Table.Briefing: Security

Maritimes Abwehrzentrum in Cuxhaven wird ausgebaut + Wie Ernst Putins Drohungen wirklich sind

Liebe Leserin, lieber Leser,

neu war an Wladimir Putins Rede gestern nur eines: die selbstsichere Art, wie Putin seine Drohungen an den Westen richtete. Die strategischen Atomkräfte seien “in voller Bereitschaft zur Anwendung”. Es lässt darauf schließen, dass er sich in seiner Machtposition sicher glaubt und zu keinen Gesprächen bereit ist, schreibt Viktor Funk.

Gut gemeint, schlecht gemacht? Die Leitlinien zur Feministischen Außenpolitik (FAP) der Bundesregierung werden heute ein Jahr alt. Lob und Kritik liegen so weit auseinander wie vor einem Jahr: Die einen sehen sie als unverzichtbaren Wertekompass für außenpolitische Initiativen an, die anderen halten sie, vor allem im Konfliktfall, für realitätsfern. Nana Brink zieht ein erstes Fazit.

Den Schutz maritimer Infrastruktur wie Gaspipelines, Untersee-Stromkabel und Windanlagen hat die Bundesregierung bis zu den Angriffen auf die Nord Stream-Pipelines sträflich vernachlässigt. Umso mehr Druck hat sie jetzt, Lagebild- und Koordinierungsfähigkeiten aufzubauen. Dafür könnte das Maritime Sicherheitszentrum in Cuxhaven aufgewertet werden. Ich habe mir vor Ort einen Eindruck verschafft und analysiere, warum ein Ausbau vermutlich hinter dem zurückbleiben wird, was gebraucht wird.

Eine aufschlussreiche Lektüre zum Start ins Wochenende wünscht

Ihre
Lisa-Martina Klein
Bild von Lisa-Martina  Klein

Analyse

Abwehr von Unterwasserangriffen: Sicherheitszentrum in Cuxhaven soll ausgebaut werden

Das Maritime Sicherzeitszentrum in Cuxhaven soll künftig eine zentrale Rolle beim Schutz maritimer Infrastruktur spielen.

Das Maritime Sicherheitszentrum (MSZ) in Cuxhaven ist ein imposanter Bau. 2017 fertiggestellt, 23 Millionen Euro teuer, hochmodern ausgestattet, thront es direkt am Hafen der knapp 50.000-Einwohner-Stadt. Es ist ein Unikat in der deutschen Behördenlandschaft. Über Ressort- und Bundesländergrenzen hinweg vereint es Vertreter aller für die Sicherheit der Schifffahrt zuständigen Behörden unter seinem Flachdach: das Havariekommando, die Bundespolizei (See), die Wasserschutzpolizeien der fünf Küstenländer, die Deutsche Marine, den Zoll, den Fischereischutz und die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. 

Im Herzen, dem Gemeinsamen Lagebild See, laufen Informationen zu Schiffsverkehr, Wetterlage und Infrastruktur in einem großen, offenen Lagebild zusammen. Bei der Eröffnung 2017 sagte der damalige Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) – in dessen Geschäftsbereich das MSZ fällt – Cuxhaven sei “für die maritime Sicherheit, was Houston in Texas für die Raumfahrt ist – ein Koordinierungszentrum von Weltrang”

Maritime Sicherheit – Bundeskanzleramt macht Druck

Fünf Jahre nach Dobrindts Rede lassen Unbekannte an den Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee viele Kilo Sprengstoff detonieren. Verhindern konnten Bundespolizei und Marine, die Geheimdienste oder der Eigentümer, die Nord Stream AG, die Sabotage nicht. Kaum einer hat eine genaue Vorstellung von dem, was sich unter der Wasseroberfläche in Nord- und Ostsee abspielt. Die Betreiber sind zwar in erster Linie für den Schutz ihrer Anlagen verantwortlich. Gegen Bedrohungen durch einen staatlichen Akteur, der derart im Verborgenen agieren kann, ist ein privates Unternehmen aber auf staatliche Unterstützung angewiesen.

Eine Arbeitsgruppe, angeleitet durch das Bundeskanzleramt, arbeitet seither mit Hochdruck an einer besseren Abstimmung zwischen den beteiligten Ressorts – hauptsächlich Innen-, Verteidigungs- und Verkehrsministerium – zum Schutz maritimer Infrastruktur. Ein Aufbaustab, bestehend aus Vertretern von Bund und Ländern, prüft dafür seit einem Jahr auch das Ausbaupotenzial des “Koordinierungszentrums von Weltrang” in Cuxhaven. 

Und muss feststellen: Das MSZ war bisher nur für die “maritime safety” gedacht, also die Sicherheit der Menschen in der Schifffahrt. Nicht aber für die “maritime security” oder gar “defence”, die Sicherheit und Verteidigung der Infrastruktur vor Terroristen oder staatlichen Akteuren mit kriegerischen Absichten. 

Zusammenarbeit mit den Betreibern stärken

Es fehlt daher nicht nur an der Koordinierung bei der Gefahrenabwehr, im Polizei- oder Militärsprech einer Kommandostruktur. Im Ernstfall braucht es eine schnelle, rechtssichere Koordinierung zwischen Bund, Ländern und dem Militär. Es fehlt auch an der Eignung und Fähigkeit zur Erstellung eines “roten” (Unterwasser-)Lagebilds. Dort könnten als geheim eingestufte militärische und geheimdienstliche Informationen, offene Daten aus der Schifffahrt, von Satelliten und polizeilichen Behörden dargestellt werden – vor allem zu besonders kritischer und verteidigungsrelevanter Infrastruktur.

Und, ein wesentlicher Punkt, der bislang im Lagebild des MSZ fehlt: die Sensor- und Kameradaten von privaten Betreibern maritimer Anlagen. Auf der Basis dieser Informationen könnten dann – eine Kommandostruktur vorausgesetzt – bei akuter Bedrohung eine entsprechende Reaktion ausgelöst, die Betreiber gewarnt oder eine Empfehlung an die Bundesregierung ausgesprochen werden. Bislang verfügt nur das Havariekommando über eine solche Kommandostruktur, das nach einem Schiffsunglück schnell und unbürokratisch auf verfügbare Schiffe und Personal aller Behörden im MSZ zurückgreifen kann.

Um zusätzlich eingestufte militärische Informationen abbilden zu können, bräuchte es im MSZ aber abgetrennte Räumlichkeiten, eine hochgesicherte IT-Infrastruktur, den besten Schutz vor Cyberattacken, eventuell sogar eine gehärtete Fassade. Vor Anfang des kommenden Jahrzehnts wäre ein solch umfassendes Zentrum wohl kaum einsatzbereit.

Kommunikationsstrategie soll Richtung klarmachen

Wie viel Zeit bis zu einem erneuten Angriff wirklich bleibt, weiß niemand. Russische Schiffe kartografieren seit Jahren die westliche Infrastruktur, Nato-Offizielle gehen gar davon aus, dass wichtige Infrastrukturpunkte bereits vermint sein könnten. Noch wird verdächtiges Verhalten ziviler russischer Schiffe mit eventuell militärischen Mitteln an Bord zu langsam detektiert, weil diese gerne ihr Transpondersignal ausschalten oder manipulieren. Was sie auf Hoher See oder gar unter Wasser machen – unbekannt.

Bei der Bundespolizei und Marine glaubt man nicht so recht daran, dass das MSZ zeitnah die Funktion eines Lagebildzentrums so ausfüllen wird, wie es für Deutschland erforderlich wäre. Die Marine baut parallel weiter ihr eigenes Lagebild auf, das Verteidigungsministerium übernimmt seit Mitte Februar die Funktion als Ansprechpartner für maritime Fragen in der Bundesregierung. Das MSZ könnte aber künftig zumindest als wesentlicher Ansprechpartner für und Bindeglied zu den Betreibern, der Industrie und auch der maritimen Forschung dienen.

Die Anlagenbetreiber könnten dort auch Sicherheitspläne hinterlegen oder Übungen mit Bundes- und Landespolizeien organisieren. Noch im Frühjahr wollen die beteiligten Ressorts eine Kommunikationsstrategie zu den Plänen des MSZ vorlegen. Vielleicht findet sich dort Cuxhaven als “Houston” für die maritime Sicherheit wieder – auch unter Wasser.

  • Bundesregierung
  • Deutsche Marine
  • Kritische Infrastruktur
  • Marine
Translation missing.

Neuer Ton aus Russland: Putin droht mit Waffeneinsatz gegen Ziele im Westen

In seiner Rede zur Lage der Nation und künftiger Politik hatte der russische Präsident Wladimir Putin zwei Adressaten: das Inland und das Ausland. Kurz zusammengefasst: Während sich die Gesellschaft in Russland auf zahlreiche Förderprogramme, Entwicklungsprojekte, über eine angeblich steigende Lebenserwartung und grundsätzlich ein besseres Leben freuen kann, muss sich das Ausland, in erster Linie der Westen, vor dem Einsatz von Atomwaffen hüten.

Putin droht so deutlich und ruhig wie nie zuvor: Die strategischen Atomkräfte seien “in voller Bereitschaft zur Anwendung”. Diese Kräfte wurden allerdings schon drei Tage nach Beginn der Vollinvasion vor zwei Jahren in Alarmbereitschaft versetzt.

Die Rede des russischen Präsidenten, der in zwei Wochen in einer zweifelhaften Wahl wiedergewählt werden dürfte, überrascht weniger im Inhalt, sondern im Ton. Der größte Krieg in Europa seit 1945, den Putin verantwortet, rückte einerseits stark in den Hintergrund: Obwohl Putin mit zwei Stunden und sieben Minuten deutlich länger sprach als vor einem Jahr, bezog er sich viel kürzer auf den Krieg, seine Ursachen und Folgen. Schuld sei – wie immer – der Westen.

Putin nutzt Macrons Vorlage

Andererseits drohte Putin viel unverhohlener als früher. Offensichtlich dankbar für die Vorlage des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, eventuell französische Truppen in die Ukraine zu entsenden, erinnerte Putin “an die, die schon mal ihre Kontingente auf unser Territorium entsandt haben” – eine Anspielung an Hitlers Überfall auf die Sowjetunion. Es ist aber auch eine Warnung vor einem möglichen Angriff oder einem Eindringen auf russisches Territorium. Und zu diesen Territorien gehören nach russischem Verständnis inzwischen auch die besetzten Gebiete im Osten der Ukraine.

Sieben verschiedene moderne Waffensysteme nannte Putin namentlich. Er betonte, dass es weitere in der Entwicklung gebe, eine Auseinandersetzung würde heute tragischer enden als früher. “Sie sollen endlich verstehen, dass wir auch Waffen haben, die wissen das schon, ich habe das gerade erwähnt, die Ziele auf ihrem Territorium treffen können.” Letztlich fasste Putin seine Botschaft an den Westen, der die Ukraine im Widerstand gegen Russlands Aggression unterstützt, knapp und ultimativ zusammen: “Ohne ein starkes und souveränes Russland ist eine stabile Weltordnung unmöglich.”

Geschenke vor der Wahl

Keine halbe Stunde seiner gesamten Redezeit widmete Putin dem Krieg in der Ukraine. Dafür breitete er teils sehr detailliert verschiedene Pläne für gesellschaftliche Entwicklungen aus. Die demografischen Probleme Russlands – nach den Sicherheitsstrukturen Putins zweitwichtigstes Thema seit seinem Machtantritt 2000 – sollen mit neuen Förderprogrammen für Familien behoben werden.

Eine große Familie mit vielen Kindern solle die Norm werden. Gesundheit, Bildung, Künstliche Intelligenz, Krediterlasse für arme Regionen, ein neuer Atom-Eisbrecher namens Stalingrad und selbst eine Gasversorgung für Schrebergärten waren Themen. Zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl, von der Putins wichtigster Herausforderer, der kriegskritische Boris Nadeschdin ausgeschlossen wurde, verteilt der Präsident fiktive Geschenke.

Der Auftritt soll auch vom Krieg ablenken

Seine – wie die Saal-Kamera nicht nur einmal zeigte – einschläfernden Ausführungen, sind beabsichtigt. Der Krieg soll vergessen werden, die eigenen Toten werden lediglich als heldenhafte Opfer und als Vorbilder für ein erstarktes Vaterland erwähnt. Das Ablenken von Problemen, das Versprechen einer goldenen Zukunft, die nach ersten Einschätzungen von Wirtschaftsfachleuten nur durch Steuererhöhungen zu erreichen wäre, erinnert an seine vierstündige Jahrespressekonferenz im Dezember.

Auch damals sollte sein Auftritt den Krieg vergessen machen. Damals wie heute ging es darum zu zeigen, dass hier ein Machtmensch steht, der keine Zweifel an seinem Kurs kennt, der zu Aggression bereit ist und der vor allem allein mit den USA über eine neue Sicherheitsarchitektur für die Welt verhandeln will. Nicht zufällig erwähnte er konkret allein die Vereinigten Staaten, mit denen Russland zu einem “Dialog” über die Fragen “strategischer Stabilität” bereit sei. Es geht um Atomwaffen. Putin schränkte jedoch zugleich fragend ein: “Sie wollen ernsthaft mit uns über die strategische Stabilität diskutieren, während sie zeitgleich, wie sie selbst sagen, Russland auf dem Kampffeld strategisch besiegen wollen?”

Gesprächsbereitschaft klingt anders. Aber Putin sucht sie gar nicht und sendet zumindest in dieser Rede auch keine Anzeichen dafür. Stattdessen wiederholt er so klar wie selten, dass Russlands Platz am Tisch der Mächtigsten ist, koste es, was es wolle.

  • Geopolitik
  • Russland
  • Ukraine
  • Ukraine-Krieg
  • Wladimir Putin

Bilanz nach einem Jahr feministische Außenpolitik: Das sind die Widersprüche, Hürden und Grenzen

Im Koalitionsvertrag der Ampel war noch von einer “Feminist Foreign Policy” (FFP) die Rede. Man wählte damals bewusst den englischen Begriff. “Feministische Außenpolitik ist ein Buzzword, das zu Diskussionen führt. Ich finde das eigentlich etwas Positives, weil es immer ein Einstieg in ein Gespräch ist”, sagt Gesa Bräutigam, seit August 2023 Botschafterin für feministische Außenpolitik (FAP) im Auswärtigen Amt.

Ein Jahr nach den Veröffentlichungen der Leitlinien hat sich der Begriff zumindest im Bundestag etabliert. Im Parlamentskreis “Feministische Außenpolitik” sitzen nicht nur Vertreterinnen der Ampel-Fraktionen wie Agnieszka Brugger, Vize-Fraktionschefin der Grünen, oder Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses (FDP): “Ich halte feministische Außenpolitik, auch wenn der Begriff bei manchen immer noch Kopfschütteln auslöst, für zeitgemäß.”

Die Diskussionen darüber sind allerdings geblieben. Annette Widmann-Mauz, die die CDU in diesem informellen Gremium vertritt, erklärt Table.Media: “Bei allen aktuellen Krisen und Entwicklungen – ob Iran, Afghanistan, Israel oder in der Ukraine – wo die feministische Außenpolitik wirklich gefordert wäre, stößt sie schnell an realpolitische Grenzen.”

Leitlinien wichtig für außenpolitische Initiativen

Dem widerspricht Botschafterin Bräutigam: “Die Leitlinien sind wichtig für unsere außenpolitischen Initiativen. Zum Beispiel ganz aktuell unser Engagement für die Opfer von sexualisierter Gewalt durch die Hamas. Wir setzen uns in der EU für verschärfte Sanktionen gegen die Hamas ein. Aber genauso wichtig ist unser Eintreten für die humanitäre Hilfe in Gaza und dort ganz besonders mit dem Blickwinkel auf Frauen und Kinder.”

Erst wenige Länder wie Schweden, Kanada und Mexiko haben sich zu einer FFP bekannt. Die schwedische Außenministerin Margot Wallström hat sie 2014 als Erste salonfähig gemacht. Die neue konservative Regierung in Schweden hat sie allerdings letztes Jahr gekippt. Kritik kommt derzeit nicht nur aus konservativen Kreisen, sondern auch von zivilgesellschaftlichen Akteurinnen.

FAP geht an der Lebensrealität oft vorbei

Die deutsche Friedens- und Sicherheitsberaterin Johanna Wolf de Tafur, die unter anderem für die OSZE und UN arbeitet, hält die FAP zwar für einen “interessanten Ansatz”: In der Praxis gehe er aber an der Lebensrealität vieler Menschen vorbei. “Ich benutze das Wort ‘feministisch’ nicht in meiner Arbeit, da verliere ich sofort den Zugang zu vielen Menschen. Ich spreche von Gerechtigkeit”. Wolf de Tafur leitete 2012 das UN-Menschenrechtsbüro in Maniema, einer Provinz der Demokratischen Republik Kongo. Entscheidend für ihre Arbeit sei es gewesen, mit den Frauenorganisationen vor Ort zu sprechen. Sie hätten viel Erfahrung mit Ungerechtigkeiten und hätten längst eigene Strategien entwickelt, um damit umzugehen. “Anstatt sie zu belehren, sollten wir von ihnen lernen”.

Für Botschafterin Bräutigam ist “FAP kein Zauberstab. Wir alle wissen, wie die Situation zum Beispiel im Iran ist, insbesondere die Situation von Frauen und Mädchen ist desolat. Das Agieren im Iran ist für uns großen Beschränkungen unterworfen und das Land ist bereits jetzt eines der am stärksten sanktionierten der Welt”. Die Iran-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Azadeh Zamirirad, hingegen meint: “Was für Ressourcen bringe ich eigentlich auf, um gesellschaftliche Kräfte im Iran zu stärken? Und da tun wir bislang zu wenig.”

Es sei wichtig, die iranischen Frauen in der Diaspora einzubeziehen bei der Einführung von Sanktionen, damit diese nicht mehr schaden, als nutzen. Als Beispiel führte Zamirirad eine EU-Sanktion gegen einen iranischen Cloud-Dienst an, dem vorgeworfen wurde, mit dem iranischen Staat zu kooperieren. Aber auch viele Iranerinnen hätten ihn genutzt, um die Zensur zu umgehen. “Und das ist ein Beispiel, was unter iranischen Aktivistinnen sehr stark umstritten war.”

“Real-Feminismus” schließt auch Waffenlieferungen ein

Außenministerin Annalena Baerbock prägte damals den neuen Begriff des “Real-Feminismus”. Dieser schließe sowohl Waffenlieferungen als auch die Anwendung von militärischer Gewalt als ultima ratio ein. Eine Interpretation, die nicht überall auf Zustimmung stößt. Ein zentrales feministisches Anliegen sei zum Beispiel die Reduzierung von Gewalt und der Schutz der Zivilbevölkerung. “Das würde bedeuten, einen Waffenstillstand in jedem Fall zu unterstützen, was die Außenministerin mit Bezug auf den Gazastreifen nicht gefordert hat”, analysiert Claudia Zilla, Expertin für feministische Außenpolitik bei der SWP.

Zilla, die zum Beraterkreis bei der Entwicklung der Leitlinien im Auswärtigem Amt gehörte, ist Herausgeberin einer umfangreichen Studie zur Umsetzung der feministischen Außenpolitik, die Ende Februar erschienen ist. Sie fragt weiter: “Wie verträgt sich eine FAP mit der Zeitenwende? Da gibt es viele Widersprüche, zum Beispiel setzt sich FAP für Abrüstung ein. Was wir aber erleben, ist eine zunehmende Militarisierung.”

Als einen Erfolg verbucht Botschafterin Bräutigam die Einführung des sogenannten Gender Budgeting. Zum ersten Mal werden Projekte im Auswärtigen Amt daraufhin überprüft, ob sie zur Gleichstellung der Geschlechter beitragen. “Wir vergeben unsere Projektmittel so, dass die Bedürfnisse von Frauen und marginalisierten Gruppen mitbedacht werden. Acht Prozent der Mittel sollen so eingesetzt werden, dass sie die Gleichstellung schwerpunktmäßig fördern”. Auch personell soll die FAP sichtbar werden: Bis zum Sommer 2024 soll jede dritte deutsche Botschaft von einer Frau geführt werden.

  • Annalena Baerbock
  • Außenpolitik
  • Feminismus
  • Feministische Außenpolitik
  • OSZE

News

Waffen gegen Investitionen: Frankreich und Katar wollen Interoperabilität erhöhen

Katar will bis 2030 10 Milliarden Euro in Frankreich investieren und setzt im Gegenzug auf eine stärkere militärische Kooperation. Das katarische Geld soll hauptsächlich in Halbleiter-Technologie, in die Energiewende, Luftfahrt, Künstliche Intelligenz, Gesundheit und Kultur fließen.

Am Dienstag hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den katarischen Emir Tamim bin Hamad Al Thani, der bis Mittwoch in Paris blieb, im Elysée mit den Worten empfangen: “Ihr Land ist ein Freund Frankreichs, ein treuer Partner, auf den es in schwierigen Situationen zählen kann.” Frankreich bezieht Flüssigerdgas aus Katar, das Emirat kauft französische Waffen, zum Beispiel Rafale-Kampfjets von Dassault. Derzeit sind 36 der Jets Teil der katarischen Flotte, Doha plant, weitere zu beschaffen.

Im Rahmen der “strategischen Partnerschaft”, von der Frankreich und Katar nach dem Treffen in einer gemeinsamen Erklärung sprachen, haben sich die Staaten darauf verständigt, “die militärischen Kapazitäten Katars zu verstärken und zu modernisieren, insbesondere im Bereich der Infanterie und der Interoperabilität der beiden Streitkräfte“.

Millionen für palästinensische Bevölkerung in Aussicht gestellt

Das französische Wirtschaftsmagazin La Tribune spekuliert, dass der Panzerbauer Nexter, dessen CEO Nicolas Chamussy auch am Abendessen mit den Staatschefs teilnahm, kommende Woche bei der Rüstungsmesse Dimdex in Doha den lange geplanten Verkauf gepanzerter Fahrzeuge VBCI an das Land bekanntgeben könnte.

Macron, der zu Beginn seiner ersten Amtszeit 2017 noch Distanz zu Katar wahrte, sucht den Schulterschluss mit dem strategisch wichtigen Partner in Nahost. Katar hat etwa bei der Vermittlung zur Freilassung von Geiseln der Hamas eine entscheidende Rolle gespielt. Al Thani und Macron riefen erneut zu einem Waffenstillstand im Gaza-Krieg auf und kündigten an, 200 Millionen Euro zur Unterstützung der palästinensischen Bevölkerung bereitzustellen.

Die Staatschefs teilten mit, dass sie “die Unterstützung der libanesischen Streitkräfte weiter verfolgen”, um zur Deeskalation in der Region beizutragen. Paris erhofft sich, dass die libanesische Armee im Süden des Landes die Hisbollah zurückdrängt, um zu verhindern, dass die Miliz die Angriffe auf Israel verstärkt. Der Besuch Al Thanis in Frankreich war sein erster, seit er das Land seit 2013 regiert. bub

  • Frankreich
  • Gaza-Krieg
  • Geopolitik
  • Katar

Vizeadmiral Kaack verteidigt Hessen-Besatzung gegen Kritik an Friendly Fire

Ungeachtet von Berichten über ein Brotschlangenmassaker in Gaza-Stadt am Donnerstag rückt eine Feuerpause im muslimischen Fastenmonat Ramadan näher. Das legen Äußerungen von katarischen, israelischen, ägyptischen und US-amerikanischen Verhandlungsteilnehmern nahe, die über die Freilassung von Dutzenden israelischen Geiseln im Gazastreifen im Gegenzug für humanitäre Hilfen für mehr als 1,9 Millionen geflohene Palästinenser beraten.

Dem Vernehmen nach soll Israel der Freilassung von 21 sogenannten Sicherheitshäftlingen zugestimmt haben, die die Hamas-Führung fordert. Dafür sollen sieben im Gazastreifen festgehaltene israelische Zivilistinnen freikommen. Im November 2023 waren 80 israelische Geiseln im Gegenzug für die Haftentlassung von 240 palästinensischen Gefangenen aus israelischen Gefängnissen freigekommen. Der Deal bildete die Grundlage für eine Feuerpause, die keine zehn Tage hielt.

Biden weckt Hoffnung auf Feuerpause im Ramadan

Anfang der Woche hatte US-Präsident Joe Biden seiner Zuversicht Ausdruck verliehen, dass eine sechswöchige Feuerpause bis zum Ramadan-Beginn am 10. März in Kraft treten könnte. Die Konturen einer möglichen Vereinbarung sehen laut dem israelischen Fernsehsender Channel12 Folgendes vor:

  • Sechs Wochen Feuerpause für  
  • Freilassung von bis zu 40 israelischen Geiseln im
  • Gegenzug für rund 400 Palästinenser in israelischen Gefängnissen

Kaack kündigt Nachschub von Munition für Fregatte Hessen an

Nachdem die im Roten Meer zum Schutz von Handelsschiffen eingesetzte Fregatte Hessen erstmals einen Angriff der aus dem Jemen agierenden Huthi-Miliz abwehren musste, hat der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Jan Christian Kaack, Munitionsnachschub angekündigt. “Wir werden zeitnah Munition nachführen”, sagte Kaack am Donnerstag der dpa.

Ausdrücklich verteidigte er das militärische Vorgehen der Besatzung, die bereits am Montag – erfolglos – auf eine US-Drohne geschossen hatte. Am Dienstag dann habe das an der EU-Militärmission Aspides beteiligte Schiff in Abstand von zwanzig Minuten zwei Drohnen abgeschossen. Kaack bekräftigte, dass für den Einsatz der Fregatte Hessen ausreichend Munition vorhanden sei. Das Bundestagsmandat endet im Februar 2025. mrb/dpa

  • EU
  • Gaza
  • Naher Osten
  • Sicherheitspolitik

EU-Polizeimission im Niger muss “schnellstmöglich” abziehen

Nach Streit mit den Militärmachthabern im Niger sollen die verbliebenen Mitarbeiter der europäischen zivilen Aufbaumission in dem westafrikanischen Land schnellstmöglich ausreisen. “Kurzfristig ist die EU gezwungen, den Abzug der Mission EUCAP Sahel Niger zu beschleunigen. Das internationale Personal der Mission, das von den EU-Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt wurde, wird so schnell wie möglich nach Europa zurückkehren”, teilte eine EU-Sprecherin in Brüssel der Deutschen Presse-Agentur mit. 

Bislang war ein Abzug bis Mai geplant, nachdem die Militärregierung im Niger die Zusammenarbeit im Dezember nach zwölf Jahren aufgekündigt hatte. Die EU protestierte scharf gegen eine Razzia gegen das EUCAP-Hauptquartier in der Hauptstadt Niamey vergangene Woche, bei der Ausrüstung der Polizeimission beschlagnahmt worden war.

Die Aufbaumission mit rund 120 Europäern sollte die Sicherheitsbehörden im Kampf etwa gegen extremistische Gewalt, Drogen-, Waffen- und Menschenschmuggel stärken. Nach dem Putsch im Juli wendet sich die selbst ernannte Übergangsregierung aber von früheren Partnern ab, insbesondere Ex-Kolonialmacht Frankreich. Die Außenstelle der Mission in der Wüstenstadt Agadez an der Migrationsroute nach Norden wurde bereits geschlossen. 

Dazu, wie viele Mitarbeiter noch im Land seien, um den Abzug abzuschließen, wollte die EU aus Sicherheitsgründen keine Angaben machen. Leiterin der Mission ist die deutsche Richterin Katja Dominik. Sie war Ende Januar mit anderen Mitarbeitern der Mission bei der Einreise vorübergehend ausgewiesen worden. Nach dpa-Informationen musste sie zuletzt aus Sicherheitsgründen im Sitz der EU-Delegation in Niamey unterkommen. dpa

  • EU-Mission
  • Niger
  • Sahel

ENISA-Studie: Best Practice bei Cyberkrisen

Die Europäische Netzwerk- und Informationssicherheitsbehörde ENISA hat eine Studie veröffentlicht, wie Best Practices im Fall einer Cyberkrise aussehen könnten. Als Cyberkrisen gelten dabei staatenübergreifende Großschadenslagen. In der Studie schildern die Autoren anhand der Ziele der überarbeiteten Netzwerk- und Informationssicherheits-Richtlinie (in Deutschland als NIS2-Umsetzungsgesetz derzeit noch in der Beratung) Beispiele dafür, wie mit Cyberkrisen umgegangen werden kann. “Krisenmanagement-Prozesse sind für die Arbeitsfähigkeit von größter Bedeutung”, sagt ENISA-Leiter Juhan Lepassaar.

Allerdings ist die Abwehr von digitalen Risiken nach wie vor nationalstaatlich organisiert – mit der NIS2 wird aber das Cyber Crises Liaison Organisation Network (EU CyCLONe) etabliert, mit dem unter den zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten eng zusammengearbeitet werden kann. In der Studie werden zu insgesamt 14 Punkten der NIS2 Best Practices aus den EU-Staaten aus den Bereichen Prävention, Vorbereitung und Bewältigung derartiger Ereignisse vorgestellt.

So sind etwa in Frankreich “überlebenswichtige Betreiber” wie eine Reederei dazu verpflichtet, ihre IT-Landschaft gegenüber der IT-Sicherheitsbehörde ANSSI offenzulegen. Estland sorgt mit einem IT-Mindestsicherheitsstandard für öffentliche Betreiber für mehr Resilienz. Und auch das deutsche Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik wird für seine Bemühungen um einen wenigstens für niedrigste Vertraulichkeitsstufen im Notfall nutzbaren Messenger und seine Liste der vertrauenswürdigen Cyber-Notfallexperten als beispielhaft aufgeführt. fst

  • BSI
  • Cybersicherheit
  • NIS-2

Presseschau

CNN: Concern rising among Biden officials Israel may launch incursion into Lebanon. Im Süden des Libanon könnte es im Frühling oder im Sommer zu einer israelischen Bodenoffensive kommen, befürchten US-amerikanische Geheimdienste laut zwei anonymer Quellen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu habe ein Interesse, Kämpfe in die Länge zu ziehen.

SWP: Feministische Außen- und Entwicklungspolitik konkret. Zwölf Beiträge untersuchen ein Jahr, nachdem das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium die Leitlinien für Feministische Außenpolitik (FAP) veröffentlicht haben, Grenzen, Potenziale und Anforderungen an die FAP. Zum Beispiel, wie sie konkret in der Ukraine Anwendung finden kann.

ZDF frontal: Geheimpapiere aus dem Kreml. Um seinen Wahlerfolg in besetzten ukrainischen Gebieten zu sichern, müssen sogar Profile von Jugendlichen in sozialen Netzwerken überwacht und analysiert werden, geht aus den Kreml-Leaks hervor, die ZDF und Spiegel mithilfe einer estnischen Online-Plattform ausgewertet haben. Wie Putins Wahlmanipulation funktioniert.   

Le Figaro: «Troupes au sol» en Ukraine. Macrons ambivalente Äußerungen zu Bodentruppen in der Ukraine wären innenpolitisch zwar ausgenutzt worden und hätten die europäische Einigkeit gestört, im Grunde habe Macron aber recht, schreibt die französische Tageszeitung. Die Botschaft, dass er fest an eine Niederlage Russlands glaube, sei in Osteuropa gut angekommen.  

The Standard: Ex-Defence Secretary Ben Wallace tears strip off Germany’s Olaf Scholz. Der frühere britische Verteidigungsminister Ben Wallace wirft Olaf Scholz vor, mit falschen Informationen Europas Sicherheit zu gefährden. Dass britische Soldaten der Ukraine beim Abschuss von Langstreckenraketen helfen würden, wie der Bundeskanzler sein Nein zu Taurus-Lieferungen begründet hatte, habe gezeigt, dass Scholz “der falsche Mann, im falschen Job, zur falschen Zeit” sei.

Heads

Cordula Hedenkamp – Juristin der Reserve

Cordula Hedenkamp ist Juristin, Reservistin und Vizepräsidentin für Verbandsorganisation und Weiterentwicklung beim Reservistenverband.

Cordula Minna Hedenkamp pendelt zwischen zwei Welten: In der einen arbeitet die 26-Jährige als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Zivilrecht, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht an der Universität Hannover und macht dort ihren Doktor in Jura. In der anderen dient sie als Leutnant der Reserve bei der Bundeswehr und ist beordert in der Abteilung Innere Führung des Territorialen Führungskommandos in Berlin.

Hauptberuflich zur Bundeswehr will Hedenkamp zwar nicht. Aber: “Wenn wir Reservisten gebraucht werden, bin ich da”. Das trifft nicht bei allen aus ihrem Umfeld direkt auf Verständnis, “allerdings hat sich das seit Beginn des Krieges in der Ukraine stark gewandelt.” Davor sei die Bundeswehr hauptsächlich mit Auslandseinsätzen in Verbindung gebracht worden, lange sei unklar gewesen, was die Bundeswehr im Inland so mache.

Kameradschaft trägt durch Grundausbildung

Eigentlich will Hedenkamp, 1997 in Lüneburg geboren, nach dem Abitur 2015 zur Polizei. Als Brillenträgerin bleibt ihr das allerdings verwehrt. Weil sie nicht direkt ins Studium starten will, entscheidet sie sich mit damals 18 Jahren für den Freiwilligen Wehrdienst bei der Bundeswehr. Die dreimonatige Grundausbildung im Sanitätsregiment 1 in Weißenfels sei hart gewesen, aber die Kameradschaft, “von der immer alle reden, trägt einen da durch.”

Während der anschließenden fünf Monate im Sanitätsunterstützungszentrum an der Julius-Leber-Kaserne in Berlin reift in ihr die Entscheidung, Jura zu studieren. Beim Kommando Heer in Strausberg schnuppert sie in der Abteilung Innere Führung einen Monat lang in die Arbeit von Juristen und Rechtsberatern.

Reserve gewinnt an Bedeutung

Und wird dort zum ersten Mal auf die Reserve aufmerksam gemacht. Den ganzen Wehrdienst über hätte sie den Dienst außerhalb des Berufssoldaten nicht auf dem Schirm gehabt. “Heute ist die Reserve zum Glück präsenter, weil die Bundeswehr den Bedarf und die Möglichkeit erkannt hat, so vakante Stellen aufzufüllen”, sagt Hedenkamp. Auch gäbe es mehr Möglichkeiten, quer einzusteigen, zum Beispiel im Heimatschutz über die Landeskommandos. Trotzdem müsste die Informationsarbeit, vor allem zur Offizierslaufbahn für Reservisten, nach außen noch besser werden, sagt Hedenkamp.

Informationsarbeit übernimmt, neben den Karriere-Centern der Bundeswehr, auch der Reservistenverband mit seinen 115.000 Mitgliedern, dem sie seit 2017 angehört. Auch hier trägt sie Verantwortung, ist von 2017 bis 2021 Stellvertretende Vorsitzende, anschließend bis Ende 2023 Vorsitzende der Reservistenkameradschaft der Studierenden Reservisten Osnabrück, und hat außerdem das Amt der Beauftragten für Vielfalt der Landesgruppe Niedersachsen inne.

Überdurchschnittliches gesellschaftliches Engagement

Vielfalt bedeutet in ihren Augen allerdings nicht nur den Fokus darauf zu haben, mehr Frauen in den Dienst zu bringen. Ihr liegt vielmehr eine bessere Vernetzung von Reservisten und Zivilisten am Herzen, um die Bundeswehr mehr in die Mitte der Gesellschaft zu rücken. Seit 2023 ist sie zudem Vizepräsidentin für Verbandsorganisation und Weiterentwicklung und gehört damit dem Präsidium des Reservistenverbandes an.

Neben dem Jurastudium in Osnabrück und dem Ehrenamt im Verband durchlief Hedenkamp von 2019 bis 2022 die Ausbildung zum Reserveoffizier außerhalb des Wehrdienstes an der Offiziersschule des Heeres in Nienburg. Dort legte sie ihren persönlichen Fokus auf die Ausbildung anderer Rekruten beim Bataillon Elektronische Kampfführung, denn die Abteilung Innere Führung, in der sie nach dem Wehrdienst eingesetzt war, sei hauptsächlich Büroarbeit gewesen, “und ich wollte erstmal noch mehr Wald sehen.”

Die Lehrgänge und Übungen der Reserveoffiziersausbildung seien für Hedenkamp sehr bereichernd gewesen, sagt sie: “Menschen, die sich für so eine Laufbahn entscheiden, sind Menschen, die neben ihren beruflichen Aufgaben gerne mehr leisten. Mit solchen engagierten Leuten aus allen Bereichen des Lebens, vom Unternehmensberater zum Geologen oder Politiker, in einem Hörsaal zu sein, das ist besonders.” Im Dezember 2022, nach der bestandenen Lehrgangsprüfung, wurde sie zum Leutnant der Reserve befördert. Fast zeitgleich mit der Offiziersschule schreibt sie außerdem das Erste juristische Staatsexamen – und besteht als Viertbeste in Niedersachsen. Lisa-Martina Klein

  • Bundeswehr
  • Deutschland

Dessert

Militärexperte Carlo Masala erklärt den Krieg. In aller Kürze und Prägnanz, auf verschiedenen Ebenen, schreibt er in dem Essay “Warum die Welt keinen Frieden findet” schnörkellos auf, warum Krieg wohl für immer eine Konstante der internationalen Politik bleiben wird. Auch wenn jede Faser eines rational denkenden Menschen die Unsinnigkeit dieses Mittels erkennt.

Was Krieg ist, lässt sich gar nicht so eindeutig definieren. Seit 1945 hat formal kein Staat dem anderen den Krieg erklärt. Stattdessen wird von “Selbstverteidigung” gesprochen, Kriegsministerien heißen nun Verteidigungsministerien. Dem Warum kann man sich ebenfalls nur annähern – ist der Mensch grundsätzlich gut oder doch eher böse? Gar nicht mal so entscheidend für seine Kriegslust. Sind demokratische Staaten friedfertiger als autoritäre? Statistisch gesehen schon. In Konflikte mit autoritären Staaten sind sie dennoch häufig involviert.

Geht es um ökonomische Interessen, neue Märkte, Ressourcen, Krieg zur Ankurbelung der Rüstungsindustrie? In den wenigsten Fällen gibt es dafür Beweise. Schon eher lassen sich die Ursachen für Kriege im internationalen System finden, im Fehlen einer überstaatlichen Instanz zur Regelüberwachung. Es herrscht ein permanentes System der Unsicherheit. Staaten streben daher nach Macht über andere – mit allen Mitteln, auch kriegerischen.

Lassen sich Kriege in Zukunft minimieren? Ja, aber wir sollten uns trotzdem mit dem Gedanken vertraut machen, dass auch im 21. Jahrhundert Kriege Teil der Normalität sind. Masala ruft mit diesem Buch auf, Kriege zu verstehen als ersten Schritt hin zu den richtigen Schlüssen in Politik wie Gesellschaft. Trotz des Themas eine leichte Lektüre. klm

Carlo Masala – Warum die Welt keinen Frieden findet. Erschienen im Brandstätter Verlag.

Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    neu war an Wladimir Putins Rede gestern nur eines: die selbstsichere Art, wie Putin seine Drohungen an den Westen richtete. Die strategischen Atomkräfte seien “in voller Bereitschaft zur Anwendung”. Es lässt darauf schließen, dass er sich in seiner Machtposition sicher glaubt und zu keinen Gesprächen bereit ist, schreibt Viktor Funk.

    Gut gemeint, schlecht gemacht? Die Leitlinien zur Feministischen Außenpolitik (FAP) der Bundesregierung werden heute ein Jahr alt. Lob und Kritik liegen so weit auseinander wie vor einem Jahr: Die einen sehen sie als unverzichtbaren Wertekompass für außenpolitische Initiativen an, die anderen halten sie, vor allem im Konfliktfall, für realitätsfern. Nana Brink zieht ein erstes Fazit.

    Den Schutz maritimer Infrastruktur wie Gaspipelines, Untersee-Stromkabel und Windanlagen hat die Bundesregierung bis zu den Angriffen auf die Nord Stream-Pipelines sträflich vernachlässigt. Umso mehr Druck hat sie jetzt, Lagebild- und Koordinierungsfähigkeiten aufzubauen. Dafür könnte das Maritime Sicherheitszentrum in Cuxhaven aufgewertet werden. Ich habe mir vor Ort einen Eindruck verschafft und analysiere, warum ein Ausbau vermutlich hinter dem zurückbleiben wird, was gebraucht wird.

    Eine aufschlussreiche Lektüre zum Start ins Wochenende wünscht

    Ihre
    Lisa-Martina Klein
    Bild von Lisa-Martina  Klein

    Analyse

    Abwehr von Unterwasserangriffen: Sicherheitszentrum in Cuxhaven soll ausgebaut werden

    Das Maritime Sicherzeitszentrum in Cuxhaven soll künftig eine zentrale Rolle beim Schutz maritimer Infrastruktur spielen.

    Das Maritime Sicherheitszentrum (MSZ) in Cuxhaven ist ein imposanter Bau. 2017 fertiggestellt, 23 Millionen Euro teuer, hochmodern ausgestattet, thront es direkt am Hafen der knapp 50.000-Einwohner-Stadt. Es ist ein Unikat in der deutschen Behördenlandschaft. Über Ressort- und Bundesländergrenzen hinweg vereint es Vertreter aller für die Sicherheit der Schifffahrt zuständigen Behörden unter seinem Flachdach: das Havariekommando, die Bundespolizei (See), die Wasserschutzpolizeien der fünf Küstenländer, die Deutsche Marine, den Zoll, den Fischereischutz und die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. 

    Im Herzen, dem Gemeinsamen Lagebild See, laufen Informationen zu Schiffsverkehr, Wetterlage und Infrastruktur in einem großen, offenen Lagebild zusammen. Bei der Eröffnung 2017 sagte der damalige Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) – in dessen Geschäftsbereich das MSZ fällt – Cuxhaven sei “für die maritime Sicherheit, was Houston in Texas für die Raumfahrt ist – ein Koordinierungszentrum von Weltrang”

    Maritime Sicherheit – Bundeskanzleramt macht Druck

    Fünf Jahre nach Dobrindts Rede lassen Unbekannte an den Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee viele Kilo Sprengstoff detonieren. Verhindern konnten Bundespolizei und Marine, die Geheimdienste oder der Eigentümer, die Nord Stream AG, die Sabotage nicht. Kaum einer hat eine genaue Vorstellung von dem, was sich unter der Wasseroberfläche in Nord- und Ostsee abspielt. Die Betreiber sind zwar in erster Linie für den Schutz ihrer Anlagen verantwortlich. Gegen Bedrohungen durch einen staatlichen Akteur, der derart im Verborgenen agieren kann, ist ein privates Unternehmen aber auf staatliche Unterstützung angewiesen.

    Eine Arbeitsgruppe, angeleitet durch das Bundeskanzleramt, arbeitet seither mit Hochdruck an einer besseren Abstimmung zwischen den beteiligten Ressorts – hauptsächlich Innen-, Verteidigungs- und Verkehrsministerium – zum Schutz maritimer Infrastruktur. Ein Aufbaustab, bestehend aus Vertretern von Bund und Ländern, prüft dafür seit einem Jahr auch das Ausbaupotenzial des “Koordinierungszentrums von Weltrang” in Cuxhaven. 

    Und muss feststellen: Das MSZ war bisher nur für die “maritime safety” gedacht, also die Sicherheit der Menschen in der Schifffahrt. Nicht aber für die “maritime security” oder gar “defence”, die Sicherheit und Verteidigung der Infrastruktur vor Terroristen oder staatlichen Akteuren mit kriegerischen Absichten. 

    Zusammenarbeit mit den Betreibern stärken

    Es fehlt daher nicht nur an der Koordinierung bei der Gefahrenabwehr, im Polizei- oder Militärsprech einer Kommandostruktur. Im Ernstfall braucht es eine schnelle, rechtssichere Koordinierung zwischen Bund, Ländern und dem Militär. Es fehlt auch an der Eignung und Fähigkeit zur Erstellung eines “roten” (Unterwasser-)Lagebilds. Dort könnten als geheim eingestufte militärische und geheimdienstliche Informationen, offene Daten aus der Schifffahrt, von Satelliten und polizeilichen Behörden dargestellt werden – vor allem zu besonders kritischer und verteidigungsrelevanter Infrastruktur.

    Und, ein wesentlicher Punkt, der bislang im Lagebild des MSZ fehlt: die Sensor- und Kameradaten von privaten Betreibern maritimer Anlagen. Auf der Basis dieser Informationen könnten dann – eine Kommandostruktur vorausgesetzt – bei akuter Bedrohung eine entsprechende Reaktion ausgelöst, die Betreiber gewarnt oder eine Empfehlung an die Bundesregierung ausgesprochen werden. Bislang verfügt nur das Havariekommando über eine solche Kommandostruktur, das nach einem Schiffsunglück schnell und unbürokratisch auf verfügbare Schiffe und Personal aller Behörden im MSZ zurückgreifen kann.

    Um zusätzlich eingestufte militärische Informationen abbilden zu können, bräuchte es im MSZ aber abgetrennte Räumlichkeiten, eine hochgesicherte IT-Infrastruktur, den besten Schutz vor Cyberattacken, eventuell sogar eine gehärtete Fassade. Vor Anfang des kommenden Jahrzehnts wäre ein solch umfassendes Zentrum wohl kaum einsatzbereit.

    Kommunikationsstrategie soll Richtung klarmachen

    Wie viel Zeit bis zu einem erneuten Angriff wirklich bleibt, weiß niemand. Russische Schiffe kartografieren seit Jahren die westliche Infrastruktur, Nato-Offizielle gehen gar davon aus, dass wichtige Infrastrukturpunkte bereits vermint sein könnten. Noch wird verdächtiges Verhalten ziviler russischer Schiffe mit eventuell militärischen Mitteln an Bord zu langsam detektiert, weil diese gerne ihr Transpondersignal ausschalten oder manipulieren. Was sie auf Hoher See oder gar unter Wasser machen – unbekannt.

    Bei der Bundespolizei und Marine glaubt man nicht so recht daran, dass das MSZ zeitnah die Funktion eines Lagebildzentrums so ausfüllen wird, wie es für Deutschland erforderlich wäre. Die Marine baut parallel weiter ihr eigenes Lagebild auf, das Verteidigungsministerium übernimmt seit Mitte Februar die Funktion als Ansprechpartner für maritime Fragen in der Bundesregierung. Das MSZ könnte aber künftig zumindest als wesentlicher Ansprechpartner für und Bindeglied zu den Betreibern, der Industrie und auch der maritimen Forschung dienen.

    Die Anlagenbetreiber könnten dort auch Sicherheitspläne hinterlegen oder Übungen mit Bundes- und Landespolizeien organisieren. Noch im Frühjahr wollen die beteiligten Ressorts eine Kommunikationsstrategie zu den Plänen des MSZ vorlegen. Vielleicht findet sich dort Cuxhaven als “Houston” für die maritime Sicherheit wieder – auch unter Wasser.

    • Bundesregierung
    • Deutsche Marine
    • Kritische Infrastruktur
    • Marine
    Translation missing.

    Neuer Ton aus Russland: Putin droht mit Waffeneinsatz gegen Ziele im Westen

    In seiner Rede zur Lage der Nation und künftiger Politik hatte der russische Präsident Wladimir Putin zwei Adressaten: das Inland und das Ausland. Kurz zusammengefasst: Während sich die Gesellschaft in Russland auf zahlreiche Förderprogramme, Entwicklungsprojekte, über eine angeblich steigende Lebenserwartung und grundsätzlich ein besseres Leben freuen kann, muss sich das Ausland, in erster Linie der Westen, vor dem Einsatz von Atomwaffen hüten.

    Putin droht so deutlich und ruhig wie nie zuvor: Die strategischen Atomkräfte seien “in voller Bereitschaft zur Anwendung”. Diese Kräfte wurden allerdings schon drei Tage nach Beginn der Vollinvasion vor zwei Jahren in Alarmbereitschaft versetzt.

    Die Rede des russischen Präsidenten, der in zwei Wochen in einer zweifelhaften Wahl wiedergewählt werden dürfte, überrascht weniger im Inhalt, sondern im Ton. Der größte Krieg in Europa seit 1945, den Putin verantwortet, rückte einerseits stark in den Hintergrund: Obwohl Putin mit zwei Stunden und sieben Minuten deutlich länger sprach als vor einem Jahr, bezog er sich viel kürzer auf den Krieg, seine Ursachen und Folgen. Schuld sei – wie immer – der Westen.

    Putin nutzt Macrons Vorlage

    Andererseits drohte Putin viel unverhohlener als früher. Offensichtlich dankbar für die Vorlage des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, eventuell französische Truppen in die Ukraine zu entsenden, erinnerte Putin “an die, die schon mal ihre Kontingente auf unser Territorium entsandt haben” – eine Anspielung an Hitlers Überfall auf die Sowjetunion. Es ist aber auch eine Warnung vor einem möglichen Angriff oder einem Eindringen auf russisches Territorium. Und zu diesen Territorien gehören nach russischem Verständnis inzwischen auch die besetzten Gebiete im Osten der Ukraine.

    Sieben verschiedene moderne Waffensysteme nannte Putin namentlich. Er betonte, dass es weitere in der Entwicklung gebe, eine Auseinandersetzung würde heute tragischer enden als früher. “Sie sollen endlich verstehen, dass wir auch Waffen haben, die wissen das schon, ich habe das gerade erwähnt, die Ziele auf ihrem Territorium treffen können.” Letztlich fasste Putin seine Botschaft an den Westen, der die Ukraine im Widerstand gegen Russlands Aggression unterstützt, knapp und ultimativ zusammen: “Ohne ein starkes und souveränes Russland ist eine stabile Weltordnung unmöglich.”

    Geschenke vor der Wahl

    Keine halbe Stunde seiner gesamten Redezeit widmete Putin dem Krieg in der Ukraine. Dafür breitete er teils sehr detailliert verschiedene Pläne für gesellschaftliche Entwicklungen aus. Die demografischen Probleme Russlands – nach den Sicherheitsstrukturen Putins zweitwichtigstes Thema seit seinem Machtantritt 2000 – sollen mit neuen Förderprogrammen für Familien behoben werden.

    Eine große Familie mit vielen Kindern solle die Norm werden. Gesundheit, Bildung, Künstliche Intelligenz, Krediterlasse für arme Regionen, ein neuer Atom-Eisbrecher namens Stalingrad und selbst eine Gasversorgung für Schrebergärten waren Themen. Zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl, von der Putins wichtigster Herausforderer, der kriegskritische Boris Nadeschdin ausgeschlossen wurde, verteilt der Präsident fiktive Geschenke.

    Der Auftritt soll auch vom Krieg ablenken

    Seine – wie die Saal-Kamera nicht nur einmal zeigte – einschläfernden Ausführungen, sind beabsichtigt. Der Krieg soll vergessen werden, die eigenen Toten werden lediglich als heldenhafte Opfer und als Vorbilder für ein erstarktes Vaterland erwähnt. Das Ablenken von Problemen, das Versprechen einer goldenen Zukunft, die nach ersten Einschätzungen von Wirtschaftsfachleuten nur durch Steuererhöhungen zu erreichen wäre, erinnert an seine vierstündige Jahrespressekonferenz im Dezember.

    Auch damals sollte sein Auftritt den Krieg vergessen machen. Damals wie heute ging es darum zu zeigen, dass hier ein Machtmensch steht, der keine Zweifel an seinem Kurs kennt, der zu Aggression bereit ist und der vor allem allein mit den USA über eine neue Sicherheitsarchitektur für die Welt verhandeln will. Nicht zufällig erwähnte er konkret allein die Vereinigten Staaten, mit denen Russland zu einem “Dialog” über die Fragen “strategischer Stabilität” bereit sei. Es geht um Atomwaffen. Putin schränkte jedoch zugleich fragend ein: “Sie wollen ernsthaft mit uns über die strategische Stabilität diskutieren, während sie zeitgleich, wie sie selbst sagen, Russland auf dem Kampffeld strategisch besiegen wollen?”

    Gesprächsbereitschaft klingt anders. Aber Putin sucht sie gar nicht und sendet zumindest in dieser Rede auch keine Anzeichen dafür. Stattdessen wiederholt er so klar wie selten, dass Russlands Platz am Tisch der Mächtigsten ist, koste es, was es wolle.

    • Geopolitik
    • Russland
    • Ukraine
    • Ukraine-Krieg
    • Wladimir Putin

    Bilanz nach einem Jahr feministische Außenpolitik: Das sind die Widersprüche, Hürden und Grenzen

    Im Koalitionsvertrag der Ampel war noch von einer “Feminist Foreign Policy” (FFP) die Rede. Man wählte damals bewusst den englischen Begriff. “Feministische Außenpolitik ist ein Buzzword, das zu Diskussionen führt. Ich finde das eigentlich etwas Positives, weil es immer ein Einstieg in ein Gespräch ist”, sagt Gesa Bräutigam, seit August 2023 Botschafterin für feministische Außenpolitik (FAP) im Auswärtigen Amt.

    Ein Jahr nach den Veröffentlichungen der Leitlinien hat sich der Begriff zumindest im Bundestag etabliert. Im Parlamentskreis “Feministische Außenpolitik” sitzen nicht nur Vertreterinnen der Ampel-Fraktionen wie Agnieszka Brugger, Vize-Fraktionschefin der Grünen, oder Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses (FDP): “Ich halte feministische Außenpolitik, auch wenn der Begriff bei manchen immer noch Kopfschütteln auslöst, für zeitgemäß.”

    Die Diskussionen darüber sind allerdings geblieben. Annette Widmann-Mauz, die die CDU in diesem informellen Gremium vertritt, erklärt Table.Media: “Bei allen aktuellen Krisen und Entwicklungen – ob Iran, Afghanistan, Israel oder in der Ukraine – wo die feministische Außenpolitik wirklich gefordert wäre, stößt sie schnell an realpolitische Grenzen.”

    Leitlinien wichtig für außenpolitische Initiativen

    Dem widerspricht Botschafterin Bräutigam: “Die Leitlinien sind wichtig für unsere außenpolitischen Initiativen. Zum Beispiel ganz aktuell unser Engagement für die Opfer von sexualisierter Gewalt durch die Hamas. Wir setzen uns in der EU für verschärfte Sanktionen gegen die Hamas ein. Aber genauso wichtig ist unser Eintreten für die humanitäre Hilfe in Gaza und dort ganz besonders mit dem Blickwinkel auf Frauen und Kinder.”

    Erst wenige Länder wie Schweden, Kanada und Mexiko haben sich zu einer FFP bekannt. Die schwedische Außenministerin Margot Wallström hat sie 2014 als Erste salonfähig gemacht. Die neue konservative Regierung in Schweden hat sie allerdings letztes Jahr gekippt. Kritik kommt derzeit nicht nur aus konservativen Kreisen, sondern auch von zivilgesellschaftlichen Akteurinnen.

    FAP geht an der Lebensrealität oft vorbei

    Die deutsche Friedens- und Sicherheitsberaterin Johanna Wolf de Tafur, die unter anderem für die OSZE und UN arbeitet, hält die FAP zwar für einen “interessanten Ansatz”: In der Praxis gehe er aber an der Lebensrealität vieler Menschen vorbei. “Ich benutze das Wort ‘feministisch’ nicht in meiner Arbeit, da verliere ich sofort den Zugang zu vielen Menschen. Ich spreche von Gerechtigkeit”. Wolf de Tafur leitete 2012 das UN-Menschenrechtsbüro in Maniema, einer Provinz der Demokratischen Republik Kongo. Entscheidend für ihre Arbeit sei es gewesen, mit den Frauenorganisationen vor Ort zu sprechen. Sie hätten viel Erfahrung mit Ungerechtigkeiten und hätten längst eigene Strategien entwickelt, um damit umzugehen. “Anstatt sie zu belehren, sollten wir von ihnen lernen”.

    Für Botschafterin Bräutigam ist “FAP kein Zauberstab. Wir alle wissen, wie die Situation zum Beispiel im Iran ist, insbesondere die Situation von Frauen und Mädchen ist desolat. Das Agieren im Iran ist für uns großen Beschränkungen unterworfen und das Land ist bereits jetzt eines der am stärksten sanktionierten der Welt”. Die Iran-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Azadeh Zamirirad, hingegen meint: “Was für Ressourcen bringe ich eigentlich auf, um gesellschaftliche Kräfte im Iran zu stärken? Und da tun wir bislang zu wenig.”

    Es sei wichtig, die iranischen Frauen in der Diaspora einzubeziehen bei der Einführung von Sanktionen, damit diese nicht mehr schaden, als nutzen. Als Beispiel führte Zamirirad eine EU-Sanktion gegen einen iranischen Cloud-Dienst an, dem vorgeworfen wurde, mit dem iranischen Staat zu kooperieren. Aber auch viele Iranerinnen hätten ihn genutzt, um die Zensur zu umgehen. “Und das ist ein Beispiel, was unter iranischen Aktivistinnen sehr stark umstritten war.”

    “Real-Feminismus” schließt auch Waffenlieferungen ein

    Außenministerin Annalena Baerbock prägte damals den neuen Begriff des “Real-Feminismus”. Dieser schließe sowohl Waffenlieferungen als auch die Anwendung von militärischer Gewalt als ultima ratio ein. Eine Interpretation, die nicht überall auf Zustimmung stößt. Ein zentrales feministisches Anliegen sei zum Beispiel die Reduzierung von Gewalt und der Schutz der Zivilbevölkerung. “Das würde bedeuten, einen Waffenstillstand in jedem Fall zu unterstützen, was die Außenministerin mit Bezug auf den Gazastreifen nicht gefordert hat”, analysiert Claudia Zilla, Expertin für feministische Außenpolitik bei der SWP.

    Zilla, die zum Beraterkreis bei der Entwicklung der Leitlinien im Auswärtigem Amt gehörte, ist Herausgeberin einer umfangreichen Studie zur Umsetzung der feministischen Außenpolitik, die Ende Februar erschienen ist. Sie fragt weiter: “Wie verträgt sich eine FAP mit der Zeitenwende? Da gibt es viele Widersprüche, zum Beispiel setzt sich FAP für Abrüstung ein. Was wir aber erleben, ist eine zunehmende Militarisierung.”

    Als einen Erfolg verbucht Botschafterin Bräutigam die Einführung des sogenannten Gender Budgeting. Zum ersten Mal werden Projekte im Auswärtigen Amt daraufhin überprüft, ob sie zur Gleichstellung der Geschlechter beitragen. “Wir vergeben unsere Projektmittel so, dass die Bedürfnisse von Frauen und marginalisierten Gruppen mitbedacht werden. Acht Prozent der Mittel sollen so eingesetzt werden, dass sie die Gleichstellung schwerpunktmäßig fördern”. Auch personell soll die FAP sichtbar werden: Bis zum Sommer 2024 soll jede dritte deutsche Botschaft von einer Frau geführt werden.

    • Annalena Baerbock
    • Außenpolitik
    • Feminismus
    • Feministische Außenpolitik
    • OSZE

    News

    Waffen gegen Investitionen: Frankreich und Katar wollen Interoperabilität erhöhen

    Katar will bis 2030 10 Milliarden Euro in Frankreich investieren und setzt im Gegenzug auf eine stärkere militärische Kooperation. Das katarische Geld soll hauptsächlich in Halbleiter-Technologie, in die Energiewende, Luftfahrt, Künstliche Intelligenz, Gesundheit und Kultur fließen.

    Am Dienstag hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den katarischen Emir Tamim bin Hamad Al Thani, der bis Mittwoch in Paris blieb, im Elysée mit den Worten empfangen: “Ihr Land ist ein Freund Frankreichs, ein treuer Partner, auf den es in schwierigen Situationen zählen kann.” Frankreich bezieht Flüssigerdgas aus Katar, das Emirat kauft französische Waffen, zum Beispiel Rafale-Kampfjets von Dassault. Derzeit sind 36 der Jets Teil der katarischen Flotte, Doha plant, weitere zu beschaffen.

    Im Rahmen der “strategischen Partnerschaft”, von der Frankreich und Katar nach dem Treffen in einer gemeinsamen Erklärung sprachen, haben sich die Staaten darauf verständigt, “die militärischen Kapazitäten Katars zu verstärken und zu modernisieren, insbesondere im Bereich der Infanterie und der Interoperabilität der beiden Streitkräfte“.

    Millionen für palästinensische Bevölkerung in Aussicht gestellt

    Das französische Wirtschaftsmagazin La Tribune spekuliert, dass der Panzerbauer Nexter, dessen CEO Nicolas Chamussy auch am Abendessen mit den Staatschefs teilnahm, kommende Woche bei der Rüstungsmesse Dimdex in Doha den lange geplanten Verkauf gepanzerter Fahrzeuge VBCI an das Land bekanntgeben könnte.

    Macron, der zu Beginn seiner ersten Amtszeit 2017 noch Distanz zu Katar wahrte, sucht den Schulterschluss mit dem strategisch wichtigen Partner in Nahost. Katar hat etwa bei der Vermittlung zur Freilassung von Geiseln der Hamas eine entscheidende Rolle gespielt. Al Thani und Macron riefen erneut zu einem Waffenstillstand im Gaza-Krieg auf und kündigten an, 200 Millionen Euro zur Unterstützung der palästinensischen Bevölkerung bereitzustellen.

    Die Staatschefs teilten mit, dass sie “die Unterstützung der libanesischen Streitkräfte weiter verfolgen”, um zur Deeskalation in der Region beizutragen. Paris erhofft sich, dass die libanesische Armee im Süden des Landes die Hisbollah zurückdrängt, um zu verhindern, dass die Miliz die Angriffe auf Israel verstärkt. Der Besuch Al Thanis in Frankreich war sein erster, seit er das Land seit 2013 regiert. bub

    • Frankreich
    • Gaza-Krieg
    • Geopolitik
    • Katar

    Vizeadmiral Kaack verteidigt Hessen-Besatzung gegen Kritik an Friendly Fire

    Ungeachtet von Berichten über ein Brotschlangenmassaker in Gaza-Stadt am Donnerstag rückt eine Feuerpause im muslimischen Fastenmonat Ramadan näher. Das legen Äußerungen von katarischen, israelischen, ägyptischen und US-amerikanischen Verhandlungsteilnehmern nahe, die über die Freilassung von Dutzenden israelischen Geiseln im Gazastreifen im Gegenzug für humanitäre Hilfen für mehr als 1,9 Millionen geflohene Palästinenser beraten.

    Dem Vernehmen nach soll Israel der Freilassung von 21 sogenannten Sicherheitshäftlingen zugestimmt haben, die die Hamas-Führung fordert. Dafür sollen sieben im Gazastreifen festgehaltene israelische Zivilistinnen freikommen. Im November 2023 waren 80 israelische Geiseln im Gegenzug für die Haftentlassung von 240 palästinensischen Gefangenen aus israelischen Gefängnissen freigekommen. Der Deal bildete die Grundlage für eine Feuerpause, die keine zehn Tage hielt.

    Biden weckt Hoffnung auf Feuerpause im Ramadan

    Anfang der Woche hatte US-Präsident Joe Biden seiner Zuversicht Ausdruck verliehen, dass eine sechswöchige Feuerpause bis zum Ramadan-Beginn am 10. März in Kraft treten könnte. Die Konturen einer möglichen Vereinbarung sehen laut dem israelischen Fernsehsender Channel12 Folgendes vor:

    • Sechs Wochen Feuerpause für  
    • Freilassung von bis zu 40 israelischen Geiseln im
    • Gegenzug für rund 400 Palästinenser in israelischen Gefängnissen

    Kaack kündigt Nachschub von Munition für Fregatte Hessen an

    Nachdem die im Roten Meer zum Schutz von Handelsschiffen eingesetzte Fregatte Hessen erstmals einen Angriff der aus dem Jemen agierenden Huthi-Miliz abwehren musste, hat der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Jan Christian Kaack, Munitionsnachschub angekündigt. “Wir werden zeitnah Munition nachführen”, sagte Kaack am Donnerstag der dpa.

    Ausdrücklich verteidigte er das militärische Vorgehen der Besatzung, die bereits am Montag – erfolglos – auf eine US-Drohne geschossen hatte. Am Dienstag dann habe das an der EU-Militärmission Aspides beteiligte Schiff in Abstand von zwanzig Minuten zwei Drohnen abgeschossen. Kaack bekräftigte, dass für den Einsatz der Fregatte Hessen ausreichend Munition vorhanden sei. Das Bundestagsmandat endet im Februar 2025. mrb/dpa

    • EU
    • Gaza
    • Naher Osten
    • Sicherheitspolitik

    EU-Polizeimission im Niger muss “schnellstmöglich” abziehen

    Nach Streit mit den Militärmachthabern im Niger sollen die verbliebenen Mitarbeiter der europäischen zivilen Aufbaumission in dem westafrikanischen Land schnellstmöglich ausreisen. “Kurzfristig ist die EU gezwungen, den Abzug der Mission EUCAP Sahel Niger zu beschleunigen. Das internationale Personal der Mission, das von den EU-Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt wurde, wird so schnell wie möglich nach Europa zurückkehren”, teilte eine EU-Sprecherin in Brüssel der Deutschen Presse-Agentur mit. 

    Bislang war ein Abzug bis Mai geplant, nachdem die Militärregierung im Niger die Zusammenarbeit im Dezember nach zwölf Jahren aufgekündigt hatte. Die EU protestierte scharf gegen eine Razzia gegen das EUCAP-Hauptquartier in der Hauptstadt Niamey vergangene Woche, bei der Ausrüstung der Polizeimission beschlagnahmt worden war.

    Die Aufbaumission mit rund 120 Europäern sollte die Sicherheitsbehörden im Kampf etwa gegen extremistische Gewalt, Drogen-, Waffen- und Menschenschmuggel stärken. Nach dem Putsch im Juli wendet sich die selbst ernannte Übergangsregierung aber von früheren Partnern ab, insbesondere Ex-Kolonialmacht Frankreich. Die Außenstelle der Mission in der Wüstenstadt Agadez an der Migrationsroute nach Norden wurde bereits geschlossen. 

    Dazu, wie viele Mitarbeiter noch im Land seien, um den Abzug abzuschließen, wollte die EU aus Sicherheitsgründen keine Angaben machen. Leiterin der Mission ist die deutsche Richterin Katja Dominik. Sie war Ende Januar mit anderen Mitarbeitern der Mission bei der Einreise vorübergehend ausgewiesen worden. Nach dpa-Informationen musste sie zuletzt aus Sicherheitsgründen im Sitz der EU-Delegation in Niamey unterkommen. dpa

    • EU-Mission
    • Niger
    • Sahel

    ENISA-Studie: Best Practice bei Cyberkrisen

    Die Europäische Netzwerk- und Informationssicherheitsbehörde ENISA hat eine Studie veröffentlicht, wie Best Practices im Fall einer Cyberkrise aussehen könnten. Als Cyberkrisen gelten dabei staatenübergreifende Großschadenslagen. In der Studie schildern die Autoren anhand der Ziele der überarbeiteten Netzwerk- und Informationssicherheits-Richtlinie (in Deutschland als NIS2-Umsetzungsgesetz derzeit noch in der Beratung) Beispiele dafür, wie mit Cyberkrisen umgegangen werden kann. “Krisenmanagement-Prozesse sind für die Arbeitsfähigkeit von größter Bedeutung”, sagt ENISA-Leiter Juhan Lepassaar.

    Allerdings ist die Abwehr von digitalen Risiken nach wie vor nationalstaatlich organisiert – mit der NIS2 wird aber das Cyber Crises Liaison Organisation Network (EU CyCLONe) etabliert, mit dem unter den zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten eng zusammengearbeitet werden kann. In der Studie werden zu insgesamt 14 Punkten der NIS2 Best Practices aus den EU-Staaten aus den Bereichen Prävention, Vorbereitung und Bewältigung derartiger Ereignisse vorgestellt.

    So sind etwa in Frankreich “überlebenswichtige Betreiber” wie eine Reederei dazu verpflichtet, ihre IT-Landschaft gegenüber der IT-Sicherheitsbehörde ANSSI offenzulegen. Estland sorgt mit einem IT-Mindestsicherheitsstandard für öffentliche Betreiber für mehr Resilienz. Und auch das deutsche Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik wird für seine Bemühungen um einen wenigstens für niedrigste Vertraulichkeitsstufen im Notfall nutzbaren Messenger und seine Liste der vertrauenswürdigen Cyber-Notfallexperten als beispielhaft aufgeführt. fst

    • BSI
    • Cybersicherheit
    • NIS-2

    Presseschau

    CNN: Concern rising among Biden officials Israel may launch incursion into Lebanon. Im Süden des Libanon könnte es im Frühling oder im Sommer zu einer israelischen Bodenoffensive kommen, befürchten US-amerikanische Geheimdienste laut zwei anonymer Quellen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu habe ein Interesse, Kämpfe in die Länge zu ziehen.

    SWP: Feministische Außen- und Entwicklungspolitik konkret. Zwölf Beiträge untersuchen ein Jahr, nachdem das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium die Leitlinien für Feministische Außenpolitik (FAP) veröffentlicht haben, Grenzen, Potenziale und Anforderungen an die FAP. Zum Beispiel, wie sie konkret in der Ukraine Anwendung finden kann.

    ZDF frontal: Geheimpapiere aus dem Kreml. Um seinen Wahlerfolg in besetzten ukrainischen Gebieten zu sichern, müssen sogar Profile von Jugendlichen in sozialen Netzwerken überwacht und analysiert werden, geht aus den Kreml-Leaks hervor, die ZDF und Spiegel mithilfe einer estnischen Online-Plattform ausgewertet haben. Wie Putins Wahlmanipulation funktioniert.   

    Le Figaro: «Troupes au sol» en Ukraine. Macrons ambivalente Äußerungen zu Bodentruppen in der Ukraine wären innenpolitisch zwar ausgenutzt worden und hätten die europäische Einigkeit gestört, im Grunde habe Macron aber recht, schreibt die französische Tageszeitung. Die Botschaft, dass er fest an eine Niederlage Russlands glaube, sei in Osteuropa gut angekommen.  

    The Standard: Ex-Defence Secretary Ben Wallace tears strip off Germany’s Olaf Scholz. Der frühere britische Verteidigungsminister Ben Wallace wirft Olaf Scholz vor, mit falschen Informationen Europas Sicherheit zu gefährden. Dass britische Soldaten der Ukraine beim Abschuss von Langstreckenraketen helfen würden, wie der Bundeskanzler sein Nein zu Taurus-Lieferungen begründet hatte, habe gezeigt, dass Scholz “der falsche Mann, im falschen Job, zur falschen Zeit” sei.

    Heads

    Cordula Hedenkamp – Juristin der Reserve

    Cordula Hedenkamp ist Juristin, Reservistin und Vizepräsidentin für Verbandsorganisation und Weiterentwicklung beim Reservistenverband.

    Cordula Minna Hedenkamp pendelt zwischen zwei Welten: In der einen arbeitet die 26-Jährige als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Zivilrecht, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht an der Universität Hannover und macht dort ihren Doktor in Jura. In der anderen dient sie als Leutnant der Reserve bei der Bundeswehr und ist beordert in der Abteilung Innere Führung des Territorialen Führungskommandos in Berlin.

    Hauptberuflich zur Bundeswehr will Hedenkamp zwar nicht. Aber: “Wenn wir Reservisten gebraucht werden, bin ich da”. Das trifft nicht bei allen aus ihrem Umfeld direkt auf Verständnis, “allerdings hat sich das seit Beginn des Krieges in der Ukraine stark gewandelt.” Davor sei die Bundeswehr hauptsächlich mit Auslandseinsätzen in Verbindung gebracht worden, lange sei unklar gewesen, was die Bundeswehr im Inland so mache.

    Kameradschaft trägt durch Grundausbildung

    Eigentlich will Hedenkamp, 1997 in Lüneburg geboren, nach dem Abitur 2015 zur Polizei. Als Brillenträgerin bleibt ihr das allerdings verwehrt. Weil sie nicht direkt ins Studium starten will, entscheidet sie sich mit damals 18 Jahren für den Freiwilligen Wehrdienst bei der Bundeswehr. Die dreimonatige Grundausbildung im Sanitätsregiment 1 in Weißenfels sei hart gewesen, aber die Kameradschaft, “von der immer alle reden, trägt einen da durch.”

    Während der anschließenden fünf Monate im Sanitätsunterstützungszentrum an der Julius-Leber-Kaserne in Berlin reift in ihr die Entscheidung, Jura zu studieren. Beim Kommando Heer in Strausberg schnuppert sie in der Abteilung Innere Führung einen Monat lang in die Arbeit von Juristen und Rechtsberatern.

    Reserve gewinnt an Bedeutung

    Und wird dort zum ersten Mal auf die Reserve aufmerksam gemacht. Den ganzen Wehrdienst über hätte sie den Dienst außerhalb des Berufssoldaten nicht auf dem Schirm gehabt. “Heute ist die Reserve zum Glück präsenter, weil die Bundeswehr den Bedarf und die Möglichkeit erkannt hat, so vakante Stellen aufzufüllen”, sagt Hedenkamp. Auch gäbe es mehr Möglichkeiten, quer einzusteigen, zum Beispiel im Heimatschutz über die Landeskommandos. Trotzdem müsste die Informationsarbeit, vor allem zur Offizierslaufbahn für Reservisten, nach außen noch besser werden, sagt Hedenkamp.

    Informationsarbeit übernimmt, neben den Karriere-Centern der Bundeswehr, auch der Reservistenverband mit seinen 115.000 Mitgliedern, dem sie seit 2017 angehört. Auch hier trägt sie Verantwortung, ist von 2017 bis 2021 Stellvertretende Vorsitzende, anschließend bis Ende 2023 Vorsitzende der Reservistenkameradschaft der Studierenden Reservisten Osnabrück, und hat außerdem das Amt der Beauftragten für Vielfalt der Landesgruppe Niedersachsen inne.

    Überdurchschnittliches gesellschaftliches Engagement

    Vielfalt bedeutet in ihren Augen allerdings nicht nur den Fokus darauf zu haben, mehr Frauen in den Dienst zu bringen. Ihr liegt vielmehr eine bessere Vernetzung von Reservisten und Zivilisten am Herzen, um die Bundeswehr mehr in die Mitte der Gesellschaft zu rücken. Seit 2023 ist sie zudem Vizepräsidentin für Verbandsorganisation und Weiterentwicklung und gehört damit dem Präsidium des Reservistenverbandes an.

    Neben dem Jurastudium in Osnabrück und dem Ehrenamt im Verband durchlief Hedenkamp von 2019 bis 2022 die Ausbildung zum Reserveoffizier außerhalb des Wehrdienstes an der Offiziersschule des Heeres in Nienburg. Dort legte sie ihren persönlichen Fokus auf die Ausbildung anderer Rekruten beim Bataillon Elektronische Kampfführung, denn die Abteilung Innere Führung, in der sie nach dem Wehrdienst eingesetzt war, sei hauptsächlich Büroarbeit gewesen, “und ich wollte erstmal noch mehr Wald sehen.”

    Die Lehrgänge und Übungen der Reserveoffiziersausbildung seien für Hedenkamp sehr bereichernd gewesen, sagt sie: “Menschen, die sich für so eine Laufbahn entscheiden, sind Menschen, die neben ihren beruflichen Aufgaben gerne mehr leisten. Mit solchen engagierten Leuten aus allen Bereichen des Lebens, vom Unternehmensberater zum Geologen oder Politiker, in einem Hörsaal zu sein, das ist besonders.” Im Dezember 2022, nach der bestandenen Lehrgangsprüfung, wurde sie zum Leutnant der Reserve befördert. Fast zeitgleich mit der Offiziersschule schreibt sie außerdem das Erste juristische Staatsexamen – und besteht als Viertbeste in Niedersachsen. Lisa-Martina Klein

    • Bundeswehr
    • Deutschland

    Dessert

    Militärexperte Carlo Masala erklärt den Krieg. In aller Kürze und Prägnanz, auf verschiedenen Ebenen, schreibt er in dem Essay “Warum die Welt keinen Frieden findet” schnörkellos auf, warum Krieg wohl für immer eine Konstante der internationalen Politik bleiben wird. Auch wenn jede Faser eines rational denkenden Menschen die Unsinnigkeit dieses Mittels erkennt.

    Was Krieg ist, lässt sich gar nicht so eindeutig definieren. Seit 1945 hat formal kein Staat dem anderen den Krieg erklärt. Stattdessen wird von “Selbstverteidigung” gesprochen, Kriegsministerien heißen nun Verteidigungsministerien. Dem Warum kann man sich ebenfalls nur annähern – ist der Mensch grundsätzlich gut oder doch eher böse? Gar nicht mal so entscheidend für seine Kriegslust. Sind demokratische Staaten friedfertiger als autoritäre? Statistisch gesehen schon. In Konflikte mit autoritären Staaten sind sie dennoch häufig involviert.

    Geht es um ökonomische Interessen, neue Märkte, Ressourcen, Krieg zur Ankurbelung der Rüstungsindustrie? In den wenigsten Fällen gibt es dafür Beweise. Schon eher lassen sich die Ursachen für Kriege im internationalen System finden, im Fehlen einer überstaatlichen Instanz zur Regelüberwachung. Es herrscht ein permanentes System der Unsicherheit. Staaten streben daher nach Macht über andere – mit allen Mitteln, auch kriegerischen.

    Lassen sich Kriege in Zukunft minimieren? Ja, aber wir sollten uns trotzdem mit dem Gedanken vertraut machen, dass auch im 21. Jahrhundert Kriege Teil der Normalität sind. Masala ruft mit diesem Buch auf, Kriege zu verstehen als ersten Schritt hin zu den richtigen Schlüssen in Politik wie Gesellschaft. Trotz des Themas eine leichte Lektüre. klm

    Carlo Masala – Warum die Welt keinen Frieden findet. Erschienen im Brandstätter Verlag.

    Security.Table Redaktion

    SECURITY.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen