Table.Briefing: Security

MSC-CEO: Keine Angst vor Trump + Syrien: Angst vor neuer IS-Generation

Liebe Leserin, lieber Leser,

welche außenpolitischen Richtlinien setzt der neue US-Präsident Donald Trump? Das wird in wenigen Wochen bei der Münchner Sicherheitskonferenz deutlich, wo eine hochrangige Delegation aus den USA erwartet wird. Den MSC-CEO Benedikt Franke befragte Markus Bickel auch zum Umgang mit den neuen Machthabern in Damaskus.

Syrien wird nicht nur für den Wiederaufbau viel Hilfe aus dem Ausland brauchen. Ungelöst und aus westlichen Debatten weitgehend verdrängt ist die Frage, was eigentlich mit den mehr als 50.000 gefangenen IS-Anhängern geschehen soll. Frank Nordhausen zeigt auf, warum die syrischen Kurden, die sich bisher um die Extremisten kümmern, diese Sorge in einen Vorteil verwandeln können.  

In den letzten Wochen der rot-grünen Minderheitsregierung will das Verteidigungsministerium vor allem die gesetzliche Grundlage für die Brigade in Litauen durch den Bundestag bringen. Was genau geplant ist und was nicht mehr umgesetzt wird, hat Thomas Wiegold für Sie aufgeschrieben.

Eine erkenntnisreiche Lektüre wünscht Ihnen

Ihr
Viktor Funk
Bild von Viktor  Funk

Interview

MSC-CEO Benedikt Franke: “Trump ist kein Grund für Schnappatmung”

Benedikt Franke kennt sich auf dem internationalen Parkett aus. Er war unter anderem persönlicher Referent des ehemaligen Generalsekretärs der UN Kofi Annan.

Herr Franke, vor einem Jahr zog sich der Begriff “Silberstreifen am Horizont” wie ein roter Faden durch die Münchner Sicherheitskonferenz. Ist dieser Streifen verflogen, wenn in einem Monat Vertreter der US-Regierung Donald Trumps in München auflaufen?

Die von uns immer wieder angesprochenen Silberstreifen sind tatsächlich etwas schwieriger zu finden geworden. Aber es gibt sie noch, und wir würden jetzt auch immer davon abraten, ob der Wahl von Donald Trump sofort in Schnappatmung zu verfallen, sondern viel eher schauen, wie man die Disruption, die kommen wird, dafür nutzen kann, Europa, aber auch die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik resilient und sauber aufzustellen.

Vergangenes Jahr war JD Vance noch ohne offizielle Funktion in München vertreten. Wird er im Februar als US-Vizepräsident dabei sein?

Wir hoffen natürlich auf eine hochrangige Teilnahme aus den Vereinigten Staaten, von der neuen Administration haben wir aber noch keine Bestätigung bekommen. Unser neuer Vorsitzender Jens Stoltenberg wird jedoch am Montag an den Amtsantrittsfeierlichkeiten von Donald Trump teilnehmen. Er wird eine ganze Reihe an Entscheidungsträgern persönlich treffen und auch nochmal dafür werben, dass die USA die Plattform der Münchner Sicherheitskonferenz so intensiv nutzen, wie sie es die letzten 60 Jahre getan haben.

Stoltenberg ist der erste Nichtdeutsche an der Spitze der MSC. Was bedeutet das für die Konferenz?

Ich glaube, dass die Amtsübernahme durch Jens Stoltenberg uns in Zukunft vielleicht an der ein oder anderen Stelle noch einmal hochrangigere Gäste bescheren wird. Er ist mit ganzem Herzblut dabei, sich vorzubereiten. Und ich möchte an der Stelle allen nochmal sagen: Man darf Jens Stoltenberg nicht auf seine Zeit als Nato-Generalsekretär reduzieren. Er war ein sehr erfolgreicher norwegischer Ministerpräsident, ein UN-Klimabeauftragter, Energie- und Wirtschaftsminister und Staatssekretär. Er hat über 35 Jahre politische Erfahrung und hat sich regelmäßig neu erfunden. Wir freuen uns, dass er mit Sicherheit an vielen Stellen den Weg, den Christoph Heusgen über die letzten drei Jahre eingeschlagen hat, fortsetzen wird und dass er auch ein paar neue Akzente setzen wird.

Wird dieses Jahr Ahmed al-Sharaa, der neue islamistische Machthaber in Syrien, in München dabei sein?

Wir haben in Abstimmung mit der Bundesregierung die neue syrische Regierung eingeladen. Die Münchner Sicherheitskonferenz ist seit Jahrzehnten eine Plattform auch für Andersdenkende. Da ist es nicht immer ganz leicht zu entscheiden, welche Andersdenkenden noch konstruktiv genug sind, um sie bei uns dann auch sinnvoll einbauen zu können. Hier haben wir eine Einladung ausgesprochen und sind jetzt mal gespannt, wer dann tatsächlich kommt.

Eröffnet wird die MSC von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Kommt Ihnen da nicht auch das Bild von der Sicherheitskonferenz 2016 in den Kopf, als er den russischen Außenminister Sergej Lawrow im Vorbeigehen fast schon zärtlich berührte? Ist es nicht ein Politikum, Steinmeier einzuladen?

Auch da würde ich wieder von Schnappatmung abraten. Es ist der Bundespräsident, der die wichtigste außen- und sicherheitspolitische Tagung des Jahres eröffnet. Ich finde, das gehört sich so! Wir haben ja auch schon von Bundespräsidenten grandiose Reden auf dieser Konferenz gehört. Ich erinnere an Joachim Gauck und seinen Aufruf, sich substanzieller und deutlicher und langfristiger einzubringen als Deutschland es tut. Ich bin gespannt, wie der Bundespräsident das diesmal machen wird. Ich könnte mir vorstellen, dass er einen ähnlichen Aufruf starten wird. Ist es ein Politikum? Ich glaube überhaupt nicht. Und ich bin auch weiterhin der Meinung, dass Diplomatie auf Vertrauen basiert und dass jede vertrauensbildende Geste – und sei es ein am Arm reiben – per se nicht falsch ist. Ja, 2016 war schon klar, dass Russland ein Aggressor ist. Das war nach der Annexion der Krim. Deswegen kann man natürlich über politisches Feingefühl diskutieren an der Stelle. Aber wenn wir jedes Mal über jedes Stöckchen springen, das irgendeiner hinhält, dann kommen die ganz pragmatischen und wichtigen Dinge zu kurz.

2024 war der Konferenzauftakt vom Tod Alexej Nawalnys überschattet. Rechnen Sie dieses Jahr mit ähnlichen Ereignissen oder irgendwelchen Provokationen Putins?

Ich glaube, dass wir durchaus damit rechnen müssen, dass im Rahmen der MSC auch wieder Dinge passieren, die gegebenenfalls ablenken sollen, den Ton setzen sollen. Inwiefern jetzt dieser Tod genau so getimed war, wie das medial nachträglich rüberkommt, das können wir überhaupt nicht beurteilen. Aber ich muss sagen, dass die Rede von Frau Nawalny, die sie dann impromptu auf unserer Bühne gehalten hat, schon einer der großen Munich Moments des letzten Jahres war. Wir haben sie eingeladen wiederzukommen und sie wird da sein. Wir haben aber auch eine ganze Reihe an anderen russischen Oppositionspolitikerinnen und -politikern eingeladen, um eben den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen.

  • Donald Trump
  • Münchner Sicherheitskonferenz
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Syrien: Neue IS-Generation wächst in Gefangenlagern heran

Bislang waren sie eine Bürde für die Kurden in Nordostsyrien: zehntausende Kämpfer und deren Angehörige von der Terrormiliz “Islamischer Staat” (IS). Sie müssen seit dem Sieg der westlich-kurdischen Koalition über das IS-“Kalifat” vor fünf Jahren in riesigen Lagern und Gefängnissen bewacht werden. Appelle, dass ausländische Staaten ihre radikalen Bürger zurückholen sollten, blieben meist ungehört. Seit dem plötzlichen Kollaps des Assad-Regimes Anfang Dezember aber wird die Bürde zu einer Trumpfkarte der Kurden, um internationale Unterstützung gegen militärische Angriffe aus der Türkei auf ihre autonome Region “Rojava” einzufordern.

Die Führung der kurdisch dominierten “Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens” (AANES) mit Sitz in Kamischli kontrolliert rund ein Drittel Syriens. Ihr im Nahen Osten einzigartiges Selbstverwaltungsmodell basiert auf ethnischer Vielfalt, Demokratie und Säkularismus. Die AANES sieht ihre Existenz durch die Attacken aus der Türkei bedroht. Ankara betrachtet die syrische YPG-Miliz, den Kern der mehr als 70.000 Truppen der kurdisch geführten “Syrischen Demokratischen Kräfte” (SDF), als Ableger der kurdischen Arbeiterpartei PKK und stuft sie wie jene als Terrororganisation ein. Laut Salih Muslim, einem führenden Politiker der AANES, ist dies ein Vorwand: “Wir haben ideologische, aber keine organisatorischen Verbindungen zur PKK. Wir sind keine Gefahr für die Türkei, wurden aber plötzlich zu Terroristen erklärt.”

Der Druck auf die AANES ist seit dem Regimewechsel massiv gestiegen. Die Türkei und ihre islamistischen Verbündeten der “Syrian National Army” (SNA) verstärken ihre Angriffe, da Ankara den Sturz Assads als Chance betrachtet, um die syrischen Kurden militärisch auszuschaltenTürkische Kampfdrohnen zerstören verstärkt Infrastruktur wie Elektrizitätswerke, Ölförderanlagen und Krankenstationen. Die Folge: zahlreiche zivile Opfer und eine wachsende Gefahr für die Sicherheit der IS-Gefangenenlager. Der SDF-Generalstabschef Maslum Abdi warnte jüngst, dass die Bombardierungen die Bekämpfung des IS behinderten – und auch den Westen bedrohten. Der Westen solle Druck auf die Türkei auszuüben, um die Attacken zu stoppen.

4.000 IS-Anhänger sind Ausländer

Tatsächlich sind die IS-Lager ein Pulverfass. Nach Angaben der kurdischen Menschenrechtsgruppe “Right Defense Initiative” (RDI) sind in mehr als 20 Gefängnissen etwa 10.000 frühere IS-Kämpfer inhaftiert, darunter 4.000 Ausländer. Im riesigen Lager al-Hol werden laut RDI derzeit noch etwa 40.000 Menschen und im kleineren Camp Roj rund 2.600 Personen aus IS-Familien festgehalten – fast ausschließlich Frauen und Kinder. Viele Frauen gelten als fanatische IS-Anhängerinnen. Sie versuchen, die etwa 15.000 Kinder in den Lagern, zu einer neuen Generation von Terroristen zu erziehen.

Die internationale Hilfe durch die Vereinten Nationen, die USA und Hilfsorganisationen reicht nicht aus. Anita Starosta, Sprecherin der deutschen Menschenrechtsorganisation Medico International, beschreibt die Bedingungen in den Lagern als prekär. Es mangele nicht am guten Willen, sondern an den begrenzten Mitteln der AANES, der unzureichenden finanziellen Unterstützung durch die internationale Anti-IS-Koalition – und vor allem einer Perspektive. “In diesen Camps lebt der IS weiter. Je länger die Leute dort unter sich bleiben, desto stärker radikalisieren sie sich”, sagt sie.

Nach dem Sieg über den IS im Jahr 2019 hatte die AANES die Verantwortung für die Gefangenenlager übernommen. Damals nahm die SDF zehntausende IS-Anhänger aus mehr als 60 Staaten gefangen und internierte sie. Mit US-Unterstützung konnte die SDF die Zahl aktiver IS-Kämpfer in der Region von etwa 16.000 auf 4.000 reduzieren. Der Kurden-Politiker Salih Muslim wirft den westlichen Mitgliedern der Anti-IS-Koalition jedoch vor, nie eine langfristige Perspektive für die Gefangenen entwickelt zu haben und ihre juristische Verfolgung zu verzögern – aus Angst, sich potenzielle Attentäter ins Land zu holen.

Rekrutierungsnester für ein Comeback des IS

Die Lager spielen inzwischen eine bedeutende Rolle als Rekrutierungsnester für ein Comeback des IS, der sich im Untergrund neu formiert. Immer wieder kommt es zu Ausbrüchen: 2019 flohen 800 Häftlinge nach einer türkischen Militärintervention im Grenzort Ain Issa. Vor allem das Al-Hol-Lager bleibt ein Brennpunkt. “Die Gefängnisse und Lager sind tickende Zeitbomben – gerade jetzt, wo Islamisten die Macht in Damaskus übernommen haben”, sagt Muslim. 

Inzwischen hat die Türkei erkannt, dass die IS-Gefangenen ein starkes Hindernis für ihren Kampf gegen Rojava darstellen, da der Westen die Autonomie der Kurden vor allem wegen deren Kontrolle der IS-Gefangenen unterstützt. Deshalb erklärte Außenminister Hakan Fidan jüngst, sein Land könne die Kontrolle der Lager übernehmen. “Ein absurder Vorschlag”, urteilt Salih Muslim. “Der Türkei geht es vielleicht darum, die Dschihadisten freizulassen und dann gegen uns einzusetzen, wie es bereits früher geschah.”

Viel hängt von den USA ab, dem wichtigsten Verbündeten der Kurden. Rund 2.000 US-Soldaten unterstützen die SDF im Kampf gegen den IS. Wenn der designierte Präsident Donald Trump tatsächlich die Truppen abzieht, wie er es signalisiert hatte, würde das die Region destabilisieren, warnen US-Militärs. Noch aber verfügen die Kurden mit den IS-Gefangenenlagern über ein bedeutendes politisches Faustpfand. Salih Muslim appelliert daher an den Westen, die autonome Region und ihre kurdischen wie arabischen Bewohner aus eigenem Interesse nicht im Stich zu lassen: “Wenn die Lager nicht sicher sind, wird der IS stärker – eine Gefahr für uns und den Westen.”

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News

Bundeswehrgesetze vor der Wahl: Warum Pistorius die Brigade Litauen dem neuen Wehrdienst vorzieht

Angesichts der vorgezogenen Bundestagswahl kann das Verteidigungsministerium nur einen Teil seiner geplanten Gesetze dieser Legislaturperiode durchsetzen und will vor allem die nötigen Grundlagen für die Stationierung einer Kampfbrigade in Litauen schaffen. Die ebenfalls geplanten rechtlichen Voraussetzungen für einen “neuen Wehrdienst” werden dagegen in den letzten Parlamentssitzungen vor Auflösung des Bundestags nicht mehr beschlossen.

Auch wenn die Tagesordnung für die Sitzungstage Ende Januar die Abstimmungen noch nicht vorsieht, zeichnet sich nach Informationen von Table.Briefings ab, dass die Abgeordneten abschließend über das sogenannte Artikelgesetz “zur Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft” entscheiden werden: Damit sollen vor allem attraktive Arbeitsbedingungen für einen – freiwilligen – Einsatz von Soldaten in Litauen geschaffen werden, unter anderem mit geänderten Regelungen für die Erstattung von Mehrarbeit oder die Finanzierung von Umzugskosten. Außerdem sollen finanzielle Anreize für Familienangehörige geschaffen werden, die mit ins Baltikum gehen.

Keine Mehrheit für neuen Wehrdienst in dieser Legislatur

Ebenfalls vorgesehen ist die Abstimmung über das Gesetz, das den Stationierungsvertrag für den Kampfverband in Litauen ratifiziert. Das litauische Parlament hatte bereits vergangenes Jahr zugestimmt. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums ist für die deutsche Zustimmung ein gesondertes Gesetz erforderlich, weil unter anderem rechtliche Details wie die Anwendung von Steuervorschriften festgelegt werden müssen. Darüber hinaus wird voraussichtlich Ende Januar auch ein Gesetz verabschiedet, mit dem die Tätigkeit früherer Bundeswehrsoldaten für “fremde Mächte” wie die Ausbildung chinesischer Piloten ohne Genehmigung strafbar wird.

Dagegen kann das Wehrressort nicht auf die nötige Mehrheit für die geplanten Neuregelungen zu einem – weiterhin freiwilligen – Wehrdienst hoffen. Aus Sicht des Ministeriums ist das Hauptproblem, dass die nötigen Rechtsvorschriften zur Datenerfassung möglicher Wehrpflichtiger damit weiterhin nicht erhoben werden dürfen. Allerdings wird nach der Bundestagswahl eine Mehrheit für eine rasche Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes erwartet und aus dem Ministerium heißt es, dass die technischen Vorbereitungen beispielsweise für die Erstellung des Musterungsfragebogens deswegen im Hintergrund weiterlaufen. tw

  • Boris Pistorius
  • Bundeswehr
  • Verteidigungsministerium

Abkommen mit der Hamas: Warum sich Israel mit der Zustimmung schwertut

Die israelische Regierung hat einen formalen Beschluss über die Annahme des Waffenstillstandsabkommens mit der islamistischen Hamas verschoben. Wegen interner Differenzen zwischen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und seinen rechtsextremen und nationalreligiösen Koalitionspartnern werde das Kabinett erst am heutigen Freitag zusammentreffen, hieß es aus Jerusalem. Israels rechtsextremer Polizeiminister Itamar Ben-Gvir hatte am Donnerstagabend damit gedroht, die Koalition zu verlassen, sollte das Kabinett dem Abkommen mit der Hamas zustimmen.

Trotz der Verzögerungen geht die US-Regierung von der Freilassung der ersten israelischen Geiseln und dem Beginn einer zunächst auf 42 Tage befristeten Feuerpause am Sonntag aus. Vizekanzler Robert Habeck äußerte auf X am Donnerstag die Hoffnung, dass das Abkommen für einen Prozess “hin zu einer Zweistaatenlösung” genutzt werde. 

Das am Mittwoch von US-Präsident Joe Biden und dem Ministerpräsidenten von Katar, Mohammed bin Abdulrahman Al Thani, verkündete Abkommen sieht in einem ersten Schritt eine vollständige Waffenruhe sowie die Freilassung von 33 Geiseln vor, die die Hamas und andere palästinensische Milizen am 7. Oktober 2023 entführt hatten. Im Gegenzug sollen hunderte Palästinenser aus israelischen Gefängnissen entlassen und die humanitäre Hilfe in Gaza massiv aufgestockt werden. Zudem sollen sich israelische Einheiten sukzessive in eine Pufferzone am Rande des Küstenstreifens zurückziehen. mrb

  • Benjamin Netanjahu
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  • Joe Biden
  • Nahost

Abschuss von Drohnen durch Bundeswehr: Chancen auf Gesetzesänderung unklar

Illegal fliegende Drohnen über Kritischer Infrastruktur sollen künftig von der Bundeswehr abgeschossen werden dürfen. Ein entsprechender Vorschlag zur Änderung des Luftsicherheitsgesetzes wurde am Mittwoch im Kabinett verabschiedet.

Geplant ist, die Befugnisse der Bundeswehr zu erweitern. Bislang dürfen die Streitkräfte bei Gefahr in Verzug im Luftraum “Luftfahrzeuge abdrängen, zur Landung zwingen, den Einsatz von Waffengewalt androhen oder Warnschüsse abgeben.” Mit der geplanten Gesetzesänderung soll die Bundeswehr künftig auch “Waffengewalt gegen unbemannte Luftfahrzeuge anwenden” dürfen, heißt es im Kabinettsvorschlag. Unberührt davon bleibt, dass die Bundeswehr nur auf Amtshilfeersuchen der zuständigen Bundes- und Landespolizeien tätig werden darf. 

Voraussetzung für den Abschuss einer Drohne ist auch, “dass ein unbemanntes Luftfahrzeug gegen das Leben von Menschen oder gegen eine kritische Anlage eingesetzt werden soll, und sie das einzige Mittel zur Abwehr dieser gegenwärtigen Gefahr ist”, heißt es in der Begründung. Darunter fallen laut Bundesinnenministerium auch Drohnenüberflüge zu Spionagezwecken, wie sie im vergangenen Jahr häufig über Industrieparks, LNG-Terminals oder dem Nord-Ostsee-Kanal gesichtet wurden. In den meisten Fällen wird eine russische Herkunft vermutet.

Chancen auf Verabschiedung in dieser Legislatur unklar

Um eine schnelle Verabschiedung zu ermöglichen, wollen die verbliebenen zwei Koalitionsfraktionen von SPD und Grünen die Neufassung in einem Änderungsantrag zu einem bereits bestehenden Gesetzentwurf einbringen. In der letzten vollen Sitzungswoche dieser Legislaturperiode (27. bis 31. Januar) könnte die Gesetzesänderung in 1. Lesung durch das Parlament gehen, abschließend dann in den letzten Sitzungstagen vor der Bundestagswahl im Februar. Sollte die Gesetzesänderung nicht verabschiedet werden, muss sie aufgrund des Diskontinuitätsprinzips im nächsten Bundestag neu eingebracht werden.

Ob die Union zustimmen wird, ist offen. Von “reiner Symbolgesetzgebung” ohne realen Sicherheitsgewinn sprach der Rechtsexperte der CDU/CSU-Fraktion, Günter Krings (CDU). Dagegen hält Johann Wadephul, Vizevorsitzender und Verteidigungsexperte der Fraktion, die Änderung des Luftsicherheitsgesetzes für “längst überfällig”. klm

  • Bundeswehr
  • Drohnen

Ukraine-Hilfe: Union und Grüne werfen Scholz Wahlkampf-Spiele vor

Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Finanzierung von drei Milliarden Euro Ukraine-Hilfen über Kredite erneut in Aussicht gestellt hat, werfen Grüne und Union dem Bundeskanzler Wahlkampftaktiererei vor. Scholz hatte im Interview mit den Westfälischen Nachrichten erklärt, im Bundeshaushalt 2025 gebe es eine Lücke von 26 Milliarden Euro – und damit deutlich mehr als zunächst geplant. Weitere drei Milliarden Euro für die Ukraine zuzusagen, wäre darum “ein ungedeckter Scheck, der diese Lücke weiter vergrößert”. Nur wenn der Bundestag für die Ukraine-Hilfe eine Ausnahme von der Schuldenbremse beschließe, seien zusätzliche Gelder möglich, erklärte Scholz.

Der Grünen-Berichterstatter für den Wehretat, Sebastian Schäfer, sagte Table.Briefings, das Vorgehen von Scholz und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, der ebenfalls eine Aussetzung der Schuldenbremse als Bedingung für die Ukraine-Hilfen gefordert hatte, sei eine “politische Blockade”. Durch die vorläufige Haushaltsführung und die nicht aufgebrauchte Rücklage aus dem Vorjahr seien Mittel da, drei Milliarden Euro an Waffen an die Ukraine zu liefern. Allerdings liege das in der Hand der Bundesregierung.

Das Manöver des Kanzlers sei “menschlich unanständig”

Für CDU-Haushaltspolitiker Ingo Gädechens (CDU) gibt es mit der vorläufigen Haushaltsführung “kein ernsthaftes Problem”, die drei Milliarden Euro zusammenzubekommen. Das Manöver des Kanzlers bezeichnete er als “menschlich unanständig”. Weil Scholz “mit dem Leben vieler Ukrainer spielt”, solle er “schnellstmöglich keine politische Verantwortung mehr tragen”.

Rückhalt erhält Scholz aus der eigenen Fraktion: SPD-Haushälter Andreas Schwarz hält einen Kredit für die “pragmatischste, schnellste und sauberste Lösung”. Gegenüber Table.Briefings signalisierte Schwarz aber Kompromissbereitschaft. “Unsere Aufgabe muss sein, schnell eine Lösung hinzubekommen.” Eine außerplanmäßige Ausgabe sei mit der Formulierung “ist über Einsparungen im Haushalt sicherzustellen” zwar technisch möglich, damit würde die Entscheidung aber vertagt und der Folgeregierung die Einsparungen überlassen. Transparenter sei es, wenn Union und FDP benennen würden, wo sie einsparen wollen. Äußere Sicherheit werde mit der SPD “nicht gegen soziale Sicherheit ausgespielt”, so Schwarz.

Mit dem Geld beschafft werden sollen unter anderem drei weitere Iris-T-Flugabwehrbatterien mit Munition, Patriot-Lenkflugkörper, zehn Radhaubitzen, Skyranger-Flugabwehrsysteme sowie Artilleriemunition. In SPD-Regierungskreisen wird dagegen argumentiert, die behauptete finanzielle Notlage der Ukraine bestehe nicht. Zusätzliche Waffen könnten aus dem 50-Milliarden-Dollar-Kredit, den die G7-Staaten und die EU unter Nutzung der Erträge aus eingefrorenem russischem Auslandsvermögen aufgelegt hatten, finanziert werden; zudem sei ein Teil der Waffen kurzfristig gar nicht lieferbar. bub/mrb/mkr/svs

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  • Iris-T
  • Luftverteidigung
  • Ukraine

Must-Reads

DGAP: Für ein militärisch starkes Deutschland. In einem Text zur Bundestagswahl fordert der einstige Wehrbeauftragte und SPD-Politiker Hans-Peter Bartels von der künftigen Bundesregierung, die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands ins Zentrum ihrer Arbeit zu stellen. Zentral ist hierbei die Wiedereinführung einer angepassten Wehrpflicht, die Finanzierung der Bundeswehr mit mehr als 2,5 Prozent des BIP und die Erhöhung der personellen Stärke auf 250.000 aktive Soldatinnen und Soldaten.

ECFR: Alone in a Trumpian world: The EU and global public opinion after the US elections.
Eine Umfrage des ECFR beschäftigt sich mit den weltweiten Einstellungen zum Amtsantritt Trumps, wobei in vielen Ländern Optimismus bezüglich seiner zweiten Präsidentschaft herrscht. Viele Ukrainerinnen und Ukrainer glauben an einen möglichen positiven Einfluss Trumps auf ein Ende des Angriffskrieges.

Bloomberg: Taiwan’s Military Is Not Prepared for a Trumpian World. Trumps Forderungen an Taiwan, seinen Verteidigungshaushalt von gegenwärtigen 2,45 Prozent des BIP auf 10 Prozent zu erhöhen, stufen Militärexperten als unrealistisch ein. Für Taipeh bedeutet das, darauf vorbereitet zu sein, Pekings Vorstöße allein abzuwehren.

Ukrainska Pravda: 100-year partnership agreement between Ukraine and UK. Kyjiw und London versprechen sich eine langanhaltende Freundschaft und wollen einen 100 Jahre dauernden Vertrag zur Zusammenarbeit auf vielen Feldern eingehen. Im Sicherheitsbereich will Großbritannien vor allem in der Marine eine wichtige Rolle spielen. Die englischsprachige Version des Vertrags findet sich hier.

Kyiv Independent: Ahead of Trump’s inauguration, Ukraine’s European partners can’t afford to watch and wait for Washington’s next move. Die Unterstützung der künftigen US-Regierung für die Ukraine ist noch unklar. Deswegen steht Europa vor einer großen Aufgabe: dem Schutz der Ukraine und damit auch ihres Kontinents.

Standpunkt

Zeitenwende: Im Cyber- und Informationsraum muss die Wende noch kommen

Von Matthias Schulze
Matthias Schulze ist Experte für Internationale Cybersicherheit.

2024 erlebten Deutschland und die westliche Welt eine rapide Zunahme russischer hybrider Kriegsführung: von Cyberangriffen über Sabotageakte bis hin zur Beeinflussung politischer Diskurse mit dem Ziel der Zersetzung der Demokratie. Gleichzeitig intensivierte China seine Bemühungen im Bereich Cyberspionage, unterwanderte die westliche Telekommunikation und platzierte Hintertüren in kritischen Infrastrukturen – mit potenziellen Sabotagemöglichkeiten im Fall einer Taiwan-Eskalation. Dass China durch Spionage westliches Know-how stiehlt und Unternehmen aus Märkten drängt, wird weitgehend achselzuckend hingenommen. 

Rechtlicher Graubereich zwischen Krieg und Frieden

Hybride Angriffe bewegen sich im rechtlichen Graubereich zwischen Krieg und Frieden. Sie sind schmerzhaft, bleiben aber in ihrer Intensität unterhalb der völkerrechtlichen Schwelle für militärische Selbstverteidigung. Die westlichen Demokratien, die sich dem Völkerrecht verpflichtet fühlen, sind dadurch in ihrer Reaktionsfähigkeit eingeschränkt, während revisionistische Staaten wie Russland oder China sich kaum an diese Prinzipien gebunden fühlen. Das erschwert die westliche Reaktion auf hybride Kriegsführung, egal ob es sich dabei um den Abschuss von Spionagedrohnen über deutschem Territorium, das Abwehren von Sabotageschiffen in der Ostsee, die offensive Reaktion auf Cyberangriffe oder um strategische Gegenkommunikation im Ausland geht, mit der auf digitale Desinformation durch Trollarmeen reagiert werden soll.

Offene Fragen bei offensiven Cyberoperationen

Die Bundeswehr verfügt zwar über offensive Cyberfähigkeiten, darf sie aber nur unter engen Rahmenbedingungen (etwa im Verteidigungsfall oder bei mandatierten Einsätzen) nutzen. Bundeskriminalamt (BKA), Bundesnachrichtendienst (BND) oder Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hätten die technische Kompetenz, sind jedoch rechtlich nicht befugt, im Frieden ausländische Systeme zu hacken. Zudem gibt es weiterhin offene ethische, demokratische und strategische Fragen bei offensiven Cyberoperationen. Während man bei der Zeitenwende im konventionellen Bereich mutig genug war, um liebgewonnene, tradierte Vorstellungen (Wandel durch Handel) und Prinzipien (keine Rüstungsexporte in Kriegsgebiete) zu hinterfragen, gelang es nicht, dieses Problem zu lösen.

Andere Demokratien haben das gleiche rechtliche Problem bei der aktiven Cyberabwehr. Frankreich, Finnland, Schweden, Dänemark, die Niederlande, Polen und sogar das rein defensiv aufgestellte Japan diskutieren aber mittlerweile die Aufwertung von offensiven Cyberstrategien und die aktive Cyberabwehr in Friedenszeiten mit verschiedenen Maßnahmen.

Deutschland fehlt umfassender Ansatz

Ein rein technischer Fokus auf Cybersicherheit reicht dabei aber nicht aus. Russlands Subversion im Informationsraum ist eng mit Cybersicherheit verbunden. Andere Länder reagieren darauf. Frankreich hat eine Strategie gegen “Beeinflussungskrieg” entwickelt, Schweden eine Organisation zur “psychologischen Verteidigung” aufgebaut. Deutschland braucht einen umfassenderen Ansatz, der neben der schon bestehenden EU-Regulierung von Social-Media-Plattformen weitere Maßnahmen umfasst: etwa gesellschaftliche Resilienz durch digitale Bildung und Selbstverteidigungsfähigkeiten in Schulen sowie die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen zur Entlarvung von Desinformationskampagnen und für die gesellschaftliche Aufklärung. Deutschland hinkt zudem bei der strategischen Kommunikation hinterher, mittels derer andere Staaten proaktiv auf Desinformationsnarrative im Ausland reagieren. Die Bundeswehr kann russische Desinformation beobachten, darf sie aber nicht aktiv entkräften. Eine interministerielle Abstimmung für schnelle, proaktive Reaktionen auf sich anbahnende Beeinflussungskampagnen fehlt weitgehend. Großbritannien zeigt mit Handbüchern für Ministerien, wie proaktive Kommunikationsstrategien gelingen können. 

Deutschland muss Technik, Bildung, zivilgesellschaftliche Initiativen und strategische Kommunikation vereinen, um hybriden Bedrohungen zu begegnen. Die nächste Bundesregierung hat die Chance, diese Lücke zu schließen – für eine echte Zeitenwende im Cyber- und Informationsraum.

Matthias Schulze ist Leiter des Forschungsschwerpunkts “Internationale Cybersicherheit” am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH). Zuvor war er stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sowie Principal Investigator im Projekt European Repository of Cyber Incidents. Er ist promovierter Politikwissenschaftler und Host des Podcasts “Perception.de”.

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Dessert

Das Verteidigungsministerium teilte am Mittwoch auf X mit, die Plattform zu verlassen.

Das Verteidigungsministerium tritt den Rückzug an – zumindest auf X. Am Mittwoch teilte das Ministerium mit, den eigenen Kanal ruhen zu lassen und nicht mehr proaktiv posten zu wollen. Gleiches gelte für den Account des Generalinspekteurs und der Bundeswehr. Grund dafür sei, “dass nach Bewertung des BMVg der sachliche Austausch von Argumenten zunehmend erschwert wird”. Den Beleg dafür brachten dann auch vorwiegend rechte Accounts, die “Feigheit vor dem Feind” in die Liste der häufig geposteten Themen brachten und der Bundeswehr wegen ihres Social-Media-Auftritts die Wehrfähigkeit absprachen.

Dabei hatte sich die deutsche Politik die Aufgabe gestellt, rechten Trolls und einem größenwahnsinnigen Milliardär Paroli zu bieten – Wirtschaftsminister Robert Habeck war einen Tag nach dem Ampel-Aus auf die Plattform zurückgekehrt, um sie nicht “den Schreihälsen und Populisten zu überlassen”. Man kann ihn dort mit hochgekrempelten Ärmeln im Profilbild sehen. Und bis auf das Verkehrsministerium bleiben die übrigen Ressorts auf X.

Es bleibt der Vorwurf der Doppelmoral. Unions-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter schrieb, dass er nicht verstehe, warum Institutionen X verlassen, aber auf Tiktok bleiben.

Zumindest dort erreicht die Bundeswehr noch Nachwuchs. Mit dem Whatsapp-Kanal, den das Verteidigungsministerium am Montag eröffnet hat, könnte das schwieriger werden.

Bild Vize-Chefredakteur Paul Ronzheimer sah in dem Rückzug etwas “symbolisches, dass unsere Bundeswehr vor bösen X-Kommentaren wegläuft”.

Table.Briefings meint: Cool bleiben.

Unseren Account finden Sie übrigens hier. bub

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Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

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    Syrien wird nicht nur für den Wiederaufbau viel Hilfe aus dem Ausland brauchen. Ungelöst und aus westlichen Debatten weitgehend verdrängt ist die Frage, was eigentlich mit den mehr als 50.000 gefangenen IS-Anhängern geschehen soll. Frank Nordhausen zeigt auf, warum die syrischen Kurden, die sich bisher um die Extremisten kümmern, diese Sorge in einen Vorteil verwandeln können.  

    In den letzten Wochen der rot-grünen Minderheitsregierung will das Verteidigungsministerium vor allem die gesetzliche Grundlage für die Brigade in Litauen durch den Bundestag bringen. Was genau geplant ist und was nicht mehr umgesetzt wird, hat Thomas Wiegold für Sie aufgeschrieben.

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    MSC-CEO Benedikt Franke: “Trump ist kein Grund für Schnappatmung”

    Benedikt Franke kennt sich auf dem internationalen Parkett aus. Er war unter anderem persönlicher Referent des ehemaligen Generalsekretärs der UN Kofi Annan.

    Herr Franke, vor einem Jahr zog sich der Begriff “Silberstreifen am Horizont” wie ein roter Faden durch die Münchner Sicherheitskonferenz. Ist dieser Streifen verflogen, wenn in einem Monat Vertreter der US-Regierung Donald Trumps in München auflaufen?

    Die von uns immer wieder angesprochenen Silberstreifen sind tatsächlich etwas schwieriger zu finden geworden. Aber es gibt sie noch, und wir würden jetzt auch immer davon abraten, ob der Wahl von Donald Trump sofort in Schnappatmung zu verfallen, sondern viel eher schauen, wie man die Disruption, die kommen wird, dafür nutzen kann, Europa, aber auch die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik resilient und sauber aufzustellen.

    Vergangenes Jahr war JD Vance noch ohne offizielle Funktion in München vertreten. Wird er im Februar als US-Vizepräsident dabei sein?

    Wir hoffen natürlich auf eine hochrangige Teilnahme aus den Vereinigten Staaten, von der neuen Administration haben wir aber noch keine Bestätigung bekommen. Unser neuer Vorsitzender Jens Stoltenberg wird jedoch am Montag an den Amtsantrittsfeierlichkeiten von Donald Trump teilnehmen. Er wird eine ganze Reihe an Entscheidungsträgern persönlich treffen und auch nochmal dafür werben, dass die USA die Plattform der Münchner Sicherheitskonferenz so intensiv nutzen, wie sie es die letzten 60 Jahre getan haben.

    Stoltenberg ist der erste Nichtdeutsche an der Spitze der MSC. Was bedeutet das für die Konferenz?

    Ich glaube, dass die Amtsübernahme durch Jens Stoltenberg uns in Zukunft vielleicht an der ein oder anderen Stelle noch einmal hochrangigere Gäste bescheren wird. Er ist mit ganzem Herzblut dabei, sich vorzubereiten. Und ich möchte an der Stelle allen nochmal sagen: Man darf Jens Stoltenberg nicht auf seine Zeit als Nato-Generalsekretär reduzieren. Er war ein sehr erfolgreicher norwegischer Ministerpräsident, ein UN-Klimabeauftragter, Energie- und Wirtschaftsminister und Staatssekretär. Er hat über 35 Jahre politische Erfahrung und hat sich regelmäßig neu erfunden. Wir freuen uns, dass er mit Sicherheit an vielen Stellen den Weg, den Christoph Heusgen über die letzten drei Jahre eingeschlagen hat, fortsetzen wird und dass er auch ein paar neue Akzente setzen wird.

    Wird dieses Jahr Ahmed al-Sharaa, der neue islamistische Machthaber in Syrien, in München dabei sein?

    Wir haben in Abstimmung mit der Bundesregierung die neue syrische Regierung eingeladen. Die Münchner Sicherheitskonferenz ist seit Jahrzehnten eine Plattform auch für Andersdenkende. Da ist es nicht immer ganz leicht zu entscheiden, welche Andersdenkenden noch konstruktiv genug sind, um sie bei uns dann auch sinnvoll einbauen zu können. Hier haben wir eine Einladung ausgesprochen und sind jetzt mal gespannt, wer dann tatsächlich kommt.

    Eröffnet wird die MSC von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Kommt Ihnen da nicht auch das Bild von der Sicherheitskonferenz 2016 in den Kopf, als er den russischen Außenminister Sergej Lawrow im Vorbeigehen fast schon zärtlich berührte? Ist es nicht ein Politikum, Steinmeier einzuladen?

    Auch da würde ich wieder von Schnappatmung abraten. Es ist der Bundespräsident, der die wichtigste außen- und sicherheitspolitische Tagung des Jahres eröffnet. Ich finde, das gehört sich so! Wir haben ja auch schon von Bundespräsidenten grandiose Reden auf dieser Konferenz gehört. Ich erinnere an Joachim Gauck und seinen Aufruf, sich substanzieller und deutlicher und langfristiger einzubringen als Deutschland es tut. Ich bin gespannt, wie der Bundespräsident das diesmal machen wird. Ich könnte mir vorstellen, dass er einen ähnlichen Aufruf starten wird. Ist es ein Politikum? Ich glaube überhaupt nicht. Und ich bin auch weiterhin der Meinung, dass Diplomatie auf Vertrauen basiert und dass jede vertrauensbildende Geste – und sei es ein am Arm reiben – per se nicht falsch ist. Ja, 2016 war schon klar, dass Russland ein Aggressor ist. Das war nach der Annexion der Krim. Deswegen kann man natürlich über politisches Feingefühl diskutieren an der Stelle. Aber wenn wir jedes Mal über jedes Stöckchen springen, das irgendeiner hinhält, dann kommen die ganz pragmatischen und wichtigen Dinge zu kurz.

    2024 war der Konferenzauftakt vom Tod Alexej Nawalnys überschattet. Rechnen Sie dieses Jahr mit ähnlichen Ereignissen oder irgendwelchen Provokationen Putins?

    Ich glaube, dass wir durchaus damit rechnen müssen, dass im Rahmen der MSC auch wieder Dinge passieren, die gegebenenfalls ablenken sollen, den Ton setzen sollen. Inwiefern jetzt dieser Tod genau so getimed war, wie das medial nachträglich rüberkommt, das können wir überhaupt nicht beurteilen. Aber ich muss sagen, dass die Rede von Frau Nawalny, die sie dann impromptu auf unserer Bühne gehalten hat, schon einer der großen Munich Moments des letzten Jahres war. Wir haben sie eingeladen wiederzukommen und sie wird da sein. Wir haben aber auch eine ganze Reihe an anderen russischen Oppositionspolitikerinnen und -politikern eingeladen, um eben den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen.

    • Donald Trump
    • Münchner Sicherheitskonferenz
    Translation missing.

    Syrien: Neue IS-Generation wächst in Gefangenlagern heran

    Bislang waren sie eine Bürde für die Kurden in Nordostsyrien: zehntausende Kämpfer und deren Angehörige von der Terrormiliz “Islamischer Staat” (IS). Sie müssen seit dem Sieg der westlich-kurdischen Koalition über das IS-“Kalifat” vor fünf Jahren in riesigen Lagern und Gefängnissen bewacht werden. Appelle, dass ausländische Staaten ihre radikalen Bürger zurückholen sollten, blieben meist ungehört. Seit dem plötzlichen Kollaps des Assad-Regimes Anfang Dezember aber wird die Bürde zu einer Trumpfkarte der Kurden, um internationale Unterstützung gegen militärische Angriffe aus der Türkei auf ihre autonome Region “Rojava” einzufordern.

    Die Führung der kurdisch dominierten “Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens” (AANES) mit Sitz in Kamischli kontrolliert rund ein Drittel Syriens. Ihr im Nahen Osten einzigartiges Selbstverwaltungsmodell basiert auf ethnischer Vielfalt, Demokratie und Säkularismus. Die AANES sieht ihre Existenz durch die Attacken aus der Türkei bedroht. Ankara betrachtet die syrische YPG-Miliz, den Kern der mehr als 70.000 Truppen der kurdisch geführten “Syrischen Demokratischen Kräfte” (SDF), als Ableger der kurdischen Arbeiterpartei PKK und stuft sie wie jene als Terrororganisation ein. Laut Salih Muslim, einem führenden Politiker der AANES, ist dies ein Vorwand: “Wir haben ideologische, aber keine organisatorischen Verbindungen zur PKK. Wir sind keine Gefahr für die Türkei, wurden aber plötzlich zu Terroristen erklärt.”

    Der Druck auf die AANES ist seit dem Regimewechsel massiv gestiegen. Die Türkei und ihre islamistischen Verbündeten der “Syrian National Army” (SNA) verstärken ihre Angriffe, da Ankara den Sturz Assads als Chance betrachtet, um die syrischen Kurden militärisch auszuschaltenTürkische Kampfdrohnen zerstören verstärkt Infrastruktur wie Elektrizitätswerke, Ölförderanlagen und Krankenstationen. Die Folge: zahlreiche zivile Opfer und eine wachsende Gefahr für die Sicherheit der IS-Gefangenenlager. Der SDF-Generalstabschef Maslum Abdi warnte jüngst, dass die Bombardierungen die Bekämpfung des IS behinderten – und auch den Westen bedrohten. Der Westen solle Druck auf die Türkei auszuüben, um die Attacken zu stoppen.

    4.000 IS-Anhänger sind Ausländer

    Tatsächlich sind die IS-Lager ein Pulverfass. Nach Angaben der kurdischen Menschenrechtsgruppe “Right Defense Initiative” (RDI) sind in mehr als 20 Gefängnissen etwa 10.000 frühere IS-Kämpfer inhaftiert, darunter 4.000 Ausländer. Im riesigen Lager al-Hol werden laut RDI derzeit noch etwa 40.000 Menschen und im kleineren Camp Roj rund 2.600 Personen aus IS-Familien festgehalten – fast ausschließlich Frauen und Kinder. Viele Frauen gelten als fanatische IS-Anhängerinnen. Sie versuchen, die etwa 15.000 Kinder in den Lagern, zu einer neuen Generation von Terroristen zu erziehen.

    Die internationale Hilfe durch die Vereinten Nationen, die USA und Hilfsorganisationen reicht nicht aus. Anita Starosta, Sprecherin der deutschen Menschenrechtsorganisation Medico International, beschreibt die Bedingungen in den Lagern als prekär. Es mangele nicht am guten Willen, sondern an den begrenzten Mitteln der AANES, der unzureichenden finanziellen Unterstützung durch die internationale Anti-IS-Koalition – und vor allem einer Perspektive. “In diesen Camps lebt der IS weiter. Je länger die Leute dort unter sich bleiben, desto stärker radikalisieren sie sich”, sagt sie.

    Nach dem Sieg über den IS im Jahr 2019 hatte die AANES die Verantwortung für die Gefangenenlager übernommen. Damals nahm die SDF zehntausende IS-Anhänger aus mehr als 60 Staaten gefangen und internierte sie. Mit US-Unterstützung konnte die SDF die Zahl aktiver IS-Kämpfer in der Region von etwa 16.000 auf 4.000 reduzieren. Der Kurden-Politiker Salih Muslim wirft den westlichen Mitgliedern der Anti-IS-Koalition jedoch vor, nie eine langfristige Perspektive für die Gefangenen entwickelt zu haben und ihre juristische Verfolgung zu verzögern – aus Angst, sich potenzielle Attentäter ins Land zu holen.

    Rekrutierungsnester für ein Comeback des IS

    Die Lager spielen inzwischen eine bedeutende Rolle als Rekrutierungsnester für ein Comeback des IS, der sich im Untergrund neu formiert. Immer wieder kommt es zu Ausbrüchen: 2019 flohen 800 Häftlinge nach einer türkischen Militärintervention im Grenzort Ain Issa. Vor allem das Al-Hol-Lager bleibt ein Brennpunkt. “Die Gefängnisse und Lager sind tickende Zeitbomben – gerade jetzt, wo Islamisten die Macht in Damaskus übernommen haben”, sagt Muslim. 

    Inzwischen hat die Türkei erkannt, dass die IS-Gefangenen ein starkes Hindernis für ihren Kampf gegen Rojava darstellen, da der Westen die Autonomie der Kurden vor allem wegen deren Kontrolle der IS-Gefangenen unterstützt. Deshalb erklärte Außenminister Hakan Fidan jüngst, sein Land könne die Kontrolle der Lager übernehmen. “Ein absurder Vorschlag”, urteilt Salih Muslim. “Der Türkei geht es vielleicht darum, die Dschihadisten freizulassen und dann gegen uns einzusetzen, wie es bereits früher geschah.”

    Viel hängt von den USA ab, dem wichtigsten Verbündeten der Kurden. Rund 2.000 US-Soldaten unterstützen die SDF im Kampf gegen den IS. Wenn der designierte Präsident Donald Trump tatsächlich die Truppen abzieht, wie er es signalisiert hatte, würde das die Region destabilisieren, warnen US-Militärs. Noch aber verfügen die Kurden mit den IS-Gefangenenlagern über ein bedeutendes politisches Faustpfand. Salih Muslim appelliert daher an den Westen, die autonome Region und ihre kurdischen wie arabischen Bewohner aus eigenem Interesse nicht im Stich zu lassen: “Wenn die Lager nicht sicher sind, wird der IS stärker – eine Gefahr für uns und den Westen.”

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    Bundeswehrgesetze vor der Wahl: Warum Pistorius die Brigade Litauen dem neuen Wehrdienst vorzieht

    Angesichts der vorgezogenen Bundestagswahl kann das Verteidigungsministerium nur einen Teil seiner geplanten Gesetze dieser Legislaturperiode durchsetzen und will vor allem die nötigen Grundlagen für die Stationierung einer Kampfbrigade in Litauen schaffen. Die ebenfalls geplanten rechtlichen Voraussetzungen für einen “neuen Wehrdienst” werden dagegen in den letzten Parlamentssitzungen vor Auflösung des Bundestags nicht mehr beschlossen.

    Auch wenn die Tagesordnung für die Sitzungstage Ende Januar die Abstimmungen noch nicht vorsieht, zeichnet sich nach Informationen von Table.Briefings ab, dass die Abgeordneten abschließend über das sogenannte Artikelgesetz “zur Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft” entscheiden werden: Damit sollen vor allem attraktive Arbeitsbedingungen für einen – freiwilligen – Einsatz von Soldaten in Litauen geschaffen werden, unter anderem mit geänderten Regelungen für die Erstattung von Mehrarbeit oder die Finanzierung von Umzugskosten. Außerdem sollen finanzielle Anreize für Familienangehörige geschaffen werden, die mit ins Baltikum gehen.

    Keine Mehrheit für neuen Wehrdienst in dieser Legislatur

    Ebenfalls vorgesehen ist die Abstimmung über das Gesetz, das den Stationierungsvertrag für den Kampfverband in Litauen ratifiziert. Das litauische Parlament hatte bereits vergangenes Jahr zugestimmt. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums ist für die deutsche Zustimmung ein gesondertes Gesetz erforderlich, weil unter anderem rechtliche Details wie die Anwendung von Steuervorschriften festgelegt werden müssen. Darüber hinaus wird voraussichtlich Ende Januar auch ein Gesetz verabschiedet, mit dem die Tätigkeit früherer Bundeswehrsoldaten für “fremde Mächte” wie die Ausbildung chinesischer Piloten ohne Genehmigung strafbar wird.

    Dagegen kann das Wehrressort nicht auf die nötige Mehrheit für die geplanten Neuregelungen zu einem – weiterhin freiwilligen – Wehrdienst hoffen. Aus Sicht des Ministeriums ist das Hauptproblem, dass die nötigen Rechtsvorschriften zur Datenerfassung möglicher Wehrpflichtiger damit weiterhin nicht erhoben werden dürfen. Allerdings wird nach der Bundestagswahl eine Mehrheit für eine rasche Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes erwartet und aus dem Ministerium heißt es, dass die technischen Vorbereitungen beispielsweise für die Erstellung des Musterungsfragebogens deswegen im Hintergrund weiterlaufen. tw

    • Boris Pistorius
    • Bundeswehr
    • Verteidigungsministerium

    Abkommen mit der Hamas: Warum sich Israel mit der Zustimmung schwertut

    Die israelische Regierung hat einen formalen Beschluss über die Annahme des Waffenstillstandsabkommens mit der islamistischen Hamas verschoben. Wegen interner Differenzen zwischen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und seinen rechtsextremen und nationalreligiösen Koalitionspartnern werde das Kabinett erst am heutigen Freitag zusammentreffen, hieß es aus Jerusalem. Israels rechtsextremer Polizeiminister Itamar Ben-Gvir hatte am Donnerstagabend damit gedroht, die Koalition zu verlassen, sollte das Kabinett dem Abkommen mit der Hamas zustimmen.

    Trotz der Verzögerungen geht die US-Regierung von der Freilassung der ersten israelischen Geiseln und dem Beginn einer zunächst auf 42 Tage befristeten Feuerpause am Sonntag aus. Vizekanzler Robert Habeck äußerte auf X am Donnerstag die Hoffnung, dass das Abkommen für einen Prozess “hin zu einer Zweistaatenlösung” genutzt werde. 

    Das am Mittwoch von US-Präsident Joe Biden und dem Ministerpräsidenten von Katar, Mohammed bin Abdulrahman Al Thani, verkündete Abkommen sieht in einem ersten Schritt eine vollständige Waffenruhe sowie die Freilassung von 33 Geiseln vor, die die Hamas und andere palästinensische Milizen am 7. Oktober 2023 entführt hatten. Im Gegenzug sollen hunderte Palästinenser aus israelischen Gefängnissen entlassen und die humanitäre Hilfe in Gaza massiv aufgestockt werden. Zudem sollen sich israelische Einheiten sukzessive in eine Pufferzone am Rande des Küstenstreifens zurückziehen. mrb

    • Benjamin Netanjahu
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    • Hamas
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    • Joe Biden
    • Nahost

    Abschuss von Drohnen durch Bundeswehr: Chancen auf Gesetzesänderung unklar

    Illegal fliegende Drohnen über Kritischer Infrastruktur sollen künftig von der Bundeswehr abgeschossen werden dürfen. Ein entsprechender Vorschlag zur Änderung des Luftsicherheitsgesetzes wurde am Mittwoch im Kabinett verabschiedet.

    Geplant ist, die Befugnisse der Bundeswehr zu erweitern. Bislang dürfen die Streitkräfte bei Gefahr in Verzug im Luftraum “Luftfahrzeuge abdrängen, zur Landung zwingen, den Einsatz von Waffengewalt androhen oder Warnschüsse abgeben.” Mit der geplanten Gesetzesänderung soll die Bundeswehr künftig auch “Waffengewalt gegen unbemannte Luftfahrzeuge anwenden” dürfen, heißt es im Kabinettsvorschlag. Unberührt davon bleibt, dass die Bundeswehr nur auf Amtshilfeersuchen der zuständigen Bundes- und Landespolizeien tätig werden darf. 

    Voraussetzung für den Abschuss einer Drohne ist auch, “dass ein unbemanntes Luftfahrzeug gegen das Leben von Menschen oder gegen eine kritische Anlage eingesetzt werden soll, und sie das einzige Mittel zur Abwehr dieser gegenwärtigen Gefahr ist”, heißt es in der Begründung. Darunter fallen laut Bundesinnenministerium auch Drohnenüberflüge zu Spionagezwecken, wie sie im vergangenen Jahr häufig über Industrieparks, LNG-Terminals oder dem Nord-Ostsee-Kanal gesichtet wurden. In den meisten Fällen wird eine russische Herkunft vermutet.

    Chancen auf Verabschiedung in dieser Legislatur unklar

    Um eine schnelle Verabschiedung zu ermöglichen, wollen die verbliebenen zwei Koalitionsfraktionen von SPD und Grünen die Neufassung in einem Änderungsantrag zu einem bereits bestehenden Gesetzentwurf einbringen. In der letzten vollen Sitzungswoche dieser Legislaturperiode (27. bis 31. Januar) könnte die Gesetzesänderung in 1. Lesung durch das Parlament gehen, abschließend dann in den letzten Sitzungstagen vor der Bundestagswahl im Februar. Sollte die Gesetzesänderung nicht verabschiedet werden, muss sie aufgrund des Diskontinuitätsprinzips im nächsten Bundestag neu eingebracht werden.

    Ob die Union zustimmen wird, ist offen. Von “reiner Symbolgesetzgebung” ohne realen Sicherheitsgewinn sprach der Rechtsexperte der CDU/CSU-Fraktion, Günter Krings (CDU). Dagegen hält Johann Wadephul, Vizevorsitzender und Verteidigungsexperte der Fraktion, die Änderung des Luftsicherheitsgesetzes für “längst überfällig”. klm

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    Ukraine-Hilfe: Union und Grüne werfen Scholz Wahlkampf-Spiele vor

    Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Finanzierung von drei Milliarden Euro Ukraine-Hilfen über Kredite erneut in Aussicht gestellt hat, werfen Grüne und Union dem Bundeskanzler Wahlkampftaktiererei vor. Scholz hatte im Interview mit den Westfälischen Nachrichten erklärt, im Bundeshaushalt 2025 gebe es eine Lücke von 26 Milliarden Euro – und damit deutlich mehr als zunächst geplant. Weitere drei Milliarden Euro für die Ukraine zuzusagen, wäre darum “ein ungedeckter Scheck, der diese Lücke weiter vergrößert”. Nur wenn der Bundestag für die Ukraine-Hilfe eine Ausnahme von der Schuldenbremse beschließe, seien zusätzliche Gelder möglich, erklärte Scholz.

    Der Grünen-Berichterstatter für den Wehretat, Sebastian Schäfer, sagte Table.Briefings, das Vorgehen von Scholz und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, der ebenfalls eine Aussetzung der Schuldenbremse als Bedingung für die Ukraine-Hilfen gefordert hatte, sei eine “politische Blockade”. Durch die vorläufige Haushaltsführung und die nicht aufgebrauchte Rücklage aus dem Vorjahr seien Mittel da, drei Milliarden Euro an Waffen an die Ukraine zu liefern. Allerdings liege das in der Hand der Bundesregierung.

    Das Manöver des Kanzlers sei “menschlich unanständig”

    Für CDU-Haushaltspolitiker Ingo Gädechens (CDU) gibt es mit der vorläufigen Haushaltsführung “kein ernsthaftes Problem”, die drei Milliarden Euro zusammenzubekommen. Das Manöver des Kanzlers bezeichnete er als “menschlich unanständig”. Weil Scholz “mit dem Leben vieler Ukrainer spielt”, solle er “schnellstmöglich keine politische Verantwortung mehr tragen”.

    Rückhalt erhält Scholz aus der eigenen Fraktion: SPD-Haushälter Andreas Schwarz hält einen Kredit für die “pragmatischste, schnellste und sauberste Lösung”. Gegenüber Table.Briefings signalisierte Schwarz aber Kompromissbereitschaft. “Unsere Aufgabe muss sein, schnell eine Lösung hinzubekommen.” Eine außerplanmäßige Ausgabe sei mit der Formulierung “ist über Einsparungen im Haushalt sicherzustellen” zwar technisch möglich, damit würde die Entscheidung aber vertagt und der Folgeregierung die Einsparungen überlassen. Transparenter sei es, wenn Union und FDP benennen würden, wo sie einsparen wollen. Äußere Sicherheit werde mit der SPD “nicht gegen soziale Sicherheit ausgespielt”, so Schwarz.

    Mit dem Geld beschafft werden sollen unter anderem drei weitere Iris-T-Flugabwehrbatterien mit Munition, Patriot-Lenkflugkörper, zehn Radhaubitzen, Skyranger-Flugabwehrsysteme sowie Artilleriemunition. In SPD-Regierungskreisen wird dagegen argumentiert, die behauptete finanzielle Notlage der Ukraine bestehe nicht. Zusätzliche Waffen könnten aus dem 50-Milliarden-Dollar-Kredit, den die G7-Staaten und die EU unter Nutzung der Erträge aus eingefrorenem russischem Auslandsvermögen aufgelegt hatten, finanziert werden; zudem sei ein Teil der Waffen kurzfristig gar nicht lieferbar. bub/mrb/mkr/svs

    • Haushalt
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    • Luftverteidigung
    • Ukraine

    Must-Reads

    DGAP: Für ein militärisch starkes Deutschland. In einem Text zur Bundestagswahl fordert der einstige Wehrbeauftragte und SPD-Politiker Hans-Peter Bartels von der künftigen Bundesregierung, die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands ins Zentrum ihrer Arbeit zu stellen. Zentral ist hierbei die Wiedereinführung einer angepassten Wehrpflicht, die Finanzierung der Bundeswehr mit mehr als 2,5 Prozent des BIP und die Erhöhung der personellen Stärke auf 250.000 aktive Soldatinnen und Soldaten.

    ECFR: Alone in a Trumpian world: The EU and global public opinion after the US elections.
    Eine Umfrage des ECFR beschäftigt sich mit den weltweiten Einstellungen zum Amtsantritt Trumps, wobei in vielen Ländern Optimismus bezüglich seiner zweiten Präsidentschaft herrscht. Viele Ukrainerinnen und Ukrainer glauben an einen möglichen positiven Einfluss Trumps auf ein Ende des Angriffskrieges.

    Bloomberg: Taiwan’s Military Is Not Prepared for a Trumpian World. Trumps Forderungen an Taiwan, seinen Verteidigungshaushalt von gegenwärtigen 2,45 Prozent des BIP auf 10 Prozent zu erhöhen, stufen Militärexperten als unrealistisch ein. Für Taipeh bedeutet das, darauf vorbereitet zu sein, Pekings Vorstöße allein abzuwehren.

    Ukrainska Pravda: 100-year partnership agreement between Ukraine and UK. Kyjiw und London versprechen sich eine langanhaltende Freundschaft und wollen einen 100 Jahre dauernden Vertrag zur Zusammenarbeit auf vielen Feldern eingehen. Im Sicherheitsbereich will Großbritannien vor allem in der Marine eine wichtige Rolle spielen. Die englischsprachige Version des Vertrags findet sich hier.

    Kyiv Independent: Ahead of Trump’s inauguration, Ukraine’s European partners can’t afford to watch and wait for Washington’s next move. Die Unterstützung der künftigen US-Regierung für die Ukraine ist noch unklar. Deswegen steht Europa vor einer großen Aufgabe: dem Schutz der Ukraine und damit auch ihres Kontinents.

    Standpunkt

    Zeitenwende: Im Cyber- und Informationsraum muss die Wende noch kommen

    Von Matthias Schulze
    Matthias Schulze ist Experte für Internationale Cybersicherheit.

    2024 erlebten Deutschland und die westliche Welt eine rapide Zunahme russischer hybrider Kriegsführung: von Cyberangriffen über Sabotageakte bis hin zur Beeinflussung politischer Diskurse mit dem Ziel der Zersetzung der Demokratie. Gleichzeitig intensivierte China seine Bemühungen im Bereich Cyberspionage, unterwanderte die westliche Telekommunikation und platzierte Hintertüren in kritischen Infrastrukturen – mit potenziellen Sabotagemöglichkeiten im Fall einer Taiwan-Eskalation. Dass China durch Spionage westliches Know-how stiehlt und Unternehmen aus Märkten drängt, wird weitgehend achselzuckend hingenommen. 

    Rechtlicher Graubereich zwischen Krieg und Frieden

    Hybride Angriffe bewegen sich im rechtlichen Graubereich zwischen Krieg und Frieden. Sie sind schmerzhaft, bleiben aber in ihrer Intensität unterhalb der völkerrechtlichen Schwelle für militärische Selbstverteidigung. Die westlichen Demokratien, die sich dem Völkerrecht verpflichtet fühlen, sind dadurch in ihrer Reaktionsfähigkeit eingeschränkt, während revisionistische Staaten wie Russland oder China sich kaum an diese Prinzipien gebunden fühlen. Das erschwert die westliche Reaktion auf hybride Kriegsführung, egal ob es sich dabei um den Abschuss von Spionagedrohnen über deutschem Territorium, das Abwehren von Sabotageschiffen in der Ostsee, die offensive Reaktion auf Cyberangriffe oder um strategische Gegenkommunikation im Ausland geht, mit der auf digitale Desinformation durch Trollarmeen reagiert werden soll.

    Offene Fragen bei offensiven Cyberoperationen

    Die Bundeswehr verfügt zwar über offensive Cyberfähigkeiten, darf sie aber nur unter engen Rahmenbedingungen (etwa im Verteidigungsfall oder bei mandatierten Einsätzen) nutzen. Bundeskriminalamt (BKA), Bundesnachrichtendienst (BND) oder Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hätten die technische Kompetenz, sind jedoch rechtlich nicht befugt, im Frieden ausländische Systeme zu hacken. Zudem gibt es weiterhin offene ethische, demokratische und strategische Fragen bei offensiven Cyberoperationen. Während man bei der Zeitenwende im konventionellen Bereich mutig genug war, um liebgewonnene, tradierte Vorstellungen (Wandel durch Handel) und Prinzipien (keine Rüstungsexporte in Kriegsgebiete) zu hinterfragen, gelang es nicht, dieses Problem zu lösen.

    Andere Demokratien haben das gleiche rechtliche Problem bei der aktiven Cyberabwehr. Frankreich, Finnland, Schweden, Dänemark, die Niederlande, Polen und sogar das rein defensiv aufgestellte Japan diskutieren aber mittlerweile die Aufwertung von offensiven Cyberstrategien und die aktive Cyberabwehr in Friedenszeiten mit verschiedenen Maßnahmen.

    Deutschland fehlt umfassender Ansatz

    Ein rein technischer Fokus auf Cybersicherheit reicht dabei aber nicht aus. Russlands Subversion im Informationsraum ist eng mit Cybersicherheit verbunden. Andere Länder reagieren darauf. Frankreich hat eine Strategie gegen “Beeinflussungskrieg” entwickelt, Schweden eine Organisation zur “psychologischen Verteidigung” aufgebaut. Deutschland braucht einen umfassenderen Ansatz, der neben der schon bestehenden EU-Regulierung von Social-Media-Plattformen weitere Maßnahmen umfasst: etwa gesellschaftliche Resilienz durch digitale Bildung und Selbstverteidigungsfähigkeiten in Schulen sowie die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen zur Entlarvung von Desinformationskampagnen und für die gesellschaftliche Aufklärung. Deutschland hinkt zudem bei der strategischen Kommunikation hinterher, mittels derer andere Staaten proaktiv auf Desinformationsnarrative im Ausland reagieren. Die Bundeswehr kann russische Desinformation beobachten, darf sie aber nicht aktiv entkräften. Eine interministerielle Abstimmung für schnelle, proaktive Reaktionen auf sich anbahnende Beeinflussungskampagnen fehlt weitgehend. Großbritannien zeigt mit Handbüchern für Ministerien, wie proaktive Kommunikationsstrategien gelingen können. 

    Deutschland muss Technik, Bildung, zivilgesellschaftliche Initiativen und strategische Kommunikation vereinen, um hybriden Bedrohungen zu begegnen. Die nächste Bundesregierung hat die Chance, diese Lücke zu schließen – für eine echte Zeitenwende im Cyber- und Informationsraum.

    Matthias Schulze ist Leiter des Forschungsschwerpunkts “Internationale Cybersicherheit” am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH). Zuvor war er stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sowie Principal Investigator im Projekt European Repository of Cyber Incidents. Er ist promovierter Politikwissenschaftler und Host des Podcasts “Perception.de”.

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    Dessert

    Das Verteidigungsministerium teilte am Mittwoch auf X mit, die Plattform zu verlassen.

    Das Verteidigungsministerium tritt den Rückzug an – zumindest auf X. Am Mittwoch teilte das Ministerium mit, den eigenen Kanal ruhen zu lassen und nicht mehr proaktiv posten zu wollen. Gleiches gelte für den Account des Generalinspekteurs und der Bundeswehr. Grund dafür sei, “dass nach Bewertung des BMVg der sachliche Austausch von Argumenten zunehmend erschwert wird”. Den Beleg dafür brachten dann auch vorwiegend rechte Accounts, die “Feigheit vor dem Feind” in die Liste der häufig geposteten Themen brachten und der Bundeswehr wegen ihres Social-Media-Auftritts die Wehrfähigkeit absprachen.

    Dabei hatte sich die deutsche Politik die Aufgabe gestellt, rechten Trolls und einem größenwahnsinnigen Milliardär Paroli zu bieten – Wirtschaftsminister Robert Habeck war einen Tag nach dem Ampel-Aus auf die Plattform zurückgekehrt, um sie nicht “den Schreihälsen und Populisten zu überlassen”. Man kann ihn dort mit hochgekrempelten Ärmeln im Profilbild sehen. Und bis auf das Verkehrsministerium bleiben die übrigen Ressorts auf X.

    Es bleibt der Vorwurf der Doppelmoral. Unions-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter schrieb, dass er nicht verstehe, warum Institutionen X verlassen, aber auf Tiktok bleiben.

    Zumindest dort erreicht die Bundeswehr noch Nachwuchs. Mit dem Whatsapp-Kanal, den das Verteidigungsministerium am Montag eröffnet hat, könnte das schwieriger werden.

    Bild Vize-Chefredakteur Paul Ronzheimer sah in dem Rückzug etwas “symbolisches, dass unsere Bundeswehr vor bösen X-Kommentaren wegläuft”.

    Table.Briefings meint: Cool bleiben.

    Unseren Account finden Sie übrigens hier. bub

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