämpfe gefordert. Israel müsse “mit den Vereinigten Staaten und seinen anderen Freunden eine Vereinbarung über die Entsendung einer internationalen Eingreiftruppe in den Gazastreifen treffen, die sich aus Soldaten der Nato-Länder zusammensetzt und die israelische Armee ersetzen würde”, schrieb er in einem Gastbeitrag für die israelische Tageszeitung Haaretz.

    Gegenüber Table.Media kritisierte der israelische Politikwissenschaftler Shlomo Shpiro Olmerts Vorschlag: Weder in Afghanistan noch im Irak sei es der Nato in den vergangenen beiden Jahrzehnten gelungen, für Sicherheit zu sorgen. Auch UN-Blauhelmeinheiten seien nicht geeignet, für Stabilität in dem seit 2007 von der Hamas kontrollierten Gazastreifen zu sorgen. Allenfalls Ägypten käme dafür infrage, allerdings fehle für einen solchen Einsatz in Kairo wahrscheinlich der politische Wille.

    99 Geiseln bisher freigekommen

    Acht Wochen nach den Pogromen der palästinensischen Terrororganisation im Süden Israels werden die Rufe nach einer politischen Lösung des Konflikts lauter. Immer wieder wird dabei auf die vor dreißig Jahren in den Oslo-Verträgen angestrebte Zweistaatenlösung verwiesen, unter anderem von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und der US-Regierung. US-Außenminister Antony Blinken traf am Donnerstag in Jerusalem zum vierten Mal seit Kriegsbeginn mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zusammen. Vor Fortsetzung seiner Militäroffensive im Süden des Gazastreifens habe Israel “die Pflicht”, Schaden von “unschuldigen Männern, Frauen und Kindern” abzuwenden, sagte er auf einer Pressekonferenz am Donnerstagabend in Jerusalem.

    Mehr als 15.000 Menschen sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza seit dem 7. Oktober getötet worden. 1,8 der 2,2, Millionen Bewohner wurden in den Süden des Landstrichs vertrieben. Eine unter Vermittlung Katars vor einer Woche zustande gekommene Feuerpause war zunächst bis Freitagfrüh verlängert worden. 99 von der Hamas verschleppte Geiseln sind seitdem freigekommen und 210 palästinensische Häftlinge; Hunderte Lastwagen mit Hilfsgütern erreichten den Gazastreifen. mrb

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    Australiens Botschafter in den USA traut China Vermittlerrolle in Nahost zu

    China könnte als Vermittler im derzeitigen Nahost-Krieg “aktiver” werden, analysiert der australische Botschafter in den USA, Kevin Rudd. Allerdings müsse China dafür eine klare Haltung gegenüber der Hamas zeigen. Im Gespräch mit Table.Media sagte Rudd: “Solange die Führung in Peking sich weigert, die Verbrechen der Hamas klar zu verurteilen, wird Israel gegenüber China skeptisch bleiben.” Eine Verurteilung des Hamas-Terrors hat China auch mit der Vorlage eines Positionspapiers zu Nahost in dieser Woche nicht vorgenommen.

    Bei der Annäherung zwischen den Erzfeinden Saudi-Arabien und Iran beispielsweise hatte China eine entscheidende Rolle gespielt, so Rudd. Das von ihm als eng beschriebene Verhältnis zum Iran allerdings hindere Israel noch daran, China als “langfristigen strategischen Partner” zu sehen: “Bei den jüngsten Annäherungen an die Golfmonarchien geht es China vor allem um seinen wachsenden Bedarf an Kohlenwasserstoff. Die USA importieren weniger Energie aus den Golfstaaten, die Chinesen füllen diese Lücke und nutzen die Geschäfte, um zugleich auch die geopolitischen Beziehungen in der Region auszubauen.”

    Sicherheitsbündnis im Indopazifik unter US-Führung

    Rudd, der zweimal Premierminister und Außenminister Australiens war, ist studierter Sinologe und gilt als einer der besten Kenner Chinas. Der jetzige Botschafter seines Landes in den USA sieht vor allem Chinas Machtansprüche im indopazifischen Raum als ein langfristiges Problem für die westliche Staatengemeinschaft. Für ihn ist klar: “Peking will Taiwan erobern.” Deshalb müsse ein neues Sicherheitsbündnis unter Führung der USA im Indopazifik etabliert werden: “Ich halte eine Strategie der Abschreckung für angemessen. Der militärischen Führung in Peking muss klargemacht werden, dass für jeden Versuch, etwa Taiwan mit einseitiger Gewalt zurückzuerobern, China einen hohen Preis zu zahlen hat, politisch, militärisch und wirtschaftlich.” Auch Deutschland spiele dabei eine wichtige Rolle, in dem es eine “zunehmend harte Haltung gegenüber China” einnehme.

    In seinem gerade erschienenen Buch “Der vermeidbare Krieg. Die Gefahr eines katastrophalen Konflikts zwischen den Vereinigten Staaten und Xi Jinpings China” entwirft Rudd eine “Roadmap für eine unsichere Zukunft”. Sowohl China als auch die USA müssten einen “gemanagten strategischen Wettbewerb” anstreben. Das Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping Mitte November könnte dafür die Tonalität gesetzt haben. nana

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    Stawitzki wirft Industrie Trägheit bei Munitionsproduktion vor

    Der Abteilungsleiter Ausrüstung im Verteidigungsministerium, Vizeadmiral Carsten Stawitzki, wirft der Rüstungsindustrie vor, trotz gut dotierter Aufträge ihre Produktionskapazitäten nicht schnell genug hochzufahren. Rund 80 Milliarden Euro an Ausgaben seien von deutscher Seite mit Industriepartnern bereits vereinbart, dennoch könne er “mindestens eine Milliarde Euro” nicht auszahlen. Grund dafür sei, dass es “erhebliche Verzögerungen bei diesen Programmen” gebe, sagte Stawitzki am Mittwoch auf der Berliner Sicherheitskonferenz (BSC).

    Sie warten alle auf weitere Anweisungen. Sie kennen alle unsere Budgetzwänge”, sagte er mit Hinweis auf die Haushaltsplanungen, die vom Bundestag vor Jahresende verabschiedet werden sollen. Wenn man mit Autokratien wie Russland, China oder Nordkorea bei der Waffen- und Munitionsproduktion mithalten wolle, stelle sich die Frage: “Wie viele Marktprinzipien kann ich der Verteidigungsindustrie in diesen Zeiten gewähren oder wie viele Planungsprinzipien muss ich anwenden, um die Produktionskapazitäten so hochzufahren, um diesen Wettbewerb zu gewinnen?”

    Deutschland versucht wie andere europäische Partner, die Produktion von Munition, insbesondere von Artilleriegeschossen, zu erhöhen. Die Europäische Union hatte sich im März 2023 verpflichtet, innerhalb eines Jahres eine Million Artilleriegranaten an die Ukraine zu liefern, wovon die EU bislang nur rund ein Drittel geliefert hat. Nordkorea hingegen hat nach Schätzungen des südkoreanischen Geheimdienstes eine Million Artilleriegeschosse an Russland für den Krieg gegen die Ukraine zur Verfügung gestellt. bub

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    Baerbock wirft Russland Zerstörung von OSZE vor

    Neben Litauen, Lettland, Estland und der Ukraine haben gestern auch Polen und Rumänien das Treffen der Außenminister der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) boykottiert – aus Protest gegen die Anwesenheit von Russlands Außenminister Sergej Lawrow. Man wolle Russland keine Propaganda-Möglichkeit bieten, erklärten die baltischen Staaten. Außerdem blockierte Russland monatelang eine Entscheidung über den nächsten Vorsitz und stimmte gegen das Nato-Land Estland. Die endgültige Entscheidung über Malta als Vorsitz steht noch aus.

    Bundesaußenminister Annalena Baerbock sagte vor dem Treffen, dass Russland nicht nur die Ukraine zerstören wolle, sondern auch internationale Organisationen wie die OSZE selbst. Russland versuche, die internationale Zusammenarbeit zu torpedieren. Sie forderte Lawrow auf, “das unsägliche Leid” zu stoppen. 

    Wie isoliert ist Russland noch?

    Moskau gab sich von dem Protest erwartbar unbeeindruckt. Nach Angaben des russischen Außenministeriums hätten sogar einige Staaten um ein bilaterales Gespräch mit Lawrow gebeten. Ist Russland also doch nicht so isoliert, wie es der Westen darstellt? Im Interview mit Table.Media erklärt der litauische Politologe Linas Kojala, dass dieses ambivalente Verhalten des Westens gemischte Signale sendet. Denn Russland zeige weiterhin keinerlei Anzeichen für eine Verhandlungsbereitschaft. 

    Umso wichtiger sei daher, dass die Nato-Mitgliedstaaten in eine starke Position kommen. Es sei günstiger, jetzt die Fähigkeiten zu verstärken, als sich später in einer Konfrontation mit Russland zu sehen. Als klares Zeichen dafür, dass sich Deutschland seiner Verpflichtung bewusst ist, sieht Kojala die Entscheidung von Verteidigungsminister Boris Pistorius, eine permanente, schwere Kampfbrigade in Litauen zu stationieren.

    “Dafür braucht es Politiker, die trotz der Schwierigkeiten bei der Umsetzung wirklich an diese Idee glauben. Es braucht Politiker, die sich nicht hinter der Gesellschaft verstecken und sagen: Seht her, meine Bevölkerung will das nicht, daher kann ich das nicht tun”, betonte Kojala im Interview. Denn der Politologe zweifelt, ob Verbündete wie Deutschland wirklich zur Hilfe kämen, würde Litauen angegriffen werden. klm

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    ICAN: Bundesregierung bremst bei nuklearer Abrüstung

    Deutschland wird den Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) nicht unterzeichnen. Dies würde mit den nationalen Sicherheitsinteressen und der Mitgliedschaft in der Nato kollidieren, sagte Susanne Riegraf, die stellvertretende Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle. Nukleare Abschreckung und Engagement für Rüstungskontrolle könnten Hand in Hand gehen, so die Diplomatin auf der zweiten Tagung der Unterzeichnerstaaten des Vertrags über das Verbot von Kernwaffen.

    Das Treffen in New York am Sitz der Vereinten Nationen endet heute nach fünf Tagen Beratungen zwischen den Vertragsstaaten, sowie internationalen Organisationen, Beobachtern verschiedener Regierungen und Gruppen aus der Zivilgesellschaft.

    Der deutsche Ableger der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) kritisierte die Position der Bundesregierung. Die “Zeitenwende” behindere die nukleare Abrüstung, so Organisation. “Während die Bundesregierung im letzten Jahr das Engagement der Mitgliedsstaaten des AVV begrüßt hat, fehlte in der aktuellen Rede jegliche Wertschätzung für die immense Bedeutung des Vertrages”, sagte Marian Losse, Vorstandsmitglied von ICAN Deutschland.

    Den Hauptfokus auf der Bedrohung durch Russland nahm er als einseitig wahr, denn auch die nukleare Aufrüstung Chinas spielte eine größere Rolle als im letzten Jahr. Zudem rüste die Bundesregierung durch Modernisierung der eigenen Luftwaffenbasis in Büchel und den Kauf neuer Flugzeuge für den Einsatz von Atombomben ebenfalls nuklear auf.

    Riegraf sieht Russland als Haupthindernis für Abrüstung

    Riegraf bekräftigte in New York die Verpflichtung Deutschlands, eine sichere Welt ohne Atomwaffen anzustreben. Gleichzeitig erklärte sie, dass es wichtig sei, die Sicherheitslage in Europa und weltweit im Auge zu behalten. “Russland hat das Konzept des Vertrauens und der Vertrauensbildung der vergangenen Jahrzehnte völlig entmachtet”, sagte sie.

    So hatte Putin im März angekündigt, Atomwaffen in Belarus stationieren zu wollen; im Oktober kündigte er den Vertrag über das Verbot von Nuklearversuchen auf. “Die internationalen Rüstungskontrollgremien, einschließlich dieses Treffens der Vertragsstaaten, müssen ausdrücklich Russland als Haupthindernis für Abrüstungsbemühungen benennen”, forderte Riegraf.

    Der Vertrag über das Verbot von Kernwaffen (AVV) wurde 2017 verabschiedet und trat 2021 in Kraft. Neben dem Verbot von Entwicklung, Produktion, Test, Erwerb, Lagerung, Transport, Stationierung und Einsatz jeglicher Kernwaffen verpflichtet er zudem zu Hilfe für die Opfer von Einsätzen oder Tests von Atomwaffen. Somit ergänzt er den nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NVV) aus dem Jahr 1968.

    Deutschland hat, wie alle Nato-Staaten, den Vertrag nicht unterschrieben. Die neun Staaten weltweit, die Atomwaffen besitzen, sind ebenfalls nicht Mitglieder des AVV. Insgesamt gibt es weltweit mehr als 12.500 Atomsprengköpfe, rund 90 Prozent davon in Besitz der USA und Russlands. asc

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    Presseschau

    NPR: The Legacy of Henry Kissinger. Außenpolitisches Superhirn und Kriegsverbrecher, gewiefter Stratege und verantwortungsloser Befehlshaber – Dieser Beitrag beleuchtet die gespaltene Rolle Henry Kissingers und wie sein Handeln die Politik des 20. Jahrhunderts auf der ganzen Welt prägte.

    The Intercept: Henry Kissinger, Top U.S. Diplomat Responsible for Millions of Deaths, dies at 100. Wie viele Menschenleben hat Henry Kissinger mit seiner Politik zu verantworten? “Er trug dazu bei, den Vietnamkrieg zu verlängern, den Konflikt auf das neutrale Kambodscha auszudehnen; er unterstützte Völkermorde in Kambodscha, Osttimor und Bangladesch; beschleunigte Bürgerkriege im südlichen Afrika und unterstützte Putsche in ganz Lateinamerika”, schreibt The Intercept zu Beginn dieses Nachrufs.

    The Nation: A People’s Obituary of Henry Kissinger. “Jetzt, da Kissinger tot ist, werden seine Kritiker die Gelegenheit haben, ihre Anschuldigungen zu wiederholen. Und es gibt eine lange Liste von Zeugen, die bereit sind, Hintergrundinformationen zu seinen Aktionen in Kambodscha, Laos, Vietnam, Osttimor, Bangladesch, gegen die Kurden, in Chile, Argentinien, Uruguay und Zypern und anderen Orten zu liefern.”

    The Washington Post: Henry Kissinger’s central role in the U.S. carpet bombing of Cambodia. Kissingers Einfluss in Kambodscha ist nicht abstrakt, sondern spürbar und wirkt auch nach seinem Tod noch nach. Landminen sind dabei nur ein Teil des Problems – vor allem geht es um die Nachwirkungen des Bürgerkriegs, den Kissinger vor fünf Jahrzehnten mit angezettelt hat.

    The East African: How Henry Kissingers diplomacy in Africa prolonged SA apartheid. “Das Apartheidregime hatte sich direkt in Kissingers hochkarätige Umlaufbahn katapultiert”, schreibt The East African. Der Artikel legt die drastischen Effekte von Kissingers Außenpolitik auf das Leben der Menschen im Apartheidstaat dar.

    The Moscow Times: Putin, Russian Officials React to Henry Kissinger’s Death. Die Reaktionen russischer Politiker auf die Nachricht von Kissingers Tod bauen auf seinem Beitrag zur Entspannung zwischen Washington und der Sowjetunion zur Zeit des Kalten Krieges und seinen Aussagen zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine auf.

    China.Table: Henry Kissinger – Als die USA und China noch “Freunde” waren. Mit dem Tod von Henry Kissinger endet eine Ära in den Beziehungen zwischen China und den USA. Peking ehrt ihn als “höchst geschätzten alten Freund”. Darin steckt nicht nur Anerkennung, sondern auch Kritik an der aktuellen US-Regierung.

    Frankfurter Rundschau: Bücher von und über Henry Kissinger – Drei Empfehlungen. Zwei Biografien – von Wolfgang Seybold und Walter Isaacson – sowie Henry Kissingers eigenes Werk “Staatskunst” zeichnen ein eindrückliches, facettenreiches Bild des Außenpolitikers.

    Standpunkt

    Nachhaltiger Schutz der Grundversorgung sieht anders aus  

    Von Ferdinand Gehringer
    Ferdinand Gehringer

    Mit dem NIS-2-Umsetzungsgesetz (NIS-2-UmsuCG) und dem Kritis-Dachgesetz werden derzeit zwei Richtlinien der Europäischen Union – die NIS-2 Richtlinie und die CER-Richtlinie – in nationales Recht umgesetzt. Als Kritische Infrastrukturen definiert das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) “Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden.”

    Die neuen Gesetze sollen den digitalen und physischen Schutz sowie die Widerstandsfähigkeit der Kritischen Infrastruktur verbessern und sichern. Mit den neuen Gesetzen soll vor allem die Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes aufrechterhalten werden. Um die bloße Versorgungssicherheit geht es dabei nicht mehr. 

    So werden Mindestverpflichtungen für Betreiber Kritischer Infrastrukturen eingeführt oder ausgebaut, um das Risiko des Ausfalles oder der Störung der Einrichtungen zu minimieren. Die Zahl der Sektoren nimmt stetig zu, ohne eine Priorisierung zwischen den unterschiedlichen Versorgungsarten. Was besonders wichtig für die Grundversorgung der Bevölkerung ist, wird nicht aufgeführt. Vielmehr stehen die Regelungsziele sinnbildlich für einen sich immer weiter vom Grundgedanken der Krisenvorsorge entfernenden Regulierungsansatz.  

    Weiter Anwendungsbereich führt zur Überbelastung 

    Der Anwendungsbereich wird stetig erweitert und die Anzahl der Sektoren im Vergleich zu den Vorgängerregulierungen erhöht. Mittlerweile sind es 18 Sektoren in der NIS-2 Richtlinie und elf Sektoren in der CER-Richtlinie. Dies führt in der Umsetzung dazu, dass viel mehr Betreiber kritischer Einrichtungen die Anforderungen erfüllen müssen. 

    Zudem wird es künftig neben dem Anlagenbezug einen Bezug auf die Einrichtung geben, sodass je nach Umsatz und Mitarbeiterzahl sogar das gesamte Unternehmen von den Verpflichtungen betroffen sein kann. Der Beratungsaufwand vor allem bei den vielen kleinen und mittelständischen Betreibern wächst enorm an.

    Aufgrund des Fachkräftemangels auch im IT-Dienstleistungssektor dürfte hier ein Kraftakt erforderlich sein, um eine ordnungsgemäße Umsetzung der Mindestverpflichtungen zu gewährleisten. In Deutschland geht man derzeit davon aus, dass künftig rund 29.000 Betriebe und öffentliche Einrichtungen der NIS-2 Richtlinie unterliegen. Bisher waren es circa 4.500 Betreiber. So mangelt es derzeit an Ressourcen im operativen Bereich.  

    Richtlinien gefährden nationale und europäische Kohärenz  

    Zudem sehen beide Richtlinien jeweils die Benennung einer nationalen Meldebehörde vor. In Deutschland wird es mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zwei unterschiedliche Bundesoberbehörden als Meldestellen geben. Überlagernde Zuständigkeiten, uneinheitliche Informationsstände und Schwierigkeiten bei europäischen Kooperationen sind vorprogrammiert.  

    Dazu kommt, dass bei der Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht lediglich eine Mindestharmonisierung vorgesehen ist, können die Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung des digitalen und physischen Schutzes jeweils Regelungen unterschiedlicher Reichweite erlassen. Es droht ein uneinheitliches Schutzniveau in der Union.

    Resilienzgesetz zur Sicherung der Grundversorgung 

    Der Ansatz, einzelne Einrichtungen zu schützen, führt nicht zu einer nachhaltigen Sicherung der Grundversorgung im Krisen- oder Katastrophenfall. Vielmehr braucht es künftig eine Verordnung zur europäischen Resilienz, um ein einheitliches Schutzniveau zu verwirklichen. Durch die weiter zunehmende Vernetzung der Prozesse und Einrichtungen sowie durch mögliche Spill-Over Effekte könnte der Schutz einzelner Entitäten konterkariert werden, oder gar leerlaufen.

    Schließlich kann das am schwächsten geschützte Glied in der Kette Auswirkungen auf das Schutzniveau der anderen haben. Entscheidend ist, welche Teil- und Kernbereiche der Versorgung besonders geschützt werden müssen. Diese müssen dann priorisiert und deren Ausfall kompensiert werden. Eine solche Priorisierung fehlt bislang ebenso wie grenzüberschreitende Lösungen innerhalb der EU zur Minderung der Auswirkungen bei Ausfällen oder von Störungsschäden und zur schnellen Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Versorgung.  

    Europaweites, flächendeckendes Monitoring notwendig

    Die Verordnung kann darüber hinaus Verantwortungsbereiche aufeinander abgestimmt regeln. Sie kann nicht nur Rechte und Pflichten von Betreibern der Infrastruktur beinhalten, sondern zugleich auch diese von staatlichen Akteuren und der Bevölkerung mit umfassen, um die Resilienz zu steigern und eine Krisenversorgung zu sichern.  

    Zugleich würde nur eine Meldebehörde pro Mitgliedstaat, vor allem die Zusammenarbeit unter den Ländern und mit der EU vereinfachen. Ein europaweites und flächendeckendes Monitoring der Versorgung – wie es das bereits in Ansätzen für die Stromversorgung gibt – sollte langfristig das Ziel sein, um Ausfälle oder Störungen frühzeitig zu erfassen und gegebenenfalls regional, aber auch länderübergreifend in der Europäischen Union auffangen zu können. 

    Schließlich ist die Grundversorgung erst recht im Krisenfall das, was die Kritische Infrastruktur ausmacht. Weshalb sollte sie dann nicht auch europäisch gesichert werden können?  

    Ferdinand Gehringer ist Referent für Innere Sicherheit und Cybersicherheit bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. 

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    Wenn die Stimme aus dem Off sagt: “Das ist die russische Erde”, dann prügeln alle auf dieser Erde aufeinander ein – jede und jeder gegen jede und jeden. Die russische Erde ist in diesem Fall die Bühne im Ballhaus Prinzenallee in Berlin. Dort spielen fünf Darstellende das Stück “Ich bin’s nicht, Wladimir Putin ist es gewesen”. Es geht um den russischen Krieg gegen die Ukraine und die individuelle Verantwortung für diesen Krieg. Gibt es die? Das wird zunächst bestritten. Lässt sich die persönliche Verantwortung negieren? Mit der Zeit immer schwieriger. Immer wieder stehen die drei Männer und zwei Frauen, die in Dialogen und Monologen mit anderen und mit sich streiten, vor einer persönliche Katharsis. Und setzt sie auch ein? In Russland selbst ist nach fast 650 Tagen Krieg nichts davon zu merken. Zum vorerst letzten Mal ist das Theaterstück, das mit dem Titel auf die berühmte Produktion “Ich bin’s nicht, Adolf Hitler ist es gewesen” anspielt, am 10. Dezember um 19 Uhr zu sehen. Mehr Informationen und Karten hier.

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    Security.Table Redaktion

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