am Montagmorgen hat Russland Kiew mit Marschflugkörpern und Hyperschallwaffen so stark beschossen wie an kaum einem anderen Tag seit Februar 2022. 36 Tote und Dutzende Verletzte meldeten Behörden aus dem ganzen Land. Auch das Okhmadit-Kinderkrankenhaus in der ukrainischen Hauptstadt wurde getroffen. Der Nato zeigt Wladimir Putin zu ihrem Jubiläumsgipfel damit, dass er vor keinem Ziel zurückschreckt, um die Ukraine russischem Einfluss unterzuordnen.
75 Jahre nach ihrer Gründung stellt Putins Krieg gegen die Ukraine das westliche Verteidigungsbündnis Tag für Tag vor neue Herausforderungen. Wilhelmine Preußen hat aufgeschrieben, mit welchen Erwartungen und Interessen die 32 Mitgliedsstaaten diesen Dienstag zum Jubiläumsgipfel nach Washington reisen. Besonders im Blick haben Regierungschefs wie Verteidigungsminister dabei einen möglichen Machtwechsel im Weißen Haus: Nana Brink weiß, wie die Unterstützung für die Ukraine auch im Falle eines Wahlsiegs Donald Trumps langfristig gesichert werden soll.
Nach dem Ausscheiden der Türkei bei der Fußball-Europameisterschaft atmen die Sicherheitsbehörden auf. Anouk Schlung beschreibt, wie Polizei und Rettungsorganisationen das Turnier noch bis zum Finale am Sonntag in Berlin vor hybriden und anderen Angriffen schützen.
Das nächste Security.Briefing lesen Sie schon am Mittwochmorgen – in der ersten unserer drei Spezialausgaben vom Nato-Gipfel in Washington.
Beim Nato-Gipfel in Washington soll vor allem ein Signal der Geschlossenheit in Richtung Moskau gesendet werden. Die 32 Mitgliedsstaaten und ihre Delegationen reisen mit jeweils eigenen Interessen in die politische Hauptstadt der USA und leisten unterschiedliche Beiträge zum Bündnis. Wer in Washington welche Rolle spielen wird und wer derzeit bereits welchen Beitrag zu den neuen Verteidigungs- und Operationsplänen leistet, die im Lichte der russischen Aggression erstellt wurden, haben wir daher zusammengefasst.
“Die Nato ist wie ein Golfclub. Es geht darum, wer kann mit wem am besten”, so beschreibt es Karl-Heinz Kamp, der ehemalige Forschungsdirektor am Nato Defense College in Rom, im Gespräch mit Table.Briefings das Bündnis. Und: “Das Gewicht eines Staates verändert sich je nach der aktuellen Problemlage.”
Die USA sind der bedeutendste Nato-Partner. Es ist der Druck aus Washington, der dabei hilft, EU-Partner zu höheren Beiträgen zu bewegen oder schwierige Partner in die Schranken zu weisen. Im Zuge des russischen Angriffskriegs haben die USA auch viele ihrer 80.000 Soldatinnen und Soldaten starken Streitkräfte in Europa unter das Kommando der Nato gestellt. Sie signalisieren damit eine Bereitschaft wie seit Jahrzehnten nicht mehr, sich in die Nato-Strukturen einzubinden. Umso besorgter blicken alle auf die anstehenden US-Wahlen.
Der ehemalige republikanische Präsident Donald Trump hat mit seinen Aussagen zur Nato, Artikel 5, und der Ukraine-Hilfe Zweifel an der zukünftigen US-amerikanischen Rolle in der Allianz geschürt. Gleichzeitig rechnet man im Nato-Hauptquartier damit, auch eine zweite Amtszeit von US-Präsident Joe Biden werde nichts daran ändern, dass die USA ihre Kräfte vermehrt aus Europa abziehen könnten. Aus US-amerikanischer Sicht geht die Bedrohung zunehmend von China aus und liegt im Indopazifik. Zum dritten Mal werden deswegen auch die Regierungschefs der Asia-Pacific 4 am Gipfel teilnehmen, und das Thema China wird sich in der Gipfelerklärung wiederfinden.
Neben den USA sind Frankreich und Großbritannien die einzigen Nuklearmächte im Bündnis und haben allein deswegen eine gewichtige Stimme. Gleichzeitig besitzen sie auch als einzige Staaten militärische Fähigkeiten im Indopazifik, der für die USA als geopolitischer Schwerpunkt im Konflikt mit China gesehen wird. Großbritannien beansprucht für sich, bei der Unterstützung der Nato für die Ukraine eine führende Rolle zu spielen. Der ehemalige britische Premierminister Rishi Sunak hat zugesagt, bis 2030 2,5 Prozent seines Bruttoinlandprodukts für die Verteidigung auszugeben. Im Rahmen des 2023 verabschiedeten neuen Verteidigungsplans der Nato hat London Kampfflugzeuge, Schiffe, Flugzeugträger und “Landstreitkräfte in Brigadegröße” versprochen.
Frankreich reiht sich gelegentlich in die Stimmen der Südeuropäer ein und fürchtet, dass zu viele Ressourcen an der Ostflanke aufgewendet werden. Gleichzeitig hat Präsident Emmanuel Macron immer wieder strategische Debatten angeregt, zum Beispiel zur Vorstellung, Bodentruppen in die Ukraine zu schicken. Dies ist bislang bei vielen Nato-Staaten, allen voran den USA und Deutschland, auf heftigen Widerstand gestoßen. Frankreichs Präsident treibt auch die Idee von westlichen Ausbildungskräften auf ukrainischem Boden voran.
Experten bezweifeln, ob die beiden Staaten ihren weitreichenden Ankündigungen und Zusagen gerecht werden können. Bislang bleiben beide de facto hinter den Erwartungen zurück, was sich im Umfang der Beiträge von Tier 1- und Tier 2-Kräften im Nato New Force Model zeigt. Fraglich ist auch, wie durchsetzungsfähig der französische Präsident nur wenige Tage nach der Wahl im eigenen Land auftreten kann. Der neue britische Labour-Regierungschef Keir Starmer wird voraussichtlich seinen ersten Auftritt auf internationalem Parkett haben.
Deutschland spielt wegen seiner geografischen Lage, seiner Wirtschaftskraft und der Stationierung US-amerikanischer Atomwaffen generell eine wichtige Rolle. Für das laufende Jahr hat Deutschland geschätzte Verteidigungsausgaben von 90,6 Milliarden Euro gemeldet und würde damit derzeit – mit Hilfe des Sondervermögens – klar das Zwei-Prozent-Ziel des Bündnisses erreichen. Fraglich ist aber inwiefern das Beitragsniveau auch über das Sondervermögen hinaus gehalten werden kann. Das Sondervermögen ist 2027 aufgebraucht. Deutschland hat der Nato außerdem zugesagt, 30.000 Soldatinnen und Soldaten sowie eine Kombination aus 85 Schiffen und Flugzeugen bereitzustellen, die innerhalb von 30 Tagen mobilisiert werden können.
Gemeinsam mit den USA hat sich Deutschland deutlich dagegen ausgesprochen, der Ukraine zu diesem Zeitpunkt eine Nato-Mitgliedschaft in Aussicht zu stellen. Stattdessen will man das Augenmerk auf ein konkretes Hilfspaket lenken. Die Bündnispartner blicken mehr als zuvor auf Deutschland, gerade weil Frankreich und Großbritannien politisch und auch mit Blick auf die angespannte Haushaltslage geschwächt sind. Im Rahmen des Weimarer Dreiecks haben Deutschland, Frankreich und Polen schon vorab versucht, Impulse zu setzen und angekündigt, in Washington eine Absichtserklärung zur Entwicklung weitreichender Präzisionswaffen zu unterschreiben.
Polen will als europäische Mittelmacht ebenfalls seinen Einfluss in der Nato stärken. Die Gefahr, die von Russland ausgeht, ist für das Land sehr real. Polen grenzt direkt an die russische Enklave Kaliningrad und den russischen Verbündeten Belarus. Warschau hat angekündigt, die Streitkräfte zu erhöhen, mit dem Ziel, bis 2035 250.000 Berufssoldaten und 50.000 Soldaten der Territorialverteidigungskräfte aufzustellen. Inwiefern Warschau die Versprechen auch mit Blick auf die demografische Entwicklung einhalten kann, ist – wie auch bei anderen Staaten – fraglich.
Polens Präsident Andrzej Duda hat außerdem die Bereitschaft seines Landes zur Stationierung von Atomwaffen auf dem polnischen Staatsgebiet erklärt. Gleichzeitig ist Polen derzeit mit einer Quote bei den Verteidigungsausgaben von über vier Prozent des BIP dabei. Gerade Deutschland setzt auch mit Blick auf die schwierige Lage in Frankreich auf eine größere Kooperation mit der pro-europäischen Regierung von Donald Tusk.
Was die Bundesrepublik Deutschland im Kalten Krieg war, sind heute die drei baltischen Staaten: Frontstaaten. Estland, Lettland und Litauen liegen eingezwängt zwischen der Ostsee im Westen und Norden und Russland und seinem Verbündeten Belarus im Osten. Entsprechend wichtig wird auch ihre Rolle beim Nato-Gipfel in Washington. Zudem hat die Nato mit der Mission enhanced Forward Presence (eFP) seit 2017 auch Soldaten in die Region verlegt, was die Relevanz der Staaten zusätzlich betont. Zwar ist bei den Balten immer noch eine Priorisierung bilateraler Vereinbarungen zur Verstärkung der nationalen Verteidigungsfähigkeit zu erkennen, doch mit dem Beitritt von Schweden und Finnland nimmt die grenzüberschreitende, bündnisgemeinsame Ausrichtung zu – so etwa mit Blick auf die Ostsee. Die baltischen Staaten geben außerdem relativ viel für Verteidigung aus; in absoluten Zahlen ist ihr Beitrag dennoch gering.
Ungarn macht dem Bündnis immer wieder das Leben schwer, vor allem bei der Unterstützung der Ukraine. Budapest hat sich wiederholt gegen den Beitritt der Ukraine zur Nato ausgesprochen und westliche Hilfsbemühungen für die Ukraine untergraben. In einem Deal mit dem scheidenden Generalsekretär Jens Stoltenberg hat Viktor Orbán ausgehandelt, dass Ungarn sich nicht an der Ukraine Nato Initiative for Training and Equipment (UNITE) zur Koordinierung von Waffenlieferungen für die Ukraine beteiligen muss, dem aber auch nicht im Weg steht.
Auch wenn damit das Bild der Einigkeit in Washington gesichert sein dürfte, blickt man immer mit Sorge auf Akteure wie Viktor Orbán, aber auch den Regierungschef der Slowakei, Robert Fico, oder den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Während Orbán mit seiner unabgesprochenen Reise nach Moskau gerade die Verbündeten vor den Kopf gestoßen hat, hat Erdoğan den russischen Regierungschef Wladimir Putin am Rande des Gipfels der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit getroffen.
Der nennenswerteste Erfolg seit dem Nato-Gipfel in Madrid ist wohl der Beitritt Finnlands und Schwedens. Es ist nicht nur ein starkes politisches Signal an Moskau, sondern auch ein entscheidender strategischer Zugewinn für das Bündnis. Nord- und Ostsee werden damit fast gänzlich von Nato-Anrainern umschlossen. Der Regionalplan Nordwest hat sich durch den Beitritt der beiden nordischen Staaten geändert. Im Zuge dessen wurde das Joint Force Command Norfolk (JFC Norfolk) gestärkt.
Die finnische Stadt Mikkeli, nur 140 Kilometer von der russischen Grenze entfernt, wird Standort eines weiteren Hauptquartiers der Nato-Bodentruppen. Die komplette Integration ist für 2025 vorgesehen, und auf dem Gipfel wird das Thema auch auf der Tagesordnung stehen. Klar ist: Die Länder haben eine 180-Grad-Wende von der Neutralität zu einem vollen Einsatz vollzogen. Gerade erst hat Schweden ein Verteidigungsabkommen mit den USA geschlossen, nach dem US-Truppen künftig auf schwedischem Boden üben und Infrastruktur nutzen dürfen.
Die Bedrohungslage der Südanrainer wie Italien, Spanien und Griechenland im Bereich Migration und Terrorismus hat sich verstärkt. Die Nato spricht seit langem von einem 360-Grad-Ansatz, um auch den Sorgen dieser Staaten von irregulärer Migration bis Terrorismus Rechnung zu tragen. Um die Partnerschaften der Nato an ihrer Südflanke besser zu koordinieren, soll der Posten eines Sonderbeauftragten geschaffen werden. Die Lösungsmöglichkeiten des Militärbündnisses für derartige sozio-ökonomische Probleme sind allerdings begrenzt. Der Bereitschaft der Länder, die Unterstützung der Ukraine zu erhöhen, ist gering. Gleichzeitig geben Italien, Spanien oder Portugal immer noch weit weniger als zwei Prozent ihres Bruttoinlandproduktes für Verteidigung aus. Mitarbeit: Viktor Funk und Stephan Israel.
Lange ist um den Namen des neuen Formats gestritten worden. Nun soll es, angeblich auf Vorschlag der Türkei, “Ukraine Nato Initiative for Training and Equipment” (UNITE) heißen. Damit wird “die Unterstützung für die Ukraine Trump-proof gemacht”, erklärt Jana Puglierin, Leiterin des Berliners Büros des European Council on Foreign Relations (ECFR). Da eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine ausgeschlossen wird, soll mit dem Namen UNITE ein “starkes Signal” der Solidarität von diesem Gipfel ausgehen.
Man wolle damit ebenfalls verhindern, “dass ein Land – zum Beispiel die USA – die Hilfe einfach torpedieren kann”, so Puglierin. Bis auf Ungarn beteiligen sich damit alle Mitglieder an dieser Unterstützungsmission. Um ein Veto Ungarns auszuschließen, wurde Regierungschef Viktor Orbán zugesichert, dass sich das Land weder finanziell noch personell beteiligen muss.
Die Koordination der militärischen Unterstützung der Ramstein-Gruppe lag bislang in den Händen der USA. Eigens dafür hatten die US-Amerikaner im Europa-Hauptquartier der US-Streitkräfte in Wiesbaden eine rund 300 Soldaten starke Einheit mit dem Namen Security Assistance Group – Ukraine (SAG-U) aufgebaut. Die neue Mission UNITE wird ebenfalls in Wiesbaden stationiert sein. Sie soll eine Stärke von mindestens 500 Soldaten umfassen, die bereits im September offiziell ihre Arbeit aufnehmen sollen. Der scheidende Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg spricht sogar von bis zu 700.
Ungeklärt ist noch, wie die Zusammenarbeit zwischen UNITE und der EU aussehen wird, die seit 2022 die größte militärische Ausbildungsmission für die Ukraine ( EUMAM UA) führt. Wenn diese nicht gelänge, würden alle Bemühungen “ein unübersichtliches Patchwork bleiben, das die ukrainische Seite überfordert”, so die Nato-Expertin Stefanie Babst. Diese Koordination bleibe aber nicht nur wegen Ungarn politisch schwierig, “da Mitglieder wie die Türkei und Zypern das auf beiden Seiten blockieren”.
In Deutschland, der größten Gebernation nach den USA, stellt man sich schon seit längerem auf eine mögliche neue Präsidentschaft Trumps ein. Mehrfach hatte er in der Vergangenheit den Verbleib der USA in der Nato infrage gestellt. “Er charakterisiert die Nato als eine Art Sicherheitsfirma, bei der wir bezahlen und er uns nach Gusto beschützt”, erklärte Michael Link, Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit. “Deshalb müssen wir uns darauf vorbereiten”.
“Mit dem neuen Nato-Kommando in Wiesbaden wird eine neue Struktur entstehen, an der natürlich auch Amerikaner mitwirken werden”, ist sich die Nato-Expertin Stefanie Babst sicher. An der Spitze wird ein US-amerikanischer Drei-Sterne-General stehen. Um die Besetzung des Stellvertreters wurde zuletzt heftig gestritten. Wie Table.Briefings aus Nato-Kreisen erfahren hat, wird Deutschland diesen Posten besetzen, den auch Großbritannien, Polen und Frankreich beansprucht hatten. Dem Vernehmen nach soll Bundeskanzler Olaf Scholz selbst für die deutsche Nominierung gesorgt haben.
Im Gespräch dafür ist Generalmajor Hartmut Renk, seit Januar 2023 Deputy Commanding General for Integration der United States Army Europe and Africa in Wiesbaden. Dies soll jedoch noch nicht endgültig entschieden sein. Generalleutnant Wolfgang Wien, deutscher militärischer Vertreter bei der Nato und der EU, hält die deutsche Besetzung des Stellvertreterpostens für entscheidend. Bislang hat Deutschland – Stand Mitte Juni 2024 – Militärhilfe in Höhe von 28 Milliarden Euro geleistet. Hinzu kommen Zusagen in Höhe von sechs Milliarden für die kommenden Jahre. “Es ist wichtig, dass Deutschland eine prominente Rolle bei der Koordinierungsaufgabe bekommt”, so Wien.
Ein heikles Thema, vor allem für Deutschland, sind Überlegungen, im Rahmen von UNITE ein Verbindungsbüro der Nato in der Ukraine aufzubauen. Wie ein hochrangiger Nato-Militär im Gespräch mit Table.Briefings erklärte, müsse “man natürlich im Land selbst gucken, wie die Militärhilfe ankommt”. Koordinierungsaufgaben aus der Ferne zu lösen, sei auf Dauer nicht zielführend. Man wisse jedoch, dass die offizielle Entsendung von Nato-Personal in die Ukraine für Deutschland “eine rote Linie” darstelle.
Bislang lehnen auch die USA das Anliegen der Ukraine offiziell ab, eigene Militärberater ins Land zu schicken. Allerdings scheint man im Hintergrund nach einer Lösung zu suchen. So zitierte die New York Times den Generalstabschef der US-Streitkräfte, General Charles Quinton Brown, im Mai mit der Äußerung: “Im Laufe der Zeit werden wir da möglicherweise hinkommen.” Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte die Debatte im Februar entfacht, als er den Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine nicht ausschloss.
Sowohl die USA als auch Deutschland hatten dies damals abgelehnt. Nato-Insider gehen davon aus, dass einzelne Nato-Staaten längst militärisches oder Geheimdienstpersonal im Land haben. Allein die USA sollen zwölf CIA-Basen an der Grenze zu Russland installiert haben. Laut des Berichts könnten sie für grenzüberschreitende Drohnen- und Raketenangriffe genutzt werden.
Ein ebenfalls noch nicht gelöstes Problem ist die Koordinierung von einzelnen Nato-Missionen wie zum Beispiel mit dem Joint Analysis, Training and Education Center (JATEC). In diesem Zentrum im polnischen Bydgoszcz, an dem die USA einen großen Stützpunkt unterhalten, sollen die “lessons learned” aus dem Krieg in der Ukraine ausgewertet werden. Der Startschuss für JATEC als gemeinsames Projekt zwischen der Nato und der Ukraine soll ebenfalls auf dem Gipfel in Washington fallen.
Die Fußball-Europameisterschaft der Männer hat direkten Einfluss auf die nationale Sicherheitslage. Auch wenn die Behörden vielfach betonten, dass sie mit einem ruhigen Verlauf der Meisterschaft rechnen, gehen mit der EM Sicherheitsrisiken wie Unfälle, terroristische Bedrohungen und auch hybride Angriffe und Desinformation einher.
Den zentralen Überblick über die Sicherheitslage haben die Kräfte im International Police Cooperation Center 2024 (IPCC) in Neuss. Das Zentrum sammelt alle lagerelevanten polizeilichen Informationen und steuert darauf aufbauend die Zusammenarbeit der eingesetzten nationalen und internationalen Polizeikräfte, sowie weiterer Sicherheitspartner.
Dazu gehört unter anderem das Technische Hilfswerk (THW), von dem je nach Austragungsort während eines Spiels 150 bis 200 und insgesamt 3.400 Einsatzkräfte im Einsatz sind. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) stellt an einem regulären Spieltag zwischen 60 und 140 Einsatzkräfte pro Stadion und insgesamt 900 bis 1.000 Einsatzkräfte rund um die EM, zum Beispiel in den Fanzonen, zur Verfügung. Die Feuerwehr nimmt allein in Berlin an einem Spieltag zusätzlich 380 Einsatzkräfte in den Dienst. Für die Koordinierung der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr wurde im Zuge der Europameisterschaft eine gesonderte Arbeitsgruppe eingerichtet. Insgesamt wird im Verlauf der EM mit dem Einsatz von 16.000 Freiwilligen gerechnet.
Mit über 10.000 Einsatzkräften war bisher allein das DRK aktiv, berichtet René Burfeindt, Leiter der Nationalen Hilfsgesellschaften beim DRK. Bisher habe er sehr ruhige Veranstaltungen mit überschaubarem Einsatzaufkommen erlebt – auch im Vergleich zu regulären Bundesligaspielen.
Während zentrale, eher allgemeine Risiken vor allem von Hooligans, Pyrotechnik und Drohnen ausgingen, brauche es eine verstärkte Sensibilität für hybride Bedrohungen auf Kritische Infrastrukturen. Das bestätigt auch das Bundesinnenministerium. “Angreifer könnten im Falle von erfolgreichen Angriffen mit vergleichsweise überschaubarem Aufwand einen enormen Schaden und große Verunsicherung erreichen”, sagte ein Sprecher des Ministeriums zu Table.Briefings.
Und auch ein Sprecher des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) betont: “Vor allem die russische Regierung verfolgt mittels Desinformation und Propaganda das Ziel, die öffentliche Meinung in Deutschland zu beeinflussen und die Gesellschaft zu spalten”. Aus vergleichbaren Fällen, etwa im Rahmen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, bestünden aber etablierte Reaktionsprozesse und entsprechende Sensibilisierungsmaßnahmen. “Zwar gibt es keine 100-prozentige Sicherheit, das BSI schätzt die Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Cyberangriffe aber als gering ein. Das liegt unter anderem daran, dass kritische Infrastrukturen seit Jahren ihre Cybersicherheit und Resilienz erhöht haben.”
So berichtet Burfeindt beispielsweise: “Das Führungs- und Lagezentrum des DRK-Generalsekretariates ist nicht nur über Telefon und Internet angebunden, sondern weist zudem eine Digitalfunkanbindung, 2- und 4-Meter-Bänder Analogfunk, eine Kurzwellenanlage und Satellitentelefonie auf”. Auch die Berliner Feuerwehr gibt an, verstärkt in den Fokus von Cyberattacken zu geraten. “Aus diesem Grund werden entsprechende Sicherheitsvorkehrungen verstärkt und permanent überwacht”, sagte ihr Sprecher. Wie genau diese aussehen, wollte er auf Nachfrage nicht preisgeben.
Insgesamt stehe der Bedrohungslage das breiteste Sicherheitskonzept entgegen, das es je für eine Sportgroßveranstaltung in Deutschland gab. Das Innenministerium teilte mit, dass die EM für die Bundespolizei der größte Einsatz ihrer Geschichte sei: “Jeden Tag sind 22.000 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz.”
Dass diese durchaus benötigt werden könnten, zeigten der Wirbel rund um den türkischen Fußball-Nationalspieler Merih Demiral, der seinen Torschuss mit dem sogenannten Wolfsgruß feierte. Faeser kritisierte: “Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen. Die Fußball-Europameisterschaft als Plattform für Rassismus zu nutzen, ist völlig inakzeptabel.” Polizeivertreter äußerten noch bis zum Wochenende die Sorge, dass durch massenhaftes Zeigen des Grußes weitere Spiele der Türkei während des Turniers politisiert – und dadurch zu Sicherheitsrisiken werden würden. Diese Bedenken sind seit Ausscheiden der Türkei zwar nicht mehr relevant, doch die Situation zeigt, wie groß die Risiken von politischem Extremismus und Einflussnahme bei sportlichen Großereignissen wie der EURO 2024 sind.
Viktor Orbán ist wieder eine Überraschung gelungen: Am frühen Montagmorgen tauchte er in Peking auf. Er war von Russland nach China weitergereist und hatte allein dadurch schon ein Zeichen gesetzt. Schließlich reiste er entlang der Achse der Alliierten gegen eine freie Ukraine in ihren ursprünglichen Grenzen.
Orbán wird durch den Alleingang auch erneut seinem Image als EU-Schreck gerecht. Indem er mit einer Friedensagenda kommt, die vor allem auf russische Bedürfnisse eingeht, unterläuft er die Bemühungen einer langen Reihe von EU-Vertretern, die in Peking die immer gleichen Botschaft vorgetragen haben: Die territoriale Integrität der Ukraine ist ein europäisches Kerninteresse.
Orbán zeigt stattdessen wieder einmal, wie gespalten die EU in Wirklichkeit ist. China.Table beschreibt, wie der ungarische Regierungschef damit den langfristigen, chinesischen Plänen nützt – und listet die größten Probleme auf, die so viel Unbehagen bei dem Besuch wecken. rad.
Die Bundeswehr wird ihren Lufttransportstützpunkt in Niger nicht wie geplant weiter betreiben und zu Ende August schließen. Grund dafür sind gescheiterte Verhandlungen mit der Militärregierung Nigers über ein Abkommen für die Rechtsstellung der deutschen Soldaten im Land. Das Verteidigungsministerium hatte den Stützpunkt am Flughafen der Hauptstadt Niamey als Basis in Westafrika für eventuelle Evakuierungsmissionen behalten wollen.
Die Entscheidung der Bundesregierung fiel am Wochenende, wie das Verteidigungsministerium den Abgeordneten des Bundestages mitteilte. Zwar habe die nigrische Regierung in einem Übergangsabkommen bis zum 31. August der Bundeswehr Immunität für ihre Soldaten zugesichert, heißt es in dem Schreiben. Für die Zeit danach könne jedoch “der von Niger übermittelte Abkommensentwurf … nicht als Grundlage für Verhandlungen über ein Statusabkommen dienen – weder vom Charakter, noch vom Inhalt her. Immunitäten für deutsche Soldatinnen und Soldaten werden darin nicht gewährt”.
Da die Zeit für weitere umfangreiche Verhandlungen zu knapp sei, habe die Bundesregierung entschieden, bis Ende August alle rund 40 Soldaten und Soldatinnen und das Material abzuziehen. Als mögliche andere Basis kommt damit vor allem Dakar im Senegal in Betracht, wo allerdings derzeit keine deutschen Soldaten stationiert sind.
Die Basis in Niamey war als Umschlagpunkt für den deutschen Einsatz in der UN-Mission Minusma in Mali eingerichtet worden. Nach der Beendigung der Blauhelmmission auf Druck der malischen Militärregierung hatte der Stützpunkt beibehalten werden sollen. Wie in Mali so regieren auch in Niger Militärs, die durch einen Putsch an die Macht kamen; zudem arbeiten beide Staaten zusammen mit dem benachbarten Burkina Faso an einer Allianz der Sahel-Staaten, die sich auch gegen die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas richtet.
Am Wochenende hatten die drei Länder bei ihrem ersten gemeinsamen Gipfel in Niamey eine Konföderation gegründet und ihre Entscheidung bekräftigt, sich aus der Ecowas zurückzuziehen. Die Sahel-Staaten wollen demnach rechtliche Voraussetzungen schaffen, um weiter die Freizügigkeit zu garantieren und sich ebenso über eine eigene Währung verständigen. tw/lcw
Die Arktis spiele geopolitisch eine immer zentralere Rolle, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Montag bei einem Besuch von rund 600 Bundeswehr-Soldaten und -soldatinnen in Fairbanks im nördlichsten US-Bundesstaat Alaska. “Wir haben die Bedrohung im gesamten Bündnisgebiet im Auge, nicht nur in Europa, sondern eben auch in der Arktis”, so Pistorius, der dort vor seiner Weiterreise zum Nato-Gipfel nach Washington dem Manöver “Arctic Defender” beiwohnte.
In Berlin hat man die sicherheitspolitische Bedeutung der Arktis erkannt. Derzeit werden im Verteidigungsministerium, unter Federführung des Auswärtigen Amtes, die Leitlinien der deutschen Arktispolitik überarbeitet. “Angesichts der veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen wird erstmals auch eine sicherheitspolitische Betrachtung Einfluss finden”, bestätigte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums auf Anfrage von Table.Briefings. Die Kabinettsbefassung sei für nach der Sommerpause vorgesehen, so die Sprecherin weiter. Die letzte Aktualisierung fand 2019 statt, damals bemühte man sich noch vorrangig um Themen wie Klimaschutz und Forschung.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Knut Abraham, der die Unionsfraktion im Auswärtigen Ausschuss vertritt, begrüßt die Überarbeitung der Leitlinien: “Der bisherige Grundsatz des arktischen Exzeptionalismus lässt sich nicht mehr halten. Auch die Arktis muss in unseren sicherheits- und verteidigungspolitischen Überlegungen und eben auch Aktivitäten verschärft Einzug erhalten.” Sonst gelte “auch in der Arktis das Recht des Stärkeren.” Er fordere deshalb unter anderem eine “arktistaugliche Deutsche Marine” – trotz aller haushälterischen Probleme -, damit diese in dieser Region künftig vermehrt auch Präsenz zeigen könne, etwa durch Freedom of Navigation-Fahrten.
Die “Arctic Defender” ist der erste Teil der Pacific-Skies-Übungsserie der Luftwaffe. Bei der Übung vom 8. bis 18. Juli stellt die Luftwaffe mit 32 Flugzeugen und Hubschraubern den größten Truppen-Anteil nach den USA, die Bundeswehr führt hier erstmals eine Übung auf US-amerikanischem Boden an. Mit dabei sind auch Spanien und Frankreich. Zusammen will man ein klares Signal an Russland, aber auch an China, senden: Die Nato kann schnell in die entlegensten Winkel der Welt verlegen. klm
Der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, fordert vom Libanon die Einhaltung von UN-Resolution 1701. Diese sieht den Rückzug der von Iran unterstützten Parteimiliz Hisbollah südlich des Flusses Litani vor, der rund vierzig Kilometer nördlich der libanesisch-israelischen Grenze verläuft. Zwar strebe die israelische Regierung an, eine Umsetzung der Resolution auf diplomatischem Weg zu erreichen, sei aber auch bereit, diese mit weiteren Angriffen auf Hisbollah-Stellungen durchzusetzen, so Prosor gegenüber Table.Briefings.
Seit dem Terrorüberfall der palästinensischen Hamas auf Israel im Oktober 2023 beschießt auch die libanesische Hisbollah Israel. Rund 80.000 Bewohnerinnen und Bewohner des Grenzgebiets zum Libanon mussten ihre Wohnungen und Häuser deshalb verlassen. Der Konflikt zwischen den Israel Defence Forces (IDF) und der von Iran mitgegründeten Schiitenmiliz Generalsekretär Hassan Nasrallahs hat sich in den vergangenen Wochen zugespitzt; rund 300 Hisbollah-Kämpfer und -Kommandeure sind seit Herbst vergangenen Jahres bei teils gezielten israelischen Angriffen getötet worden.
Prosor betonte im Gespräch mit Table.Briefings die Notwendigkeit, künftig stärker auf Abschreckung und Eindämmung zu setzen – sowohl gegenüber nicht-staatlichen Akteuren wie Hamas und Hisbollah, als auch mit Blick auf Iran und Russland. “Wir sind zu westlich geworden in Israel”, kritisierte Prosor, der sein Land seit 2022 als Botschafter in Deutschland repräsentiert. So habe der Angriff Irans auf Israel im April gezeigt, dass das Regime in Teheran anders als von vielen europäischen Diplomaten und Think-Tanks behauptet, seine antiisraelische Rhetorik sehr wohl in Taten umsetze.
Nach der Tötung mehrerer hochrangiger Offiziere der iranischen Revolutionsgarden im April in der Konsularabteilung der iranischen Botschaft in Damaskus hatte die iranische Regierung Dutzende Drohnen und Marschflugkörper Richtung Israel abgeschossen. Es war der erste direkte Angriff auf israelisches Territorium, auch wenn sich beide Staaten seit Jahren einen Schattenkrieg liefern, unter anderem mit Cyberangriffen und Sabotageaktionen. mrb
Financial Times: The untold story of the most chaotic Nato summit ever. Während die meisten Regierungschefs nicht wussten, wie sie beim Nato-Gipfel 2018 in Brüssel auf Donald Trumps Impulstiraden reagieren sollte, tat sich der damalige niederländische Ministerpräsident Mark Rutte hervor. Der künftige Nato-Generalsekretär habe den richtigen Dreiklang aus Schmeicheln, Verzögern und Zustimmen im Umgang mit Trump gefunden. Eine ausführliche, leicht voyeuristische Dokumentation der Gespräche hinter den Kulissen.
The Bell: Why is Narendra Modi coming to Moscow? Entgegen der Tradition reist der indische Premier Narendra Modi nach seiner Wiederwahl als Erstes nicht in ein Nachbarland, sondern weiter weg – nach Russland. Modi sorgt sich ob der neuen Nähe zwischen Moskau und Peking und will dagegenhalten. Diese Analyse zeigt, wie stark der russische Krieg gegen die Ukraine die indisch-russischen Beziehungen verändert – im ökonomischen und im militärischen Bereich.
National Interest: Can Sudan’s Civilian Front Bring Peace? Ein dauerhafter Frieden im sudanesischen Bürgerkrieg ist nur möglich, wenn in die Verhandlungen auch zivilgesellschaftliche Gruppen einbezogen werden und nicht nur die militärischen Konfliktparteien, findet Santiago Stocker vom International Republican Institute.
CEOBS: Joint investigation into the environmental costs of attacks on Ukraine’s Kremenchuk Oil Refinery. Seit dem 24. Februar 2022 griff Russland mehrere ukrainische Chemielager an. Diese Fallstudie untersucht die Auswirkungen solcher Vorfälle auf die Umwelt anhand der Angriffe auf die Ölraffinerie Krementschuk. Dabei bewertet sie nicht nur die verursachten Umwelt- und Sachschäden, sondern auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Entschädigung dieser.
War Studies: What is the logic of intergroup conflicts? Warum geraten Gruppen in bewaffnete Konflikte, obwohl eine friedliche Lösung möglich wäre? Diese Podcastfolge untersucht die “Logik” von Konflikten. Ziel ist, Triebkräfte für gewalttätiges und friedliches Verhalten in konfliktbetroffenen Bevölkerungsgruppen zu verstehen und Lösungen zu finden, die den Frieden unterstützen.
Zum großen Nato-Gipfel anlässlich des 75. Bündnis-Geburtstags wird Generalleutnant Wolfgang Wien nicht nach Washington reisen. Aber die Vor- und Nachbereitungen liegen auch in seiner Verantwortung. Seit Oktober 2023 ist er Deutschlands höchster militärischer Vertreter bei der Nato und der EU in Brüssel.
Mit den Vertretern der 31 weiteren Bündnispartner arbeitet er im Militärausschuss der Nato in Brüssel daran, die politischen Entscheidungen, die auf Gipfeln wie dem in Washington getroffen werden, militärisch vorzubereiten und umzusetzen. Er arbeitet mit den anderen Nationen daran, dass alle Ressourcen zur Verfügung stehen. Die Verteidigungspläne, die die Nato als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg vor zwei Jahren erstellt und angepasst hat, sollen in die Realität umgesetzt werden. Wien kennt die Realität. “In Deutschland stehen die Soldaten vor den Kasernen keine Schlange”, sagt er dazu – und anderen Nationen ginge es ähnlich.
Um die Dringlichkeit dafür zu unterstreichen, dass sich das ändern muss, umreißt er die aktuelle geopolitische Lage: Russland, China und eine mögliche zweite Amtszeit Donald Trumps – all dies seien Herausforderungen für das Bündnis, die aus seiner Sicht deutlich mehr Investitionen in die Verteidigung erfordern. Wien versucht nicht, die Situation zu beschönigen.
Trump sei eine Herausforderung – er selbst war während der ersten Amtszeit Trumps in Brüssel, aber unabhängig davon, wie die Wahl ausgeht, werde von vielen Seiten erwartet, dass die USA Kräfte in Europa abziehen. Der Krieg gegen Russland sei ein Krieg auf Augenhöhe. Das bedeutet “Sterben und Tod und Vernichtung”. Mit jedem Satz wird deutlicher: Hier spricht ein Soldat und kein Politiker, und zwar einer, der das große Ganze sieht.
Wie Russland, so beschreibt er auch China als Systemkonkurrenten, gegen den die westlichen Werte verteidigt werden müssten. Und auch hier versucht er nicht, die Realität zu verschleiern. “Ich hoffe nicht, dass es zu einem militärischen Konflikt in Asien kommt, aber es gibt Anzeichen, dass alles darauf hinausläuft.”
Wien war selbst dreimal im Ausland im Einsatz. Damals ging es um Krisenbewältigung, heute geht es um Bündnisverteidigung. Vor allem den Einsatz in Afghanistan bezeichnet er als eine “erfüllende Zeit”. Auch wenn der gesamte Einsatz rückblickend sicherlich kein Erfolg war, so hätten die Tätigkeiten der Multinationalen Battlegroup, die er damals als Kommandeur aufbaute und führte, doch Früchte getragen. Noch heute steht ein Kinderkrankenhaus, das er damals mit seiner Truppe aufgebaut hat. Was ihn aber vor allem stolz macht, ist, dass er alle Männer (damals war keine Frau mit im Einsatz) lebend wieder nach Hause bringen konnte. Mehrmals habe er sich gedacht: “Wenn das morgen jetzt schiefgeht, dann schreibst du den Brief an die Ehefrau.”
Seine Karriere begann Wien bei den Panzergrenadieren. Zufälle führten ihn als Büroleiter von Staatssekretär Gerd Hoofe nah an die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, bis er schließlich Vizepräsident des BND und anschließend Deutschlands höchster Soldat bei der Nato wurde. Er erklärt das auch mit “Glück”. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Wer ihm genauer zuhört, der spürt, dass dazu aber auch viel Führungsvermögen, Menschengefühl, Disziplin und auch Verzicht gehörten. Vor allem mit Blick auf die Familie scheint ihm das nicht immer leicht gefallen zu sein. Natürlich frage man sich manchmal, ob man da alles richtig gemacht habe, die richtigen Prioritäten gesetzt habe.
Seine Anwesenheit beim Nato-Gipfel hat für ihn auf jeden Fall keine Priorität. Dort ist der Platz für politische Entscheidungsträger, für große Symbole. Die Ziele des Gipfels benennt er trotzdem sehr klar. Ganz oben steht: Geschlossenheit demonstrieren. Das ist Aufgabe genug, bei 32 Nationen mit völlig unterschiedlichen Interessen. Die Worte einer politischen Abschlusserklärung danach in die Tat umzusetzen, das wird dann wieder in den Hauptstädten und bei ihm und den Kollegen in Brüssel liegen. Wilhelmine Preußen
am Montagmorgen hat Russland Kiew mit Marschflugkörpern und Hyperschallwaffen so stark beschossen wie an kaum einem anderen Tag seit Februar 2022. 36 Tote und Dutzende Verletzte meldeten Behörden aus dem ganzen Land. Auch das Okhmadit-Kinderkrankenhaus in der ukrainischen Hauptstadt wurde getroffen. Der Nato zeigt Wladimir Putin zu ihrem Jubiläumsgipfel damit, dass er vor keinem Ziel zurückschreckt, um die Ukraine russischem Einfluss unterzuordnen.
75 Jahre nach ihrer Gründung stellt Putins Krieg gegen die Ukraine das westliche Verteidigungsbündnis Tag für Tag vor neue Herausforderungen. Wilhelmine Preußen hat aufgeschrieben, mit welchen Erwartungen und Interessen die 32 Mitgliedsstaaten diesen Dienstag zum Jubiläumsgipfel nach Washington reisen. Besonders im Blick haben Regierungschefs wie Verteidigungsminister dabei einen möglichen Machtwechsel im Weißen Haus: Nana Brink weiß, wie die Unterstützung für die Ukraine auch im Falle eines Wahlsiegs Donald Trumps langfristig gesichert werden soll.
Nach dem Ausscheiden der Türkei bei der Fußball-Europameisterschaft atmen die Sicherheitsbehörden auf. Anouk Schlung beschreibt, wie Polizei und Rettungsorganisationen das Turnier noch bis zum Finale am Sonntag in Berlin vor hybriden und anderen Angriffen schützen.
Das nächste Security.Briefing lesen Sie schon am Mittwochmorgen – in der ersten unserer drei Spezialausgaben vom Nato-Gipfel in Washington.
Beim Nato-Gipfel in Washington soll vor allem ein Signal der Geschlossenheit in Richtung Moskau gesendet werden. Die 32 Mitgliedsstaaten und ihre Delegationen reisen mit jeweils eigenen Interessen in die politische Hauptstadt der USA und leisten unterschiedliche Beiträge zum Bündnis. Wer in Washington welche Rolle spielen wird und wer derzeit bereits welchen Beitrag zu den neuen Verteidigungs- und Operationsplänen leistet, die im Lichte der russischen Aggression erstellt wurden, haben wir daher zusammengefasst.
“Die Nato ist wie ein Golfclub. Es geht darum, wer kann mit wem am besten”, so beschreibt es Karl-Heinz Kamp, der ehemalige Forschungsdirektor am Nato Defense College in Rom, im Gespräch mit Table.Briefings das Bündnis. Und: “Das Gewicht eines Staates verändert sich je nach der aktuellen Problemlage.”
Die USA sind der bedeutendste Nato-Partner. Es ist der Druck aus Washington, der dabei hilft, EU-Partner zu höheren Beiträgen zu bewegen oder schwierige Partner in die Schranken zu weisen. Im Zuge des russischen Angriffskriegs haben die USA auch viele ihrer 80.000 Soldatinnen und Soldaten starken Streitkräfte in Europa unter das Kommando der Nato gestellt. Sie signalisieren damit eine Bereitschaft wie seit Jahrzehnten nicht mehr, sich in die Nato-Strukturen einzubinden. Umso besorgter blicken alle auf die anstehenden US-Wahlen.
Der ehemalige republikanische Präsident Donald Trump hat mit seinen Aussagen zur Nato, Artikel 5, und der Ukraine-Hilfe Zweifel an der zukünftigen US-amerikanischen Rolle in der Allianz geschürt. Gleichzeitig rechnet man im Nato-Hauptquartier damit, auch eine zweite Amtszeit von US-Präsident Joe Biden werde nichts daran ändern, dass die USA ihre Kräfte vermehrt aus Europa abziehen könnten. Aus US-amerikanischer Sicht geht die Bedrohung zunehmend von China aus und liegt im Indopazifik. Zum dritten Mal werden deswegen auch die Regierungschefs der Asia-Pacific 4 am Gipfel teilnehmen, und das Thema China wird sich in der Gipfelerklärung wiederfinden.
Neben den USA sind Frankreich und Großbritannien die einzigen Nuklearmächte im Bündnis und haben allein deswegen eine gewichtige Stimme. Gleichzeitig besitzen sie auch als einzige Staaten militärische Fähigkeiten im Indopazifik, der für die USA als geopolitischer Schwerpunkt im Konflikt mit China gesehen wird. Großbritannien beansprucht für sich, bei der Unterstützung der Nato für die Ukraine eine führende Rolle zu spielen. Der ehemalige britische Premierminister Rishi Sunak hat zugesagt, bis 2030 2,5 Prozent seines Bruttoinlandprodukts für die Verteidigung auszugeben. Im Rahmen des 2023 verabschiedeten neuen Verteidigungsplans der Nato hat London Kampfflugzeuge, Schiffe, Flugzeugträger und “Landstreitkräfte in Brigadegröße” versprochen.
Frankreich reiht sich gelegentlich in die Stimmen der Südeuropäer ein und fürchtet, dass zu viele Ressourcen an der Ostflanke aufgewendet werden. Gleichzeitig hat Präsident Emmanuel Macron immer wieder strategische Debatten angeregt, zum Beispiel zur Vorstellung, Bodentruppen in die Ukraine zu schicken. Dies ist bislang bei vielen Nato-Staaten, allen voran den USA und Deutschland, auf heftigen Widerstand gestoßen. Frankreichs Präsident treibt auch die Idee von westlichen Ausbildungskräften auf ukrainischem Boden voran.
Experten bezweifeln, ob die beiden Staaten ihren weitreichenden Ankündigungen und Zusagen gerecht werden können. Bislang bleiben beide de facto hinter den Erwartungen zurück, was sich im Umfang der Beiträge von Tier 1- und Tier 2-Kräften im Nato New Force Model zeigt. Fraglich ist auch, wie durchsetzungsfähig der französische Präsident nur wenige Tage nach der Wahl im eigenen Land auftreten kann. Der neue britische Labour-Regierungschef Keir Starmer wird voraussichtlich seinen ersten Auftritt auf internationalem Parkett haben.
Deutschland spielt wegen seiner geografischen Lage, seiner Wirtschaftskraft und der Stationierung US-amerikanischer Atomwaffen generell eine wichtige Rolle. Für das laufende Jahr hat Deutschland geschätzte Verteidigungsausgaben von 90,6 Milliarden Euro gemeldet und würde damit derzeit – mit Hilfe des Sondervermögens – klar das Zwei-Prozent-Ziel des Bündnisses erreichen. Fraglich ist aber inwiefern das Beitragsniveau auch über das Sondervermögen hinaus gehalten werden kann. Das Sondervermögen ist 2027 aufgebraucht. Deutschland hat der Nato außerdem zugesagt, 30.000 Soldatinnen und Soldaten sowie eine Kombination aus 85 Schiffen und Flugzeugen bereitzustellen, die innerhalb von 30 Tagen mobilisiert werden können.
Gemeinsam mit den USA hat sich Deutschland deutlich dagegen ausgesprochen, der Ukraine zu diesem Zeitpunkt eine Nato-Mitgliedschaft in Aussicht zu stellen. Stattdessen will man das Augenmerk auf ein konkretes Hilfspaket lenken. Die Bündnispartner blicken mehr als zuvor auf Deutschland, gerade weil Frankreich und Großbritannien politisch und auch mit Blick auf die angespannte Haushaltslage geschwächt sind. Im Rahmen des Weimarer Dreiecks haben Deutschland, Frankreich und Polen schon vorab versucht, Impulse zu setzen und angekündigt, in Washington eine Absichtserklärung zur Entwicklung weitreichender Präzisionswaffen zu unterschreiben.
Polen will als europäische Mittelmacht ebenfalls seinen Einfluss in der Nato stärken. Die Gefahr, die von Russland ausgeht, ist für das Land sehr real. Polen grenzt direkt an die russische Enklave Kaliningrad und den russischen Verbündeten Belarus. Warschau hat angekündigt, die Streitkräfte zu erhöhen, mit dem Ziel, bis 2035 250.000 Berufssoldaten und 50.000 Soldaten der Territorialverteidigungskräfte aufzustellen. Inwiefern Warschau die Versprechen auch mit Blick auf die demografische Entwicklung einhalten kann, ist – wie auch bei anderen Staaten – fraglich.
Polens Präsident Andrzej Duda hat außerdem die Bereitschaft seines Landes zur Stationierung von Atomwaffen auf dem polnischen Staatsgebiet erklärt. Gleichzeitig ist Polen derzeit mit einer Quote bei den Verteidigungsausgaben von über vier Prozent des BIP dabei. Gerade Deutschland setzt auch mit Blick auf die schwierige Lage in Frankreich auf eine größere Kooperation mit der pro-europäischen Regierung von Donald Tusk.
Was die Bundesrepublik Deutschland im Kalten Krieg war, sind heute die drei baltischen Staaten: Frontstaaten. Estland, Lettland und Litauen liegen eingezwängt zwischen der Ostsee im Westen und Norden und Russland und seinem Verbündeten Belarus im Osten. Entsprechend wichtig wird auch ihre Rolle beim Nato-Gipfel in Washington. Zudem hat die Nato mit der Mission enhanced Forward Presence (eFP) seit 2017 auch Soldaten in die Region verlegt, was die Relevanz der Staaten zusätzlich betont. Zwar ist bei den Balten immer noch eine Priorisierung bilateraler Vereinbarungen zur Verstärkung der nationalen Verteidigungsfähigkeit zu erkennen, doch mit dem Beitritt von Schweden und Finnland nimmt die grenzüberschreitende, bündnisgemeinsame Ausrichtung zu – so etwa mit Blick auf die Ostsee. Die baltischen Staaten geben außerdem relativ viel für Verteidigung aus; in absoluten Zahlen ist ihr Beitrag dennoch gering.
Ungarn macht dem Bündnis immer wieder das Leben schwer, vor allem bei der Unterstützung der Ukraine. Budapest hat sich wiederholt gegen den Beitritt der Ukraine zur Nato ausgesprochen und westliche Hilfsbemühungen für die Ukraine untergraben. In einem Deal mit dem scheidenden Generalsekretär Jens Stoltenberg hat Viktor Orbán ausgehandelt, dass Ungarn sich nicht an der Ukraine Nato Initiative for Training and Equipment (UNITE) zur Koordinierung von Waffenlieferungen für die Ukraine beteiligen muss, dem aber auch nicht im Weg steht.
Auch wenn damit das Bild der Einigkeit in Washington gesichert sein dürfte, blickt man immer mit Sorge auf Akteure wie Viktor Orbán, aber auch den Regierungschef der Slowakei, Robert Fico, oder den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Während Orbán mit seiner unabgesprochenen Reise nach Moskau gerade die Verbündeten vor den Kopf gestoßen hat, hat Erdoğan den russischen Regierungschef Wladimir Putin am Rande des Gipfels der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit getroffen.
Der nennenswerteste Erfolg seit dem Nato-Gipfel in Madrid ist wohl der Beitritt Finnlands und Schwedens. Es ist nicht nur ein starkes politisches Signal an Moskau, sondern auch ein entscheidender strategischer Zugewinn für das Bündnis. Nord- und Ostsee werden damit fast gänzlich von Nato-Anrainern umschlossen. Der Regionalplan Nordwest hat sich durch den Beitritt der beiden nordischen Staaten geändert. Im Zuge dessen wurde das Joint Force Command Norfolk (JFC Norfolk) gestärkt.
Die finnische Stadt Mikkeli, nur 140 Kilometer von der russischen Grenze entfernt, wird Standort eines weiteren Hauptquartiers der Nato-Bodentruppen. Die komplette Integration ist für 2025 vorgesehen, und auf dem Gipfel wird das Thema auch auf der Tagesordnung stehen. Klar ist: Die Länder haben eine 180-Grad-Wende von der Neutralität zu einem vollen Einsatz vollzogen. Gerade erst hat Schweden ein Verteidigungsabkommen mit den USA geschlossen, nach dem US-Truppen künftig auf schwedischem Boden üben und Infrastruktur nutzen dürfen.
Die Bedrohungslage der Südanrainer wie Italien, Spanien und Griechenland im Bereich Migration und Terrorismus hat sich verstärkt. Die Nato spricht seit langem von einem 360-Grad-Ansatz, um auch den Sorgen dieser Staaten von irregulärer Migration bis Terrorismus Rechnung zu tragen. Um die Partnerschaften der Nato an ihrer Südflanke besser zu koordinieren, soll der Posten eines Sonderbeauftragten geschaffen werden. Die Lösungsmöglichkeiten des Militärbündnisses für derartige sozio-ökonomische Probleme sind allerdings begrenzt. Der Bereitschaft der Länder, die Unterstützung der Ukraine zu erhöhen, ist gering. Gleichzeitig geben Italien, Spanien oder Portugal immer noch weit weniger als zwei Prozent ihres Bruttoinlandproduktes für Verteidigung aus. Mitarbeit: Viktor Funk und Stephan Israel.
Lange ist um den Namen des neuen Formats gestritten worden. Nun soll es, angeblich auf Vorschlag der Türkei, “Ukraine Nato Initiative for Training and Equipment” (UNITE) heißen. Damit wird “die Unterstützung für die Ukraine Trump-proof gemacht”, erklärt Jana Puglierin, Leiterin des Berliners Büros des European Council on Foreign Relations (ECFR). Da eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine ausgeschlossen wird, soll mit dem Namen UNITE ein “starkes Signal” der Solidarität von diesem Gipfel ausgehen.
Man wolle damit ebenfalls verhindern, “dass ein Land – zum Beispiel die USA – die Hilfe einfach torpedieren kann”, so Puglierin. Bis auf Ungarn beteiligen sich damit alle Mitglieder an dieser Unterstützungsmission. Um ein Veto Ungarns auszuschließen, wurde Regierungschef Viktor Orbán zugesichert, dass sich das Land weder finanziell noch personell beteiligen muss.
Die Koordination der militärischen Unterstützung der Ramstein-Gruppe lag bislang in den Händen der USA. Eigens dafür hatten die US-Amerikaner im Europa-Hauptquartier der US-Streitkräfte in Wiesbaden eine rund 300 Soldaten starke Einheit mit dem Namen Security Assistance Group – Ukraine (SAG-U) aufgebaut. Die neue Mission UNITE wird ebenfalls in Wiesbaden stationiert sein. Sie soll eine Stärke von mindestens 500 Soldaten umfassen, die bereits im September offiziell ihre Arbeit aufnehmen sollen. Der scheidende Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg spricht sogar von bis zu 700.
Ungeklärt ist noch, wie die Zusammenarbeit zwischen UNITE und der EU aussehen wird, die seit 2022 die größte militärische Ausbildungsmission für die Ukraine ( EUMAM UA) führt. Wenn diese nicht gelänge, würden alle Bemühungen “ein unübersichtliches Patchwork bleiben, das die ukrainische Seite überfordert”, so die Nato-Expertin Stefanie Babst. Diese Koordination bleibe aber nicht nur wegen Ungarn politisch schwierig, “da Mitglieder wie die Türkei und Zypern das auf beiden Seiten blockieren”.
In Deutschland, der größten Gebernation nach den USA, stellt man sich schon seit längerem auf eine mögliche neue Präsidentschaft Trumps ein. Mehrfach hatte er in der Vergangenheit den Verbleib der USA in der Nato infrage gestellt. “Er charakterisiert die Nato als eine Art Sicherheitsfirma, bei der wir bezahlen und er uns nach Gusto beschützt”, erklärte Michael Link, Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit. “Deshalb müssen wir uns darauf vorbereiten”.
“Mit dem neuen Nato-Kommando in Wiesbaden wird eine neue Struktur entstehen, an der natürlich auch Amerikaner mitwirken werden”, ist sich die Nato-Expertin Stefanie Babst sicher. An der Spitze wird ein US-amerikanischer Drei-Sterne-General stehen. Um die Besetzung des Stellvertreters wurde zuletzt heftig gestritten. Wie Table.Briefings aus Nato-Kreisen erfahren hat, wird Deutschland diesen Posten besetzen, den auch Großbritannien, Polen und Frankreich beansprucht hatten. Dem Vernehmen nach soll Bundeskanzler Olaf Scholz selbst für die deutsche Nominierung gesorgt haben.
Im Gespräch dafür ist Generalmajor Hartmut Renk, seit Januar 2023 Deputy Commanding General for Integration der United States Army Europe and Africa in Wiesbaden. Dies soll jedoch noch nicht endgültig entschieden sein. Generalleutnant Wolfgang Wien, deutscher militärischer Vertreter bei der Nato und der EU, hält die deutsche Besetzung des Stellvertreterpostens für entscheidend. Bislang hat Deutschland – Stand Mitte Juni 2024 – Militärhilfe in Höhe von 28 Milliarden Euro geleistet. Hinzu kommen Zusagen in Höhe von sechs Milliarden für die kommenden Jahre. “Es ist wichtig, dass Deutschland eine prominente Rolle bei der Koordinierungsaufgabe bekommt”, so Wien.
Ein heikles Thema, vor allem für Deutschland, sind Überlegungen, im Rahmen von UNITE ein Verbindungsbüro der Nato in der Ukraine aufzubauen. Wie ein hochrangiger Nato-Militär im Gespräch mit Table.Briefings erklärte, müsse “man natürlich im Land selbst gucken, wie die Militärhilfe ankommt”. Koordinierungsaufgaben aus der Ferne zu lösen, sei auf Dauer nicht zielführend. Man wisse jedoch, dass die offizielle Entsendung von Nato-Personal in die Ukraine für Deutschland “eine rote Linie” darstelle.
Bislang lehnen auch die USA das Anliegen der Ukraine offiziell ab, eigene Militärberater ins Land zu schicken. Allerdings scheint man im Hintergrund nach einer Lösung zu suchen. So zitierte die New York Times den Generalstabschef der US-Streitkräfte, General Charles Quinton Brown, im Mai mit der Äußerung: “Im Laufe der Zeit werden wir da möglicherweise hinkommen.” Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte die Debatte im Februar entfacht, als er den Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine nicht ausschloss.
Sowohl die USA als auch Deutschland hatten dies damals abgelehnt. Nato-Insider gehen davon aus, dass einzelne Nato-Staaten längst militärisches oder Geheimdienstpersonal im Land haben. Allein die USA sollen zwölf CIA-Basen an der Grenze zu Russland installiert haben. Laut des Berichts könnten sie für grenzüberschreitende Drohnen- und Raketenangriffe genutzt werden.
Ein ebenfalls noch nicht gelöstes Problem ist die Koordinierung von einzelnen Nato-Missionen wie zum Beispiel mit dem Joint Analysis, Training and Education Center (JATEC). In diesem Zentrum im polnischen Bydgoszcz, an dem die USA einen großen Stützpunkt unterhalten, sollen die “lessons learned” aus dem Krieg in der Ukraine ausgewertet werden. Der Startschuss für JATEC als gemeinsames Projekt zwischen der Nato und der Ukraine soll ebenfalls auf dem Gipfel in Washington fallen.
Die Fußball-Europameisterschaft der Männer hat direkten Einfluss auf die nationale Sicherheitslage. Auch wenn die Behörden vielfach betonten, dass sie mit einem ruhigen Verlauf der Meisterschaft rechnen, gehen mit der EM Sicherheitsrisiken wie Unfälle, terroristische Bedrohungen und auch hybride Angriffe und Desinformation einher.
Den zentralen Überblick über die Sicherheitslage haben die Kräfte im International Police Cooperation Center 2024 (IPCC) in Neuss. Das Zentrum sammelt alle lagerelevanten polizeilichen Informationen und steuert darauf aufbauend die Zusammenarbeit der eingesetzten nationalen und internationalen Polizeikräfte, sowie weiterer Sicherheitspartner.
Dazu gehört unter anderem das Technische Hilfswerk (THW), von dem je nach Austragungsort während eines Spiels 150 bis 200 und insgesamt 3.400 Einsatzkräfte im Einsatz sind. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) stellt an einem regulären Spieltag zwischen 60 und 140 Einsatzkräfte pro Stadion und insgesamt 900 bis 1.000 Einsatzkräfte rund um die EM, zum Beispiel in den Fanzonen, zur Verfügung. Die Feuerwehr nimmt allein in Berlin an einem Spieltag zusätzlich 380 Einsatzkräfte in den Dienst. Für die Koordinierung der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr wurde im Zuge der Europameisterschaft eine gesonderte Arbeitsgruppe eingerichtet. Insgesamt wird im Verlauf der EM mit dem Einsatz von 16.000 Freiwilligen gerechnet.
Mit über 10.000 Einsatzkräften war bisher allein das DRK aktiv, berichtet René Burfeindt, Leiter der Nationalen Hilfsgesellschaften beim DRK. Bisher habe er sehr ruhige Veranstaltungen mit überschaubarem Einsatzaufkommen erlebt – auch im Vergleich zu regulären Bundesligaspielen.
Während zentrale, eher allgemeine Risiken vor allem von Hooligans, Pyrotechnik und Drohnen ausgingen, brauche es eine verstärkte Sensibilität für hybride Bedrohungen auf Kritische Infrastrukturen. Das bestätigt auch das Bundesinnenministerium. “Angreifer könnten im Falle von erfolgreichen Angriffen mit vergleichsweise überschaubarem Aufwand einen enormen Schaden und große Verunsicherung erreichen”, sagte ein Sprecher des Ministeriums zu Table.Briefings.
Und auch ein Sprecher des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) betont: “Vor allem die russische Regierung verfolgt mittels Desinformation und Propaganda das Ziel, die öffentliche Meinung in Deutschland zu beeinflussen und die Gesellschaft zu spalten”. Aus vergleichbaren Fällen, etwa im Rahmen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, bestünden aber etablierte Reaktionsprozesse und entsprechende Sensibilisierungsmaßnahmen. “Zwar gibt es keine 100-prozentige Sicherheit, das BSI schätzt die Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Cyberangriffe aber als gering ein. Das liegt unter anderem daran, dass kritische Infrastrukturen seit Jahren ihre Cybersicherheit und Resilienz erhöht haben.”
So berichtet Burfeindt beispielsweise: “Das Führungs- und Lagezentrum des DRK-Generalsekretariates ist nicht nur über Telefon und Internet angebunden, sondern weist zudem eine Digitalfunkanbindung, 2- und 4-Meter-Bänder Analogfunk, eine Kurzwellenanlage und Satellitentelefonie auf”. Auch die Berliner Feuerwehr gibt an, verstärkt in den Fokus von Cyberattacken zu geraten. “Aus diesem Grund werden entsprechende Sicherheitsvorkehrungen verstärkt und permanent überwacht”, sagte ihr Sprecher. Wie genau diese aussehen, wollte er auf Nachfrage nicht preisgeben.
Insgesamt stehe der Bedrohungslage das breiteste Sicherheitskonzept entgegen, das es je für eine Sportgroßveranstaltung in Deutschland gab. Das Innenministerium teilte mit, dass die EM für die Bundespolizei der größte Einsatz ihrer Geschichte sei: “Jeden Tag sind 22.000 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz.”
Dass diese durchaus benötigt werden könnten, zeigten der Wirbel rund um den türkischen Fußball-Nationalspieler Merih Demiral, der seinen Torschuss mit dem sogenannten Wolfsgruß feierte. Faeser kritisierte: “Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen. Die Fußball-Europameisterschaft als Plattform für Rassismus zu nutzen, ist völlig inakzeptabel.” Polizeivertreter äußerten noch bis zum Wochenende die Sorge, dass durch massenhaftes Zeigen des Grußes weitere Spiele der Türkei während des Turniers politisiert – und dadurch zu Sicherheitsrisiken werden würden. Diese Bedenken sind seit Ausscheiden der Türkei zwar nicht mehr relevant, doch die Situation zeigt, wie groß die Risiken von politischem Extremismus und Einflussnahme bei sportlichen Großereignissen wie der EURO 2024 sind.
Viktor Orbán ist wieder eine Überraschung gelungen: Am frühen Montagmorgen tauchte er in Peking auf. Er war von Russland nach China weitergereist und hatte allein dadurch schon ein Zeichen gesetzt. Schließlich reiste er entlang der Achse der Alliierten gegen eine freie Ukraine in ihren ursprünglichen Grenzen.
Orbán wird durch den Alleingang auch erneut seinem Image als EU-Schreck gerecht. Indem er mit einer Friedensagenda kommt, die vor allem auf russische Bedürfnisse eingeht, unterläuft er die Bemühungen einer langen Reihe von EU-Vertretern, die in Peking die immer gleichen Botschaft vorgetragen haben: Die territoriale Integrität der Ukraine ist ein europäisches Kerninteresse.
Orbán zeigt stattdessen wieder einmal, wie gespalten die EU in Wirklichkeit ist. China.Table beschreibt, wie der ungarische Regierungschef damit den langfristigen, chinesischen Plänen nützt – und listet die größten Probleme auf, die so viel Unbehagen bei dem Besuch wecken. rad.
Die Bundeswehr wird ihren Lufttransportstützpunkt in Niger nicht wie geplant weiter betreiben und zu Ende August schließen. Grund dafür sind gescheiterte Verhandlungen mit der Militärregierung Nigers über ein Abkommen für die Rechtsstellung der deutschen Soldaten im Land. Das Verteidigungsministerium hatte den Stützpunkt am Flughafen der Hauptstadt Niamey als Basis in Westafrika für eventuelle Evakuierungsmissionen behalten wollen.
Die Entscheidung der Bundesregierung fiel am Wochenende, wie das Verteidigungsministerium den Abgeordneten des Bundestages mitteilte. Zwar habe die nigrische Regierung in einem Übergangsabkommen bis zum 31. August der Bundeswehr Immunität für ihre Soldaten zugesichert, heißt es in dem Schreiben. Für die Zeit danach könne jedoch “der von Niger übermittelte Abkommensentwurf … nicht als Grundlage für Verhandlungen über ein Statusabkommen dienen – weder vom Charakter, noch vom Inhalt her. Immunitäten für deutsche Soldatinnen und Soldaten werden darin nicht gewährt”.
Da die Zeit für weitere umfangreiche Verhandlungen zu knapp sei, habe die Bundesregierung entschieden, bis Ende August alle rund 40 Soldaten und Soldatinnen und das Material abzuziehen. Als mögliche andere Basis kommt damit vor allem Dakar im Senegal in Betracht, wo allerdings derzeit keine deutschen Soldaten stationiert sind.
Die Basis in Niamey war als Umschlagpunkt für den deutschen Einsatz in der UN-Mission Minusma in Mali eingerichtet worden. Nach der Beendigung der Blauhelmmission auf Druck der malischen Militärregierung hatte der Stützpunkt beibehalten werden sollen. Wie in Mali so regieren auch in Niger Militärs, die durch einen Putsch an die Macht kamen; zudem arbeiten beide Staaten zusammen mit dem benachbarten Burkina Faso an einer Allianz der Sahel-Staaten, die sich auch gegen die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas richtet.
Am Wochenende hatten die drei Länder bei ihrem ersten gemeinsamen Gipfel in Niamey eine Konföderation gegründet und ihre Entscheidung bekräftigt, sich aus der Ecowas zurückzuziehen. Die Sahel-Staaten wollen demnach rechtliche Voraussetzungen schaffen, um weiter die Freizügigkeit zu garantieren und sich ebenso über eine eigene Währung verständigen. tw/lcw
Die Arktis spiele geopolitisch eine immer zentralere Rolle, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Montag bei einem Besuch von rund 600 Bundeswehr-Soldaten und -soldatinnen in Fairbanks im nördlichsten US-Bundesstaat Alaska. “Wir haben die Bedrohung im gesamten Bündnisgebiet im Auge, nicht nur in Europa, sondern eben auch in der Arktis”, so Pistorius, der dort vor seiner Weiterreise zum Nato-Gipfel nach Washington dem Manöver “Arctic Defender” beiwohnte.
In Berlin hat man die sicherheitspolitische Bedeutung der Arktis erkannt. Derzeit werden im Verteidigungsministerium, unter Federführung des Auswärtigen Amtes, die Leitlinien der deutschen Arktispolitik überarbeitet. “Angesichts der veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen wird erstmals auch eine sicherheitspolitische Betrachtung Einfluss finden”, bestätigte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums auf Anfrage von Table.Briefings. Die Kabinettsbefassung sei für nach der Sommerpause vorgesehen, so die Sprecherin weiter. Die letzte Aktualisierung fand 2019 statt, damals bemühte man sich noch vorrangig um Themen wie Klimaschutz und Forschung.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Knut Abraham, der die Unionsfraktion im Auswärtigen Ausschuss vertritt, begrüßt die Überarbeitung der Leitlinien: “Der bisherige Grundsatz des arktischen Exzeptionalismus lässt sich nicht mehr halten. Auch die Arktis muss in unseren sicherheits- und verteidigungspolitischen Überlegungen und eben auch Aktivitäten verschärft Einzug erhalten.” Sonst gelte “auch in der Arktis das Recht des Stärkeren.” Er fordere deshalb unter anderem eine “arktistaugliche Deutsche Marine” – trotz aller haushälterischen Probleme -, damit diese in dieser Region künftig vermehrt auch Präsenz zeigen könne, etwa durch Freedom of Navigation-Fahrten.
Die “Arctic Defender” ist der erste Teil der Pacific-Skies-Übungsserie der Luftwaffe. Bei der Übung vom 8. bis 18. Juli stellt die Luftwaffe mit 32 Flugzeugen und Hubschraubern den größten Truppen-Anteil nach den USA, die Bundeswehr führt hier erstmals eine Übung auf US-amerikanischem Boden an. Mit dabei sind auch Spanien und Frankreich. Zusammen will man ein klares Signal an Russland, aber auch an China, senden: Die Nato kann schnell in die entlegensten Winkel der Welt verlegen. klm
Der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, fordert vom Libanon die Einhaltung von UN-Resolution 1701. Diese sieht den Rückzug der von Iran unterstützten Parteimiliz Hisbollah südlich des Flusses Litani vor, der rund vierzig Kilometer nördlich der libanesisch-israelischen Grenze verläuft. Zwar strebe die israelische Regierung an, eine Umsetzung der Resolution auf diplomatischem Weg zu erreichen, sei aber auch bereit, diese mit weiteren Angriffen auf Hisbollah-Stellungen durchzusetzen, so Prosor gegenüber Table.Briefings.
Seit dem Terrorüberfall der palästinensischen Hamas auf Israel im Oktober 2023 beschießt auch die libanesische Hisbollah Israel. Rund 80.000 Bewohnerinnen und Bewohner des Grenzgebiets zum Libanon mussten ihre Wohnungen und Häuser deshalb verlassen. Der Konflikt zwischen den Israel Defence Forces (IDF) und der von Iran mitgegründeten Schiitenmiliz Generalsekretär Hassan Nasrallahs hat sich in den vergangenen Wochen zugespitzt; rund 300 Hisbollah-Kämpfer und -Kommandeure sind seit Herbst vergangenen Jahres bei teils gezielten israelischen Angriffen getötet worden.
Prosor betonte im Gespräch mit Table.Briefings die Notwendigkeit, künftig stärker auf Abschreckung und Eindämmung zu setzen – sowohl gegenüber nicht-staatlichen Akteuren wie Hamas und Hisbollah, als auch mit Blick auf Iran und Russland. “Wir sind zu westlich geworden in Israel”, kritisierte Prosor, der sein Land seit 2022 als Botschafter in Deutschland repräsentiert. So habe der Angriff Irans auf Israel im April gezeigt, dass das Regime in Teheran anders als von vielen europäischen Diplomaten und Think-Tanks behauptet, seine antiisraelische Rhetorik sehr wohl in Taten umsetze.
Nach der Tötung mehrerer hochrangiger Offiziere der iranischen Revolutionsgarden im April in der Konsularabteilung der iranischen Botschaft in Damaskus hatte die iranische Regierung Dutzende Drohnen und Marschflugkörper Richtung Israel abgeschossen. Es war der erste direkte Angriff auf israelisches Territorium, auch wenn sich beide Staaten seit Jahren einen Schattenkrieg liefern, unter anderem mit Cyberangriffen und Sabotageaktionen. mrb
Financial Times: The untold story of the most chaotic Nato summit ever. Während die meisten Regierungschefs nicht wussten, wie sie beim Nato-Gipfel 2018 in Brüssel auf Donald Trumps Impulstiraden reagieren sollte, tat sich der damalige niederländische Ministerpräsident Mark Rutte hervor. Der künftige Nato-Generalsekretär habe den richtigen Dreiklang aus Schmeicheln, Verzögern und Zustimmen im Umgang mit Trump gefunden. Eine ausführliche, leicht voyeuristische Dokumentation der Gespräche hinter den Kulissen.
The Bell: Why is Narendra Modi coming to Moscow? Entgegen der Tradition reist der indische Premier Narendra Modi nach seiner Wiederwahl als Erstes nicht in ein Nachbarland, sondern weiter weg – nach Russland. Modi sorgt sich ob der neuen Nähe zwischen Moskau und Peking und will dagegenhalten. Diese Analyse zeigt, wie stark der russische Krieg gegen die Ukraine die indisch-russischen Beziehungen verändert – im ökonomischen und im militärischen Bereich.
National Interest: Can Sudan’s Civilian Front Bring Peace? Ein dauerhafter Frieden im sudanesischen Bürgerkrieg ist nur möglich, wenn in die Verhandlungen auch zivilgesellschaftliche Gruppen einbezogen werden und nicht nur die militärischen Konfliktparteien, findet Santiago Stocker vom International Republican Institute.
CEOBS: Joint investigation into the environmental costs of attacks on Ukraine’s Kremenchuk Oil Refinery. Seit dem 24. Februar 2022 griff Russland mehrere ukrainische Chemielager an. Diese Fallstudie untersucht die Auswirkungen solcher Vorfälle auf die Umwelt anhand der Angriffe auf die Ölraffinerie Krementschuk. Dabei bewertet sie nicht nur die verursachten Umwelt- und Sachschäden, sondern auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Entschädigung dieser.
War Studies: What is the logic of intergroup conflicts? Warum geraten Gruppen in bewaffnete Konflikte, obwohl eine friedliche Lösung möglich wäre? Diese Podcastfolge untersucht die “Logik” von Konflikten. Ziel ist, Triebkräfte für gewalttätiges und friedliches Verhalten in konfliktbetroffenen Bevölkerungsgruppen zu verstehen und Lösungen zu finden, die den Frieden unterstützen.
Zum großen Nato-Gipfel anlässlich des 75. Bündnis-Geburtstags wird Generalleutnant Wolfgang Wien nicht nach Washington reisen. Aber die Vor- und Nachbereitungen liegen auch in seiner Verantwortung. Seit Oktober 2023 ist er Deutschlands höchster militärischer Vertreter bei der Nato und der EU in Brüssel.
Mit den Vertretern der 31 weiteren Bündnispartner arbeitet er im Militärausschuss der Nato in Brüssel daran, die politischen Entscheidungen, die auf Gipfeln wie dem in Washington getroffen werden, militärisch vorzubereiten und umzusetzen. Er arbeitet mit den anderen Nationen daran, dass alle Ressourcen zur Verfügung stehen. Die Verteidigungspläne, die die Nato als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg vor zwei Jahren erstellt und angepasst hat, sollen in die Realität umgesetzt werden. Wien kennt die Realität. “In Deutschland stehen die Soldaten vor den Kasernen keine Schlange”, sagt er dazu – und anderen Nationen ginge es ähnlich.
Um die Dringlichkeit dafür zu unterstreichen, dass sich das ändern muss, umreißt er die aktuelle geopolitische Lage: Russland, China und eine mögliche zweite Amtszeit Donald Trumps – all dies seien Herausforderungen für das Bündnis, die aus seiner Sicht deutlich mehr Investitionen in die Verteidigung erfordern. Wien versucht nicht, die Situation zu beschönigen.
Trump sei eine Herausforderung – er selbst war während der ersten Amtszeit Trumps in Brüssel, aber unabhängig davon, wie die Wahl ausgeht, werde von vielen Seiten erwartet, dass die USA Kräfte in Europa abziehen. Der Krieg gegen Russland sei ein Krieg auf Augenhöhe. Das bedeutet “Sterben und Tod und Vernichtung”. Mit jedem Satz wird deutlicher: Hier spricht ein Soldat und kein Politiker, und zwar einer, der das große Ganze sieht.
Wie Russland, so beschreibt er auch China als Systemkonkurrenten, gegen den die westlichen Werte verteidigt werden müssten. Und auch hier versucht er nicht, die Realität zu verschleiern. “Ich hoffe nicht, dass es zu einem militärischen Konflikt in Asien kommt, aber es gibt Anzeichen, dass alles darauf hinausläuft.”
Wien war selbst dreimal im Ausland im Einsatz. Damals ging es um Krisenbewältigung, heute geht es um Bündnisverteidigung. Vor allem den Einsatz in Afghanistan bezeichnet er als eine “erfüllende Zeit”. Auch wenn der gesamte Einsatz rückblickend sicherlich kein Erfolg war, so hätten die Tätigkeiten der Multinationalen Battlegroup, die er damals als Kommandeur aufbaute und führte, doch Früchte getragen. Noch heute steht ein Kinderkrankenhaus, das er damals mit seiner Truppe aufgebaut hat. Was ihn aber vor allem stolz macht, ist, dass er alle Männer (damals war keine Frau mit im Einsatz) lebend wieder nach Hause bringen konnte. Mehrmals habe er sich gedacht: “Wenn das morgen jetzt schiefgeht, dann schreibst du den Brief an die Ehefrau.”
Seine Karriere begann Wien bei den Panzergrenadieren. Zufälle führten ihn als Büroleiter von Staatssekretär Gerd Hoofe nah an die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, bis er schließlich Vizepräsident des BND und anschließend Deutschlands höchster Soldat bei der Nato wurde. Er erklärt das auch mit “Glück”. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Wer ihm genauer zuhört, der spürt, dass dazu aber auch viel Führungsvermögen, Menschengefühl, Disziplin und auch Verzicht gehörten. Vor allem mit Blick auf die Familie scheint ihm das nicht immer leicht gefallen zu sein. Natürlich frage man sich manchmal, ob man da alles richtig gemacht habe, die richtigen Prioritäten gesetzt habe.
Seine Anwesenheit beim Nato-Gipfel hat für ihn auf jeden Fall keine Priorität. Dort ist der Platz für politische Entscheidungsträger, für große Symbole. Die Ziele des Gipfels benennt er trotzdem sehr klar. Ganz oben steht: Geschlossenheit demonstrieren. Das ist Aufgabe genug, bei 32 Nationen mit völlig unterschiedlichen Interessen. Die Worte einer politischen Abschlusserklärung danach in die Tat umzusetzen, das wird dann wieder in den Hauptstädten und bei ihm und den Kollegen in Brüssel liegen. Wilhelmine Preußen