ein Statement von Oberst Jörg Rauber beim Branchentreffen der Luftfahrtindustrie in Berlin sorgt für Zündstoff – und dürfte in Paris als klare Ansage gewertet werden: “Die F-35A ist der erste Teil von FCAS”, sagte der BMVg-Referatsleiter Planung I FCAS am Dienstag auf dem FCAS-Summit – obwohl am Bendlerblock bekannt sein dürfte, dass der französische Flugzeugbauer Dassault fest auf den Next Generation Fighter (NGF) setzt als Kernstück des Projekt Future Combat Air System. Nana Brink analysiert die verschiedenen Interessenslagen.
Für langfristigen Entwicklungsprojekte wie FCAS hat die Ukraine weder Zeit noch Geld. Auch bei der Ausbildung ihrer Soldaten, die sie dafür nach Deutschland schickt, muss die Bundeswehr spontan auf die Bedürfnisse Kiews eingehen. Mehr als 10.000 ukrainische Soldaten haben dieses Jahr eine Schnellausbildung in Deutschland durchlaufen. Thomas Wiegold schaut auf die Ausbildungsschwerpunkte und zeigt, worin die Ukrainer den Deutschen überlegen sind.
Deutschland wiederum unterstützt – nicht ganz uneigennützig – Nato-Länder, die an die Ukraine grenzen. Ich war am Dienstag in Rumänien am Flugplatz Mihail Kogălniceanu, am Schwarzen Meer. Dort überwacht die deutsche Luftwaffe den Luftraum an der Nato-Südostflanke – nur fünf Flugminuten entfernt, ist der Krieg den Eurofighter-Piloten sehr nah.
Immer wieder tauchen Gerüchte auf, Deutschland würde sich aus dem trinationalen Projekt Future Combat Air System (FCAS) zurückziehen. Auf dem FCAS-Summit in Berlin diese Woche – eine Art Branchentreffen der Luftfahrtindustrie mit Beteiligung des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) – wurde deutlich: Der von Deutschland bestellte US-Kampfjet F-35A soll früher als geplant Teil des Next Generation Weapon System (NGWS) und somit auch von FCAS werden. “Die F-35A ist der erste Teil von FCAS”, erklärte Oberst Jörg Rauber, Referatsleiter Planung I FCAS im BMVg.
Begründet wird die Eile mit den neuen Herausforderungen angesichts des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Der von Frankreich zu bauende Next Generation Fighter (NGF) scheint damit also nicht mehr die größte Wichtigkeit zu haben. In der Vergangenheit gab es heftige Streitigkeiten zwischen Deutschland und Frankreich, das in der F-35A ein Konkurrenzprodukt für FCAS sieht.
Doch die Zeit dränge, sagte Bruno Fichefeux, Head of FCAS bei Airbus Defence & Space: “Wir können nicht bis 2040 warten, um solche Systeme einzuführen.” Auf den ersten Blick verwundert diese Aussage von Airbus. Vor allem die deutsche Luftfahrtindustrie nämlich hat die Entscheidung der Bundesregierung, den US-Kampfjet zu kaufen, kritisiert. Für rund 8,3 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr sollen 35 Stück ab 2026 geliefert werden.
Auf den zweiten Blick verfolgt Airbus Defence & Space durchaus eigene Interessen. Selbst wenn Frankreich – oder Deutschland – sich aus dem Projekt FCAS irgendwann zurückziehen würden, blieben den Nationen ihre jeweils entwickelten Fähigkeiten. Aufseiten Frankreichs eine Weiterentwicklung ihres Kampfjets Rafale und auf deutscher Seite die Schaffung einer Combat Cloud oder eines sogenannten Loyal Wingman. Diese Drohne in Form eines Kampfjets wird federführend von Airbus Defence & Space entwickelt. Sie gilt als Prestige-Objekt und soll dann im FCAS-Verbund mit der F-35 A fliegen – so die USA dem technisch zustimmen.
FCAS ist das teuerste und bislang größte europäische Luftfahrtprojekt mit einem Volumen von bis zu 100 Milliarden Euro. Bis zum Jahr 2040 soll ein Next Generation Fighter (NGF) entwickelt werden, den das französische Unternehmen Dassault bauen soll. Auf der deutschen Seite steht das Unternehmen Airbus Defence & Space für die Entwicklung der unbemannten Begleitsysteme des Next Generation Weapon System (NGWS).
Darüber hinaus hat die Luftfahrtindustrie ein großes Interesse an der Bestellung einer sogenannten Tranche 5 für den Eurofighter. Der letzte aus der Tranche 4 – insgesamt sind es 38 Stück – soll bis 2030 geliefert werden. Nach Aussage von Alexander Reinhardt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) muss eine Entscheidung dafür noch 2024 fallen. Um eine “Fähigkeitslücke” bis zum Beginn von FCAS 2040 zu schließen, soll der Eurofighter ein “Upgrade” erhalten.
Er könnte damit das erste deutsche Kampfflugzeug sein, das mit anderen Fightern wie der F-35A in eine “vernetzte Operationsführung” – also in das NGWS – integriert wird. Zu den möglichen Kosten gibt es keine Angaben.
Um die Tragweite zu verstehen, die diese neue Dynamik auf dem FCAS Summit gezeigt hat, lohnt sich ein Blick auf die verschiedenen Projekte.
Sowohl im BMVg als auch bei Airbus ist man sichtlich nervös und legt Wert darauf, dass die Entwicklung des NGF nicht im Gegensatz zur F-35A Kaufentscheidung stünde. Man will, so vermuten Insider, die komplizierten Verhandlungen mit Frankreich nicht gefährden.
Angesprochen auf Probleme bei FCAS und die strengere deutsche Rüstungsexportpolitik sagte Dassault-Chef Eric Trappier am Dienstag bei einem Treffen mit Journalisten, dass er hoffe, “mindestens 20 oder 30 Jahre” mit der Rafale weitermachen zu können. FCAS sei noch “weiter weg”.
Interessant: Auf dem FCAS Summit waren laut einer Befragung nur rund zehn Prozent aller Gäste aus Industrie und BMVg der Meinung, FCAS würde bis 2040 fliegen.
Der Krieg in der Ukraine ist für die deutschen Eurofighter-Piloten in Rumänien fünf Flugminuten entfernt. Vom Flugplatz Mihail Kogălniceanu in der Nähe von Constanta am Schwarzen Meer überwacht die deutsche Luftwaffe seit dem 27. November den Nato-Luftraum. Etwa 100 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Am Mittwoch wurden die deutschen Soldaten erstmals “scharf alarmiert”, teilte die Luftwaffe mit. Es habe verstärkte russische Aktivitäten gegeben, nachdem ukrainische Kräfte einen SU-24M-Bomber abgeschossen haben sollen – danach näherte sich ein russischer Flieger dem Nato-Luftraum, vermutlich auf der Suche nach Trümmerteilen des zerstörten Jets. Zu einer direkten Konfrontation oder einer Penetration des rumänischen Luftraums kam es nicht.
Die Luftwaffe überwacht beim enhanced Air Policing South (eAPS) mit vier Eurofighter-Kampfjets vom Taktischen Luftwaffengeschwader 31 “Boelcke” aus Nörvenich in Rumänien den Luftraum über Nato-Gebiet. Was dort passiert, soll gesehen werden. Einen Tag vor der Alarmmeldung fliegt die Luftwaffe eine Gruppe Journalisten ans Schwarze Meer. Zweimal täglich starten dort jeweils zwei Eurofighter zu Routineflügen, nur 15 Minuten haben sie, um “airborne”, also in der Luft, zu sein, so Oberstleutnant Markus Kuchenbaur, der das Kontingent führt. Am Boden überwachen Soldaten mit dem Abwehrsystem gegen kleine unbemannte Luftfahrzeuge (Asul) den Raum. Das gesamte Kontingent umfasst etwa 150 Soldatinnen und Soldaten, davon 80 des Taktischen Luftwaffengeschwaders und vierzig aus dem Objektschutzregiment Luftwaffe Friesland. Am 22. Dezember reisen die deutschen Soldaten wieder ab.
Es ist ihnen wichtig, zu betonen, wie schnell und spontan sie die vier Eurofighter, Zelte, vierzig Container voller Material und die Soldaten nach Rumänien verlegt hätten. Erst im September sei die Anweisung an das Luftwaffengeschwader 31 gekommen, das enhanced Air Policing South in dem Nato-Land zu übernehmen, weil die Türkei, die eigentlich vorgesehen war, es nicht rechtzeitig schaffte. Eine Herausforderung für die Logistik. Zuvor war die Luftwaffe schon 2021 und 2022 Air Policing-Missionen in Rumänien geflogen. Im Baltikum tut sie das schon seit fast 20 Jahren.
In Rumänien kam es an der ukrainischen Grenze schon öfter zu Luftraumverletzungen durch russische Shahed 136-Drohnen aus iranischer Produktion, sagt Kuchenbaur. Mal seien es Trümmerteile von Flugkörpern, die in der Ukraine abgeschossen wurden und in Rumänien landeten, mal Drohnen, die unkontrolliert über ihre Destination hinausflogen, deren Übertritt aber als “nicht beabsichtigt” klassifiziert wurde.
Über dem Schwarzen Meer, außerhalb der Zwölf-Meilen-Zone vor der Küste, beginnt der internationale Luftraum. “Die Russen nutzen ihn sehr aktiv”, sagt Kuchenbaur und seien bedacht, nicht in die Zone einzudringen. Anhand der Flugspuren könne man sehen, dass sie sich bewusst seien, “da ist die Nato, diese Zwölf-Meilen-Zone wollen wir nicht penetrieren”, sagt Kuchenbaur. Die deutschen Piloten habe er instruiert, “defensiv zu agieren, aber Präsenz in der Luft zu zeigen”. Ein Zeichen, das auch Radare in 200 bis 300 Meilen Entfernung auf der russisch besetzten Krim registrierten.
Und komplett uneigennützig ist die Mission nicht. Für das Asul-System des deutschen Herstellers ESG, das zum Schutz der Deutschen Drohnen stört, ist der Einsatz Werbung. Das rumänische Heer denke darüber nach, das System zu erwerben, sagt Kuchenbaur. In Rumänien suche man außerdem nach einer Möglichkeit, den Schützenpanzer Gepard mit dem System zu verbinden, damit der Gepard Zielzuweisungen von Asul erhalten und Drohnen abschießen könne. Rumänien nutzt als einziges Nato-Land noch die Gepard-Panzer, die in Deutschland vor über zehn Jahren ausgemustert wurden, und in der Ukraine eine überraschend hohe Trefferquote haben.
Auch politisch sendet der Einsatz ein Signal nach Bukarest. “In den letzten zwei Jahren, seit Beginn des Krieges, haben wir eine sehr starke Intensivierung des politischen und sicherheitspolitischen Austausches feststellen können“, sagte der deutsche Botschafter in Rumänien, Peer Gebauer zu Table.Media.
Im April 2023 besuchte Bundeskanzler Olaf Scholz Rumänien, 13 Jahre nach dem letzten Besuch eines deutschen Regierungschefs in Bukarest. Präsident Frank-Walter Steinmeier war in den vergangenen zwei Jahren zweimal dort. Im Juli besuchte der rumänische Ministerpräsident Marcel Ciolacu Berlin.
Deutschland wendet sich in der Nato kleineren Ländern im Osten Europas zu, während sich die Beziehungen zu traditionellen Partnern wie Frankreich verschlechtern. In Litauen laufen die Vorbereitungen für die Stationierung der Brigade, und Rumänien ist auch in der EU ein wichtiger Partner. Bei schwierigen Fragen sei Rumänien “Teil der Lösung” und nutze nicht “wie andere Staaten es tun, Vetos, um nationale Interessen durchzusetzen”, sagt Gebauer.
Ciolacu hatte sich bei seinem Besuch in Berlin eine ständige deutsche Truppenpräsenz in seinem Land gewünscht. Er dürfte einen Trostpreis bekommen. Im Januar 2023 hatte der kriselnde deutsch-französische Ministerrat beschlossen, dass die deutsch-französische Brigade 2024 in Rumänien üben solle. Das könnte zur Verbesserung des schlechten deutsch-französischen Verhältnisses führen und die Beziehung zu Rumänien vertiefen.
Die militärische Unterstützung des Westens für die Ukraine in ihrem Abwehrkrieg gegen Russland beruht nicht allein auf der Lieferung von Waffen und Munition. Mehr als 10.000 ukrainische Soldaten haben in diesem Jahr eine Schnell-Ausbildung in Deutschland durchlaufen, davon allein gut 9.000 im Rahmen einer EU-Mission, in der die Bundeswehr zusammen mit Verbündeten auf deutschen Übungsplätzen und in der Rüstungsindustrie die Ukrainer schult. Hinzu kommt eine nicht bekannte Zahl von ukrainischen Soldaten, die auf dem US-Truppenübungsplatz Grafenwöhr in Bayern von US-Soldaten ausgebildet wurden.
Die Bundeswehr ist stolz auf den Aufwand, den sie zusammen mit Ausbildern aus 15 anderen Nationen treibt. Auf die – im rechnerischen Durchschnitt – rund 600 Ukrainer, die pro Tag ihr Trainingsprogramm durchlaufen, kommen rund 1.000 Soldaten, die diese Ausbildung möglich machen: Neben den eigentlichen Ausbildern auch das Personal auf den Übungsplätzen und nicht zuletzt Übersetzer, im Militärjargon: Sprachmittler.
Am Ende kommen auf einen ukrainischen Soldaten 1,7 Personen, die die Ausbildung ermöglichen, rechnet Generalleutnant Andreas Marlow vor, Kommandeur des Special Training Command der “European Military Assistance Mission in Support of Ukraine (EUMAM UA). Mit durchschnittlich eingesetzten 1.500 Bundeswehrangehörigen, Soldaten wie Zivilbeschäftigen, ist dieser Auftrag nach EUMAM-Angaben “derzeit die zahlenmäßig größte Mission der Bundeswehr”.
Ein Grund dafür liegt darin, dass die Bundeswehr nicht, wie zum Beispiel Großbritannien, die Grundausbildung neuer Rekruten in den Vordergrund stellt. Auf den deutschen Übungsplätzen und in Kasernen wie bei der Industrie steht die Spezialisierung im Vordergrund: Sanitäter, aber auch Scharfschützen oder Pioniere sollen von deutschen – und anderen europäischen Soldaten zum Beispiel aus den Niederlanden – lernen. Wesentlichen Anteil hat auch die Ausbildung von Besatzungen für das Flugabwehrsystem Patriot, Kampfpanzer oder Artilleriegeschütze, die Deutschland und andere Nationen an die Ukraine liefern.
Hinzu kommt die sogenannte Führungsausbildung, das Training für Kommandeure von Brigaden und deren Stäbe, aber auch für Bataillonskommandeure und Kompaniechefs. Offen nennt die Bundeswehr keine Details, aber aus Gesprächen wird klar: In dem Vorgehen an der Front gibt es durchaus unterschiedliche Ansätze von Einheiten, die sich schnell auf veränderte Situationen auf dem Gefechtsfeld einstellen, und höheren Offizieren, die noch eine Ausbildung nach altem sowjetischem Muster durchlaufen haben und darauf bestehen, einen vorgegebenen Plan auch auszuführen. Das hat Folgen, auch für den effektiven Einsatz gelieferten westlichen Geräts wie zum Beispiel der Leopard-Kampfpanzer.
Wer und wie ausgebildet wird, entscheidet allerdings die Ukraine selbst, nicht die EU oder der von Marlow geführte EU-Ausbildungsapparat. “Wir bilden nur das aus, was die Ukrainer bei uns nachfragen”, sagt der General. Und auch die Planung ist gewöhnungsbedürftig für eine an lange Vorbereitungszeiten gewöhnte Bundeswehr: Erst wenige Wochen vor dem Start eines Ausbildungsabschnittes ist klar, wer und wie viele ukrainische Soldaten zum Training nach Deutschland kommen. Zu wechselhaft ist die Situation an der Front, als dass Streitkräfte und Verteidigungsministerium in Kiew langfristig planen könnten.
Die Ausbildung für reale Kriegsbedingungen zwingt die Deutschen auch zur Abkehr von ihren üblichen Zeitplänen. Wenige Wochen müssen reichen, um die Ukrainer fit für das “Überleben auf dem Gefechtsfeld” oder für ihre Aufgabe an komplexen Waffensystemen wie der Panzerhaubitze 2000 zu machen. Eine entsprechende Ausbildung für einen Bundeswehrsoldaten wird schon mal mit einem halben Jahr veranschlagt – aber auch deshalb, weil die deutsche Dienst- und Arbeitszeit nach der sogenannten Soldatenarbeitszeitverordnung Grenzen dessen setzt, was in einem bestimmten Zeitraum geschafft werden kann.
Die Anpassung an ein Training für Kriegsbedingungen bedeutet auch für die Bundeswehr eine steile Lernkurve. “Es ist ein Geben und Nehmen”, räumt Kommandeur Marlow ein. Was den taktischen Einsatz von Kleindrohnen an der Front angeht oder die digitale Vernetzung von der Aufklärung einer russischen Stellung bis zum Artillerieschlag: Von den Erfahrungen der Ukrainer in diesem Krieg können auch die Nato-Soldaten profitieren. “Da sind ganz, ganz viele Ebenen, auf denen wir etwas lernen können.”
Das wurde kürzlich Generalinspekteur Carsten Breuer bewusst. Bei einem Besuch der Ausbildung, so schilderte der oberste deutsche Soldat, hätten ihn die Ukrainer etwas fassungslos gefragt, wo denn eigentlich die Drohnen wären, die als fliegende Kameras einen Vorstoß überwachen und absichern sollten. Die Deutschen, musste Breuer einräumen, konnten an einer Waldspitze nicht per unbemanntem Flugsystem die Feindlage aufklären – sondern mussten sich mit ihren Panzern vorsichtig um den Wald herumtasten.
Der Bundesrechnungshof (BRH) hat in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht zwei Beschaffungsprojekte der Bundeswehr angemahnt.
Seit 2014 ersetzt die Bundeswehr sukzessive das alte Maschinengewehr MG 3 mit dem neueren Typ MG 5. Seither sind bereits 10.872 MGs bestellt worden, insgesamt sollen es 18.875 werden. Kostenpunkt: 375 Millionen Euro. Die Bundeswehr bewaffnet damit auch ihre Fahrzeuge. Das Problem: Die Umstellung auf das neue MG zieht Anpassungen an den Fahrzeugen nach sich.
Mit Stand März dieses Jahres sind die Waffenhalterungen für den sicheren Transport der Gewehre in rund 9.500 Landfahrzeugen noch nicht für das neue MG 5 angepasst, heißt es in dem Bericht. Auch die Anpassung der Lafetten, also der beweglichen Halterungen auf den Fahrzeugen, laufe nicht richtig an, genauso wenig wie die Entwicklung von Übungspatronen. Diese Anpassungen sollen mehr als 100 Millionen Euro kosten. Dazu kommt der Aspekt Ausbildung: Die Truppe soll das Übungssystem nach gegenwärtiger Planung im Jahr 2024 erhalten.
“Bis zum Ende der Anpassungen und der Einführung des Übungssystems ist ein erheblicher Teil der 10.872 bislang gekauften Maschinengewehre MG 5 nicht wie vorgesehen einsetzbar”, kritisiert der BRH. Die Bundeswehr hätte das Geld für dringender benötigte, schnell verfügbare Ausrüstungsgegenstände oder Waffen ausgeben sollen.
Auch ihre zehn Minenabwehrboote wollte die Bundeswehr ab 2027 ersetzen, eine Neukonzeption lief kostentechnisch aber aus dem Ruder und führte zum Projektabbruch. Auch weil sich das Projektteam, die beteiligten Dienststellen und die Marine nicht auf die benötigte Ausstattung einigen konnten. Schlussendlich sollen die Boote nun für 1,3 Milliarden Euro modernisiert und bis 2040 weiter genutzt werden – eine unwirtschaftliche, aber alternativlose Zwischenlösung, wie selbst das BMVg anerkannte.
Denn es ist absehbar, dass die modernisierten Boote die Aufgabe der Seeminenabwehr, eine Kernkompetenz der Deutschen Marine, nicht mehr auf dem erforderlichen Niveau leisten werden können. Der BRH kritisierte das unkoordinierte Vorgehen und die teure Zwischenlösung.
Der Bericht des Bundesrechnungshofes erscheint jährlich nach Abschluss des Haushaltsjahres und ist die Grundlage für Bundestag und Bundesrat, die Bundesregierung für das abgelaufene Haushaltsjahr zu entlasten. klm
Der Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) in Deutschland, Ahmed Alattar, hat sich für eine stärkere Rolle des Golfkooperationsrats (GCC) beim Aufbau eines Systems kollektiver Sicherheit im Nahen Osten ausgesprochen. Schon jetzt erfülle das Bündnis aus Saudi-Arabien, den VAE, Kuwait, Bahrain und Oman diese Funktion, “indem er ein gemeinsames Identitätsgefühl bietet, das für die Sicherheit in der Region sehr wichtig ist.” Die Arabische Liga könne der GCC jedoch nicht ersetzen. “Sie ergänzen sich, und das schon seit einer ganzen Weile”.
Die Art und Weise, wie der Golfkooperationsrat sicherheitspolitisch agierte, unterscheide sich jedoch von der etwa der Nato. “Dort gelten andere Standards, andere Wege der Politikgestaltung.” Zudem vertrete die Arabische Liga weiter “eine sehr große Bandbreite an politischen Positionen, die Gruppe des Golfkooperationsrats ist im Vergleich dazu doch eher kleiner”.
Im Gespräch mit Table.Media kritisierte der Botschafter des Gastgeberlandes der COP28 in Dubai, dass die Klimadebatte in Deutschland ideologisch und nicht pragmatisch geführt werde. Das in Deutschland vorherrschende Narrativ, “von heute auf morgen auf den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu verzichten” sei “sehr gefährlich”. Statt eine Balance zwischen Wirtschaftswachstum und Emissionsreduzierung erzeuge die Forderung “politischen Widerstand”, was dazu führe, “dass immer mehr Menschen die Idee, den Planeten zu schützen und den Klimawandel zu bekämpfen, ablehnen werden”, so Alattar. Ziel seiner Regierung sei es daher, auf der Klimakonferenz COP28 “eine gerechte Energiewende, die alle Interessengruppen einschließt” einzuleiten. mrb
Trotz Appellen von US-Präsident Joe Biden, die Gelder vor der Weihnachtspause freizugeben, blockiert der US-Senat weiter milliardenschwere Sicherheitshilfen für die Ukraine und Israel. Das von Biden befürwortete Finanzpaket erhielt bei einer parteiübergreifenden Abstimmung am Mittwoch nicht die nötigen 60 Stimmen, um im 100-köpfigen Senat zur Debatte zu kommen. Es sah mehr als 60 Milliarden Dollar für die Ukraine, 14 Milliarden für Israel sowie 20 Milliarden für den US-Grenzschutz vor. Die Republikaner forderten bis zum Schluss radikale Änderungen an der Einwanderungspolitik für ihre Zustimmung. Die Opposition bestand auf einem stärkeren Grenzschutz, inklusive des Weiterbaus der umstrittenen Grenzmauer zu Mexiko, sowie einer Einschränkung der Zahl der Asylgewährungsgründe.
Neben den Republikanern stimmte auch der linke Senator Bernie Sanders gegen das Paket. Sein Motiv ist aber ein anderes als das der konservativen und rechten Senatoren: Kritik an Israels Regierung und Militärstrategie, die er als “unmenschlich” bezeichnete. Sanders fordert, weitere Militärhilfen an Bedingungen zu knüpfen, unter anderem an ein Ende von Flächenbombardements durch die israelische Luftwaffe sowie eine längere Waffenpause und die Aufstockung humanitärer Hilfen.
Biden hatte vor der Abstimmung gewarnt, dass eine Blockade der militärischen Hilfe das Ansehen der US-Regierung als verlässlichen internationalen Partner gefährde. “Eine Blockade des Gesetzes wird sowohl den Gegnern als auch den Verbündeten der USA signalisieren, dass die Vereinigten Staaten nicht hinter ihren internationalen Partnern stehen.”
Das Weiße Haus gab am Mittwoch bekannt, die Zusammenarbeit zwischen der US-amerikanischen und der ukrainischen Rüstungsindustrie und die gemeinsame Waffenproduktion verstärken zu wollen. Zudem kündigte die US-Regierung am Mittwoch neue Sicherheitshilfen für die Ukraine in Höhe von 175 Millionen Dollar an. Das Paket, das aus bereits bewilligten Mitteln stammt, umfasst Munition, Raketen und Artilleriegeschosse sowie “Ausrüstung zum Schutz kritischer nationaler Infrastrukturen”, so das US-Verteidigungsministerium. Dass die beiden Kammern des Kongresses noch vor Jahresende über weitere Gelder abstimmen werden, gilt als unwahrscheinlich.
Nach Berechnungen des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) ging in den vergangenen Monaten auch international die Militär- und Finanzhilfe für die Ukraine stark zurück. Von August bis Oktober wurden dem Land Hilfspakete von 2,1 Milliarden Euro zugesagt – nur etwas mehr als ein Zehntel der Summe aus dem Vorjahreszeitraum. Die Ukraine ist somit immer abhängiger von einer kleinen Zahl großer Unterstützer wie Deutschland, den nordischen Ländern – und eigentlich auch den USA. asc
Im Südkaukasus haben die beiden verfeindeten Nachbarländer Armenien und Aserbaidschan wenige Monate nach der jüngsten Eskalation gefangene Soldaten ausgetauscht. Aserbaidschan lasse 32 Armenier und Armenien zwei Aserbaidschaner frei, teilten beide Seiten am Donnerstag in einer gemeinsamen Erklärung mit. Es handele sich um einen Schritt, der das gegenseitige Vertrauen stärken solle, um die Beziehungen zwischen den Staaten zu normalisieren, hieß es weiter. Zudem äußerten beide Seiten die Absicht, in Zukunft einen Friedensvertrag zu schließen. Details dazu wurden aber nicht genannt.
Armenien und Aserbaidschan kämpfen bereits seit Jahrzehnten insbesondere um die Region Berg-Karabach. Diese liegt zwar auf aserbaidschanischem Staatsgebiet, wurde aber bis vor kurzem mehrheitlich von Karabach-Armeniern bewohnt. Im September griff das autoritär geführte Aserbaidschan an und eroberte das Gebiet innerhalb kurzer Zeit. Mehr als 100 000 Einwohner flohen seitdem nach Armenien. Erst vor wenigen Wochen äußerte Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan dann die Befürchtung, dass Aserbaidschan weitere Angriffe auch auf armenisches Staatsgebiet planen könnte. dpa
Die noch verbleibenden Staaten der G5-Sahel-Gruppe bereiten offenbar deren Auflösung vor. Das geht aus einer gemeinsamen Mitteilung von Mauretanien und Tschad hervor, die am Dienstagabend von der mauretanischen Nachrichtenagentur verbreitet wurde. Mauretanien und Tschad stünden weiterhin hinter dem Ideal eines größeren regionalen Zusammenhalts in Afrika, hieß es in der Mitteilung. Außerdem blieben beide Länder den Zielen der G5-Sahel-Gruppe verbunden, gemeinsam gegen kriminelle Banden und Terroristen vorzugehen.
Anfang des Monats hatten Burkina Faso und Niger ihren Rückzug aus den G5 mitgeteilt. Mali war bereits im Mai 2022 aus dem Bündnis zurückgetreten. Das Sicherheitsbündnis im Sahel, die G5-Sahel-Gruppe stand bereits nach dem Austritt Malis Mitte 2022 unter großem Druck. Die G5 hatten auch eine gemeinsame Verteidigungstruppe aufgestellt, die jedoch selten zum Einsatz kam.
Die drei von Militärregierungen geführten Länder Mali, Burkina Faso und Niger haben mit der sogenannten Alliance des États du Sahel (AES) im Herbst dieses Jahres eine eigene Verteidigungsorganisation ins Leben gerufen. Die drei Länder setzen verstärkt auf Russland als Partner für Sicherheit. Anfang der Woche unterzeichnete die Junta unter General Abdourahamane Tiani in Niger eine Kooperation mit dem russischen Vize-Verteidigungsminister Yunus-bek Yevkurov. Ebenfalls am Montag kündigte Niger die Zusammenarbeit mit der EU in Sicherheitsfragen auf. Das betrifft insbesondere die Ausbildungsmission für Sicherheitskräfte Eucap. lcw
ZDF: Sahelzone – Wie Moskau den Westen aussticht. Angesichts des Abzugs der UN-Blauhelmtruppen aus Mali füllt Russland die entstandene Lücke mit Propaganda und Waffenlieferungen. Hinter Moskaus Versprechungen von Sicherheit und einer neuen Souveränität stehen Eigeninteressen, die es sich in Gold und anderen Rohstoffen auszahlen lässt. Die neue Partnerschaft, die in Mali bereits sichtbar ist, könnte bald auch im Nachbarland Niger folgen.
New York Times: Gaza War Widens Gap Between Arab Rulers and Citizens. Bahrain wirkt wie ein Mikrokosmos jener Spannungen, die sich dieser Tage in ganz Nahost ausbreiten: Der Druck von Seiten der Bürger, die Beziehungen zu Israel abzubrechen, wächst. Die Golfmonarchie ist kein Einzelfall: Auch in Marokko, Jordanien und Ägypten wird Kritik laut. Der Krieg im Gazastreifen ist ein Treiber für die Kluft zwischen vielen arabischen Führern und ihren Bevölkerungen.
Die Zeit: Bei der internationalen Rüstungskontrolle agiert Deutschland schwach. Bei wichtigen Abrüstungskonventionen tritt die Bundesrepublik als “Gegner” oder “Zögerer” auf, stellt die Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung fest. Abrüstung passe nicht zum Stil der Zeitenwende. Stattdessen setze Deutschland sich, speziell im Bereich von Kampfdrohnen, für ein UN-Waffenregister und Einsatzregeln ein.
Den Überblick über die deutsche Cybersicherheitsarchitektur zu behalten, ist nicht leicht. Zahlreiche Akteure auf internationaler, Bund-, Länder- und Kommunalebene und diverse Verknüpfungen kreieren ein komplexes System – “und Komplexität ist der Feind von Sicherheit“, meint Sven Herpig.
Als Leiter des Bereichs “Cybersicherheitspolitik und Resilienz” bei der Stiftung Neue Verantwortung muss er aber den Überblick behalten. Über Kompetenzen, Verflechtungen, Zusammenhänge – und über die Schwachstellen des Systems. Vor allem letztere hat Herpig im Auge. Er findet: “Wir haben es bis heute nicht geschafft, unsere Sicherheitsarchitektur effektiv aufzustellen. Wir müssen zentrale Gremien wie den Nationalen Cybersicherheitsrat und das Nationale Cyberabwehrzentrum reformieren, um diese aktions- und handlungsfähig zu gestalten.”
Und zwar radikal müsse dieser Umbau sein: “Wir müssen uns anschauen, warum Gremien nicht funktionieren und wie wir sie aufstellen müssen, damit sie das tun. Wir müssen uns trauen, mutige Entscheidungen zu treffen und dazu gehört auch, anzuerkennen, wenn etwas nicht sinnvoll ist, neu-, umgebaut oder umgestaltet werden muss.”
Wenn Herpig von Umbau und Mut spricht, tut er das nicht mit Rage, sondern ruhig und sachlich. Er ist sich sicher mit seinem Handeln, seinem Forschen, seinen Ideen. Und er fühlt sich wohl damit, diese in den politischen Raum zu werfen und Lösungen zu präsentieren – “damit niemand am Ende sagen kann, es habe keine gegeben”, sagt er, von einem Grinsen begleitet.
Sein Wissen darf er der Politik immer wieder präsentieren. Bisher zum Beispiel als Sachverständiger für IT-Sicherheit im Innenausschuss, für den militärischen Cyber- und Informationsraum im Verteidigungsausschuss oder für Digitale Souveränität im Ausschuss Digitale Agenda. Zudem briefte Herpig den US Congressional Cybersecurity Caucus, eine Task Force im Europäischen Parlament und die Außen- und Sicherheitspolitische Vereinigung der Parlamentsmitarbeiter im Bundestag.
Sein Interesse für das Thema Cybersicherheit begann früh: Im Teenager-Dasein bastelte er schon Websites und im Studium – Politikwissenschaft, Global Communications und Internationale Beziehungen – legte er den Fokus auf das Thema Internet, wo immer er konnte. Nach seinem Abschluss arbeitete er in der Lehre, als Kommunikationsmanager für die Konrad-Adenauer-Stiftung, als Stabsmitarbeiter für IT-Sicherheit beim Auswärtigen Amt und als stellvertretender Referatsleiter für Cybersicherheit in der Gesellschaft beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik.
Bei der Stiftung Neue Verantwortung ist der 38-Jährige seit 2017. Neben der Cybersicherheitsarchitektur gehören Verschlüsselungspolitik, staatliches Hacken und Schwachstellenmanagement, der Schutz von Wahlen in vernetzten Gesellschaften und die Sicherheit von Machine Learning Anwendungen zu seinen Themen.
Seit 2018 bringen er und seine Kolleginnen und Kollegen zweimal im Jahr eine Grafik heraus, die Deutschlands staatliche Cybersicherheitsarchitektur kategorisiert und darstellt – auch bekannt als Cyber-Wimmelbild. “Denn nur mit einem umfassenden Lagebild lassen sich vernünftige Handlungsoptionen entwickeln”, sagt Herpig.
Und dieser Lagebilder bedarf es mehr denn je, Gefahren aus dem Cyberraum sind breit gefächert. “Betrachten wir den wirtschaftlichen Schaden, ist definitiv Cyberkriminalität die größte Gefahr – nicht nur begrenzt auf Ransomware, diese ist nur ein Werkzeug. Wenn wir uns anschauen, was die deutschen Bundesbehörden am meisten bedroht, geht es eher um gezielte Cyberspionage. Kommunen müssen in den Bereich der disruptiven Cyberkriminalität schauen. Für politisch verfolgte Gruppen ist Spionage die größte Bedrohung. Einzelpersonen dagegen fallen häufig Scam zum Opfer. Je nach Zielgruppe ist die Bedrohungslage unterschiedlich.” Zahlreiche Bedrohungen, zahlreiche Akteure, zahlreiche Verknüpfungen – den Überblick zu behalten ist nicht leicht. Dass Sven Herpig es tut, ist unverzichtbar. Anouk Schlung
ein Statement von Oberst Jörg Rauber beim Branchentreffen der Luftfahrtindustrie in Berlin sorgt für Zündstoff – und dürfte in Paris als klare Ansage gewertet werden: “Die F-35A ist der erste Teil von FCAS”, sagte der BMVg-Referatsleiter Planung I FCAS am Dienstag auf dem FCAS-Summit – obwohl am Bendlerblock bekannt sein dürfte, dass der französische Flugzeugbauer Dassault fest auf den Next Generation Fighter (NGF) setzt als Kernstück des Projekt Future Combat Air System. Nana Brink analysiert die verschiedenen Interessenslagen.
Für langfristigen Entwicklungsprojekte wie FCAS hat die Ukraine weder Zeit noch Geld. Auch bei der Ausbildung ihrer Soldaten, die sie dafür nach Deutschland schickt, muss die Bundeswehr spontan auf die Bedürfnisse Kiews eingehen. Mehr als 10.000 ukrainische Soldaten haben dieses Jahr eine Schnellausbildung in Deutschland durchlaufen. Thomas Wiegold schaut auf die Ausbildungsschwerpunkte und zeigt, worin die Ukrainer den Deutschen überlegen sind.
Deutschland wiederum unterstützt – nicht ganz uneigennützig – Nato-Länder, die an die Ukraine grenzen. Ich war am Dienstag in Rumänien am Flugplatz Mihail Kogălniceanu, am Schwarzen Meer. Dort überwacht die deutsche Luftwaffe den Luftraum an der Nato-Südostflanke – nur fünf Flugminuten entfernt, ist der Krieg den Eurofighter-Piloten sehr nah.
Immer wieder tauchen Gerüchte auf, Deutschland würde sich aus dem trinationalen Projekt Future Combat Air System (FCAS) zurückziehen. Auf dem FCAS-Summit in Berlin diese Woche – eine Art Branchentreffen der Luftfahrtindustrie mit Beteiligung des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) – wurde deutlich: Der von Deutschland bestellte US-Kampfjet F-35A soll früher als geplant Teil des Next Generation Weapon System (NGWS) und somit auch von FCAS werden. “Die F-35A ist der erste Teil von FCAS”, erklärte Oberst Jörg Rauber, Referatsleiter Planung I FCAS im BMVg.
Begründet wird die Eile mit den neuen Herausforderungen angesichts des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Der von Frankreich zu bauende Next Generation Fighter (NGF) scheint damit also nicht mehr die größte Wichtigkeit zu haben. In der Vergangenheit gab es heftige Streitigkeiten zwischen Deutschland und Frankreich, das in der F-35A ein Konkurrenzprodukt für FCAS sieht.
Doch die Zeit dränge, sagte Bruno Fichefeux, Head of FCAS bei Airbus Defence & Space: “Wir können nicht bis 2040 warten, um solche Systeme einzuführen.” Auf den ersten Blick verwundert diese Aussage von Airbus. Vor allem die deutsche Luftfahrtindustrie nämlich hat die Entscheidung der Bundesregierung, den US-Kampfjet zu kaufen, kritisiert. Für rund 8,3 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr sollen 35 Stück ab 2026 geliefert werden.
Auf den zweiten Blick verfolgt Airbus Defence & Space durchaus eigene Interessen. Selbst wenn Frankreich – oder Deutschland – sich aus dem Projekt FCAS irgendwann zurückziehen würden, blieben den Nationen ihre jeweils entwickelten Fähigkeiten. Aufseiten Frankreichs eine Weiterentwicklung ihres Kampfjets Rafale und auf deutscher Seite die Schaffung einer Combat Cloud oder eines sogenannten Loyal Wingman. Diese Drohne in Form eines Kampfjets wird federführend von Airbus Defence & Space entwickelt. Sie gilt als Prestige-Objekt und soll dann im FCAS-Verbund mit der F-35 A fliegen – so die USA dem technisch zustimmen.
FCAS ist das teuerste und bislang größte europäische Luftfahrtprojekt mit einem Volumen von bis zu 100 Milliarden Euro. Bis zum Jahr 2040 soll ein Next Generation Fighter (NGF) entwickelt werden, den das französische Unternehmen Dassault bauen soll. Auf der deutschen Seite steht das Unternehmen Airbus Defence & Space für die Entwicklung der unbemannten Begleitsysteme des Next Generation Weapon System (NGWS).
Darüber hinaus hat die Luftfahrtindustrie ein großes Interesse an der Bestellung einer sogenannten Tranche 5 für den Eurofighter. Der letzte aus der Tranche 4 – insgesamt sind es 38 Stück – soll bis 2030 geliefert werden. Nach Aussage von Alexander Reinhardt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) muss eine Entscheidung dafür noch 2024 fallen. Um eine “Fähigkeitslücke” bis zum Beginn von FCAS 2040 zu schließen, soll der Eurofighter ein “Upgrade” erhalten.
Er könnte damit das erste deutsche Kampfflugzeug sein, das mit anderen Fightern wie der F-35A in eine “vernetzte Operationsführung” – also in das NGWS – integriert wird. Zu den möglichen Kosten gibt es keine Angaben.
Um die Tragweite zu verstehen, die diese neue Dynamik auf dem FCAS Summit gezeigt hat, lohnt sich ein Blick auf die verschiedenen Projekte.
Sowohl im BMVg als auch bei Airbus ist man sichtlich nervös und legt Wert darauf, dass die Entwicklung des NGF nicht im Gegensatz zur F-35A Kaufentscheidung stünde. Man will, so vermuten Insider, die komplizierten Verhandlungen mit Frankreich nicht gefährden.
Angesprochen auf Probleme bei FCAS und die strengere deutsche Rüstungsexportpolitik sagte Dassault-Chef Eric Trappier am Dienstag bei einem Treffen mit Journalisten, dass er hoffe, “mindestens 20 oder 30 Jahre” mit der Rafale weitermachen zu können. FCAS sei noch “weiter weg”.
Interessant: Auf dem FCAS Summit waren laut einer Befragung nur rund zehn Prozent aller Gäste aus Industrie und BMVg der Meinung, FCAS würde bis 2040 fliegen.
Der Krieg in der Ukraine ist für die deutschen Eurofighter-Piloten in Rumänien fünf Flugminuten entfernt. Vom Flugplatz Mihail Kogălniceanu in der Nähe von Constanta am Schwarzen Meer überwacht die deutsche Luftwaffe seit dem 27. November den Nato-Luftraum. Etwa 100 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Am Mittwoch wurden die deutschen Soldaten erstmals “scharf alarmiert”, teilte die Luftwaffe mit. Es habe verstärkte russische Aktivitäten gegeben, nachdem ukrainische Kräfte einen SU-24M-Bomber abgeschossen haben sollen – danach näherte sich ein russischer Flieger dem Nato-Luftraum, vermutlich auf der Suche nach Trümmerteilen des zerstörten Jets. Zu einer direkten Konfrontation oder einer Penetration des rumänischen Luftraums kam es nicht.
Die Luftwaffe überwacht beim enhanced Air Policing South (eAPS) mit vier Eurofighter-Kampfjets vom Taktischen Luftwaffengeschwader 31 “Boelcke” aus Nörvenich in Rumänien den Luftraum über Nato-Gebiet. Was dort passiert, soll gesehen werden. Einen Tag vor der Alarmmeldung fliegt die Luftwaffe eine Gruppe Journalisten ans Schwarze Meer. Zweimal täglich starten dort jeweils zwei Eurofighter zu Routineflügen, nur 15 Minuten haben sie, um “airborne”, also in der Luft, zu sein, so Oberstleutnant Markus Kuchenbaur, der das Kontingent führt. Am Boden überwachen Soldaten mit dem Abwehrsystem gegen kleine unbemannte Luftfahrzeuge (Asul) den Raum. Das gesamte Kontingent umfasst etwa 150 Soldatinnen und Soldaten, davon 80 des Taktischen Luftwaffengeschwaders und vierzig aus dem Objektschutzregiment Luftwaffe Friesland. Am 22. Dezember reisen die deutschen Soldaten wieder ab.
Es ist ihnen wichtig, zu betonen, wie schnell und spontan sie die vier Eurofighter, Zelte, vierzig Container voller Material und die Soldaten nach Rumänien verlegt hätten. Erst im September sei die Anweisung an das Luftwaffengeschwader 31 gekommen, das enhanced Air Policing South in dem Nato-Land zu übernehmen, weil die Türkei, die eigentlich vorgesehen war, es nicht rechtzeitig schaffte. Eine Herausforderung für die Logistik. Zuvor war die Luftwaffe schon 2021 und 2022 Air Policing-Missionen in Rumänien geflogen. Im Baltikum tut sie das schon seit fast 20 Jahren.
In Rumänien kam es an der ukrainischen Grenze schon öfter zu Luftraumverletzungen durch russische Shahed 136-Drohnen aus iranischer Produktion, sagt Kuchenbaur. Mal seien es Trümmerteile von Flugkörpern, die in der Ukraine abgeschossen wurden und in Rumänien landeten, mal Drohnen, die unkontrolliert über ihre Destination hinausflogen, deren Übertritt aber als “nicht beabsichtigt” klassifiziert wurde.
Über dem Schwarzen Meer, außerhalb der Zwölf-Meilen-Zone vor der Küste, beginnt der internationale Luftraum. “Die Russen nutzen ihn sehr aktiv”, sagt Kuchenbaur und seien bedacht, nicht in die Zone einzudringen. Anhand der Flugspuren könne man sehen, dass sie sich bewusst seien, “da ist die Nato, diese Zwölf-Meilen-Zone wollen wir nicht penetrieren”, sagt Kuchenbaur. Die deutschen Piloten habe er instruiert, “defensiv zu agieren, aber Präsenz in der Luft zu zeigen”. Ein Zeichen, das auch Radare in 200 bis 300 Meilen Entfernung auf der russisch besetzten Krim registrierten.
Und komplett uneigennützig ist die Mission nicht. Für das Asul-System des deutschen Herstellers ESG, das zum Schutz der Deutschen Drohnen stört, ist der Einsatz Werbung. Das rumänische Heer denke darüber nach, das System zu erwerben, sagt Kuchenbaur. In Rumänien suche man außerdem nach einer Möglichkeit, den Schützenpanzer Gepard mit dem System zu verbinden, damit der Gepard Zielzuweisungen von Asul erhalten und Drohnen abschießen könne. Rumänien nutzt als einziges Nato-Land noch die Gepard-Panzer, die in Deutschland vor über zehn Jahren ausgemustert wurden, und in der Ukraine eine überraschend hohe Trefferquote haben.
Auch politisch sendet der Einsatz ein Signal nach Bukarest. “In den letzten zwei Jahren, seit Beginn des Krieges, haben wir eine sehr starke Intensivierung des politischen und sicherheitspolitischen Austausches feststellen können“, sagte der deutsche Botschafter in Rumänien, Peer Gebauer zu Table.Media.
Im April 2023 besuchte Bundeskanzler Olaf Scholz Rumänien, 13 Jahre nach dem letzten Besuch eines deutschen Regierungschefs in Bukarest. Präsident Frank-Walter Steinmeier war in den vergangenen zwei Jahren zweimal dort. Im Juli besuchte der rumänische Ministerpräsident Marcel Ciolacu Berlin.
Deutschland wendet sich in der Nato kleineren Ländern im Osten Europas zu, während sich die Beziehungen zu traditionellen Partnern wie Frankreich verschlechtern. In Litauen laufen die Vorbereitungen für die Stationierung der Brigade, und Rumänien ist auch in der EU ein wichtiger Partner. Bei schwierigen Fragen sei Rumänien “Teil der Lösung” und nutze nicht “wie andere Staaten es tun, Vetos, um nationale Interessen durchzusetzen”, sagt Gebauer.
Ciolacu hatte sich bei seinem Besuch in Berlin eine ständige deutsche Truppenpräsenz in seinem Land gewünscht. Er dürfte einen Trostpreis bekommen. Im Januar 2023 hatte der kriselnde deutsch-französische Ministerrat beschlossen, dass die deutsch-französische Brigade 2024 in Rumänien üben solle. Das könnte zur Verbesserung des schlechten deutsch-französischen Verhältnisses führen und die Beziehung zu Rumänien vertiefen.
Die militärische Unterstützung des Westens für die Ukraine in ihrem Abwehrkrieg gegen Russland beruht nicht allein auf der Lieferung von Waffen und Munition. Mehr als 10.000 ukrainische Soldaten haben in diesem Jahr eine Schnell-Ausbildung in Deutschland durchlaufen, davon allein gut 9.000 im Rahmen einer EU-Mission, in der die Bundeswehr zusammen mit Verbündeten auf deutschen Übungsplätzen und in der Rüstungsindustrie die Ukrainer schult. Hinzu kommt eine nicht bekannte Zahl von ukrainischen Soldaten, die auf dem US-Truppenübungsplatz Grafenwöhr in Bayern von US-Soldaten ausgebildet wurden.
Die Bundeswehr ist stolz auf den Aufwand, den sie zusammen mit Ausbildern aus 15 anderen Nationen treibt. Auf die – im rechnerischen Durchschnitt – rund 600 Ukrainer, die pro Tag ihr Trainingsprogramm durchlaufen, kommen rund 1.000 Soldaten, die diese Ausbildung möglich machen: Neben den eigentlichen Ausbildern auch das Personal auf den Übungsplätzen und nicht zuletzt Übersetzer, im Militärjargon: Sprachmittler.
Am Ende kommen auf einen ukrainischen Soldaten 1,7 Personen, die die Ausbildung ermöglichen, rechnet Generalleutnant Andreas Marlow vor, Kommandeur des Special Training Command der “European Military Assistance Mission in Support of Ukraine (EUMAM UA). Mit durchschnittlich eingesetzten 1.500 Bundeswehrangehörigen, Soldaten wie Zivilbeschäftigen, ist dieser Auftrag nach EUMAM-Angaben “derzeit die zahlenmäßig größte Mission der Bundeswehr”.
Ein Grund dafür liegt darin, dass die Bundeswehr nicht, wie zum Beispiel Großbritannien, die Grundausbildung neuer Rekruten in den Vordergrund stellt. Auf den deutschen Übungsplätzen und in Kasernen wie bei der Industrie steht die Spezialisierung im Vordergrund: Sanitäter, aber auch Scharfschützen oder Pioniere sollen von deutschen – und anderen europäischen Soldaten zum Beispiel aus den Niederlanden – lernen. Wesentlichen Anteil hat auch die Ausbildung von Besatzungen für das Flugabwehrsystem Patriot, Kampfpanzer oder Artilleriegeschütze, die Deutschland und andere Nationen an die Ukraine liefern.
Hinzu kommt die sogenannte Führungsausbildung, das Training für Kommandeure von Brigaden und deren Stäbe, aber auch für Bataillonskommandeure und Kompaniechefs. Offen nennt die Bundeswehr keine Details, aber aus Gesprächen wird klar: In dem Vorgehen an der Front gibt es durchaus unterschiedliche Ansätze von Einheiten, die sich schnell auf veränderte Situationen auf dem Gefechtsfeld einstellen, und höheren Offizieren, die noch eine Ausbildung nach altem sowjetischem Muster durchlaufen haben und darauf bestehen, einen vorgegebenen Plan auch auszuführen. Das hat Folgen, auch für den effektiven Einsatz gelieferten westlichen Geräts wie zum Beispiel der Leopard-Kampfpanzer.
Wer und wie ausgebildet wird, entscheidet allerdings die Ukraine selbst, nicht die EU oder der von Marlow geführte EU-Ausbildungsapparat. “Wir bilden nur das aus, was die Ukrainer bei uns nachfragen”, sagt der General. Und auch die Planung ist gewöhnungsbedürftig für eine an lange Vorbereitungszeiten gewöhnte Bundeswehr: Erst wenige Wochen vor dem Start eines Ausbildungsabschnittes ist klar, wer und wie viele ukrainische Soldaten zum Training nach Deutschland kommen. Zu wechselhaft ist die Situation an der Front, als dass Streitkräfte und Verteidigungsministerium in Kiew langfristig planen könnten.
Die Ausbildung für reale Kriegsbedingungen zwingt die Deutschen auch zur Abkehr von ihren üblichen Zeitplänen. Wenige Wochen müssen reichen, um die Ukrainer fit für das “Überleben auf dem Gefechtsfeld” oder für ihre Aufgabe an komplexen Waffensystemen wie der Panzerhaubitze 2000 zu machen. Eine entsprechende Ausbildung für einen Bundeswehrsoldaten wird schon mal mit einem halben Jahr veranschlagt – aber auch deshalb, weil die deutsche Dienst- und Arbeitszeit nach der sogenannten Soldatenarbeitszeitverordnung Grenzen dessen setzt, was in einem bestimmten Zeitraum geschafft werden kann.
Die Anpassung an ein Training für Kriegsbedingungen bedeutet auch für die Bundeswehr eine steile Lernkurve. “Es ist ein Geben und Nehmen”, räumt Kommandeur Marlow ein. Was den taktischen Einsatz von Kleindrohnen an der Front angeht oder die digitale Vernetzung von der Aufklärung einer russischen Stellung bis zum Artillerieschlag: Von den Erfahrungen der Ukrainer in diesem Krieg können auch die Nato-Soldaten profitieren. “Da sind ganz, ganz viele Ebenen, auf denen wir etwas lernen können.”
Das wurde kürzlich Generalinspekteur Carsten Breuer bewusst. Bei einem Besuch der Ausbildung, so schilderte der oberste deutsche Soldat, hätten ihn die Ukrainer etwas fassungslos gefragt, wo denn eigentlich die Drohnen wären, die als fliegende Kameras einen Vorstoß überwachen und absichern sollten. Die Deutschen, musste Breuer einräumen, konnten an einer Waldspitze nicht per unbemanntem Flugsystem die Feindlage aufklären – sondern mussten sich mit ihren Panzern vorsichtig um den Wald herumtasten.
Der Bundesrechnungshof (BRH) hat in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht zwei Beschaffungsprojekte der Bundeswehr angemahnt.
Seit 2014 ersetzt die Bundeswehr sukzessive das alte Maschinengewehr MG 3 mit dem neueren Typ MG 5. Seither sind bereits 10.872 MGs bestellt worden, insgesamt sollen es 18.875 werden. Kostenpunkt: 375 Millionen Euro. Die Bundeswehr bewaffnet damit auch ihre Fahrzeuge. Das Problem: Die Umstellung auf das neue MG zieht Anpassungen an den Fahrzeugen nach sich.
Mit Stand März dieses Jahres sind die Waffenhalterungen für den sicheren Transport der Gewehre in rund 9.500 Landfahrzeugen noch nicht für das neue MG 5 angepasst, heißt es in dem Bericht. Auch die Anpassung der Lafetten, also der beweglichen Halterungen auf den Fahrzeugen, laufe nicht richtig an, genauso wenig wie die Entwicklung von Übungspatronen. Diese Anpassungen sollen mehr als 100 Millionen Euro kosten. Dazu kommt der Aspekt Ausbildung: Die Truppe soll das Übungssystem nach gegenwärtiger Planung im Jahr 2024 erhalten.
“Bis zum Ende der Anpassungen und der Einführung des Übungssystems ist ein erheblicher Teil der 10.872 bislang gekauften Maschinengewehre MG 5 nicht wie vorgesehen einsetzbar”, kritisiert der BRH. Die Bundeswehr hätte das Geld für dringender benötigte, schnell verfügbare Ausrüstungsgegenstände oder Waffen ausgeben sollen.
Auch ihre zehn Minenabwehrboote wollte die Bundeswehr ab 2027 ersetzen, eine Neukonzeption lief kostentechnisch aber aus dem Ruder und führte zum Projektabbruch. Auch weil sich das Projektteam, die beteiligten Dienststellen und die Marine nicht auf die benötigte Ausstattung einigen konnten. Schlussendlich sollen die Boote nun für 1,3 Milliarden Euro modernisiert und bis 2040 weiter genutzt werden – eine unwirtschaftliche, aber alternativlose Zwischenlösung, wie selbst das BMVg anerkannte.
Denn es ist absehbar, dass die modernisierten Boote die Aufgabe der Seeminenabwehr, eine Kernkompetenz der Deutschen Marine, nicht mehr auf dem erforderlichen Niveau leisten werden können. Der BRH kritisierte das unkoordinierte Vorgehen und die teure Zwischenlösung.
Der Bericht des Bundesrechnungshofes erscheint jährlich nach Abschluss des Haushaltsjahres und ist die Grundlage für Bundestag und Bundesrat, die Bundesregierung für das abgelaufene Haushaltsjahr zu entlasten. klm
Der Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) in Deutschland, Ahmed Alattar, hat sich für eine stärkere Rolle des Golfkooperationsrats (GCC) beim Aufbau eines Systems kollektiver Sicherheit im Nahen Osten ausgesprochen. Schon jetzt erfülle das Bündnis aus Saudi-Arabien, den VAE, Kuwait, Bahrain und Oman diese Funktion, “indem er ein gemeinsames Identitätsgefühl bietet, das für die Sicherheit in der Region sehr wichtig ist.” Die Arabische Liga könne der GCC jedoch nicht ersetzen. “Sie ergänzen sich, und das schon seit einer ganzen Weile”.
Die Art und Weise, wie der Golfkooperationsrat sicherheitspolitisch agierte, unterscheide sich jedoch von der etwa der Nato. “Dort gelten andere Standards, andere Wege der Politikgestaltung.” Zudem vertrete die Arabische Liga weiter “eine sehr große Bandbreite an politischen Positionen, die Gruppe des Golfkooperationsrats ist im Vergleich dazu doch eher kleiner”.
Im Gespräch mit Table.Media kritisierte der Botschafter des Gastgeberlandes der COP28 in Dubai, dass die Klimadebatte in Deutschland ideologisch und nicht pragmatisch geführt werde. Das in Deutschland vorherrschende Narrativ, “von heute auf morgen auf den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu verzichten” sei “sehr gefährlich”. Statt eine Balance zwischen Wirtschaftswachstum und Emissionsreduzierung erzeuge die Forderung “politischen Widerstand”, was dazu führe, “dass immer mehr Menschen die Idee, den Planeten zu schützen und den Klimawandel zu bekämpfen, ablehnen werden”, so Alattar. Ziel seiner Regierung sei es daher, auf der Klimakonferenz COP28 “eine gerechte Energiewende, die alle Interessengruppen einschließt” einzuleiten. mrb
Trotz Appellen von US-Präsident Joe Biden, die Gelder vor der Weihnachtspause freizugeben, blockiert der US-Senat weiter milliardenschwere Sicherheitshilfen für die Ukraine und Israel. Das von Biden befürwortete Finanzpaket erhielt bei einer parteiübergreifenden Abstimmung am Mittwoch nicht die nötigen 60 Stimmen, um im 100-köpfigen Senat zur Debatte zu kommen. Es sah mehr als 60 Milliarden Dollar für die Ukraine, 14 Milliarden für Israel sowie 20 Milliarden für den US-Grenzschutz vor. Die Republikaner forderten bis zum Schluss radikale Änderungen an der Einwanderungspolitik für ihre Zustimmung. Die Opposition bestand auf einem stärkeren Grenzschutz, inklusive des Weiterbaus der umstrittenen Grenzmauer zu Mexiko, sowie einer Einschränkung der Zahl der Asylgewährungsgründe.
Neben den Republikanern stimmte auch der linke Senator Bernie Sanders gegen das Paket. Sein Motiv ist aber ein anderes als das der konservativen und rechten Senatoren: Kritik an Israels Regierung und Militärstrategie, die er als “unmenschlich” bezeichnete. Sanders fordert, weitere Militärhilfen an Bedingungen zu knüpfen, unter anderem an ein Ende von Flächenbombardements durch die israelische Luftwaffe sowie eine längere Waffenpause und die Aufstockung humanitärer Hilfen.
Biden hatte vor der Abstimmung gewarnt, dass eine Blockade der militärischen Hilfe das Ansehen der US-Regierung als verlässlichen internationalen Partner gefährde. “Eine Blockade des Gesetzes wird sowohl den Gegnern als auch den Verbündeten der USA signalisieren, dass die Vereinigten Staaten nicht hinter ihren internationalen Partnern stehen.”
Das Weiße Haus gab am Mittwoch bekannt, die Zusammenarbeit zwischen der US-amerikanischen und der ukrainischen Rüstungsindustrie und die gemeinsame Waffenproduktion verstärken zu wollen. Zudem kündigte die US-Regierung am Mittwoch neue Sicherheitshilfen für die Ukraine in Höhe von 175 Millionen Dollar an. Das Paket, das aus bereits bewilligten Mitteln stammt, umfasst Munition, Raketen und Artilleriegeschosse sowie “Ausrüstung zum Schutz kritischer nationaler Infrastrukturen”, so das US-Verteidigungsministerium. Dass die beiden Kammern des Kongresses noch vor Jahresende über weitere Gelder abstimmen werden, gilt als unwahrscheinlich.
Nach Berechnungen des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) ging in den vergangenen Monaten auch international die Militär- und Finanzhilfe für die Ukraine stark zurück. Von August bis Oktober wurden dem Land Hilfspakete von 2,1 Milliarden Euro zugesagt – nur etwas mehr als ein Zehntel der Summe aus dem Vorjahreszeitraum. Die Ukraine ist somit immer abhängiger von einer kleinen Zahl großer Unterstützer wie Deutschland, den nordischen Ländern – und eigentlich auch den USA. asc
Im Südkaukasus haben die beiden verfeindeten Nachbarländer Armenien und Aserbaidschan wenige Monate nach der jüngsten Eskalation gefangene Soldaten ausgetauscht. Aserbaidschan lasse 32 Armenier und Armenien zwei Aserbaidschaner frei, teilten beide Seiten am Donnerstag in einer gemeinsamen Erklärung mit. Es handele sich um einen Schritt, der das gegenseitige Vertrauen stärken solle, um die Beziehungen zwischen den Staaten zu normalisieren, hieß es weiter. Zudem äußerten beide Seiten die Absicht, in Zukunft einen Friedensvertrag zu schließen. Details dazu wurden aber nicht genannt.
Armenien und Aserbaidschan kämpfen bereits seit Jahrzehnten insbesondere um die Region Berg-Karabach. Diese liegt zwar auf aserbaidschanischem Staatsgebiet, wurde aber bis vor kurzem mehrheitlich von Karabach-Armeniern bewohnt. Im September griff das autoritär geführte Aserbaidschan an und eroberte das Gebiet innerhalb kurzer Zeit. Mehr als 100 000 Einwohner flohen seitdem nach Armenien. Erst vor wenigen Wochen äußerte Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan dann die Befürchtung, dass Aserbaidschan weitere Angriffe auch auf armenisches Staatsgebiet planen könnte. dpa
Die noch verbleibenden Staaten der G5-Sahel-Gruppe bereiten offenbar deren Auflösung vor. Das geht aus einer gemeinsamen Mitteilung von Mauretanien und Tschad hervor, die am Dienstagabend von der mauretanischen Nachrichtenagentur verbreitet wurde. Mauretanien und Tschad stünden weiterhin hinter dem Ideal eines größeren regionalen Zusammenhalts in Afrika, hieß es in der Mitteilung. Außerdem blieben beide Länder den Zielen der G5-Sahel-Gruppe verbunden, gemeinsam gegen kriminelle Banden und Terroristen vorzugehen.
Anfang des Monats hatten Burkina Faso und Niger ihren Rückzug aus den G5 mitgeteilt. Mali war bereits im Mai 2022 aus dem Bündnis zurückgetreten. Das Sicherheitsbündnis im Sahel, die G5-Sahel-Gruppe stand bereits nach dem Austritt Malis Mitte 2022 unter großem Druck. Die G5 hatten auch eine gemeinsame Verteidigungstruppe aufgestellt, die jedoch selten zum Einsatz kam.
Die drei von Militärregierungen geführten Länder Mali, Burkina Faso und Niger haben mit der sogenannten Alliance des États du Sahel (AES) im Herbst dieses Jahres eine eigene Verteidigungsorganisation ins Leben gerufen. Die drei Länder setzen verstärkt auf Russland als Partner für Sicherheit. Anfang der Woche unterzeichnete die Junta unter General Abdourahamane Tiani in Niger eine Kooperation mit dem russischen Vize-Verteidigungsminister Yunus-bek Yevkurov. Ebenfalls am Montag kündigte Niger die Zusammenarbeit mit der EU in Sicherheitsfragen auf. Das betrifft insbesondere die Ausbildungsmission für Sicherheitskräfte Eucap. lcw
ZDF: Sahelzone – Wie Moskau den Westen aussticht. Angesichts des Abzugs der UN-Blauhelmtruppen aus Mali füllt Russland die entstandene Lücke mit Propaganda und Waffenlieferungen. Hinter Moskaus Versprechungen von Sicherheit und einer neuen Souveränität stehen Eigeninteressen, die es sich in Gold und anderen Rohstoffen auszahlen lässt. Die neue Partnerschaft, die in Mali bereits sichtbar ist, könnte bald auch im Nachbarland Niger folgen.
New York Times: Gaza War Widens Gap Between Arab Rulers and Citizens. Bahrain wirkt wie ein Mikrokosmos jener Spannungen, die sich dieser Tage in ganz Nahost ausbreiten: Der Druck von Seiten der Bürger, die Beziehungen zu Israel abzubrechen, wächst. Die Golfmonarchie ist kein Einzelfall: Auch in Marokko, Jordanien und Ägypten wird Kritik laut. Der Krieg im Gazastreifen ist ein Treiber für die Kluft zwischen vielen arabischen Führern und ihren Bevölkerungen.
Die Zeit: Bei der internationalen Rüstungskontrolle agiert Deutschland schwach. Bei wichtigen Abrüstungskonventionen tritt die Bundesrepublik als “Gegner” oder “Zögerer” auf, stellt die Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung fest. Abrüstung passe nicht zum Stil der Zeitenwende. Stattdessen setze Deutschland sich, speziell im Bereich von Kampfdrohnen, für ein UN-Waffenregister und Einsatzregeln ein.
Den Überblick über die deutsche Cybersicherheitsarchitektur zu behalten, ist nicht leicht. Zahlreiche Akteure auf internationaler, Bund-, Länder- und Kommunalebene und diverse Verknüpfungen kreieren ein komplexes System – “und Komplexität ist der Feind von Sicherheit“, meint Sven Herpig.
Als Leiter des Bereichs “Cybersicherheitspolitik und Resilienz” bei der Stiftung Neue Verantwortung muss er aber den Überblick behalten. Über Kompetenzen, Verflechtungen, Zusammenhänge – und über die Schwachstellen des Systems. Vor allem letztere hat Herpig im Auge. Er findet: “Wir haben es bis heute nicht geschafft, unsere Sicherheitsarchitektur effektiv aufzustellen. Wir müssen zentrale Gremien wie den Nationalen Cybersicherheitsrat und das Nationale Cyberabwehrzentrum reformieren, um diese aktions- und handlungsfähig zu gestalten.”
Und zwar radikal müsse dieser Umbau sein: “Wir müssen uns anschauen, warum Gremien nicht funktionieren und wie wir sie aufstellen müssen, damit sie das tun. Wir müssen uns trauen, mutige Entscheidungen zu treffen und dazu gehört auch, anzuerkennen, wenn etwas nicht sinnvoll ist, neu-, umgebaut oder umgestaltet werden muss.”
Wenn Herpig von Umbau und Mut spricht, tut er das nicht mit Rage, sondern ruhig und sachlich. Er ist sich sicher mit seinem Handeln, seinem Forschen, seinen Ideen. Und er fühlt sich wohl damit, diese in den politischen Raum zu werfen und Lösungen zu präsentieren – “damit niemand am Ende sagen kann, es habe keine gegeben”, sagt er, von einem Grinsen begleitet.
Sein Wissen darf er der Politik immer wieder präsentieren. Bisher zum Beispiel als Sachverständiger für IT-Sicherheit im Innenausschuss, für den militärischen Cyber- und Informationsraum im Verteidigungsausschuss oder für Digitale Souveränität im Ausschuss Digitale Agenda. Zudem briefte Herpig den US Congressional Cybersecurity Caucus, eine Task Force im Europäischen Parlament und die Außen- und Sicherheitspolitische Vereinigung der Parlamentsmitarbeiter im Bundestag.
Sein Interesse für das Thema Cybersicherheit begann früh: Im Teenager-Dasein bastelte er schon Websites und im Studium – Politikwissenschaft, Global Communications und Internationale Beziehungen – legte er den Fokus auf das Thema Internet, wo immer er konnte. Nach seinem Abschluss arbeitete er in der Lehre, als Kommunikationsmanager für die Konrad-Adenauer-Stiftung, als Stabsmitarbeiter für IT-Sicherheit beim Auswärtigen Amt und als stellvertretender Referatsleiter für Cybersicherheit in der Gesellschaft beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik.
Bei der Stiftung Neue Verantwortung ist der 38-Jährige seit 2017. Neben der Cybersicherheitsarchitektur gehören Verschlüsselungspolitik, staatliches Hacken und Schwachstellenmanagement, der Schutz von Wahlen in vernetzten Gesellschaften und die Sicherheit von Machine Learning Anwendungen zu seinen Themen.
Seit 2018 bringen er und seine Kolleginnen und Kollegen zweimal im Jahr eine Grafik heraus, die Deutschlands staatliche Cybersicherheitsarchitektur kategorisiert und darstellt – auch bekannt als Cyber-Wimmelbild. “Denn nur mit einem umfassenden Lagebild lassen sich vernünftige Handlungsoptionen entwickeln”, sagt Herpig.
Und dieser Lagebilder bedarf es mehr denn je, Gefahren aus dem Cyberraum sind breit gefächert. “Betrachten wir den wirtschaftlichen Schaden, ist definitiv Cyberkriminalität die größte Gefahr – nicht nur begrenzt auf Ransomware, diese ist nur ein Werkzeug. Wenn wir uns anschauen, was die deutschen Bundesbehörden am meisten bedroht, geht es eher um gezielte Cyberspionage. Kommunen müssen in den Bereich der disruptiven Cyberkriminalität schauen. Für politisch verfolgte Gruppen ist Spionage die größte Bedrohung. Einzelpersonen dagegen fallen häufig Scam zum Opfer. Je nach Zielgruppe ist die Bedrohungslage unterschiedlich.” Zahlreiche Bedrohungen, zahlreiche Akteure, zahlreiche Verknüpfungen – den Überblick zu behalten ist nicht leicht. Dass Sven Herpig es tut, ist unverzichtbar. Anouk Schlung