Table.Briefing: Security

New Force Model der Nato + Frankreich neues Militärbudgetgesetz + Streumunition

Liebe Leserin, lieber Leser,

früh um neun Uhr hebt der Bundeskanzler ab Richtung Baltikum – ehe Olaf Scholz den zweiten Nato-Gipfel in Kriegszeiten am Mittwochnachmittag gegen 16 Uhr deutscher Zeit wieder verlässt. Zu Verteidigung und Abschreckung allzeit bereit, das ist die wichtigste Botschaft, die das 31-Staatenbündnis dem Regime in Moskau von seiner Ostflanke senden will. Und demnächst sind es schon 32 Mitglieder: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan gab seine Blockade am Montagabend auf, auch Ungarn will sich nicht länger sperren. Nato-Chef Jens Stoltenberg kann den Gipfel also mit einer Erfolgsmeldung eröffnen.

Wie gründlich die in Vilnius versammelten Außen- und Verteidigungsminister und Regierungschefs ihre bereits 2022 in Madrid verabschiedeten Pläne tatsächlich mit Truppen und Geld hinterlegt haben, steht auf einem anderem Blatt – und wird schon seit Wochen zwischen Washington, Warschau, Berlin, Brüssel und Paris in am Ende allen Partnern passende Kommuniqués verpackt. Nana Brink hat sich angeschaut, was von dem in Madrid vollmundig verabschiedeten New Force Model von den Nato-Partnern eigentlich schon aufgesetzt wurde.  

Viel Geld in die Hand jedenfalls nimmt die Nato-Atommacht Frankreich, um den Munitionsmangel in den Griff zu kriegen: Allein 16 der 413 Milliarden Euro, die die Loi de Programmation Militaire des Kabinetts von Emmanuel Macron bis 2030 vorsieht, sollen in die Aufstockung und Produktion Zehntausender Geschosse aller Kaliber fließen. Weshalb ausgerechnet der Liebling von Europas Liberalen für eine Kriegswirtschaft mit Zwangsmaßnahmen wie Verstaatlichung und dem Konfiszieren privater Rohstoffbestände wirbt, hat Gabriel Bub für Sie analysiert.

Bis zum Abschluss des Gipfels morgen Nachmittag vor Ort ist der Table.Media-Nato-Korrespondent Stephan Israel. Wie groß die militärische Unterstützung für den in Vilnius freudig erwarteten ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Ende ausfällt und ob der erstmals tagende Nato-Ukraine-Rat mehr als ein Papiertiger sein kann – darüber berichtet er am Mittwoch in einem Security.Table-Spezial für Sie.

Eine gute Lektüre wünscht

Ihr
Markus Bickel
Bild von Markus  Bickel

Analyse

Umstrukturierung der Nato-Streitkräfte: New Force Model existiert bislang nur auf dem Papier

Das neue Nato-Model.

Das New Force Model (NFM) der Nato sieht vor, dem Bündnis langfristig bis zu 800.000 Soldatinnen und Soldaten zur Verfügung zu stellen. Es basiert auf dem 2022 in Madrid verabschiedeten “Strategischen Konzept”, das die Bedrohung für die Mitgliedstaaten neu definiert.

In dem Grundlagendokument wird Russland als die “größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im Euro-atlantischen Raum” angesehen. Das NFM soll demnach die Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit der Nato stärken.

Deutschland will 30.000 Soldaten bereitstellen

Auf dem Gipfel in Vilnius müssen die einzelnen Nato-Mitglieder den Plan konkretisieren und erklären, welchen Beitrag sie leisten wollen. Bislang hat sich öffentlich nur Deutschland bereit gefunden, rund 30.000 Soldatinnen und Soldaten und 65 Flugzeuge und 20 Schiffe ab 2025 zur Verfügung zu stellen. Anfang der Woche teilte Kanada mit, dass es seine Truppenpräsenz in Litauen um 1200 Soldaten verstärken will.

Bastian Giegerich, Direktor der Abteilung für Sicherheits- und Militäranalysen beim International Institute for Strategic Studies (IISS) in London, hält die Verhandlungen in Vilnius für entscheidend: “Fast alle Nationen außer Deutschland haben sich mit Beiträgen zum NFM zurückgehalten. Es ist unklar im Moment, wer da was macht. Aber die Nationen müssen jetzt Farbe bekennen.”

Das neue Modell soll in drei Stufen, sogenannten “Tiers”, organisiert werden (siehe Grafik). Sie zeigen an, wie viele Truppen in welchem Zeitraum dem militärischen Oberbefehlshaber der Nato (SACEUR) zur Verfügung stehen sollen. Das NFM wird die bis 2024 geltenden Nato-Formate wie Nato Response Force (NRF) und schnelle Eingreiftruppe Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) ablösen. Vor allem in der ersten Phase – also in Tier 1 – könnten dem SACEUR in der neu zu gründenden Allied Reaction Force (ARF) rund 40.000 Soldaten unterstellt werden.

New Force Model soll Einsatzbereitschaft beschleunigen

Neu an diesem Streitkräftemodell ist, dass die ARF dem SACEUR ständig unterstellt sein sollen, um schnell auf Krisen reagieren zu können. Bislang haben Frankreich – aber auch Deutschland – das abgelehnt. Zum strategischen Konzept der Nato gehören auch die neuen “Regionalpläne”: Sie weisen den Nationen bestimmte geografische Verantwortlichkeiten zu und sollen in Vilnius diskutiert werden. Deutschland wäre diesem Modell zufolge für die Nato-Ostflanke mit zuständig. Weitere Details wurden noch nicht öffentlich gemacht. Die insgesamt über 4000 Seiten umfassenden Pläne sollen aber am Dienstag von den Nationen gebilligt werden.

“Das heißt also nicht, dass die Nato nun tatsächlich über 800.000 Soldatinnen und Soldaten ver­fügt, sondern diese nur neu ,sortiert’. Zudem behalten einige Staaten Teile ihrer Truppen unter natio­naler Füh­rung. Bei vielen bestehen Zweifel mit Blick auf die tat­säch­liche Einsatzbereitschaft – sodass die Zahl mit Vorsicht zu genießen ist”, sagt Claudia Major, die die Forschungsgruppe Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik leitet. 

Deshalb sei es so wichtig, dass sich die Nationen auf dem Gipfel in Vilnius zu ihrem Beitrag verpflichten. “Damit verbindet das NFM mehrere Ziele: eine quantitative Aufstockung der Nato-Streit­kräfte, eine Neustrukturierung und eine Verbesserung von Einsatzbereitschaft und Ausrüstung. Das NFM wird damit zum Maßstab für die gesamten Nato-Streit­kräfte.”

Beitrag der Europäer in der Nato zu klein?

Eine im Juni veröffentlichte Studie des IISS hebt hervor, dass sich vor allem die Europäer mehr in der Nato engagieren müssten: “Während die Landstreitkräfte der Vereinigten Staaten weiterhin eine wichtige Rolle bei der Verteidigung des Euro-atlantischen Raums spielen werden, sollten die europäischen Nato-Verbündeten nicht länger erwarten, dass die USA den Großteil der Last tragen. Die USA erwarten, dass Europa mindestens die Hälfte der modernen Streitkräfte stellt, die zur Verteidigung des Euro-atlantischen Raums erforderlich sind.”

Bastian Giegerich, Mitautor der IISS-Studie, bezweifelt, dass das NFM zwischen den Nato-Mitgliedern bereits abgestimmt ist. “Angeblich greifen die Planungen der Nato und die der einzelnen Nationen eng ineinander. So wird das kommuniziert. Ich halte das für fragwürdig. Auf die Nationen wird erheblich mehr zukommen, als sie geplant haben.”

Der Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, der niederländische Admiral Rob Bauer, dämpfte im Vorfeld des Gipfels vergangene Woche die Erwartungen, dass das NFM in Vilnius mit konkreten Zahlen unterlegt wird: “Bis dahin wird es noch viele Jahre dauern, und es ist die Aufgabe aller Nationen.”

Rolle der deutschen Brigade in Litauen noch unklar

Wie sich eine deutschen Brigade in Litauen innerhalb des NFM einfügen wird, ist noch unklar. Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte Ende Juni die dauerhafte Verlegung von 4.000 Soldatinnen und Soldaten ins baltische Land angekündigt. Das Vorhaben war nicht mit der Nato-Führung abgestimmt.

Der Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, Admiral Rob Bauer, kommentierte die Entscheidung so: “Als Nächstes wird der SACEUR dann prüfen müssen, was das für seine Haltung bedeutet.” Giegerich vom Think Tank IISS sieht das deutsche Vorgehen ebenfalls kritisch: “Aus Sicht der Nato wäre der Vorschlag besser in Vilnius gekommen, sodass man es multinational hätte einbetten können. Deutschland hat damit andere Nationen unter Zugzwang gesetzt. Das kommt politisch nicht überall gut an, ist aber militärisch für die Nato nichts, was die Planungen umwirft.”

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Mit Geld und Zwang: Wie Frankreich seine Munitionsprobleme lösen will

Russlands Krieg in der Ukraine hat einigen europäischen Ländern ihre Schwächen bei der Munitionsbeschaffung deutlich vor Augen geführt: In manchen Wochen verfeuerten die Kriegsparteien 200.000 Granaten. Deutschland aber verfügt von 230.000 angestrebten 155-Millimeter-Sprenggeschossen nur über 20.000 Schuss. Frankreich will nun im Rahmen der “Loi de Programmation Militaire” für die Bewältigung seiner Munitionsprobleme bis 2030 16 Milliarden Euro ausgeben.

Aus einem Bericht französischer Parlamentarier zum Zustand der Munitionsbestände vom Februar geht hervor, dass die Produktion von 155-Millimeter-Artilleriegranaten 10 bis 20 Monate dauere, bei Lenkgranaten werden sogar 24 bis 36 Monate veranschlagt. Weiter heißt es in dem Bericht, dass seit 1999 keine kleinkalibrige Munition in Frankreich und seit 2011 keine Fliegerbomben mehr gefertigt werden. Außerdem sind Rohstoffe wie Aluminium, Nickel, Titan und Palladium knapp.

Rohstoffe können im Kriegsfall beschlagnahmt werden

Um die Rohstoffbestände aufzustocken, sollen mit dem neuen Gesetz Unternehmen gezwungen werden können, Vorräte von Materialien wie Titan und anderer Komponenten anzulegen, die von militärischer Bedeutung sind. Zudem wird möglich sein, Rohstoffe zu beschlagnahmen oder Rohstofflieferanten eine primäre Versorgung von Unternehmen aus der Rüstungsindustrie zu verordnen.

Bestimmte Munitionstypen sollen bei der Produktion priorisiert werden, ein Munitionsmix aus Hochtechnologie-Munition und Massenmunition geschaffen werden. Für die Produktion von Munition für Gewehre und Maschinengewehre will Paris sich weiterhin vor allem auf Partner in der EU verlassen.

Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass Unternehmen verstaatlicht werden können, wenn ein Kauf durch ausländische Investoren “die Souveränität der Nation bedroht”. Die schwer planbaren Ausgaben dürften dann aus dem Budget des Wirtschaftsministeriums kommen.

Macron strebt “Kriegswirtschaft” an

Schon jetzt hat Frankreich seine Rüstungsindustrie angekurbelt. Macron spricht davon, im Ernstfall zu einer “Économie de Guerre” kommen zu können, zu einer Kriegswirtschaft also, die schneller und günstiger produzieren kann. Die Bestände sollen aufgefüllt werden, indem laut vorläufigem Gesetzestext “die Produktionszeiten deutlich verkürzt” werden, insbesondere bei 155-Millimeter-Munition, 40-Millimeter-Munition sowie den Mistral- und Aster- sowie Raketen mittlerer Reichweite. Mit Nachtarbeit könnte die Produktion kurzfristig beschleunigt werden; neue Produktionsketten aufzubauen, würde lange dauern, die Ergebnisse sich erst Jahre später bemerkbar machen.

Die Auffüllung der Bestände soll insbesondere bei Langstrecken-Antischiffsraketen des Typs FMAN, Marschflugkörpern des Typs FMC, Boden-Luft- und Luft-Luft-Raketen, schweren F21-Torpedos, Panzerabwehrraketen und Lenkwaffen erfolgen. “Besondere Aufmerksamkeit” soll die Entwicklung von Hyperschallwaffen erhalten. Hier soll “eine souveräne Lösung” bevorzugt werden.

Heißt: Produktion möglichst in Frankreich. Das französische Verteidigungsministerium hat den Lenkflugkörperproduzenten MBDA bereits aufgefordert, die Produktion des Kurzstrecken-Luftverteidigungssystems Mistral bis 2025 von 20 auf 40 Systeme zu erhöhen.

Bei der Fertigung von Waffen habe man schon Fortschritte gemacht, sagte der Leiter für industrielle Angelegenheiten und ökonomische Aufklärung bei der französischen Beschaffungsbehörde DGA, Alexandre Lahousse, im Interview mit einer Publikation des französischen Verteidigungsministeriums. Bereits jetzt sei die Produktion bei den Caesar-Haubitzen von 30 auf 18 Monate verkürzt worden, Thales solle künftig pro Jahr doppelt so viele GM-200-Radargeräte produzieren wie bislang.

Paris will Rüstungskonzerne zurück nach Frankreich locken

Nachdem Schweden nach Kriegsbeginn in der Ukraine zuerst sich selbst und dann erst Frankreich mit Schwarzpulver versorgt hatte, hat man den Pulverfabrikanten Eurenco zurück nach Frankreich geholt. Ziel sei, dass dort 1.200 Tonnen Pulver pro Jahr produziert würden, hatte der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu im Februar gesagt. Gezielte Angebote sollen Rüstungsunternehmen zurück nach Frankreich locken.

Im November 2022 hatte der Leiter der französischen Beschaffungsbehörde, Emmanuel Chiva, gesagt, dass insbesondere die Produktion von Schwarzpulver für großkalibrige Granaten, Bombenkörper und Schweißstäbe für den Stahl von Seeplattformen nach Frankreich geholt werden sollen.

Das Budgetgesetz legt den Haushalt zwar nicht fest, es soll als Selbstverpflichtung der Regierung aber Orientierung für die Industrie geben. “Das Gute an dem Gesetz ist, dass es den Unternehmen Planbarkeit für die nächsten sieben Jahre gibt”, sagt der französische Rüstungsattaché in Berlin, Guillaume Gommard. Planbarkeit, die auch die deutsche Rüstungsindustrie fordert.

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  • Rüstung

Israels arabische Partner gehen auf Distanz

Nach der größten israelischen Militäroperation seit Jahrzehnten: Aufräumarbeiten im Palästinenserlager Jenin, 5. Juli 2023.
Nach der größten israelischen Militäroperation seit Jahrzehnten: Aufräumarbeiten im Palästinenserlager Jenin, 5. Juli 2023.

Algerien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben am Wochenende mehr als 60 Millionen Euro zum Wiederaufbau des palästinensischen Flüchtlingslagers Jenin zugesagt. Die Gelder würden dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) zur Verfügung gestellt, hieß es aus Abu Dhabi und Algiers. Unterdessen bekräftigte die marokkanische Regierung in Rabat nach dem israelischen Militäreinsatz in Jenin ihre Entscheidung, ein Treffen der Außenminister Israels, der VAE, Bahrains, Ägyptens und der USA abermals zu verschieben.

Ein gutes halbes Jahr nach ihrem Amtsantritt wirft das die Regierung Ministerpräsident Benjamin Netanjahus auch außenpolitisch zurück. Im Innern sieht sie sich seit Monaten mit Massenprotesten gegen die geplante Entmachtung der Judikative des Landes konfrontiert; nun gerät der durch den Abschluss der sogenannten Abraham-Abkommen mit Marokko, den VAE, Bahrain und Sudan seit Ende 2020 verfolgte Ansatz, die Isolierung Israels in der arabischen Welt zu durchbrechen, in Gefahr.

Keine Termine für Netanjahu in der arabischen Welt

Bereits vor Beginn der größten Militäroperation im Westjordanland seit mehr als zwanzig Jahren hatte Marokko “provokative und einseitige Handlungen”, die “die Friedensbemühungen in der Region untergraben” als Grund für die Verschiebung des Negev-Forums genannt.

Dieses wurde im März 2022 im israelischen Wüstenort Sder Boker zum ersten Mal abgehalten – allerdings noch während der Amtszeit der Mitte-Rechte-Regierung Naftali Bennets. Dieser hatte als erster israelischer Regierungschef überhaupt Abu Dhabi besucht, Netanjahu bis heute nicht. Der neue israelische Außenminister Eli Cohen hat seit seinem Amtsantritt im Dezember 2022 außer Sudan kein arabisches Land bereist, sein Vorgänger Jair Lapid hingegen die VAE, Bahrain, Jordanien, Ägypten und Marokko.

Sicherheits- und verteidigungspolitische Zusammenarbeit bilden den Kern des Negev-Forums, das von wichtigen Mitgliedern der Arabischen Liga nicht akzeptiert wird. Doch auch die Führung der Emirate in Abu Dhabi, die im Herbst 2020 gemeinsam mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump und Netanjahu die Abraham-Abkommen auf den Weg gebracht hatte, geht zunehmend auf Distanz zur Regierung in Jerusalem. Dieser gehören mit dem Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, und Finanzminister Bezalel Smotrich zwei rechtsextreme Politiker an, die auf eine Annexion der sogenannten C-Gebiete im Westjordanland drängen, in der die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) über keine Befugnisse verfügt.

Rechtsextreme Minister drängten auf Militäreinsatz

Ben-Gvir und Smotrich hatten über Monate auf einen Militäreinsatz in Jenin gedrängt, um ihre Wählerbasis unter den israelischen Siedlern zu befriedigen. 14.000 Menschen wohnen in dem dicht besiedelten Lager auf weniger als einem halben Quadratkilometer Fläche; Hamas und Islamischer Dschihad üben hier die Kontrolle aus. Die von Iran unterstützten islamistischen Milizen haben sich immer wieder zu Anschlägen auf Israelis bekannt; diese zu unterbinden, war Ziel des intern als “Operation Haus und Garten” bezeichneten Einsatzes, bei der zwölf Palästinenser und ein israelischer Soldat ums Leben kamen.

Politisch brüstetet sich die rechtsnationalistische Regierung, dieses Ziel erreicht zu haben, militärisch jedoch stößt der Einsatz auf scharfe Kritik: Die weitreichende Zerstörung von Straßen, Strom- und Wasserleitungen sei kontraproduktiv, Spezialoperationen, wie im vergangenen Jahr, regelmäßig durchgeführt, seien geeigneter, um Anschläge auf Israelis im Norden des Westjordanlands im Vorfeld zu vereiteln, heißt es in Sicherheitskreisen in Tel Aviv. Doch der selbst in einer Siedlung in Hebron lebende Minister für Nationale Sicherheit, Ben-Gvir, setzte sich durch – und gab den Ton vor für weitere Operationen: Ziel sei es, “Gebäude zu zerstören, Terroristen zu vernichten – nicht einen oder zwei, sondern Dutzende und Hunderte, wenn nötig Tausende”.

Gemeinsames Vorgehen gegen “Generation-Z-Terroristen”

Ein Vorgehen, das die Bemühungen Netanjahus um ein Aufbrechen der israelischen Isolation in der arabischen Welt bremsen dürfte. Und das, obwohl die Kooperation mit Israels einstigen Gegnern gerade im Cyber-Security-Bereich in den zwei Jahren seit Abschluss der Abraham-Abkommen deutlich zugenommen hat: Erst Ende Juni hatten der Direktor des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, Ronen Bar, und der Cyber-Security-Chef der Emirate, Mohammed Al Kuwaiti, auf einem öffentlichen Forum in Tel Aviv ihrer Kooperation bekräftigt – Bar plädierte für einen “Cyberverteidigungspakt”.

Auf der Cyber Week beschrieb Bar auch das Vorgehen der im nahe Jenin gelegenen Nablus aktiven Gruppe Lion’s Den, hinter der “der lange Arm des Irans” stehe: Über soziale Medien würde diese “potenzielle Generation-Z-Terroristen” identifizieren, sie mit Geld, Waffen und Know-How ausstatten und dann zum Handeln drängen. “Tatsächlich haben sie den Grundstein für den online-gesteuerten Terrorismus gelegt”, so Bar.

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News

Erdoğan gibt Blockade von Schwedens Nato-Beitritt auf

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat am späten Montagabend überraschend den Weg für Schwedens Beitritt in die Nato freigemacht. Das sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf einer Pressekonferenz in Vilnius.

Erdoğan habe bei einem Treffen mit dem schwedischen Regierungschef Ulf Kristersson zugestimmt, das Beitrittsprotokoll so bald wie möglich dem türkischen Parlament vorzulegen. “Dies ist ein historischer Schritt, der alle Nato-Verbündeten stärker und sicherer macht”, twitterte Stoltenberg.

Noch bis kurz vor dem Treffen hatte Erdoğan seine Zustimmung zum Beitritt Schwedens in das Verteidigungsbündnis an eine Reihe von Bedingungen geknüpft. Die jüngste davon war, dass die EU zuerst die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wieder aufnehmen müsse. Berlin hatte darauf rasch reagiert und deutlich gemacht, dass die Themen nicht zusammenhingen.

Der Frage, wann der Nato-Betritt Schwedens vollzogen sein könnte, wich Stoltenberg bei der Pressekonferenz allerdings aus. Er wiederholte nur, dass es eine klare Zusicherung gebe, die Ratifikationsdokumente dem Parlament zuzuleiten.

Die nächste Sitzung des türkischen Parlaments ist für den heutigen Dienstag angesetzt. Es könnte also zumindest theoretisch seine Zustimmung während des zweitägigen Gipfels in Vilnius geben. Wenn dann auch das ungarische Parlament zügig ratifiziert, könnte Schweden zeitnah 32. Mitglied der Nato werden. Denn nach wie vor fehlt Schweden die Zustimmung Ungarns. Budapest hatte zuletzt aber beteuert, sich der Aufnahme Schwedens nicht in den Weg zu stellen, sollte die Türkei grünes Licht geben. klm/dpa

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Streumunition: juristisch erlaubt, moralisch verboten?

Die Entscheidung der USA, der Ukraine die umstrittene Streumunition zur Verteidigung im russischen Angriffskrieg zu liefern, wird vor allem in Deutschland heftig debattiert – nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Bundesrepublik zu den energischsten Unterstützern einer Konvention zur Ächtung dieser Waffen gehörte. Die eigenen Bundeswehr-Bestände an Streumunition hat Deutschland schon 2015, lange vor dem vorgesehenen Zeitpunkt, vernichtet. Allerdings sind nicht nur sowohl die USA als auch die Ukraine sowie Russland der Ächtung nie beigetreten, völkerrechtlich also nicht daran gebunden. Auch der absehbare Einsatzzweck, so argumentieren die Befürworter, unterscheide sich von der Nutzung in Angriffskriegen.

Die Munition, die die USA zur Weitergabe an die Ukraine vorgesehen haben, ist als sogenannte Dual Purpose-Munition für den Einsatz sowohl gegen gegnerische Soldaten als auch gegen – geschützte – Fahrzeuge konzipiert. Die 155-Millimeter-Artilleriegranaten, die von Geschützen mit diesem Standardkaliber der Nato verschossen werden, öffnen sich in vorgegebener Höhe über einem Ziel und verstreuen 72 einzelne Sprengsätze (Bomblets) über eine Strecke von mehreren hundert Metern. Ein Schuss mit dieser Munition, erläutert der den Streitkräften nahestehende britische Think Tank Royal United Services Institute (RUSI), könne damit mehr gegnerische, konkret also russische Soldaten treffen als selbst ein direkter Treffer mit herkömmlicher Spreng-Brand-Munition.

Russland verwendet zwei neue Typen von Streumunition

Die wesentliche Kritik an dieser Art von Munition und auch der Hauptgrund für die Ächtung durch mehr als 100 Staaten ist die Gefahr, die auch lange nach einer Auseinandersetzung von den einzelnen Bomblets für Unbeteiligte ausgeht. In zahlreichen Ländern weltweit (s. Karte) sind ganze Landstriche mit nicht explodierten Sprengsätzen verseucht, die Jahre später Zivilisten verletzen oder töten. Entscheidend dabei ist die Fehlerquote, die je nach Munitionstyp bis zu 40 Prozent betragen kann. Als besonders unsicher gilt dabei nach westlichen Angaben russische Munition, wie sie auch gegen die Ukraine eingesetzt wird. Im Konflikt seit 2014 haben die Ukraine und Russland Streumunition verwendet, Russland dabei sogar zwei neu entwickelte Typen, wie der aktuelle Bericht der Organisation gegen Streumunition dokumentiert. Deren Fehlerquote ist unbekannt. Die USA geben für die jetzt zugesagten Granaten eine Quote von 2,35 Prozent an; überprüfen lässt sich das nicht.

Während sowohl die Vereinten Nationen, das Rote Kreuz oder Menschenrechtsorganisationen davor warnen, mit der Lieferung an die Ukraine werde die Nutzung von Streumunition praktisch legitimiert und die weltweite Ächtung untergraben, verweisen Befürworter wie die Wissenschaftler des RUSI auf die Einsatzgrundsätze der Ukraine: Im Gegensatz zu Russland, das Streumunition gezielt gegen zivile Wohngebiete verwende, werde die Ukraine ihre Geschosse gegen russische Stellungen einsetzen, die bereits jetzt von unmarkierten Minenfeldern und russischen Blindgängern umgeben seien. Die Ukraine habe zudem zugesichert, den Einsatz von Streumunition zu dokumentieren – und ähnlich wie bei Minenfeldern betroffene Flächen zu sichern und zu räumen. Es gebe keine Hinweise darauf, dass die Regierung in Kiew den Schutz ihrer Bürger vernachlässige.

Die in Deutschland parallel zu einer moralischen geführte rechtliche Debatte ist nach Ansicht von Juristen an dieser Stelle nicht von Belang. Neben der Tatsache, dass die USA wie die Ukraine nicht Vertragsstaaten der Konvention zur Ächtung von Streumunition seien, sei für eine juristische Bewertung der Schutz der Zivilbevölkerung maßgeblich, erläutert der Wiener Völkerrechtler Ralph Janik: “Das ist eines der zwei Kardinalprinzipien des humanitären Völkerrechts. Zivilisten dürfen niemals gezielt angegriffen werden. Wenn sie indirekt von Angriffen betroffen sind, ist immer noch die Verhältnismäßigkeit zum militärischen Vorteil zu wahren. Übrigens sind nicht nur die Zivilisten des Gegners, sondern auch die ‘eigenen’ geschützt. Die Ukraine hat aber bereits angekündigt, Streumunition nur dort einzusetzen, wo sich ausschließlich russische Soldaten befinden.”

Auch wenn die Bundesrepublik unabhängig von ihrer Position keinen Einfluss darauf hat, ob diese Munition geliefert wird, gilt in dieser Debatte auch ein moralischer Anspruch Deutschlands an sich selbst. Zur Vernichtung der letzten Bundeswehr-Streumunition 2015 erklärte der damalige Bundesaußenminister und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: “Unser Ziel ist und bleibt ein weltweites Verbot von Streumunition.” Aktuell sieht Steinmeier aber keine Möglichkeit für die Bundesrepublik, aktiv Position gegen die US-Entscheidung zu beziehen. Die Bundesrepublik könne den USA nicht in den Arm fallen, sagte er im ZDF-Sommerinterview. tw

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Geheimdienstkoordinatorin Busch fordert “Mentalitätswechsel”

Die Koordinatorin der Nachrichtendienste der Bundesregierung, Dagmar Busch, hat eine rasche Novelle des BND-Gesetzes angekündigt. Ziel sei es, “klare und rechtssichere Regelungen zur Eigensicherung” zu schaffen, sagte die Leiterin der Abteilung 7 im Kanzleramt auf einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und des Gesprächskreises Nachrichtendienste in Deutschland (GKN).

Noch bis Ende dieses Jahres würden die Übermittlungsvorschriften neu geregelt, um sicherzustellen, dass die Weitergabe sensibler Daten an Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden künftig verfassungskonform verlaufe. Das Bundesverfassungsgericht hatte die bestehenden Regelungen im November 2022 in einem Urteil als grundgesetzwidrig bezeichnet – und eine Änderung bis Ende 2023 verlangt.

Der Bundesnachrichtendienst war im Juni wiederholt in die Kritik geraten, weil er das Bundeskanzleramt später über die Meuterei der russischen Söldnertruppe Wagner informiert hatte als die Nachrichtendienste anderer Staaten ihre jeweiligen Regierungen. Anfang des Jahres hatte zudem ein Verratsfall den BND erschüttert. “Wir sind gerade auch in diesen Zeiten unseren internationalen Partnern schuldig, nicht in Selbstbeschäftigung zu verfallen”, sagte Busch, die als erste Frau den Posten der Geheimdienstkoordinatorin im Kanzleramt innehat.

Zudem sprach sie sich dafür aus, “immer wieder zu justieren zwischen der notwendigen Kontrollintensität und dem Umstand, dass unsere Dienste zunächst einmal eine Aufgabe von höchster Bedeutung zu erledigen haben”. Angesichts des “geopolitischen Veränderungsprozesses” nach dem Überfall der Ukraine durch Russland sei ein “Mentalitätswechsel” notwendig. Vor allem in den Bereichen Terrorismusbekämpfung, Cybersicherheit und Spionageabwehr sowie der Bekämpfung hybrider Bedrohungen sei die Arbeit der Nachrichtendienste “keine Kür mehr, sondern ein Muss für unser Leben in Freiheit und Sicherheit”. mrb

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MGCS: Pistorius und Lecornu kündigen Anforderungspapier an

Der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu und sein deutscher Amtskollege Boris Pistorius haben am gestrigen Montag angekündigt, bis September ein Papier mit konkreten Anforderungen für das stockende deutsch-französische Panzerprojekt Main Ground Combat System (MGCS) vorstellen zu wollen.

Das Dokument solle festlegen, welche Funktionen die beiden Verteidigungsministerien vom “Panzer von morgen” erwarten, sagte Lecornu nach dem Treffen mit Pistorius, bei dem die Minister nicht mit Komplimenten füreinander sparten.

Die Strukturen und die Systematik des französisch geführten Partnerschaftsprojekts FCAS, bei dem die Partner ein gemeinsames Luftkampfsystem entwickeln wollen, sollen “spiegelbildlich” auf MGCS übertragen werden, sagte Pistorius. Immer wieder hatte es Streit zwischen dem deutsch-französischen Landsystemkonzern KNDS, einer Fusion der französischen Firma Nexter und dem deutschen Unternehmen Krauss-Maffei Wegmann (KMW), und dem deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall um die Fertigung bestimmter Bauteile gegeben.

Wettbewerb trotz Zusammenarbeit

“Heute haben wir sehr konkret über die Funktionsweisen des Programms diskutiert”, sagte der französische Minister, was vorher nicht geschehen sei. Es sei vorstellbar, dass auf Grundlage eines gemeinsamen Turms oder einer gemeinsamen Wanne zwei Waffensysteme parallel entwickelt würden, was den “kompetitiven Charakter der Technologien” stärken würde, sagte Pistorius.

Betont freundliche Worte sollten die trübe Stimmung der letzten Wochen und Monate, die zwischen den Partnernationen herrscht, wegwischen. Es gebe “eine Methode Pistorius”, sehr direkt und gewinnbringend zu diskutieren, lobte Lecornu vor den Pressevertretern.

Eigentlich hätte der französische Minister vor einem Monat nach Berlin kommen sollen, das Treffen war dann ohne Ankündigung von der Agenda Lecornus verschwunden. Zuletzt waren sich die beiden Länder in Verteidigungsfragen wegen der European Sky Shield Initiative uneinig. Pistorius hatte sich im Juni nur kurzfristig entschieden, zu einer Verteidigungsministerkonferenz nach Paris zu reisen. bub

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Presseschau

The Economist – The Future of War (Paywall): In einem Sonderreport mit sieben Kapiteln über technische Innovation, die Bedeutung von Logistik und neue Gefechtsfelder zieht der Economist Lehren aus dem Krieg in der Ukraine. Dass “eine Großmutter aus der Provinz” mit einer Smartphone-App Artillerie helfen könnte, ihr Ziel zu finden, habe Auswirkungen auf Armeen, Staaten und Privatwirtschaft.

Deutschlandfunk – Wie kommt ein Land in die Nato? Unmittelbar vor Beginn des Nato-Gipfels in Vilnius ist weiter unklar, wann und ob die Türkei und Ungarn ihre Widerstände gegen den Beitritt Schweden in das westliche Verteidigungsbündnis aufgeben werden. Der DLF-Hintergrundbericht zeigt: Beitritte sind oft langwierig und kompliziert. Das liegt an den hohen Auflagen, die Länder erfüllen müssen – und an politischen Spielen.

Kyiv Independent – Kakhovka Dam destruction: Tracking the catastrophe’s aftermath down the Dnipro River: Wie wirkt sich die Sprengung des ukrainischen Staudammes Kachowka auf das Leben der Menschen am Ufer des Dnipro aus? Reporterin Olena Makarenko bereist die von der Überflutung betroffenen Regionen, spricht mit Anwohnern sowie Wissenschaftlern und zeigt in ihrem 14-minütigen Film die konkreten Folgen des Kriegsverbrechens.

SWP-Aktuell – Dauerhafte Sicherheit für die Ukraine: Vor dem Nato-Gipfel in Vilnius bekommt die Debatte um einen Nato-Beitritt der Ukraine Aufwind. Claudia Major und Margarete Klein argumentieren, dass eine Nato-Mitgliedschaft für eine sichere Zukunft des Landes zentral wäre und legen dar, welche Schritte die Alliierten auf dem Gipfel in Litauen gehen sollten, um den “Übergang von Sicherheits­zusagen und -garantien zu definieren”.

Die Zeit – Rückzug: Mit dem vorzeitigen Abzug aus Mali macht sich die Sorge breit, dass der Bundeswehreinsatz ähnlich katastrophal wie der in Afghanistan enden könnte. Die Zeit hat mit Soldaten in Gao gesprochen, die das Gute und das Schlechte aus dem Einsatz resümieren. Es gibt einen guten Überblick über den Einsatz, wie sich die Arbeit mit malischen Politikern und Militärs gestaltete, mit welchen Hürden der Kommandeur der Mission, Heiko Bohnsack, kämpfen muss und welche Gefahren beim Abzug drohen.

Heads

Alexander Schuster – “Müssen europäischen Partnern die Zeitenwende erklären”

Alexander Schuster, sicherheitspolitischer Experte bei der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Alexander Schuster muss derzeit viele Fragen beantworten: “Viele unserer europäischen Partner können sich keinen Reim auf die deutsche Zeitenwende machen”, sagt der sicherheitspolitische Experte der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Da bestehe viel Erklärungsbedarf, auch unter Fachleuten in anderen Ländern, denn bislang sei wenig zu sehen.

Lob übrig hat er für den europäischen Strategischen Kompass und die Europäische Friedensfazilität. Trotzdem müsse Europa handlungsfähiger werden: Die Landes- und Bündnisverteidigung im Rahmen der Nato müsse gesichert werden – bisher sei das nur dank der Unterstützung der USA möglich.

Dafür bräuchte die EU unter anderem einen eigenen Sicherheitsrat, argumentiert Schuster. “Das wäre ein tolles und wirkungsvolles Instrument, wenn der Europäische Sicherheitsrat ein permanentes Gremium mit operativen Befugnissen wäre.” Damit ließen sich der europäische Pfeiler in der Nato stärken und die Briten in die europäische Sicherheitsarchitektur einbinden. Auch etwas, was er immer wieder erklären muss.

Zwei-Prozent-Ziel plus Sondervermögen

Genau das ist Schusters Arbeit bei der CDU-nahen politischen Stiftung: erklären, analysieren, aufschreiben. Zum Beispiel in Policy Paper, die auch auf der KAS-Webseite veröffentlicht werden. Wichtige Zielgruppe sind unter anderem die Abgeordneten des Bundestags. “Der Austausch mit der Unionsfraktion ist gut“, sagt Schuster.

Denn neben der europäischen Sicherheitspolitik ist auch die deutsche Verteidigung sein Spezialgebiet. Aus seiner Sicht müsste neben dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro auch der Wehretat auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts steigen, sagt Schuster. Sonst stünde der Bundeswehr weniger Geld zur Verfügung, weil der Unterhalt der neuen Ausrüstung – unter anderem die F-35 – steigen und den Haushalt weiter belasten werde.

Aufgewachsen ist der heute 36-Jährige in Landshut. Europa sei ihm früh präsent gewesen, erzählt Schuster. Die Familie seines Vaters floh in den 1970er-Jahren aus Siebenbürgen vor dem kommunistischem System. Er studierte Politikwissenschaft und Geschichte in Regensburg. Den Master absolvierte er in drei Semestern, arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Professor Stephan Bierling. Bierling ist auch Vertrauensdozent bei der KAS.

So fügte sich, was zusammengehört. “Die Adenauer-Stiftung hat mir eine weltanschauliche Heimat geboten”, erzählt Schuster. “Für mich war der Weg zur KAS alternativlos.” Aktuell ist er in der Endphase der Dissertation. Für seine Promotion bekam er ein Stipendium bei der Stiftung. Seit Oktober vergangenen Jahres arbeitet er auch für die Adenauer-Stiftung. Tom Schmidtgen

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Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

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    früh um neun Uhr hebt der Bundeskanzler ab Richtung Baltikum – ehe Olaf Scholz den zweiten Nato-Gipfel in Kriegszeiten am Mittwochnachmittag gegen 16 Uhr deutscher Zeit wieder verlässt. Zu Verteidigung und Abschreckung allzeit bereit, das ist die wichtigste Botschaft, die das 31-Staatenbündnis dem Regime in Moskau von seiner Ostflanke senden will. Und demnächst sind es schon 32 Mitglieder: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan gab seine Blockade am Montagabend auf, auch Ungarn will sich nicht länger sperren. Nato-Chef Jens Stoltenberg kann den Gipfel also mit einer Erfolgsmeldung eröffnen.

    Wie gründlich die in Vilnius versammelten Außen- und Verteidigungsminister und Regierungschefs ihre bereits 2022 in Madrid verabschiedeten Pläne tatsächlich mit Truppen und Geld hinterlegt haben, steht auf einem anderem Blatt – und wird schon seit Wochen zwischen Washington, Warschau, Berlin, Brüssel und Paris in am Ende allen Partnern passende Kommuniqués verpackt. Nana Brink hat sich angeschaut, was von dem in Madrid vollmundig verabschiedeten New Force Model von den Nato-Partnern eigentlich schon aufgesetzt wurde.  

    Viel Geld in die Hand jedenfalls nimmt die Nato-Atommacht Frankreich, um den Munitionsmangel in den Griff zu kriegen: Allein 16 der 413 Milliarden Euro, die die Loi de Programmation Militaire des Kabinetts von Emmanuel Macron bis 2030 vorsieht, sollen in die Aufstockung und Produktion Zehntausender Geschosse aller Kaliber fließen. Weshalb ausgerechnet der Liebling von Europas Liberalen für eine Kriegswirtschaft mit Zwangsmaßnahmen wie Verstaatlichung und dem Konfiszieren privater Rohstoffbestände wirbt, hat Gabriel Bub für Sie analysiert.

    Bis zum Abschluss des Gipfels morgen Nachmittag vor Ort ist der Table.Media-Nato-Korrespondent Stephan Israel. Wie groß die militärische Unterstützung für den in Vilnius freudig erwarteten ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Ende ausfällt und ob der erstmals tagende Nato-Ukraine-Rat mehr als ein Papiertiger sein kann – darüber berichtet er am Mittwoch in einem Security.Table-Spezial für Sie.

    Eine gute Lektüre wünscht

    Ihr
    Markus Bickel
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    Analyse

    Umstrukturierung der Nato-Streitkräfte: New Force Model existiert bislang nur auf dem Papier

    Das neue Nato-Model.

    Das New Force Model (NFM) der Nato sieht vor, dem Bündnis langfristig bis zu 800.000 Soldatinnen und Soldaten zur Verfügung zu stellen. Es basiert auf dem 2022 in Madrid verabschiedeten “Strategischen Konzept”, das die Bedrohung für die Mitgliedstaaten neu definiert.

    In dem Grundlagendokument wird Russland als die “größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im Euro-atlantischen Raum” angesehen. Das NFM soll demnach die Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit der Nato stärken.

    Deutschland will 30.000 Soldaten bereitstellen

    Auf dem Gipfel in Vilnius müssen die einzelnen Nato-Mitglieder den Plan konkretisieren und erklären, welchen Beitrag sie leisten wollen. Bislang hat sich öffentlich nur Deutschland bereit gefunden, rund 30.000 Soldatinnen und Soldaten und 65 Flugzeuge und 20 Schiffe ab 2025 zur Verfügung zu stellen. Anfang der Woche teilte Kanada mit, dass es seine Truppenpräsenz in Litauen um 1200 Soldaten verstärken will.

    Bastian Giegerich, Direktor der Abteilung für Sicherheits- und Militäranalysen beim International Institute for Strategic Studies (IISS) in London, hält die Verhandlungen in Vilnius für entscheidend: “Fast alle Nationen außer Deutschland haben sich mit Beiträgen zum NFM zurückgehalten. Es ist unklar im Moment, wer da was macht. Aber die Nationen müssen jetzt Farbe bekennen.”

    Das neue Modell soll in drei Stufen, sogenannten “Tiers”, organisiert werden (siehe Grafik). Sie zeigen an, wie viele Truppen in welchem Zeitraum dem militärischen Oberbefehlshaber der Nato (SACEUR) zur Verfügung stehen sollen. Das NFM wird die bis 2024 geltenden Nato-Formate wie Nato Response Force (NRF) und schnelle Eingreiftruppe Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) ablösen. Vor allem in der ersten Phase – also in Tier 1 – könnten dem SACEUR in der neu zu gründenden Allied Reaction Force (ARF) rund 40.000 Soldaten unterstellt werden.

    New Force Model soll Einsatzbereitschaft beschleunigen

    Neu an diesem Streitkräftemodell ist, dass die ARF dem SACEUR ständig unterstellt sein sollen, um schnell auf Krisen reagieren zu können. Bislang haben Frankreich – aber auch Deutschland – das abgelehnt. Zum strategischen Konzept der Nato gehören auch die neuen “Regionalpläne”: Sie weisen den Nationen bestimmte geografische Verantwortlichkeiten zu und sollen in Vilnius diskutiert werden. Deutschland wäre diesem Modell zufolge für die Nato-Ostflanke mit zuständig. Weitere Details wurden noch nicht öffentlich gemacht. Die insgesamt über 4000 Seiten umfassenden Pläne sollen aber am Dienstag von den Nationen gebilligt werden.

    “Das heißt also nicht, dass die Nato nun tatsächlich über 800.000 Soldatinnen und Soldaten ver­fügt, sondern diese nur neu ,sortiert’. Zudem behalten einige Staaten Teile ihrer Truppen unter natio­naler Füh­rung. Bei vielen bestehen Zweifel mit Blick auf die tat­säch­liche Einsatzbereitschaft – sodass die Zahl mit Vorsicht zu genießen ist”, sagt Claudia Major, die die Forschungsgruppe Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik leitet. 

    Deshalb sei es so wichtig, dass sich die Nationen auf dem Gipfel in Vilnius zu ihrem Beitrag verpflichten. “Damit verbindet das NFM mehrere Ziele: eine quantitative Aufstockung der Nato-Streit­kräfte, eine Neustrukturierung und eine Verbesserung von Einsatzbereitschaft und Ausrüstung. Das NFM wird damit zum Maßstab für die gesamten Nato-Streit­kräfte.”

    Beitrag der Europäer in der Nato zu klein?

    Eine im Juni veröffentlichte Studie des IISS hebt hervor, dass sich vor allem die Europäer mehr in der Nato engagieren müssten: “Während die Landstreitkräfte der Vereinigten Staaten weiterhin eine wichtige Rolle bei der Verteidigung des Euro-atlantischen Raums spielen werden, sollten die europäischen Nato-Verbündeten nicht länger erwarten, dass die USA den Großteil der Last tragen. Die USA erwarten, dass Europa mindestens die Hälfte der modernen Streitkräfte stellt, die zur Verteidigung des Euro-atlantischen Raums erforderlich sind.”

    Bastian Giegerich, Mitautor der IISS-Studie, bezweifelt, dass das NFM zwischen den Nato-Mitgliedern bereits abgestimmt ist. “Angeblich greifen die Planungen der Nato und die der einzelnen Nationen eng ineinander. So wird das kommuniziert. Ich halte das für fragwürdig. Auf die Nationen wird erheblich mehr zukommen, als sie geplant haben.”

    Der Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, der niederländische Admiral Rob Bauer, dämpfte im Vorfeld des Gipfels vergangene Woche die Erwartungen, dass das NFM in Vilnius mit konkreten Zahlen unterlegt wird: “Bis dahin wird es noch viele Jahre dauern, und es ist die Aufgabe aller Nationen.”

    Rolle der deutschen Brigade in Litauen noch unklar

    Wie sich eine deutschen Brigade in Litauen innerhalb des NFM einfügen wird, ist noch unklar. Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte Ende Juni die dauerhafte Verlegung von 4.000 Soldatinnen und Soldaten ins baltische Land angekündigt. Das Vorhaben war nicht mit der Nato-Führung abgestimmt.

    Der Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, Admiral Rob Bauer, kommentierte die Entscheidung so: “Als Nächstes wird der SACEUR dann prüfen müssen, was das für seine Haltung bedeutet.” Giegerich vom Think Tank IISS sieht das deutsche Vorgehen ebenfalls kritisch: “Aus Sicht der Nato wäre der Vorschlag besser in Vilnius gekommen, sodass man es multinational hätte einbetten können. Deutschland hat damit andere Nationen unter Zugzwang gesetzt. Das kommt politisch nicht überall gut an, ist aber militärisch für die Nato nichts, was die Planungen umwirft.”

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    Mit Geld und Zwang: Wie Frankreich seine Munitionsprobleme lösen will

    Russlands Krieg in der Ukraine hat einigen europäischen Ländern ihre Schwächen bei der Munitionsbeschaffung deutlich vor Augen geführt: In manchen Wochen verfeuerten die Kriegsparteien 200.000 Granaten. Deutschland aber verfügt von 230.000 angestrebten 155-Millimeter-Sprenggeschossen nur über 20.000 Schuss. Frankreich will nun im Rahmen der “Loi de Programmation Militaire” für die Bewältigung seiner Munitionsprobleme bis 2030 16 Milliarden Euro ausgeben.

    Aus einem Bericht französischer Parlamentarier zum Zustand der Munitionsbestände vom Februar geht hervor, dass die Produktion von 155-Millimeter-Artilleriegranaten 10 bis 20 Monate dauere, bei Lenkgranaten werden sogar 24 bis 36 Monate veranschlagt. Weiter heißt es in dem Bericht, dass seit 1999 keine kleinkalibrige Munition in Frankreich und seit 2011 keine Fliegerbomben mehr gefertigt werden. Außerdem sind Rohstoffe wie Aluminium, Nickel, Titan und Palladium knapp.

    Rohstoffe können im Kriegsfall beschlagnahmt werden

    Um die Rohstoffbestände aufzustocken, sollen mit dem neuen Gesetz Unternehmen gezwungen werden können, Vorräte von Materialien wie Titan und anderer Komponenten anzulegen, die von militärischer Bedeutung sind. Zudem wird möglich sein, Rohstoffe zu beschlagnahmen oder Rohstofflieferanten eine primäre Versorgung von Unternehmen aus der Rüstungsindustrie zu verordnen.

    Bestimmte Munitionstypen sollen bei der Produktion priorisiert werden, ein Munitionsmix aus Hochtechnologie-Munition und Massenmunition geschaffen werden. Für die Produktion von Munition für Gewehre und Maschinengewehre will Paris sich weiterhin vor allem auf Partner in der EU verlassen.

    Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass Unternehmen verstaatlicht werden können, wenn ein Kauf durch ausländische Investoren “die Souveränität der Nation bedroht”. Die schwer planbaren Ausgaben dürften dann aus dem Budget des Wirtschaftsministeriums kommen.

    Macron strebt “Kriegswirtschaft” an

    Schon jetzt hat Frankreich seine Rüstungsindustrie angekurbelt. Macron spricht davon, im Ernstfall zu einer “Économie de Guerre” kommen zu können, zu einer Kriegswirtschaft also, die schneller und günstiger produzieren kann. Die Bestände sollen aufgefüllt werden, indem laut vorläufigem Gesetzestext “die Produktionszeiten deutlich verkürzt” werden, insbesondere bei 155-Millimeter-Munition, 40-Millimeter-Munition sowie den Mistral- und Aster- sowie Raketen mittlerer Reichweite. Mit Nachtarbeit könnte die Produktion kurzfristig beschleunigt werden; neue Produktionsketten aufzubauen, würde lange dauern, die Ergebnisse sich erst Jahre später bemerkbar machen.

    Die Auffüllung der Bestände soll insbesondere bei Langstrecken-Antischiffsraketen des Typs FMAN, Marschflugkörpern des Typs FMC, Boden-Luft- und Luft-Luft-Raketen, schweren F21-Torpedos, Panzerabwehrraketen und Lenkwaffen erfolgen. “Besondere Aufmerksamkeit” soll die Entwicklung von Hyperschallwaffen erhalten. Hier soll “eine souveräne Lösung” bevorzugt werden.

    Heißt: Produktion möglichst in Frankreich. Das französische Verteidigungsministerium hat den Lenkflugkörperproduzenten MBDA bereits aufgefordert, die Produktion des Kurzstrecken-Luftverteidigungssystems Mistral bis 2025 von 20 auf 40 Systeme zu erhöhen.

    Bei der Fertigung von Waffen habe man schon Fortschritte gemacht, sagte der Leiter für industrielle Angelegenheiten und ökonomische Aufklärung bei der französischen Beschaffungsbehörde DGA, Alexandre Lahousse, im Interview mit einer Publikation des französischen Verteidigungsministeriums. Bereits jetzt sei die Produktion bei den Caesar-Haubitzen von 30 auf 18 Monate verkürzt worden, Thales solle künftig pro Jahr doppelt so viele GM-200-Radargeräte produzieren wie bislang.

    Paris will Rüstungskonzerne zurück nach Frankreich locken

    Nachdem Schweden nach Kriegsbeginn in der Ukraine zuerst sich selbst und dann erst Frankreich mit Schwarzpulver versorgt hatte, hat man den Pulverfabrikanten Eurenco zurück nach Frankreich geholt. Ziel sei, dass dort 1.200 Tonnen Pulver pro Jahr produziert würden, hatte der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu im Februar gesagt. Gezielte Angebote sollen Rüstungsunternehmen zurück nach Frankreich locken.

    Im November 2022 hatte der Leiter der französischen Beschaffungsbehörde, Emmanuel Chiva, gesagt, dass insbesondere die Produktion von Schwarzpulver für großkalibrige Granaten, Bombenkörper und Schweißstäbe für den Stahl von Seeplattformen nach Frankreich geholt werden sollen.

    Das Budgetgesetz legt den Haushalt zwar nicht fest, es soll als Selbstverpflichtung der Regierung aber Orientierung für die Industrie geben. “Das Gute an dem Gesetz ist, dass es den Unternehmen Planbarkeit für die nächsten sieben Jahre gibt”, sagt der französische Rüstungsattaché in Berlin, Guillaume Gommard. Planbarkeit, die auch die deutsche Rüstungsindustrie fordert.

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    Israels arabische Partner gehen auf Distanz

    Nach der größten israelischen Militäroperation seit Jahrzehnten: Aufräumarbeiten im Palästinenserlager Jenin, 5. Juli 2023.
    Nach der größten israelischen Militäroperation seit Jahrzehnten: Aufräumarbeiten im Palästinenserlager Jenin, 5. Juli 2023.

    Algerien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben am Wochenende mehr als 60 Millionen Euro zum Wiederaufbau des palästinensischen Flüchtlingslagers Jenin zugesagt. Die Gelder würden dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) zur Verfügung gestellt, hieß es aus Abu Dhabi und Algiers. Unterdessen bekräftigte die marokkanische Regierung in Rabat nach dem israelischen Militäreinsatz in Jenin ihre Entscheidung, ein Treffen der Außenminister Israels, der VAE, Bahrains, Ägyptens und der USA abermals zu verschieben.

    Ein gutes halbes Jahr nach ihrem Amtsantritt wirft das die Regierung Ministerpräsident Benjamin Netanjahus auch außenpolitisch zurück. Im Innern sieht sie sich seit Monaten mit Massenprotesten gegen die geplante Entmachtung der Judikative des Landes konfrontiert; nun gerät der durch den Abschluss der sogenannten Abraham-Abkommen mit Marokko, den VAE, Bahrain und Sudan seit Ende 2020 verfolgte Ansatz, die Isolierung Israels in der arabischen Welt zu durchbrechen, in Gefahr.

    Keine Termine für Netanjahu in der arabischen Welt

    Bereits vor Beginn der größten Militäroperation im Westjordanland seit mehr als zwanzig Jahren hatte Marokko “provokative und einseitige Handlungen”, die “die Friedensbemühungen in der Region untergraben” als Grund für die Verschiebung des Negev-Forums genannt.

    Dieses wurde im März 2022 im israelischen Wüstenort Sder Boker zum ersten Mal abgehalten – allerdings noch während der Amtszeit der Mitte-Rechte-Regierung Naftali Bennets. Dieser hatte als erster israelischer Regierungschef überhaupt Abu Dhabi besucht, Netanjahu bis heute nicht. Der neue israelische Außenminister Eli Cohen hat seit seinem Amtsantritt im Dezember 2022 außer Sudan kein arabisches Land bereist, sein Vorgänger Jair Lapid hingegen die VAE, Bahrain, Jordanien, Ägypten und Marokko.

    Sicherheits- und verteidigungspolitische Zusammenarbeit bilden den Kern des Negev-Forums, das von wichtigen Mitgliedern der Arabischen Liga nicht akzeptiert wird. Doch auch die Führung der Emirate in Abu Dhabi, die im Herbst 2020 gemeinsam mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump und Netanjahu die Abraham-Abkommen auf den Weg gebracht hatte, geht zunehmend auf Distanz zur Regierung in Jerusalem. Dieser gehören mit dem Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, und Finanzminister Bezalel Smotrich zwei rechtsextreme Politiker an, die auf eine Annexion der sogenannten C-Gebiete im Westjordanland drängen, in der die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) über keine Befugnisse verfügt.

    Rechtsextreme Minister drängten auf Militäreinsatz

    Ben-Gvir und Smotrich hatten über Monate auf einen Militäreinsatz in Jenin gedrängt, um ihre Wählerbasis unter den israelischen Siedlern zu befriedigen. 14.000 Menschen wohnen in dem dicht besiedelten Lager auf weniger als einem halben Quadratkilometer Fläche; Hamas und Islamischer Dschihad üben hier die Kontrolle aus. Die von Iran unterstützten islamistischen Milizen haben sich immer wieder zu Anschlägen auf Israelis bekannt; diese zu unterbinden, war Ziel des intern als “Operation Haus und Garten” bezeichneten Einsatzes, bei der zwölf Palästinenser und ein israelischer Soldat ums Leben kamen.

    Politisch brüstetet sich die rechtsnationalistische Regierung, dieses Ziel erreicht zu haben, militärisch jedoch stößt der Einsatz auf scharfe Kritik: Die weitreichende Zerstörung von Straßen, Strom- und Wasserleitungen sei kontraproduktiv, Spezialoperationen, wie im vergangenen Jahr, regelmäßig durchgeführt, seien geeigneter, um Anschläge auf Israelis im Norden des Westjordanlands im Vorfeld zu vereiteln, heißt es in Sicherheitskreisen in Tel Aviv. Doch der selbst in einer Siedlung in Hebron lebende Minister für Nationale Sicherheit, Ben-Gvir, setzte sich durch – und gab den Ton vor für weitere Operationen: Ziel sei es, “Gebäude zu zerstören, Terroristen zu vernichten – nicht einen oder zwei, sondern Dutzende und Hunderte, wenn nötig Tausende”.

    Gemeinsames Vorgehen gegen “Generation-Z-Terroristen”

    Ein Vorgehen, das die Bemühungen Netanjahus um ein Aufbrechen der israelischen Isolation in der arabischen Welt bremsen dürfte. Und das, obwohl die Kooperation mit Israels einstigen Gegnern gerade im Cyber-Security-Bereich in den zwei Jahren seit Abschluss der Abraham-Abkommen deutlich zugenommen hat: Erst Ende Juni hatten der Direktor des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, Ronen Bar, und der Cyber-Security-Chef der Emirate, Mohammed Al Kuwaiti, auf einem öffentlichen Forum in Tel Aviv ihrer Kooperation bekräftigt – Bar plädierte für einen “Cyberverteidigungspakt”.

    Auf der Cyber Week beschrieb Bar auch das Vorgehen der im nahe Jenin gelegenen Nablus aktiven Gruppe Lion’s Den, hinter der “der lange Arm des Irans” stehe: Über soziale Medien würde diese “potenzielle Generation-Z-Terroristen” identifizieren, sie mit Geld, Waffen und Know-How ausstatten und dann zum Handeln drängen. “Tatsächlich haben sie den Grundstein für den online-gesteuerten Terrorismus gelegt”, so Bar.

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    Erdoğan gibt Blockade von Schwedens Nato-Beitritt auf

    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat am späten Montagabend überraschend den Weg für Schwedens Beitritt in die Nato freigemacht. Das sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf einer Pressekonferenz in Vilnius.

    Erdoğan habe bei einem Treffen mit dem schwedischen Regierungschef Ulf Kristersson zugestimmt, das Beitrittsprotokoll so bald wie möglich dem türkischen Parlament vorzulegen. “Dies ist ein historischer Schritt, der alle Nato-Verbündeten stärker und sicherer macht”, twitterte Stoltenberg.

    Noch bis kurz vor dem Treffen hatte Erdoğan seine Zustimmung zum Beitritt Schwedens in das Verteidigungsbündnis an eine Reihe von Bedingungen geknüpft. Die jüngste davon war, dass die EU zuerst die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wieder aufnehmen müsse. Berlin hatte darauf rasch reagiert und deutlich gemacht, dass die Themen nicht zusammenhingen.

    Der Frage, wann der Nato-Betritt Schwedens vollzogen sein könnte, wich Stoltenberg bei der Pressekonferenz allerdings aus. Er wiederholte nur, dass es eine klare Zusicherung gebe, die Ratifikationsdokumente dem Parlament zuzuleiten.

    Die nächste Sitzung des türkischen Parlaments ist für den heutigen Dienstag angesetzt. Es könnte also zumindest theoretisch seine Zustimmung während des zweitägigen Gipfels in Vilnius geben. Wenn dann auch das ungarische Parlament zügig ratifiziert, könnte Schweden zeitnah 32. Mitglied der Nato werden. Denn nach wie vor fehlt Schweden die Zustimmung Ungarns. Budapest hatte zuletzt aber beteuert, sich der Aufnahme Schwedens nicht in den Weg zu stellen, sollte die Türkei grünes Licht geben. klm/dpa

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    Streumunition: juristisch erlaubt, moralisch verboten?

    Die Entscheidung der USA, der Ukraine die umstrittene Streumunition zur Verteidigung im russischen Angriffskrieg zu liefern, wird vor allem in Deutschland heftig debattiert – nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Bundesrepublik zu den energischsten Unterstützern einer Konvention zur Ächtung dieser Waffen gehörte. Die eigenen Bundeswehr-Bestände an Streumunition hat Deutschland schon 2015, lange vor dem vorgesehenen Zeitpunkt, vernichtet. Allerdings sind nicht nur sowohl die USA als auch die Ukraine sowie Russland der Ächtung nie beigetreten, völkerrechtlich also nicht daran gebunden. Auch der absehbare Einsatzzweck, so argumentieren die Befürworter, unterscheide sich von der Nutzung in Angriffskriegen.

    Die Munition, die die USA zur Weitergabe an die Ukraine vorgesehen haben, ist als sogenannte Dual Purpose-Munition für den Einsatz sowohl gegen gegnerische Soldaten als auch gegen – geschützte – Fahrzeuge konzipiert. Die 155-Millimeter-Artilleriegranaten, die von Geschützen mit diesem Standardkaliber der Nato verschossen werden, öffnen sich in vorgegebener Höhe über einem Ziel und verstreuen 72 einzelne Sprengsätze (Bomblets) über eine Strecke von mehreren hundert Metern. Ein Schuss mit dieser Munition, erläutert der den Streitkräften nahestehende britische Think Tank Royal United Services Institute (RUSI), könne damit mehr gegnerische, konkret also russische Soldaten treffen als selbst ein direkter Treffer mit herkömmlicher Spreng-Brand-Munition.

    Russland verwendet zwei neue Typen von Streumunition

    Die wesentliche Kritik an dieser Art von Munition und auch der Hauptgrund für die Ächtung durch mehr als 100 Staaten ist die Gefahr, die auch lange nach einer Auseinandersetzung von den einzelnen Bomblets für Unbeteiligte ausgeht. In zahlreichen Ländern weltweit (s. Karte) sind ganze Landstriche mit nicht explodierten Sprengsätzen verseucht, die Jahre später Zivilisten verletzen oder töten. Entscheidend dabei ist die Fehlerquote, die je nach Munitionstyp bis zu 40 Prozent betragen kann. Als besonders unsicher gilt dabei nach westlichen Angaben russische Munition, wie sie auch gegen die Ukraine eingesetzt wird. Im Konflikt seit 2014 haben die Ukraine und Russland Streumunition verwendet, Russland dabei sogar zwei neu entwickelte Typen, wie der aktuelle Bericht der Organisation gegen Streumunition dokumentiert. Deren Fehlerquote ist unbekannt. Die USA geben für die jetzt zugesagten Granaten eine Quote von 2,35 Prozent an; überprüfen lässt sich das nicht.

    Während sowohl die Vereinten Nationen, das Rote Kreuz oder Menschenrechtsorganisationen davor warnen, mit der Lieferung an die Ukraine werde die Nutzung von Streumunition praktisch legitimiert und die weltweite Ächtung untergraben, verweisen Befürworter wie die Wissenschaftler des RUSI auf die Einsatzgrundsätze der Ukraine: Im Gegensatz zu Russland, das Streumunition gezielt gegen zivile Wohngebiete verwende, werde die Ukraine ihre Geschosse gegen russische Stellungen einsetzen, die bereits jetzt von unmarkierten Minenfeldern und russischen Blindgängern umgeben seien. Die Ukraine habe zudem zugesichert, den Einsatz von Streumunition zu dokumentieren – und ähnlich wie bei Minenfeldern betroffene Flächen zu sichern und zu räumen. Es gebe keine Hinweise darauf, dass die Regierung in Kiew den Schutz ihrer Bürger vernachlässige.

    Die in Deutschland parallel zu einer moralischen geführte rechtliche Debatte ist nach Ansicht von Juristen an dieser Stelle nicht von Belang. Neben der Tatsache, dass die USA wie die Ukraine nicht Vertragsstaaten der Konvention zur Ächtung von Streumunition seien, sei für eine juristische Bewertung der Schutz der Zivilbevölkerung maßgeblich, erläutert der Wiener Völkerrechtler Ralph Janik: “Das ist eines der zwei Kardinalprinzipien des humanitären Völkerrechts. Zivilisten dürfen niemals gezielt angegriffen werden. Wenn sie indirekt von Angriffen betroffen sind, ist immer noch die Verhältnismäßigkeit zum militärischen Vorteil zu wahren. Übrigens sind nicht nur die Zivilisten des Gegners, sondern auch die ‘eigenen’ geschützt. Die Ukraine hat aber bereits angekündigt, Streumunition nur dort einzusetzen, wo sich ausschließlich russische Soldaten befinden.”

    Auch wenn die Bundesrepublik unabhängig von ihrer Position keinen Einfluss darauf hat, ob diese Munition geliefert wird, gilt in dieser Debatte auch ein moralischer Anspruch Deutschlands an sich selbst. Zur Vernichtung der letzten Bundeswehr-Streumunition 2015 erklärte der damalige Bundesaußenminister und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: “Unser Ziel ist und bleibt ein weltweites Verbot von Streumunition.” Aktuell sieht Steinmeier aber keine Möglichkeit für die Bundesrepublik, aktiv Position gegen die US-Entscheidung zu beziehen. Die Bundesrepublik könne den USA nicht in den Arm fallen, sagte er im ZDF-Sommerinterview. tw

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    • Ukraine-Krieg

    Geheimdienstkoordinatorin Busch fordert “Mentalitätswechsel”

    Die Koordinatorin der Nachrichtendienste der Bundesregierung, Dagmar Busch, hat eine rasche Novelle des BND-Gesetzes angekündigt. Ziel sei es, “klare und rechtssichere Regelungen zur Eigensicherung” zu schaffen, sagte die Leiterin der Abteilung 7 im Kanzleramt auf einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und des Gesprächskreises Nachrichtendienste in Deutschland (GKN).

    Noch bis Ende dieses Jahres würden die Übermittlungsvorschriften neu geregelt, um sicherzustellen, dass die Weitergabe sensibler Daten an Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden künftig verfassungskonform verlaufe. Das Bundesverfassungsgericht hatte die bestehenden Regelungen im November 2022 in einem Urteil als grundgesetzwidrig bezeichnet – und eine Änderung bis Ende 2023 verlangt.

    Der Bundesnachrichtendienst war im Juni wiederholt in die Kritik geraten, weil er das Bundeskanzleramt später über die Meuterei der russischen Söldnertruppe Wagner informiert hatte als die Nachrichtendienste anderer Staaten ihre jeweiligen Regierungen. Anfang des Jahres hatte zudem ein Verratsfall den BND erschüttert. “Wir sind gerade auch in diesen Zeiten unseren internationalen Partnern schuldig, nicht in Selbstbeschäftigung zu verfallen”, sagte Busch, die als erste Frau den Posten der Geheimdienstkoordinatorin im Kanzleramt innehat.

    Zudem sprach sie sich dafür aus, “immer wieder zu justieren zwischen der notwendigen Kontrollintensität und dem Umstand, dass unsere Dienste zunächst einmal eine Aufgabe von höchster Bedeutung zu erledigen haben”. Angesichts des “geopolitischen Veränderungsprozesses” nach dem Überfall der Ukraine durch Russland sei ein “Mentalitätswechsel” notwendig. Vor allem in den Bereichen Terrorismusbekämpfung, Cybersicherheit und Spionageabwehr sowie der Bekämpfung hybrider Bedrohungen sei die Arbeit der Nachrichtendienste “keine Kür mehr, sondern ein Muss für unser Leben in Freiheit und Sicherheit”. mrb

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    MGCS: Pistorius und Lecornu kündigen Anforderungspapier an

    Der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu und sein deutscher Amtskollege Boris Pistorius haben am gestrigen Montag angekündigt, bis September ein Papier mit konkreten Anforderungen für das stockende deutsch-französische Panzerprojekt Main Ground Combat System (MGCS) vorstellen zu wollen.

    Das Dokument solle festlegen, welche Funktionen die beiden Verteidigungsministerien vom “Panzer von morgen” erwarten, sagte Lecornu nach dem Treffen mit Pistorius, bei dem die Minister nicht mit Komplimenten füreinander sparten.

    Die Strukturen und die Systematik des französisch geführten Partnerschaftsprojekts FCAS, bei dem die Partner ein gemeinsames Luftkampfsystem entwickeln wollen, sollen “spiegelbildlich” auf MGCS übertragen werden, sagte Pistorius. Immer wieder hatte es Streit zwischen dem deutsch-französischen Landsystemkonzern KNDS, einer Fusion der französischen Firma Nexter und dem deutschen Unternehmen Krauss-Maffei Wegmann (KMW), und dem deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall um die Fertigung bestimmter Bauteile gegeben.

    Wettbewerb trotz Zusammenarbeit

    “Heute haben wir sehr konkret über die Funktionsweisen des Programms diskutiert”, sagte der französische Minister, was vorher nicht geschehen sei. Es sei vorstellbar, dass auf Grundlage eines gemeinsamen Turms oder einer gemeinsamen Wanne zwei Waffensysteme parallel entwickelt würden, was den “kompetitiven Charakter der Technologien” stärken würde, sagte Pistorius.

    Betont freundliche Worte sollten die trübe Stimmung der letzten Wochen und Monate, die zwischen den Partnernationen herrscht, wegwischen. Es gebe “eine Methode Pistorius”, sehr direkt und gewinnbringend zu diskutieren, lobte Lecornu vor den Pressevertretern.

    Eigentlich hätte der französische Minister vor einem Monat nach Berlin kommen sollen, das Treffen war dann ohne Ankündigung von der Agenda Lecornus verschwunden. Zuletzt waren sich die beiden Länder in Verteidigungsfragen wegen der European Sky Shield Initiative uneinig. Pistorius hatte sich im Juni nur kurzfristig entschieden, zu einer Verteidigungsministerkonferenz nach Paris zu reisen. bub

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    Presseschau

    The Economist – The Future of War (Paywall): In einem Sonderreport mit sieben Kapiteln über technische Innovation, die Bedeutung von Logistik und neue Gefechtsfelder zieht der Economist Lehren aus dem Krieg in der Ukraine. Dass “eine Großmutter aus der Provinz” mit einer Smartphone-App Artillerie helfen könnte, ihr Ziel zu finden, habe Auswirkungen auf Armeen, Staaten und Privatwirtschaft.

    Deutschlandfunk – Wie kommt ein Land in die Nato? Unmittelbar vor Beginn des Nato-Gipfels in Vilnius ist weiter unklar, wann und ob die Türkei und Ungarn ihre Widerstände gegen den Beitritt Schweden in das westliche Verteidigungsbündnis aufgeben werden. Der DLF-Hintergrundbericht zeigt: Beitritte sind oft langwierig und kompliziert. Das liegt an den hohen Auflagen, die Länder erfüllen müssen – und an politischen Spielen.

    Kyiv Independent – Kakhovka Dam destruction: Tracking the catastrophe’s aftermath down the Dnipro River: Wie wirkt sich die Sprengung des ukrainischen Staudammes Kachowka auf das Leben der Menschen am Ufer des Dnipro aus? Reporterin Olena Makarenko bereist die von der Überflutung betroffenen Regionen, spricht mit Anwohnern sowie Wissenschaftlern und zeigt in ihrem 14-minütigen Film die konkreten Folgen des Kriegsverbrechens.

    SWP-Aktuell – Dauerhafte Sicherheit für die Ukraine: Vor dem Nato-Gipfel in Vilnius bekommt die Debatte um einen Nato-Beitritt der Ukraine Aufwind. Claudia Major und Margarete Klein argumentieren, dass eine Nato-Mitgliedschaft für eine sichere Zukunft des Landes zentral wäre und legen dar, welche Schritte die Alliierten auf dem Gipfel in Litauen gehen sollten, um den “Übergang von Sicherheits­zusagen und -garantien zu definieren”.

    Die Zeit – Rückzug: Mit dem vorzeitigen Abzug aus Mali macht sich die Sorge breit, dass der Bundeswehreinsatz ähnlich katastrophal wie der in Afghanistan enden könnte. Die Zeit hat mit Soldaten in Gao gesprochen, die das Gute und das Schlechte aus dem Einsatz resümieren. Es gibt einen guten Überblick über den Einsatz, wie sich die Arbeit mit malischen Politikern und Militärs gestaltete, mit welchen Hürden der Kommandeur der Mission, Heiko Bohnsack, kämpfen muss und welche Gefahren beim Abzug drohen.

    Heads

    Alexander Schuster – “Müssen europäischen Partnern die Zeitenwende erklären”

    Alexander Schuster, sicherheitspolitischer Experte bei der Konrad-Adenauer-Stiftung.

    Alexander Schuster muss derzeit viele Fragen beantworten: “Viele unserer europäischen Partner können sich keinen Reim auf die deutsche Zeitenwende machen”, sagt der sicherheitspolitische Experte der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Da bestehe viel Erklärungsbedarf, auch unter Fachleuten in anderen Ländern, denn bislang sei wenig zu sehen.

    Lob übrig hat er für den europäischen Strategischen Kompass und die Europäische Friedensfazilität. Trotzdem müsse Europa handlungsfähiger werden: Die Landes- und Bündnisverteidigung im Rahmen der Nato müsse gesichert werden – bisher sei das nur dank der Unterstützung der USA möglich.

    Dafür bräuchte die EU unter anderem einen eigenen Sicherheitsrat, argumentiert Schuster. “Das wäre ein tolles und wirkungsvolles Instrument, wenn der Europäische Sicherheitsrat ein permanentes Gremium mit operativen Befugnissen wäre.” Damit ließen sich der europäische Pfeiler in der Nato stärken und die Briten in die europäische Sicherheitsarchitektur einbinden. Auch etwas, was er immer wieder erklären muss.

    Zwei-Prozent-Ziel plus Sondervermögen

    Genau das ist Schusters Arbeit bei der CDU-nahen politischen Stiftung: erklären, analysieren, aufschreiben. Zum Beispiel in Policy Paper, die auch auf der KAS-Webseite veröffentlicht werden. Wichtige Zielgruppe sind unter anderem die Abgeordneten des Bundestags. “Der Austausch mit der Unionsfraktion ist gut“, sagt Schuster.

    Denn neben der europäischen Sicherheitspolitik ist auch die deutsche Verteidigung sein Spezialgebiet. Aus seiner Sicht müsste neben dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro auch der Wehretat auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts steigen, sagt Schuster. Sonst stünde der Bundeswehr weniger Geld zur Verfügung, weil der Unterhalt der neuen Ausrüstung – unter anderem die F-35 – steigen und den Haushalt weiter belasten werde.

    Aufgewachsen ist der heute 36-Jährige in Landshut. Europa sei ihm früh präsent gewesen, erzählt Schuster. Die Familie seines Vaters floh in den 1970er-Jahren aus Siebenbürgen vor dem kommunistischem System. Er studierte Politikwissenschaft und Geschichte in Regensburg. Den Master absolvierte er in drei Semestern, arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Professor Stephan Bierling. Bierling ist auch Vertrauensdozent bei der KAS.

    So fügte sich, was zusammengehört. “Die Adenauer-Stiftung hat mir eine weltanschauliche Heimat geboten”, erzählt Schuster. “Für mich war der Weg zur KAS alternativlos.” Aktuell ist er in der Endphase der Dissertation. Für seine Promotion bekam er ein Stipendium bei der Stiftung. Seit Oktober vergangenen Jahres arbeitet er auch für die Adenauer-Stiftung. Tom Schmidtgen

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