das Bedauern Michael Roths (SPD) darüber, dass es auch künftig in Deutschland keinen Nationalen Sicherheitsrat geben wird, hält sich in Grenzen. “Der ist ganz sicher kein Allheilmittel”, sagt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Interview mit Table.Media – und schlägt stattdessen einen beim Bundestag angesiedelten Sachverständigenrat für Außen- und Sicherheitspolitik vor, um “künftig weitsichtigere Entscheidungen treffen zu können”.
Was die mit Spannung erwartete, seit März in der Ressortabstimmung befindliche Nationale Sicherheitsstrategie anbelangt, rät Roth zu Gelassenheit – nicht zuletzt, was die Verwendung eines vieldiskutierten Begriffs anbelangt: “Keinem Mann fällt ein Zacken aus der Krone, wenn er sich diesem Begriff Feminismus und auch feministischer Außenpolitik entspannt und locker nähert.”
Gelassenheit und Geduld mitbringen müssen auch Soldatinnen, Soldaten sowie zivile Kräfte im von Roths SPD-Kollegen Boris Pistorius geführten Verteidigungsministerium: Auf “Mitarbeitendenversammlungen nach den Ostertagen” werde er seine “Pläne zum Umbau der Führungsspitze des Ministeriums ausführlich erläutern und mich vor allem mit Ihnen austauschen”, kündigte er in einem Rundschreiben an. Konkret wurde er darin vor allem in einem Punkt: Der vor zwölf Jahren abgeschaffte Planungs- und Führungsstab werde wieder eingesetzt. Thomas Wiegold hat Pistorius’ Brief ausgewertet – und aufgeschrieben, welche Baustellen noch offen sind.
An mehr als zwei Dutzend Länder hat die Türkei in den vergangenen Jahren Drohnen verkauft: ein Exportschlager, der nicht zuletzt auf die im Vergleich zu US-amerikanischen Konkurrenzprodukten günstigen Preise und die vielfache Erprobung in Konfliktgebieten zurückzuführen ist, wie Frank Nordhausen für uns beobachtet hat. Beschleunigt wurde der Verkauf zudem durch den Einsatz türkischer Drohnen in der Ukraine, wo die Bayraktar TB-2 erfolgreich gegen russische Panzer, Artilleriestellungen und Nachschublinien zum Einsatz kam.
Eine aufschlussreiche Lektüre wünscht
Sie haben bereits im April 2022 Kiew besucht, Ihre Parteifreunde Rolf Mützenich und Lars Klingbeil waren erst diesen Februar dort, ein Jahr nach Kriegsbeginn. Warum tut sich die SPD-Führung so schwer, den Menschen in der Ukraine auf diese Weise ihre Empathie zu bekunden?
Der brutale russische Angriffskrieg hat uns alle ziemlich durcheinandergewirbelt und vermeintliche Gewissheiten ins Wanken gebracht. Auch diejenigen, die eine solch schwierige Reise nicht gleich in den ersten Monaten nach Kriegsbeginn angetreten haben, haben dafür sicher ihre Gründe. Eine Reise in ein Kriegsgebiet ist eine sehr persönliche Entscheidung. Dennoch habe ich mich über jeden Besuch aus tiefem Herzen gefreut. Denn jenseits der praktischen Unterstützung der Ukraine geht es ja auch darum, vor Ort besser zu verstehen, was Krieg bedeutet, und Mitgefühl zu zeigen. Vielleicht war das sogar unsere größte Schwachstelle, dass die deutsche Politik in der Ukraine bisweilen ziemlich kaltherzig rüberkam.
Sie waren 2022 mit Anton Hofreiter und Marie-Agnes Strack-Zimmermann in Kiew. Warum sind FDP und Grüne der SPD immer noch voraus, was Unterstützung der Ukraine anbelangt?
Es geht hier nicht um einen Wettlauf zwischen den Parteien, sondern wie wir einem angegriffenen Land, das um sein Überleben kämpft, bestmöglich beistehen können. Am Ende kann ich nur sagen, dass exakt das, was aus der Mitte des Bundestages, aus der Mitte der Koalition heraus vorgeschlagen und angeregt wurde, inzwischen Politik der Bundesregierung ist. Und das hilft der Ukraine. Deutschland liegt bei der militärischen Unterstützung der Ukraine mittlerweile auf Platz 2 hinter den USA.
Die Ampel hat gerade beschlossen, die Ukraine dieses Jahr mit drei Milliarden Euro militärisch zu unterstützen, bis 2032 sollen weitere 8,8 Milliarden hinzukommen. Reicht das?
Momentan stehen nicht neue Waffensysteme im Mittelpunkt, sondern Verstetigung, das heißt vor allem rascher Nachschub bei Munition. Die Zeit drängt. Und natürlich müssen auch Waffen instandgesetzt und repariert werden, dafür stellen wir jetzt deutlich mehr Mittel zur Verfügung. Ich hoffe, dass andere Partner in Europa nachziehen werden. Das Geld dient aber auch dazu, die Lücken bei der Bundeswehr zu schließen, die durch die Abgaben an die Ukraine entstanden sind.
Im März sind die ersten Leopard 2-Kampfpanzer aus Deutschland in der Ukraine eingetroffen. Wann kommen die ersten Kampfjets?
Erstmal bin ich froh, dass wir unsere Zusagen relativ schnell eingehalten haben – gerade vor dem Hintergrund, dass es vielen in Deutschland weiter schwerfällt, über Kampfpanzer zu sprechen. Da wir in Deutschland über die in Frage kommenden Kampfjets gar nicht verfügen, stellt sich die Frage praktisch nicht. Konkret geht es ja um MiG-29-Kampfjets aus Polen und der Slowakei sowie um F-16 aus den USA. Das hat der amerikanische Präsident aber bislang abgelehnt.
Sie sind dafür, dass Sie kommen?
Wir haben aus guten Gründen immer gesagt, dass sich unsere militärische Unterstützung am Kriegsverlauf orientiert. Unser Ziel bleibt, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt. Das heißt, dass sie als freies, demokratisches und souveränes Land besteht. Dafür müssen wir sie so ausstatten, dass sie nicht nur in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen, sondern auch von Russland eroberte Gebiete zu befreien.
Der destabilisierende Einfluss Russlands reicht längst über die Ukraine hinaus, und trotzdem ist die EU etwa auf dem Balkan nicht in der Lage, sich dagegen zu verteidigen.
Europa hat zweifellos im westlichen Balkan einen massiven Vertrauensverlust erlitten und Zusagen nicht eingehalten – sei es bei der Visaliberalisierung für den Kosovo oder der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien. Wir haben diese Länder teilweise am langen Arm verhungern lassen. Kein Wunder, dass in Serbien inzwischen Russland und China als die verlässlichsten Partner gelten, erst auf Platz drei folgt dann die EU. Das sollte uns zu denken geben. Der Elefant im Raum ist das Thema Erweiterung, aber das fassen manche unserer Partner in der EU leider nur mit spitzen Fingern an. Das müssen wir ändern, indem wir den Staaten des Westbalkans, aber auch der Ukraine, Moldau und perspektivisch Georgien eine konkrete und glaubhafte Beitrittsperspektive geben.
Diese hat Bosnien und Herzegowina seit Jahrzehnten, und trotzdem sind die Spannungen so groß wie seit Ende des Kriegs 1995 nicht mehr. Muss die EU nicht über stärkere militärische Mittel nachdenken?
Absolut. Deshalb war es auch richtig, die Mandate für EUFOR Althea und KFOR zu verlängern. Die Lage ist derzeit brandgefährlich in Europas Nachbarschaft, nicht nur im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina, sondern auch im Verhältnis zwischen Armenien und Aserbaidschan, in Georgien und in Moldau. Überall hat Russland seine Hände mit im Spiel.
Halten Sie es für richtig, dass Christian Schmidt den Posten des Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina weiter ausübt?
Die Arbeit von Christian Schmidt steht derzeit stark in der Kritik. Daher begrüße ich, dass er demnächst vor den zuständigen Kolleginnen und Kollegen aus dem Auswärtigen Ausschuss zu den Vorwürfen Stellung nehmen will. In einem komplexen Vielvölkerstaat wie Bosnien und Herzegowina braucht der Hohe Repräsentant ein ganz besonders hohes Maß an diplomatischem Geschick, Unparteilichkeit, Sachverstand und Fingerspitzengefühl. An diesen Erwartungen muss sich auch Christian Schmidt messen lassen.
Gibt die Nationale Sicherheitsstrategie Antworten auf die Bedrohungslage in Europa?
Das will ich doch hoffen. Für uns in Deutschland ist ja nicht entscheidend, eine nationale Sicherheitsstrategie für Nordkorea zu entwickeln, sondern eine, um unsere Nachbarschaft zu befrieden und das in engster Abstimmung mit unseren Partnern. Über den Erfolg und Misserfolg der Nationalen Sicherheitsstrategie wird weniger in Berlin, sondern maßgeblich in Kyjiw, Tbilisi, Sarajevo, Skopje und Prishtina entschieden.
Bedauern Sie, dass es keinen Nationalen Sicherheitsrat geben wird?
Ich finde, wir sollten den Nationalen Sicherheitsrat, der jetzt nicht kommen wird, nicht überhöhen. Der ist ganz sicher kein Allheilmittel. Die Regierung hat ja genügend Möglichkeiten, sich in der Außen- und Sicherheitspolitik zu koordinieren. Ich werbe aber für einen Sachverständigenrat für Außen- und Sicherheitspolitik, der an den Bundestag angedockt ist und über einen eigenen wissenschaftlichen Stab verfügt. Die außen- und sicherheitspolitische Bedeutung des Bundestages ist im vergangenen Jahr deutlich gewachsen. Abgeordnete sind zu wichtigen Antreibern und Erklärern der deutschen Ukraine-Politik geworden. Ein solches Expertengremium würde den Bundestag als zentrales Forum für außen- und sicherheitspolitische Debatten weiter stärken und die notwendige Expertise beisteuern, um künftig weitsichtigere Entscheidungen treffen zu können.
Wie feministisch wird die Nationale Sicherheitsstrategie sein?
Ich werbe seit Jahren dafür, die Interessen von Frauen in der Außen- und Sicherheitspolitik stärker zu berücksichtigen. Dabei geht es um Rechte, Repräsentation und Ressourcen. Wenn wir weltweit wirklich nachhaltigen und gerechten Frieden schaffen wollen – und darum geht es ja auch in der Ukraine -, dann geht das nicht ohne Frauen. Keinem Mann fällt ein Zacken aus der Krone, wenn er sich diesem Begriff Feminismus und auch feministischer Außenpolitik entspannt und locker nähert. Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern tut allen gut.
Mit einem Schreiben aus dem Osterurlaub hat Verteidigungsminister Boris Pistorius versucht, den Spekulationen und Debatten über den Umbau an der Spitze des Ministeriums entgegenzutreten. Der Ressortchef bestätigte in dem Brief einige erwartete Veränderungen in der Leitungsebene und kündigte die Wiedereinsetzung eines zentralen Planungsstabs an. Manche vermutete Entlassungen in Spitzenämtern nannte er dagegen nicht, bereitete die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums aber auf weitere Umstrukturierungen vor.
Grund für den Umbau an der Spitze, den der im Januar ins Amt gekommene Minister plant, ist die aus seiner Sicht zu schwerfällige und langsame Struktur des Wehrressorts. “Meine Analyse, dass wir uns als Haus mit Blick auf die neuen Herausforderungen besser aufstellen müssen, teilen viele von Ihnen”, schreibt Pistorius in dem Rundbrief an Soldatinnen und Soldaten sowie die zivilen Mitarbeitenden des Ministeriums am Gründonnerstag. Bereits kurz nach Amtsantritt hatte der neue Minister deutlich gemacht, dass er die Organisationsstruktur für die Aufgaben eines für die Streitkräfte zuständigen Ministeriums für unzureichend hält.
Als konkreten Umbauschritt nannte Pistorius in seinem Schreiben vorerst nur die Einrichtung eines Planungs- und Führungsstabes. Er soll von Brigadegeneral Christian Freuding geleitet werden, dem derzeitigen Chef des Ukraine-Lagestabes im Ministerium. Angaben zu Struktur und vor allem Kompetenzen dieses zentralen Stabes machte der Minister nicht. Der Planungsstab, wie er unter Ressortchef Helmut Schmidt in den 1960ern eingerichtet worden war, wurde von Minister Thomas de Maizière im Oktober 2011 im Zuge einer Verschlankung der Ministeriumsspitze aufgelöst.
Unklar bleibt zunächst, ob der neue Planungs- und Führungsstab neben die bestehenden Abteilungen des Ministeriums tritt, ihnen übergeordnet wird oder wesentliche Kompetenzen zum Beispiel der Abteilungen Politik und “Strategie und Einsatz” erhält. Bei Auflösung des Planungsstabes 2011 waren dessen Aufgaben in der damals neu eingerichteten Abteilung Politik aufgegangen. Der ebenfalls im Zuge der damaligen Umstrukturierung aufgelöste “Führungsstab der Streitkräfte” war zum Aufbau vor allem der im Ministerium angesiedelten Abteilung “Strategie und Einsatz” genutzt worden.
Pistorius kündigte in dem Rundschreiben an, er werde “zeitnah mit allen Gremien sprechen und habe Sie bereits zu Mitarbeitendenversammlungen nach den Ostertagen eingeladen”. Dort werde er “meine Pläne – insbesondere zur Ausgestaltung des Planungs- und Führungsstabes – vorstellen, meine Beweggründe ausführlich erläutern und mich vor allem mit Ihnen austauschen”.
Im Gegensatz zu den Strukturentscheidungen stehen dagegen weitere Personalentscheidungen bereits fest. So stimmte das Bundeskabinett nach Angaben des Ministers dem Vorschlag zu, die Abteilungsleiterin “Infrastruktur, Umweltschutz, Dienstleistungen”, Barbara Wießalla, in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen und durch Alexander Götz zu ersetzen. Der war bislang Abteilungsleiter im niedersächsischen Innenministerium. Wießallas bisheriger Vertreter Roland Börger wird neuer Präsident des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw) – ein entscheidender Posten angesichts des enormen Rückstandes bei der Sanierung unter anderem von Kasernen und Munitionsdepots.
Nicht bestätigt wurden dagegen von Pistorius bisher zwei weitere Toppersonalien: Sowohl der für Rüstung zuständige Staatssekretär Benedikt Zimmer als auch der für die Beschaffung zuständige Abteilungsleiter Ausrüstung, Vizeadmiral Carsten Stawitzki, bleiben offenbar in ihren Ämtern. Den Posten des Generalinspekteurs der Bundeswehr hatte der Minister bereits im März mit Carsten Breuer besetzt; zudem rückte die bisherige stellvertretende Präsidentin des wichtigen Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw), Annette Lehnigk-Emden, an die Spitze der Behörde. Als neuen für die Verwaltung zuständigen Staatssekretär hatte der Minister Nils Hilmer eingesetzt, zuvor in Pistorius’ niedersächsischem Innenministerium Abteilungsleiter.
Die Bayraktar TB-2-Drohne der Firma Baykar Teknoloji aus Istanbul hat sich zum internationalen Verkaufsschlager entwickelt. Sie gilt als robust und zuverlässig, ist konkurrenzlos günstig und hat in mehreren heißen Konflikten das militärische Blatt gewendet. Weniger bekannt ist die größere, für doppelte Nutzlast ausgelegte Anka-S-Drohne des staatlichen Herstellers Turkish Aerospace Industries (TAI), die seit 2018 in Syrien, Libyen und Bergkarabach zum Einsatz kam, aber bisher kaum exportiert wurde.
Vor allem der Krieg in der Ukraine und die davon verbreiteten Videos haben zu einer Wahrnehmungsveränderung des militärischen Nutzens von Drohnen geführt. Die türkischen Drohnenkriege wirkten als perfekte Werbeplattform.
Eine Chronologie:
“Drohnen haben in bewaffneten Konflikten den Vorteil, dass sie in einer sehr geringen Höhe fliegen, deshalb für viele Radarsysteme nicht sichtbar sind und lange in der Luft bleiben können. Aber sie sind sehr langsam, können nur wenige Waffen tragen und sich nicht verteidigen”, sagt Ilhan Uzgel, Professor für internationale Beziehungen an der Universtität Ankara.
Drohnen könnten eine Nische vor allem in Kriegen mit geringer Intensität besetzen. Vor dem Krieg in der Ukraine galten die US-amerikanischen Reaper- und Predator-Drohnen als Stand der Technik, wurden aber wegen der Proliferationsgefahr nur an wenige befreundete Nationen abgegeben. Nachdem der US-Kongress den Verkauf an die Türkei untersagt hatte, ordnete Regierungschef Recep Tayyip Erdoğan in den 2000er Jahren eine technologische Rüstungsoffensive an, in deren Zentrum die Produktion eigener Drohnen primär zum Kampf gegen die PKK stand.
Zwei Drohnenproduzenten gingen aus den Bemühungen der Regierung um rüstungspolitische Unabhängigkeit hervor: die staatliche TAI und die Istanbuler Maschinenbau-Familienfirma Baykar Teknoloji, die sich nach der Jahrtausendwende als Rüstungs-Startup neu erfand. Vorstandsvorsitzender und Chefingenieur ist Selçuk Bayraktar (43). Er studierte in den USA und ist ein Schwiegersohn Erdoğans.
Mit relativ geringen Investitionen und auf dem Weltmarkt frei verfügbaren technischen Komponenten brachte er 2014 die erste Bayraktar-Überwachungsdrohne zur Einsatzreife, 2015 gelang ihr der erste Raketenabschuss. Die Firma wirbt damit, mit der TB-2 Weltmarktführer bei Kampfdrohnen zu sein.
Reichweite, Geschwindigkeit, Steuerung und Nutzlast der türkischen Drohnen sind im Vergleich zu US-Drohnen schwach. Die TB-2 kann aber 24 Stunden in einer Höhe von 7.300 Metern fliegen und eine Nutzlast von 150 Kilo bewegen, rund doppelt so viel wie das chinesische Konkurrenzmodell Wing Loong 2. Sie kann Ziele mit lasergesteuerten Raketen treffen. “Sie ist effektiv in Konflikten ohne hochtechnisierte Gegner“, sagt Wolfgang Richter, Militärexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). “Aber sie eignet sich kaum gegen einen mächtigen staatlichen Kontrahenten, der integrierte Luftverteidigungssysteme besitzt.”
TB-2-Drohnen werden mit tragbaren Befehlsstationen und Kommunikationsgeräten für einen geschätzten Komplettpreis von rund 6 Millionen US-Dollar verkauft, während ein US-Reaper-System etwa das Sechsfache kostet. Ein entscheidender Nachteil der TB-2-Drohne ist ihre Abhängigkeit von bodennaher Steuerung, während die US-Drohnen satellitengestützt operieren.
Bei der Analyse abgestürzter TB-2-Drohnen stellten Experten 2020 zudem fest, dass diese auf zahlreiche importierte Komponenten angewiesen waren. Nach Protesten Armeniens, die zu Exportsanktionen gegen die Türkei führten, stammen laut Baykar-Angaben jetzt nur noch sieben Prozent aus dem Ausland. Bei diesen handele es sich jedoch um zentrale Hightech-Elemente, erklärt Uzgel: “Die optischen Systeme, die sensiblen Teile der Raketen, die Computerchips zur Fernsteuerung müssen noch immer importiert werden.”
Befeuert durch den Ukraine-Konflikt, schreitet die technische Entwicklung militärischer Drohnen rasant voran. Neuentwicklungen wie die Bayraktar TB-3-Drohne und die mit einem ukrainischen Iwtschenko-Düsenantrieb ausgestattete Überschall-Tarnkappendrohne “Kızılelma” sind im Begriff, die Serienreife zu erreichen. Die Türkei liefert ihre Drohnen an fast alle Interessenten. Laut dem US-Internetjournal “World Politics Review” wurden die TB-2-Drohnen an mindestens 27 Länder verkauft, darunter auch an das Nato-Mitglied Polen. Frank Nordhausen
China Strategie 2023. 3 Stunden, 3 Sessions, 30 Köpfe aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Table.Media beleuchtet am 25. April China als Wettbewerber, Rivale und Partner. Die Digital-Konferenz schafft mitten in der aktuellen Debatte Orientierung für Entscheiderinnen und Entscheider.
Frankreichs Verteidigungsminister Sébastien Lecornu hat vergangene Woche die Pläne für das Militärbudgetgesetz Loi de Programmation Militaire (LPM) im Ministerrat vorgestellt. 413 Milliarden Euro – das war schon vorher bekannt – will Präsident Emmanuel Macron zwischen 2024 und 2030 investieren, das Parlament muss dem Gesetz noch zustimmen. Wenn es nach dem Verteidigungsministerium ginge, würde das noch vor dem Nationalfeiertag am 14. Juli geschehen.
Lecornu hat jetzt in einem 12-seitigen Papier die wichtigsten Posten dargelegt, zuletzt hatte er bei mehreren Gelegenheiten Einblicke in die Vorhaben gegeben, Table.Media berichtete. Das Budget soll ab 2024 um 3,1 Milliarden Euro erhöht werden, danach in 3 Milliarden-Euro-Schritten und ab 2028, wenn Macron nicht mehr Präsident ist, in 4,3-Milliarden-Euro-Schritten steigen. Das erhöhte Budget aufzutreiben, wäre dann das Problem der Nachfolgeregierung. 2030 wäre das Jahresbudget für die Streitkräfte mit 69 Milliarden Euro dann doppelt so hoch, wie noch 2017 bei Macrons Amtsantritt. “Über so einen langen Zeitraum ist nicht gesagt, dass der Wind sich nicht drehen kann”, sagt Jacob Ross von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).
30 Milliarden Euro werden nach aktuellen Berechnungen der Inflation zum Opfer fallen. Mit dem konkretisierten Plan wird beispielsweise die Beschaffung einiger Rafale-Kampfjets um zwei Jahre nach hinten verschoben, 2030 hätte die Luftwaffe statt 185 nur 137 der Flieger. Von den 300 gepanzerten Fahrzeugen Jaguar, die bis 2030 ausgeliefert werden sollten, würden vorerst “rund hundert weniger kommen”, sagte Lecornu. Auch die Marine bekomme bis 2030 nur drei der zunächst angekündigten fünf Fregatten.
“Aus der Industrie hört man, dass man den Eindruck habe, man bekomme weniger als vorher, obwohl mehr Geld da ist”, sagt Gaspard Schnitzler vom französischen Thinktank Institut de Relations Internationales et Stratégiques (Iris). Die industrienahe Zeitung La Tribune schreibt von einem “Schlag für das Heer”, weil einige Panzer und gepanzerte Fahrzeuge erst später ausgeliefert oder modernisiert werden sollen. Dafür wurde der Pflichtdienst Service National Universel aus dem Budget gestrichen, was jährlich 2 Milliarden Euro einspart. bub
Acht Jahre nach Beginn des Kriegs im Jemen sind am Osterwochenende Diplomaten Saudi-Arabiens und Omans in der Hauptstadt Sanaa mit Vertretern der herrschenden Houthi-Rebellen zusammengekommen. Ziel des Treffens sei es, “Möglichkeiten zur Erreichung eines umfassenden und dauerhaften Friedens in der Region” zu finden, sagte Mohammed al-Bukaiti, der der Führung von Ansar Allah angehört, die besser als Houthis bekannt sind. 2014 hatten Houthi-Kämpfer Sanaa erobert; im März 2015 intervenierte die Luftwaffe Saudi-Arabiens in den Konflikt im Nachbarland.
Politische Beobachter rechnen damit, dass noch diese Woche ein im vergangenen Oktober ausgelaufener Waffenstillstand zwischen der saudischen Führung um Kronprinz Mohammed Bin Salman und Ansar Allah erneuert wird, der zunächst sechs Monate gelten solle. Darauf deutet auch ein Besuch des stellvertretenden türkischen Außenministers, Burak Akçapar, am Montag in Riad hin, der sowohl mit jemenitischen Regierungsmitgliedern wie mit Vertretern des einflussreichen Golf-Kooperationsrats (GCC) zusammenkommen wollte.
Neben zahlreichen internen Konflikten sind die Auseinandersetzungen im Jemen maßgeblich vom Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und Iran geprägt, das die schiitisch-zaidische Ansar Allah militärisch wie politisch unterstützt. Nach dem historischen Treffen des saudischen Außenministers mit seinem iranischen Amtskollegen vergangene Woche in Peking gilt ein Waffenstillstand im Jemen als möglicher erster Erfolg der neuen Zusammenarbeit zwischen den beiden rivalisierenden regionalen Hegemonialmächten. Sieben Jahre nach Abbruch diplomatischer Beziehungen hatten sie sich im März auf die Wiedereröffnung ihrer Botschaften in Riad und Teheran sowie die Entsendung von Botschaftern geeinigt. mrb
Foreign Affairs – Small Countries, Big War (Paywall): Im Kaukasus und im Nahen Osten leben viele ethnische Gruppen auf engem Raum. Die multiplen Konflikte lassen ungewöhnliche Partnerschaften entstehen. Der schiitisch geprägte Iran nähert sich dem mehrheitlich christlichen Armenien an, Israel und die Türkei bilden eine strategische Allianz mit dem überwiegend schiitischen Aserbaidschan. Eine erhellende Analyse über die Beziehungsgeflechte im Südkaukasus und ihre Konsequenzen, die über die Region hinausgehen könnten.
Doku: ARD-Mediathek – Können wir Krieg? Nach einem Jahr Zeitwende und 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen gilt weiterhin, dass Deutschland nur für ein bis zwei Tage Gefecht Munition hätte. Bei anderen Baustellen wie der persönlichen Ausrüstung hat sich aber einiges getan. Die Dokumentation beleuchtet neben der Ausrüstung auch die Auswirkungen der Zeitenwende auf Deutschlands Verbündete. 43 Minuten.
The Economist – Guam, where America’s next war may begin (Paywall): Die Insel Guam – 48 Kilometer lang, mit rund 170.000 Einwohnern – ist der westlichste Fleck der USA und hilft den Vereinigten Staaten, ihren Einfluss auf den Indopazifik auszudehnen. Bei einem Konflikt zwischen China und den USA könnte sie eines der ersten Angriffsziele Chinas sein. In Guam mache man sich derzeit aber mehr Sorgen wegen der braunen Baumschlange als über einen chinesischen Angriff. Wie sich die USA dort für einen Konflikt rüsten und welche die Schwachstellen sind.
Podcast: War & Peace – Protests in Georgia and Tbilisi’s Complicated Relationships with Russia and the West: Viele Georgier sind trotz des Entgegenkommens ihrer Regierung nach den jüngsten Protesten enttäuscht. Russlands Krieg in der Ukraine erinnert viele Menschen in Tiflis an den fünftägigen Krieg 2008. 38 Minuten über die Hintergründe der Proteste und die mögliche Zukunft des Landes zwischen Russland und dem Westen.
Der Spiegel – »Keiner will gern andere Menschen erschießen« (Paywall): Der Kommandeur des Zentrums Innere Führung der Bundeswehr, Markus Kurczyk, spricht im Interview über die Zusammenarbeit mit jungen Rekrutinnen und Rekruten. Es sei besser, wenn sie sanfter geweckt würden und er sagt, wie sich Rollenverständnisse in der Bundeswehr ändern müssten und warum er die für die Bundeswehr gewinnen will, die sich fürs Klima auf die Straße kleben.
Mehr als ihr halbes Leben ist Anna Prehn bereits bei der Bundeswehr. 2018 trat sie – als dritte Frau überhaupt in der deutschen Marine – zum ersten Mal ihren Dienst als Kommandantin an. Nicht die erste zu sein, bringt Gutes mit sich. “Ich stand nicht so sehr im Rampenlicht wie die beiden ersten Frauen”, sagt sie. “Denn die erste zu sein, kann auch anstrengend sein.”
Prehn, Jahrgang 1984, weiß, wovon sie spricht. Seit sie 2002 zusammen mit etwa 20 anderen Frauen und knapp 180 Männern den allgemeinen Dienst antrat, war sie in vielen Verwendungen und auf vielen Positionen die erste Frau. Im Libanon zum Beispiel, wo sie 2016 für rund vier Monate als Verbindungsoffizierin die Leitung des Ausbildungskommandos der Friedensmission “United Nations Interim Force in Lebanon” (UNIFIL) übernahm – ein Einsatz, für den sie als “Peacekeeper of the Year 2017” ausgezeichnet wurde. Oder 2020, als sie als erste Frau an der Helmut-Schmidt-Universität die Leitung des Studierendenfachbereichs Alpha übernahm, bis sie 2022 in Elternzeit ging.
Die erste Frau zu sein, das heißt, die berühmten Pflöcke einzuschlagen – aber auch Dinge anders zu machen. “Ich wäre beruflich nicht da, wo ich jetzt bin, wenn es nicht auch Männer in der Bundeswehr gäbe, die meine Art und meine Arbeit schätzen”, sagt Prehn. Zu Beginn sei es eher leider so gewesen, dass sich die Frauen als Konkurrentinnen gesehen hätten. “Das habe ich so auch noch in meinen ersten Jahren als Führungskraft wahrgenommen. Es ist mir inzwischen ein großes Anliegen, das zu ändern.”
Abbringen ließ sich Prehn, geboren in Mecklenburg-Vorpommern, nie von ihrem Weg. Während ihrer Ausbildung zur Wachoffizierin in der Seeminenkriegsführung, unter anderem in Bremerhaven, fuhr sie drei Jahre zur See, meist auf dem Minenjagdboot “Bad Bevensen”. Unter anderem auch im Minenabwehrverband der Standing Nato Mine Countermeasure Group 2 (SNMCMG2) im Mittelmeer. Schon mit 27 Jahren hatte sie ihr Kommandantenzeugnis erlangt.
Doch statt direkt als Kommandantin zur See zu fahren und als “Befehlshaberin” die Verantwortung für ein Kriegsschiff zu haben, öffnete sich in ihrer Karriere ein neues Feld. Weil die Personalführung in Köln der Meinung war, sie wäre mit 27 zu jung für die Verwendung als Kommandantin, sollte sie selbst in die Personalführung wechseln. “Für mich war das damals okay, eine Seefahrtspause einzulegen. Viele Frauen waren bereits nach ein, zwei Jahren ausgestiegen, sei es wegen Schwangerschaft, oder weil eben Frauen an Bord es zum Teil doch schwerer hatten.”
Auch Prehn wollte sich zurückziehen aus schnellen, wichtigen Entscheidungen an Bord, geriet allerdings mitten in die “Neuausrichtung der Bundeswehr” mitsamt Aussetzung der Wehrpflicht, Standortschließungen und Zusammenlegung verschiedener Bereiche. Wieder eine intensive Zeit, die nicht spurlos an ihr vorüberging. Der Kinderwunsch war groß, aber schwer vereinbar mit dem Job. Sie rutschte in den Burn-out, das Ziel, Kommandantin zu werden, schien in weite Ferne zu rücken. Doch sie kämpfte sich zurück, trat – nach fünf Jahren Abstand zu ihrer Zeit als Wachoffizierin – tatsächlich ihren Dienst als Kommandantin an.
“In dieser Zeit lernte ich vor allem, mich auf mein einwandfreies Personal zu verlassen und ihnen zu vertrauen.” Dann war sogar möglich, was lange schier außer Reichweite schien: der Lehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National (LGAN), die höchstwertige Ausbildung bei der Bundeswehr.
Aktuell ist Prehn in Elternzeit. Zwei Jahre Auszeit will sie sich für ihren Sohn, ihre Familie und die persönliche Weiterbildung nehmen. Kurz hatte sie die Befürchtung, dass die Bundeswehr ihre lange Auszeit aufgrund “dienstlicher Notwendigkeiten” – dem Krieg in Europa – nicht bewilligt. Aber das war kein Thema. “Sollte sich die Lage verschlechtern, wäre eine erneute Verwendung als Kommandantin an Bord zwar eher unwahrscheinlich, aber auch nicht ganz ausgeschlossen.” Lisa-Martina Klein
das Bedauern Michael Roths (SPD) darüber, dass es auch künftig in Deutschland keinen Nationalen Sicherheitsrat geben wird, hält sich in Grenzen. “Der ist ganz sicher kein Allheilmittel”, sagt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Interview mit Table.Media – und schlägt stattdessen einen beim Bundestag angesiedelten Sachverständigenrat für Außen- und Sicherheitspolitik vor, um “künftig weitsichtigere Entscheidungen treffen zu können”.
Was die mit Spannung erwartete, seit März in der Ressortabstimmung befindliche Nationale Sicherheitsstrategie anbelangt, rät Roth zu Gelassenheit – nicht zuletzt, was die Verwendung eines vieldiskutierten Begriffs anbelangt: “Keinem Mann fällt ein Zacken aus der Krone, wenn er sich diesem Begriff Feminismus und auch feministischer Außenpolitik entspannt und locker nähert.”
Gelassenheit und Geduld mitbringen müssen auch Soldatinnen, Soldaten sowie zivile Kräfte im von Roths SPD-Kollegen Boris Pistorius geführten Verteidigungsministerium: Auf “Mitarbeitendenversammlungen nach den Ostertagen” werde er seine “Pläne zum Umbau der Führungsspitze des Ministeriums ausführlich erläutern und mich vor allem mit Ihnen austauschen”, kündigte er in einem Rundschreiben an. Konkret wurde er darin vor allem in einem Punkt: Der vor zwölf Jahren abgeschaffte Planungs- und Führungsstab werde wieder eingesetzt. Thomas Wiegold hat Pistorius’ Brief ausgewertet – und aufgeschrieben, welche Baustellen noch offen sind.
An mehr als zwei Dutzend Länder hat die Türkei in den vergangenen Jahren Drohnen verkauft: ein Exportschlager, der nicht zuletzt auf die im Vergleich zu US-amerikanischen Konkurrenzprodukten günstigen Preise und die vielfache Erprobung in Konfliktgebieten zurückzuführen ist, wie Frank Nordhausen für uns beobachtet hat. Beschleunigt wurde der Verkauf zudem durch den Einsatz türkischer Drohnen in der Ukraine, wo die Bayraktar TB-2 erfolgreich gegen russische Panzer, Artilleriestellungen und Nachschublinien zum Einsatz kam.
Eine aufschlussreiche Lektüre wünscht
Sie haben bereits im April 2022 Kiew besucht, Ihre Parteifreunde Rolf Mützenich und Lars Klingbeil waren erst diesen Februar dort, ein Jahr nach Kriegsbeginn. Warum tut sich die SPD-Führung so schwer, den Menschen in der Ukraine auf diese Weise ihre Empathie zu bekunden?
Der brutale russische Angriffskrieg hat uns alle ziemlich durcheinandergewirbelt und vermeintliche Gewissheiten ins Wanken gebracht. Auch diejenigen, die eine solch schwierige Reise nicht gleich in den ersten Monaten nach Kriegsbeginn angetreten haben, haben dafür sicher ihre Gründe. Eine Reise in ein Kriegsgebiet ist eine sehr persönliche Entscheidung. Dennoch habe ich mich über jeden Besuch aus tiefem Herzen gefreut. Denn jenseits der praktischen Unterstützung der Ukraine geht es ja auch darum, vor Ort besser zu verstehen, was Krieg bedeutet, und Mitgefühl zu zeigen. Vielleicht war das sogar unsere größte Schwachstelle, dass die deutsche Politik in der Ukraine bisweilen ziemlich kaltherzig rüberkam.
Sie waren 2022 mit Anton Hofreiter und Marie-Agnes Strack-Zimmermann in Kiew. Warum sind FDP und Grüne der SPD immer noch voraus, was Unterstützung der Ukraine anbelangt?
Es geht hier nicht um einen Wettlauf zwischen den Parteien, sondern wie wir einem angegriffenen Land, das um sein Überleben kämpft, bestmöglich beistehen können. Am Ende kann ich nur sagen, dass exakt das, was aus der Mitte des Bundestages, aus der Mitte der Koalition heraus vorgeschlagen und angeregt wurde, inzwischen Politik der Bundesregierung ist. Und das hilft der Ukraine. Deutschland liegt bei der militärischen Unterstützung der Ukraine mittlerweile auf Platz 2 hinter den USA.
Die Ampel hat gerade beschlossen, die Ukraine dieses Jahr mit drei Milliarden Euro militärisch zu unterstützen, bis 2032 sollen weitere 8,8 Milliarden hinzukommen. Reicht das?
Momentan stehen nicht neue Waffensysteme im Mittelpunkt, sondern Verstetigung, das heißt vor allem rascher Nachschub bei Munition. Die Zeit drängt. Und natürlich müssen auch Waffen instandgesetzt und repariert werden, dafür stellen wir jetzt deutlich mehr Mittel zur Verfügung. Ich hoffe, dass andere Partner in Europa nachziehen werden. Das Geld dient aber auch dazu, die Lücken bei der Bundeswehr zu schließen, die durch die Abgaben an die Ukraine entstanden sind.
Im März sind die ersten Leopard 2-Kampfpanzer aus Deutschland in der Ukraine eingetroffen. Wann kommen die ersten Kampfjets?
Erstmal bin ich froh, dass wir unsere Zusagen relativ schnell eingehalten haben – gerade vor dem Hintergrund, dass es vielen in Deutschland weiter schwerfällt, über Kampfpanzer zu sprechen. Da wir in Deutschland über die in Frage kommenden Kampfjets gar nicht verfügen, stellt sich die Frage praktisch nicht. Konkret geht es ja um MiG-29-Kampfjets aus Polen und der Slowakei sowie um F-16 aus den USA. Das hat der amerikanische Präsident aber bislang abgelehnt.
Sie sind dafür, dass Sie kommen?
Wir haben aus guten Gründen immer gesagt, dass sich unsere militärische Unterstützung am Kriegsverlauf orientiert. Unser Ziel bleibt, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt. Das heißt, dass sie als freies, demokratisches und souveränes Land besteht. Dafür müssen wir sie so ausstatten, dass sie nicht nur in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen, sondern auch von Russland eroberte Gebiete zu befreien.
Der destabilisierende Einfluss Russlands reicht längst über die Ukraine hinaus, und trotzdem ist die EU etwa auf dem Balkan nicht in der Lage, sich dagegen zu verteidigen.
Europa hat zweifellos im westlichen Balkan einen massiven Vertrauensverlust erlitten und Zusagen nicht eingehalten – sei es bei der Visaliberalisierung für den Kosovo oder der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien. Wir haben diese Länder teilweise am langen Arm verhungern lassen. Kein Wunder, dass in Serbien inzwischen Russland und China als die verlässlichsten Partner gelten, erst auf Platz drei folgt dann die EU. Das sollte uns zu denken geben. Der Elefant im Raum ist das Thema Erweiterung, aber das fassen manche unserer Partner in der EU leider nur mit spitzen Fingern an. Das müssen wir ändern, indem wir den Staaten des Westbalkans, aber auch der Ukraine, Moldau und perspektivisch Georgien eine konkrete und glaubhafte Beitrittsperspektive geben.
Diese hat Bosnien und Herzegowina seit Jahrzehnten, und trotzdem sind die Spannungen so groß wie seit Ende des Kriegs 1995 nicht mehr. Muss die EU nicht über stärkere militärische Mittel nachdenken?
Absolut. Deshalb war es auch richtig, die Mandate für EUFOR Althea und KFOR zu verlängern. Die Lage ist derzeit brandgefährlich in Europas Nachbarschaft, nicht nur im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina, sondern auch im Verhältnis zwischen Armenien und Aserbaidschan, in Georgien und in Moldau. Überall hat Russland seine Hände mit im Spiel.
Halten Sie es für richtig, dass Christian Schmidt den Posten des Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina weiter ausübt?
Die Arbeit von Christian Schmidt steht derzeit stark in der Kritik. Daher begrüße ich, dass er demnächst vor den zuständigen Kolleginnen und Kollegen aus dem Auswärtigen Ausschuss zu den Vorwürfen Stellung nehmen will. In einem komplexen Vielvölkerstaat wie Bosnien und Herzegowina braucht der Hohe Repräsentant ein ganz besonders hohes Maß an diplomatischem Geschick, Unparteilichkeit, Sachverstand und Fingerspitzengefühl. An diesen Erwartungen muss sich auch Christian Schmidt messen lassen.
Gibt die Nationale Sicherheitsstrategie Antworten auf die Bedrohungslage in Europa?
Das will ich doch hoffen. Für uns in Deutschland ist ja nicht entscheidend, eine nationale Sicherheitsstrategie für Nordkorea zu entwickeln, sondern eine, um unsere Nachbarschaft zu befrieden und das in engster Abstimmung mit unseren Partnern. Über den Erfolg und Misserfolg der Nationalen Sicherheitsstrategie wird weniger in Berlin, sondern maßgeblich in Kyjiw, Tbilisi, Sarajevo, Skopje und Prishtina entschieden.
Bedauern Sie, dass es keinen Nationalen Sicherheitsrat geben wird?
Ich finde, wir sollten den Nationalen Sicherheitsrat, der jetzt nicht kommen wird, nicht überhöhen. Der ist ganz sicher kein Allheilmittel. Die Regierung hat ja genügend Möglichkeiten, sich in der Außen- und Sicherheitspolitik zu koordinieren. Ich werbe aber für einen Sachverständigenrat für Außen- und Sicherheitspolitik, der an den Bundestag angedockt ist und über einen eigenen wissenschaftlichen Stab verfügt. Die außen- und sicherheitspolitische Bedeutung des Bundestages ist im vergangenen Jahr deutlich gewachsen. Abgeordnete sind zu wichtigen Antreibern und Erklärern der deutschen Ukraine-Politik geworden. Ein solches Expertengremium würde den Bundestag als zentrales Forum für außen- und sicherheitspolitische Debatten weiter stärken und die notwendige Expertise beisteuern, um künftig weitsichtigere Entscheidungen treffen zu können.
Wie feministisch wird die Nationale Sicherheitsstrategie sein?
Ich werbe seit Jahren dafür, die Interessen von Frauen in der Außen- und Sicherheitspolitik stärker zu berücksichtigen. Dabei geht es um Rechte, Repräsentation und Ressourcen. Wenn wir weltweit wirklich nachhaltigen und gerechten Frieden schaffen wollen – und darum geht es ja auch in der Ukraine -, dann geht das nicht ohne Frauen. Keinem Mann fällt ein Zacken aus der Krone, wenn er sich diesem Begriff Feminismus und auch feministischer Außenpolitik entspannt und locker nähert. Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern tut allen gut.
Mit einem Schreiben aus dem Osterurlaub hat Verteidigungsminister Boris Pistorius versucht, den Spekulationen und Debatten über den Umbau an der Spitze des Ministeriums entgegenzutreten. Der Ressortchef bestätigte in dem Brief einige erwartete Veränderungen in der Leitungsebene und kündigte die Wiedereinsetzung eines zentralen Planungsstabs an. Manche vermutete Entlassungen in Spitzenämtern nannte er dagegen nicht, bereitete die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums aber auf weitere Umstrukturierungen vor.
Grund für den Umbau an der Spitze, den der im Januar ins Amt gekommene Minister plant, ist die aus seiner Sicht zu schwerfällige und langsame Struktur des Wehrressorts. “Meine Analyse, dass wir uns als Haus mit Blick auf die neuen Herausforderungen besser aufstellen müssen, teilen viele von Ihnen”, schreibt Pistorius in dem Rundbrief an Soldatinnen und Soldaten sowie die zivilen Mitarbeitenden des Ministeriums am Gründonnerstag. Bereits kurz nach Amtsantritt hatte der neue Minister deutlich gemacht, dass er die Organisationsstruktur für die Aufgaben eines für die Streitkräfte zuständigen Ministeriums für unzureichend hält.
Als konkreten Umbauschritt nannte Pistorius in seinem Schreiben vorerst nur die Einrichtung eines Planungs- und Führungsstabes. Er soll von Brigadegeneral Christian Freuding geleitet werden, dem derzeitigen Chef des Ukraine-Lagestabes im Ministerium. Angaben zu Struktur und vor allem Kompetenzen dieses zentralen Stabes machte der Minister nicht. Der Planungsstab, wie er unter Ressortchef Helmut Schmidt in den 1960ern eingerichtet worden war, wurde von Minister Thomas de Maizière im Oktober 2011 im Zuge einer Verschlankung der Ministeriumsspitze aufgelöst.
Unklar bleibt zunächst, ob der neue Planungs- und Führungsstab neben die bestehenden Abteilungen des Ministeriums tritt, ihnen übergeordnet wird oder wesentliche Kompetenzen zum Beispiel der Abteilungen Politik und “Strategie und Einsatz” erhält. Bei Auflösung des Planungsstabes 2011 waren dessen Aufgaben in der damals neu eingerichteten Abteilung Politik aufgegangen. Der ebenfalls im Zuge der damaligen Umstrukturierung aufgelöste “Führungsstab der Streitkräfte” war zum Aufbau vor allem der im Ministerium angesiedelten Abteilung “Strategie und Einsatz” genutzt worden.
Pistorius kündigte in dem Rundschreiben an, er werde “zeitnah mit allen Gremien sprechen und habe Sie bereits zu Mitarbeitendenversammlungen nach den Ostertagen eingeladen”. Dort werde er “meine Pläne – insbesondere zur Ausgestaltung des Planungs- und Führungsstabes – vorstellen, meine Beweggründe ausführlich erläutern und mich vor allem mit Ihnen austauschen”.
Im Gegensatz zu den Strukturentscheidungen stehen dagegen weitere Personalentscheidungen bereits fest. So stimmte das Bundeskabinett nach Angaben des Ministers dem Vorschlag zu, die Abteilungsleiterin “Infrastruktur, Umweltschutz, Dienstleistungen”, Barbara Wießalla, in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen und durch Alexander Götz zu ersetzen. Der war bislang Abteilungsleiter im niedersächsischen Innenministerium. Wießallas bisheriger Vertreter Roland Börger wird neuer Präsident des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw) – ein entscheidender Posten angesichts des enormen Rückstandes bei der Sanierung unter anderem von Kasernen und Munitionsdepots.
Nicht bestätigt wurden dagegen von Pistorius bisher zwei weitere Toppersonalien: Sowohl der für Rüstung zuständige Staatssekretär Benedikt Zimmer als auch der für die Beschaffung zuständige Abteilungsleiter Ausrüstung, Vizeadmiral Carsten Stawitzki, bleiben offenbar in ihren Ämtern. Den Posten des Generalinspekteurs der Bundeswehr hatte der Minister bereits im März mit Carsten Breuer besetzt; zudem rückte die bisherige stellvertretende Präsidentin des wichtigen Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw), Annette Lehnigk-Emden, an die Spitze der Behörde. Als neuen für die Verwaltung zuständigen Staatssekretär hatte der Minister Nils Hilmer eingesetzt, zuvor in Pistorius’ niedersächsischem Innenministerium Abteilungsleiter.
Die Bayraktar TB-2-Drohne der Firma Baykar Teknoloji aus Istanbul hat sich zum internationalen Verkaufsschlager entwickelt. Sie gilt als robust und zuverlässig, ist konkurrenzlos günstig und hat in mehreren heißen Konflikten das militärische Blatt gewendet. Weniger bekannt ist die größere, für doppelte Nutzlast ausgelegte Anka-S-Drohne des staatlichen Herstellers Turkish Aerospace Industries (TAI), die seit 2018 in Syrien, Libyen und Bergkarabach zum Einsatz kam, aber bisher kaum exportiert wurde.
Vor allem der Krieg in der Ukraine und die davon verbreiteten Videos haben zu einer Wahrnehmungsveränderung des militärischen Nutzens von Drohnen geführt. Die türkischen Drohnenkriege wirkten als perfekte Werbeplattform.
Eine Chronologie:
“Drohnen haben in bewaffneten Konflikten den Vorteil, dass sie in einer sehr geringen Höhe fliegen, deshalb für viele Radarsysteme nicht sichtbar sind und lange in der Luft bleiben können. Aber sie sind sehr langsam, können nur wenige Waffen tragen und sich nicht verteidigen”, sagt Ilhan Uzgel, Professor für internationale Beziehungen an der Universtität Ankara.
Drohnen könnten eine Nische vor allem in Kriegen mit geringer Intensität besetzen. Vor dem Krieg in der Ukraine galten die US-amerikanischen Reaper- und Predator-Drohnen als Stand der Technik, wurden aber wegen der Proliferationsgefahr nur an wenige befreundete Nationen abgegeben. Nachdem der US-Kongress den Verkauf an die Türkei untersagt hatte, ordnete Regierungschef Recep Tayyip Erdoğan in den 2000er Jahren eine technologische Rüstungsoffensive an, in deren Zentrum die Produktion eigener Drohnen primär zum Kampf gegen die PKK stand.
Zwei Drohnenproduzenten gingen aus den Bemühungen der Regierung um rüstungspolitische Unabhängigkeit hervor: die staatliche TAI und die Istanbuler Maschinenbau-Familienfirma Baykar Teknoloji, die sich nach der Jahrtausendwende als Rüstungs-Startup neu erfand. Vorstandsvorsitzender und Chefingenieur ist Selçuk Bayraktar (43). Er studierte in den USA und ist ein Schwiegersohn Erdoğans.
Mit relativ geringen Investitionen und auf dem Weltmarkt frei verfügbaren technischen Komponenten brachte er 2014 die erste Bayraktar-Überwachungsdrohne zur Einsatzreife, 2015 gelang ihr der erste Raketenabschuss. Die Firma wirbt damit, mit der TB-2 Weltmarktführer bei Kampfdrohnen zu sein.
Reichweite, Geschwindigkeit, Steuerung und Nutzlast der türkischen Drohnen sind im Vergleich zu US-Drohnen schwach. Die TB-2 kann aber 24 Stunden in einer Höhe von 7.300 Metern fliegen und eine Nutzlast von 150 Kilo bewegen, rund doppelt so viel wie das chinesische Konkurrenzmodell Wing Loong 2. Sie kann Ziele mit lasergesteuerten Raketen treffen. “Sie ist effektiv in Konflikten ohne hochtechnisierte Gegner“, sagt Wolfgang Richter, Militärexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). “Aber sie eignet sich kaum gegen einen mächtigen staatlichen Kontrahenten, der integrierte Luftverteidigungssysteme besitzt.”
TB-2-Drohnen werden mit tragbaren Befehlsstationen und Kommunikationsgeräten für einen geschätzten Komplettpreis von rund 6 Millionen US-Dollar verkauft, während ein US-Reaper-System etwa das Sechsfache kostet. Ein entscheidender Nachteil der TB-2-Drohne ist ihre Abhängigkeit von bodennaher Steuerung, während die US-Drohnen satellitengestützt operieren.
Bei der Analyse abgestürzter TB-2-Drohnen stellten Experten 2020 zudem fest, dass diese auf zahlreiche importierte Komponenten angewiesen waren. Nach Protesten Armeniens, die zu Exportsanktionen gegen die Türkei führten, stammen laut Baykar-Angaben jetzt nur noch sieben Prozent aus dem Ausland. Bei diesen handele es sich jedoch um zentrale Hightech-Elemente, erklärt Uzgel: “Die optischen Systeme, die sensiblen Teile der Raketen, die Computerchips zur Fernsteuerung müssen noch immer importiert werden.”
Befeuert durch den Ukraine-Konflikt, schreitet die technische Entwicklung militärischer Drohnen rasant voran. Neuentwicklungen wie die Bayraktar TB-3-Drohne und die mit einem ukrainischen Iwtschenko-Düsenantrieb ausgestattete Überschall-Tarnkappendrohne “Kızılelma” sind im Begriff, die Serienreife zu erreichen. Die Türkei liefert ihre Drohnen an fast alle Interessenten. Laut dem US-Internetjournal “World Politics Review” wurden die TB-2-Drohnen an mindestens 27 Länder verkauft, darunter auch an das Nato-Mitglied Polen. Frank Nordhausen
China Strategie 2023. 3 Stunden, 3 Sessions, 30 Köpfe aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Table.Media beleuchtet am 25. April China als Wettbewerber, Rivale und Partner. Die Digital-Konferenz schafft mitten in der aktuellen Debatte Orientierung für Entscheiderinnen und Entscheider.
Frankreichs Verteidigungsminister Sébastien Lecornu hat vergangene Woche die Pläne für das Militärbudgetgesetz Loi de Programmation Militaire (LPM) im Ministerrat vorgestellt. 413 Milliarden Euro – das war schon vorher bekannt – will Präsident Emmanuel Macron zwischen 2024 und 2030 investieren, das Parlament muss dem Gesetz noch zustimmen. Wenn es nach dem Verteidigungsministerium ginge, würde das noch vor dem Nationalfeiertag am 14. Juli geschehen.
Lecornu hat jetzt in einem 12-seitigen Papier die wichtigsten Posten dargelegt, zuletzt hatte er bei mehreren Gelegenheiten Einblicke in die Vorhaben gegeben, Table.Media berichtete. Das Budget soll ab 2024 um 3,1 Milliarden Euro erhöht werden, danach in 3 Milliarden-Euro-Schritten und ab 2028, wenn Macron nicht mehr Präsident ist, in 4,3-Milliarden-Euro-Schritten steigen. Das erhöhte Budget aufzutreiben, wäre dann das Problem der Nachfolgeregierung. 2030 wäre das Jahresbudget für die Streitkräfte mit 69 Milliarden Euro dann doppelt so hoch, wie noch 2017 bei Macrons Amtsantritt. “Über so einen langen Zeitraum ist nicht gesagt, dass der Wind sich nicht drehen kann”, sagt Jacob Ross von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).
30 Milliarden Euro werden nach aktuellen Berechnungen der Inflation zum Opfer fallen. Mit dem konkretisierten Plan wird beispielsweise die Beschaffung einiger Rafale-Kampfjets um zwei Jahre nach hinten verschoben, 2030 hätte die Luftwaffe statt 185 nur 137 der Flieger. Von den 300 gepanzerten Fahrzeugen Jaguar, die bis 2030 ausgeliefert werden sollten, würden vorerst “rund hundert weniger kommen”, sagte Lecornu. Auch die Marine bekomme bis 2030 nur drei der zunächst angekündigten fünf Fregatten.
“Aus der Industrie hört man, dass man den Eindruck habe, man bekomme weniger als vorher, obwohl mehr Geld da ist”, sagt Gaspard Schnitzler vom französischen Thinktank Institut de Relations Internationales et Stratégiques (Iris). Die industrienahe Zeitung La Tribune schreibt von einem “Schlag für das Heer”, weil einige Panzer und gepanzerte Fahrzeuge erst später ausgeliefert oder modernisiert werden sollen. Dafür wurde der Pflichtdienst Service National Universel aus dem Budget gestrichen, was jährlich 2 Milliarden Euro einspart. bub
Acht Jahre nach Beginn des Kriegs im Jemen sind am Osterwochenende Diplomaten Saudi-Arabiens und Omans in der Hauptstadt Sanaa mit Vertretern der herrschenden Houthi-Rebellen zusammengekommen. Ziel des Treffens sei es, “Möglichkeiten zur Erreichung eines umfassenden und dauerhaften Friedens in der Region” zu finden, sagte Mohammed al-Bukaiti, der der Führung von Ansar Allah angehört, die besser als Houthis bekannt sind. 2014 hatten Houthi-Kämpfer Sanaa erobert; im März 2015 intervenierte die Luftwaffe Saudi-Arabiens in den Konflikt im Nachbarland.
Politische Beobachter rechnen damit, dass noch diese Woche ein im vergangenen Oktober ausgelaufener Waffenstillstand zwischen der saudischen Führung um Kronprinz Mohammed Bin Salman und Ansar Allah erneuert wird, der zunächst sechs Monate gelten solle. Darauf deutet auch ein Besuch des stellvertretenden türkischen Außenministers, Burak Akçapar, am Montag in Riad hin, der sowohl mit jemenitischen Regierungsmitgliedern wie mit Vertretern des einflussreichen Golf-Kooperationsrats (GCC) zusammenkommen wollte.
Neben zahlreichen internen Konflikten sind die Auseinandersetzungen im Jemen maßgeblich vom Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und Iran geprägt, das die schiitisch-zaidische Ansar Allah militärisch wie politisch unterstützt. Nach dem historischen Treffen des saudischen Außenministers mit seinem iranischen Amtskollegen vergangene Woche in Peking gilt ein Waffenstillstand im Jemen als möglicher erster Erfolg der neuen Zusammenarbeit zwischen den beiden rivalisierenden regionalen Hegemonialmächten. Sieben Jahre nach Abbruch diplomatischer Beziehungen hatten sie sich im März auf die Wiedereröffnung ihrer Botschaften in Riad und Teheran sowie die Entsendung von Botschaftern geeinigt. mrb
Foreign Affairs – Small Countries, Big War (Paywall): Im Kaukasus und im Nahen Osten leben viele ethnische Gruppen auf engem Raum. Die multiplen Konflikte lassen ungewöhnliche Partnerschaften entstehen. Der schiitisch geprägte Iran nähert sich dem mehrheitlich christlichen Armenien an, Israel und die Türkei bilden eine strategische Allianz mit dem überwiegend schiitischen Aserbaidschan. Eine erhellende Analyse über die Beziehungsgeflechte im Südkaukasus und ihre Konsequenzen, die über die Region hinausgehen könnten.
Doku: ARD-Mediathek – Können wir Krieg? Nach einem Jahr Zeitwende und 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen gilt weiterhin, dass Deutschland nur für ein bis zwei Tage Gefecht Munition hätte. Bei anderen Baustellen wie der persönlichen Ausrüstung hat sich aber einiges getan. Die Dokumentation beleuchtet neben der Ausrüstung auch die Auswirkungen der Zeitenwende auf Deutschlands Verbündete. 43 Minuten.
The Economist – Guam, where America’s next war may begin (Paywall): Die Insel Guam – 48 Kilometer lang, mit rund 170.000 Einwohnern – ist der westlichste Fleck der USA und hilft den Vereinigten Staaten, ihren Einfluss auf den Indopazifik auszudehnen. Bei einem Konflikt zwischen China und den USA könnte sie eines der ersten Angriffsziele Chinas sein. In Guam mache man sich derzeit aber mehr Sorgen wegen der braunen Baumschlange als über einen chinesischen Angriff. Wie sich die USA dort für einen Konflikt rüsten und welche die Schwachstellen sind.
Podcast: War & Peace – Protests in Georgia and Tbilisi’s Complicated Relationships with Russia and the West: Viele Georgier sind trotz des Entgegenkommens ihrer Regierung nach den jüngsten Protesten enttäuscht. Russlands Krieg in der Ukraine erinnert viele Menschen in Tiflis an den fünftägigen Krieg 2008. 38 Minuten über die Hintergründe der Proteste und die mögliche Zukunft des Landes zwischen Russland und dem Westen.
Der Spiegel – »Keiner will gern andere Menschen erschießen« (Paywall): Der Kommandeur des Zentrums Innere Führung der Bundeswehr, Markus Kurczyk, spricht im Interview über die Zusammenarbeit mit jungen Rekrutinnen und Rekruten. Es sei besser, wenn sie sanfter geweckt würden und er sagt, wie sich Rollenverständnisse in der Bundeswehr ändern müssten und warum er die für die Bundeswehr gewinnen will, die sich fürs Klima auf die Straße kleben.
Mehr als ihr halbes Leben ist Anna Prehn bereits bei der Bundeswehr. 2018 trat sie – als dritte Frau überhaupt in der deutschen Marine – zum ersten Mal ihren Dienst als Kommandantin an. Nicht die erste zu sein, bringt Gutes mit sich. “Ich stand nicht so sehr im Rampenlicht wie die beiden ersten Frauen”, sagt sie. “Denn die erste zu sein, kann auch anstrengend sein.”
Prehn, Jahrgang 1984, weiß, wovon sie spricht. Seit sie 2002 zusammen mit etwa 20 anderen Frauen und knapp 180 Männern den allgemeinen Dienst antrat, war sie in vielen Verwendungen und auf vielen Positionen die erste Frau. Im Libanon zum Beispiel, wo sie 2016 für rund vier Monate als Verbindungsoffizierin die Leitung des Ausbildungskommandos der Friedensmission “United Nations Interim Force in Lebanon” (UNIFIL) übernahm – ein Einsatz, für den sie als “Peacekeeper of the Year 2017” ausgezeichnet wurde. Oder 2020, als sie als erste Frau an der Helmut-Schmidt-Universität die Leitung des Studierendenfachbereichs Alpha übernahm, bis sie 2022 in Elternzeit ging.
Die erste Frau zu sein, das heißt, die berühmten Pflöcke einzuschlagen – aber auch Dinge anders zu machen. “Ich wäre beruflich nicht da, wo ich jetzt bin, wenn es nicht auch Männer in der Bundeswehr gäbe, die meine Art und meine Arbeit schätzen”, sagt Prehn. Zu Beginn sei es eher leider so gewesen, dass sich die Frauen als Konkurrentinnen gesehen hätten. “Das habe ich so auch noch in meinen ersten Jahren als Führungskraft wahrgenommen. Es ist mir inzwischen ein großes Anliegen, das zu ändern.”
Abbringen ließ sich Prehn, geboren in Mecklenburg-Vorpommern, nie von ihrem Weg. Während ihrer Ausbildung zur Wachoffizierin in der Seeminenkriegsführung, unter anderem in Bremerhaven, fuhr sie drei Jahre zur See, meist auf dem Minenjagdboot “Bad Bevensen”. Unter anderem auch im Minenabwehrverband der Standing Nato Mine Countermeasure Group 2 (SNMCMG2) im Mittelmeer. Schon mit 27 Jahren hatte sie ihr Kommandantenzeugnis erlangt.
Doch statt direkt als Kommandantin zur See zu fahren und als “Befehlshaberin” die Verantwortung für ein Kriegsschiff zu haben, öffnete sich in ihrer Karriere ein neues Feld. Weil die Personalführung in Köln der Meinung war, sie wäre mit 27 zu jung für die Verwendung als Kommandantin, sollte sie selbst in die Personalführung wechseln. “Für mich war das damals okay, eine Seefahrtspause einzulegen. Viele Frauen waren bereits nach ein, zwei Jahren ausgestiegen, sei es wegen Schwangerschaft, oder weil eben Frauen an Bord es zum Teil doch schwerer hatten.”
Auch Prehn wollte sich zurückziehen aus schnellen, wichtigen Entscheidungen an Bord, geriet allerdings mitten in die “Neuausrichtung der Bundeswehr” mitsamt Aussetzung der Wehrpflicht, Standortschließungen und Zusammenlegung verschiedener Bereiche. Wieder eine intensive Zeit, die nicht spurlos an ihr vorüberging. Der Kinderwunsch war groß, aber schwer vereinbar mit dem Job. Sie rutschte in den Burn-out, das Ziel, Kommandantin zu werden, schien in weite Ferne zu rücken. Doch sie kämpfte sich zurück, trat – nach fünf Jahren Abstand zu ihrer Zeit als Wachoffizierin – tatsächlich ihren Dienst als Kommandantin an.
“In dieser Zeit lernte ich vor allem, mich auf mein einwandfreies Personal zu verlassen und ihnen zu vertrauen.” Dann war sogar möglich, was lange schier außer Reichweite schien: der Lehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National (LGAN), die höchstwertige Ausbildung bei der Bundeswehr.
Aktuell ist Prehn in Elternzeit. Zwei Jahre Auszeit will sie sich für ihren Sohn, ihre Familie und die persönliche Weiterbildung nehmen. Kurz hatte sie die Befürchtung, dass die Bundeswehr ihre lange Auszeit aufgrund “dienstlicher Notwendigkeiten” – dem Krieg in Europa – nicht bewilligt. Aber das war kein Thema. “Sollte sich die Lage verschlechtern, wäre eine erneute Verwendung als Kommandantin an Bord zwar eher unwahrscheinlich, aber auch nicht ganz ausgeschlossen.” Lisa-Martina Klein