Table.Briefing: Security

Ohne Strategie: Die Ampel im Weltraum + Neue Sanktionen? Irans Atomprogramm

Liebe Leserin, lieber Leser,

während Europa und Deutschland sich intensiv mit den eigenen Verteidigungsfähigkeiten beschäftigen, geraten manche Krisenherde aus dem Blick. Deswegen möchte ich Ihnen heute zuallererst den Standpunkt in unserer Ausgabe empfehlen. Florian Westphal, Geschäftsführer von Save the Children Deutschland, schaut darin nach Sudan: Was sich dort abspielt, schafft es zu selten in die deutschen Medien. Dabei wird die Flucht von mehreren Millionen Menschen absehbar auch für uns Folgen haben.

Zumindest in seiner Rede auf der ILA schenkte Bundeskanzler Olaf Scholz dem Thema “Sicherheit und Weltraum” überraschend viel Aufmerksamkeit. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Die Bundesregierung kommt mit der Weltraumsicherheitsstrategie seit Monaten nicht voran. Lisa-Martina Klein analysiert, warum Deutschland und die Bundeswehr die Strategie brauchen und welche Chancen sich der Industrie böten.

Für mehr Diplomatie mit Teheran wirbt der Princeton-Politologe und ehemalige iranische Botschafter Houssain Mousavian im Interview, das Jonathan Lehrer mit ihm geführt hat. Mousavians These: Die bisherigen Sanktionen schaden mehr, als sie nützen. Das Gespräch erscheint im Rahmen einer Kooperation mit Berlin Pulse der Körber-Stiftung.

Noch zwei Hinweise in eigener Sache: Heute lesen Sie uns zweimal! Freuen Sie sich auf ein weiteres ILA-Spezial am Nachmittag.

Und: Am Sonntag ist Europawahl. Auf dem Newsblog von Table.Briefings stellen wir Ihnen das Wichtigste aus allen Fachbriefings und die aktuellen News zu den Europawahlen zur Verfügung.

Eine gute Lektüre wünscht Ihnen

Ihr
Viktor Funk
Bild von Viktor  Funk

Analyse

Warum die Weltraumsicherheitsstrategie nicht vorankommt

Vom Weltraumkommando in Uedem aus überwacht die Bundeswehr den Weltraum.

Bei seiner Eröffnungsrede zur ILA legte Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwoch den Fokus überraschend auf den Bereich Weltraum. Kurz vor der Verkündung des Erststarttermins der europäischen Trägerrakete Ariane 6 sagte Scholz, dass “die Fähigkeit, jederzeit im All handeln und Satelliten in Umlaufbahnen bringen zu können, kommerziell, aber auch verteidigungspolitisch unerlässlich” sei. Auch ein Weltraumsicherheitsgesetz kündigte er an.

In Realität tut sich die Bundesregierung schwer damit, eine Strategie für den Weltraum zu entwickeln. Mehrfach haben das Auswärtige Amt (AA) und das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) die Veröffentlichung der gemeinsamen Weltraumsicherheitsstrategie, quasi das militärische Gegenstück zur zivilen Raumfahrtstrategie, verschoben. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums spricht gegenüber Table.Briefings von einer Veröffentlichung in der “zweiten Jahreshälfte 2024”. Die Inhalte der Strategie sollen Bereiche der gesamtgesellschaftlichen Resilienz, militärische Einsatzbereitschaft sowie Schutz der staatlichen Satelliten und die Zusammenarbeit mit anderen Nationen und Partnern betreffen. 

Generalmajor Michael Traut, Kommandeur des Weltraumkommandos der Bundeswehr in Uedem, verspricht sich von der Weltraumsicherheitsstrategie vor allem eines: Operationalisierung, also einen konkreten Auftrag für die Bundeswehr, und eine klare Vision der Bundesregierung dafür, wie das Thema gesamtstaatlich weiter betrieben werden soll. “Deutschland und die Bundeswehr müssen als Akteure im All ernst genommen werden und Fähigkeiten entwickeln, die uns in die Lage versetzen, einen Konflikt im Weltraum letztendlich zu verhindern”, sagt Traut. 

Russland kann die Kommunikation über Satellit stören

Bislang lässt die Bundesregierung wenig Bewusstsein für eine Strategie im All erkennen, was sich alleine am Beispiel Kommunikation zeigt: Dass die Bundeswehr aktuell nur zwei geostationäre Kommunikationssatelliten im Orbit hat, andere Akteure wie Russland dafür die Fähigkeit – und den Willen -, Satelliten zu stören oder zu zerstören, sollte beunruhigen. Redundant ist das nicht. Wenige Stunden vor der Invasion Russlands in der Ukraine im Februar 2022 griffen russische Hacker den Betreiber des US-amerikanischen Kommunikationssatelliten KA-SAT an, und sorgten für den Ausfall ukrainischer Waffensysteme und der Kommunikation der ukrainischen Armee. Gleiches könnte in Deutschland passieren – die Verbindung zu den Einheiten im Ausland, wie der Brigade in Litauen, wäre unterbrochen. 

Dazu kommt: 2028 müssen die beiden Bundeswehrsatelliten ersetzt werden. Der Beschaffungsprozess für neue Satelliten läuft. Wenn diese dann 2028 im Orbit sind, sind sie allerdings bereits veraltet. Fähigkeiten, die die Bundeswehr hat, werden so nicht weiterentwickelt, maximal erhalten.

Zusammenarbeit mit der Industrie unerlässlich

Weiterentwicklungen wären aber dringend nötig: Mit Infrarotkameras ausgestattete Satelliten könnten als Frühwarnsystem Abschüsse von nuklearen oder ballistischen Raketen auf der Erde erkennen und so die Einsatzbereitschaft und Wirksamkeit des zukünftigen Raketenabwehrsystems Arrow 3 der Bundeswehr erhöhen. Auch bräuchte die Bundeswehr dringend Fähigkeiten, um die eigenen Satelliten beobachten zu können, sogenannte Inspektor-Satelliten oder “Companiens”. Da ein Angriff auf einen Satelliten, der beobachtet wird, leicht dem Angreifer zugeschrieben werden kann, erhöhen diese Satelliten die Abschreckung. Gegen einen Angriff vorgehen kann die Bundeswehr nicht. 

Generalmajor Traut setzt zum Ausgleich der fehlenden Redundanzen und Fähigkeiten auf Kooperationen – nicht nur mit Nato-Verbündeten, sondern vor allem mit der zivilen Industrie. “Meine These ist, dass wir am Anfang einer Weltraumrevolution stehen könnten, ähnlich wie der nach der industriellen und der Informationsrevolution. Deswegen müssen wir sehen, dass wir mit kommerziellen Akteuren und Diensten, die für das Militär von Bedeutung sind, künftig sehr eng zusammenarbeiten.” Das bedeute, dass das Militär auch zivile, innovative Dienste für eigene Zwecke einsetzen können müsse, wie etwa kommerzielle Satellitenbilder.

“Die Truppe nutzt das Potenzial bisher zu wenig.”

Das sieht auch Matthias Wachter, Geschäftsführer der Initiative New Space vom Bundesverband Deutscher Industrie (BDI), so: “Wir haben in Deutschland ein sehr dynamisches New-Space-Ökosystem mit vielen jungen Unternehmen, die von der Herstellung von Satelliten über Trägerraketen bis hin zu Downstream-Anwendungen die gesamte Wertschöpfungskette abbilden. Keines dieser Unternehmen hat einen regulären Beschaffungsvertrag mit der Bundeswehr. Die Truppe nutzt das Potenzial bisher zu wenig.” Wenn die Zusammenarbeit mit der Industrie Eingang in die Strategie fände, sei sie sinnvoll – “bisher fehlt es aber an entsprechenden Signalen.”

Vom Grundsatz her sei es zwar positiv, dass es eine Weltraumsicherheitsstrategie geben soll. “Das gibt dem Thema einen höheren Stellenwert”. Aber: “Es ist suboptimal, dass die Strategie losgelöst von der zivilen Raumfahrtstrategie geschrieben wird”, sagt Wachter. Und vor allem: “Bisher sind die Strategien zudem nicht mit entsprechenden Budgets unterlegt. Eine ambitionierte Umsetzung ist deshalb fraglich.” Im Haushalt 2024 wurden das nationale Raumfahrtbudget (für vorrangig zivile Projekte) von 370 Millionen auf 313 Millionen gekürzt. Im Sondervermögen für die Bundeswehr sind keine zusätzlichen Mittel für Projekte eingeplant. 

Das Thema genießt keine hohe Priorität in den Ministerien

An die Veröffentlichung bis Ende des Jahres glaubt übrigens kaum jemand. Da die Raumfahrt nicht gerade ein klimafreundliches Thema sei, treibe man es im zuständigen grünen Wirtschaftsministerium generell nicht wirklich voran, im AA wolle man nicht noch mehr Arbeit verursachen. Im BMVg selbst gibt es kein eigenes Referat für den Weltraum, die Zuständigkeit ist auf viele Abteilungen verteilt.

Minister Boris Pistorius habe sich seit Amtsantritt noch keine Einführung in das Thema Weltraum geben lassen, sagt ein Experte aus Kreisen des Verteidigungsministeriums. Das liege nicht zwangsläufig an fehlendem Interesse, sondern an der Ressource Zeit, mutmaßt er. Sollte es vor Ende des Jahres nicht mehr mit der Strategie klappen, werde es in dieser Legislaturperiode höchstwahrscheinlich gar nichts mehr, heißt es von mehreren Seiten. 

  • Bundeswehr
  • Industrie
  • Raumfahrt
  • Weltraum
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Princeton-Politologe Mousavian zum Iran: “Sanktionen sind keine Lösung”

Herr Mousavian, was bedeutet der Tod des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi für die Zukunft des Iran?

Ich glaube nicht, dass es größere Veränderungen in der iranischen Innen- und Außenpolitik geben wird. Der Oberste Führer Ayatollah Khamenei hat bereits angekündigt, dass der Iran die Politik der Raisi-Ära fortsetzen wird. Die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen werden jedoch vor allem ein Wettstreit zwischen den Radikalkonservativen und den gemäßigten Konservativen sein. Sollten sich Letztere durchsetzen, dann könnte das die Chancen für eine Entspannung der Beziehungen zum Westen erhöhen.

Sie saßen im Iran wegen eines Streits mit dem Regime im GefängnisWas wurde Ihnen damals vorgeworfen?

Ich wurde im Iran festgenommen und beschuldigt, für den Westen zu spionieren. Obwohl ich von den Vorwürfen freigesprochen wurde, verurteilte mich ein Gericht zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Zudem wurde mir untersagt, einen diplomatischen Posten zu bekleiden, weil ich offen die Außenpolitik von Präsident Mahmud Ahmadinedschad – insbesondere seine Atompolitik – ablehnte. Ahmadinedschad drängte höchstpersönlich darauf, mich aus dem Außenministerium zu entfernen. Deshalb habe ich den Iran 2009 verlassen. Im Jahr 2022 verurteilte mich ein anderes Gericht dann erneut zu elf Monaten Gefängnis. Selbst für die Beerdigung meines Vaters konnte ich deshalb nicht in meine Heimat zurückkehren.

Bis Ahmadinedschad Präsident wurde, waren Sie einer der Nuklear-Unterhändler des Irans. 2005 gingen Sie dann von Bord. Wie kam es dazu?

Ahmadinedschad tauschte damals das komplette Verhandlungsteam aus und ordnete die Anreicherung von Uran an. In diesem Zuge wurden auch die ersten umfassenden internationalen Sanktionen gegen den Iran verhängt.

Welche Auswirkungen hatte das?

Die iranische Währung verlor dramatisch an Wert und die Inflation stieg auf 40 Prozent. Die US-Amerikaner und die Israelis dachten, dass der Iran unter dem Druck kapitulieren würde. Doch Teheran reagierte anders als erwartet: Das Atomprogramm wurde weiter ausgebaut und so stark beschleunigt, dass die Zahl der Monate, die der Iran zur Anreicherung von Uran für eine Atomwaffe benötigen würde, im Jahr 2013 auf zwei sank.

In der Folge wurde das Atomabkommen mit dem Iran ausgehandelt, aus dem sich Präsident Donald Trump dann 2018 zurückzog. Führen Sanktionen Ihrer Meinung nach zwangsläufig zu einem Ausbau der nuklearen Fähigkeiten?

Auf der einen Seite waren die Sanktionen einer der Gründe, warum der Iran 2013 überhaupt ernsthafte Verhandlungen über das Atomabkommen aufnahm. Auf der anderen Seite führten die Sanktionen aber auch zu der bereits erwähnten Beschleunigung des Atomprogramms. So wollte man dem Westen zu verstehen geben, dass man zwangsläufig Atomwaffen bauen würde, sollten die Sanktionen nicht zurückgenommen werden. Sanktionen sind deshalb meiner Meinung nach auch im Jahr 2024 keine Lösung. Der einzige Weg ist und bleibt die Diplomatie. 

Heute signalisiert der Iran, dass er dem Bau von Atomwaffen näher ist als je zuvor – und die iranische Führung hat sich zuletzt radikalisiert. Pochen Sie vor diesem Hintergrund noch immer auf eine diplomatische Lösung?

Die Sanktionen haben dem Iran enormen wirtschaftlichen Schaden zugefügt und dazu geführt, dass er sein Atomprogramm weiter ausbaut. Wer hat also von der Politik der Abschreckung, die zuletzt sowohl von den USA als auch von Israel und der EU verfolgt wurde, profitiert? Niemand, alle Parteien haben verloren. 

Den Eindruck gewinnt man nach acht Monaten Krieg auch in Israel und Palästina. Halten Sie die Erreichung von Israels Kriegsziel, die Hamas militärisch zu besiegen, für realistisch?

Ich glaube nicht, dass Israel die Hamas besiegen kann. Die Hamas ist keine Organisation, sondern eine Idee, der Millionen von Palästinensern folgen. Dass der Iran Israel mit Hunderten von Drohnen und Raketen angegriffen hat, hat zudem die Vorstellung zerstört, dass Israels Sicherheit unantastbar ist. Deshalb denke ich auch, dass Netanjahu mit dem Angriff auf das iranische Konsulat in Damaskus einen großen Fehler gemacht hat.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sieht das anders. Sie sagt, der Iran habe sich mit dem Angriff auf Israel verkalkuliert, und hat weitere Sanktionen gegen den Iran eingeleitet. 

Ich denke, die Außenministerin vertritt in einigen außenpolitischen Fragen sehr extreme Positionen. Ich habe immer geglaubt, dass Deutschland das politische Gewicht und das Potenzial hat, sich als Friedensstifter zwischen muslimischen Ländern und dem Westen zu engagieren. Aber mit der aktuellen Außenpolitik tut sich Deutschland in dieser Hinsicht keinen Gefallen und versäumt es, sich aktiv für den Frieden in der Region einzusetzen. 

Unsere Umfrage The Berlin Pulse zeigt, dass die Deutschen eher außenpolitische Zurückhaltung befürworten. Erwarten Sie nicht zu viel von Deutschland?

Das hängt davon ab, was man unter Zurückhaltung versteht. Ich denke, die Deutschen lehnen es vor allem ab, sich an internationalen Feindseligkeiten, an Kriegen und Sanktionen zu beteiligen. Aber was wäre, wenn Deutschland sich aktiv für Friedensschaffung einsetzten würde? Jonathan Lehrer, Berlin Pulse, Körber-Stiftung

Houssain Mousavian ist Spezialist für Nahost und Nuklearpolitik an der Princeton University. Von 1990 bis 1997 war er Irans Botschafter in Bonn, danach leitete er bis 2005 in Teheran den Ausschuss für auswärtige Beziehungen des Nationalen Sicherheitsrats.

  • Atomwaffen
  • Iran
  • Nahost
  • USA
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News

Nahost: Wie CIA-Chef Barnea die Hamas zum Einlenken bewegen will

Kurz vor Auslaufen eines Ultimatums an Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, einen Nachkriegsplan für den Gazastreifen vorzulegen, ist der US-amerikanische Auslandsgeheimdienstchef (CIA) David Barnea zu Gesprächen zurück in den Nahen Osten gekehrt. Benny Gantz droht Netanjahu damit, dessen Kriegskabinett zu verlassen, sollte der Regierungschef nicht erklären, wie seine Pläne für eine Präsenz israelischer Truppen im Gaza nach Ende der Kampfhandlungen aussehen.

Netanjahu steht aber nicht nur innenpolitisch unter Druck, sondern auch seitens der USA. So sieht ein von US-Präsident Joe Biden am Wochenende vorgelegter Plan zur Erreichung eines dauerhaften Waffenstillstands in den ersten zwei Phasen Folgendes vor:

  • neben einer vollständigen Waffenruhe
  • den Abzug der israelischen Streitkräfte aus allen bewohnten Gebieten des Gazastreifens
  • sowie die Freilassung einer Reihe von Geiseln, darunter Frauen, ältere Menschen und Verletzte, im Austausch für die
  • Freilassung Hunderter palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen. 

Die dritte Phase würde einen umfassenden Wiederaufbauplan für Gaza beinhalten.

CIA-Chef Barnea drängt Katar und Ägypten Medienberichten zufolge dazu, ihre Kontakte zur islamistischen Palästinenserorganisation Hamas dazu zu nutzen, Bidens Dreiphasenplan zuzustimmen – in einem gemeinsamen Statement riefen am Donnerstag neben den USA auch Deutschland, Großbritannien, Kanada, Brasilien und weitere Staaten die Hamas zu Zustimmung auf.

Ein weitgehend identischer Verhandlungsvorschlag war im Mai an Unstimmigkeiten zwischen beiden Seiten gescheitert. Seit dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel im vergangenen Oktober gab es nur eine einwöchige Feuerpause im November 2023, bei der 50 israelische Geiseln gegen 150 palästinensische Gefangene ausgetauscht wurden. Der Krieg gegen die Hamas ist der längste seit dem Libanon-Krieg 2006. Politische Beobachter halten es nicht für ausgeschlossen, dass die Regierung Netanjahus in den kommenden Wochen wie vor 18 Jahren mit Bodentruppen in den Libanon einrücken könnte. mrb

  • Bodentruppen
  • Gaza-Krieg
  • Hamas
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Mirage für Ukraine: Macron sagt Kampfjets zu

Gerüchte über die Pläne gab es schon länger, jetzt ist es offiziell: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat der Ukraine Mirage-Kampfjets zugesagt. Wie viele Jets des Typs Mirage 2000-5 Frankreich dem von Russland angegriffenen Land überlassen werde, teilte Macron in einem Fernseh-Interview am Donnerstagabend in Caen zunächst nicht mit. Man sei dabei, eine Koalition mit Partnern zu bilden.

Die Kampfjets sollten es der Ukraine ermöglichen, ihren Boden und ihren Luftraum zu schützen, sagte Macron den Sendern TF1 und France 2. Der französische Staatschef kündigte zudem an, ab dem Sommer ukrainische Piloten ausbilden zu wollen. Auch eine Brigade mit 4.500 ukrainischen Soldaten wolle man schulen. Auf die Frage, ob Frankreich Militärausbilder in die Ukraine schicken werde, antwortete Macron ausweichend. Die Ukraine bitte um Ausbildung in ihrem Land und dies würde auch keine Eskalation darstellen.

Auch wenn die Ankündigung von Macron für Aufsehen sorgen sollte – bis ukrainische Piloten in den Mirage-Jets über der Ukraine fliegen werden, dürfte viel Zeit vergehen. Das zeigt das F-16-Ausbildungsprogramm. Seit vergangenem Oktober bereits trainieren ukrainische Piloten in den USA. Bis jedoch eine Staffel von 40 Piloten für 20 F-16-Jets einsatzfähig ist, könnte es Ende 2025 werden. dpa/vf

  • F-16
  • Frankreich
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  • Ukraine-Krieg

Kosovo: Wie Europa sich von Serbien einschüchtern lässt

Ein Vierteljahrhundert nach Beginn des längsten Auslandseinsatzes der Bundeswehr im Rahmen der Nato-geführten Kosovo Force (Kfor) warnt der SPD-Außenpolitiker Frank Schwabe Europa vor Einlenken gegenüber der Regierung von Serbiens Ministerpräsident Aleksander Vučić. “Das ist eine strategische Frage, in der sich Europa auf dem Balkan gerade falsch aufstellt”, sagte er im Interview mit Table.Briefings.

Wie stark Serbiens Einfluss auf Entscheidungen europäischer Institutionen in Brüssel oder Straßburg ist, hatte sich zuletzt im Mai gezeigt, als eine Abstimmung über die Aufnahme des Kosovos von der Tagesordnung des Europarats genommen wurde. “Die europäischen Länder werden ihrer historischen Verantwortung nur gerecht, wenn dieser Schritt sehr zeitnah erfolgt”, sagte Schwabe, der die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates leitet.

Rund 300 Soldaten noch am längsten Einsatz der Bundeswehr beteiligt

Kosovo ist seit 2008 unabhängig, allerdings erkennen nicht alle EU-Staaten die 1999 unter Verwaltung der UN-Kosovo-Mission Unmik gestellte frühere serbische Provinz an. Der Bundestag beriet am Mittwoch in erster Lesung über die Verlängerung des Mandats für die im Juni 1999 erstmals in das Kosovo entsandten Kfor-Einheiten; es ist der längste Auslandseinsatz der Bundeswehr. Zuvor hatte sich Deutschland zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg an einem Kriegseinsatz beteiligt; mit Kampfflugzeugen nahm sie an der Nato-Operation “Allied Force” gegen Serbiens Machthaber Slobodan Milošević teil, der nach 78 Tagen Krieg einlenkte.

Zu Beginn des Einsatzes war die Kfor mit mehr als 50.000 Soldaten präsent. Heute sind es 4.800, davon rund 300 aus Deutschland. Von 1993 bis 2003 beteiligte sich Russland mit bis zu 1500 Soldaten an Kfor, Präsident Wladimir Putin unterstützt heute jedoch Serbiens Präsidenten Vučić, der mithilfe der rund 100.000 Mitglieder zählenden serbischen Minderheit im Kosovo die Zentralregierungen in Pristina zu schwächen versucht. “Durch ständiges Nachgeben verhindern wir sicherlich nicht, dass Vučić sich weiter auf die Seite Putins schlägt, sondern ermuntern ihn im Gegenteil eher dazu, seine Schaukelpolitik zwischen EU und Russland zu intensivieren”, kritisierte Schwabe. mrb

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Bundeswehr: Hilft TikTok gegen das Nachwuchsproblem?

Mit 20-sekündigen Clips wirbt die Bundeswehr nun auch auf TikTok um Nachwuchs. Der Account bundeswehrkarriere hat schon über 15.000 Follower. Ab 10. Juni will die Bundeswehr dort in Zusammenarbeit mit der Werbeagentur Castenow die Serie “Explorers – Roadtrip durch die Bundeswehr!” veröffentlichen. Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz schon einen Account eröffnet hat, werden die Sicherheitsbedenken beim Streitkräfte-Auftritt leiser geäußert.

Denn schwerer wiegen die Personalprobleme der Bundeswehr, die sich immer noch die Zielmarke gesetzt hat, bis 2031 auf 203.000 Soldatinnen und Soldaten anzuwachsen. Derzeit stagnieren die Zahlen bei rund 181.000. Auch auf der ILA wirbt die Bundeswehr offensiv um Nachwuchs, am Besuchereingang hat sie einen Informationsstand aufgebaut, der ankommende potenzielle Soldatinnen und Soldaten neugierig machen und zur größeren “Karrierebasis” lotsen soll.

Mit der TikTok-Kampagne wendet sich die Bundeswehr mit vier Influencern an ein junges Publikum. Das Motto: Abenteuer-Roadtrip durch Deutschland. Auch andere Streitkräfte versuchen ihre Personalsorgen mit Hilfe der chinesischen Plattform zu lösen: Das britische Verteidigungsministerium sucht ebenfalls auf TikTok nach Nachwuchs.

Doch es bleiben die Gefahren durch Spionagesoftwares. Die USA untersagten ihren Soldaten 2020 die Nutzung auf Diensthandys. Zu groß war die Sorge vor Wissensabfluss. Auch für den Account des Bundeskanzlers gibt es ein Handy, das einzig zum Posten der Videoclips gedacht ist. Sensibles Material dürfte vom neuen Bundeswehr-Account aber sowieso nicht zu erwarten sein. bub

  • Bundeswehr
  • ILA
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Das sind die Highlights auf der ILA am Freitag

Der zweite Tag der ILA schloss mit einer guten Nachricht für die Bundespolizei: Sie soll ab 2029 bis zu 44 neue Hubschrauber vom Typ H225 Super Puma erhalten. Diese Investition, die nach Darstellung des Bundesinnenministeriums die größte in der Geschichte der Bundespolizei sei, verkündete Innenministerin Nancy Faeser auf der ILA.

Am Freitag ist dann letzte Tag für das Fachpublikum, ab dem morgigen Samstag öffnet die ILA die Tore für das interessierte Publikum. Es stehen unbemannte Geräte wieder stärker im Zentrum: die Drohnen.  

Christophe Vivier, Leiter der Abteilung Singe European Sky von der Europäischen Verteidigungsagentur, ist für das Thema gleich auf mehreren Panels zu Gast. Drohnen-Regulierung und der Einsatz von KI in Drohnen sind ebenfalls Programmpunkte. Ab 10 Uhr in Halle 3.

Um 12 Uhr, Halle 3, geht es mit Jürgen Setzer, dem stellvertretenden Inspekteur des Kommandos Cyber- und Informationsraum der Bundeswehr, um die Frage, wie eine zukunftsfähige Sicherheitsarchitektur für den Weltraum aussieht.

Auch das Thema Kooperation in Europa wird auf vielen Panels diskutiert, die Grenzen zwischen ziviler und militärischer Nutzung des Luftraumes sowie des Weltalls sind dabei fließend. Augenmerk hier dürfte André Denk von der EDA sein (10 Uhr, Halle 3).

Ab 14 Uhr steht auf gleich zwei Panels nacheinander in Halle 3 der Klimaschutz im Mittelpunkt mit Vertretern des Verteidigungsministeriums, der Luftwaffe, Industrie und Politik.

Und die Bundesregierung fördert am letzten Tag der Messe für das Fachpublikum speziell die Vernetzung von Studierenden der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt. Am Wochenende rücken die verteidigungsbezogenen Themen in den Hintergrund. Am Samstag erläutert aber noch das Drohnen-Start-Up Quantum, welche Erfahrungen es aus dem Einsatz seiner Technik in der Ukraine gesammelt hat. 

Für die Planespotter: Ab 11.30 Uhr fliegt der Eurofighter, im Anschluss der A400M. Ab 13 Uhr geht es weiter mit dem Sea King, im Anschluss der Airbus A321. Um 15.15 Uhr wird der Tornado zu sehen, den Abschluss bildet die Bundeswehr mit einem “Joint Scenario” aus verschiedenen Hubschraubern. red

  • ILA

Must-Reads

FAZ: Norwegen investiert Milliarden in Verteidigung. Oslo erhöht die Investitionen in Verteidigung erheblich. Bis 2036 wird der Anteil an Verteidigungsausgaben rund drei Prozent des BIP ausmachen. Marine, Drohnen und Luftverteidigung – hier werden die Prioritäten liegen.

Asia Times: India making Bay of Bengal into a nuclear launchpad. Indien, China und Pakistan bauen ihre Marinekräfte aus und wollen damit ihre Fähigkeiten für einen Atomwaffeneinsatz stärken. Für Indien spielt der Golf von Benagen dabei eine wichtige Rolle, wie dieser ausführliche Bericht erläutert.

Stiftung Wissenschaft und Politik: Die Ukraine im russischen Angriffskrieg. Dieses Papier beleuchtet, wie der russische Angriffskrieg Einfluss auf die politische Situation in der Ukraine nimmt. Zentrale Punkte sind, wie der Krieg ukrainische Oligarchen schwächt und wie die starke Konzentration der Macht im Präsidialamt die Gewaltenteilung beeinträchtigt.

European Council on Foreign Relations: Beyond proxies – Iran’s deeper strategy in Syria and Lebanon. Der Krieg in Gaza treibt den Schattenkonflikt zwischen Iran und Israel in die Öffentlichkeit. Dieser Text beleuchtet die Gefahr, dass dieser sich zu einem regionalen Krieg ausweitet und legt dar, was Europa tun kann, um lokale Stabilisierungsziele voranzutreiben.

European Union Institute for Security Studies: Quo vadis Kosovo? High Time to Realign with the West. Spannungen zwischen dem Kosovo und Serbien, Sezessionsbestrebungen in Bosnien-Herzegowina und die Wahlsiege rechtsnationaler Kräfte in Nordmazedonien – der westliche Balkan unterliegt Spannungen, die durch Einmischung Russlands weiter befeuert werden.

Standpunkt

Florian Westphal zur Lage im Sudan: Wegschauen ist keine Politik

Von Florian Westphal
Florian Westphal ist Geschäftsführer von Save the Children Deutschland.

Als am 15. April 2023 die Kämpfe im Sudan beginnen, ist das öffentliche Interesse riesig. Das spüren wir auch bei Save the Children. Unsere deutsche Kollegin Katharina von Schroeder, die schon seit Jahren im Sudan lebt, gibt zahlreiche Interviews, während sie und ihr Sohn in Khartum um ihr Leben fürchten. Die beiden sind in der sudanesischen Hauptstadt von den Kämpfen überrascht worden und harren tagelang in einer Schule aus, bis sie endlich ausreisen können.

Für Millionen von Menschen im Sudan war dieser Samstag im April der Beginn einer kaum vorstellbaren Katastrophe. Die Gewalt breitete sich flächendeckend aus und führte zur aktuell größten Fluchtbewegung der Welt. 8,7 Millionen Menschen sind auf der Flucht, zwei Millionen von ihnen im Ausland, und mehr als die Hälfte der Geflüchteten sind Kinder.

Desinteresse von Medien und Politik

Doch während Vertreibungen, sexualisierte Gewalt und Ermordungen unvorstellbare Ausmaße annehmen und sich der Hunger immer dramatischer ausbreitet, hat das öffentliche Interesse am Sudan schnell nachgelassen, und zwar nicht nur in den Medien. Auch aus der Politik ist nur wenig zu hören. Das Desinteresse spiegelt sich auch bei den Hilfsgeldern wider. Bei der Sudan-Geberkonferenz im April dieses Jahres hatten die Vereinten Nationen den humanitären Bedarf auf 2,7 Milliarden Euro beziffert, um die allergrößte Not zu lindern. Davon wurden lediglich zwei Milliarden Euro zugesagt, Deutschland versprach 244 Millionen. Doch bisher sind erst 16 Prozent des gesamten Finanzbedarfs gedeckt.

In einer Welt voller Krisen ist der Sudan nur ein Beispiel, das zeigt, warum die momentanen Kürzungspläne der Bundesregierung genau zum falschen Zeitpunkt kommen. Geht es nach den Plänen des Bundesfinanzministers, soll die Entwicklungszusammenarbeit in dieser Legislaturperiode um 25 Prozent und die humanitäre Hilfe sogar um mehr als 30 Prozent gekürzt werden. Und das, obwohl die Zahl der Menschen in Not stetig zunimmt.

Kürzungen sorgen für noch mehr Not

Hilfsorganisationen müssen also immer mehr Projekte einstellen und auf neue verzichten, weil das Geld fehlt. Für Millionen von Familien, die schon jetzt nicht wissen, wie sie ihre Kinder ernähren sollen, hat das existenzielle Folgen. Aufgrund der Kürzungen werden künftig weniger Kinder Nahrungsmittelhilfe, medizinische Versorgung, psychologische Hilfe oder Bildungsangebote erhalten. Die Zukunft einer ganzen Generation von Kindern steht auf dem Spiel.

“Jeder Krieg ist ein Krieg gegen Kinder” – dieser Satz der Gründerin von Save the Children, Eglantyne Jebb, trifft auf den Sudan besonders zu: Zehn Millionen Kinder leben dort in unmittelbarer Nähe zu einem Kampfgebiet. 19 Millionen Kinder können nicht zur Schule gehen.

Zwei von drei Menschen brauchen humanitäre Hilfe

Die Prognose der Vereinten Nationen ist düster. In diesem Jahr werden im Sudan zwei Drittel der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen sein – fast doppelt so viele wie im Vorjahr. Und die Not setzt sich jenseits der Grenzen fort. Auch im Südsudan, wohin viele Menschen fliehen, leiden Millionen unter Gewalt und Armut, und es gibt nicht annähernd genug Hilfe, um ihren Bedarf zu decken.

An der Grenze treffen täglich tausende Geflüchtete ein, verängstigt, geschwächt und mittellos. Wir bieten ihnen eine Erstversorgung an, betreuen allein ankommende Kinder und helfen ihnen bei der Suche nach Angehörigen. Aber sowohl hier als auch im Sudan selbst werden wir aufgrund fehlender Mittel in Zukunft deutlich weniger Kinder erreichen können, das zeichnet sich schon jetzt ab.

Ob Hilfe möglich ist, hängt nicht nur vom Geld ab. Viel zu oft – und ganz besonders auch im Sudan – behindern die Konfliktparteien völkerrechtswidrig Hilfslieferungen und greifen Helfende an. Dennoch ist Geld ein entscheidender Faktor. Organisationen brauchen eine langfristige Finanzierung, um auf akute Krisen reagieren zu können und um langfristig zu helfen. Den Kindern im Sudan hilft keine Sparpolitik, sondern nur entschlossenes politisches und humanitäres Handeln – ohne Wenn und Aber. Sie verdienen unsere Unterstützung.

Florian Westphal ist seit 2021 Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender von Save the Children Deutschland. Zuvor leitete er Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Deutschland, nach mehr als 15 Jahren beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), unter anderem in der Demokratischen Republik Kongo, Sierra Leone und Malaysia.

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Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

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    während Europa und Deutschland sich intensiv mit den eigenen Verteidigungsfähigkeiten beschäftigen, geraten manche Krisenherde aus dem Blick. Deswegen möchte ich Ihnen heute zuallererst den Standpunkt in unserer Ausgabe empfehlen. Florian Westphal, Geschäftsführer von Save the Children Deutschland, schaut darin nach Sudan: Was sich dort abspielt, schafft es zu selten in die deutschen Medien. Dabei wird die Flucht von mehreren Millionen Menschen absehbar auch für uns Folgen haben.

    Zumindest in seiner Rede auf der ILA schenkte Bundeskanzler Olaf Scholz dem Thema “Sicherheit und Weltraum” überraschend viel Aufmerksamkeit. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Die Bundesregierung kommt mit der Weltraumsicherheitsstrategie seit Monaten nicht voran. Lisa-Martina Klein analysiert, warum Deutschland und die Bundeswehr die Strategie brauchen und welche Chancen sich der Industrie böten.

    Für mehr Diplomatie mit Teheran wirbt der Princeton-Politologe und ehemalige iranische Botschafter Houssain Mousavian im Interview, das Jonathan Lehrer mit ihm geführt hat. Mousavians These: Die bisherigen Sanktionen schaden mehr, als sie nützen. Das Gespräch erscheint im Rahmen einer Kooperation mit Berlin Pulse der Körber-Stiftung.

    Noch zwei Hinweise in eigener Sache: Heute lesen Sie uns zweimal! Freuen Sie sich auf ein weiteres ILA-Spezial am Nachmittag.

    Und: Am Sonntag ist Europawahl. Auf dem Newsblog von Table.Briefings stellen wir Ihnen das Wichtigste aus allen Fachbriefings und die aktuellen News zu den Europawahlen zur Verfügung.

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    Warum die Weltraumsicherheitsstrategie nicht vorankommt

    Vom Weltraumkommando in Uedem aus überwacht die Bundeswehr den Weltraum.

    Bei seiner Eröffnungsrede zur ILA legte Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwoch den Fokus überraschend auf den Bereich Weltraum. Kurz vor der Verkündung des Erststarttermins der europäischen Trägerrakete Ariane 6 sagte Scholz, dass “die Fähigkeit, jederzeit im All handeln und Satelliten in Umlaufbahnen bringen zu können, kommerziell, aber auch verteidigungspolitisch unerlässlich” sei. Auch ein Weltraumsicherheitsgesetz kündigte er an.

    In Realität tut sich die Bundesregierung schwer damit, eine Strategie für den Weltraum zu entwickeln. Mehrfach haben das Auswärtige Amt (AA) und das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) die Veröffentlichung der gemeinsamen Weltraumsicherheitsstrategie, quasi das militärische Gegenstück zur zivilen Raumfahrtstrategie, verschoben. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums spricht gegenüber Table.Briefings von einer Veröffentlichung in der “zweiten Jahreshälfte 2024”. Die Inhalte der Strategie sollen Bereiche der gesamtgesellschaftlichen Resilienz, militärische Einsatzbereitschaft sowie Schutz der staatlichen Satelliten und die Zusammenarbeit mit anderen Nationen und Partnern betreffen. 

    Generalmajor Michael Traut, Kommandeur des Weltraumkommandos der Bundeswehr in Uedem, verspricht sich von der Weltraumsicherheitsstrategie vor allem eines: Operationalisierung, also einen konkreten Auftrag für die Bundeswehr, und eine klare Vision der Bundesregierung dafür, wie das Thema gesamtstaatlich weiter betrieben werden soll. “Deutschland und die Bundeswehr müssen als Akteure im All ernst genommen werden und Fähigkeiten entwickeln, die uns in die Lage versetzen, einen Konflikt im Weltraum letztendlich zu verhindern”, sagt Traut. 

    Russland kann die Kommunikation über Satellit stören

    Bislang lässt die Bundesregierung wenig Bewusstsein für eine Strategie im All erkennen, was sich alleine am Beispiel Kommunikation zeigt: Dass die Bundeswehr aktuell nur zwei geostationäre Kommunikationssatelliten im Orbit hat, andere Akteure wie Russland dafür die Fähigkeit – und den Willen -, Satelliten zu stören oder zu zerstören, sollte beunruhigen. Redundant ist das nicht. Wenige Stunden vor der Invasion Russlands in der Ukraine im Februar 2022 griffen russische Hacker den Betreiber des US-amerikanischen Kommunikationssatelliten KA-SAT an, und sorgten für den Ausfall ukrainischer Waffensysteme und der Kommunikation der ukrainischen Armee. Gleiches könnte in Deutschland passieren – die Verbindung zu den Einheiten im Ausland, wie der Brigade in Litauen, wäre unterbrochen. 

    Dazu kommt: 2028 müssen die beiden Bundeswehrsatelliten ersetzt werden. Der Beschaffungsprozess für neue Satelliten läuft. Wenn diese dann 2028 im Orbit sind, sind sie allerdings bereits veraltet. Fähigkeiten, die die Bundeswehr hat, werden so nicht weiterentwickelt, maximal erhalten.

    Zusammenarbeit mit der Industrie unerlässlich

    Weiterentwicklungen wären aber dringend nötig: Mit Infrarotkameras ausgestattete Satelliten könnten als Frühwarnsystem Abschüsse von nuklearen oder ballistischen Raketen auf der Erde erkennen und so die Einsatzbereitschaft und Wirksamkeit des zukünftigen Raketenabwehrsystems Arrow 3 der Bundeswehr erhöhen. Auch bräuchte die Bundeswehr dringend Fähigkeiten, um die eigenen Satelliten beobachten zu können, sogenannte Inspektor-Satelliten oder “Companiens”. Da ein Angriff auf einen Satelliten, der beobachtet wird, leicht dem Angreifer zugeschrieben werden kann, erhöhen diese Satelliten die Abschreckung. Gegen einen Angriff vorgehen kann die Bundeswehr nicht. 

    Generalmajor Traut setzt zum Ausgleich der fehlenden Redundanzen und Fähigkeiten auf Kooperationen – nicht nur mit Nato-Verbündeten, sondern vor allem mit der zivilen Industrie. “Meine These ist, dass wir am Anfang einer Weltraumrevolution stehen könnten, ähnlich wie der nach der industriellen und der Informationsrevolution. Deswegen müssen wir sehen, dass wir mit kommerziellen Akteuren und Diensten, die für das Militär von Bedeutung sind, künftig sehr eng zusammenarbeiten.” Das bedeute, dass das Militär auch zivile, innovative Dienste für eigene Zwecke einsetzen können müsse, wie etwa kommerzielle Satellitenbilder.

    “Die Truppe nutzt das Potenzial bisher zu wenig.”

    Das sieht auch Matthias Wachter, Geschäftsführer der Initiative New Space vom Bundesverband Deutscher Industrie (BDI), so: “Wir haben in Deutschland ein sehr dynamisches New-Space-Ökosystem mit vielen jungen Unternehmen, die von der Herstellung von Satelliten über Trägerraketen bis hin zu Downstream-Anwendungen die gesamte Wertschöpfungskette abbilden. Keines dieser Unternehmen hat einen regulären Beschaffungsvertrag mit der Bundeswehr. Die Truppe nutzt das Potenzial bisher zu wenig.” Wenn die Zusammenarbeit mit der Industrie Eingang in die Strategie fände, sei sie sinnvoll – “bisher fehlt es aber an entsprechenden Signalen.”

    Vom Grundsatz her sei es zwar positiv, dass es eine Weltraumsicherheitsstrategie geben soll. “Das gibt dem Thema einen höheren Stellenwert”. Aber: “Es ist suboptimal, dass die Strategie losgelöst von der zivilen Raumfahrtstrategie geschrieben wird”, sagt Wachter. Und vor allem: “Bisher sind die Strategien zudem nicht mit entsprechenden Budgets unterlegt. Eine ambitionierte Umsetzung ist deshalb fraglich.” Im Haushalt 2024 wurden das nationale Raumfahrtbudget (für vorrangig zivile Projekte) von 370 Millionen auf 313 Millionen gekürzt. Im Sondervermögen für die Bundeswehr sind keine zusätzlichen Mittel für Projekte eingeplant. 

    Das Thema genießt keine hohe Priorität in den Ministerien

    An die Veröffentlichung bis Ende des Jahres glaubt übrigens kaum jemand. Da die Raumfahrt nicht gerade ein klimafreundliches Thema sei, treibe man es im zuständigen grünen Wirtschaftsministerium generell nicht wirklich voran, im AA wolle man nicht noch mehr Arbeit verursachen. Im BMVg selbst gibt es kein eigenes Referat für den Weltraum, die Zuständigkeit ist auf viele Abteilungen verteilt.

    Minister Boris Pistorius habe sich seit Amtsantritt noch keine Einführung in das Thema Weltraum geben lassen, sagt ein Experte aus Kreisen des Verteidigungsministeriums. Das liege nicht zwangsläufig an fehlendem Interesse, sondern an der Ressource Zeit, mutmaßt er. Sollte es vor Ende des Jahres nicht mehr mit der Strategie klappen, werde es in dieser Legislaturperiode höchstwahrscheinlich gar nichts mehr, heißt es von mehreren Seiten. 

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    Princeton-Politologe Mousavian zum Iran: “Sanktionen sind keine Lösung”

    Herr Mousavian, was bedeutet der Tod des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi für die Zukunft des Iran?

    Ich glaube nicht, dass es größere Veränderungen in der iranischen Innen- und Außenpolitik geben wird. Der Oberste Führer Ayatollah Khamenei hat bereits angekündigt, dass der Iran die Politik der Raisi-Ära fortsetzen wird. Die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen werden jedoch vor allem ein Wettstreit zwischen den Radikalkonservativen und den gemäßigten Konservativen sein. Sollten sich Letztere durchsetzen, dann könnte das die Chancen für eine Entspannung der Beziehungen zum Westen erhöhen.

    Sie saßen im Iran wegen eines Streits mit dem Regime im GefängnisWas wurde Ihnen damals vorgeworfen?

    Ich wurde im Iran festgenommen und beschuldigt, für den Westen zu spionieren. Obwohl ich von den Vorwürfen freigesprochen wurde, verurteilte mich ein Gericht zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Zudem wurde mir untersagt, einen diplomatischen Posten zu bekleiden, weil ich offen die Außenpolitik von Präsident Mahmud Ahmadinedschad – insbesondere seine Atompolitik – ablehnte. Ahmadinedschad drängte höchstpersönlich darauf, mich aus dem Außenministerium zu entfernen. Deshalb habe ich den Iran 2009 verlassen. Im Jahr 2022 verurteilte mich ein anderes Gericht dann erneut zu elf Monaten Gefängnis. Selbst für die Beerdigung meines Vaters konnte ich deshalb nicht in meine Heimat zurückkehren.

    Bis Ahmadinedschad Präsident wurde, waren Sie einer der Nuklear-Unterhändler des Irans. 2005 gingen Sie dann von Bord. Wie kam es dazu?

    Ahmadinedschad tauschte damals das komplette Verhandlungsteam aus und ordnete die Anreicherung von Uran an. In diesem Zuge wurden auch die ersten umfassenden internationalen Sanktionen gegen den Iran verhängt.

    Welche Auswirkungen hatte das?

    Die iranische Währung verlor dramatisch an Wert und die Inflation stieg auf 40 Prozent. Die US-Amerikaner und die Israelis dachten, dass der Iran unter dem Druck kapitulieren würde. Doch Teheran reagierte anders als erwartet: Das Atomprogramm wurde weiter ausgebaut und so stark beschleunigt, dass die Zahl der Monate, die der Iran zur Anreicherung von Uran für eine Atomwaffe benötigen würde, im Jahr 2013 auf zwei sank.

    In der Folge wurde das Atomabkommen mit dem Iran ausgehandelt, aus dem sich Präsident Donald Trump dann 2018 zurückzog. Führen Sanktionen Ihrer Meinung nach zwangsläufig zu einem Ausbau der nuklearen Fähigkeiten?

    Auf der einen Seite waren die Sanktionen einer der Gründe, warum der Iran 2013 überhaupt ernsthafte Verhandlungen über das Atomabkommen aufnahm. Auf der anderen Seite führten die Sanktionen aber auch zu der bereits erwähnten Beschleunigung des Atomprogramms. So wollte man dem Westen zu verstehen geben, dass man zwangsläufig Atomwaffen bauen würde, sollten die Sanktionen nicht zurückgenommen werden. Sanktionen sind deshalb meiner Meinung nach auch im Jahr 2024 keine Lösung. Der einzige Weg ist und bleibt die Diplomatie. 

    Heute signalisiert der Iran, dass er dem Bau von Atomwaffen näher ist als je zuvor – und die iranische Führung hat sich zuletzt radikalisiert. Pochen Sie vor diesem Hintergrund noch immer auf eine diplomatische Lösung?

    Die Sanktionen haben dem Iran enormen wirtschaftlichen Schaden zugefügt und dazu geführt, dass er sein Atomprogramm weiter ausbaut. Wer hat also von der Politik der Abschreckung, die zuletzt sowohl von den USA als auch von Israel und der EU verfolgt wurde, profitiert? Niemand, alle Parteien haben verloren. 

    Den Eindruck gewinnt man nach acht Monaten Krieg auch in Israel und Palästina. Halten Sie die Erreichung von Israels Kriegsziel, die Hamas militärisch zu besiegen, für realistisch?

    Ich glaube nicht, dass Israel die Hamas besiegen kann. Die Hamas ist keine Organisation, sondern eine Idee, der Millionen von Palästinensern folgen. Dass der Iran Israel mit Hunderten von Drohnen und Raketen angegriffen hat, hat zudem die Vorstellung zerstört, dass Israels Sicherheit unantastbar ist. Deshalb denke ich auch, dass Netanjahu mit dem Angriff auf das iranische Konsulat in Damaskus einen großen Fehler gemacht hat.

    Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sieht das anders. Sie sagt, der Iran habe sich mit dem Angriff auf Israel verkalkuliert, und hat weitere Sanktionen gegen den Iran eingeleitet. 

    Ich denke, die Außenministerin vertritt in einigen außenpolitischen Fragen sehr extreme Positionen. Ich habe immer geglaubt, dass Deutschland das politische Gewicht und das Potenzial hat, sich als Friedensstifter zwischen muslimischen Ländern und dem Westen zu engagieren. Aber mit der aktuellen Außenpolitik tut sich Deutschland in dieser Hinsicht keinen Gefallen und versäumt es, sich aktiv für den Frieden in der Region einzusetzen. 

    Unsere Umfrage The Berlin Pulse zeigt, dass die Deutschen eher außenpolitische Zurückhaltung befürworten. Erwarten Sie nicht zu viel von Deutschland?

    Das hängt davon ab, was man unter Zurückhaltung versteht. Ich denke, die Deutschen lehnen es vor allem ab, sich an internationalen Feindseligkeiten, an Kriegen und Sanktionen zu beteiligen. Aber was wäre, wenn Deutschland sich aktiv für Friedensschaffung einsetzten würde? Jonathan Lehrer, Berlin Pulse, Körber-Stiftung

    Houssain Mousavian ist Spezialist für Nahost und Nuklearpolitik an der Princeton University. Von 1990 bis 1997 war er Irans Botschafter in Bonn, danach leitete er bis 2005 in Teheran den Ausschuss für auswärtige Beziehungen des Nationalen Sicherheitsrats.

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    News

    Nahost: Wie CIA-Chef Barnea die Hamas zum Einlenken bewegen will

    Kurz vor Auslaufen eines Ultimatums an Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, einen Nachkriegsplan für den Gazastreifen vorzulegen, ist der US-amerikanische Auslandsgeheimdienstchef (CIA) David Barnea zu Gesprächen zurück in den Nahen Osten gekehrt. Benny Gantz droht Netanjahu damit, dessen Kriegskabinett zu verlassen, sollte der Regierungschef nicht erklären, wie seine Pläne für eine Präsenz israelischer Truppen im Gaza nach Ende der Kampfhandlungen aussehen.

    Netanjahu steht aber nicht nur innenpolitisch unter Druck, sondern auch seitens der USA. So sieht ein von US-Präsident Joe Biden am Wochenende vorgelegter Plan zur Erreichung eines dauerhaften Waffenstillstands in den ersten zwei Phasen Folgendes vor:

    • neben einer vollständigen Waffenruhe
    • den Abzug der israelischen Streitkräfte aus allen bewohnten Gebieten des Gazastreifens
    • sowie die Freilassung einer Reihe von Geiseln, darunter Frauen, ältere Menschen und Verletzte, im Austausch für die
    • Freilassung Hunderter palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen. 

    Die dritte Phase würde einen umfassenden Wiederaufbauplan für Gaza beinhalten.

    CIA-Chef Barnea drängt Katar und Ägypten Medienberichten zufolge dazu, ihre Kontakte zur islamistischen Palästinenserorganisation Hamas dazu zu nutzen, Bidens Dreiphasenplan zuzustimmen – in einem gemeinsamen Statement riefen am Donnerstag neben den USA auch Deutschland, Großbritannien, Kanada, Brasilien und weitere Staaten die Hamas zu Zustimmung auf.

    Ein weitgehend identischer Verhandlungsvorschlag war im Mai an Unstimmigkeiten zwischen beiden Seiten gescheitert. Seit dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel im vergangenen Oktober gab es nur eine einwöchige Feuerpause im November 2023, bei der 50 israelische Geiseln gegen 150 palästinensische Gefangene ausgetauscht wurden. Der Krieg gegen die Hamas ist der längste seit dem Libanon-Krieg 2006. Politische Beobachter halten es nicht für ausgeschlossen, dass die Regierung Netanjahus in den kommenden Wochen wie vor 18 Jahren mit Bodentruppen in den Libanon einrücken könnte. mrb

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    Mirage für Ukraine: Macron sagt Kampfjets zu

    Gerüchte über die Pläne gab es schon länger, jetzt ist es offiziell: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat der Ukraine Mirage-Kampfjets zugesagt. Wie viele Jets des Typs Mirage 2000-5 Frankreich dem von Russland angegriffenen Land überlassen werde, teilte Macron in einem Fernseh-Interview am Donnerstagabend in Caen zunächst nicht mit. Man sei dabei, eine Koalition mit Partnern zu bilden.

    Die Kampfjets sollten es der Ukraine ermöglichen, ihren Boden und ihren Luftraum zu schützen, sagte Macron den Sendern TF1 und France 2. Der französische Staatschef kündigte zudem an, ab dem Sommer ukrainische Piloten ausbilden zu wollen. Auch eine Brigade mit 4.500 ukrainischen Soldaten wolle man schulen. Auf die Frage, ob Frankreich Militärausbilder in die Ukraine schicken werde, antwortete Macron ausweichend. Die Ukraine bitte um Ausbildung in ihrem Land und dies würde auch keine Eskalation darstellen.

    Auch wenn die Ankündigung von Macron für Aufsehen sorgen sollte – bis ukrainische Piloten in den Mirage-Jets über der Ukraine fliegen werden, dürfte viel Zeit vergehen. Das zeigt das F-16-Ausbildungsprogramm. Seit vergangenem Oktober bereits trainieren ukrainische Piloten in den USA. Bis jedoch eine Staffel von 40 Piloten für 20 F-16-Jets einsatzfähig ist, könnte es Ende 2025 werden. dpa/vf

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    Kosovo: Wie Europa sich von Serbien einschüchtern lässt

    Ein Vierteljahrhundert nach Beginn des längsten Auslandseinsatzes der Bundeswehr im Rahmen der Nato-geführten Kosovo Force (Kfor) warnt der SPD-Außenpolitiker Frank Schwabe Europa vor Einlenken gegenüber der Regierung von Serbiens Ministerpräsident Aleksander Vučić. “Das ist eine strategische Frage, in der sich Europa auf dem Balkan gerade falsch aufstellt”, sagte er im Interview mit Table.Briefings.

    Wie stark Serbiens Einfluss auf Entscheidungen europäischer Institutionen in Brüssel oder Straßburg ist, hatte sich zuletzt im Mai gezeigt, als eine Abstimmung über die Aufnahme des Kosovos von der Tagesordnung des Europarats genommen wurde. “Die europäischen Länder werden ihrer historischen Verantwortung nur gerecht, wenn dieser Schritt sehr zeitnah erfolgt”, sagte Schwabe, der die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates leitet.

    Rund 300 Soldaten noch am längsten Einsatz der Bundeswehr beteiligt

    Kosovo ist seit 2008 unabhängig, allerdings erkennen nicht alle EU-Staaten die 1999 unter Verwaltung der UN-Kosovo-Mission Unmik gestellte frühere serbische Provinz an. Der Bundestag beriet am Mittwoch in erster Lesung über die Verlängerung des Mandats für die im Juni 1999 erstmals in das Kosovo entsandten Kfor-Einheiten; es ist der längste Auslandseinsatz der Bundeswehr. Zuvor hatte sich Deutschland zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg an einem Kriegseinsatz beteiligt; mit Kampfflugzeugen nahm sie an der Nato-Operation “Allied Force” gegen Serbiens Machthaber Slobodan Milošević teil, der nach 78 Tagen Krieg einlenkte.

    Zu Beginn des Einsatzes war die Kfor mit mehr als 50.000 Soldaten präsent. Heute sind es 4.800, davon rund 300 aus Deutschland. Von 1993 bis 2003 beteiligte sich Russland mit bis zu 1500 Soldaten an Kfor, Präsident Wladimir Putin unterstützt heute jedoch Serbiens Präsidenten Vučić, der mithilfe der rund 100.000 Mitglieder zählenden serbischen Minderheit im Kosovo die Zentralregierungen in Pristina zu schwächen versucht. “Durch ständiges Nachgeben verhindern wir sicherlich nicht, dass Vučić sich weiter auf die Seite Putins schlägt, sondern ermuntern ihn im Gegenteil eher dazu, seine Schaukelpolitik zwischen EU und Russland zu intensivieren”, kritisierte Schwabe. mrb

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    Bundeswehr: Hilft TikTok gegen das Nachwuchsproblem?

    Mit 20-sekündigen Clips wirbt die Bundeswehr nun auch auf TikTok um Nachwuchs. Der Account bundeswehrkarriere hat schon über 15.000 Follower. Ab 10. Juni will die Bundeswehr dort in Zusammenarbeit mit der Werbeagentur Castenow die Serie “Explorers – Roadtrip durch die Bundeswehr!” veröffentlichen. Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz schon einen Account eröffnet hat, werden die Sicherheitsbedenken beim Streitkräfte-Auftritt leiser geäußert.

    Denn schwerer wiegen die Personalprobleme der Bundeswehr, die sich immer noch die Zielmarke gesetzt hat, bis 2031 auf 203.000 Soldatinnen und Soldaten anzuwachsen. Derzeit stagnieren die Zahlen bei rund 181.000. Auch auf der ILA wirbt die Bundeswehr offensiv um Nachwuchs, am Besuchereingang hat sie einen Informationsstand aufgebaut, der ankommende potenzielle Soldatinnen und Soldaten neugierig machen und zur größeren “Karrierebasis” lotsen soll.

    Mit der TikTok-Kampagne wendet sich die Bundeswehr mit vier Influencern an ein junges Publikum. Das Motto: Abenteuer-Roadtrip durch Deutschland. Auch andere Streitkräfte versuchen ihre Personalsorgen mit Hilfe der chinesischen Plattform zu lösen: Das britische Verteidigungsministerium sucht ebenfalls auf TikTok nach Nachwuchs.

    Doch es bleiben die Gefahren durch Spionagesoftwares. Die USA untersagten ihren Soldaten 2020 die Nutzung auf Diensthandys. Zu groß war die Sorge vor Wissensabfluss. Auch für den Account des Bundeskanzlers gibt es ein Handy, das einzig zum Posten der Videoclips gedacht ist. Sensibles Material dürfte vom neuen Bundeswehr-Account aber sowieso nicht zu erwarten sein. bub

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    Das sind die Highlights auf der ILA am Freitag

    Der zweite Tag der ILA schloss mit einer guten Nachricht für die Bundespolizei: Sie soll ab 2029 bis zu 44 neue Hubschrauber vom Typ H225 Super Puma erhalten. Diese Investition, die nach Darstellung des Bundesinnenministeriums die größte in der Geschichte der Bundespolizei sei, verkündete Innenministerin Nancy Faeser auf der ILA.

    Am Freitag ist dann letzte Tag für das Fachpublikum, ab dem morgigen Samstag öffnet die ILA die Tore für das interessierte Publikum. Es stehen unbemannte Geräte wieder stärker im Zentrum: die Drohnen.  

    Christophe Vivier, Leiter der Abteilung Singe European Sky von der Europäischen Verteidigungsagentur, ist für das Thema gleich auf mehreren Panels zu Gast. Drohnen-Regulierung und der Einsatz von KI in Drohnen sind ebenfalls Programmpunkte. Ab 10 Uhr in Halle 3.

    Um 12 Uhr, Halle 3, geht es mit Jürgen Setzer, dem stellvertretenden Inspekteur des Kommandos Cyber- und Informationsraum der Bundeswehr, um die Frage, wie eine zukunftsfähige Sicherheitsarchitektur für den Weltraum aussieht.

    Auch das Thema Kooperation in Europa wird auf vielen Panels diskutiert, die Grenzen zwischen ziviler und militärischer Nutzung des Luftraumes sowie des Weltalls sind dabei fließend. Augenmerk hier dürfte André Denk von der EDA sein (10 Uhr, Halle 3).

    Ab 14 Uhr steht auf gleich zwei Panels nacheinander in Halle 3 der Klimaschutz im Mittelpunkt mit Vertretern des Verteidigungsministeriums, der Luftwaffe, Industrie und Politik.

    Und die Bundesregierung fördert am letzten Tag der Messe für das Fachpublikum speziell die Vernetzung von Studierenden der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt. Am Wochenende rücken die verteidigungsbezogenen Themen in den Hintergrund. Am Samstag erläutert aber noch das Drohnen-Start-Up Quantum, welche Erfahrungen es aus dem Einsatz seiner Technik in der Ukraine gesammelt hat. 

    Für die Planespotter: Ab 11.30 Uhr fliegt der Eurofighter, im Anschluss der A400M. Ab 13 Uhr geht es weiter mit dem Sea King, im Anschluss der Airbus A321. Um 15.15 Uhr wird der Tornado zu sehen, den Abschluss bildet die Bundeswehr mit einem “Joint Scenario” aus verschiedenen Hubschraubern. red

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    Must-Reads

    FAZ: Norwegen investiert Milliarden in Verteidigung. Oslo erhöht die Investitionen in Verteidigung erheblich. Bis 2036 wird der Anteil an Verteidigungsausgaben rund drei Prozent des BIP ausmachen. Marine, Drohnen und Luftverteidigung – hier werden die Prioritäten liegen.

    Asia Times: India making Bay of Bengal into a nuclear launchpad. Indien, China und Pakistan bauen ihre Marinekräfte aus und wollen damit ihre Fähigkeiten für einen Atomwaffeneinsatz stärken. Für Indien spielt der Golf von Benagen dabei eine wichtige Rolle, wie dieser ausführliche Bericht erläutert.

    Stiftung Wissenschaft und Politik: Die Ukraine im russischen Angriffskrieg. Dieses Papier beleuchtet, wie der russische Angriffskrieg Einfluss auf die politische Situation in der Ukraine nimmt. Zentrale Punkte sind, wie der Krieg ukrainische Oligarchen schwächt und wie die starke Konzentration der Macht im Präsidialamt die Gewaltenteilung beeinträchtigt.

    European Council on Foreign Relations: Beyond proxies – Iran’s deeper strategy in Syria and Lebanon. Der Krieg in Gaza treibt den Schattenkonflikt zwischen Iran und Israel in die Öffentlichkeit. Dieser Text beleuchtet die Gefahr, dass dieser sich zu einem regionalen Krieg ausweitet und legt dar, was Europa tun kann, um lokale Stabilisierungsziele voranzutreiben.

    European Union Institute for Security Studies: Quo vadis Kosovo? High Time to Realign with the West. Spannungen zwischen dem Kosovo und Serbien, Sezessionsbestrebungen in Bosnien-Herzegowina und die Wahlsiege rechtsnationaler Kräfte in Nordmazedonien – der westliche Balkan unterliegt Spannungen, die durch Einmischung Russlands weiter befeuert werden.

    Standpunkt

    Florian Westphal zur Lage im Sudan: Wegschauen ist keine Politik

    Von Florian Westphal
    Florian Westphal ist Geschäftsführer von Save the Children Deutschland.

    Als am 15. April 2023 die Kämpfe im Sudan beginnen, ist das öffentliche Interesse riesig. Das spüren wir auch bei Save the Children. Unsere deutsche Kollegin Katharina von Schroeder, die schon seit Jahren im Sudan lebt, gibt zahlreiche Interviews, während sie und ihr Sohn in Khartum um ihr Leben fürchten. Die beiden sind in der sudanesischen Hauptstadt von den Kämpfen überrascht worden und harren tagelang in einer Schule aus, bis sie endlich ausreisen können.

    Für Millionen von Menschen im Sudan war dieser Samstag im April der Beginn einer kaum vorstellbaren Katastrophe. Die Gewalt breitete sich flächendeckend aus und führte zur aktuell größten Fluchtbewegung der Welt. 8,7 Millionen Menschen sind auf der Flucht, zwei Millionen von ihnen im Ausland, und mehr als die Hälfte der Geflüchteten sind Kinder.

    Desinteresse von Medien und Politik

    Doch während Vertreibungen, sexualisierte Gewalt und Ermordungen unvorstellbare Ausmaße annehmen und sich der Hunger immer dramatischer ausbreitet, hat das öffentliche Interesse am Sudan schnell nachgelassen, und zwar nicht nur in den Medien. Auch aus der Politik ist nur wenig zu hören. Das Desinteresse spiegelt sich auch bei den Hilfsgeldern wider. Bei der Sudan-Geberkonferenz im April dieses Jahres hatten die Vereinten Nationen den humanitären Bedarf auf 2,7 Milliarden Euro beziffert, um die allergrößte Not zu lindern. Davon wurden lediglich zwei Milliarden Euro zugesagt, Deutschland versprach 244 Millionen. Doch bisher sind erst 16 Prozent des gesamten Finanzbedarfs gedeckt.

    In einer Welt voller Krisen ist der Sudan nur ein Beispiel, das zeigt, warum die momentanen Kürzungspläne der Bundesregierung genau zum falschen Zeitpunkt kommen. Geht es nach den Plänen des Bundesfinanzministers, soll die Entwicklungszusammenarbeit in dieser Legislaturperiode um 25 Prozent und die humanitäre Hilfe sogar um mehr als 30 Prozent gekürzt werden. Und das, obwohl die Zahl der Menschen in Not stetig zunimmt.

    Kürzungen sorgen für noch mehr Not

    Hilfsorganisationen müssen also immer mehr Projekte einstellen und auf neue verzichten, weil das Geld fehlt. Für Millionen von Familien, die schon jetzt nicht wissen, wie sie ihre Kinder ernähren sollen, hat das existenzielle Folgen. Aufgrund der Kürzungen werden künftig weniger Kinder Nahrungsmittelhilfe, medizinische Versorgung, psychologische Hilfe oder Bildungsangebote erhalten. Die Zukunft einer ganzen Generation von Kindern steht auf dem Spiel.

    “Jeder Krieg ist ein Krieg gegen Kinder” – dieser Satz der Gründerin von Save the Children, Eglantyne Jebb, trifft auf den Sudan besonders zu: Zehn Millionen Kinder leben dort in unmittelbarer Nähe zu einem Kampfgebiet. 19 Millionen Kinder können nicht zur Schule gehen.

    Zwei von drei Menschen brauchen humanitäre Hilfe

    Die Prognose der Vereinten Nationen ist düster. In diesem Jahr werden im Sudan zwei Drittel der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen sein – fast doppelt so viele wie im Vorjahr. Und die Not setzt sich jenseits der Grenzen fort. Auch im Südsudan, wohin viele Menschen fliehen, leiden Millionen unter Gewalt und Armut, und es gibt nicht annähernd genug Hilfe, um ihren Bedarf zu decken.

    An der Grenze treffen täglich tausende Geflüchtete ein, verängstigt, geschwächt und mittellos. Wir bieten ihnen eine Erstversorgung an, betreuen allein ankommende Kinder und helfen ihnen bei der Suche nach Angehörigen. Aber sowohl hier als auch im Sudan selbst werden wir aufgrund fehlender Mittel in Zukunft deutlich weniger Kinder erreichen können, das zeichnet sich schon jetzt ab.

    Ob Hilfe möglich ist, hängt nicht nur vom Geld ab. Viel zu oft – und ganz besonders auch im Sudan – behindern die Konfliktparteien völkerrechtswidrig Hilfslieferungen und greifen Helfende an. Dennoch ist Geld ein entscheidender Faktor. Organisationen brauchen eine langfristige Finanzierung, um auf akute Krisen reagieren zu können und um langfristig zu helfen. Den Kindern im Sudan hilft keine Sparpolitik, sondern nur entschlossenes politisches und humanitäres Handeln – ohne Wenn und Aber. Sie verdienen unsere Unterstützung.

    Florian Westphal ist seit 2021 Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender von Save the Children Deutschland. Zuvor leitete er Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Deutschland, nach mehr als 15 Jahren beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), unter anderem in der Demokratischen Republik Kongo, Sierra Leone und Malaysia.

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    Security.Table Redaktion

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