am 9. April wird sich Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof gegen die Klage Nicaraguas verteidigen müssen. Das Land, das in Luftlinie rund 12.000 Kilometer von Israel und Gaza entfernt liegt, wirft Deutschland Beihilfe zum Völkermord in Gaza vor. Wilhelmine Preußen hat mit Völkerrechtlern über eine mögliche Politisierung des Rechts gesprochen.
Diese Woche wird die Nato 75 Jahre alt. Die Außenministerinnen und Außenminister des Verteidigungsbündnisses treffen sich am Mittwoch und Donnerstag in Brüssel, die große Zeremonie soll dann im Juli beim Nato-Gipfel in Washington nachgeholt werden. Verteidigungsminister Boris Pistorius bekommt also genug Aufmerksamkeit, um seine Pläne für die Strukturreform der Bundeswehr, ebenfalls voraussichtlich am Donnerstag, vorzustellen. Welche Probleme die Soldatenvertretung GVPA noch mit den Plänen hat, lesen Sie in den News.
Auch über eine Wehrpflicht wollte sich Pistorius’ Haus bis Anfang April Gedanken machen. Wir beenden heute unsere Serie “Deutschland zu Diensten” mit einem Standpunkt von Christian Reuter, Generalsekretär des Deutschen Roten Kreuzes, der statt einer Wiedereinführung der Wehrpflicht zunächst eine Stärkung der Freiwilligendienste als notwendig ansieht. Alle Beiträge der Serie können Sie hier nochmal nachlesen. Übrigens: In Litauen steht ebenfalls eine Reform der Wehrpflicht an. Jurga Bakaitė analysiert, was das Land vorhat.
Ich wünsche eine erkenntnisreiche Lektüre
Am Dienstag, 9. April, wird Deutschland sich gegen den Vorwurf der Beihilfe zum Völkermord Israels in Gaza vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) verteidigen müssen. Es ist ein ungewöhnlicher Prozess, der auch politisch hochbrisant ist.
Im März hatte das autoritär regierte Nicaragua in Den Haag eine Klage eingereicht. “Jeder Vertragsstaat der Völkermordkonvention hat die Pflicht, alles zu unternehmen, um einen Völkermord zu verhindern”, heißt es in der Antragsschrift. Dieser Verpflichtung werde Deutschland durch die politische, finanzielle und militärische Unterstützung Israels nicht gerecht.
Damit zusammen hängt die Völkermord-Klage Südafrikas gegen Israel – eine Entscheidung im Hauptverfahren wird hier allerdings erst in einigen Jahren erwartet. Völkerrechtsexperten sind sich weitgehend einig, dass beide Klagen höchstwahrscheinlich scheitern. Zu hoch sind die Hürden, eine Völkermordabsicht nachzuweisen. Und dennoch wurde bereits ein Ziel erreicht: Aufmerksamkeit.
Das israelische Außenministerium bezeichnete die Klage Nicaraguas gegen Deutschland als “einen weiteren Missbrauch des Internationalen Gerichtshofs” und sprach von “völliger Verzerrung der Realität”.
Die Klage kommt zu einer Zeit, in der die israelische Regierung mit Blick auf die prekäre humanitäre Lage im Gazastreifen zunehmend Schwierigkeiten hat, ihr hartes militärisches Vorgehen zu rechtfertigen – auch vor engsten Verbündeten. Die internationale gesellschaftliche Stimmung schlägt um. Mehr als die Hälfte der Amerikaner gaben bei einer Gallup-Umfrage im März an, dass sie Israels Militäraktion in Gaza missbilligen, während 36 Prozent sie guthießen. Im November 2023 unterstützten noch 50 Prozent der Amerikaner Israels Vorgehen im Gazastreifen.
Diese Art von Prozessen liefere “Munition für interne Bewegungen oder Kampagnen gegen Israel”, erklärt Yonatan Freeman, Experte für internationale Beziehungen, an der Hebrew University of Jerusalem. Diese Strategie wird in Israel schon länger als “Lawfare” und Teil der hybriden Kriegsführung betrachtet. Es ginge auch darum, westliche Staaten zu destabilisieren, so Freeman.
Dass es jetzt gerade Deutschland trifft, hat auch prozessuale Gründe. Im Gegensatz zu den USA und Israel hat sich Deutschland 2008 der Gerichtsbarkeit des IGH unterworfen. Aber auch politisch steht Berlin im Fokus. Ursprünglich hatte die Vertretung Nicaraguas auch Großbritannien, die Niederlande und Kanada eine diplomatische Note bei den Vereinten Nationen in New York geschickt, die sich ebenfalls der Gerichtsbarkeit des IGH unterworfen haben.
Allen drei Staaten warf Nicaragua ebenfalls vor, sie würden durch ihre Unterstützung Israels gegen die Völkermordkonvention, das humanitäre Völkerrecht, das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser und das Apartheidverbot verstoßen. Angeklagt wurde bislang nur Deutschland.
Deutschland ist nach den USA der zweitwichtigste Waffenlieferant Israels. Nach dem 7. Oktober sind viele Anträge für Exportgenehmigungen beschleunigt durchgewunken worden, sodass im Jahr 2023 Rüstungsexporte im Wert von 326,5 Millionen Euro an Israel genehmigt wurden – zehnmal so viel wie 2022. Kanada hat mittlerweile mit Blick auf die humanitäre Lage entschieden, künftig keine Waffen an Israel zu liefern.
Alexander Schwarz, Experte für Völkerstrafrecht beim European Concil for Constitutional and Human Rights (ECCHR) betont, das Verfahren Nicaragua gegen Deutschland würde “wichtige rechtliche Fragen” aufwerfen. Ob politisch motiviert oder nicht, am Ende zähle, dass der IGH die aufgeworfenen Fragen “allein nach rechtlichen Maßstäben beurteilt”.
Dem Grundsatz folgt man auch in der Bundesregierung. Mit betonter Ernsthaftigkeit wird die Klage im Auswärtigen Amt bearbeitet. Die Anschuldigungen selbst weist man jedoch entschieden zurück. Wolfgang Büchner, stellvertretender Regierungssprecher, erklärte, dass die Bundesregierung die Vorwürfe “für nicht gerechtfertigt” halte und die Begründung im Verfahren weiter ausgeführt würden.
Weder Deutschland noch Nicaragua sind direkt im Konflikt involviert, es handelt sich nicht um eine klassische Territorialstreitigkeit, mit denen der IGH überwiegend befasst ist. Möglich sind Südafrikas und Nicaraguas Klagen durch eine Änderung der Rechtslage vor zwei Jahren. Der IGH hatte in einem Verfahren gegen Myanmar 2022 geurteilt, dass jeder Staat weltweit das Recht habe, einen mutmaßlichen Völkermord vor Gericht zu bringen. Der Völkerrechtsexperte Stefan Talmon hatte damals vor dieser Änderung gewarnt. Sie würde zu Klagen einladen, die aus politischen Gründen entstehen, so Talmon.
Und er geht noch weiter: Es bestehe die Gefahr, dass Staaten von anderen Akteuren “vorgeschickt” werden, die aus politischen Gründen nicht selbst als Ankläger erscheinen wollen, aber die Klage finanzieren können. Der Gerichtshof könne so missbraucht und die Autorität des Gerichtshofs auf lange Sicht untergraben werden. Er erwartet, dass die Klagen im Gaza-Krieg erst den Anfang darstellen und sich derartige Verfahren schon bald in anderen Bereichen und Konflikten wiederfinden würden.
Sollte Nicaragua einen Teilerfolg erzielen, indem die Klage als zulässig erklärt wird, könnte das diesen Trend begünstigen. Das dürfte auch mit Blick auf die begrenzten Ressourcen des Gerichtshofs eine Herausforderung darstellen.
Nachhaltige, klimafreundliche Verteidigung klingt auf den ersten Blick wie ein Widerspruch in sich. Doch selbst Nato und EU haben sich zuletzt das Ziel einer “grünen Armee” beziehungsweise die Entwicklung von möglichst klimaneutralen Rüstungsgütern auf die Fahne geschrieben.
Industrie und Regierungen als Kunden hätten zu lange zur gesellschaftspolitischen Bedeutung der Branche geschwiegen, sagt Debbie Allen, beim britischen Rüstungskonzern BAE Systems als Direktorin unter anderem für den Bereich Nachhaltigkeit zuständig. Das ändere sich für die breite Öffentlichkeit erst seit dem russischen Überfall auf die Ukraine.
Dabei bemüht sich die Branche schon länger um ein besseres Image. Die Wahrnehmung sei lange Zeit weitestgehend negativ gewesen, sagt Allen, die beim in Brüssel ansässigen Branchenverband Aerospace, Security and Defence Industry Association (ASD) eine Taskforce zum Thema Klima und Verteidigung leitet: “Das versuchen wir nun zu ändern, ohne dabei Greenwashing zu betreiben.”
Das sei zwar eine schwierige Gratwanderung, aber in Zukunft auch wichtig, um für Investoren und potenzielle Mitarbeiter attraktiv zu bleiben – oder es wieder zu werden. Der Klimawandel habe Einfluss auf Verteidigung, und Verteidigung gleichzeitig auf das Klima. Die Rüstungsindustrie wolle ihren Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten, auch aus eigenem Interesse.
Die Regierungen hätten sich auf Klimaneutralität bis 2050 festgelegt, das sei auch für Verteidigungsministerien und Industrie verpflichtend, so Allen. Die westliche Welt verabschiede sich von den fossilen Brennstoffen, darauf müsse sich auch die Rüstungsindustrie einstellen. Wenn durch den EU-Emissionshandel (ETS) und das CO₂-Grenzausgleichssystem (CBAM) die Energiekosten steigen, ist das ein weiterer Grund für die Branche, umzudenken. Wobei Rüstungsgüter, die heute entworfen werden, womöglich 2050 oder 2060 noch im Einsatz sind, wenn Diesel oder Kerosin knapp oder teuer sein dürften. Auch dies müsse berücksichtigt werden.
Bei Rüstungsgütern werden die CO₂-Emissionen in drei Kategorien unterteilt. Erstens kann die Industrie ihre eigenen produktionsbedingten CO₂-Emissionen beeinflussen, zum Beispiel bei der Herstellung von Verteidigungsplattformen. Ein weiterer Bereich umfasst die Lieferketten beziehungsweise Zulieferer inklusive der Rohstoffgewinnung. Zwei Drittel der CO₂-Emissionen fallen jedoch in der dritten Kategorie an, nämlich beim Einsatz der Rüstungsgüter. Bei Kampfflugzeugen laufen laut Allen beispielsweise Versuche mit klimaneutralen Treibstoffen, wobei die kommerzielle Luftfahrt selbstverständlich Priorität bei der Versorgung mit diesen Treibstoffen habe.
Viel an Einsparungen könne auch erreicht werden, wenn Piloten noch mehr in Simulatoren statt in Kampfflugzeugen trainieren könnten. BAE Systems und andere Hersteller seien zudem dabei, Prototypen von Militärfahrzeugen mit Hybridantrieb oder elektrifizierten Antrieben zu testen. Das kann gleich mehrere Vorteile haben. Das Risiko bei der Energieversorgung könne reduziert werden. Die Verletzlichkeit des Nachschubs mit fossilen Brennstoffen und von Treibstofflagern zeige sich gerade in der Ukraine.
Elektrifizierte Fahrzeuge, die zumindest temporär im Elektromodus betrieben werden können, strahlten weniger Hitze ab und seien damit weniger sichtbar und praktisch geräuschlos. In der Ukraine hätten sich ferner auch kleine solarbetriebene Mikroenergienetze bewährt.
Nach Darstellung des Branchenverbands ASD, der sich auf internationale Studien beruft, trägt der globale Verteidigungssektor rund ein Prozent zu den weltweiten Treibhausgasemissionen anthropogenen Ursprungs bei. Die Rüstungsindustrie erhebe nicht den Anspruch, das Klima zu retten; die Einsatzfähigkeit bleibe Priorität, so Allen. Doch ohne Sicherheit gebe es auch keine Nachhaltigkeit.
Die EU kofinanziert unter anderem über ihren European Defence Fund Forschung und Entwicklung von klimaneutralen Rüstungsgütern. Die Nato hat bereits 2021 auf ihrem Gipfel in Brüssel einen Climate Change and Security Action Plan verabschiedet, mit dem Ziel einer Reduktion der Klimaschadstoffe um 45 Prozent bis 2030. Die Transition weg von fossilen Brennstoffen soll jedoch die Interoperabilität und die Einsatzfähigkeit der Verbündeten nicht infrage stellen. Die Streitkräfte der Nato-Staaten müssten “gleichzeitig grün und stark” sein, sagte Stoltenberg 2023.
Schon bald nach ihrer Wiedereinführung 2015 wurde die Wehrpflicht in Litauen mit einem zweifelhaften Spitznamen versehen: Als “Lotterie” bezeichnen Kritiker das Auswahlverfahren. Es zwingt Tausende Männer im Alter zwischen 18 und 23 Jahren dazu, an einem im Voraus angekündigten Tag im Jahr die Website des Verteidigungsministeriums zu besuchen, um zu sehen, ob ihr Name auf einer computergenerierten Liste steht.
Studenten sind von der Teilnahme ausgeschlossen, können aber bis zu einem Jahr nach ihrem Abschluss eingezogen werden, diese Regelung gilt bis zum Alter von 26 Jahren. 2024 stehen etwa 27.000 Personen auf der Liste, aber am Ende werden weniger als 4.000 zur neunmonatigen Grundausbildung einberufen.
In den Vorjahren wurden die meisten Plätze von Freiwilligen bis 38 Jahre besetzt – für sie setzt der Staat gewisse finanzielle Anreize. Tausende andere wiederum werden jedes Jahr mit Geldstrafen belegt, wenn sie versuchen, sich dem Dienst zu entziehen, und diejenigen, die die Wehrpflicht kritisierten, bekamen bald den Spitznamen “Schreihälse”. Immerhin ein Fünftel derjenigen, die den Lehrgang absolviert haben, bewerben sich als Berufssoldaten beim Militär.
Da das System für ein gewisses Chaos gesorgt hat, mangelt es nicht an Witzen darüber – und internen Wettbewerben unter Schulabgängern, wer wohl weiter oben auf der Liste stehe. “Man weiß nicht, ob man sein Studium planen kann, oder ob man vielleicht besser direkt nach der Schule zu arbeiten beginnt”, sagt Paulius Vaitiekus, der Vorsitzende des litauischen Studentenverbandes.
Die russische Invasion in der Ukraine im Jahr 2014 war der Auslöser für die Wiedereinführung der Wehrpflicht. In Litauen galt diese bereits nach der Unabhängigkeit 1991, und die Wehrpflichtigen bildeten den Großteil der Armeeeinheiten. Nach dem Nato-Beitritt im März 1994 verlagerte sich der Schwerpunkt jedoch auf Berufssoldaten. Die weit verbreitete und sogar führende Expertenmeinung war, dass der Schutz durch die Nato für Litauen ausreichend sei.
Artūras Paulauskas, der ehemalige Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des litauischen Parlaments, erinnert sich an den plötzlichen Wandel nach 2014. Er gibt zu, dass das lotterieähnliche System geschaffen wurde, weil es billiger war als die allgemeine Wehrpflicht. Wenn Deutschland die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Erwägung ziehe, müsse es bedenken, dass die Reformen viel Zeit in Anspruch nähmen, warnt Paulauskas.
Das Verständnis für die Rolle des Militärs habe sich in Litauen seit dem russischen Angriff auf die Ukraine 2014 geändert. Früher war es auf einem miserablen Niveau, ähnlich wie heute in Deutschland. “Seit 2014 haben wir den Verteidigungshaushalt und die Zahl der eingezogenen Soldaten erhöht. Allmählich steigt sowohl die Qualität als auch die Quantität”, sagt Paulauskas.
Aufgrund der beschriebenen Mängel wird das System höchstwahrscheinlich bald wieder geändert, bis zu 5.000 junge Männer könnten dann jedes Jahr eingezogen werden. Ein reformierter Gesetzesentwurf liegt dem Parlament bereits vor; auch darüber, ob Frauen eingezogen werden sollen, wird beraten.
Der neue Vorschlag sieht die Einberufung von Männern im Alter von 18 bis 21 Jahren nach Beendigung der Schulzeit vor, wobei ein Aufschub des Dienstes für Hochschulstudenten nicht möglich ist. Es gibt auch einen breit diskutierten Vorschlag, einen kürzeren, sechsmonatigen Kurs zuzulassen. Außerdem wurde angeregt, dass eingezogene Studenten ihren Dienst an Wochenenden oder in den Sommerferien ableisten könnten.
Vaitiekus sagt, die Studenten würden ein berechenbareres System wie in Israel oder den skandinavischen Ländern bevorzugen. Er betont auch die Bedeutung der staatsbürgerlichen Erziehung und des Zivilschutzes und verweist auf die steigende Beliebtheit des litauischen Schützenbundes, einer gemeinnützigen paramilitärischen Organisation, die ebenfalls Teil der Verteidigungspläne des Landes ist – wenn auch nicht Teil der Streitkräfte. “Es ist definitiv nicht so, dass Studenten gegen das Militär sind. Wir brauchen nur ein System, das nachhaltig und attraktiv ist”, sagt Vaitiekus.
Vor der Entscheidung von Verteidigungsminister Boris Pistorius über eine Umstrukturierung der Bundeswehr haben sich Interessenvertreter der Soldaten und Soldatinnen gegen wesentliche Details der geplanten Änderungen ausgesprochen. Vor allem das Vorhaben, die so genannte ABC-Abwehr mit Spezialisten für den Schutz vor atomaren, biologischen und chemischen Kampfstoffen sowie die Militärpolizei dem Heer zu unterstellen, sei “in Gesamtbetrachtung der Vorschläge nicht bruchfrei erklärbar”, heißt es in einer Stellungnahme des Gesamtvertrauenspersonenausschusses (GVPA) im Ministerium.
Die vorgesehene Umstrukturierung, über die der Minister in dieser Woche entscheiden will, sieht im Wesentlichen vier künftige Teilstreitkräfte vor: Neben Heer, Luftwaffe und Marine den Cyber- und Informationsraum als neue, vierte Teilstreitkraft. Die bisherigen eigenständigen Organisationsbereiche Streitkräftebasis und Sanitätsdienst sollen überwiegend in einem Unterstützungsbereich für die Teilstreitkräfte aufgehen. Als Ausnahme davon ist geplant, vor allem das ABC-Abwehrkommando und die Feldjäger direkt an das Heer anzugliedern.
Diese beiden Fähigkeitskommandos würden jedoch von allen Teilstreitkräften gebraucht, heißt es in dem Schreiben des GVPA vom 19. März, das Table.Briefings vorliegt und über das zuerst der Business Insider berichtet hatte: “Wenn das Heer künftig die Unterstützung der anderen Teilstreitkräfte mit den Fähigkeiten ABC-Abwehr und Feldjäger mit Übernahme aller Aufgaben und unter den genannten Auflagen übernehmen muss, ist der Unterstellungswechsel mit Blick auf das Kriterium ‘Kriegstüchtigkeit’ oder ‘Kaltstartfähigkeit’ auch nicht zu erklären.”
Damit könnten auch Engpässe für die der Nato zugesagte “Division 2025” oder die vorgesehene dauerhafte Stationierung einer Kampfbrigade in Litauen auftreten, warnte der Ausschuss. Zudem stünden damit “die Qualität und die besondere Fachlichkeit des ABC-Abwehrkommandos der Bundeswehr und Kommando Feldjäger der Bundeswehr … langfristig in Frage”.
Der GVPA ist als Soldaten-Interessenvertretung allerdings ein Beteiligungs- und kein Mitbestimmungsgremium, wenn es um Strukturentscheidungen des Ministeriums geht. Pistorius ist damit nicht an eine Zustimmung des Ausschusses gebunden und kann auch gegen dessen Position entscheiden. Damit bleibt offen, ob die Bedenken aus der Truppe bei der für diese Woche erwartete Entscheidung eine Rolle spielen werden.
Über die Strukturplanung hinaus hat die Zuordnung von bestimmten Truppengattungen auch Auswirkungen auf die Stellung der Inspekteure. Der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, hatte sich außer für die Unterstellung von ABC-Abwehr und Militärpolizei auch für die Zuordnung weiterer Bereiche wie Teilen der Logistik zu seiner Teilstreitkraft eingesetzt. Nach den bisher vorliegenden Planungen ist das allerdings nicht vorgesehen, nicht zuletzt aufgrund des Widerstands der Chefs der anderen Teilstreitkräfte. tw
Russland hat seit Beginn des Jahres 2023 insgesamt 15 militärisch wichtige Unternehmen verstaatlicht. Weitere Unternehmen dürften folgen. Das geht aus Aussagen des russischen Generalstaatsanwalts Igor Krasnow sowie des russischen Präsidenten Wladimir Putin hervor.
Um welche Firmen es sich im Einzelnen konkret handelt, ließ der Generalstaatsanwalt zwar offen, doch vor wenigen Wochen war der Fall einer Holding aus Tscheljabinsk öffentlich geworden. Es handelt sich um drei Unternehmen für Metalllegierungen, darunter das größte in Russland. Die Metallprodukte werden in der Rüstungsbranche benötigt. Laut dem Generalstaatsanwalt habe das Unternehmen ins Ausland, in die USA, Frankreich und nach Großbritannien exportiert, “die eine aggressive Politik gegen Russland verfolgen und der Ukraine Waffen liefern”.
Nach offiziellen Angaben haben die verstaatlichten Betriebe einen Wert von umgerechnet insgesamt 3,3 Milliarden Euro. Diese Angaben dürften wegen oft künstlicher Abwertung der Unternehmen zu niedrig sein. Das Verstaatlichungsprogramm, das seit Februar 2022 forciert wird, erklären die Behörden mit der Überprüfung der Privatisierungen nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991. Putins Behörden nutzen die teils undurchsichtigen Praktiken jener Jahre als Vorwand, um kriegswichtige Betriebe unter die Kontrolle des Staates zu bringen. Die neuen Verantwortlichen in den Betrieben sind zugleich eine wichtige loyale Stütze für das Regime.
Nach einer Analyse des russischen Exilmediums Novaya Gazeta Europa und Transparency International Russia wird die Verstaatlichung von Unternehmen aus dem Rüstungsbereich und die Enteignung von Betrieben “unpatriotischer” Besitzer weiter zunehmen. Bis Ende 2021 hat die Generalstaatsanwaltschaft in einem bis drei Fällen pro Jahr einen Verstaatlichungsprozess angestoßen. Seit der Vollinvasion 2022 sind es bis heute 40 Fälle mit insgesamt mehr als 180 Unternehmen. Neben Rüstungsbetrieben gehören Hafenbetreiber, Lebensmittelhersteller, Elektronikhersteller und Stahlerzeuger zu den betroffenen Unternehmen. vf
Österreichs Nationaler Sicherheitsrat soll am 9. April zusammenkommen. Es stünden schwerwiegende Vorwürfe der Spionage gegen Egisto Ott, einen ehemaligen Mitarbeiter des inzwischen aufgelösten österreichischen Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), im Raum, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer am Montag.
Ott war am Freitag wegen Spionageverdachts und angeblichen Verbindungen zum Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek festgenommen worden. Gegen Ott wurde am Montag Untersuchungshaft verhängt. Als Haftgründe gab eine Sprecherin des Wiener Landgerichts für Strafsachen “Verdunklungsgefahr und Tatbegehungsgefahr” an.
Der Festnahme vorangegangen waren laut dem österreichischen Sender ORF Informationen, denen zufolge Ott Handyinhalte von Spitzenbeamten an russische Spione übergeben haben soll. Deutschen und österreichischen Medienberichten zufolge soll er auch sensible Informationen an Marsalek weitergegeben haben. Das ehemalige Vorstandsmitglied des 2020 kollabierten Zahlungsabwicklers Wirecard ist untergetaucht.
“Wir müssen verhindern, dass russische Spionagenetzwerke unser Land bedrohen, indem sie politische Parteien oder Netzwerke unterwandern oder instrumentalisieren. Der Nationale Sicherheitsrat ist das Gremium, in dem diese Fragen diskutiert werden können, deshalb werde ich ihn für den 9. April einberufen”, sagte Kanzler Nehammer am Montag. klm
Der Spiegel: Setzten russische Agenten Mikrowellenwaffen gegen US-Diplomaten ein? Einige US-Diplomaten klagen seit Jahren über rasende Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel. Recherchen des Spiegel mit dem russischen Investigativportal The Insider und dem US-Fernsehmagazin 60 Minutes legen nahe, dass der russische Geheimdienst mit Angriffen mit Mikrowellenwaffen auf amerikanische Botschaftsmitarbeiter zu tun haben könnte.
ZDF Auslandsjournal: Wächter des Westens – Brauchen wir die Nato noch? Die Nato ist so relevant wie selten, sagen die ZDF-Korrespondenten Florian Neuhann und Elmar Theveßen. Sie liefern Einblicke von Strategen und Militärs des Verteidigungsbündnisses, das sich durch eine Wiederwahl Donald Trumps gefährdet sieht. 58 Minuten.
The Telegraph: US quietly transfers hundreds of 2,000lb bombs to Israel despite Rafah invasion concerns. Die USA haben vergangene Woche die Lieferung Hunderter 2000-Pound (900 Kilo-)Bomben an Israel freigegeben – obwohl die verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung bekannt sind und obwohl der UN-Sicherheitsrat in einer Resolution eine sofortige Feuerpause gefordert hatte.
Zeit: Bulgarien – Hier läuft Europas Abschreckung. Auf Bulgariens Grenze steigt mit dem Beitritt zum Schengenraum vergangenen Sonntag der Druck: Es könnten wieder mehr Flüchtlinge über die Balkan-Route kommen. Die EU hat viel investiert, um das “Grenzmanagement” zu verbessern und das Asylverfahren zu verschnellern. Menschenrechtler befürchten brutale Push-Backs an der türkisch-bulgarischen Grenze.
Zentrum für Internationale Friedenseinsätze: Die Neuauflage des Peace Enforcement. Die UN will mit Regionalorganisationen Peace Enforcement-Einsätze durchführen. Die Afrikanische Union böte sich als Partner an, sagte UN-Generalsekretär Antonio Guterres. Das ZIF-Briefing wirft einen Blick auf die komplexen und ungeklärten Verantwortungsbereiche und bleibt skeptisch, ob die Pläne dazu beitragen können, Konflikte in Afrika zu lösen.
Der Pflichtdienst taucht immer wieder als Idee im politischen Raum auf – sei es zur Stärkung der Bundeswehr beziehungsweise der Wehrfähigkeit Deutschlands, oder sei es zur Förderung sozialer Dienste und des Bevölkerungsschutzes. Für das Deutsche Rote Kreuz (DRK) mit seinem Grundsatz der Freiwilligkeit als einem von sieben Grundsätzen, steht die freiwillige, uneigennützige Hilfe im Vordergrund. Dennoch können Pflichtdienste als Möglichkeit der Entlastung der sozialen Infrastruktur und des Bevölkerungsschutzes eine zusätzliche Rolle spielen.
Täglich sind Zehntausende Menschen im DRK ehrenamtlich aktiv: in den Bereitschaften, in der Wasserwacht, der Bergwacht, dem Jugendrotkreuz und in der Wohlfahrts- und Sozialarbeit. Viele Angebote und Dienste würden ohne dieses Engagement nicht funktionieren.
Bereits heute bietet das DRK vielen Menschen die Möglichkeit, ein Freiwilliges Soziales Jahr, einen Bundesfreiwilligendienst oder einen Internationalen Freiwilligendienst zu absolvieren. Dadurch können Menschen Lebensbereiche kennenlernen, die ihnen zuvor nicht vertraut waren. Oft erwächst daraus ein langjähriges ehren- oder hauptamtliches Engagement.
Als DRK arbeiten wir aufgrund der Bedeutung des Engagements stetig daran, wie dieses besser organisiert und fortentwickelt werden kann. Dabei gibt es gute Gründe, die für ein Pflichtjahr sprächen. Doch ist ein so verpflichtender Dienst in Bezug auf die soziale Infrastruktur und den Bevölkerungsschutz überhaupt nötig? Das DRK findet, dass erst andere Potenziale, insbesondere bei den Freiwilligendiensten, ausgeschöpft werden sollten, bevor man zu einer so drastischen Maßnahme greift.
So könnten die Freiwilligendienste stärker als Option für Jugendliche beworben werden. Viele wissen noch nicht einmal, dass es dieses Angebot gibt. Zudem muss die Attraktivität weiter gesteigert werden, um mehr Menschen für ein Engagement zu gewinnen – ohne dass ein Pflichtdienst notwendig wäre. Es könnten zum Beispiel kostengünstigere Unterbringungsmöglichkeiten oder eine kostenlose Verpflegung angeboten werden.
Neben der größeren gesellschaftlichen und finanziellen Anerkennung des Freiwilligendienstes wären größere Vorteile für die nächsten beruflichen Schritte angebracht. Freiwilligendienste könnten als Türöffner fungieren und Karrierewege ebnen. Ziel sollte es sein, dass ein Freiwilligendienst als eine wichtige und positive Lebenserfahrung von Universitäten und Arbeitgebern betrachtet und entsprechend bewertet wird.
Die von uns vorgeschlagenen Verbesserungen würden dazu beitragen, mehr Personen für einen Freiwilligendienst zu begeistern. Zudem wären sie mit rund vier Milliarden Euro kostengünstiger als die Einführung eines Pflichtdienstes.
Die mit dem Pflichtdienst verbundenen Ziele – wie Engagementstrukturen und den sozialen Zusammenhalt zu stärken – können mit den hier beschriebenen Vorschlägen ebenfalls erreicht werden. Das DRK empfiehlt, sie entsprechend zu priorisieren und eine Pflichtdienstdebatte zurückzustellen. Zumal die Implementierung eines Pflichtdienstes nicht zuletzt wegen verfassungsrechtlicher Bedenken mindestens komplex und aufwendig wäre.
Trotz unserer Bedenken und Alternativvorschläge ist für uns aber klar: Falls der Pflichtdienst kommt, stehen wir bereit, an einer Einführung im Sinne des gesellschaftlichen Zusammenhalts mitzuwirken. Dazu zählt auch, dass bei jungen Menschen nicht der Eindruck entstehen darf, sie würden zu Tätigkeiten verpflichtet, für die sich ansonsten kaum noch Arbeitskräfte finden.
Wichtig ist es mir deshalb an dieser Stelle noch zu betonen, dass es unabhängig von Maßnahmen der Engagementförderung dringend einer Stabilisierung der hauptamtlichen Strukturen im sozialen Sektor und Bevölkerungsschutz braucht. Pflichtdienste oder Freiwilligendienste sind kein Ersatz dafür. Der Arbeitskräftemangel macht sich bereits deutlich bemerkbar, Schließungen oder Einschränkungen von gesellschaftlich notwendigen Angeboten nehmen zu. Hier müssen dringend wirksame Maßnahmen ergriffen werden, mit denen der Trend des Arbeitskräftemangels zumindest verlangsamt werden kann.
Christian Reuter ist seit April 2015 Generalsekretär und Vorsitzender des Vorstands des Deutschen Roten Kreuzes e.V.
am 9. April wird sich Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof gegen die Klage Nicaraguas verteidigen müssen. Das Land, das in Luftlinie rund 12.000 Kilometer von Israel und Gaza entfernt liegt, wirft Deutschland Beihilfe zum Völkermord in Gaza vor. Wilhelmine Preußen hat mit Völkerrechtlern über eine mögliche Politisierung des Rechts gesprochen.
Diese Woche wird die Nato 75 Jahre alt. Die Außenministerinnen und Außenminister des Verteidigungsbündnisses treffen sich am Mittwoch und Donnerstag in Brüssel, die große Zeremonie soll dann im Juli beim Nato-Gipfel in Washington nachgeholt werden. Verteidigungsminister Boris Pistorius bekommt also genug Aufmerksamkeit, um seine Pläne für die Strukturreform der Bundeswehr, ebenfalls voraussichtlich am Donnerstag, vorzustellen. Welche Probleme die Soldatenvertretung GVPA noch mit den Plänen hat, lesen Sie in den News.
Auch über eine Wehrpflicht wollte sich Pistorius’ Haus bis Anfang April Gedanken machen. Wir beenden heute unsere Serie “Deutschland zu Diensten” mit einem Standpunkt von Christian Reuter, Generalsekretär des Deutschen Roten Kreuzes, der statt einer Wiedereinführung der Wehrpflicht zunächst eine Stärkung der Freiwilligendienste als notwendig ansieht. Alle Beiträge der Serie können Sie hier nochmal nachlesen. Übrigens: In Litauen steht ebenfalls eine Reform der Wehrpflicht an. Jurga Bakaitė analysiert, was das Land vorhat.
Ich wünsche eine erkenntnisreiche Lektüre
Am Dienstag, 9. April, wird Deutschland sich gegen den Vorwurf der Beihilfe zum Völkermord Israels in Gaza vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) verteidigen müssen. Es ist ein ungewöhnlicher Prozess, der auch politisch hochbrisant ist.
Im März hatte das autoritär regierte Nicaragua in Den Haag eine Klage eingereicht. “Jeder Vertragsstaat der Völkermordkonvention hat die Pflicht, alles zu unternehmen, um einen Völkermord zu verhindern”, heißt es in der Antragsschrift. Dieser Verpflichtung werde Deutschland durch die politische, finanzielle und militärische Unterstützung Israels nicht gerecht.
Damit zusammen hängt die Völkermord-Klage Südafrikas gegen Israel – eine Entscheidung im Hauptverfahren wird hier allerdings erst in einigen Jahren erwartet. Völkerrechtsexperten sind sich weitgehend einig, dass beide Klagen höchstwahrscheinlich scheitern. Zu hoch sind die Hürden, eine Völkermordabsicht nachzuweisen. Und dennoch wurde bereits ein Ziel erreicht: Aufmerksamkeit.
Das israelische Außenministerium bezeichnete die Klage Nicaraguas gegen Deutschland als “einen weiteren Missbrauch des Internationalen Gerichtshofs” und sprach von “völliger Verzerrung der Realität”.
Die Klage kommt zu einer Zeit, in der die israelische Regierung mit Blick auf die prekäre humanitäre Lage im Gazastreifen zunehmend Schwierigkeiten hat, ihr hartes militärisches Vorgehen zu rechtfertigen – auch vor engsten Verbündeten. Die internationale gesellschaftliche Stimmung schlägt um. Mehr als die Hälfte der Amerikaner gaben bei einer Gallup-Umfrage im März an, dass sie Israels Militäraktion in Gaza missbilligen, während 36 Prozent sie guthießen. Im November 2023 unterstützten noch 50 Prozent der Amerikaner Israels Vorgehen im Gazastreifen.
Diese Art von Prozessen liefere “Munition für interne Bewegungen oder Kampagnen gegen Israel”, erklärt Yonatan Freeman, Experte für internationale Beziehungen, an der Hebrew University of Jerusalem. Diese Strategie wird in Israel schon länger als “Lawfare” und Teil der hybriden Kriegsführung betrachtet. Es ginge auch darum, westliche Staaten zu destabilisieren, so Freeman.
Dass es jetzt gerade Deutschland trifft, hat auch prozessuale Gründe. Im Gegensatz zu den USA und Israel hat sich Deutschland 2008 der Gerichtsbarkeit des IGH unterworfen. Aber auch politisch steht Berlin im Fokus. Ursprünglich hatte die Vertretung Nicaraguas auch Großbritannien, die Niederlande und Kanada eine diplomatische Note bei den Vereinten Nationen in New York geschickt, die sich ebenfalls der Gerichtsbarkeit des IGH unterworfen haben.
Allen drei Staaten warf Nicaragua ebenfalls vor, sie würden durch ihre Unterstützung Israels gegen die Völkermordkonvention, das humanitäre Völkerrecht, das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser und das Apartheidverbot verstoßen. Angeklagt wurde bislang nur Deutschland.
Deutschland ist nach den USA der zweitwichtigste Waffenlieferant Israels. Nach dem 7. Oktober sind viele Anträge für Exportgenehmigungen beschleunigt durchgewunken worden, sodass im Jahr 2023 Rüstungsexporte im Wert von 326,5 Millionen Euro an Israel genehmigt wurden – zehnmal so viel wie 2022. Kanada hat mittlerweile mit Blick auf die humanitäre Lage entschieden, künftig keine Waffen an Israel zu liefern.
Alexander Schwarz, Experte für Völkerstrafrecht beim European Concil for Constitutional and Human Rights (ECCHR) betont, das Verfahren Nicaragua gegen Deutschland würde “wichtige rechtliche Fragen” aufwerfen. Ob politisch motiviert oder nicht, am Ende zähle, dass der IGH die aufgeworfenen Fragen “allein nach rechtlichen Maßstäben beurteilt”.
Dem Grundsatz folgt man auch in der Bundesregierung. Mit betonter Ernsthaftigkeit wird die Klage im Auswärtigen Amt bearbeitet. Die Anschuldigungen selbst weist man jedoch entschieden zurück. Wolfgang Büchner, stellvertretender Regierungssprecher, erklärte, dass die Bundesregierung die Vorwürfe “für nicht gerechtfertigt” halte und die Begründung im Verfahren weiter ausgeführt würden.
Weder Deutschland noch Nicaragua sind direkt im Konflikt involviert, es handelt sich nicht um eine klassische Territorialstreitigkeit, mit denen der IGH überwiegend befasst ist. Möglich sind Südafrikas und Nicaraguas Klagen durch eine Änderung der Rechtslage vor zwei Jahren. Der IGH hatte in einem Verfahren gegen Myanmar 2022 geurteilt, dass jeder Staat weltweit das Recht habe, einen mutmaßlichen Völkermord vor Gericht zu bringen. Der Völkerrechtsexperte Stefan Talmon hatte damals vor dieser Änderung gewarnt. Sie würde zu Klagen einladen, die aus politischen Gründen entstehen, so Talmon.
Und er geht noch weiter: Es bestehe die Gefahr, dass Staaten von anderen Akteuren “vorgeschickt” werden, die aus politischen Gründen nicht selbst als Ankläger erscheinen wollen, aber die Klage finanzieren können. Der Gerichtshof könne so missbraucht und die Autorität des Gerichtshofs auf lange Sicht untergraben werden. Er erwartet, dass die Klagen im Gaza-Krieg erst den Anfang darstellen und sich derartige Verfahren schon bald in anderen Bereichen und Konflikten wiederfinden würden.
Sollte Nicaragua einen Teilerfolg erzielen, indem die Klage als zulässig erklärt wird, könnte das diesen Trend begünstigen. Das dürfte auch mit Blick auf die begrenzten Ressourcen des Gerichtshofs eine Herausforderung darstellen.
Nachhaltige, klimafreundliche Verteidigung klingt auf den ersten Blick wie ein Widerspruch in sich. Doch selbst Nato und EU haben sich zuletzt das Ziel einer “grünen Armee” beziehungsweise die Entwicklung von möglichst klimaneutralen Rüstungsgütern auf die Fahne geschrieben.
Industrie und Regierungen als Kunden hätten zu lange zur gesellschaftspolitischen Bedeutung der Branche geschwiegen, sagt Debbie Allen, beim britischen Rüstungskonzern BAE Systems als Direktorin unter anderem für den Bereich Nachhaltigkeit zuständig. Das ändere sich für die breite Öffentlichkeit erst seit dem russischen Überfall auf die Ukraine.
Dabei bemüht sich die Branche schon länger um ein besseres Image. Die Wahrnehmung sei lange Zeit weitestgehend negativ gewesen, sagt Allen, die beim in Brüssel ansässigen Branchenverband Aerospace, Security and Defence Industry Association (ASD) eine Taskforce zum Thema Klima und Verteidigung leitet: “Das versuchen wir nun zu ändern, ohne dabei Greenwashing zu betreiben.”
Das sei zwar eine schwierige Gratwanderung, aber in Zukunft auch wichtig, um für Investoren und potenzielle Mitarbeiter attraktiv zu bleiben – oder es wieder zu werden. Der Klimawandel habe Einfluss auf Verteidigung, und Verteidigung gleichzeitig auf das Klima. Die Rüstungsindustrie wolle ihren Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten, auch aus eigenem Interesse.
Die Regierungen hätten sich auf Klimaneutralität bis 2050 festgelegt, das sei auch für Verteidigungsministerien und Industrie verpflichtend, so Allen. Die westliche Welt verabschiede sich von den fossilen Brennstoffen, darauf müsse sich auch die Rüstungsindustrie einstellen. Wenn durch den EU-Emissionshandel (ETS) und das CO₂-Grenzausgleichssystem (CBAM) die Energiekosten steigen, ist das ein weiterer Grund für die Branche, umzudenken. Wobei Rüstungsgüter, die heute entworfen werden, womöglich 2050 oder 2060 noch im Einsatz sind, wenn Diesel oder Kerosin knapp oder teuer sein dürften. Auch dies müsse berücksichtigt werden.
Bei Rüstungsgütern werden die CO₂-Emissionen in drei Kategorien unterteilt. Erstens kann die Industrie ihre eigenen produktionsbedingten CO₂-Emissionen beeinflussen, zum Beispiel bei der Herstellung von Verteidigungsplattformen. Ein weiterer Bereich umfasst die Lieferketten beziehungsweise Zulieferer inklusive der Rohstoffgewinnung. Zwei Drittel der CO₂-Emissionen fallen jedoch in der dritten Kategorie an, nämlich beim Einsatz der Rüstungsgüter. Bei Kampfflugzeugen laufen laut Allen beispielsweise Versuche mit klimaneutralen Treibstoffen, wobei die kommerzielle Luftfahrt selbstverständlich Priorität bei der Versorgung mit diesen Treibstoffen habe.
Viel an Einsparungen könne auch erreicht werden, wenn Piloten noch mehr in Simulatoren statt in Kampfflugzeugen trainieren könnten. BAE Systems und andere Hersteller seien zudem dabei, Prototypen von Militärfahrzeugen mit Hybridantrieb oder elektrifizierten Antrieben zu testen. Das kann gleich mehrere Vorteile haben. Das Risiko bei der Energieversorgung könne reduziert werden. Die Verletzlichkeit des Nachschubs mit fossilen Brennstoffen und von Treibstofflagern zeige sich gerade in der Ukraine.
Elektrifizierte Fahrzeuge, die zumindest temporär im Elektromodus betrieben werden können, strahlten weniger Hitze ab und seien damit weniger sichtbar und praktisch geräuschlos. In der Ukraine hätten sich ferner auch kleine solarbetriebene Mikroenergienetze bewährt.
Nach Darstellung des Branchenverbands ASD, der sich auf internationale Studien beruft, trägt der globale Verteidigungssektor rund ein Prozent zu den weltweiten Treibhausgasemissionen anthropogenen Ursprungs bei. Die Rüstungsindustrie erhebe nicht den Anspruch, das Klima zu retten; die Einsatzfähigkeit bleibe Priorität, so Allen. Doch ohne Sicherheit gebe es auch keine Nachhaltigkeit.
Die EU kofinanziert unter anderem über ihren European Defence Fund Forschung und Entwicklung von klimaneutralen Rüstungsgütern. Die Nato hat bereits 2021 auf ihrem Gipfel in Brüssel einen Climate Change and Security Action Plan verabschiedet, mit dem Ziel einer Reduktion der Klimaschadstoffe um 45 Prozent bis 2030. Die Transition weg von fossilen Brennstoffen soll jedoch die Interoperabilität und die Einsatzfähigkeit der Verbündeten nicht infrage stellen. Die Streitkräfte der Nato-Staaten müssten “gleichzeitig grün und stark” sein, sagte Stoltenberg 2023.
Schon bald nach ihrer Wiedereinführung 2015 wurde die Wehrpflicht in Litauen mit einem zweifelhaften Spitznamen versehen: Als “Lotterie” bezeichnen Kritiker das Auswahlverfahren. Es zwingt Tausende Männer im Alter zwischen 18 und 23 Jahren dazu, an einem im Voraus angekündigten Tag im Jahr die Website des Verteidigungsministeriums zu besuchen, um zu sehen, ob ihr Name auf einer computergenerierten Liste steht.
Studenten sind von der Teilnahme ausgeschlossen, können aber bis zu einem Jahr nach ihrem Abschluss eingezogen werden, diese Regelung gilt bis zum Alter von 26 Jahren. 2024 stehen etwa 27.000 Personen auf der Liste, aber am Ende werden weniger als 4.000 zur neunmonatigen Grundausbildung einberufen.
In den Vorjahren wurden die meisten Plätze von Freiwilligen bis 38 Jahre besetzt – für sie setzt der Staat gewisse finanzielle Anreize. Tausende andere wiederum werden jedes Jahr mit Geldstrafen belegt, wenn sie versuchen, sich dem Dienst zu entziehen, und diejenigen, die die Wehrpflicht kritisierten, bekamen bald den Spitznamen “Schreihälse”. Immerhin ein Fünftel derjenigen, die den Lehrgang absolviert haben, bewerben sich als Berufssoldaten beim Militär.
Da das System für ein gewisses Chaos gesorgt hat, mangelt es nicht an Witzen darüber – und internen Wettbewerben unter Schulabgängern, wer wohl weiter oben auf der Liste stehe. “Man weiß nicht, ob man sein Studium planen kann, oder ob man vielleicht besser direkt nach der Schule zu arbeiten beginnt”, sagt Paulius Vaitiekus, der Vorsitzende des litauischen Studentenverbandes.
Die russische Invasion in der Ukraine im Jahr 2014 war der Auslöser für die Wiedereinführung der Wehrpflicht. In Litauen galt diese bereits nach der Unabhängigkeit 1991, und die Wehrpflichtigen bildeten den Großteil der Armeeeinheiten. Nach dem Nato-Beitritt im März 1994 verlagerte sich der Schwerpunkt jedoch auf Berufssoldaten. Die weit verbreitete und sogar führende Expertenmeinung war, dass der Schutz durch die Nato für Litauen ausreichend sei.
Artūras Paulauskas, der ehemalige Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des litauischen Parlaments, erinnert sich an den plötzlichen Wandel nach 2014. Er gibt zu, dass das lotterieähnliche System geschaffen wurde, weil es billiger war als die allgemeine Wehrpflicht. Wenn Deutschland die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Erwägung ziehe, müsse es bedenken, dass die Reformen viel Zeit in Anspruch nähmen, warnt Paulauskas.
Das Verständnis für die Rolle des Militärs habe sich in Litauen seit dem russischen Angriff auf die Ukraine 2014 geändert. Früher war es auf einem miserablen Niveau, ähnlich wie heute in Deutschland. “Seit 2014 haben wir den Verteidigungshaushalt und die Zahl der eingezogenen Soldaten erhöht. Allmählich steigt sowohl die Qualität als auch die Quantität”, sagt Paulauskas.
Aufgrund der beschriebenen Mängel wird das System höchstwahrscheinlich bald wieder geändert, bis zu 5.000 junge Männer könnten dann jedes Jahr eingezogen werden. Ein reformierter Gesetzesentwurf liegt dem Parlament bereits vor; auch darüber, ob Frauen eingezogen werden sollen, wird beraten.
Der neue Vorschlag sieht die Einberufung von Männern im Alter von 18 bis 21 Jahren nach Beendigung der Schulzeit vor, wobei ein Aufschub des Dienstes für Hochschulstudenten nicht möglich ist. Es gibt auch einen breit diskutierten Vorschlag, einen kürzeren, sechsmonatigen Kurs zuzulassen. Außerdem wurde angeregt, dass eingezogene Studenten ihren Dienst an Wochenenden oder in den Sommerferien ableisten könnten.
Vaitiekus sagt, die Studenten würden ein berechenbareres System wie in Israel oder den skandinavischen Ländern bevorzugen. Er betont auch die Bedeutung der staatsbürgerlichen Erziehung und des Zivilschutzes und verweist auf die steigende Beliebtheit des litauischen Schützenbundes, einer gemeinnützigen paramilitärischen Organisation, die ebenfalls Teil der Verteidigungspläne des Landes ist – wenn auch nicht Teil der Streitkräfte. “Es ist definitiv nicht so, dass Studenten gegen das Militär sind. Wir brauchen nur ein System, das nachhaltig und attraktiv ist”, sagt Vaitiekus.
Vor der Entscheidung von Verteidigungsminister Boris Pistorius über eine Umstrukturierung der Bundeswehr haben sich Interessenvertreter der Soldaten und Soldatinnen gegen wesentliche Details der geplanten Änderungen ausgesprochen. Vor allem das Vorhaben, die so genannte ABC-Abwehr mit Spezialisten für den Schutz vor atomaren, biologischen und chemischen Kampfstoffen sowie die Militärpolizei dem Heer zu unterstellen, sei “in Gesamtbetrachtung der Vorschläge nicht bruchfrei erklärbar”, heißt es in einer Stellungnahme des Gesamtvertrauenspersonenausschusses (GVPA) im Ministerium.
Die vorgesehene Umstrukturierung, über die der Minister in dieser Woche entscheiden will, sieht im Wesentlichen vier künftige Teilstreitkräfte vor: Neben Heer, Luftwaffe und Marine den Cyber- und Informationsraum als neue, vierte Teilstreitkraft. Die bisherigen eigenständigen Organisationsbereiche Streitkräftebasis und Sanitätsdienst sollen überwiegend in einem Unterstützungsbereich für die Teilstreitkräfte aufgehen. Als Ausnahme davon ist geplant, vor allem das ABC-Abwehrkommando und die Feldjäger direkt an das Heer anzugliedern.
Diese beiden Fähigkeitskommandos würden jedoch von allen Teilstreitkräften gebraucht, heißt es in dem Schreiben des GVPA vom 19. März, das Table.Briefings vorliegt und über das zuerst der Business Insider berichtet hatte: “Wenn das Heer künftig die Unterstützung der anderen Teilstreitkräfte mit den Fähigkeiten ABC-Abwehr und Feldjäger mit Übernahme aller Aufgaben und unter den genannten Auflagen übernehmen muss, ist der Unterstellungswechsel mit Blick auf das Kriterium ‘Kriegstüchtigkeit’ oder ‘Kaltstartfähigkeit’ auch nicht zu erklären.”
Damit könnten auch Engpässe für die der Nato zugesagte “Division 2025” oder die vorgesehene dauerhafte Stationierung einer Kampfbrigade in Litauen auftreten, warnte der Ausschuss. Zudem stünden damit “die Qualität und die besondere Fachlichkeit des ABC-Abwehrkommandos der Bundeswehr und Kommando Feldjäger der Bundeswehr … langfristig in Frage”.
Der GVPA ist als Soldaten-Interessenvertretung allerdings ein Beteiligungs- und kein Mitbestimmungsgremium, wenn es um Strukturentscheidungen des Ministeriums geht. Pistorius ist damit nicht an eine Zustimmung des Ausschusses gebunden und kann auch gegen dessen Position entscheiden. Damit bleibt offen, ob die Bedenken aus der Truppe bei der für diese Woche erwartete Entscheidung eine Rolle spielen werden.
Über die Strukturplanung hinaus hat die Zuordnung von bestimmten Truppengattungen auch Auswirkungen auf die Stellung der Inspekteure. Der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, hatte sich außer für die Unterstellung von ABC-Abwehr und Militärpolizei auch für die Zuordnung weiterer Bereiche wie Teilen der Logistik zu seiner Teilstreitkraft eingesetzt. Nach den bisher vorliegenden Planungen ist das allerdings nicht vorgesehen, nicht zuletzt aufgrund des Widerstands der Chefs der anderen Teilstreitkräfte. tw
Russland hat seit Beginn des Jahres 2023 insgesamt 15 militärisch wichtige Unternehmen verstaatlicht. Weitere Unternehmen dürften folgen. Das geht aus Aussagen des russischen Generalstaatsanwalts Igor Krasnow sowie des russischen Präsidenten Wladimir Putin hervor.
Um welche Firmen es sich im Einzelnen konkret handelt, ließ der Generalstaatsanwalt zwar offen, doch vor wenigen Wochen war der Fall einer Holding aus Tscheljabinsk öffentlich geworden. Es handelt sich um drei Unternehmen für Metalllegierungen, darunter das größte in Russland. Die Metallprodukte werden in der Rüstungsbranche benötigt. Laut dem Generalstaatsanwalt habe das Unternehmen ins Ausland, in die USA, Frankreich und nach Großbritannien exportiert, “die eine aggressive Politik gegen Russland verfolgen und der Ukraine Waffen liefern”.
Nach offiziellen Angaben haben die verstaatlichten Betriebe einen Wert von umgerechnet insgesamt 3,3 Milliarden Euro. Diese Angaben dürften wegen oft künstlicher Abwertung der Unternehmen zu niedrig sein. Das Verstaatlichungsprogramm, das seit Februar 2022 forciert wird, erklären die Behörden mit der Überprüfung der Privatisierungen nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991. Putins Behörden nutzen die teils undurchsichtigen Praktiken jener Jahre als Vorwand, um kriegswichtige Betriebe unter die Kontrolle des Staates zu bringen. Die neuen Verantwortlichen in den Betrieben sind zugleich eine wichtige loyale Stütze für das Regime.
Nach einer Analyse des russischen Exilmediums Novaya Gazeta Europa und Transparency International Russia wird die Verstaatlichung von Unternehmen aus dem Rüstungsbereich und die Enteignung von Betrieben “unpatriotischer” Besitzer weiter zunehmen. Bis Ende 2021 hat die Generalstaatsanwaltschaft in einem bis drei Fällen pro Jahr einen Verstaatlichungsprozess angestoßen. Seit der Vollinvasion 2022 sind es bis heute 40 Fälle mit insgesamt mehr als 180 Unternehmen. Neben Rüstungsbetrieben gehören Hafenbetreiber, Lebensmittelhersteller, Elektronikhersteller und Stahlerzeuger zu den betroffenen Unternehmen. vf
Österreichs Nationaler Sicherheitsrat soll am 9. April zusammenkommen. Es stünden schwerwiegende Vorwürfe der Spionage gegen Egisto Ott, einen ehemaligen Mitarbeiter des inzwischen aufgelösten österreichischen Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), im Raum, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer am Montag.
Ott war am Freitag wegen Spionageverdachts und angeblichen Verbindungen zum Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek festgenommen worden. Gegen Ott wurde am Montag Untersuchungshaft verhängt. Als Haftgründe gab eine Sprecherin des Wiener Landgerichts für Strafsachen “Verdunklungsgefahr und Tatbegehungsgefahr” an.
Der Festnahme vorangegangen waren laut dem österreichischen Sender ORF Informationen, denen zufolge Ott Handyinhalte von Spitzenbeamten an russische Spione übergeben haben soll. Deutschen und österreichischen Medienberichten zufolge soll er auch sensible Informationen an Marsalek weitergegeben haben. Das ehemalige Vorstandsmitglied des 2020 kollabierten Zahlungsabwicklers Wirecard ist untergetaucht.
“Wir müssen verhindern, dass russische Spionagenetzwerke unser Land bedrohen, indem sie politische Parteien oder Netzwerke unterwandern oder instrumentalisieren. Der Nationale Sicherheitsrat ist das Gremium, in dem diese Fragen diskutiert werden können, deshalb werde ich ihn für den 9. April einberufen”, sagte Kanzler Nehammer am Montag. klm
Der Spiegel: Setzten russische Agenten Mikrowellenwaffen gegen US-Diplomaten ein? Einige US-Diplomaten klagen seit Jahren über rasende Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel. Recherchen des Spiegel mit dem russischen Investigativportal The Insider und dem US-Fernsehmagazin 60 Minutes legen nahe, dass der russische Geheimdienst mit Angriffen mit Mikrowellenwaffen auf amerikanische Botschaftsmitarbeiter zu tun haben könnte.
ZDF Auslandsjournal: Wächter des Westens – Brauchen wir die Nato noch? Die Nato ist so relevant wie selten, sagen die ZDF-Korrespondenten Florian Neuhann und Elmar Theveßen. Sie liefern Einblicke von Strategen und Militärs des Verteidigungsbündnisses, das sich durch eine Wiederwahl Donald Trumps gefährdet sieht. 58 Minuten.
The Telegraph: US quietly transfers hundreds of 2,000lb bombs to Israel despite Rafah invasion concerns. Die USA haben vergangene Woche die Lieferung Hunderter 2000-Pound (900 Kilo-)Bomben an Israel freigegeben – obwohl die verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung bekannt sind und obwohl der UN-Sicherheitsrat in einer Resolution eine sofortige Feuerpause gefordert hatte.
Zeit: Bulgarien – Hier läuft Europas Abschreckung. Auf Bulgariens Grenze steigt mit dem Beitritt zum Schengenraum vergangenen Sonntag der Druck: Es könnten wieder mehr Flüchtlinge über die Balkan-Route kommen. Die EU hat viel investiert, um das “Grenzmanagement” zu verbessern und das Asylverfahren zu verschnellern. Menschenrechtler befürchten brutale Push-Backs an der türkisch-bulgarischen Grenze.
Zentrum für Internationale Friedenseinsätze: Die Neuauflage des Peace Enforcement. Die UN will mit Regionalorganisationen Peace Enforcement-Einsätze durchführen. Die Afrikanische Union böte sich als Partner an, sagte UN-Generalsekretär Antonio Guterres. Das ZIF-Briefing wirft einen Blick auf die komplexen und ungeklärten Verantwortungsbereiche und bleibt skeptisch, ob die Pläne dazu beitragen können, Konflikte in Afrika zu lösen.
Der Pflichtdienst taucht immer wieder als Idee im politischen Raum auf – sei es zur Stärkung der Bundeswehr beziehungsweise der Wehrfähigkeit Deutschlands, oder sei es zur Förderung sozialer Dienste und des Bevölkerungsschutzes. Für das Deutsche Rote Kreuz (DRK) mit seinem Grundsatz der Freiwilligkeit als einem von sieben Grundsätzen, steht die freiwillige, uneigennützige Hilfe im Vordergrund. Dennoch können Pflichtdienste als Möglichkeit der Entlastung der sozialen Infrastruktur und des Bevölkerungsschutzes eine zusätzliche Rolle spielen.
Täglich sind Zehntausende Menschen im DRK ehrenamtlich aktiv: in den Bereitschaften, in der Wasserwacht, der Bergwacht, dem Jugendrotkreuz und in der Wohlfahrts- und Sozialarbeit. Viele Angebote und Dienste würden ohne dieses Engagement nicht funktionieren.
Bereits heute bietet das DRK vielen Menschen die Möglichkeit, ein Freiwilliges Soziales Jahr, einen Bundesfreiwilligendienst oder einen Internationalen Freiwilligendienst zu absolvieren. Dadurch können Menschen Lebensbereiche kennenlernen, die ihnen zuvor nicht vertraut waren. Oft erwächst daraus ein langjähriges ehren- oder hauptamtliches Engagement.
Als DRK arbeiten wir aufgrund der Bedeutung des Engagements stetig daran, wie dieses besser organisiert und fortentwickelt werden kann. Dabei gibt es gute Gründe, die für ein Pflichtjahr sprächen. Doch ist ein so verpflichtender Dienst in Bezug auf die soziale Infrastruktur und den Bevölkerungsschutz überhaupt nötig? Das DRK findet, dass erst andere Potenziale, insbesondere bei den Freiwilligendiensten, ausgeschöpft werden sollten, bevor man zu einer so drastischen Maßnahme greift.
So könnten die Freiwilligendienste stärker als Option für Jugendliche beworben werden. Viele wissen noch nicht einmal, dass es dieses Angebot gibt. Zudem muss die Attraktivität weiter gesteigert werden, um mehr Menschen für ein Engagement zu gewinnen – ohne dass ein Pflichtdienst notwendig wäre. Es könnten zum Beispiel kostengünstigere Unterbringungsmöglichkeiten oder eine kostenlose Verpflegung angeboten werden.
Neben der größeren gesellschaftlichen und finanziellen Anerkennung des Freiwilligendienstes wären größere Vorteile für die nächsten beruflichen Schritte angebracht. Freiwilligendienste könnten als Türöffner fungieren und Karrierewege ebnen. Ziel sollte es sein, dass ein Freiwilligendienst als eine wichtige und positive Lebenserfahrung von Universitäten und Arbeitgebern betrachtet und entsprechend bewertet wird.
Die von uns vorgeschlagenen Verbesserungen würden dazu beitragen, mehr Personen für einen Freiwilligendienst zu begeistern. Zudem wären sie mit rund vier Milliarden Euro kostengünstiger als die Einführung eines Pflichtdienstes.
Die mit dem Pflichtdienst verbundenen Ziele – wie Engagementstrukturen und den sozialen Zusammenhalt zu stärken – können mit den hier beschriebenen Vorschlägen ebenfalls erreicht werden. Das DRK empfiehlt, sie entsprechend zu priorisieren und eine Pflichtdienstdebatte zurückzustellen. Zumal die Implementierung eines Pflichtdienstes nicht zuletzt wegen verfassungsrechtlicher Bedenken mindestens komplex und aufwendig wäre.
Trotz unserer Bedenken und Alternativvorschläge ist für uns aber klar: Falls der Pflichtdienst kommt, stehen wir bereit, an einer Einführung im Sinne des gesellschaftlichen Zusammenhalts mitzuwirken. Dazu zählt auch, dass bei jungen Menschen nicht der Eindruck entstehen darf, sie würden zu Tätigkeiten verpflichtet, für die sich ansonsten kaum noch Arbeitskräfte finden.
Wichtig ist es mir deshalb an dieser Stelle noch zu betonen, dass es unabhängig von Maßnahmen der Engagementförderung dringend einer Stabilisierung der hauptamtlichen Strukturen im sozialen Sektor und Bevölkerungsschutz braucht. Pflichtdienste oder Freiwilligendienste sind kein Ersatz dafür. Der Arbeitskräftemangel macht sich bereits deutlich bemerkbar, Schließungen oder Einschränkungen von gesellschaftlich notwendigen Angeboten nehmen zu. Hier müssen dringend wirksame Maßnahmen ergriffen werden, mit denen der Trend des Arbeitskräftemangels zumindest verlangsamt werden kann.
Christian Reuter ist seit April 2015 Generalsekretär und Vorsitzender des Vorstands des Deutschen Roten Kreuzes e.V.