bei ihrer letzten Rede im Bundestag schlug die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann am Donnerstag nochmal den großen sicherheitspolitischen Bogen: von der Zeitenwende, die “im Kopf aller Bürgerinnen und Bürger ankommen” müsse, bis hin zum “historischen Fehler”, dass die damalige Bundesregierung den Beitritt der Ukraine in die Nato 2008 in Bukarest verhindert habe.
Für den Nato-Jubiläumsgipfel kommende Woche in Washington gab die Ex-Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Bundeskanzler Olaf Scholz den Hinweis mit: “Die Bündnispartner erwarten von uns (…), dass Deutschland seiner Pflicht nachkommt.”
Damit meinte die künftige FDP-Europaabgeordnete natürlich die finanziellen Verpflichtungen: Denn wenn Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel der Nato dauerhaft erfüllen will, dürfte das ab 2028 – nach Auslaufen des Sondervermögens – einen Verteidigungshaushalt von rund 90 Milliarden Euro bedeuten. Wie Verteidigungsminister Boris Pistorius seine Herangehensweise für neue Rüstungsbestellungen daran anpasst, erläutert Thomas Wiegold. Aus dem Verteidigungsministerium dürften in naher Zukunft übrigens noch weitere Projekte zu erwarten sein. Welches sich konkret für die Marine abzeichnet, lesen Sie in der Analyse von Lisa-Martina Klein.
Schon nach der Bundestagswahl – und vor dem Auslaufen des Sondervermögens – hätte Rheinmetall-CEO Armin Papperger gerne einen Wehretat von 85 Milliarden Euro, wie er Michael Bröcker sagte. Zudem kündigte er neue Investitionen in ukrainische Werke an. Mit welchen Hilfen die Ukraine beim Nato-Gipfel rechnen kann, lesen Sie in der Analyse von Stephan Israel und Wilhelmine Preußen.
Apropos Washington: Von dort halten wir Sie kommende Woche mit Sonderausgaben an allen drei Gipfeltagen auf dem Laufenden.
Ihr Gabriel Bub
Analyse
Was die Ukraine statt einer Einladung von der Nato erhalten soll
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wollte der Ukraine ursprünglich über mehrere Jahre hinweg 100 Milliarden Euro an Militärhilfenzusichern.
An Details und Sprachregelungen wird bis zur letzten Minute gearbeitet werden. Klar ist, dass das Paket an die Ukraine auf dem Nato-Gipfel in Washington aus vier unterschiedlichen Teilen bestehen wird. Kern sollen finanzielle Zusicherungen sein, die die Bündnispartner Kiew machen wollen. Der scheidende Generalsekretär Jens Stoltenberg wollte der Ukraine ursprünglich über mehrere Jahre hinweg 100 Milliarden Euro an Militärhilfen zusichern. Darauf konnten sich die 32 Mitgliedstaaten allerdings nicht einigen, auch weil – so heißt es in Brüssel – in vielen Mitgliedstaaten keine Budgetentscheidungen über mehrere Jahre hinweg ohne die nationalen Parlamente getroffen werden können.
Stattdessen hat man sich darauf geeinigt, lediglich innerhalb des nächsten Jahres Unterstützung im Umfang von mindestens 40 Milliarden Euro zuzusagen. Dies entspreche dem Niveau der Hilfe seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor zweieinhalb Jahren. Wie es danach weitergeht, soll beim Gipfel 2025 besprochen werden. In der Abschlusserklärung soll trotzdem deutlich werden, dass die Nato auch darüber hinaus die entsprechende Hilfe leisten will. Und zwar so lange dies nötig sein werde.
Die genaue Ausgestaltung der Lastenteilung wird weiter verhandelt. Auch, welche Unterstützungen dazu gezählt werden und welche nicht. Aus deutscher Sicht will man die bilaterale Unterstützung und die Hilfe, die man im Rahmen der EU leistet, hineinrechnen. Berlin hat für dieses Jahr acht Milliarden Euro in Aussicht gestellt, was in etwa dem Anteil entspricht, den Deutschland leisten muss.
Unsicherheiten durch innenpolitische Entwicklungen
Unsicherheiten bestehen mit Blick auf die innenpolitischen Entwicklungen in relevanten Mitgliedsländern, allen voran den USA: Eine zweite Amtszeit des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump könnte die Kontinuität der Ukraine-Hilfe infrage stellen. Zuletzt betonte der Ex-Präsident, dass er den Krieg in der Ukraine innerhalb kürzester Zeit stoppen könnte.
Vor diesem Hintergrund muss auch der zweite große Teil des Ukraine-Pakets gesehen werden – das “Nato Security Assistance and Training for Ukraine” (NSATU). Damit soll das US-geführte Ramstein-Format für die Koordinierung der Ukraine-Hilfen an die Nato-Struktur überführt und so sichergestellt werden, dass ein neuer US-Präsident die Hilfe nicht ohne Weiteres stoppen kann. Am Hauptsitz der Allianz ist in diesem Zusammenhang von “Trump Proofing” die Rede. Ob die Rechnung aufgeht, ist umstritten. Zusätzlicher Unsicherheitsfaktor ist Frankreich. Marine Le Pens Rassemblement National hat in der Vergangenheit auch schon mit dem erneuten Ausstieg aus dem integrierten Militärkommando gedroht.
Zudem will die Nato einen Sondergesandten in Kiew einsetzen, der vor Ort wie eine Art Botschafter die Bedürfnisse der Ukraine evaluieren und die Initiativen der Nato übersehen kann. Noch ist nicht bekannt, wer diese Rolle übernehmen soll. Die Mitgliedstaaten sind darum bemüht, einen Beamten mit Ukraine-Erfahrung für den Job zu finden.
Misstöne in Washington vermeiden
Vierter Teil des Pakets ist die Sprachregelung mit Blick auf eine künftige Mitgliedschaft der Ukraine im Bündnis. Das Thema ist sensibel und zugleich symbolisch wichtig. Beim Nato-Gipfel in Vilnius vergangenes Jahr hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj seiner Enttäuschung über die ausgebliebene Einladung über die sozialen Medien Luft gemacht und vorübergehend die Gipfelharmonie gefährdet. Ähnliche Misstöne will man diesmal um jeden Preis vermeiden.
In das Erwartungsmanagement ist diesmal auch Selenskyj selbst eingebunden, der ebenfalls in Washington erwartet wird. Bei der Sprachregelung will man “nicht hinter Bukarest und Vilnius” zurückfallen. Beim Gipfel in Bukarest 2008 wurde der Ukraine erstmals die Beitrittsperspektive in Aussicht gestellt. Und in Vilnius 2023 der “Membership Action Plan” (MAP) als Vorstufe gestrichen.
Priorität bleibt schnelle Waffenlieferung
Am wichtigsten aber ist den Nato-Staaten nach wie vor, dass die Ukraine so schnell wie möglich die Waffensysteme erhält, die sie zur Verteidigung ihres Landes benötigt. Deswegen dürften in Washington parallel zu dem Paket auch weitere Sicherheitsabkommen geschlossen werden. Mit Blick auf die eigene Verteidigungsbereitschaft und die Probleme etwa bei der Munitionsbeschaffung wollen die Nato-Partner sich zudem zu einem Ausbau der Produktion von Rüstungsgütern verpflichten.
Vorgesehen ist, dass die Mitgliedstaaten regelmäßig nationale Verteidigungsindustriepläne vorlegen. Schon auf dem Gipfel kann die Ukraine auf weitere Patriot-Flugabwehrsysteme der Bündnispartner hoffen. Ob es tatsächlich sieben werden, wie von Kiew gewünscht, oder eventuell nur sechs, gehört zu den wenigen offenen Fragen, mit denen die Regierungschefs sich auf den letzten Metern vor dem Gipfel noch beschäftigen. Es soll vermieden werden, dass vor Ort noch zu viele Streitpunkte bestehen. Denn man will um jeden Preis ein Bild der Geschlossenheit nach Moskau senden.
75 Jahre Nato
Nato
NSATU
Ukraine
Neue Rüstungsprojekte: Wie Pistorius den Spieß umdreht
Nach der letzten Sitzung des Bundestags-Haushaltsausschusses vor der Sommerpause am Mittwoch trat ein sichtlich zufriedener Verteidigungsminister vor die Mikrofone. Die Parlamentarier hatten soeben weitere große Rüstungsprojekte gebilligt, unter anderem 105 weitere moderne Kampfpanzer und Artilleriemunition für das Heer, neue Patriot-Flugabwehrsysteme für die Luftwaffe. Insgesamt, rechnete Boris Pistorius vor, seien in diesem Jahr bereits 42 solcher Vorhaben mit einem Finanzvolumen von knapp 27 Milliarden Euro bewilligt worden.
Ein Großteil dieses Geldes muss das Verteidigungsministerium erst in der Zukunft zahlen – ein übliches Vorgehen bei Rüstungsbeschaffungen, die sich gerade bei komplexem Großgerät über Jahre hinziehen. Weil es dafür noch keinen bewilligten Haushalt gibt, werden sogenannte Verpflichtungsermächtigungen eingegangen, mit denen diese Verbindlichkeit für die Zukunft festgelegt wird. Allerdings führt das hohe Tempo der Bestellungen, mit denen das Wehrressort beim Haushaltsausschuss in diesem Jahr vorstellig wurde, zu Projekten, für die noch nicht einmal für die kommenden Jahre Geld im Plan hinterlegt ist.
“Melden an, was wir für Verteidigung brauchen”
“Die Methodik der letzten Jahrzehnte war immer die: Es wurde geplant, wie viel Geld da war, und dann wurde die Planung dem Geld angepasst, und dann wurde meistens zu wenig oder zu spät beschafft”, sagte der Minister nach der Ausschusssitzung. Deshalb setze er auf ein anderes Vorgehen: “Wir werden jetzt den Spieß umdrehen: Wir melden jetzt nicht an, was wir uns anhand der Kassen leisten können, sondern wir melden das an, was wir für die Verteidigungsfähigkeit des Landes brauchen. Und sehen dann, was wir durchkriegen.”
Das Instrument, das das Wehrressort dafür nutzt, heißt “überplanmäßige Verpflichtungsermächtigung” – und angesichts der sicherheitspolitischen Lage kann das Verteidigungsministerium dafür auch auf die Zustimmung des Finanzministers setzen. Exemplarisch zeigt sich das in der geplanten Bestellung von 105 weiteren Kampfpanzern des modernsten Typs Leopard 2 A8. Dafür, erklärte das Haus von Minister Christian Lindner in seiner Mitteilung an den Haushaltsausschuss, stehe zwar in den Jahren 2028 bis 2030 “keine ausreichende Verpflichtungsermächtigung zur Verfügung”.
Bundestag muss über 2028 hinausdenken
Das Verteidigungsministerium habe aber den Bedarf vor allem mit der schnellen Ausstattung der geplanten deutschen Kampfbrigade in Litauen begründet, die allein schon 35 dieser Gefechtsfahrzeuge bekommen soll. Ohne die Bewilligung wären “auch Auswirkungen auf die Sicherheitslage durch ein nicht voll ausgestattetes Panzerbataillon an der Ostflanke der Nato nicht ausgeschlossen”. Die Voraussetzungen für die Einwilligung in eine überplanmäßige Verpflichtungsermächtigung, schrieb das Finanzministerium, “sind damit erfüllt”.
Ein solches Vorgehen, sagt der FDP-Haushälter Karsten Klein im Gespräch mit Table.Briefings, sei nicht ungewöhnlich: Schon zum Ende der vorangegangenen Legislaturperiode habe der Haushaltsausschuss zum Beispiel 3,5 Milliarden Euro für das deutsch-französisch-spanische Luftkampfprojekt FCAS freigegeben, obwohl auch diese Summe nicht hinterlegt war: “Es ist nicht so, als ob das nicht schon stattgefunden hätte.” Dennoch müsse das Parlament natürlich die Belastung für die künftigen Haushalte im Blick behalten – vor allem für die Jahre ab 2028, wenn das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr ausläuft und alle Vorhaben aus dem laufenden Verteidigungshaushalt finanziert werden müssen.
Verteidigungsetat könnte auf 90 Milliarden aufwachsen
Dafür gilt dann allerdings auch die Zusage von Bundeskanzler Olaf Scholz, die Konsens in der Koalition ist: Die Zusage an die Nato, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, soll auch nach dem Sondervermögen eingehalten werden. Schon ab 2028, so die Erwartungen, dürfte das einen Verteidigungshaushalt von um die 90 Milliarden Euro bedeuten, deutlich mehr als die derzeit rund 52 Milliarden Euro. Ob das in der Finanzplanung für die nächsten Jahre enthalten ist, wird sich erst nach den laufenden Haushaltsverhandlungen zeigen. Allerdings, sagt FDP-Haushälter Klein, gehe er fest davon aus, dass “die Festlegung auf das Zwei-Prozent-Ziel in der Finanzplanung abgebildet sein wird”. Die aktuelle Bedrohungslage angesichts des russischen Vorgehens, sagt ein anderer Koalitionshaushälter, rechtfertige die Bestellungen in diesem Umfang und Tempo.
Der Haushaltsausschuss will jedoch, trotz seiner aktuellen Genehmigung der langfristigen Ausgaben für die Bundeswehr, nicht alles einfach hinnehmen. In einem sogenannten Maßgabebeschluss verbanden die Abgeordneten so ihre Zustimmung zur Bestellung der 105 Leopard mit Auflagen. Unter anderem heißt es darin: “Das BMVg hat schriftlich zu begründen, weshalb trotz der Nichtveranschlagung der 105 Kampfpanzer Leopard 2 die Verpflichtungsermächtigung für die Jahre 2026 und 2027 über den Titel 1491 554 97 ausreicht, wohingegen die Verpflichtungsermächtigung für die Jahre 2028 bis 2030 nicht ausreichend zur Verfügung stehen”.
Dahinter steht eine Kritik, die so aus den Koalitionsparteien nicht zu hören ist, aus der Opposition dagegen um so deutlicher. Alle geplanten Beschaffungen seien für sich zwar richtig, sagt der CDU-Abgeordnete Ingo Gädechens. “Dass die Regierung eine Antwort schuldig bleibt, wie die riesigen finanziellen Verpflichtungen ab 2028 beglichen werden sollen, sind wir gewohnt”, klagt der Parlamentarier, der im Haushaltsausschuss für die Union den Verteidigungshaushalt beobachtet. “Dass das Verteidigungsministerium aber hohe dreistellige Millionenbeträge bis 2027 ausgeben will und diese von anderen Beschaffungsvorhaben abzieht – ohne ein einziges Wort zu verlieren, welche anderen Beschaffungsvorhaben aufgegeben werden -, ist eine neue Qualität der unseriösen Beschaffung.”
BMVg
Bundeswehr
FCAS
Leopard 2 Panzer
Münchner Sicherheitskonferenz
Rüstungsexporte
Verteidigungshaushalt
Zwei-Prozent-Ziel
Translation missing.
Glücksburg: Darum wird die Deutsche Marine ihren Bunker nicht aufgeben
Die Bundeswehr wird ihren Bunker in der Kaserne Meierwik in Glücksburg nicht aufgeben. Das bestätigte Konteradmiral Stephan Haisch, Abteilungsleiter Einsatz im Marinekommando in Rostock, auf Anfrage von Table.Briefings. “Viele Verbündete haben uns gefragt, ob wir den Bunker nicht weiter betreiben wollen, und ja, das wollen wir”, sagt Haisch. “Der geschützte Bau hat als Ausweichquartier und Redundanz zu Rostock eine unglaublich wichtige Funktion, und insofern wollen wir Glücksburg unter dem Aspekt weiter erhalten”, so Haisch weiter.
Im schleswig-holsteinischen Glücksburg nahe Flensburg betreibt die Marine ihr maritimes Operationszentrum (“Maritime Operations Centre”, MOC). Aus dem unterirdischen Schutzbau heraus erstellen die Soldatinnen und Soldaten das nationale Lagebild für die Nord- und Ostsee – eine Aufgabe, die mit der Rückkehr der Bedrohung durch Russland auch zu See wieder deutlich an Bedeutung gewonnen hat. Außerdem werden aus Glücksburg heraus alle deutschen Einheiten bei ihren weltweiten Auslandseinsätzen, wie etwa im Roten Meer oder beim aktuell laufenden Indo-Pacific Deployment der Marine, auf anerkannten Missionen und bei Übungen geführt.
Auch Einheiten von Verbündeten, wie etwa U-Boote der polnischen Kriegsmarine, werden, als Auftrag der Nato, von dort aus geführt. Ebenso dient Glücksburg als Leitstelle für Rettungseinsätze in der Nord- und Ostsee. Nach Angaben der Marine arbeiten auf dem Gelände noch 400 Soldatinnen und Soldaten.
Bunker sollte 2026 eigentlich aufgegeben werden
Eigentlich sollte das Operationszentrum bis 2022 vollständig in das knapp 190 Kilometer südöstlich gelegene Marinekommando in Rostock umziehen und der Bunker bis Ende 2025, spätestens Anfang 2026, endgültig aufgegeben werden. Der Umzug hatte sich immer weiter verzögert, weil die Technik in Rostock nicht fertig war. Erst Anfang Juni wurden 100 Millionen Euro aus dem Sondervermögen für den weiteren Ausbau der Infrastruktur und IT-Technik in Rostock bewilligt.
Laut Haisch ist der Erhalt des einzigen Bunkers der Marine nun vorläufig bis 2030 offiziell bewilligt. Mit dieser Entscheidung konnten bereits kleinere Modernisierungsprojekte in Gang gesetzt werden. Die endgültige Entscheidung, dass Glücksburg nicht nur erhalten, sondern auch umfänglich modernisiert werden soll, wolle Verteidigungsminister Boris Pistorius in den “kommenden Monaten” finalisieren, heißt es aus Kreisen des Verteidigungsministeriums. Und: Wie teuer die Umbauarbeiten werden, werde derzeit im Marinekommando eruiert. Klar ist bislang nur: Das Geld dafür muss aus dem Verteidigungshaushalt der kommenden Jahre kommen.
Dass die Modernisierung des Bunkers notwendig ist, ist unstrittig: Die IT-Technik muss an moderne Anforderungen angepasst werden, sie stammt teilweise noch aus den 1980er-Jahren. So fehlt es etwa an Glasfaserkabeln und Kühlungsanlagen für die moderne IT-Technik, aber auch an Belüftungsanlagen für die unterirdischen Arbeitsplätze. Überirdisch müssen auch die Antennen erneuert werden.
Sechs Monate später griff Russland die Ukraine an. Und es zeigte sich ein eklatantes Problem: Das ungehärtete, vollständig überirdisch gebaute Führungszentrum der Deutschen Marine liegt in direkter Reichweite russischer Präzisionswaffen, es braucht also einen geschützten Ausweichort. Als 2011 die Entscheidung gefallen war, das Flottenkommando, die Führungsunterstützung und die Operationszentrale aus Glücksburg an das neu aufgestellte Marinekommando in Rostock zu übertragen, sah man keine Notwendigkeit, dort für Schutzvorrichtungen wie einen unterirdischen Bunker oder eine verstärkte Fassade zu sorgen.
Und bereits damals war absehbar, dass ein Erhalt des Standorts in Glücksburg dessen Neubau aus “operativen/funktionalen und aus wirtschaftlichen Gründen” nach sich ziehen würde, wie der damalige Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsminister, Thomas Kossendey, 2012 in einer Antwort auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Hans-Peter Bartels schrieb. “Zudem wäre der Betrieb von zwei Standorten für das Marinekommando nicht vertretbar”, heißt es dort weiter.
Bundeswehr
Deutsche Marine
Verteidigungsministerium
Translation missing.
News
Rheinmetall-CEO fordert 85 Milliarden Euro für Verteidigung
Der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall verlangt mehr Investitionen in die Sicherheit und noch vor dem Auslaufen des Bundeswehr-Sondervermögens ein Aufstocken des Verteidigungsetats auf jährlich 85 Milliarden Euro. “Die Bundesregierung wird nach der Bundestagswahl, wer auch immer es sein wird, eine Entscheidung treffen müssen und den Einzelplan 14 auf 85 Milliarden Euro hochpushen”, sagte Armin Papperger, Rheinmetall-CEO, im Podcast von Table.Briefings. Derzeit liegt der Etat von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bei rund 52 Milliarden Euro.
Die Finanzierung der Rüstungsindustrie müsse nun dauerhaft gesichert werden, sagte Papperger. “Wir haben große Fehler gemacht. In den letzten 30 Jahren haben wir das Thema an den Rand gedrängt und haben gesagt, Sicherheit ist nicht mehr wichtig. Aber alle Parteien haben gemerkt, dass wir auch eine Rüstungsindustrie brauchen, weil unsere Soldaten etwas brauchen zum Kämpfen. Und die Soldaten sind es, die Deutschland schützen.”
Neue “politische und gesellschaftliche Wertschätzung”
Papperger kündigte an, bis Ende des Jahres 700.000 Schuss Artilleriemunition zu produzieren, die im Wesentlichen an die Ukraine geliefert werden soll. Damit würde Rheinmetall 10-mal so viel Munition produzieren wie vor dem Krieg. Bis Ende 2026 will der Konzern die Produktion auf 1,1 Millionen Schuss erhöhen. Rheinmetall ist inzwischen der wichtigste Rüstungspartner der Ukraine. Der Umsatz des Konzerns soll dieses Jahr auf 10 Milliarden Euro steigen, das wäre doppelt so viel wie 2014.
Die neue politische und gesellschaftliche Wertschätzung für sein Unternehmen tue gut, sagte Papperger. “Es fühlt sich gut an und ich freue mich vor allen Dingen für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Denn die haben ja 30 Jahre lang erlebt, wenn man am Rand der Gesellschaft ist, obwohl man sich für die Sicherheit dieses Landes eingesetzt hat.” Die Bundeswehr verdiene deutlich mehr Anerkennung in diesem Land, denn die Bedrohung sei real. “Die Nato sagt heute, dass es in fünf bis sechs Jahren zu einer Situation kommen könnte, in der Russland vielleicht sogar die Nato angreift. Und dann müssen wir bereit sein. Wir sind es heute nicht.”
Papperger sieht sein Unternehmen nicht als Kriegsproduzenten, sondern als Lieferanten für die Verteidigung des Landes. “Wir machen es möglich, dass die deutsche Politik in der Lage ist, unser Land mithilfe der Bundeswehr zu schützen.” Papperger kündigte neue Investitionen in ukrainische Werke an. “Wir müssen dauerhaft in der Ukraine bleiben, weil die Ukraine ein ganz normales europäisches Land werden muss, das wieder aufgebaut werden muss. Dafür brauchen sie Unterstützung.” Wie der Rheinmetall-CEO die Künstliche Intelligenz einsetzen will und welche Bedeutung der Verbrennermotor für sein Unternehmen hat, hören Sie im Podcast am Samstag ab 6 Uhr hier. brö
Deutschland
Rheinmetall
Rüstung
In aller Stille: Marine schickt erneut Kriegsschiff ins Rote Meer
Ohne die sonst übliche öffentliche Verabschiedung schickt die Deutsche Marine erneut ein Kriegsschiff in den derzeit gefährlichsten Auslandseinsatz der Bundeswehr: Am Montag soll die Fregatte “Hamburg” von Wilhelmshaven auslaufen und sich auf den Weg ins Rote Meer machen. Das Schiff, das auf Flugabwehr spezialisiert ist, soll sich dort an der EU-Mission Aspides zum Schutz der Handelsschifffahrt vor Angriffen der Huthi-Milizen aus dem Jemen beteiligen.
Nach Informationen von Table.Briefings begründet die Marine das stille Auslaufen mit dem Wunsch der Besatzung vor der gefährlichen Mission. Vor dem eigentlichen Einsatz ist eine Übungsphase im Mittelmeer vorgesehen: Die Besatzung der Fregatte, die lange in der Werft lag, muss erst wieder die Abläufe für die Abwehr von Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen einüben. Im Frühjahr hatte das Schwesterschiff “Hessen” beim Einsatz in der EU-Operation mehrfach solche Angriffe abgewehrt, sowohl mit ihren Flugabwehrraketen als auch nahe an der Fregatte mit dem Bordgeschütz.
Die im November vergangenen Jahres von den Huthi begonnenen Angriffe richten sich vor allem gegen Handelsschiffe aus Nationen, denen die von Iran unterstützten Milizen eine Nähe zu Israel vorwerfen und sollen der Hamas im Gaza-Streifen den Rücken stärken. Mehrere Frachtschiffe sind nach Attacken bereits gesunken. Die USA, die mit ihrer “Operation Prosperity Guardian” parallel zur EU im Roten Meer aktiv sind, hatten in jüngster Zeit zunehmen vom Einsatz von Überwasserdrohnen berichtet. tw
Aspides
Bundeswehr
Deutsche Marine
Flugabwehr
Huthi
Pushbacks in Finnland: Warum die Legalisierung problematisch ist
Mit Finnland könnte in den kommenden Tagen ein weiterer europäischer Staat die umstrittenen Pushbacks von Geflüchteten und Migranten an der Grenze erlauben – obwohl dies nicht nur gegen die Verfassung des Landes verstoßen würde. Über ein entsprechendes Gesetz soll das finnische Parlament in Kürze abstimmen.
Die finnische Regierung will mit dem Gesetz Menschen an der Ostgrenze abwehren, die russische Sicherheitsorgane gezielt an die Grenze bringen. Moskau will damit – ähnlich wie Belarus im Baltikum und in Polen – Druck auf die EU ausüben. Geflüchtete und Migranten sind für autoritäre Mächte längst zu einem Mittel ihrer Geopolitik geworden. Demokratien wie Lettland, Litauen und Polen wehren sich jedoch mit höchst umstrittenen und von Fachleuten abgelehnten Maßnahmen dagegen, indem sie die von Belarus und Russland zu diesem Zweck benutzten Menschen zurückweisen.
Finnland folgt Beispiel baltischer Staaten
“Sollte Finnland dieses Pushback-Gesetz verabschieden, muss die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten”, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Erik Marquardt zu Table.Briefings. Finnland habe in den letzten Monaten nicht mehr als 200 Asylanträge entgegengenommen. “Wir können erwarten, dass sie diese Anträge einfach bearbeiten und rechtsstaatlich herausfinden, wer schutzbedürftig ist und wer nicht.” Wer europäische Werte ernsthaft verteidigen will, müsse auch erkennen, dass die Menschenrechte essenzieller Bestandteil Europas sind.
Im Mai 2023 hatte Litauen Pushbacks an seiner Grenze legalisiert. Lettland hatte im Oktober 2021 einen Ausnahmezustand ausgerufen, der die entsprechende Praxis erlaubt. Auch Polen, Griechenland und Kroatien schieben Geflüchtete und Migranten teils gewaltsam zurück – teilweise auch mit Todesfolge.
Russland instrumentalisiert Pushbacks
Für russische Medien ist der innereuropäische Streit über Migrationspolitik ein willkommenes Propagandathema. Dem eigenen Publikum präsentieren sie die Berichte darüber als Beweis für Europas “doppelte Standards”, weil die europäischen Staaten gegen die eigenen moralischen Regeln verstoßen.
In der gesamten EU beantragten 2023 rund eine Million Menschen Asyl (20 Prozent mehr als 2022), davon 4.559 in Finnland. Nach finnischen Angaben entspricht diese Zahl dem Wert vor der Corona-Pandemie. Bezogen auf die Bevölkerungszahl kommen in Finnland auf einen Asylsuchenden 1.216 Staatsbürger, in Deutschland beträgt das Verhältnis eins zu 252. vf
Asylpolitik
Europa
Finnland
Migrationspolitik
Must-Reads
Politico: Trump’s Plan for Nato is Emerging. Sollte Donald Trump die Präsidentschaftswahlen gewinnen, werde er den nuklearen Schutzschirm zwar über Europa belassen, den Großteil der konventionellen Verteidigung müssten aber die Europäer übernehmen. Aufschlussreicher Longread über die Nato-Denkspiele Trumps und seiner Berater.
Internationale Politik: USA, Land der unbegrenzten Desinformation. 2016 mischte sich Russland, durch Verbreitung von Desinformationen, in die US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen ein. Seitdem hätte das Land wenig gegen die Verbreitung von Falschinformationen unternommen, stellt Nina Jankowicz fest. In ihrem Text nennt sie drei wirksame Maßnahmen, die die USA umsetzen sollten: Plattformen transparenter machen, Informationskompetenz vermitteln und in Nachrichtenmedien investieren.
Zenith: Wichtiger als Palästina. Seit der Normalisierung der Beziehungen Marokkos mit Israel wächst die Kluft zwischen der marokkanischen Regierung und ihrer Bevölkerung, bei der die Unterstützung für Palästina zunimmt. Die Analyse betrachtet mögliche Gründe und geht unter anderem von wirtschaftlichen Eigeninteressen des Königreichs aus.
IISS: Nato goes back to ballistics. Die Nato-Mitgliedstaaten sind dabei, den jahrzehntelangen Abbau der Bestände an Boden-Boden-Raketen rückgängig zu machen. Der Mangel an Langstreckenwaffen im Bündnis wurde durch den beträchtlichen Einsatz ballistischer Raketen durch Russland in der Ukraine unterstrichen. Dieser Beitrag liefert einen Überblick über die aktuelle Verbreitung und geplante Nutzung von Boden-Boden-Raketen.
Nachtisch
Wie der Titel “Das deutsche Alibi” schon sagt: Es geht in diesem Buch nicht um Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Über den ist ja eh schon alles gesagt worden. Auch 80 Jahre nach dem misslungenen Attentat auf Adolf Hitler. Es geht Ruth Hoffmann um etwas Größeres: Der Mythos um den Widerstand des Hitler-Attentäters entlarvte “das Märchen vom verführten Volk, das von nichts wusste”.
Dass der elitäre Wehrmachtsoffizier Stauffenberg kein Demokratie-Fan war, schmälert seinen Widerstand nicht. Aber – und das schreibt die Journalistin Hoffmann fast schon zornig – in der Ära Helmut Kohls habe man ihn zu einem solchen verklärt, um die geistig-moralische Wende voranzutreiben. Der Zeitgeist biegt sich seine Lichtgestalten eben hin, wie er es braucht.
Erinnerung findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern zeigt, wie eine Gesellschaft sich sehen möchte. Insofern ist dieses – auch wirklich gut geschriebene – Buch wie ein Spiegel, den uns Hoffmann in Bezug auf die Vergangenheitsbewältigung vorhält. nana
Ruth Hoffmann: Das deutsche Alibi – Mythos Stauffenberg-Attentat: Wie der 20. Juli 1944 verklärt und politisch instrumentalisiert wird / Goldmann Verlag München 2024
bei ihrer letzten Rede im Bundestag schlug die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann am Donnerstag nochmal den großen sicherheitspolitischen Bogen: von der Zeitenwende, die “im Kopf aller Bürgerinnen und Bürger ankommen” müsse, bis hin zum “historischen Fehler”, dass die damalige Bundesregierung den Beitritt der Ukraine in die Nato 2008 in Bukarest verhindert habe.
Für den Nato-Jubiläumsgipfel kommende Woche in Washington gab die Ex-Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Bundeskanzler Olaf Scholz den Hinweis mit: “Die Bündnispartner erwarten von uns (…), dass Deutschland seiner Pflicht nachkommt.”
Damit meinte die künftige FDP-Europaabgeordnete natürlich die finanziellen Verpflichtungen: Denn wenn Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel der Nato dauerhaft erfüllen will, dürfte das ab 2028 – nach Auslaufen des Sondervermögens – einen Verteidigungshaushalt von rund 90 Milliarden Euro bedeuten. Wie Verteidigungsminister Boris Pistorius seine Herangehensweise für neue Rüstungsbestellungen daran anpasst, erläutert Thomas Wiegold. Aus dem Verteidigungsministerium dürften in naher Zukunft übrigens noch weitere Projekte zu erwarten sein. Welches sich konkret für die Marine abzeichnet, lesen Sie in der Analyse von Lisa-Martina Klein.
Schon nach der Bundestagswahl – und vor dem Auslaufen des Sondervermögens – hätte Rheinmetall-CEO Armin Papperger gerne einen Wehretat von 85 Milliarden Euro, wie er Michael Bröcker sagte. Zudem kündigte er neue Investitionen in ukrainische Werke an. Mit welchen Hilfen die Ukraine beim Nato-Gipfel rechnen kann, lesen Sie in der Analyse von Stephan Israel und Wilhelmine Preußen.
Apropos Washington: Von dort halten wir Sie kommende Woche mit Sonderausgaben an allen drei Gipfeltagen auf dem Laufenden.
Ihr Gabriel Bub
Analyse
Was die Ukraine statt einer Einladung von der Nato erhalten soll
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wollte der Ukraine ursprünglich über mehrere Jahre hinweg 100 Milliarden Euro an Militärhilfenzusichern.
An Details und Sprachregelungen wird bis zur letzten Minute gearbeitet werden. Klar ist, dass das Paket an die Ukraine auf dem Nato-Gipfel in Washington aus vier unterschiedlichen Teilen bestehen wird. Kern sollen finanzielle Zusicherungen sein, die die Bündnispartner Kiew machen wollen. Der scheidende Generalsekretär Jens Stoltenberg wollte der Ukraine ursprünglich über mehrere Jahre hinweg 100 Milliarden Euro an Militärhilfen zusichern. Darauf konnten sich die 32 Mitgliedstaaten allerdings nicht einigen, auch weil – so heißt es in Brüssel – in vielen Mitgliedstaaten keine Budgetentscheidungen über mehrere Jahre hinweg ohne die nationalen Parlamente getroffen werden können.
Stattdessen hat man sich darauf geeinigt, lediglich innerhalb des nächsten Jahres Unterstützung im Umfang von mindestens 40 Milliarden Euro zuzusagen. Dies entspreche dem Niveau der Hilfe seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor zweieinhalb Jahren. Wie es danach weitergeht, soll beim Gipfel 2025 besprochen werden. In der Abschlusserklärung soll trotzdem deutlich werden, dass die Nato auch darüber hinaus die entsprechende Hilfe leisten will. Und zwar so lange dies nötig sein werde.
Die genaue Ausgestaltung der Lastenteilung wird weiter verhandelt. Auch, welche Unterstützungen dazu gezählt werden und welche nicht. Aus deutscher Sicht will man die bilaterale Unterstützung und die Hilfe, die man im Rahmen der EU leistet, hineinrechnen. Berlin hat für dieses Jahr acht Milliarden Euro in Aussicht gestellt, was in etwa dem Anteil entspricht, den Deutschland leisten muss.
Unsicherheiten durch innenpolitische Entwicklungen
Unsicherheiten bestehen mit Blick auf die innenpolitischen Entwicklungen in relevanten Mitgliedsländern, allen voran den USA: Eine zweite Amtszeit des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump könnte die Kontinuität der Ukraine-Hilfe infrage stellen. Zuletzt betonte der Ex-Präsident, dass er den Krieg in der Ukraine innerhalb kürzester Zeit stoppen könnte.
Vor diesem Hintergrund muss auch der zweite große Teil des Ukraine-Pakets gesehen werden – das “Nato Security Assistance and Training for Ukraine” (NSATU). Damit soll das US-geführte Ramstein-Format für die Koordinierung der Ukraine-Hilfen an die Nato-Struktur überführt und so sichergestellt werden, dass ein neuer US-Präsident die Hilfe nicht ohne Weiteres stoppen kann. Am Hauptsitz der Allianz ist in diesem Zusammenhang von “Trump Proofing” die Rede. Ob die Rechnung aufgeht, ist umstritten. Zusätzlicher Unsicherheitsfaktor ist Frankreich. Marine Le Pens Rassemblement National hat in der Vergangenheit auch schon mit dem erneuten Ausstieg aus dem integrierten Militärkommando gedroht.
Zudem will die Nato einen Sondergesandten in Kiew einsetzen, der vor Ort wie eine Art Botschafter die Bedürfnisse der Ukraine evaluieren und die Initiativen der Nato übersehen kann. Noch ist nicht bekannt, wer diese Rolle übernehmen soll. Die Mitgliedstaaten sind darum bemüht, einen Beamten mit Ukraine-Erfahrung für den Job zu finden.
Misstöne in Washington vermeiden
Vierter Teil des Pakets ist die Sprachregelung mit Blick auf eine künftige Mitgliedschaft der Ukraine im Bündnis. Das Thema ist sensibel und zugleich symbolisch wichtig. Beim Nato-Gipfel in Vilnius vergangenes Jahr hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj seiner Enttäuschung über die ausgebliebene Einladung über die sozialen Medien Luft gemacht und vorübergehend die Gipfelharmonie gefährdet. Ähnliche Misstöne will man diesmal um jeden Preis vermeiden.
In das Erwartungsmanagement ist diesmal auch Selenskyj selbst eingebunden, der ebenfalls in Washington erwartet wird. Bei der Sprachregelung will man “nicht hinter Bukarest und Vilnius” zurückfallen. Beim Gipfel in Bukarest 2008 wurde der Ukraine erstmals die Beitrittsperspektive in Aussicht gestellt. Und in Vilnius 2023 der “Membership Action Plan” (MAP) als Vorstufe gestrichen.
Priorität bleibt schnelle Waffenlieferung
Am wichtigsten aber ist den Nato-Staaten nach wie vor, dass die Ukraine so schnell wie möglich die Waffensysteme erhält, die sie zur Verteidigung ihres Landes benötigt. Deswegen dürften in Washington parallel zu dem Paket auch weitere Sicherheitsabkommen geschlossen werden. Mit Blick auf die eigene Verteidigungsbereitschaft und die Probleme etwa bei der Munitionsbeschaffung wollen die Nato-Partner sich zudem zu einem Ausbau der Produktion von Rüstungsgütern verpflichten.
Vorgesehen ist, dass die Mitgliedstaaten regelmäßig nationale Verteidigungsindustriepläne vorlegen. Schon auf dem Gipfel kann die Ukraine auf weitere Patriot-Flugabwehrsysteme der Bündnispartner hoffen. Ob es tatsächlich sieben werden, wie von Kiew gewünscht, oder eventuell nur sechs, gehört zu den wenigen offenen Fragen, mit denen die Regierungschefs sich auf den letzten Metern vor dem Gipfel noch beschäftigen. Es soll vermieden werden, dass vor Ort noch zu viele Streitpunkte bestehen. Denn man will um jeden Preis ein Bild der Geschlossenheit nach Moskau senden.
75 Jahre Nato
Nato
NSATU
Ukraine
Neue Rüstungsprojekte: Wie Pistorius den Spieß umdreht
Nach der letzten Sitzung des Bundestags-Haushaltsausschusses vor der Sommerpause am Mittwoch trat ein sichtlich zufriedener Verteidigungsminister vor die Mikrofone. Die Parlamentarier hatten soeben weitere große Rüstungsprojekte gebilligt, unter anderem 105 weitere moderne Kampfpanzer und Artilleriemunition für das Heer, neue Patriot-Flugabwehrsysteme für die Luftwaffe. Insgesamt, rechnete Boris Pistorius vor, seien in diesem Jahr bereits 42 solcher Vorhaben mit einem Finanzvolumen von knapp 27 Milliarden Euro bewilligt worden.
Ein Großteil dieses Geldes muss das Verteidigungsministerium erst in der Zukunft zahlen – ein übliches Vorgehen bei Rüstungsbeschaffungen, die sich gerade bei komplexem Großgerät über Jahre hinziehen. Weil es dafür noch keinen bewilligten Haushalt gibt, werden sogenannte Verpflichtungsermächtigungen eingegangen, mit denen diese Verbindlichkeit für die Zukunft festgelegt wird. Allerdings führt das hohe Tempo der Bestellungen, mit denen das Wehrressort beim Haushaltsausschuss in diesem Jahr vorstellig wurde, zu Projekten, für die noch nicht einmal für die kommenden Jahre Geld im Plan hinterlegt ist.
“Melden an, was wir für Verteidigung brauchen”
“Die Methodik der letzten Jahrzehnte war immer die: Es wurde geplant, wie viel Geld da war, und dann wurde die Planung dem Geld angepasst, und dann wurde meistens zu wenig oder zu spät beschafft”, sagte der Minister nach der Ausschusssitzung. Deshalb setze er auf ein anderes Vorgehen: “Wir werden jetzt den Spieß umdrehen: Wir melden jetzt nicht an, was wir uns anhand der Kassen leisten können, sondern wir melden das an, was wir für die Verteidigungsfähigkeit des Landes brauchen. Und sehen dann, was wir durchkriegen.”
Das Instrument, das das Wehrressort dafür nutzt, heißt “überplanmäßige Verpflichtungsermächtigung” – und angesichts der sicherheitspolitischen Lage kann das Verteidigungsministerium dafür auch auf die Zustimmung des Finanzministers setzen. Exemplarisch zeigt sich das in der geplanten Bestellung von 105 weiteren Kampfpanzern des modernsten Typs Leopard 2 A8. Dafür, erklärte das Haus von Minister Christian Lindner in seiner Mitteilung an den Haushaltsausschuss, stehe zwar in den Jahren 2028 bis 2030 “keine ausreichende Verpflichtungsermächtigung zur Verfügung”.
Bundestag muss über 2028 hinausdenken
Das Verteidigungsministerium habe aber den Bedarf vor allem mit der schnellen Ausstattung der geplanten deutschen Kampfbrigade in Litauen begründet, die allein schon 35 dieser Gefechtsfahrzeuge bekommen soll. Ohne die Bewilligung wären “auch Auswirkungen auf die Sicherheitslage durch ein nicht voll ausgestattetes Panzerbataillon an der Ostflanke der Nato nicht ausgeschlossen”. Die Voraussetzungen für die Einwilligung in eine überplanmäßige Verpflichtungsermächtigung, schrieb das Finanzministerium, “sind damit erfüllt”.
Ein solches Vorgehen, sagt der FDP-Haushälter Karsten Klein im Gespräch mit Table.Briefings, sei nicht ungewöhnlich: Schon zum Ende der vorangegangenen Legislaturperiode habe der Haushaltsausschuss zum Beispiel 3,5 Milliarden Euro für das deutsch-französisch-spanische Luftkampfprojekt FCAS freigegeben, obwohl auch diese Summe nicht hinterlegt war: “Es ist nicht so, als ob das nicht schon stattgefunden hätte.” Dennoch müsse das Parlament natürlich die Belastung für die künftigen Haushalte im Blick behalten – vor allem für die Jahre ab 2028, wenn das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr ausläuft und alle Vorhaben aus dem laufenden Verteidigungshaushalt finanziert werden müssen.
Verteidigungsetat könnte auf 90 Milliarden aufwachsen
Dafür gilt dann allerdings auch die Zusage von Bundeskanzler Olaf Scholz, die Konsens in der Koalition ist: Die Zusage an die Nato, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, soll auch nach dem Sondervermögen eingehalten werden. Schon ab 2028, so die Erwartungen, dürfte das einen Verteidigungshaushalt von um die 90 Milliarden Euro bedeuten, deutlich mehr als die derzeit rund 52 Milliarden Euro. Ob das in der Finanzplanung für die nächsten Jahre enthalten ist, wird sich erst nach den laufenden Haushaltsverhandlungen zeigen. Allerdings, sagt FDP-Haushälter Klein, gehe er fest davon aus, dass “die Festlegung auf das Zwei-Prozent-Ziel in der Finanzplanung abgebildet sein wird”. Die aktuelle Bedrohungslage angesichts des russischen Vorgehens, sagt ein anderer Koalitionshaushälter, rechtfertige die Bestellungen in diesem Umfang und Tempo.
Der Haushaltsausschuss will jedoch, trotz seiner aktuellen Genehmigung der langfristigen Ausgaben für die Bundeswehr, nicht alles einfach hinnehmen. In einem sogenannten Maßgabebeschluss verbanden die Abgeordneten so ihre Zustimmung zur Bestellung der 105 Leopard mit Auflagen. Unter anderem heißt es darin: “Das BMVg hat schriftlich zu begründen, weshalb trotz der Nichtveranschlagung der 105 Kampfpanzer Leopard 2 die Verpflichtungsermächtigung für die Jahre 2026 und 2027 über den Titel 1491 554 97 ausreicht, wohingegen die Verpflichtungsermächtigung für die Jahre 2028 bis 2030 nicht ausreichend zur Verfügung stehen”.
Dahinter steht eine Kritik, die so aus den Koalitionsparteien nicht zu hören ist, aus der Opposition dagegen um so deutlicher. Alle geplanten Beschaffungen seien für sich zwar richtig, sagt der CDU-Abgeordnete Ingo Gädechens. “Dass die Regierung eine Antwort schuldig bleibt, wie die riesigen finanziellen Verpflichtungen ab 2028 beglichen werden sollen, sind wir gewohnt”, klagt der Parlamentarier, der im Haushaltsausschuss für die Union den Verteidigungshaushalt beobachtet. “Dass das Verteidigungsministerium aber hohe dreistellige Millionenbeträge bis 2027 ausgeben will und diese von anderen Beschaffungsvorhaben abzieht – ohne ein einziges Wort zu verlieren, welche anderen Beschaffungsvorhaben aufgegeben werden -, ist eine neue Qualität der unseriösen Beschaffung.”
BMVg
Bundeswehr
FCAS
Leopard 2 Panzer
Münchner Sicherheitskonferenz
Rüstungsexporte
Verteidigungshaushalt
Zwei-Prozent-Ziel
Translation missing.
Glücksburg: Darum wird die Deutsche Marine ihren Bunker nicht aufgeben
Die Bundeswehr wird ihren Bunker in der Kaserne Meierwik in Glücksburg nicht aufgeben. Das bestätigte Konteradmiral Stephan Haisch, Abteilungsleiter Einsatz im Marinekommando in Rostock, auf Anfrage von Table.Briefings. “Viele Verbündete haben uns gefragt, ob wir den Bunker nicht weiter betreiben wollen, und ja, das wollen wir”, sagt Haisch. “Der geschützte Bau hat als Ausweichquartier und Redundanz zu Rostock eine unglaublich wichtige Funktion, und insofern wollen wir Glücksburg unter dem Aspekt weiter erhalten”, so Haisch weiter.
Im schleswig-holsteinischen Glücksburg nahe Flensburg betreibt die Marine ihr maritimes Operationszentrum (“Maritime Operations Centre”, MOC). Aus dem unterirdischen Schutzbau heraus erstellen die Soldatinnen und Soldaten das nationale Lagebild für die Nord- und Ostsee – eine Aufgabe, die mit der Rückkehr der Bedrohung durch Russland auch zu See wieder deutlich an Bedeutung gewonnen hat. Außerdem werden aus Glücksburg heraus alle deutschen Einheiten bei ihren weltweiten Auslandseinsätzen, wie etwa im Roten Meer oder beim aktuell laufenden Indo-Pacific Deployment der Marine, auf anerkannten Missionen und bei Übungen geführt.
Auch Einheiten von Verbündeten, wie etwa U-Boote der polnischen Kriegsmarine, werden, als Auftrag der Nato, von dort aus geführt. Ebenso dient Glücksburg als Leitstelle für Rettungseinsätze in der Nord- und Ostsee. Nach Angaben der Marine arbeiten auf dem Gelände noch 400 Soldatinnen und Soldaten.
Bunker sollte 2026 eigentlich aufgegeben werden
Eigentlich sollte das Operationszentrum bis 2022 vollständig in das knapp 190 Kilometer südöstlich gelegene Marinekommando in Rostock umziehen und der Bunker bis Ende 2025, spätestens Anfang 2026, endgültig aufgegeben werden. Der Umzug hatte sich immer weiter verzögert, weil die Technik in Rostock nicht fertig war. Erst Anfang Juni wurden 100 Millionen Euro aus dem Sondervermögen für den weiteren Ausbau der Infrastruktur und IT-Technik in Rostock bewilligt.
Laut Haisch ist der Erhalt des einzigen Bunkers der Marine nun vorläufig bis 2030 offiziell bewilligt. Mit dieser Entscheidung konnten bereits kleinere Modernisierungsprojekte in Gang gesetzt werden. Die endgültige Entscheidung, dass Glücksburg nicht nur erhalten, sondern auch umfänglich modernisiert werden soll, wolle Verteidigungsminister Boris Pistorius in den “kommenden Monaten” finalisieren, heißt es aus Kreisen des Verteidigungsministeriums. Und: Wie teuer die Umbauarbeiten werden, werde derzeit im Marinekommando eruiert. Klar ist bislang nur: Das Geld dafür muss aus dem Verteidigungshaushalt der kommenden Jahre kommen.
Dass die Modernisierung des Bunkers notwendig ist, ist unstrittig: Die IT-Technik muss an moderne Anforderungen angepasst werden, sie stammt teilweise noch aus den 1980er-Jahren. So fehlt es etwa an Glasfaserkabeln und Kühlungsanlagen für die moderne IT-Technik, aber auch an Belüftungsanlagen für die unterirdischen Arbeitsplätze. Überirdisch müssen auch die Antennen erneuert werden.
Sechs Monate später griff Russland die Ukraine an. Und es zeigte sich ein eklatantes Problem: Das ungehärtete, vollständig überirdisch gebaute Führungszentrum der Deutschen Marine liegt in direkter Reichweite russischer Präzisionswaffen, es braucht also einen geschützten Ausweichort. Als 2011 die Entscheidung gefallen war, das Flottenkommando, die Führungsunterstützung und die Operationszentrale aus Glücksburg an das neu aufgestellte Marinekommando in Rostock zu übertragen, sah man keine Notwendigkeit, dort für Schutzvorrichtungen wie einen unterirdischen Bunker oder eine verstärkte Fassade zu sorgen.
Und bereits damals war absehbar, dass ein Erhalt des Standorts in Glücksburg dessen Neubau aus “operativen/funktionalen und aus wirtschaftlichen Gründen” nach sich ziehen würde, wie der damalige Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsminister, Thomas Kossendey, 2012 in einer Antwort auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Hans-Peter Bartels schrieb. “Zudem wäre der Betrieb von zwei Standorten für das Marinekommando nicht vertretbar”, heißt es dort weiter.
Bundeswehr
Deutsche Marine
Verteidigungsministerium
Translation missing.
News
Rheinmetall-CEO fordert 85 Milliarden Euro für Verteidigung
Der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall verlangt mehr Investitionen in die Sicherheit und noch vor dem Auslaufen des Bundeswehr-Sondervermögens ein Aufstocken des Verteidigungsetats auf jährlich 85 Milliarden Euro. “Die Bundesregierung wird nach der Bundestagswahl, wer auch immer es sein wird, eine Entscheidung treffen müssen und den Einzelplan 14 auf 85 Milliarden Euro hochpushen”, sagte Armin Papperger, Rheinmetall-CEO, im Podcast von Table.Briefings. Derzeit liegt der Etat von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bei rund 52 Milliarden Euro.
Die Finanzierung der Rüstungsindustrie müsse nun dauerhaft gesichert werden, sagte Papperger. “Wir haben große Fehler gemacht. In den letzten 30 Jahren haben wir das Thema an den Rand gedrängt und haben gesagt, Sicherheit ist nicht mehr wichtig. Aber alle Parteien haben gemerkt, dass wir auch eine Rüstungsindustrie brauchen, weil unsere Soldaten etwas brauchen zum Kämpfen. Und die Soldaten sind es, die Deutschland schützen.”
Neue “politische und gesellschaftliche Wertschätzung”
Papperger kündigte an, bis Ende des Jahres 700.000 Schuss Artilleriemunition zu produzieren, die im Wesentlichen an die Ukraine geliefert werden soll. Damit würde Rheinmetall 10-mal so viel Munition produzieren wie vor dem Krieg. Bis Ende 2026 will der Konzern die Produktion auf 1,1 Millionen Schuss erhöhen. Rheinmetall ist inzwischen der wichtigste Rüstungspartner der Ukraine. Der Umsatz des Konzerns soll dieses Jahr auf 10 Milliarden Euro steigen, das wäre doppelt so viel wie 2014.
Die neue politische und gesellschaftliche Wertschätzung für sein Unternehmen tue gut, sagte Papperger. “Es fühlt sich gut an und ich freue mich vor allen Dingen für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Denn die haben ja 30 Jahre lang erlebt, wenn man am Rand der Gesellschaft ist, obwohl man sich für die Sicherheit dieses Landes eingesetzt hat.” Die Bundeswehr verdiene deutlich mehr Anerkennung in diesem Land, denn die Bedrohung sei real. “Die Nato sagt heute, dass es in fünf bis sechs Jahren zu einer Situation kommen könnte, in der Russland vielleicht sogar die Nato angreift. Und dann müssen wir bereit sein. Wir sind es heute nicht.”
Papperger sieht sein Unternehmen nicht als Kriegsproduzenten, sondern als Lieferanten für die Verteidigung des Landes. “Wir machen es möglich, dass die deutsche Politik in der Lage ist, unser Land mithilfe der Bundeswehr zu schützen.” Papperger kündigte neue Investitionen in ukrainische Werke an. “Wir müssen dauerhaft in der Ukraine bleiben, weil die Ukraine ein ganz normales europäisches Land werden muss, das wieder aufgebaut werden muss. Dafür brauchen sie Unterstützung.” Wie der Rheinmetall-CEO die Künstliche Intelligenz einsetzen will und welche Bedeutung der Verbrennermotor für sein Unternehmen hat, hören Sie im Podcast am Samstag ab 6 Uhr hier. brö
Deutschland
Rheinmetall
Rüstung
In aller Stille: Marine schickt erneut Kriegsschiff ins Rote Meer
Ohne die sonst übliche öffentliche Verabschiedung schickt die Deutsche Marine erneut ein Kriegsschiff in den derzeit gefährlichsten Auslandseinsatz der Bundeswehr: Am Montag soll die Fregatte “Hamburg” von Wilhelmshaven auslaufen und sich auf den Weg ins Rote Meer machen. Das Schiff, das auf Flugabwehr spezialisiert ist, soll sich dort an der EU-Mission Aspides zum Schutz der Handelsschifffahrt vor Angriffen der Huthi-Milizen aus dem Jemen beteiligen.
Nach Informationen von Table.Briefings begründet die Marine das stille Auslaufen mit dem Wunsch der Besatzung vor der gefährlichen Mission. Vor dem eigentlichen Einsatz ist eine Übungsphase im Mittelmeer vorgesehen: Die Besatzung der Fregatte, die lange in der Werft lag, muss erst wieder die Abläufe für die Abwehr von Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen einüben. Im Frühjahr hatte das Schwesterschiff “Hessen” beim Einsatz in der EU-Operation mehrfach solche Angriffe abgewehrt, sowohl mit ihren Flugabwehrraketen als auch nahe an der Fregatte mit dem Bordgeschütz.
Die im November vergangenen Jahres von den Huthi begonnenen Angriffe richten sich vor allem gegen Handelsschiffe aus Nationen, denen die von Iran unterstützten Milizen eine Nähe zu Israel vorwerfen und sollen der Hamas im Gaza-Streifen den Rücken stärken. Mehrere Frachtschiffe sind nach Attacken bereits gesunken. Die USA, die mit ihrer “Operation Prosperity Guardian” parallel zur EU im Roten Meer aktiv sind, hatten in jüngster Zeit zunehmen vom Einsatz von Überwasserdrohnen berichtet. tw
Aspides
Bundeswehr
Deutsche Marine
Flugabwehr
Huthi
Pushbacks in Finnland: Warum die Legalisierung problematisch ist
Mit Finnland könnte in den kommenden Tagen ein weiterer europäischer Staat die umstrittenen Pushbacks von Geflüchteten und Migranten an der Grenze erlauben – obwohl dies nicht nur gegen die Verfassung des Landes verstoßen würde. Über ein entsprechendes Gesetz soll das finnische Parlament in Kürze abstimmen.
Die finnische Regierung will mit dem Gesetz Menschen an der Ostgrenze abwehren, die russische Sicherheitsorgane gezielt an die Grenze bringen. Moskau will damit – ähnlich wie Belarus im Baltikum und in Polen – Druck auf die EU ausüben. Geflüchtete und Migranten sind für autoritäre Mächte längst zu einem Mittel ihrer Geopolitik geworden. Demokratien wie Lettland, Litauen und Polen wehren sich jedoch mit höchst umstrittenen und von Fachleuten abgelehnten Maßnahmen dagegen, indem sie die von Belarus und Russland zu diesem Zweck benutzten Menschen zurückweisen.
Finnland folgt Beispiel baltischer Staaten
“Sollte Finnland dieses Pushback-Gesetz verabschieden, muss die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten”, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Erik Marquardt zu Table.Briefings. Finnland habe in den letzten Monaten nicht mehr als 200 Asylanträge entgegengenommen. “Wir können erwarten, dass sie diese Anträge einfach bearbeiten und rechtsstaatlich herausfinden, wer schutzbedürftig ist und wer nicht.” Wer europäische Werte ernsthaft verteidigen will, müsse auch erkennen, dass die Menschenrechte essenzieller Bestandteil Europas sind.
Im Mai 2023 hatte Litauen Pushbacks an seiner Grenze legalisiert. Lettland hatte im Oktober 2021 einen Ausnahmezustand ausgerufen, der die entsprechende Praxis erlaubt. Auch Polen, Griechenland und Kroatien schieben Geflüchtete und Migranten teils gewaltsam zurück – teilweise auch mit Todesfolge.
Russland instrumentalisiert Pushbacks
Für russische Medien ist der innereuropäische Streit über Migrationspolitik ein willkommenes Propagandathema. Dem eigenen Publikum präsentieren sie die Berichte darüber als Beweis für Europas “doppelte Standards”, weil die europäischen Staaten gegen die eigenen moralischen Regeln verstoßen.
In der gesamten EU beantragten 2023 rund eine Million Menschen Asyl (20 Prozent mehr als 2022), davon 4.559 in Finnland. Nach finnischen Angaben entspricht diese Zahl dem Wert vor der Corona-Pandemie. Bezogen auf die Bevölkerungszahl kommen in Finnland auf einen Asylsuchenden 1.216 Staatsbürger, in Deutschland beträgt das Verhältnis eins zu 252. vf
Asylpolitik
Europa
Finnland
Migrationspolitik
Must-Reads
Politico: Trump’s Plan for Nato is Emerging. Sollte Donald Trump die Präsidentschaftswahlen gewinnen, werde er den nuklearen Schutzschirm zwar über Europa belassen, den Großteil der konventionellen Verteidigung müssten aber die Europäer übernehmen. Aufschlussreicher Longread über die Nato-Denkspiele Trumps und seiner Berater.
Internationale Politik: USA, Land der unbegrenzten Desinformation. 2016 mischte sich Russland, durch Verbreitung von Desinformationen, in die US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen ein. Seitdem hätte das Land wenig gegen die Verbreitung von Falschinformationen unternommen, stellt Nina Jankowicz fest. In ihrem Text nennt sie drei wirksame Maßnahmen, die die USA umsetzen sollten: Plattformen transparenter machen, Informationskompetenz vermitteln und in Nachrichtenmedien investieren.
Zenith: Wichtiger als Palästina. Seit der Normalisierung der Beziehungen Marokkos mit Israel wächst die Kluft zwischen der marokkanischen Regierung und ihrer Bevölkerung, bei der die Unterstützung für Palästina zunimmt. Die Analyse betrachtet mögliche Gründe und geht unter anderem von wirtschaftlichen Eigeninteressen des Königreichs aus.
IISS: Nato goes back to ballistics. Die Nato-Mitgliedstaaten sind dabei, den jahrzehntelangen Abbau der Bestände an Boden-Boden-Raketen rückgängig zu machen. Der Mangel an Langstreckenwaffen im Bündnis wurde durch den beträchtlichen Einsatz ballistischer Raketen durch Russland in der Ukraine unterstrichen. Dieser Beitrag liefert einen Überblick über die aktuelle Verbreitung und geplante Nutzung von Boden-Boden-Raketen.
Nachtisch
Wie der Titel “Das deutsche Alibi” schon sagt: Es geht in diesem Buch nicht um Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Über den ist ja eh schon alles gesagt worden. Auch 80 Jahre nach dem misslungenen Attentat auf Adolf Hitler. Es geht Ruth Hoffmann um etwas Größeres: Der Mythos um den Widerstand des Hitler-Attentäters entlarvte “das Märchen vom verführten Volk, das von nichts wusste”.
Dass der elitäre Wehrmachtsoffizier Stauffenberg kein Demokratie-Fan war, schmälert seinen Widerstand nicht. Aber – und das schreibt die Journalistin Hoffmann fast schon zornig – in der Ära Helmut Kohls habe man ihn zu einem solchen verklärt, um die geistig-moralische Wende voranzutreiben. Der Zeitgeist biegt sich seine Lichtgestalten eben hin, wie er es braucht.
Erinnerung findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern zeigt, wie eine Gesellschaft sich sehen möchte. Insofern ist dieses – auch wirklich gut geschriebene – Buch wie ein Spiegel, den uns Hoffmann in Bezug auf die Vergangenheitsbewältigung vorhält. nana
Ruth Hoffmann: Das deutsche Alibi – Mythos Stauffenberg-Attentat: Wie der 20. Juli 1944 verklärt und politisch instrumentalisiert wird / Goldmann Verlag München 2024