mit sehr viel Geld versuchen die EU-Mitgliedsstaaten Flüchtlinge und Migranten davon abzuhalten, nach Europa zu kommen. Staaten wie die Türkei, Ägypten, Libyen und Libanon sollen die Menschen zurückhalten. Aber sie wissen auch, mit welchen Mitteln sie noch mehr Geld aus Brüssel bekommen können. Frank Nordhausen hat die EU-Migrationsabkommen unter die Lupe genommen und geprüft, wie sinnvoll sie sind.
Nicht nur beim Thema Flucht und Migration müsste Europa effektiver zusammenarbeiten, das gilt auch für Sicherheit und Verteidigung. In ihrem Standpunkt schreiben die Forschenden der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Claudia Major und Sven Arnold, wie Deutschland und Frankreich vorangehen könnten.
Wir wünschen Ihnen eine gute Lektüre,
Der libanesische Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah macht keinen Hehl aus seinem Plan: Mitte Mai forderte er die Regierung in Beirut auf, syrische Flüchtlinge im Land dazu einzuladen, mit Booten in die nahe EU-Republik Zypern zu fahren. “Wenn wir das tun, wird die EU uns nicht eine Milliarde geben, sondern 20 Milliarden, vielleicht sogar 30“, sagte er. Dies würde die Europäer dazu veranlassen, “das Embargo gegen Syrien aufzuheben”, fügte der enge Verbündete des syrischen Diktators Baschar al-Assad hinzu. Nasrallah machte so indirekt eine entscheidende Schwachstelle der europäischen Migrationsverträge deutlich: Sie ermuntern die Nehmerländer zur Erpressung.
Der erklärten “umfassenden und strategischen Partnerschaft” mit dem Libanon sind seit 2016 mehrere ähnliche Vereinbarungen vorangegangen. Ihr Motto ist “Geld gegen Grenzschutz”. Die folgende Liste enthält ausschließlich EU-Abkommen mit Drittstaaten. Ihre langfristige Wirkung ist unklar. Klar ist dagegen, dass die EU sich für viel Geld teils fragwürdige Dienste anderer Staaten erkauft.
Die neue taiwanesische Regierung ist noch keine Woche im Amt, und schon sieht sie sich mit einer Reihe massiver Herausforderungen konfrontiert. Als vermeintliche Reaktion auf die Antrittsrede des neuen Präsidenten Lai Ching-te hat China am Donnerstag ein zweitägiges Militärmanöver um die Hauptinsel Taiwan und kleinere vorgelagerte Inseln angekündigt. Mit dem sogenannten “Joint Sword 2024A”-Manöver sollen nach offizieller Verlautbarung “separatistische Bestrebungen” taiwanischer Unabhängigkeitskräfte bestraft und das Ausland vor einer Einmischung in der Taiwan-Frage gewarnt werden.
“Die ‘Unabhängigkeit Taiwans’ ist zum Scheitern verurteilt”, sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin bei einer täglichen Pressekonferenz dem offiziellen Transkript zufolge. “Jeder, der die ‘Unabhängigkeit Taiwans’ anstrebt, wird durch den historischen Trend zur vollständigen Wiedervereinigung Chinas vernichtet werden.”
Die Nachrichtenagentur AFP gab die Äußerungen von Wang bei der gleichen Pressekonferenz in einer Meldung am Donnerstagmorgen allerdings anders wieder. Demnach sagte Wang, “die Unabhängigkeitskräfte werden mit zerschmetterten Schädeln und im Blut enden”, nachdem sie mit Chinas “großem” Vorhaben der “vollständigen Vereinigung” mit Taiwan konfrontiert wurden. Die Internetseite des Außenministeriums wurde zuletzt am späten Nachmittag des gleichen Tages aktualisiert.
China hatte die Übungen um 07:45 Uhr am Donnerstagmorgen angekündigt und schickte den ganzen Tag über mehrere Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge in die Gewässer und den Luftraum um Taiwan. Mehrere Dutzend mit scharfer Munition bewaffnete Kampfflugzeuge haben Taiwan umrundet, berichtete das Staatsfernsehen CCTV. “Zusammen mit Zerstörern, Fregatten und Raketen-Schnellbooten simulierten sie Angriffe auf hochrangige feindliche militärische Ziele sowie Aufklärungsschiffe und -flugzeuge”, hieß es dort.
Taiwans Militär reagierte mit routinierter Gelassenheit auf die Ankündigungen aus Peking. Heer, Luftwaffe und Marine beobachteten die Lage genau und stünden bereit, auf plötzliche Veränderungen der Lage schnell zu reagieren. “Wir suchen den Konflikt nicht, werden aber auch nicht vor ihm zurückschrecken”, so die offizielle Linie.
Am Nachmittag veröffentlichten Taiwans Verteidigungsministerium und die Küstenwache mehrere Videos, die zeigen, wie taiwanische Einheiten chinesische Kampfschiffe überwachen und auf Distanz halten. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums waren bis zum Abend keine Schiffe oder Flugzeuge in die sogenannte Anschlusszone der Hauptinsel eingedrungen (24 Seemeilen vor der Küste). Vor den Inseln Wuqiu und Dongyin, die näher am chinesischen Festland liegen als an Taiwan, sollen Schiffe der chinesischen Küstenwache allerdings bis auf 2,8 bzw. 3,1 Seemeilen in gesperrte Gewässer eingedrungen sein.
Der größte Unterschied zum letzten “Joint Sword”-Manöver des Jahres 2023 und den großangelegten Manövern nach Nancy Pelosis Besuch im August des Vorjahres scheint die Nähe der deklarierten Übungszonen zur osttaiwanischen Küstenstadt Hualien zu sein. Hualien beherbergt nicht nur einen wichtigen Hafen, sondern auch die Chiashan Air Force Base, der im Kriegsfall eine bedeutende Rolle zukommt.
Laut Zhang Chi, Lektor an der Verteidigungsuniversität der Volksbefreiungsarmee, sollen die Übungen im östlichen Teil Taiwans darauf abzielen, das Durchbrechen von “drei Linien” zu üben: die “Lebensader der Energieimporte”, den “Fluchtweg der taiwanischen Unabhängigkeitskräfte”, die versuchen könnten, über das Meer zu fliehen, und die “Nachschublinie der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten, die den taiwanischen Unabhängigkeitskräften Hilfe leisten”, so Politikwissenschaftler Zhang im Gespräch mit CCTV.
Die Sprecherin des taiwanischen Präsidialamtes, Kuo Ya-hui, kritisierte die chinesischen Übungen. China bedrohe “durch einseitige militärische Provokationen die Demokratie und Freiheit Taiwans sowie den Frieden und die Stabilität in der Region”, so Kuo in einem Videostatement. Die Aufrechterhaltung des Friedens und der Stabilität in der Region sollten die gemeinsame Verantwortung und das gemeinsame Ziel beider Seiten der Taiwanstraße sein.
Der Militäranalyst Ben Lewis merkte auf Twitter/X an, die Namensgebung “Joint Sword 2024A” könnte den Beginn einer Serie weiterer Manöver (B, C, D, etc.) andeuten. Das taiwanische Verteidigungsministerium wollte diese Vermutung am Abend allerdings nicht bestätigen.
Es sind aber nicht nur Pekings Drohgebärden, die Taiwans neuer Regierung Kopfzerbrechen bereiten. Auch die heimische Opposition stellt sie vor erhebliche Herausforderungen. Bereits am 17. Mai kam es zu handfesten Auseinandersetzungen im Parlament, als die oppositionelle Kuomintang (KMT), die die Legislative mit Unterstützung der Taiwanischen Volkspartei (TPP) kontrolliert, ein Gesetzesvorhaben durchbringen wollte, dass die Macht des Parlaments ausweiten und die der Exekutive einschränken will.
Abgeordnete der DPP, die seit den Wahlen im Januar in der Minderheit sind, versuchten, die Abstimmung durch das Besetzen des Rednerpults zu verhindern. Dabei wurden vier DPP- und ein KMT-Abgeordneter so schwer verletzt, dass sie medizinische Hilfe benötigten. Die Bilder von den Rangeleien im Parlament und dem dramatischen Sturz eines Parlamentariers sorgten landesweit für Aufregung, sodass sich noch am selben Abend spontan mehrere hundert Demonstranten vor dem Parlament versammelten.
Bei der sogenannten “Parlamentsreform” geht es darum, der Legislative mehr investigative Rechte einzuräumen, die bisher hauptsächlich bei der Justiz und dem im politischen System Taiwans einzigartigen Kontroll-Yuan angesiedelt sind. Außerdem soll der Präsident dazu verpflichtet werden, dem Parlament regelmäßig Rede und Antwort zu stehen. Ein weiterer Streitpunkt ist die geplante Bestrafung der “Missachtung des Parlaments”. So könnte es beispielsweise bereits als Missachtung interpretiert werden, wenn ein Minister bei einer Befragung durch Abgeordnete eine Rückfrage stellt.
Auf die Frage nach der Definition einer solchen Rückfrage durch die Deutsche Welle am Donnerstag antwortete der KMT-Abgeordnete Wu Tsung-hsien, dass man das nach der Verabschiedung des Gesetzes klären werde. Auch Journalisten und Unternehmen könnten zur Herausgabe von Geheimnissen gezwungen werden, so die Sorge.
Zivilgesellschaftliche Organisationen und die DPP kritisieren vor allem das Tempo und die Intransparenz, mit der die Gesetze durch das Parlament gepeitscht werden. Es gebe nicht genügend Möglichkeit für die Abgeordneten, die Gesetzesentwürfe zu lesen und zu debattieren, so die Kritik. Die taiwanesische Anwaltskammer erklärte, dass das Versäumnis der Legislative, angemessen zu debattieren, “nicht nur Taiwans demokratische Grundlagen untergräbt, sondern auch gegen die Grundprinzipien der demokratischen Verfassungsordnung und der repräsentativen Demokratie verstößt.”
Als die Abstimmung über die Gesetzesvorhaben am Dienstag, einen Tag nach Lais Amtsantritt, fortgesetzt wurde, kamen Zehntausende vor dem Parlament zusammen, um ihrem Unmut über die Pläne der Opposition Ausdruck zu verleihen. “Ohne Debatte ist es keine Demokratie” und “Ich missachte das Parlament” waren nur zwei der Protestslogans, die wiederholt zu hören waren. Der KMT-Vorsitzende Eric Chu warnte die DPP hingegen davor, mit ihrer Strategie einen “Bürgerkrieg” zu riskieren. Die Abstimmung wird am heutigen Freitag fortgesetzt. Weitere Proteste sind angekündigt.
Die Leiterin der Arbeitsgruppe Außen- und Sicherheitspolitik in der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung, Sandra Weeser (FDP), erhofft sich vom Staatsbesuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Deutschland Vorbildinitiativen für europäische Verteidigungskooperationen. “Man sollte die deutsch-französische Brigade weiterentwickeln. Vielleicht kann sie auch eine Division werden”, sagte Weeser Table.Briefings.
Zum Ende von Macrons Staatsbesuch treffen sich am Dienstag die deutschen und französischen Minister der beiden Länder in Meseberg. Zudem wird es ein gesondertes Treffen der Außen- und Verteidigungsminister geben. Dort wollen die Minister die Lücken in der europäischen Luftverteidigung angehen und ein starkes Signal an die Ukraine senden, heißt es aus dem Elysée.
Hoffnungen legt Weeser auch in das Weimarer Dreieck, in dem sie “eine unheimlich große Chance” sieht, “die Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften zu erhöhen”. Die deutsch-französische Brigade könne “Vorbild für den Aufbau weiterer multinationaler Verbände und einer weiteren militärischen Integration in Europa” sein.
Am Mittwoch hatte Außenministerin Annalena Baerbock mit ihren polnischen und französischen Amtskollegen, Radosław Sikorski und Stéphane Séjourné in Weimar gesagt, dass die drei Partnernationen “Triebfeder” für eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik sein sollten. In der gemeinsamen Erklärung fordern die drei Minister den Ausbau der Luftverteidigung, von Landkampfsystemen oder Deep-Strike-Fähigkeiten. bub
Um 15 Uhr am heutigen Freitag entscheidet der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag über Südafrikas vierten Eilantrag gegen Israel, in dem es den sofortigen Abzug des israelischen Militärs aus dem Rafah im südlichen Gazastreifen fordert. Dies geschieht im Rahmen der Völkermordsklage, die das Land Ende 2023 vor dem Gerichtshof eingereicht hatte. Das Hauptverfahren wird sich voraussichtlich über Jahre hinziehen.
In zwei Eilentscheidungen hatten die UN-Richter Israel bereits aufgefordert, alles zu tun, um einen Völkermord zu verhindern und humanitäre Hilfe zuzulassen, was Israel aus Sicht Südafrikas ignoriert hat. Südafrika hatte zuletzt mit der dramatisch veränderten Lage der Bevölkerung argumentiert und Israel vorgeworfen, den Menschen eine lebensnotwendige Versorgung zu verweigern.
Das ist auch die Grundlage für die beantragten Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Galant durch den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Karim Khan. Der zentrale Vorwurf hier ist das Aushungern der Zivilbevölkerung.
Israel weist alle Vorwürfe zurück. Der Vertreter Israels vor dem IGH, Gilad Noam, nannte die Anschuldigungen Südafrikas eine “Verdrehung der Tatsachen”. Die Regierung in Jerusalem sieht eine Offensive in Rafah als unvermeidbar an, weil sie hier die letzten verbliebenen Hamas-Bataillone vermutet. Derzeit führt Israel deswegen trotz internationalen Drucks militärische Operationen in Rafah durch, die die USA und andere internationale Partner mitunter akzeptieren. wp
29 Jahre nach dem Genozid in der bosnischen UN-Enklave Srebrenica wird es einen internationalen “Tag der Reflexion und des Gedenkens” für die Opfer geben. Das beschloss die UN-Vollversammlung am Donnerstag mit der Mehrheit seiner 193 Mitglieder; die entsprechende Resolution wurde mit 84 Stimmen bestätigt; 68 Länder enthielten sich. 19 Staaten stimmten dagegen – darunter Serbien, Russland und China. Eigentlich werden Gedenktage bei den UN einstimmig beschlossen.
Deutschland und Ruanda hatten die Resolution eingebracht, die im Vorfeld auf heftigen Widerstand Serbiens stieß, obwohl das Land in der Resolution zur Einrichtung eines International Day of Reflection and Remembrance of the 1995 Srebrenica Genocide nicht namentlich genannt wird.
Der Völkermord in Srebrenica war das größte Kriegsverbrechen in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg; Ratko Mladić und der bosnisch-serbische Präsident der selbst ernannten Republika Srpska (RS), Radovan Karadzić, wurden wegen des Genozids zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.
Die serbische Regierung Ministerpräsident Aleksander Vučićs und der bosnisch-serbische Präsidenten Milorad Dodik stellten den Völkermord an mehr als 8.000 muslimischen Männern und Jugendlichen immer wieder infrage, obwohl das UN-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (ICTY) das Massaker von Srebrenica bereits 2004 als Völkermord eingestuft hatte, der Internationale Gerichtshof (IGH) folgte 2007. Russland unterstützt die nationalistische Regierung in Belgrad in ihrem gegen die internationale Justiz in Den Haag gerichteten Kurs.
Vučić war schon Anfang der Woche nach New York gereist, um Staaten davon abzubringen, für die Einrichtung des Genozidgedenktags zu stimmen. Die Resolution fordert die UN-Staaten dazu auf, die Fakten über den Völkermord zu bewahren und verurteilt die Leugnung des Genozids sowie die Glorifizierung der Täter. Im Abschlussdokument bekennen sich die UN zur Aufrechterhaltung von Stabilität Bosniens als Gesamtstaat. Dodik droht immer wieder mit Sezession aus dem 1995 nach Ende des Krieges geschaffenen Gesamtstaats. mrb
Die Säuberungen in der russischen Armeespitze dauern an: Wegen mutmaßlicher Bestechlichkeit ist in dieser Woche der Chef der Hauptverwaltung für Nachrichtenverbindungen der Streitkräfte für zwei Monate inhaftiert worden, Wadim Schamarin (53) wird Bestechlichkeit in besonders schwerwiegender Form vorgeworfen. Der angewendete Paragraf geht von einer Haftstrafe von acht bis 15 Jahren aus. Schamarin ist zugleich Stellvertreter des Chefs des Generalstabs, Walerij Gerassimow.
Nachdem der russische Präsident Wladimir Putin seinen langjährigen Verteidigungsminister Sergej Schoigu abgesetzt und Andrej Beloussow zum neuen Minister ernannt hat, rollen im Ministerium die Köpfe. Mit Schamarin wurden inzwischen vier hochrangige Militärs innerhalb der vergangenen Wochen inhaftiert. Hintergrund ist die Bemühung des Kremls, einerseits das ewige Problem der russischen Armee – Korruption, Bestechlichkeit und Veruntreuung – in den Griff zu bekommen. Andererseits werden mit den Festnahmen auch Seilschaften zerschlagen und die Armeespitze im Verhältnis zu Putin geschwächt.
Mit Beloussow übernimmt ein Mann die Führung des Ministeriums, der nicht nur Putin treu ergeben, sondern selbst keine machtvollen Netzwerke hat, also als ungefährlich und in finanziellen Fragen als sauber gilt. Rund ein Drittel des aktuellen russischen Staatshaushalts fließt in den Sicherheits- und Verteidigungssektor, also in den Krieg. Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt sind es gut sieben Prozent – so viel wie noch nie seit Mitte der 80er Jahre der Sowjetunion. Beloussows wichtigste Aufgabe wird nicht nur die effizientere Verwaltung der Militärfinanzen sein, sondern auch die Einbettung der Verteidigungsbranche in die gesamte russische Wirtschaft. Putin erhofft sich davon Stimulation für die Wirtschaft. Die derzeitige positive Entwicklung der russischen Wirtschaft geht vor allem auf die immensen Investitionen in die Militärproduktion zurück. vf
Rund 20 Firmen aus der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie präsentieren Anfang nächster Woche in Meppen ihre Produkte im Bereich Drohnen und Drohnen-Abwehr. Das Symposion unter der Schirmherrschaft des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Carsten Breuer, soll ein “gemeinsames Verständnis für das Thema in der Bundeswehr schaffen”. Neben der Industrie sind die Inspekteure der Teilstreitkräfte und die Fachressorts geladen.
Erst Ende letzten Jahres ist auf Betreiben Breuers die Taskforce Drohnen ins Leben gerufen worden. Sie beschäftigt sich mit der Frage, welche Systeme die Bundeswehr für welches Szenario in der Zukunft brauchen wird. Vor kurzem wurde – nach über zehnjähriger Debatte – die Großdrohne German Heron TP aus israelischer Produktion bei der Luftwaffe in Dienst gestellt.
Der Einsatz von Drohnen-Systemen bei der Bundeswehr weist im Vergleich zu anderen Ländern große Defizite auf. Wie dringlich die Beschaffung neuer Drohnen ist, machte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vor ein paar Tagen bei seinem Besuch in Litauen deutlich. Alles deute darauf hin, dass man einen großen “Nachholbedarf” habe.
Der Rüstungskonzern Rheinmetall ist einer der wenigen größeren Drohnen-Hersteller in Deutschland. Neben dem eingeführten Aufklärungssystem LUNA und dessen Nachfolgemodell HUSAR wird der Düsseldorfer Konzern ein Konzept zur Drohnen-Abwehr vorstellen. Das mobile Flugabwehrsystem Skyranger 30, von dem die Bundeswehr 19 Stück bereits bestellt hat, ist auf die Bekämpfung von Drohnen ausgelegt. Nach Angaben des Konzerns wird es bereits in der Ukraine getestet.
Mit dabei bei der Leistungsschau in Meppen ist auch der Drohnen-Hersteller Quantum aus Gilching bei München. Rund 1300 Exemplare der Aufklärungsdrohne Vector hat das Unternehmen bereits an die Ukraine verkauft. Quantum ist seit 2022 in der Ukraine aktiv. Man schätze aufgrund dieser Erfahrungen “den Bedarf der Bundeswehr im Grundbetrieb auf circa 2500 Aufklärungsdrohnen unterschiedlicher Klassen”. Bislang habe man 14 Vector-Drohnen an die Bundeswehr verkauft. Man könne mehr liefern, erklärt das Unternehmen, aber “bis jetzt fehlt uns der entsprechende Auftrag”.
Seitens der Bundeswehr legt man Wert auf die Feststellung, dass die Veranstaltung nicht dem “Zweck der Beschaffung” diene. Dennoch nehmen viele Rüstungsunternehmen den Verteidigungsminister beim Wort, der in Litauen auch sagte: “Wir werden in der Beschaffung weitere Schritte machen müssen, um in den nächsten Jahren den Aufwuchs an Material zu haben, den es braucht”. Die erste Bilanz der Drohnen-Taskforce wir für Ende des Jahres erwartet. nana
Washington Post: With Europe’s support, North African nations push migrants to the desert. Diese einjährige internationale Investigativ-Recherche enthüllt, wie Flüchtlinge aus Subsahara-Afrika in Nordafrika verschleppt und in der Wüste ausgesetzt werden – von Sicherheitskräften, die von der EU finanziert werden.
Zeit: Nennen wir es Weltkrieg. Mit Blick auf Russlands Einfluss auf Krisenherde weltweit könne man von einem Weltkrieg sprechen. Der aktuelle Systemkonflikt zwischen Demokratien und Diktaturen sei gerade im Kontext von Klimawandel und anderen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, eine Bedrohung für die Menschheit als Ganzes.
SWP: Die Neuvermessung der amerikanisch-europäischen Sicherheitsbeziehungen. Unabhängig davon, wie die Wahlen in den USA in diesem Jahr ausgehen, müssen die Europäer sich darauf einstellen, dass die Schutzmacht USA ihre Beteiligung an der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik reduziert. Für Deutschland bedeute das unter anderem, die militärische Präsenz der Bundeswehr auf den euroatlantischen Raum zu konzentrieren, anstatt internationales Krisenmanagement zu betreiben.
The Economist: Olaf Scholz on why Vladimir Putin’s brutal imperialism will fail. Dem Bundeskanzler wird oft schwache Kommunikation vorgeworfen. Für diesen Gastbeitrag im Economist gilt das nicht: Klar und deutlich wie selten zuvor sagt Olaf Scholz, dass Deutschland “tektonische” Veränderungen in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik erlebt. Darüber hinaus verspricht er, dass er Europa einen größeren Anteil an den transatlantischen Sicherheitsaufgaben übernehmen wird. Der Gastbeitrag – auf Englisch – soll vermutlich signalisieren, dass Deutschland zu größeren Aufgaben bereit ist.
Der erneute russische Überfall auf die Ukraine 2022 hätte der Moment für ein deutsch-französisches Revival sein können. Das traditionelle Tandem hätte sich zusammenraufen und für das Wohl Europas seine Streitigkeiten beiseite schieben können. Aber stattdessen haben sich die bilateralen Spannungen verstärkt. Deutschland hat mit einer transatlantisch orientierten Zeitenwende reagiert. Frankreich stellt sich auch neu auf, bleibt aber seinem Leitmotiv der europäischen Souveränität treu. Letztlich sehen sich beide Staaten in ihren traditionellen Grundannahmen bestärkt – und stoßen noch stärker aufeinander.
Die operative, und mittlerweile auch industrielle Zusammenarbeit, scheinen zu funktionieren. Die deutsch-französische Brigade wird zusammen nach Litauen verlegt. Die beiden Verteidigungsminister haben gerade ein MoU für den Panzer der Zukunft unterzeichnet. Aber das ersetzt nicht die fehlende politische Ambition, Europa gemeinsam voranzubringen.
Der Staatsbesuch von Präsident Macron ab 26. Mai wäre eine hervorragende Gelegenheit, wieder gemeinsam für die Zukunft von Europas Verteidigungspolitik in den Ring zu gehen. Macron hat in seiner Sorbonne-Rede im April 2024 viele Ideen für Europa formuliert, aber wenn er sie umsetzen will, braucht er Europas, und vor allem Deutschlands Unterstützung. Eine zentrale Frage ist die der Zukunft von Europas Verteidigung, wenn die USA ihre Rolle reduzieren sollten. Hier sollten Berlin und Paris in drei Bereichen vorangehen:
Dass Europa mehr für seine eigene Verteidigung tun muss, ist mittlerweile eine Binse. Allein, es tut sich nicht genug. Doch der Druck steigt: durch den US-Fokus auf den Konflikt mit China und die Perspektive der US-Wahlen 2024, die eine transaktionale und weniger transatlantische Regierung an die Macht bringen könnte, die weniger zur europäischen Sicherheit beiträgt oder sich gegen europäische Ziele positioniert. Daher wird es immer dringlicher, die europäischen Beiträge zur Nato zu erhöhen, um Europa handlungsfähiger zu machen. Dafür könnten Paris und Berlin ein europäisches Ambitionsniveau definieren: also was die Europäer in der Nato einbringen wollen, damit die USA ihre Beiträge reduzieren können – und so den konventionellen Bereich der Nato europäisieren. Basierend auf künftigen Konfliktszenarien und Erfahrungswerten aus der Ukraine könnten beide Staaten dafür die zukünftigen Bedarfe identifizieren, unter anderem bei Raketenabwehr und Tiefschlagfähigkeiten. Macron hat in seiner Sorbonne-Rede ein europäisches strategisches Konzept vorgeschlagen, aus dem Fähigkeiten abgeleitet werden sollen. Er kündigte an, seine Partner “in den kommenden Monaten” einzuladen, um diese Verteidigungsinitiative aufzubauen. Es wäre die Gelegenheit, die vagen Worte Macrons in die Praxis umzusetzen – und ihn beim Wort zu nehmen.
Hier steht Europa vor einer doppelten Herausforderung: erstens versucht Russland, die nukleare Ordnung zu verändern. Es setzt Atomwaffen nicht mehr nur zum Schutz der bestehenden Ordnung ein, sondern versucht unter ihrem Schutz in der Ukraine Grenzen und die Sicherheitsordnung in Europa zu verändern; zweitens besteht das Risiko, dass die USA mit einem neuen Präsidenten die Abschreckung in der Nato in Frage stellen.
Paris hat in den letzten Monaten den Austausch mit Partnern zu nuklearen Themen intensiviert, auch mit Berlin. Macron hat wiederholt, dass Frankreichs vitale Interessen eine europäische Dimension hätten, ohne diese zu erläutern. Paris hat verdeutlicht, dass es den US-Nuklearschirm nicht ersetzen wolle, seine Entscheidungsgewalt nicht teilen werde und keine Finanzierung erwarte. Es geht also nicht darum, eine erweiterte Abschreckung nach US-Modell aufzubauen. Frankreichs Ziele aber bleiben vage. Berlin und Paris sollten gemeinsam erörtern, wie Europa langfristig geschützt werden kann und welche Rolle französische Atomwaffen dabei spielen können – und diese Debatte zusammen mit anderen Europäern führen.
Der russische Krieg gegen die Ukraine zeigt, dass eine leistungsfähige Rüstungsindustrie maßgeblich über Sieg oder Niederlage entscheidet: Sie ist Bestandteil von Europas Souveränität, seiner strategischen Resilienz – und seiner Abschreckung. Paris und Berlin sollten eine Vision der industriellen Basis Europas 2030 entwickeln: Mit welchen Schlüsselfähigkeiten, wie können Lieferketten gesichert werden, wo sind Kooperationspotentiale, wie kann Innovation unterstützt werden. Sie sollten aufzeigen, welche Rolle Staaten, die Nato und die neue EU-Kommission bei der Umsetzung spielen.
Sven Arnold ist Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Claudia Major leitet die Forschungsgruppe.
Nach längerem Suchen hat der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) eine neue Geschäftsführerin gefunden. Mit der 45-jährigen Marie-Christine von Hahn übernimmt ab November 2024 zum ersten Mal eine Frau diesen Posten in dem einflussreichen Lobby-Verband. Bislang war von Hahn Vice President Corporate Sustainability & External Affairs des Kupfer-Konzerns Aurubis AG. Sie vertritt dort als leitende Repräsentantin die Interessen des Konzerns gegenüber Regierungen und politischen Entscheidungsträgern. Von Hahn folgt auf den langjährigen CEO bei Diehl Aerospace Gerardo Walle, der das Amt des BDLI-Geschäftsführers erst im Februar übernommen hatte und kurz darauf überraschend verstorben war. Nana Brink
Viktor Richter, Jahrgang 1958, verlässt die deutsche Botschaft in Armenien zu Ende Juni und geht in den Ruhestand. Seit Mitte 2021 vertrat Richter Deutschland in Eriwan. Wer seine Nachfolge antritt, ist noch im Abstimmungsprozess.
In seiner diplomatischen Laufbahn für die Bundesrepublik Deutschland war er mehrfach an der Botschaft in Moskau, zuletzt von 2018 bis 2021. Das russische Außenministerium erklärte am 5. Februar 2021 mehrere Diplomaten aus Schweden, Polen und Deutschland zu Personae non grata – darunter auch Richter. Ihnen wurde vorgeworfen, an nicht genehmigten Demonstrationen zur Freilassung des Oppositionellen Alexej Nawalny teilgenommen zu haben. Altkanzlerin Angela Merkel hatte diesen Schritt damals scharf kritisiert.
Richter, der am Institut für Internationale Beziehungen in Moskau studiert hat, trat 1985 in den Auswärtigen Dienst der DDR ein, und war dort unter anderem für Zentralafrika zuständig. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands war er in verschiedenen Verwendungen in asiatischen und afrikanischen Regionen eingesetzt, hatte seinen Fokus aber immer wieder in Russland und im Südkaukasus. Lisa-Martina Klein
mit sehr viel Geld versuchen die EU-Mitgliedsstaaten Flüchtlinge und Migranten davon abzuhalten, nach Europa zu kommen. Staaten wie die Türkei, Ägypten, Libyen und Libanon sollen die Menschen zurückhalten. Aber sie wissen auch, mit welchen Mitteln sie noch mehr Geld aus Brüssel bekommen können. Frank Nordhausen hat die EU-Migrationsabkommen unter die Lupe genommen und geprüft, wie sinnvoll sie sind.
Nicht nur beim Thema Flucht und Migration müsste Europa effektiver zusammenarbeiten, das gilt auch für Sicherheit und Verteidigung. In ihrem Standpunkt schreiben die Forschenden der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Claudia Major und Sven Arnold, wie Deutschland und Frankreich vorangehen könnten.
Wir wünschen Ihnen eine gute Lektüre,
Der libanesische Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah macht keinen Hehl aus seinem Plan: Mitte Mai forderte er die Regierung in Beirut auf, syrische Flüchtlinge im Land dazu einzuladen, mit Booten in die nahe EU-Republik Zypern zu fahren. “Wenn wir das tun, wird die EU uns nicht eine Milliarde geben, sondern 20 Milliarden, vielleicht sogar 30“, sagte er. Dies würde die Europäer dazu veranlassen, “das Embargo gegen Syrien aufzuheben”, fügte der enge Verbündete des syrischen Diktators Baschar al-Assad hinzu. Nasrallah machte so indirekt eine entscheidende Schwachstelle der europäischen Migrationsverträge deutlich: Sie ermuntern die Nehmerländer zur Erpressung.
Der erklärten “umfassenden und strategischen Partnerschaft” mit dem Libanon sind seit 2016 mehrere ähnliche Vereinbarungen vorangegangen. Ihr Motto ist “Geld gegen Grenzschutz”. Die folgende Liste enthält ausschließlich EU-Abkommen mit Drittstaaten. Ihre langfristige Wirkung ist unklar. Klar ist dagegen, dass die EU sich für viel Geld teils fragwürdige Dienste anderer Staaten erkauft.
Die neue taiwanesische Regierung ist noch keine Woche im Amt, und schon sieht sie sich mit einer Reihe massiver Herausforderungen konfrontiert. Als vermeintliche Reaktion auf die Antrittsrede des neuen Präsidenten Lai Ching-te hat China am Donnerstag ein zweitägiges Militärmanöver um die Hauptinsel Taiwan und kleinere vorgelagerte Inseln angekündigt. Mit dem sogenannten “Joint Sword 2024A”-Manöver sollen nach offizieller Verlautbarung “separatistische Bestrebungen” taiwanischer Unabhängigkeitskräfte bestraft und das Ausland vor einer Einmischung in der Taiwan-Frage gewarnt werden.
“Die ‘Unabhängigkeit Taiwans’ ist zum Scheitern verurteilt”, sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin bei einer täglichen Pressekonferenz dem offiziellen Transkript zufolge. “Jeder, der die ‘Unabhängigkeit Taiwans’ anstrebt, wird durch den historischen Trend zur vollständigen Wiedervereinigung Chinas vernichtet werden.”
Die Nachrichtenagentur AFP gab die Äußerungen von Wang bei der gleichen Pressekonferenz in einer Meldung am Donnerstagmorgen allerdings anders wieder. Demnach sagte Wang, “die Unabhängigkeitskräfte werden mit zerschmetterten Schädeln und im Blut enden”, nachdem sie mit Chinas “großem” Vorhaben der “vollständigen Vereinigung” mit Taiwan konfrontiert wurden. Die Internetseite des Außenministeriums wurde zuletzt am späten Nachmittag des gleichen Tages aktualisiert.
China hatte die Übungen um 07:45 Uhr am Donnerstagmorgen angekündigt und schickte den ganzen Tag über mehrere Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge in die Gewässer und den Luftraum um Taiwan. Mehrere Dutzend mit scharfer Munition bewaffnete Kampfflugzeuge haben Taiwan umrundet, berichtete das Staatsfernsehen CCTV. “Zusammen mit Zerstörern, Fregatten und Raketen-Schnellbooten simulierten sie Angriffe auf hochrangige feindliche militärische Ziele sowie Aufklärungsschiffe und -flugzeuge”, hieß es dort.
Taiwans Militär reagierte mit routinierter Gelassenheit auf die Ankündigungen aus Peking. Heer, Luftwaffe und Marine beobachteten die Lage genau und stünden bereit, auf plötzliche Veränderungen der Lage schnell zu reagieren. “Wir suchen den Konflikt nicht, werden aber auch nicht vor ihm zurückschrecken”, so die offizielle Linie.
Am Nachmittag veröffentlichten Taiwans Verteidigungsministerium und die Küstenwache mehrere Videos, die zeigen, wie taiwanische Einheiten chinesische Kampfschiffe überwachen und auf Distanz halten. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums waren bis zum Abend keine Schiffe oder Flugzeuge in die sogenannte Anschlusszone der Hauptinsel eingedrungen (24 Seemeilen vor der Küste). Vor den Inseln Wuqiu und Dongyin, die näher am chinesischen Festland liegen als an Taiwan, sollen Schiffe der chinesischen Küstenwache allerdings bis auf 2,8 bzw. 3,1 Seemeilen in gesperrte Gewässer eingedrungen sein.
Der größte Unterschied zum letzten “Joint Sword”-Manöver des Jahres 2023 und den großangelegten Manövern nach Nancy Pelosis Besuch im August des Vorjahres scheint die Nähe der deklarierten Übungszonen zur osttaiwanischen Küstenstadt Hualien zu sein. Hualien beherbergt nicht nur einen wichtigen Hafen, sondern auch die Chiashan Air Force Base, der im Kriegsfall eine bedeutende Rolle zukommt.
Laut Zhang Chi, Lektor an der Verteidigungsuniversität der Volksbefreiungsarmee, sollen die Übungen im östlichen Teil Taiwans darauf abzielen, das Durchbrechen von “drei Linien” zu üben: die “Lebensader der Energieimporte”, den “Fluchtweg der taiwanischen Unabhängigkeitskräfte”, die versuchen könnten, über das Meer zu fliehen, und die “Nachschublinie der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten, die den taiwanischen Unabhängigkeitskräften Hilfe leisten”, so Politikwissenschaftler Zhang im Gespräch mit CCTV.
Die Sprecherin des taiwanischen Präsidialamtes, Kuo Ya-hui, kritisierte die chinesischen Übungen. China bedrohe “durch einseitige militärische Provokationen die Demokratie und Freiheit Taiwans sowie den Frieden und die Stabilität in der Region”, so Kuo in einem Videostatement. Die Aufrechterhaltung des Friedens und der Stabilität in der Region sollten die gemeinsame Verantwortung und das gemeinsame Ziel beider Seiten der Taiwanstraße sein.
Der Militäranalyst Ben Lewis merkte auf Twitter/X an, die Namensgebung “Joint Sword 2024A” könnte den Beginn einer Serie weiterer Manöver (B, C, D, etc.) andeuten. Das taiwanische Verteidigungsministerium wollte diese Vermutung am Abend allerdings nicht bestätigen.
Es sind aber nicht nur Pekings Drohgebärden, die Taiwans neuer Regierung Kopfzerbrechen bereiten. Auch die heimische Opposition stellt sie vor erhebliche Herausforderungen. Bereits am 17. Mai kam es zu handfesten Auseinandersetzungen im Parlament, als die oppositionelle Kuomintang (KMT), die die Legislative mit Unterstützung der Taiwanischen Volkspartei (TPP) kontrolliert, ein Gesetzesvorhaben durchbringen wollte, dass die Macht des Parlaments ausweiten und die der Exekutive einschränken will.
Abgeordnete der DPP, die seit den Wahlen im Januar in der Minderheit sind, versuchten, die Abstimmung durch das Besetzen des Rednerpults zu verhindern. Dabei wurden vier DPP- und ein KMT-Abgeordneter so schwer verletzt, dass sie medizinische Hilfe benötigten. Die Bilder von den Rangeleien im Parlament und dem dramatischen Sturz eines Parlamentariers sorgten landesweit für Aufregung, sodass sich noch am selben Abend spontan mehrere hundert Demonstranten vor dem Parlament versammelten.
Bei der sogenannten “Parlamentsreform” geht es darum, der Legislative mehr investigative Rechte einzuräumen, die bisher hauptsächlich bei der Justiz und dem im politischen System Taiwans einzigartigen Kontroll-Yuan angesiedelt sind. Außerdem soll der Präsident dazu verpflichtet werden, dem Parlament regelmäßig Rede und Antwort zu stehen. Ein weiterer Streitpunkt ist die geplante Bestrafung der “Missachtung des Parlaments”. So könnte es beispielsweise bereits als Missachtung interpretiert werden, wenn ein Minister bei einer Befragung durch Abgeordnete eine Rückfrage stellt.
Auf die Frage nach der Definition einer solchen Rückfrage durch die Deutsche Welle am Donnerstag antwortete der KMT-Abgeordnete Wu Tsung-hsien, dass man das nach der Verabschiedung des Gesetzes klären werde. Auch Journalisten und Unternehmen könnten zur Herausgabe von Geheimnissen gezwungen werden, so die Sorge.
Zivilgesellschaftliche Organisationen und die DPP kritisieren vor allem das Tempo und die Intransparenz, mit der die Gesetze durch das Parlament gepeitscht werden. Es gebe nicht genügend Möglichkeit für die Abgeordneten, die Gesetzesentwürfe zu lesen und zu debattieren, so die Kritik. Die taiwanesische Anwaltskammer erklärte, dass das Versäumnis der Legislative, angemessen zu debattieren, “nicht nur Taiwans demokratische Grundlagen untergräbt, sondern auch gegen die Grundprinzipien der demokratischen Verfassungsordnung und der repräsentativen Demokratie verstößt.”
Als die Abstimmung über die Gesetzesvorhaben am Dienstag, einen Tag nach Lais Amtsantritt, fortgesetzt wurde, kamen Zehntausende vor dem Parlament zusammen, um ihrem Unmut über die Pläne der Opposition Ausdruck zu verleihen. “Ohne Debatte ist es keine Demokratie” und “Ich missachte das Parlament” waren nur zwei der Protestslogans, die wiederholt zu hören waren. Der KMT-Vorsitzende Eric Chu warnte die DPP hingegen davor, mit ihrer Strategie einen “Bürgerkrieg” zu riskieren. Die Abstimmung wird am heutigen Freitag fortgesetzt. Weitere Proteste sind angekündigt.
Die Leiterin der Arbeitsgruppe Außen- und Sicherheitspolitik in der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung, Sandra Weeser (FDP), erhofft sich vom Staatsbesuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Deutschland Vorbildinitiativen für europäische Verteidigungskooperationen. “Man sollte die deutsch-französische Brigade weiterentwickeln. Vielleicht kann sie auch eine Division werden”, sagte Weeser Table.Briefings.
Zum Ende von Macrons Staatsbesuch treffen sich am Dienstag die deutschen und französischen Minister der beiden Länder in Meseberg. Zudem wird es ein gesondertes Treffen der Außen- und Verteidigungsminister geben. Dort wollen die Minister die Lücken in der europäischen Luftverteidigung angehen und ein starkes Signal an die Ukraine senden, heißt es aus dem Elysée.
Hoffnungen legt Weeser auch in das Weimarer Dreieck, in dem sie “eine unheimlich große Chance” sieht, “die Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften zu erhöhen”. Die deutsch-französische Brigade könne “Vorbild für den Aufbau weiterer multinationaler Verbände und einer weiteren militärischen Integration in Europa” sein.
Am Mittwoch hatte Außenministerin Annalena Baerbock mit ihren polnischen und französischen Amtskollegen, Radosław Sikorski und Stéphane Séjourné in Weimar gesagt, dass die drei Partnernationen “Triebfeder” für eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik sein sollten. In der gemeinsamen Erklärung fordern die drei Minister den Ausbau der Luftverteidigung, von Landkampfsystemen oder Deep-Strike-Fähigkeiten. bub
Um 15 Uhr am heutigen Freitag entscheidet der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag über Südafrikas vierten Eilantrag gegen Israel, in dem es den sofortigen Abzug des israelischen Militärs aus dem Rafah im südlichen Gazastreifen fordert. Dies geschieht im Rahmen der Völkermordsklage, die das Land Ende 2023 vor dem Gerichtshof eingereicht hatte. Das Hauptverfahren wird sich voraussichtlich über Jahre hinziehen.
In zwei Eilentscheidungen hatten die UN-Richter Israel bereits aufgefordert, alles zu tun, um einen Völkermord zu verhindern und humanitäre Hilfe zuzulassen, was Israel aus Sicht Südafrikas ignoriert hat. Südafrika hatte zuletzt mit der dramatisch veränderten Lage der Bevölkerung argumentiert und Israel vorgeworfen, den Menschen eine lebensnotwendige Versorgung zu verweigern.
Das ist auch die Grundlage für die beantragten Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Galant durch den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Karim Khan. Der zentrale Vorwurf hier ist das Aushungern der Zivilbevölkerung.
Israel weist alle Vorwürfe zurück. Der Vertreter Israels vor dem IGH, Gilad Noam, nannte die Anschuldigungen Südafrikas eine “Verdrehung der Tatsachen”. Die Regierung in Jerusalem sieht eine Offensive in Rafah als unvermeidbar an, weil sie hier die letzten verbliebenen Hamas-Bataillone vermutet. Derzeit führt Israel deswegen trotz internationalen Drucks militärische Operationen in Rafah durch, die die USA und andere internationale Partner mitunter akzeptieren. wp
29 Jahre nach dem Genozid in der bosnischen UN-Enklave Srebrenica wird es einen internationalen “Tag der Reflexion und des Gedenkens” für die Opfer geben. Das beschloss die UN-Vollversammlung am Donnerstag mit der Mehrheit seiner 193 Mitglieder; die entsprechende Resolution wurde mit 84 Stimmen bestätigt; 68 Länder enthielten sich. 19 Staaten stimmten dagegen – darunter Serbien, Russland und China. Eigentlich werden Gedenktage bei den UN einstimmig beschlossen.
Deutschland und Ruanda hatten die Resolution eingebracht, die im Vorfeld auf heftigen Widerstand Serbiens stieß, obwohl das Land in der Resolution zur Einrichtung eines International Day of Reflection and Remembrance of the 1995 Srebrenica Genocide nicht namentlich genannt wird.
Der Völkermord in Srebrenica war das größte Kriegsverbrechen in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg; Ratko Mladić und der bosnisch-serbische Präsident der selbst ernannten Republika Srpska (RS), Radovan Karadzić, wurden wegen des Genozids zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.
Die serbische Regierung Ministerpräsident Aleksander Vučićs und der bosnisch-serbische Präsidenten Milorad Dodik stellten den Völkermord an mehr als 8.000 muslimischen Männern und Jugendlichen immer wieder infrage, obwohl das UN-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (ICTY) das Massaker von Srebrenica bereits 2004 als Völkermord eingestuft hatte, der Internationale Gerichtshof (IGH) folgte 2007. Russland unterstützt die nationalistische Regierung in Belgrad in ihrem gegen die internationale Justiz in Den Haag gerichteten Kurs.
Vučić war schon Anfang der Woche nach New York gereist, um Staaten davon abzubringen, für die Einrichtung des Genozidgedenktags zu stimmen. Die Resolution fordert die UN-Staaten dazu auf, die Fakten über den Völkermord zu bewahren und verurteilt die Leugnung des Genozids sowie die Glorifizierung der Täter. Im Abschlussdokument bekennen sich die UN zur Aufrechterhaltung von Stabilität Bosniens als Gesamtstaat. Dodik droht immer wieder mit Sezession aus dem 1995 nach Ende des Krieges geschaffenen Gesamtstaats. mrb
Die Säuberungen in der russischen Armeespitze dauern an: Wegen mutmaßlicher Bestechlichkeit ist in dieser Woche der Chef der Hauptverwaltung für Nachrichtenverbindungen der Streitkräfte für zwei Monate inhaftiert worden, Wadim Schamarin (53) wird Bestechlichkeit in besonders schwerwiegender Form vorgeworfen. Der angewendete Paragraf geht von einer Haftstrafe von acht bis 15 Jahren aus. Schamarin ist zugleich Stellvertreter des Chefs des Generalstabs, Walerij Gerassimow.
Nachdem der russische Präsident Wladimir Putin seinen langjährigen Verteidigungsminister Sergej Schoigu abgesetzt und Andrej Beloussow zum neuen Minister ernannt hat, rollen im Ministerium die Köpfe. Mit Schamarin wurden inzwischen vier hochrangige Militärs innerhalb der vergangenen Wochen inhaftiert. Hintergrund ist die Bemühung des Kremls, einerseits das ewige Problem der russischen Armee – Korruption, Bestechlichkeit und Veruntreuung – in den Griff zu bekommen. Andererseits werden mit den Festnahmen auch Seilschaften zerschlagen und die Armeespitze im Verhältnis zu Putin geschwächt.
Mit Beloussow übernimmt ein Mann die Führung des Ministeriums, der nicht nur Putin treu ergeben, sondern selbst keine machtvollen Netzwerke hat, also als ungefährlich und in finanziellen Fragen als sauber gilt. Rund ein Drittel des aktuellen russischen Staatshaushalts fließt in den Sicherheits- und Verteidigungssektor, also in den Krieg. Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt sind es gut sieben Prozent – so viel wie noch nie seit Mitte der 80er Jahre der Sowjetunion. Beloussows wichtigste Aufgabe wird nicht nur die effizientere Verwaltung der Militärfinanzen sein, sondern auch die Einbettung der Verteidigungsbranche in die gesamte russische Wirtschaft. Putin erhofft sich davon Stimulation für die Wirtschaft. Die derzeitige positive Entwicklung der russischen Wirtschaft geht vor allem auf die immensen Investitionen in die Militärproduktion zurück. vf
Rund 20 Firmen aus der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie präsentieren Anfang nächster Woche in Meppen ihre Produkte im Bereich Drohnen und Drohnen-Abwehr. Das Symposion unter der Schirmherrschaft des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Carsten Breuer, soll ein “gemeinsames Verständnis für das Thema in der Bundeswehr schaffen”. Neben der Industrie sind die Inspekteure der Teilstreitkräfte und die Fachressorts geladen.
Erst Ende letzten Jahres ist auf Betreiben Breuers die Taskforce Drohnen ins Leben gerufen worden. Sie beschäftigt sich mit der Frage, welche Systeme die Bundeswehr für welches Szenario in der Zukunft brauchen wird. Vor kurzem wurde – nach über zehnjähriger Debatte – die Großdrohne German Heron TP aus israelischer Produktion bei der Luftwaffe in Dienst gestellt.
Der Einsatz von Drohnen-Systemen bei der Bundeswehr weist im Vergleich zu anderen Ländern große Defizite auf. Wie dringlich die Beschaffung neuer Drohnen ist, machte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vor ein paar Tagen bei seinem Besuch in Litauen deutlich. Alles deute darauf hin, dass man einen großen “Nachholbedarf” habe.
Der Rüstungskonzern Rheinmetall ist einer der wenigen größeren Drohnen-Hersteller in Deutschland. Neben dem eingeführten Aufklärungssystem LUNA und dessen Nachfolgemodell HUSAR wird der Düsseldorfer Konzern ein Konzept zur Drohnen-Abwehr vorstellen. Das mobile Flugabwehrsystem Skyranger 30, von dem die Bundeswehr 19 Stück bereits bestellt hat, ist auf die Bekämpfung von Drohnen ausgelegt. Nach Angaben des Konzerns wird es bereits in der Ukraine getestet.
Mit dabei bei der Leistungsschau in Meppen ist auch der Drohnen-Hersteller Quantum aus Gilching bei München. Rund 1300 Exemplare der Aufklärungsdrohne Vector hat das Unternehmen bereits an die Ukraine verkauft. Quantum ist seit 2022 in der Ukraine aktiv. Man schätze aufgrund dieser Erfahrungen “den Bedarf der Bundeswehr im Grundbetrieb auf circa 2500 Aufklärungsdrohnen unterschiedlicher Klassen”. Bislang habe man 14 Vector-Drohnen an die Bundeswehr verkauft. Man könne mehr liefern, erklärt das Unternehmen, aber “bis jetzt fehlt uns der entsprechende Auftrag”.
Seitens der Bundeswehr legt man Wert auf die Feststellung, dass die Veranstaltung nicht dem “Zweck der Beschaffung” diene. Dennoch nehmen viele Rüstungsunternehmen den Verteidigungsminister beim Wort, der in Litauen auch sagte: “Wir werden in der Beschaffung weitere Schritte machen müssen, um in den nächsten Jahren den Aufwuchs an Material zu haben, den es braucht”. Die erste Bilanz der Drohnen-Taskforce wir für Ende des Jahres erwartet. nana
Washington Post: With Europe’s support, North African nations push migrants to the desert. Diese einjährige internationale Investigativ-Recherche enthüllt, wie Flüchtlinge aus Subsahara-Afrika in Nordafrika verschleppt und in der Wüste ausgesetzt werden – von Sicherheitskräften, die von der EU finanziert werden.
Zeit: Nennen wir es Weltkrieg. Mit Blick auf Russlands Einfluss auf Krisenherde weltweit könne man von einem Weltkrieg sprechen. Der aktuelle Systemkonflikt zwischen Demokratien und Diktaturen sei gerade im Kontext von Klimawandel und anderen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, eine Bedrohung für die Menschheit als Ganzes.
SWP: Die Neuvermessung der amerikanisch-europäischen Sicherheitsbeziehungen. Unabhängig davon, wie die Wahlen in den USA in diesem Jahr ausgehen, müssen die Europäer sich darauf einstellen, dass die Schutzmacht USA ihre Beteiligung an der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik reduziert. Für Deutschland bedeute das unter anderem, die militärische Präsenz der Bundeswehr auf den euroatlantischen Raum zu konzentrieren, anstatt internationales Krisenmanagement zu betreiben.
The Economist: Olaf Scholz on why Vladimir Putin’s brutal imperialism will fail. Dem Bundeskanzler wird oft schwache Kommunikation vorgeworfen. Für diesen Gastbeitrag im Economist gilt das nicht: Klar und deutlich wie selten zuvor sagt Olaf Scholz, dass Deutschland “tektonische” Veränderungen in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik erlebt. Darüber hinaus verspricht er, dass er Europa einen größeren Anteil an den transatlantischen Sicherheitsaufgaben übernehmen wird. Der Gastbeitrag – auf Englisch – soll vermutlich signalisieren, dass Deutschland zu größeren Aufgaben bereit ist.
Der erneute russische Überfall auf die Ukraine 2022 hätte der Moment für ein deutsch-französisches Revival sein können. Das traditionelle Tandem hätte sich zusammenraufen und für das Wohl Europas seine Streitigkeiten beiseite schieben können. Aber stattdessen haben sich die bilateralen Spannungen verstärkt. Deutschland hat mit einer transatlantisch orientierten Zeitenwende reagiert. Frankreich stellt sich auch neu auf, bleibt aber seinem Leitmotiv der europäischen Souveränität treu. Letztlich sehen sich beide Staaten in ihren traditionellen Grundannahmen bestärkt – und stoßen noch stärker aufeinander.
Die operative, und mittlerweile auch industrielle Zusammenarbeit, scheinen zu funktionieren. Die deutsch-französische Brigade wird zusammen nach Litauen verlegt. Die beiden Verteidigungsminister haben gerade ein MoU für den Panzer der Zukunft unterzeichnet. Aber das ersetzt nicht die fehlende politische Ambition, Europa gemeinsam voranzubringen.
Der Staatsbesuch von Präsident Macron ab 26. Mai wäre eine hervorragende Gelegenheit, wieder gemeinsam für die Zukunft von Europas Verteidigungspolitik in den Ring zu gehen. Macron hat in seiner Sorbonne-Rede im April 2024 viele Ideen für Europa formuliert, aber wenn er sie umsetzen will, braucht er Europas, und vor allem Deutschlands Unterstützung. Eine zentrale Frage ist die der Zukunft von Europas Verteidigung, wenn die USA ihre Rolle reduzieren sollten. Hier sollten Berlin und Paris in drei Bereichen vorangehen:
Dass Europa mehr für seine eigene Verteidigung tun muss, ist mittlerweile eine Binse. Allein, es tut sich nicht genug. Doch der Druck steigt: durch den US-Fokus auf den Konflikt mit China und die Perspektive der US-Wahlen 2024, die eine transaktionale und weniger transatlantische Regierung an die Macht bringen könnte, die weniger zur europäischen Sicherheit beiträgt oder sich gegen europäische Ziele positioniert. Daher wird es immer dringlicher, die europäischen Beiträge zur Nato zu erhöhen, um Europa handlungsfähiger zu machen. Dafür könnten Paris und Berlin ein europäisches Ambitionsniveau definieren: also was die Europäer in der Nato einbringen wollen, damit die USA ihre Beiträge reduzieren können – und so den konventionellen Bereich der Nato europäisieren. Basierend auf künftigen Konfliktszenarien und Erfahrungswerten aus der Ukraine könnten beide Staaten dafür die zukünftigen Bedarfe identifizieren, unter anderem bei Raketenabwehr und Tiefschlagfähigkeiten. Macron hat in seiner Sorbonne-Rede ein europäisches strategisches Konzept vorgeschlagen, aus dem Fähigkeiten abgeleitet werden sollen. Er kündigte an, seine Partner “in den kommenden Monaten” einzuladen, um diese Verteidigungsinitiative aufzubauen. Es wäre die Gelegenheit, die vagen Worte Macrons in die Praxis umzusetzen – und ihn beim Wort zu nehmen.
Hier steht Europa vor einer doppelten Herausforderung: erstens versucht Russland, die nukleare Ordnung zu verändern. Es setzt Atomwaffen nicht mehr nur zum Schutz der bestehenden Ordnung ein, sondern versucht unter ihrem Schutz in der Ukraine Grenzen und die Sicherheitsordnung in Europa zu verändern; zweitens besteht das Risiko, dass die USA mit einem neuen Präsidenten die Abschreckung in der Nato in Frage stellen.
Paris hat in den letzten Monaten den Austausch mit Partnern zu nuklearen Themen intensiviert, auch mit Berlin. Macron hat wiederholt, dass Frankreichs vitale Interessen eine europäische Dimension hätten, ohne diese zu erläutern. Paris hat verdeutlicht, dass es den US-Nuklearschirm nicht ersetzen wolle, seine Entscheidungsgewalt nicht teilen werde und keine Finanzierung erwarte. Es geht also nicht darum, eine erweiterte Abschreckung nach US-Modell aufzubauen. Frankreichs Ziele aber bleiben vage. Berlin und Paris sollten gemeinsam erörtern, wie Europa langfristig geschützt werden kann und welche Rolle französische Atomwaffen dabei spielen können – und diese Debatte zusammen mit anderen Europäern führen.
Der russische Krieg gegen die Ukraine zeigt, dass eine leistungsfähige Rüstungsindustrie maßgeblich über Sieg oder Niederlage entscheidet: Sie ist Bestandteil von Europas Souveränität, seiner strategischen Resilienz – und seiner Abschreckung. Paris und Berlin sollten eine Vision der industriellen Basis Europas 2030 entwickeln: Mit welchen Schlüsselfähigkeiten, wie können Lieferketten gesichert werden, wo sind Kooperationspotentiale, wie kann Innovation unterstützt werden. Sie sollten aufzeigen, welche Rolle Staaten, die Nato und die neue EU-Kommission bei der Umsetzung spielen.
Sven Arnold ist Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Claudia Major leitet die Forschungsgruppe.
Nach längerem Suchen hat der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) eine neue Geschäftsführerin gefunden. Mit der 45-jährigen Marie-Christine von Hahn übernimmt ab November 2024 zum ersten Mal eine Frau diesen Posten in dem einflussreichen Lobby-Verband. Bislang war von Hahn Vice President Corporate Sustainability & External Affairs des Kupfer-Konzerns Aurubis AG. Sie vertritt dort als leitende Repräsentantin die Interessen des Konzerns gegenüber Regierungen und politischen Entscheidungsträgern. Von Hahn folgt auf den langjährigen CEO bei Diehl Aerospace Gerardo Walle, der das Amt des BDLI-Geschäftsführers erst im Februar übernommen hatte und kurz darauf überraschend verstorben war. Nana Brink
Viktor Richter, Jahrgang 1958, verlässt die deutsche Botschaft in Armenien zu Ende Juni und geht in den Ruhestand. Seit Mitte 2021 vertrat Richter Deutschland in Eriwan. Wer seine Nachfolge antritt, ist noch im Abstimmungsprozess.
In seiner diplomatischen Laufbahn für die Bundesrepublik Deutschland war er mehrfach an der Botschaft in Moskau, zuletzt von 2018 bis 2021. Das russische Außenministerium erklärte am 5. Februar 2021 mehrere Diplomaten aus Schweden, Polen und Deutschland zu Personae non grata – darunter auch Richter. Ihnen wurde vorgeworfen, an nicht genehmigten Demonstrationen zur Freilassung des Oppositionellen Alexej Nawalny teilgenommen zu haben. Altkanzlerin Angela Merkel hatte diesen Schritt damals scharf kritisiert.
Richter, der am Institut für Internationale Beziehungen in Moskau studiert hat, trat 1985 in den Auswärtigen Dienst der DDR ein, und war dort unter anderem für Zentralafrika zuständig. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands war er in verschiedenen Verwendungen in asiatischen und afrikanischen Regionen eingesetzt, hatte seinen Fokus aber immer wieder in Russland und im Südkaukasus. Lisa-Martina Klein